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Jänner, 2013 [email protected] existenzia.wordpress.com existenziA Dasein, Sein, Leben, Existenz, Bestehen, Vorhandensein... Werden Euskal Herria - Nationalismus, Identität & Athletic Club

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Page 1: Euskal Herria - Nationalismus, Identität & Athletic Club...1. Einleitung 4 2. Euskal Herria 6 2.1 Hegoalde 9 2.2 Iparralde 11 2.3 Die baskische Sprache - Euskera / Euskara 13 3. Nationalismus

Jänner, 2013

[email protected]

existenzia.wordpress.com

existenziA

Dasein, Sein, Leben, Existenz, Bestehen, Vorhandensein... Werden

Euskal Herria -

Nationalismus, Identität & Athletic Club

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1. Einleitung 4

2. Euskal Herria 6

2.1 Hegoalde 9

2.2 Iparralde 11

2.3 Die baskische Sprache - Euskera / Euskara 13

3. Nationalismus 16

3.1 Ein neuartiges Phänomen 16

3.2 Nationalismus - eine Ideologie und ihr Rückblick 19

3.2.1 Die Entwicklung bis zur Industriegesellschaft 19

3.2.2 Der Übergang zum Zeitalter des Nationalismus - Die Industriegesellschaft 21

3.3 Phasen des Nationalismus 22

3.4 Die Wandlung des Nationalismus - Anfänge im Baskenland 25

3.5 Beenden Zensur und Unterdrückung nationalistische Bestrebungen? 29

3.6 Der Neue Baskische Nationalismus 31

3.7 Was Francos Tod und die nachfolgende Demokratie bewirkten 34

4. Identität 42

4.1 Gedächtnis - Kultur - Gruppe 46

4.1.1 Das kollektive Gedächtnis (Maurice Halbwachs) 48

4.1.2 Das kulturelle Gedächtnis (Jan und Aleida Assmann) 50

4.2 Die Gesellschaft und ihre Symbole in Euskal Herria 53

4.3 Fußball und die Möglichkeit der Identifikation 58

5. Athletic Club 63

5.1 Ein Verein und seine Identität entstehen 63

5.2 „Caso unico“ - La Cantera - „Einzigartig“ 65

5.3 Eine nationale Liga (Primera División) entsteht und mit ihr die Profis 66

5.4 Fußball unter Franco 69

5.5 Die Veränderung durch den „Neuen Nationalismus“ und die Ikurriña 72

5.6 Lezama 73

5.7 Fans und ihr Support für Athletic und für Euskal Herria 74

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5.8 Hochmut kommt vor dem Fall 76

5.9 Die ETA und der Fußball 79

5.10 La Cantera - nach 100 Jahren noch möglich? 79

5.11 Gegenwart und Zukunft des Vereins 83

6. Resümee 87

7. Literaturverzeichnis 90

7.1 Printquellen 90

7.2 Internetquellen 92

7.3 Sonstige Quellen 94

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1. Einleitung

„Caso único en el fútbol mundial“ (LʻEquipe 1960) - „Einzigartig im Weltfußball“. Die Philosophie, nur mit Spielern aus den eigenen Reihen zu spielen und ein Verein für alle sein zu wollen, macht den Athletic Club de Bilbao so einzigartig.

Um die komplizierte Situation des Baskenlandes verstehen zu können, muss zuerst ein genauer Überblick darüber gegeben werden. Anfangs befasst sich diese Arbeit mit dem Baskenland, mit der geografischen Lage, mit der baskischen Sprache und mit der politischen Situation. Die Sprache und ihre Geschichte gleichen einem Mythos und sorgen für viel Diskussion. Mit Hilfe der Werke von Eric Hobsbawm und Ernest Gellner wird das Phänomen Nationalismus beschrieben, welches einen wichtigen und entscheidenden Faktor im Baskenland darstellt. Für den baskischen Nationalismus geben unter anderem die Beiträge von Santiago de Pablo, Ludger Mees und Ingo Niebel aufschlussreiche Erkenntnisse. Niebel gibt in seinem Buch „Das Baskenland“ einen sehr guten Überblick der aktuellen Lage. Der Nationalismus, die Identität zusammen mit der Unterdrückung, führten auch zur Gewalt: „Terror“ oder „Kampf für die Freiheit“, je nach ideologischer Ansicht. Mit Hilfe der Arbeiten von Maurice Halbwachs und Jan Assmann wird versucht zu beschreiben, wie eine nationale Identität entsteht und welche Faktoren dazu nötig sind. Wie zu sehen sein wird, ist Sport und vor allem Fußball wichtig für die Entstehung einer nationalen Identität und letztlich für die Identität selbst. Jeremy MacClancy und Johan Huizinga beschreiben „play“ als einen zentralen Punkt im Leben und schreiben diesem sogar eine wesentliche Rolle bei der Entwicklung der Gesellschaft zu. Seit dem 19.Jahrhundert entwickelte der organisierte Sport für die moderne Gesellschaft eine Relevanz. Massensport war kein wirklich ernstzunehmendes Thema in den einzelnen sozialen Wissenschaften. Erst seit den 1990er Jahren wird der Wert des Sports erkannt und eine Reihe wissenschaftlicher Arbeiten widerlegten die Vorurteile. Der Athletic Club de Bilbao ist ein sehr gutes Beispiel um dies zu zeigen. Bei diesem Verein und seinen Fans ist Identität, laut MacClancy, ein zentraler Punkt in den Gedanken und auch in den Herzen.1 Ein weiterer wichtiger Grund, warum Sport und seine Geschichte verfolgt werden sollte, ist die Behauptung, dass die parlamentarische Demokratie und der Sport Teile einer einzigen historischen Struktur wären. Die Regeln des Sports würden jene der demokratischen Politik kopieren. Somit kommt Sport zu einer legitimen Bedeutung bei der Sozialisierung mit dem Ziel „correct individual behaviour“. Des weiteren werden die Massen mobilisiert und bekommen ein Sprachrohr in der Öffentlichkeit. Studien über die Öffentlichkeit des Massenphänomens Sport zeigen, wie Sport eine regionale, nationale oder ethnische Identität ausmachen kann.2

Der Fußball und vor allem der Athletic Club de Bilbao soll all dies in sich vereinen. Wie bedeutend kann aber ein Fußballverein für Bestrebungen, wie Unabhängigkeit gegenüber einem Staat, sein? Wie schaffen es elf Spieler auf einem Fußballfeld, die Massen für eine Identität zu begeistern? Eine Identität, die verboten war und auch heute noch auf Gegner stößt. Welche Werte werden von der Masse und dem

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1 MacClancy Jeremy, Expressing Identities in the Basque Arena. S. 44.2 MacAlevey Wiliam, Football and Local Idenity. S. 87f.

