experimentelle untersuchung der tropfendispergierung in einer pulsierten...

2
Experimentelle Untersuchung der Tropfendispergierung in einer pulsierten Siebboden-Extraktionskolonne* Hartmut Haverland und Alfons Vogelpohl** Zur Beschreibung der Fluiddynamik und des Strofftransports in Flus- sig/Flussig-Extraktionskolonnen ist die Kenntnis der TropfengroBe von grundlegender Bedeutung. Fur die in der Praxis haufig verwende- ten flussigkeitspulsierten Siebbodenkolonnen ist die Vorausberech- nung der TropfengroBejedoch immer noch mit groBen Unsicherhei- ten behaftet, da uber die Mechanismen der Tropfendispergierung in diesem Extraktortyp bisher nur sehr wenig bekannt ist. Um zu einem besseren Verstandnis der bei der Tropfendispergierung auftretenden Mechanismen und GesetzmaBigkeiten zu gelangen, wurden im Rah- men einer Grundlagen-Untersuchung Messungen zur Dispergierung einzelner Tropfen an einem Siebboden in einer pulsierten Extrak- tionskolonne durchgefuhrt. 1 Versuchsbedingungen Fur die Einzeltropfenmessungen wurde das Testsystem Toluol (disp.)/ Wasser verwendet [l]. Die benutzte Versuchsanordnung ist in Abb. 1 schematisch dargestellt. Sie besteht im wesentlichen aus einer pulsier- ten Glaskolonne der Nennweite 80 mm mit einem in der Kolonnen- mitte installierten einzelnen Siebboden und einem Tropfenerzeu- gungssystem. 5 5 6 h 3 / m 1 2 4e 1 1 Irnl Abb. 1. Schematische Darstellung des Versuchsaufbaus; I Glasko- lonne DN 80, 2 Siebboden, 3 Pulsator, 4a Dispersphasenvorlage, 4b Dosierspritze, 4c Dreiwegehahn, 4d Glaskapillare, 4e Dosierpum- pe, 5 Hochgeschwindigkeitskamera mit Steuereinheit, 6 modifizier- ter Personal Computer. * Vortrag von H. Haverland auf dem Jahrestreffen der Verfahrens- Ingenieure, 30. Sept. bis 2. Okt. 1987 in Freiburg. ** Dip1.-Ing. H. Hawrland und Prof. Dr.-Ing. A. Vogepohl, Institut fur Thermische Verfahrenstechnik der TU Clausthal, Leibnizstr. 15, 3392 Clausthal-Zellerfeld. Stoffsystem Siebbodengeometrie almm Symb Toluolldisp I/ di = 2.0 mm 6 0 ______ Wasser t =L.Omm 10 0 7=22.1% A 18 0 I Vollstandiger Zerfalll I Haftenl L a 4.0 I- e AB Bereich A (Kein Zerfall) 2.0 0 1.0 2.0 3.0 4.0 Pulsationsintensitat a f / cm 5.' Abb. 2. Tropfenverhalten an einem Siebboden unter Pulsationsbe- dingungen; d, Lochdurchmesser, t Teilung, q relative freie Quer- schnittsflache, a Pulsationsamplitude, f Pulsationsfrequenz. Die mit Hilfe des Tropfenerzeugungssystems gebildeten Tropfen wer- den der Kolonne im unteren Bereich durch einen Seitenstutzen uber eine Glaskapillare zugefuhrt. Die in der wassergefullten Kolonne auf- steigenden spezifisch leichteren Toluol-Tropfen passieren auf ihrem Weg in den Kolonnenkopf einen einzelnen Siebboden. Der Tropfen- durchtritt wird sowohl visuell beobachtet als auch mit Hilfe einer Hochgeschwindigkeitskamera gefilmt. Fur die Experimente wurden drei verschiedene Siebbodengeometrien mit Lochdurchmessern von 2 mm, 4 mm und 6,5 mm sowie relativen freien Querschnittsflachen von 22,7 YO, 40,3 YO und 59,9 YO verwendet. Das Verhalten der Toluol- Tropfen wurde an diesen drei Bodengeometrien in einem Tropfen- durchmesserbereich von 1,5 mm bis 10 mm bei Pulsationsfrequenzen bis zu 2,5 Hz und Pulsationsamplituden im Bereich von 6 mm bis 18 mm untersucht. 2 MeRergebnisse Abb. 2 veranschaulicht das Tropfenverhalten am Boden mit einem Lochdurchmesser von 2 mm. In Abhangigkeit vom Tropfendurch- messer und von der Pulsationsintensitat laBt sich das Verhalten der Tropfen bei ihrer Ankunft am Siebboden in die drei Hauptbereiche A, B und C sowie in vier zusatzliche Zwischenbereiche unterteilen. Im Bereich A sind die auf den Tropfen beim Passieren des Siebbo- dens wirkenden Krafte zu gering, um die den Tropfen stabilisierenden Oberflachenkrafte zu uberwinden, d. h. in diesem Bereich passieren alle Tropfen den Siebboden unzerteilt. Im Bereich B uberwiegen die den Tropfen destabilisierenden Krafte, so dal3 alle den Siebboden er- reichenden Tropfen dispergiert werden. Bei kleinen Pulsationsinten- sitaten und Tropfendurchmessern, die groBer als der Lochdurchmes- ser sind, bleiben die Tropfen unter dem Siebboden haften und werden an einer weiteren Aufwartsbewegunggehindert. In diesem Bereich C reichen die von der umgebenden Stromung auf den Tropfen wirken- den Krafte und die Auftriebskraft nicht aus, um die fur den Tropfen- durchtritt erforderlichen Deformationen zu bewirken. Zwischen diesen drei Hauptbereichen existieren mehr oder weniger breite Ubergangsbereiche, in denen das Tropfenverhalten nur mit ei- ner gewissen Wahrscheinlichkeit vorhersagbar ist. Wie die Auswer- tung der Filmaufnahmen gezeigt hat, besteht die Ursache fur die Exi- stenz dieser Zwischenbereiche darin, daB das ,,Individualschicksal" jedes Tropfens nicht nur von den von auBen vorgegebenen Betriebs- bedingungen (Bodengeometrie, Pulsationsintensitat, TropfengroBe) beeinfluBt wird, sondern auch davon abhangt, an welcher Stelle und 494 Chem.-1ng.-Tech. 60 (1988) Nr. 6, S. 494-495 0 VCH Verlagsgesellschaft mbH, D-6940 Weinheim, 1988 0009-286X/88/0606-0494 $ 02.50/0

