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Evolution auf Inseln
Teil 3
Sabine Hille, Institut für Wildbiologie und Jagdwirtschaft, Universität für Bodenkultur, Gregor Mendel-Strasse 33, 1180 Wien
Gerichtete Prozesse,die nach Etablierung einer Population zur Divergenz und Speziation führen können
· Sexuelle Selektion· Natürliche Selektion
Mayr’s peripatrische Artbildung
Eine kleine, isolierte Population erfährt genetische Drift durch einen bottleneck. Mit dem Allelfrequenzwandel an bestimmten Loci gibt sie im Vergleich zur Ausgangspopulation eine unterschiedliche Antwort auf Selektion
großer und schneller genetischer Wandel, Verlust von Variation
Carson’s Founder-Flush Artbildung
Kleine Population erfährt einen raschen Zuwachs. Neue Phänotypen resultieren aus der Selektion die an der Variabilität der Rekombinationen arbeitet. Aufbrechen der genetischen Basis alter Adaptationen, ermöglicht additive genetische Varianz quantitativer Merkmale.
Modelle, wie bottlenecks, die zur Artbildung beitragen
• Mayr’s peripatrische Artbildung• Carson’s Founder-Flush Artbildung• Templeton’s Theorie
Mit der Zunahme der Populationsgröße werden pleiotrope Effekte durch modifizierte Loci geändert - mit großem Effekt auf fitnessrelevante Parameter.
Templeton’s Theorie
Reduzierte Populationsgröße bei Gründerpopulation oder bottleneckSituation führt zu: 1) Verlust genetischer Diversität
(Allelhäufigkeit, Heterozygotie)2) Addition neuer genetischer
Kombinationen2) Introgression genotypischer Variation
verwandter Arten durch Hybridisierung
Adaptive Radiation
Evolutionäre Divergenz von Mitgliedern einer einzelnen phylogenetischen Linie zu einer Vielfalt verschiedener adaptiver Formen; meist bezogen auf die Diversifizierung im Gebrauch von Ressourcen oder Habitaten.
Voraussetzungen für adaptive Radiation auf Inseln
Isolierte, große, hohe ozeanische InselnViele Lebensraumtypen MöglichkeitNischen zu bilden ohne starken Genflußaus anderen PopulationenGenetische Ausstattung Basis für Anpassung
A Geospiza conirostrisB Geospiza candensspezialisiert auf Kakteenblüten und Früchte
C Certhidea olivaceabaumlebender InsektenfresserD Camarhynchus pallidussucht mit "Werkzeug" nach Insekten
Darwinfinken auf Galapagos
Darwin Finken Populationen auf Inseln
• Individuenarm• Kleine Areale• starke Umweltfluktuationen• Spezialisten können schlechter auf
Umweltveränderungen reagieren als Generalisten
Zwei Arten Darwinfinken
• GRUNDFINK Geospiza fortis: Generalist • Nahrung abhängig vom Angebot
(Sämereien)• 17g, brütet ab 35 mm
• KAKTUSFINK Geospiza scandens:Spezialist
• längerer Schnabel, frisst vor allem Kaktus-, Opuntienblüten, -früchte
• 21 g, kann schon ab 16mm Regen brüten;
Konvergenz durch Selektion ?Auf Schnabel kaum Selektion(Unterschiede zwischen Toten und Überlebenden)
(Grant et al. 2004)
Konvergenz auch durch Immigration?
• Mit genetischem „assignment test“: können Individuen einer Population anderen Inselpopulationen zugeordnet werden
• für G. fortis nicht möglich (nahe Verwandtschaft), für G. scandens schon (7 aus 291)aber insgesamt unwahrscheinlich, dass durch Immigration Konvergenz entstanden ist
Konvergenz durch Hybridisierung?• muß sich auch in Genetik widerspiegeln• Distanz zwischen den Arten nimmt ab:
16 Loci untersucht
(Grant et al. 2004)
Konvergenz durch Hybridisierung
• Anteil der Allelvielfalt nimmt in G. scandens zu (1988 vs. 1999), inG. fortis (1984 vs. 1999) nicht
• im Durchschnitt zwei Allele/Locus mehr
(Grant et al. 2004)
Anteil der Hybriden nimmt in G. scandens stärker zu
Konvergenz durch Hybridisierung
(Grant et al. 2004)
Neue Merkmale können durch Hybridisierung in einer Population auftauchen
• Schnäbel bei zwei Darwinfinken seit 20 Jahren konvergent entwickelt
• Selektion und Immigration nur geringen Anteil
Neues durch Altes
• Hybridisierung zwischen zwei Arten nimmt zu (genetische Distanz nimmt in eine Richtung ab, dort mehr Allele)
• im selben Zeitraum tritt Konvergenz auf• Allelvielfalt ermöglicht Anpassungen in der
Morphologie• durch Hybridisierung verändert G. scandens seine
Schnabelmorphologie und wird damit G. fortisähnlich.