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Einzelnen aufgenommen und wie werden diese Werte wiedergegeben? Einige spanische, baskische und englische Autoren habe sich mit diesen Fragen beschäftigt und schufen somit eine solide Ausgangslage. Die Chronologie des Vereins selbst gibt Auskunft über Zahlen und Daten und enthält Zeitungsausschnitte der vergangen Jahre. Es werden viele Parallelen aufgezeigt, welche gleichzeitig den Nationalismus, die Gesellschaft und den Verein prägten und veränderten. José Angeles Iribar und Bixente Lizarazu sind zwei interessante Beispiele, wie einzelnen Spieler unter den verschiedensten Gesichtspunkten betrachtet werden. Eine erste Antwort auf diese Fragen gibt es vom Verein selbst:

„We are not better and not worse for our philosophy - we are different.“3

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3 Vaczi Mariann, Subversive pleasures, losing games: Basque soccer madness. S. 33.

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2. Euskal Herria

In diesem ersten Kapitel soll vor allem geklärt werden was „Euskal Herria“ eigentlich bedeutet, welche Besonderheiten sich in dieser Region / Provinz / Nation abspielen und welche Voraussetzungen und Hintergründe im Baskenland für den Nationalismus herrschen.

„Euskal Herria“ ist ein linguistischer Begriff und bezieht sich auf das Land, welches von den SprecherInnen des Euskara / Euskera bewohnt wird. Eine Sprache ist jedoch dynamisch und folglich müssten sich die Grenzen ebenso ständig verändern. Für die Definition wird ein bestimmtes Territorium zu einer bestimmten Zeit herangezogen. Es handelt sich dabei um die Zeit im Hochmittelalter, als das Königreich Navarra den gesamten baskischen Sprachraum beherrschte.4

Die folgenden Grafiken5 sollen zum leichteren Verständnis der einzelnen Provinzen, der geographischen Lage und der politischen Gemeinden, welche im nächsten Absatz genau erklärt werden, dienen.

Abbildung 1: Provinzen / Politische Karte Euskal Herria

Abbildung 2: geografische Lage Euskal Herria

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4 Kasper Michael, Baskische Geschichte in Grundzügen. S. 2f.5 Erstellt mit Hilfe von geadesign-studio.

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Für die Basken bedeutet „Euskal Herria“ das Gebiet, welches alle baskisch-sprachigen Länder umfasst. Im Französischen ist dies mit „Pays Basque“ gleichzusetzen. Im Deutschen bedeutet es „Baskenland“ oder „Land der Basken“. „Euskal Herria“ taucht als Begriff das erste Mal im 16. Jahrhundert in einer schriftlichen Quelle auf. Es umfasst die heutigen drei französischen Provinzen Lapurdi (spanisch: Labourd), Nafarroa Beherea (Basse Navarre) und Zuberoa (Soule), sowie die vier spanischen Provinzen Bizkaia (Vizcaya), Gipuzkoa (Guipúzcoa), Araba (Àlava) und Nafarroa (Navarra). Heutzutage werden im baskischen Sprachgebrauch die Provinzen im französischen Staatsgebiet mit „Iparralde“ (Nordteil) bezeichnet. Sie bilden keine eigene baskische Einheit. 1790 wurden sie mit der Provinz Béarn im Départment Pyrénées Atlantiquis zusammengeschlossen. Von insgesamt ca. 3 Millionen Menschen im gesamten Baskenland leben im nördlichen Teil etwa 9%. Der Südteil im spanischen Staatsgebiet wird als „Hegoalde“ bezeichnet. Die Provinzen Araba, Bizkaia und Gipuzkoa bilden die Autonome Baskische Gemeinschaft (Euskal Autonomi Elkartea / Comunidad Autónoma Vasca). In der Hauptstadt Arabas, Gasteiz (Vitoria) ist der Sitz der Regierung und des baskischen (Minister)Präsidenten (Lehendakari). Nafarroa bildet eine eigenständige Gemeinschaft, die in etwa mit „Forale Gemeinschaft Navarra“ übersetzt werden kann. „Foral“ bezieht sich auf die Fueros und bezeichnet die spanischen Sonderrechte. Somit ergeben sich in Euskal Herria drei politische Verwaltungsbezirke: Départment Pyrénées Atlantiquis, Euskal Autonomi Ekarteta und Nafarroako Foru Kommunitatea.6

Sabino Arana Goiri und seine Bewegung, allen voran die nationalbaskische Partei, Euzko Jeltzaile Alderdi / Partido Nacionalista Vasco (EAJ/PNV), erfanden und propagierten den neuen Begriff „Euzkadi“ (spätere Schreibweise: Euskadi) anstelle von „Euskal Herria“. Sie beziehen sich dabei hauptsächlich auf Hegoalde. „Euskadi“ und der moderne spanische Begriff „País Vasco“ werden heutzutage von vielen als die drei Provinzen der Autonomen Baskischen Gemeinschaft gesehen. Im Autonomiestatut von 1979 ist geregelt, dass die vier spanischen Provinzen das Recht haben, dieser Gemeinschaft anzugehören. In den 1980er Jahren werden wieder verstärkt die drei nördlichen Provinzen miteingeschlossen. Vor allem durch die Bemühungen der linken Unabhängigkeitsbewegung wird seit den 1990er Jahren wieder versucht den Begriff in „Euskal Herria“ umzuändern. Die gehäufte Anwendung führte dazu, dass der Ausdruck wieder gebräuchlicher wurde. So auch im Jahre 2008, als die Fußballnationalmannschaften von Katalonien und dem Baskenland gegeneinander antraten. Der Radiosprecher bezeichnete die baskische Auswahl als „Euskal Herria“.7

Bereits die geografische Lage ist ausschlaggebend für die Voraussetzungen und Hintergründe der Besonderheit des Baskenlandes und seines Nationalismus. Diese Lage hat die baskischen Stämme von äußeren Einflüssen geschützt und gleichzeitig auch eine bestimmte innere Nähe geboten. Daraus entstand eine Isolation, welche die soziale, kulturelle und politische Sonderentwicklung festigte. Bis zum 7. Jahrhundert besaßen die einzelnen Stämme keine gemeinsame Institution und das Euskera mit seinen Dialekten sorgte dafür, dass äußere Einflüsse es schwer hatten. Mit den Römern herrschte eine friedliche Koexistenz und als das Römische Reich im 5. Jahrhundert zusammenbrach, waren die Basken die einzigen mit einem vorromanischen Erbe.8 Die Kämpfe gegen die Goten und Karolinger führten zu einem

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6 Niebel Ingo, Das Baskenland. S. 15 - 17.7 Ebda. 17 - 208 Lang Josef, Das baskische Labyrinth. S. 19.