Upload: dipl-ing-hartmut-haverland

Post on 11-Jun-2016

213 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Experimentelle Untersuchung der Tropfendispergierung in einer pulsierten Siebboden-Extraktionskolonne*

Hartmut Haverland und Alfons Vogelpohl**

Zur Beschreibung der Fluiddynamik und des Strofftransports in Flus- sig/Flussig-Extraktionskolonnen ist die Kenntnis der TropfengroBe von grundlegender Bedeutung. Fur die in der Praxis haufig verwende- ten flussigkeitspulsierten Siebbodenkolonnen ist die Vorausberech- nung der TropfengroBe jedoch immer noch mit groBen Unsicherhei- ten behaftet, da uber die Mechanismen der Tropfendispergierung in diesem Extraktortyp bisher nur sehr wenig bekannt ist. Um zu einem besseren Verstandnis der bei der Tropfendispergierung auftretenden Mechanismen und GesetzmaBigkeiten zu gelangen, wurden im Rah- men einer Grundlagen-Untersuchung Messungen zur Dispergierung einzelner Tropfen an einem Siebboden in einer pulsierten Extrak- tionskolonne durchgefuhrt.

1 Versuchsbedingungen

Fur die Einzeltropfenmessungen wurde das Testsystem Toluol (disp.)/ Wasser verwendet [l]. Die benutzte Versuchsanordnung ist in Abb. 1 schematisch dargestellt. Sie besteht im wesentlichen aus einer pulsier- ten Glaskolonne der Nennweite 80 mm mit einem in der Kolonnen- mitte installierten einzelnen Siebboden und einem Tropfenerzeu- gungssystem.

5

5

6

h

3 / m

1

2

4 e

1 1 I r n l

Abb. 1. Schematische Darstellung des Versuchsaufbaus; I Glasko- lonne DN 80, 2 Siebboden, 3 Pulsator, 4a Dispersphasenvorlage, 4b Dosierspritze, 4c Dreiwegehahn, 4 d Glaskapillare, 4e Dosierpum- pe, 5 Hochgeschwindigkeitskamera mit Steuereinheit, 6 modifizier- ter Personal Computer.

* Vortrag von H. Haverland auf dem Jahrestreffen der Verfahrens- Ingenieure, 30. Sept. bis 2. Okt. 1987 in Freiburg.

** Dip1.-Ing. H. Hawrland und Prof. Dr.-Ing. A. Vogepohl, Institut fur Thermische Verfahrenstechnik der TU Clausthal, Leibnizstr. 15, 3392 Clausthal-Zellerfeld.

Stoffsystem Siebbodengeometrie almm Symb

Toluolldisp I / di = 2.0 mm 6 0 ______ Wasser t = L . O m m 10 0

7 = 2 2 . 1 % A

18 0

I Vollstandiger Zerfalll I Haftenl

L a 4.0 I- e A B

Bereich A (Kein Zerfall)

2.0

0 1.0 2.0 3.0 4.0 Pulsationsintensitat a f / cm 5.'