Hybridisierung und Inzucht
• In kleinen Populationen nicht nur Hybridisierung wahrscheinlicher, sondern auch Inzucht
• Inzucht: bevorzugte Paarung zwischen nah verwandten Individuen
(Grant 2003)
Hybridisierung versus Inzucht
• Inzucht: genetische Varianz wird verringert, durch erhöhte Homozygotie können sich rezessive Gene im Phänotyp ausprägen, diese können lethal sein
• Hybridisierung: extreme Auszucht(outbreeding) = Paarung mit nicht Verwandten: erhöht genetische Varianz und Heterozygotiegrad
Hybridisierung versus Inzucht• Inbreds (f=0,25) versus Outbreds (f<0,01)• Hybride (Beobachtung und Mikrosatelliten) versus
Outbreds (f<0,01)G. scandens Paare Nachkommen Nester 1. Jahr Brüter LanglebigkeitInbred 3 11 5 6 0 0,5Outbred 3 12 5 10 8 3Hybrid 4 17 7 13 8 3
G. fortisInbred 17 65 23 52 19 1,5Outbred 20 72 23 55 32 2,5Hybrid 3 13 5 12 6 2,5
(Grant et al. 2004)
Hybridisierung versus Inzucht
• Inzucht: G. scandens: starke Inzuchtsdepression; G. fortis: weniger stark
• Hybridisierung: G. scandens erhöhte Fitness, bei G. fortis weniger ausgeprägt
• G. scandens profitiert stärker von Outbreeding, da Population kleiner (70 vs. 274)
Hybridisierung und Inzucht:vom Auftauchen und vom Verschwinden• In kleineren Populationen tritt Hybridisierung und
Inzucht gehäuft auf• durch Inzucht sinkt Fitness • durch Hybridisierung steigt Fitness (aber: nur bei
nah Verwandten Arten)• Inzuchtsdepression kann durch Hybridisierung
überwunden werden• „merge-and diverge oscillations“: abhängig von
Umweltbedingungen
Introgressive Hybridisierung
Konvergenz genetischer Strukturen zwischen Arten durch gelegentliche Hybridisierung
Hybridisierung
• Paarung zwischen unähnlichen Formen, vor allem Arten, aber auch Unterarten
• Hybridisierung - wird i.d.R. zwischen Arten vermieden, da Hybride sehr oft einen Fitnessnachteil haben (genetische Inkompatibiltät, Sterilität)
Hybridisierung
Nicht immer negativ, denn:
wenn Arten nicht zu lange voneinander getrennt sind, können durch Hybridisierungneue Allele in die Population „einwandern“
Neue Allele braucht die Population!
• Mutationsrate ist gering• Selektion reduziert Variation• Einwanderung: nimmt mit Entfernung ab• Genetische Drift• Phänotypische Plastizität ist hoch: wenn
Vererbungsgrad eines Merkmals gering
Hybridisieren?
Ecological release
Wenn Arten isoliert von konkurrierenden Arten evolvieren, können sie ihre Nischen erweitern oder Strukturen ablegen, die sie nicht mehr benötigen.
Verlust des Dispersionsverhaltens
1) Stark mobile Arten gehen dem Genpool verloren
2) Geringe Prädation führt zu fehlendem Selektionsdruck auf Mobilität
3) Energetisch günstiger, Flugapparatur einzusparen
Character Displacement
Durch Einnischung und Verdrängung von Charakteristika bei kompetitiven Formen zeigen sympatrische Arten größere Differenzierung in der Ressourcennutzung und einhergehenden Charaktereigenschaften als allopatrische Formen.
Taxonzyklus
Mehrere Kolonisationsereignisse führen zu zunehmender Konkurrenz zwischen ‚Neuankömmlingen‘ und spezialisierten ‚Erstsiedlern‘ und fördern dadurch ihre Nischenverlagerung bzw. Extinktion.
Anolis in den nördlichenKleinen Antillen
Neuer BesiedlerAdaptive Formauf Insel
Ausgangsform ist unterlegen, da Grössenunterschied zu neukolonisierender Art und wird daher kleiner
Anolis in den nördlichenKleinen Antillen
Überlegene Form wird kleiner und besetzt daher die alte Nischedes Erstbesiedlers
Vierstufiger Taxonzyklus der Avifaunain der Karibik (Ricklefs & Cox 1972)
1) Eine Festlandsform kolonialisiert eine Insel und ist zunächst ähnlich der Ausgangsform
2) Kolonist expandiert seine Nische, ist zunächst Generalist und evolviert dann graduell lokale Formen
3) Arten differenzieren weiterhin zu spezialisierten Endemiten, sterben aus und werden durch neue Besiedlerersetzt.
4) Oder sie bleiben als Endemiten erhalten