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Zusammenschluss der einzelnen Stämme im Baskenland und daraus entstand das Königreich Navarra. 1134 kam es zur ersten Unabhängigkeit.9 Kasper schreibt, dass sich die sieben baskischen Territorien im Wesentlichen bis zum 13. Jahrhundert zusammengeschlossen haben und somit ihre heutige Gestalt bekamen. Die nördlichen Provinzen Labourd und Soule wurden Mitte des 15. Jahrhunderts, unter dem Widerstand der baskischen Bevölkerung, der französischen Krone untergeordnet.10 1512 wurde Navarra in zwei Königreiche geteilt. Basse Navarre (Nieder Navarra) war zuerst ein unabhängiges Königreich. Durch die zentralistischen Bestrebungen 1620 wurde zum einen Basse Navarre in das französische Königreich eingegliedert und zum anderen kam es zu einer Schwächung der Fueros für die drei Provinzen im Norden. Mit der Französischen Revolution gingen diese endgültig verloren. Durch die Trennung von 1512 kam es zu den drei unterschiedlichen Gebieten: das alte Königreich Navarra, die drei Territorien Iperraldes und die drei westlichen Territorien in Hegoalde. Aber genau mit diesem Ende der Einheit entwickelte sich der bis heute bestehende Mythos der baskischen Besonderheit, der sich besonders auf das Euskera und seine Einzigartigkeit bezieht.11

Diesen Mythos machte sich der Nationalismus zu eigen. Josef Waldmann zitiert in seinem Buch „Militanter Nationalismus im Baskenland“ den Mythos wie ihn Juan Aranzandi für die ETA beschreibt. Dieser fasst die Hintergründe und Voraussetzungen für den Nationalismus im Baskenland gut zusammen, zumindest für die Nationalisten.

„Die Basken lebten einst glücklich und in einem paradiesischen Euzkadi, das von den Mißgeschicken der Geschichte verschont war, und verteidigten ihre tausendjährige Unabhängigkeit erfolgreich gegen alle, die die Halbinsel unterwarfen; weder den Kelten noch den Phönikern, noch den Griechen, Römern, Goten Arabern und Spaniern gelang es, das goldene baskische Zeitalter zu beenden. Sie kannten weder Sklaverei noch Feudalismus, sondern waren alle Ritter. Ihre Eintracht und die von ihnen errichtete Demokratie hielten so lange an, bis sie in den Karlistischen Kriegen [1. Karistenkrieg 1833 - 1840; 2. Karlistenkrieg 1872 - 1876] von den Spaniern besiegt wurden. Damit kam das Böse nach Euzkadi in Gestalt des ausbeuterischen, verderblichen spanischen Kapitalismus. Die von der ETA geleitete baskische Revolution wird das irdische Paradies wieder herstellen in der Form eines, unabhängigen, sozialistischen Baskenlandes, in dem nur baskisch gesprochen wird.“12

Niebel beschreibt die politische Charakteristik, welche seit der 2. Republik (1931-1936/39) existiert, mit drei dominierenden Säulen. Als erstes ist hier die baskische Nationalbewegung zu nennen. Diese umfasst alle Parteien und Organisationen, welche das Baskenland als „Nation ohne Staat“ sehen. Am rechten Ende ist hier die PNV zu positionieren und am äußersten linken Rand die Untergrundorganisation ETA (Euskadi Ta Askatasuna - Baskenland und Freiheit). Zusammengefasst nennen sich diese Akteure „abertzale“, was mit „Patriot“ oder „patriotisch“ zu übersetzen ist. Dieser Block teilt sich in die Mitte-Rechts-Parteien, welche neben der PNV auch deren Abspaltung die Eusko Alkartasuna (EA, Baskische Solidarität) beinhaltet, und in die „ezkerra abertzale“ oder „izquierda abertzale“ (Patriotische Linke). Dieser Begriff steht für die linke Unabhängigkeitsbewegung, das Moviemiento Nacional de Liberación Vasco (MNLV). Neben der ETA zählen dazu einige verbotene Parteien, zahlreiche gesellschaftliche Organisationen und die Gewerkschaft Langile

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9 Kasper Michael, Baskische Geschichte in Grundzügen. S. 31.10 Lang Josef, Das baskische Labyrinth. S. 21 - 23.11 Kasper Michael, Baskische Geschichte in Grundzügen. S. 49f12 Waldmann Peter, Militanter Nationalismus im Baskenland. S. 201f.

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Abertzaleen Batzordeak (LAB, Patriotische Arbeiterkomitees). Das Zentrum der rechten Bewegung bildet die PNV. Hierzu zählt auch ihre Gewerkschaft ELA-STV, welche Niebel jedoch den dem linken Flügel zuordnet. Aus der Abkürzung JEL des Wahlspruchs der PNV „jaungoikua eta lagi zarrak“ (Gott und die alten Rechte), entwickelt sich „jeltzale“, für den PNV-Sympathisanten, und „jelkide“, für das Parteimitglied.13

Dieser mehrheitlichen aber ungeeinten baskischen Nationalbewegung, wie es Niebel beschreibt, stehen die „zwei Spanien“ in ihrer regionalen Dimension gegenüber. Damit werden das rechte und das linke Lager, die sich einen erbitterten Kampf im Spanischen Bürgerkrieg (1936 - 1939) lieferten, beschrieben. Auf der „linken“ Seite steht hier die Spanische Sozialistische Arbeiterpartei (PSOE). Diese fusionierte mit der einstigen linksintellektuellen Euskadiʻko Eskerra (EE, Baskische Linke) und agiert seitdem unter dem Namen Partido Socialista de Euskadi (PSE-EE) in der Autonomen Baskischen Gemeinschaft. In Nafarroa treten die so genannten „socialitas“ unter den Namen Partido Socialista de Navarra (PSN) an. Ihnen gegenüber stehen die „populares“. Die Partido Popular (PP, Volkspartei) beherrscht das rechte Lager. Sie tritt auch unter diesem Namen in der Autonomen Baskischen Gemeinschaft an. In Nafarroa waren sie zuerst mit der UPN (Unión de Pueblo Navarro) verbündet, bis es 2008 zu einer Spaltung der beiden kam. Kasper bezeichnet diese beiden Parteien als zentralistisch, Bernecker hingegen als gesamtstaatlich. Bis 2009 schaffte es nur die PSE-EE zu einer Koalition mit der PNV, welche die stärksten politische Kraft darstellt.14

Jean Grugel schreibt, dass der nördliche und südliche Teil eine ethnische, kulturelle und linguistische Verbindung haben, aber keine gemeinsame Geschichte. Einfach ausgedrückt, die Provinzen im französischen Staatsgebiet haben u.a. nicht 40 Jahre Unterdrückung durchgemacht.15

2.1 Hegoalde

1808 wurde der aus Labourd stammende Dominique-Joseph Garat von Napoleon beauftragt aus dem Baskenland eine Art Pufferstaat zwischen Spanien und Frankreich zu machen. Drei Jahre später legte er seinen Plan vor. Die sieben Territorien sollten einen von Frankreich abhängigen Staat bilden. Jedoch waren seine Bemühungen nicht mehr aktuell. Katalonien, Aragón, Navarra und Vizcaya wurden zu Militärbezirken und Napoleon direkt unterstellt. Vizcaya bildete sich aus Bizkaia, Gipuzkoa und Araba. Eigentlich wurden die baskischen Institutionen (Juntas und Diputaciones) aufgelöst, jedoch gestalteten diese weiterhin die Politik. Sie sollten als Bindeglied zwischen der Bevölkerung und dem französischen Staat fungieren, um Aufstände zu vermeiden.16

Durch die Verfassung von 1837 wurden die Territorien Hegoaldes zu vier Provinzen der damaligen 49 in Spanien. Die Foralen Institutionen wurden abgeschafft und eine einheitliche Provinzialregierung Spaniens eingeführt. Ab diesem Zeitpunkt ist für Kasper der Begriff „Provinz“ für die einzelnen Territorien gerechtfertigt.17

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13 Niebel Ingo, Das Baskenland. S. 42f.14 Ebda. S. 43f.15 Grugel Jean, The Basques. S. 112.16 Kasper Michael, Baskische Geschichte in Grundzügen. S. 90f.17 Ebda. S. 104.