Abb. 2. Tropfenverhalten an einem Siebboden unter Pulsationsbe- dingungen; d, Lochdurchmesser, t Teilung, q relative freie Quer- schnittsflache, a Pulsationsamplitude, f Pulsationsfrequenz.

Die mit Hilfe des Tropfenerzeugungssystems gebildeten Tropfen wer- den der Kolonne im unteren Bereich durch einen Seitenstutzen uber eine Glaskapillare zugefuhrt. Die in der wassergefullten Kolonne auf- steigenden spezifisch leichteren Toluol-Tropfen passieren auf ihrem Weg in den Kolonnenkopf einen einzelnen Siebboden. Der Tropfen- durchtritt wird sowohl visuell beobachtet als auch mit Hilfe einer Hochgeschwindigkeitskamera gefilmt. Fur die Experimente wurden drei verschiedene Siebbodengeometrien mit Lochdurchmessern von 2 mm, 4 mm und 6,5 mm sowie relativen freien Querschnittsflachen von 22,7 YO, 40,3 YO und 59,9 YO verwendet. Das Verhalten der Toluol- Tropfen wurde an diesen drei Bodengeometrien in einem Tropfen- durchmesserbereich von 1,5 mm bis 10 mm bei Pulsationsfrequenzen bis zu 2,5 Hz und Pulsationsamplituden im Bereich von 6 mm bis 18 mm untersucht.

2 MeRergebnisse

Abb. 2 veranschaulicht das Tropfenverhalten am Boden mit einem Lochdurchmesser von 2 mm. In Abhangigkeit vom Tropfendurch- messer und von der Pulsationsintensitat laBt sich das Verhalten der Tropfen bei ihrer Ankunft am Siebboden in die drei Hauptbereiche A, B und C sowie in vier zusatzliche Zwischenbereiche unterteilen. Im Bereich A sind die auf den Tropfen beim Passieren des Siebbo- dens wirkenden Krafte zu gering, um die den Tropfen stabilisierenden Oberflachenkrafte zu uberwinden, d. h. in diesem Bereich passieren alle Tropfen den Siebboden unzerteilt. Im Bereich B uberwiegen die den Tropfen destabilisierenden Krafte, so dal3 alle den Siebboden er- reichenden Tropfen dispergiert werden. Bei kleinen Pulsationsinten- sitaten und Tropfendurchmessern, die groBer als der Lochdurchmes- ser sind, bleiben die Tropfen unter dem Siebboden haften und werden an einer weiteren Aufwartsbewegung gehindert. In diesem Bereich C reichen die von der umgebenden Stromung auf den Tropfen wirken- den Krafte und die Auftriebskraft nicht aus, um die fur den Tropfen- durchtritt erforderlichen Deformationen zu bewirken. Zwischen diesen drei Hauptbereichen existieren mehr oder weniger breite Ubergangsbereiche, in denen das Tropfenverhalten nur mit ei- ner gewissen Wahrscheinlichkeit vorhersagbar ist. Wie die Auswer- tung der Filmaufnahmen gezeigt hat, besteht die Ursache fur die Exi- stenz dieser Zwischenbereiche darin, daB das ,,Individualschicksal" jedes Tropfens nicht nur von den von auBen vorgegebenen Betriebs- bedingungen (Bodengeometrie, Pulsationsintensitat, TropfengroBe) beeinfluBt wird, sondern auch davon abhangt, an welcher Stelle und

494 Chem.-1ng.-Tech. 60 (1988) Nr. 6, S. 494-495 0 VCH Verlagsgesellschaft mbH, D-6940 Weinheim, 1988 0009-286X/88/0606-0494 $ 02.50/0

Toluolldispl/Wasser , ON 8 0 d, I 2mm. 7 = 22.7 % V, = V d = LOllh, a f = 2,Ocmls B 1.00

Abb. 3. Dispergierung eines Tropfens durch Scherung am Steg zwi- schen zwei Siebbodenlochern; Lochdurchmesser 2 mm, Muttertrop- fendurchmesser 4 mm, Pulsationsamplitude 8 mm, Pulsationsintensi- tat 1,75 cmls, Zeitspanne zwischen den Bildern 20 ms, v, momentane Stromungsgeschwindigkeit in den Siebbodenlochern.