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1849 wurden die kommunalen Haushalte unter die Diputación von Araba gestellt. Traditionell war dies in den Händen der Zentralgewalt. Bizkaia und Gipuzkoa erhielten diese Vollmacht 1853. Dies bedeutet, dass sich zum ersten Mal in der baskischen Geschichte einzelne autonome administrative Einheiten bildeten. 1862 werden diese Territorien aus ihren Diözesen ausgegliedert und gemeinsam dem neuen Bischofssitz in Vitoria zugeordnet. Zum ersten Mal werden diese Territorien in einer administrativen Einheit zusammengefasst.18

Der weitere Werdegang des Nationalismus wird im nächsten Kapitel anschaulich beschrieben. Um zu sehen wie die Bevölkerung in Hegoalde zurzeit zum Baskenland und zu Spanien steht, folgen einige Umfragewerte und Wahlergebnisse für Navarra aus den letzten Jahren. In der Autonomen Baskischen Gemeinschaft leben 2.140.346 Einwohner (Stand 2011).19 In einer jährlichen Umfrage, an der 1.200 Basken teilnahmen, gaben im Mai 2012 33% der befragten Personen an, ihre nationale Identität ist sowohl baskisch als auch spanisch. 21% sehen ihre nationale Identität mehr baskisch als spanisch und weitere 31% fühlen sich einzig und allein zur baskischen Identität zugehörig. Somit geben 85% an, eine baskische Identität zu haben und 54% haben daneben noch eine mehr oder weniger starke Ausprägung einer spanischen Identität. Nur 7% geben als ihre einzige Identität die spanische an.20 In derselben Umfrage identifizierten 40% der befragten Basken Spanien als eine staatliche Form, welche verschiedene Nationalitäten und Regionen beinhaltet. Ein Drittel sieht die Autonomie als Alternative zur jetzigen Staatsform. Weitere 32% sehen den Föderalismus als Alternative. 24% bekennen sich zur Unabhängigkeit und nur 6% stehen zum Zentralismus.21

In der Comunidad de Foral de Navarra leben 622.121 Menschen (Stand 2011).22 Der Großteil fühlt sich mehr zu Navarra hingezogen als zu Euskadi oder Euskal Herria. Dies ist in den unterschiedlichsten Zahlen, wie an der Anzahl der Sprecher des Euskera oder bei Wahlen, zu erkennen. Bei den letztens beiden Wahlen in Nafarroa konnten pro-baskische Parteien jedoch etwas zulegen. 2007 konnte die UPN (Unión de Pueblo Navarro) noch 42,2% der Stimmen erreichen. Sie kamen somit auf 22 Sitze im Parlament von Navarra. Vier Jahre später verloren sie drei Sitze, was wahrscheinlich mit dem Bruch mit der Partido Popular (PP) zu tun hat. Diese kam im Jahr 2011 auf 7,3% der Wählerstimmen und erreichte somit vier Sitze im Parlament. Zweitstärkste Partei wurde 2007 Nafarroa Bai („Ja zu Navarra“) mit 23,6% und 12 Sitzen. Dies ist ein Zusammenschluss von pro-baskischen Parteien. Hier finden sich unter anderen die PNV aber auch die Aralar. Diese beiden Parteien stehen sich ideologisch zwar gegenüber, jedoch wird in Nafarroa Einigkeit demonstriert, um ein besseres Wahlergebnis zu erzielen. 2011 wurden nur 15,8% der Stimmen und somit neun Sitze erreicht. Dies ist jedoch auch mit einer Spaltung des Bündnisses zu argumentieren. Eusko Alkartasuna (EA) ging unter den Namen „Bildu“ ein neues Bündnis mit Alternatiba und Herritarron Garaia ein. Dieses Bündnis kam auf 13,3% der Stimmen und hatte dadurch sieben Sitze im Parlament inne. In beiden Bündnissen sind noch „Inderpendistas“ („Unabhängigkeitskämpfer“) und „Izquierda Abertzales“ zu

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18 Kasper Michael, Baskische Geschichte in Grundzügen. S. 108.19 Einwohnerzahlen.

http://epp.eurostat.ec.europa.eu/tgm/table.do?tab=table&init=1&language=de&pcode=tgs00096&plugin=120 Euskobarometro, Estudio períodico de la opinión pública vasca. Mayo 2012. S. 44.21 Ebda S. 45f.22 Einwohnerzahlen.

http://epp.eurostat.ec.europa.eu/tgm/table.do?tab=table&init=1&language=de&pcode=tgs00096&plugin=1

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finden. Weitere 5,7% gehen an die Partei Izquierda - Ezkerra („Linke“). Die Linke, die vor allem das Euskera in Nafarroa wieder beleben will, kann damit drei Sitze in Parlament belegen. Die zweitstärkste Partei nach den Wahlen im Mai 2011 wurde die PSN-PSOE (Partido Socialista de Navarra) mit 15,8% und neun Sitzen. Mit der UPN gingen die Sozialisten von Nafarroa eine Koalition ein. Die Mehrheit ist somit noch immer für einen eigenen Autonomiestatut der Region Nafarroa, jedoch ist ein Stimmenzuwachs in den letzten Jahren bei pro-baskischen Parteien zu erkennen. Zurzeit nehmen diese 18 Sitze von 50 in Nafarroa ein.23

2.2 Iparralde

Die Französische Revolution (1789) hatte die Abschaffung der Fueros in Iparralde zur Folge. Die entstandene Nationalversammlung, welche sich aus den Generalständen entwickelte, beseitigte das Feudalsystem, die Privilegien von Adel und Klerus und alle regionalen Verfassungen. Anfang 1790 wurde der französische Staat in 83 einheitlich strukturierte Departements gegliedert. Das baskische Territorium umfasste mit der Region Béarn das Department der Unteren Pyrenäen (Basse-Pyrénées), welches seit 1969 den Namen „Pyrénées Atlantiques“ trägt. Bereits Ende des 18. Jahrhunderts wurde ein eigenes Departement für die baskischen Provinzen gefordert, mit der Begründung, es bestehe keine kulturelle Ähnlichkeit mit der Provinz Béarn und die baskische Bevölkerung sei in der Unterzahl.24

Salgado schreibt, dass in Iparralde ca. 70% der Bevölkerung sich völlig oder zu einem großen Teil zu einer baskischen Identität bekennen. In den Wahlen ist dies aber nicht zu erkennen. Parteien, die pro-basksisch sind, bekommen insgesamt meist nur 10% der abgegebenen Stimmen. Territoriale Wahlen erzielen das gleiche Ergebnis. Hier findet meistens zu wenig Vermittlung zwischen der Peripherie und dem Zentrum statt. Die kleinen Territorien werden nicht mit dem nötigen Respekt behandelt, da meist nur das Ganze gesehen wird. Dieses Desinteresse spiegelt sich dann in den Wahlen wieder.25 In den drei Territorrien von Iparralde leben insgesamt 262.640 Menschen (Stand 2003)26. Seit den 1990er Jahren ist eine Veränderung zu beobachten. Immer mehr nationalistische Parteien der Linken und Rechten aus Hegoalde versuchen den nördlichen Teil des Baskenlandes zu integrieren und ihre Politik populärer zu machen. Es wird versucht ein Netz aufzubauen, in welchem ökonomische, kulturelle und soziale Angelegenheiten besprochen werden. Daraufhin wurden zwei Organisationen gegründet, welche verantwortlich sind für die Durchsetzung und Überwachung von lokalen und politischen Forderungen und den Entwicklungen in den einzelnen Territorien: El Consejo de Deasarollo (1994) und El Consejo de Electos (1995). Hier wurden zum ersten Mal soziale, kulturelle, ökonomische und politische Aktionen in Iparralde miteinander verbunden. 1997 kann die politische Konkretisierung in „Esquema de Ordenación Territorial el País Vasco“ als Ergebnis gesehen werden.27

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23 Elecciones Autonimicos 2011. El Pais. http://resultados.elpais.com/elecciones/2011/autonomicas/13/index.html24 Kasper Michael, Baskische Geschichte in Grundzügen. S. 82f.25 Larrakoetxa Salgado Naiara, Nacionalismo Vasco en Iparralde. S. 17.26 Demografía. http://www.euskosare.org/euskal_herria/aurkezpena_eh/geografia/demografia-es27 Larrakoetxa Salgado Naiara, Nacionalismo Vasco en Iparralde. S. 17.

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Die Wahlen zum europäischen Parlament 2009 hatten in Iparralde folgende Ergebnisse: Parteien der französischen Zentralregierung konnten insgesamt 50,61% erreichen. Pro-baskische Parteien konnten somit die Hälfte der Stimmen erreichen. Die Grünen (IU, EE) erreichten 6,73%. PNV-PNB, welche als „gemäßigte Rechte“ bezeichnet werden, erzielten im Ganzen einen Anteil von 20,83%. Verfechter der Unabhängigkeit („Independistas“ - II-EH, EHA, EA-Aralar) wurden von 19,41% gewählt. 28

Der französische Teil von Euskal Herria wird meist nur in Reiseprospekten erwähnt. Über die Politik ist in internationalen Medien wenig zu lesen. Aber es gibt auch hier Bestrebungen und Aktionen, die sogar bis zur Gewalt reichen. In Bayonne forderten am 30. Jänner 1999 5.000 Basken ein eigenes Departement innerhalb der französischen Republik. Seit der Französischen Revolution gehören die Basken zum Béarnais und somit zum Department Pyrenées Atlantiques. Wie alle Departements in Frankreich hat auch dieses eine gewählte Versammlung (le Conseil), einen eigenen Haushalt, einen Präsidenten und einen Präfekten aus Paris. Die Bestrebungen um ein eigenes Departement wurden im 19. Jahrhundert wieder aufgenommen und in den 1990er Jahren wieder aktuell. Für baskische Nationalisten ist natürlich das Anstreben eines eigenen Departements zu wenig. Sie wünschen sich eine Autonome Region und somit die Möglichkeit, sich eines Tages mit dem südlichen Teil zu vereinigen. Der Einfluss der Nationalisten wächst seit den 1970er Jahren. Die radikale Gruppe nennt sich „Iparretarrak“ („Die aus dem Norden kommen“). Sie wollen mit Waffengewalt die Entwicklungen beschleunigen. Ihre Hauptziele waren hauptsächlich öffentliche Einrichtungen, die den Zentralstaat verkörpern.29

Euskaldun (der die Sprache besitzt) nennen sich die Basken im Euskera. Mitte der 1990er Jahre sprechen jedoch 64% in Iparralde nur französisch. Es kam daraufhin zu Bemühungen dies zu ändern und die Sprache zu schützen. Somit wurden Straßenschilder zweisprachig und Radiosender senden in Euskera. Seit 1989 werden die Ikastolak (baskischsprachige Schulen) vom französischen Bildungsministerium anerkannt. In vielen öffentlichen Schulen werden die Schüler nach einem 100-jährigen Bann wieder zweisprachig unterrichtet.30

Nicht nur mit der Sprache identifizieren sich die Bewohner von Iparralde. Auch die Landschaft selbst ist ihnen wichtig und es wird alles unternommen, dass diese auch in ihrer Schönheit bestehen bleibt. So wurden Naturschutzgebiete errichtet und ein lautes „Nein“ zum geplanten Hochgeschwindigkeitszug zwischen Spanien und Frankreich ausgesprochen. Weitere Einflüsse lassen sich in der Musik, vor allem Rock und Punk, und verschiedenen Sportarten, allen voran Surfen, finden. In diesen kulturellen Bereichen, beneidet der Norden den Süden um seine „Unabhängigkeit“. Die Entscheidungen für Iparralde werden in Paris und Bordeaux getroffen. Dies wird immer mehr ein Störfaktor, so Garicoix. Im Süden sind viele Entwicklung auszumachen und der Norden hinkt hinterher. Es ist jedoch eine Veränderung zu beobachten wie aus der Literatur zu entnehmen ist. Politische Aktionen werden vermehrt durchgeführt, die Kultur wird auch von den Zugezogenen mit Interesse aufgenommen und die Ikastolaks werden vom französischen Staat teilweise subventioniert. Veränderungen sind somit spür- und auch sichtbar.31

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28 Larrakoetxa Salgado Naiara, Nacionalismo Vasco en Iparralde. S. 20.29 Garicoix Michel, Das französische Baskenland erhebt zaghaft seine Stimme. S. 75f. 30 Ebda. S. 76f.31 Ebda. S. 77.