zu welchem Zeitpunkt wahrend der Pulsationsbewegung der Tropfen den Siebboden erreicht. Die Grenzlinien zwischen den verschiedenen Bereichen werden nur von der Pulsationsintensitat festgelegt. Ein getrennter EinfluB von Pulsationsamplitude und Pulsationsfrequenz auf das Tropfenverhal- ten wurde im untersuchten Parameterbereich nicht festgestellt. Aufgrund des stochastischen Charakters des Tropfenverhaltens am Siebboden entstehen beim Zerfall monodisperser Muttertropfen in den Bereichen AB, ABC, B und BC relativ breite Tochtertropfenver- teilungen, deren mittlere Durchmesser mit steigender Pulsationsin- tensitat abnehmen. Die Auswertung der Hochgeschwindigkeitsfilmaufnahmen hat ge- zeigt, daR unterschiedliche Mechanismen zur Dispergierung der Tropfen fiihren. Wesentliche EinfluBparameter fur die auftretenden Dispergiermechanismen sind neben der Pulsationsintensitat der An- kunftszeitpunkt des Tropfens am Siebboden relativ zur Pulsationsbe- wegung und das Verhaltnis vom Tropfen- zum Lochdurchmesser. Die Dispergierung der Tropfen erfolgt jedoch iibenviegend durch Sche- rung an einer Lochkante oder am Steg benachbarter Siebbodenlo- cher. Dieser Mechanismus wird weder in den auf der Turbulenztheo- rie von Kolmogorov [2] basierenden Berechnungsansatzen (z. B. [3]), noch in den aus einem Kraftegleichgewicht oder einer Energiebilanz am Tropfen entwickelten Modellansatzen [4, 51 zur Vorausberech- nung der TropfengroRe in pulsierten Siebbodenkolonnen beriicksich- tigt. Abb. 3 demonstriert beispielhaft den DispergierprozeR eines Tropfens, der kurz vor dem Erreichen der maximalen Aufwartsge- schwindigkeit der Pulsationsbewegung am Siebboden ankommt und durch Scherung an einem Siebbodensteg in insgesamt vier Tochter- tropfen zerteilt wird.

3 Modellrechnungen

Auf der Grundlage der ermittelten DispergiergesetzmaRigkeiten wurden Modellrechnungen durchgefiihrt, bei denen die Veranderung einer vorgegebenen TropfengroRenverteilung durch wiederholte Dis- pergierung als Funktion der Siebbodenzahl berechnet wurde. Die

- Gemessen dlz= 1,71 mm 0.50

t dlmm

Oberhalb des 11 Bodens -Gemessen d l l = 1.96mm

Berechnet d12 = 2.04 mrn G-

O I ' ? ' ' h ' " " 0 1 2 3 4 5 6 1 8

0.25

0 1 2 3 4 5 6 1 8 d/mm

Abb. 4. Vergleich berechneter TropfengroBenverteilungen mit ent- sprechenden MeBwerten von Aufderheide [6]; Vc, Vd Volumendurch- satz der kontinuierlichen bzw. der dispersen Phase, q3 Volumendich- teverteilung, d , , Sauter-Durchmesser.

Modellrechnungen liefern den EinfluR der Pulsationsintensitat, der Bodengeometrie und der am Zugabeverteiler erzeugten Tropfengro- Re auf das in einer pulsierten Siebbodenkolonne zu erwartende Trop- fengroRen-Verteilungsprofil. Der Vergleich der Simulationsergebnis- se mit entsprechenden MeRwerten an Pilot-Kolonnen (Abb. 4) zeigt, da5 die TropfengroRen-Verteilungen und deren axiale Veranderun- gen entlang der Kolonnenachse auf der Basis von Einzeltropfenmes- sungen vorausberechenbar sind.

Die Autoren danken der Deutschen Forschungsgemeinschaft fur die finanzielle Unterstutzung dieser Arbeit.

Eingegangen am 15. Dezember 1987

Literatur

[l] Misek, T.; Berger, R.; Schroter, J.: Standard test systems for liquid extraction, 2. Aufl., European Federation of Chemical Engi- neering, 1985.

[2] Kolmogorov, A . N.: Sammelband der statistischen Turbulenz, Akademie-Verlag, Berlin 1958.

[3] Boyadzhiev, L.; Spassov, M.: Chem. Eng. Sci. 37 (1982) Nr. 2, S. 3371340.

[4] Pietzsch, W.; Pilhofer, T.: Chem. Eng. Sci. 39 (1984) Nr. 6, S. 9611 965.

[5] Pietzsch, W.; Blab, E.: Chem.-1ng.-Tech. 57 (1985) Nr. 10, S. 8721 873.

[6] Aufderheide, E.: Dissertation, TU Clausthal 1985.

Schliisselworte: Fliissig/Fliissig-Extraktion, pulsierte Siebbodenko- lonne, Tropfendispergierung, Modellrechnung.

Chem.-1ng.-Tech. 60 (1988) Nr. 6, S. 494-495 495