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Die Zahl derjenigen, die sich baskisch und französisch fühlen, ist in etwa gleich wie die Zahl jener, die sich rein als Basken fühlen. Weit abgelegen davon sind jene, die sich nur auf ihre französische Identität besinnen. Die Hälfte würde es bevorzugen, wenn die Zusammenarbeit der einzelnen Territorien verstärkt würde. Diese Daten interpretiert Salgado in dem Sinne, dass der Nationalismus noch einen langen Weg vor sich hat in Iparralde, aber auch, dass dieser Weg offen ist.32

2.3 Die baskische Sprache - Euskera / Euskara

Ingo Niebel bezeichnet den Reichtum, den das Baskenland durch seine Wirtschaft erzielt, nur als kleinen Teil der „Abhebung“ gegenüber dem spanischen und französischen Staat. Was die Basken über die Grenzen verbindet und sie gegenüber den anderen Kulturen unterscheidet, ist die baskische Sprache, das Euskera, ihre eigene Sprache.

Die Mehrheit der Literatur spricht das Problem des Multilinguismus im Baskenland an und sieht darin auch die größte Herausforderung, wenn man sich mit dem Baskenland beschäftigt. Insgesamt existieren neben dem Baskischen noch das Spanische und das Französische. Alleine die Verwendung einer Sprache kann auf eine politische Gesinnung hindeuten. Dieser Multilinguismus führt aber auch dazu, dass Wörter in einer anderen Sprache eine andere Bedeutung haben. „Herri“ bedeutet übersetzt ins Deutsche „Land“ oder „Volk“; diese beiden Wörter haben jedoch eine andere Bedeutung in den jeweiligen Sprachen. Für Ingo Niebel ist der baskische Begriff offener und integrativer. „Land“ oder „Volk“ meint im Baskischen alle, die im Baskenland leben und arbeiten. „Terrorismus“ und „Autonomie“, zwei wichtige Themen im Baskenland, sind Begriffe, die unterschiedlich interpretiert werden können. Hier ist besonders Acht zu geben bei der Verwendung. Ein autonomes Baskenland existiert bereits, jedoch nicht jenes der nationalistischen Basken. Terrorismus ist eine Auslegungssache, je nachdem auf welcher ideologischen Seite sich das Individuum befindet, wird es sagen „Terrorismus“ oder aber „Freiheitskampf“. Diese Thematik allein könnte Bücher füllen. Die spanische Regierung beklagte sich mehrmals über die Definition einiger Organisationen (u.a. Amnesty International) und Medien (u.a. BBC), welche die ETA als „bewaffnete Gruppe“ und nicht als „terroristische Gruppe“ bezeichneten.33

Bezüglich der Sprache der Basken gibt es viele Mythen und Legenden über die Herkunft, was sich hervorragend für Nationalismus und Identität nutzen lässt, wie später noch zu sehen sein wird. Gewiss ist, dass es sich um eine vorindogermanische Sprache handelt, welche mit keiner anderen in Europa verwandt ist. Das Euskera hat den Ruf schwierig zu erlernen zu sein. Es wird oft Kritik an der Sprache geübt, sie sie primitiv und vieles sei vom Kastilischen (Castellano) übernommen. Teilweise müssen diese Kritiken jedoch zurückgeworfen werden. Zum einen weisen einige kastilische Wörter einen baskischen Ursprung auf und in puncto Schwierigkeit sagt Niebel, dass dies wohl sehr subjektiv sei, und das Euskera dürfte einfacher zum

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32 Larrakoetxa Salgado Naiara, Nacionalismo Vasco en Iparralde. S. 23.33 Niebel Ingo, Das Baskenland. S. 10 - 14.

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Erlernen sein als die deutsche Sprache. Es sollte auch bedacht werden, dass der Überlebenskampf des Euskera noch voll im Gange ist.34

In den 1960er Jahren ist neben der Veränderung der politischen Ebene auch eine in den kulturellen und sprachlichen Ebenen zu erkennen. Die Zahl der Sprecher und Schüler, vor allem in den Ikastolas, stieg in diesem Jahrzehnt rapide an. In den beiden letzten Jahren wurde auch wieder begonnen Euskera auf der Straße zu sprechen. Das Erlernen wurde nicht als Prestige oder als Chance in der Berufswelt gesehen sondern hatte mit Identität zu tun. Auch mehr als die Hälfte der Immigranten sprach sich für das Euskera aus. In den Dörfern wo die Sprache am meisten verbreitet war, sprachen sich jedoch weniger für „Nur Baskisch“ aus. Dies bestätigt einerseits, dass der Nationalismus vor allem ein städtisches Phänomen ist. Zum anderen ist die Gleichsetzung der baskischen Identität mit dem Antifranquismus und dem Widerstand ein Grund für die Zugehörigkeit des baskischen Bewusstseins.35

Ein weiterer wichtiger Schritt für das Euskara war die Vereinheitlichung. 1964 kamen in Bayonne einige bekannte Schriftsteller, manchen wird eine Nähe zur ETA nachgesagt, zusammen und vereinten die einzelnen Dialekte zu einer Kultursprache. Bis 1968 gelang es eine einheitliche Orthographie und Deklination zu schaffen. Ein einheitliches Wörterbuch konnte bis zum Jahre 1970 fertiggestellt werden. Das neue Euskara - Batua genannt, was so viel bedeutet wie Eins, Einzig - wurde bald zur Sprache in der Schule und in der Literatur. Für Lang drückt diese Neuerung die Veränderung der politischen Verhältnisse im kulturellen Leben aus.36

Das Euskera Batua ist vorwiegend auf dem guipuzkoanischen Dialekt gegründet. Dieser bietet sich aus mehreren Gründen am besten an. Zum einen hat er durch die Lage Guipozkaias bereits eine vermittelnde Funktion zwischen den einzelnen Dialekten. Zum anderen ist er der meistgesprochene Dialekt und verfügt über eine solide Basis. In Guipozkaia sprechen 52% der Einwohner Euskara.37

Eine soziolinguistische Studie des Jahres 1991 ergab folgendes:

„Die Jugendlichen verbinden ihre baskische Identität mit der Kenntnis des Baskischen, aber nicht mit dem Gebrauch. Das wichtigste ist, das Euskara zu kennen, aber nicht um es anzuwenden.“38 Kerstin Römhildt stellt über das Euskera folgendes fest: „Die baskische Sprache ist nicht nur Ausdruck der (traditionellen) baskischen Kultur und als solche ein Teil der baskischen Identität, sie ist darüber hinaus ein Symbol für ein bestimmtes baskisches Selbstverständnis.“39

Die Zahl der Sprecher ist schwierig festzustellen. Die Zahlen gehen von 600.000 bis 700.000 im Baskenland und von 80.000 bis 200.000 außerhalb des baskischen Raums aus. Als Sprachgebiet sind hauptsächlich die Provinzen Bizkaia, Gipuzkoa, Iparralde sowie die nördlichen Teile von Araba und Nafarroa zu bezeichnen. Eine Ausdehnung wird größtenteils durch die Politik verhindert, vor allem im französischen Teil, wo das Euskera nicht als Amtssprache anerkannt wird. Im Schuljahr 2006/07 besuchten 15% der Schüler in

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34 Niebel Ingo, Das Baskenland. S. 26 / 29.35 Lang Josef, Das baskische Labyrinth. S. 201f.36 Ebda. S. 203.37 Mahlau Axel, Das Baskische - Die Sprache die der Teufel lernen sollte. S. 143.38 Niebel Ingo, Das Baskenland. S. 37.39 Ebda. S. 38.

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Ipparalde Ikastolas. In Hegoalde verfügen die Autonome Baskische Gemeinschaft und Naforra über freie öffentliche Bildungswege. Etwas mehr als die Hälfte (56%) besucht Schulen, in denen nur baskisch unterrichtet wird. Die andere Hälfte teilt sich auf in einen rein spanischen Unterricht, in dem das Euskera als Fremdsprache unterrichtet wird, und einen Unterricht, der zu gleichen Teilen auf baskisch und spanisch geführt wird. Auch eine „Baskisierung“ in der Technologie ist festzustellen. Seit einigen Jahren gibt es Handys mit Euskera als Bedingungssprache und die gängigsten Betriebssysteme für Computer bieten die Sprache schon seit geraumer Zeit an.40

In puncto Sprache und Politik würden 64% es bevorzugen, wenn eine Förderung der Sprache erfolgt, jedoch das Erlernen ohne Eile und Anstrengung von statten geht. 24% sehen eine Notwendigkeit in der Intensivierung der Maßnahmen und wollen eine Zweisprachigkeit auf allen Ebenen.41

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40 Niebel Ingo, Das Baskenland. S. 31 - 33.41 Euskobarometro, Estudio períodico de la opinión pública vasca. Mayo 2012. S. 50.

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3. Nationalismus

Der Konflikt im Baskenland wird als ein Konflikt zwischen Nationen dargestellt. Auf der einen Seite steht Euskal Herria, was offiziell keine Nation ist, auf der Gegenseite stehen Spanien und Frankreich. Es gilt zunächst zu klären was eine Nation ist, was die Ideologie Nationalismus ausmacht, wie diese Ideologie das Baskenland in ihren Bann zog und ob sie erfolgreich war bzw. ist.

3.1 Ein neuartiges Phänomen

Modernität ist für die meisten WissenschafterInnen das entscheidende Kriterium in der neuen Forschung des Nationalismus und allem, was damit in Verbindung steht. In der alten Forschung werden Natürlichkeit und Ursprünglichkeit in den Mittelpunkt gestellt. Die Thematik Nationalismus wurde erstmals ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts genauer untersucht. Intensiviert wurde die Forschung nach dem 1. Weltkrieg als zahlreiche Nationalstaaten entstanden. Für Ulrich Wehler werden ab diesem Zeitpunkt die Ergebnisse jedoch immer unterschiedlicher. Die ältere Forschung hielt noch bis nach dem 2. Weltkrieg. In den 1960er Jahren wurde dieses Phänomen auf internationaler Ebene diskutiert. Mit den 1980er Jahren kam es zu einem Wendepunkt in der Forschung. Vor allem mit Ernest Gellner, Eric Hobsbawm und Benedict Anderson distanziert sich die Forschung von den früheren Annahmen. Mitwirkend ist das Umdenken in der Erkenntnistheorie, da die Objektivität wieder in den Vordergrund tritt. Gellner sagt, dass es durch den Nationalismus zur Nation kommt und nicht umgekehrt.42 Er distanziert sich klar von der Behauptung der Nationalismus habe seine Wurzeln in der menschlichen Psyche. Nationalismus ist ein neuartiges Phänomen und die Psyche existiert doch schon seit einigen Jahrtausenden. Vielmehr wurzelt für ihn der Nationalismus in der Anpassung zwischen Staatswesen und Kultur, welche ziemlich unvermeidlich ist.43

In der neueren kulturgeschichtlichen Schule wurde nachgewiesen, dass die Nation ein entworfenes und flexibles Produkt des Nationalismus ist. Eine wichtige Rolle spielt dabei die „Erfindung der Tradition“. Dies geht sogar so weit, dass Nationen als „Erfindung“ nationalistischer Intellektueller zu sehen sind. Im Extremfall könnte die Nation als „Meistererzählung“ gelten. Obwohl Nationalismus, Nation und der Nationalstaat moderne Phänomene sind, ist nicht das gesamte Konstrukt erfunden. Wehler beschreibt das Phänomen als Produkt von zusammengesetzten historischen Traditionen, die sich auf die früheren Herrschaftsverbände besinnen, aus denen sich der Nationalismus entwickelte.44

Mit der Formel „Nation ist gleich Staat ist gleich Volk“ wird eindeutig die Nation an ein Territorium gebunden. Dies war auch eine Folgerung der Forderungen der Selbstbestimmung der Bevölkerung. Die französische Erklärung der Rechte besagt: „jedes Volk ist unabhängig und souverän, ungeachtet der Zahl der einzelnen Individuen, aus denen es besteht, und der Größe des Territoriums das von ihm bewohnt wird. Diese Souveränität ist unveräußerlich.“45 Diese Erklärung gibt jedoch keinen Aufschluss auf irgendwelche Kriterien,

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42 Wehler Hans Ulrich, Nationalismus. S. 7 - 10.43 Gellner Ernest, Nationalismus und Moderne. S. 57.44 Wehler Hans Ulrich, Nationalismus. S. 37f.45 Hobsbawm Eric J., Nationen und Nationalismus. S. 31.

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die ein Volk ausmacht. Auch gibt es nicht Auskunft über bestimmte Identifikationsmerkmale, die eine Nation haben muss.46

Sprache oder andere Faktoren wie Ethnie wurden verwendet, um die Zugehörigkeit zu bestimmen. In Frankreich war das Bestehen auf sprachliche Einheitlichkeit sehr ausgeprägt seit der Französischen Revolution. Nicht der Gebrauch des Französischen als Muttersprache, sondern die Bereitschaft, die sprachlichen Fähigkeiten zu erwerben, machten die Nationalität aus. Richard Böckh war ein Verfechter der Theorie, dass die Sprache das einzige Kriterium für die nationale Zugehörigkeit sei.47

Dieses „Nationalitätenprinzip“, welches jedem Nationalismus, jeder Nation und jeder ethnischen Minderheit einen eigenen Staat zuweist, ist in der Praxis jedoch nur für größere Staaten anwendbar. Dies war zumindest die Auffassung einiger Verfechter dieses Prinzips. Kleinere Nationalitäten, wie das Baskenland, wurden in diesem Prinzip nicht wahrgenommen. Man hatte sich speziell gegen kleine Staaten ausgesprochen, da im Aufbau einer Nation der Expansionsprozess berücksichtigt wurde. Dies bedeutete, dass alle Nationalbewegungen zu einem Staat zusammengeführt werden sollten. Es wurde behauptet, dass größere Staaten kleinere einfach aufsaugen würden. Für jene, die etwas rückständiger sind, wäre dies eine „Wohltat“. Es sei für einen Basken zum Beispiel ein Gewinn sich in den spanischen oder französischen Staat zu integrieren. Somit ist zu sehen, dass nicht alle nationalen Bewegungen ihre Berechtigung zu existieren hatten, obwohl ihnen die gleichen Kriterien zuzusprechen sind wie den anderen.48

Nach diesem Prinzip gab es drei Kriterien ein Volk als Nation zu identifizieren, so lange es groß genug war. Erstens musste eine historische Verbindung zu einem gegenwärtigen Staat oder einem Staat, welcher eine nicht zu weit zurückliegende längere Vergangenheit hat. Zweitens musste es eine alteingesessene kulturelle Elite geben. Diese musste im Besitz einer geschriebenen nationalen Literatur- und Amtssprache sein. Drittens musste eine Fähigkeit zur Eroberung gegeben sein. Für Friedrich List ist es wichtiger, ein imperiales Volk zu sein als die eigene kollektive Existenz ins Bewusstsein zu rufen.49

Die moderne Nation kann in zwei Hinsichten als Bestandteil der liberalen Ideologie gezählt werden. Zum einen war die Nation jenes Stadium an Evolution, das um die Mitte des 19. Jahrhunderts erreicht wurde und das als Nebeneffekt die Assimilation kleinerer Gemeinschaften und Völker hatte. Zum anderen war die Nation etwas historisch Neuartiges. Aus diesem Grund stieß sie bei den Konservativen und Traditionalisten auf Ablehnung. In der Blütezeit des bürgerlichen Liberalismus wurde auch das „Nationalitätenprinzip“ zum ersten Mal international zu einem wichtigen Punkt. Dieses Prinzip und das Privileg eine Nation zu werden betraf im 19. Jahrhundert nur wenige. Basken, Katalanen und andere kleinere Bewegungen wurden nicht gleichgültig behandelt, jedoch wurden sie unter dem Aspekt betrachtet, wie nah oder fern sie dem übergeordneten System waren. Diese politischen Systeme profitierten anfangs noch vom Fehlen der Demokratie, wie wir sie heute kennen. Für Hobsbawm wird diese später so manche liberale Theorie und Praxis der Nation untergraben.50

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46 Hobsbawm Eric J., Nationen und Nationalismus. S. 30f.47 Ebda. S. 33f.48 Ebda. S. 43 - 47.49 Ebda. S. 50f.50 Ebda. S. 55 - 57.

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Um zu sehen wie jung dieses Phänomen Nationalismus ist, folgt ein kurzes Beispiel. Seit 1884 sind im Wörterbuch der Königlich-Spanischen Akademie die Begriffe, Staat, Nation und Sprache in ihrer modernen Bedeutung zu finden. Zum ersten Mal war zu lesen, dass die „Lengua Nacional“ die offizielle Sprache und Schriftsprache eines Landes ist und wird deutlich von den Dialekten unterschieden. Vor 1884 bedeutete nación: „die Gesamtheit der Einwohner einer Provinz, eines Landes oder eines Königreiches [...].“ .51 Nun wird es als ein Staat oder eine politische Körperschaft gesehen, die einen höchsten gemeinsamen Regierungssitz anerkennt. Auch das bewohnte Territorium wird zu dieser Gesamtheit gezählt. Eine endgültige Fassung gibt es jedoch erst 1925: „Gesamtheit der Personen, welche dieselbe ethnische Herkunft aufweisen und im allgemeinen dieselbe Sprache sprechen und eine gemeinsame Tradition besitzen.“52 Das Spanien des 19. Jahrhunderts ist für viele sicherlich nicht das ideologisch fortschrittlichste Königreich Europas, aber eines der ersten, das als „Nationalstaat“ zu bezeichnen sind. 53

Jede Ideologie verfolgt ein bestimmtes Ziel. Für eine nationale Bewegung, darin sind sich die meisten Autoren einig, ist dies der Nationalstaat.. Hierbei sind einige Vorteile auszumachen. Zum einen bedeutete dies den Durchbruch der Industriellen Revolution, was meistens zu einer erfolgreichen Industrialisierung führte, was wiederum modernes Wirtschaftswachstum und Wohlstand brachte. Weiters war ein Nationalstaat einem Verfassungs- und Rechtsstaat gleichzusetzen. Den Bürgern wurde eine Anteil an der Politik und an Rechtssicherheit gewährt. Diese Entwicklung des politischen Systems lässt sich bis hin zu einem Interventions- und Sozialstaat beobachten. Als letzter Punkt muss noch die Institutionalisierung der sozialen Konflikte erwähnt werden. Dabei handelt es sich vor allem um die Konflikte zwischen Arbeiterschaft und Unternehmer. Dies alles soll jedoch nicht auf eine Notwendigkeit auf einen Nationalstaat hindeuten.54 Diese Erfolge sind wichtig für die „Erfindung der Traditionen“, so können wieder Mythen entstehen und es kann weiter am Nationalismus festgehalten werden.

Nationen und Staaten sind historischen Phänomene und kein universelle Notwendigkeit. Die beiden Phänomene sind nicht dasselbe. Laut dem Nationalismus sind sie für einander bestimmt, jedoch mussten sie dafür zuvor separat entstehen. Gellner beschreibt zwei provisorische Definitionen zur Nation, die jedoch nicht ausreichend sind. Die erste besagt, dass zwei Menschen nur derselben Nation angehören, wenn sie dieselbe Kultur teilen. „Der Mensch macht die Nation“, besagt die zweite. Eine Kategorie von Personen (Bewohner eines Territoriums, Benutzer einer Sprache) wird zur Nation, wenn sie bestimmte gegenseitige Pflichten und Rechte anerkennen, die sie ihrer gemeinsamen Mitgliedschaft verdanken.55

Gellner kommt somit zu dem Entschluss, dass Nationen nur in den Begriffen des Zeitalters des Nationalismus definiert werden können. Erst die allgemeinen sozialen Verhältnisse müssen nach standardisierten, homogenen und durch den Staat geschützten Hochkulturen, der jeder einzelne angehört, verlangen. Somit kann eine klar definierte Situation entstehen, in der die Kulturen vereinheitlicht wird, bis sie eine Einheit bilden, mit der sich der Mensch identifizieren kann. Wille und Kultur werden also gemeinsam für

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51 Hobsbawm Eric J., Nationen und Nationalismus. S. 25.52 Ebda. S. 26.53 Ebda. S. 25 - 27.54 Wehler Hans Ulrich, Nationalismus. S. 100 - 102.55 Gellner Ernest, Nationalismus und Moderne. S. 16f.

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die Definition der Nation verwendet. Daraus folgt, dass alle Menschen mit allen zusammengeschlossen werden wollen, die dieselbe Kultur haben. Dies bedeutet aber auch, dass alle anderen ausgeschlossen werden. Somit wird die Verbindung von Willen, Kultur und staatlicher Einheit zur Norm. Dies zeigt eine Variante der Menschen in der modernen Industriegesellschaft.56

Wehler arbeitet mit folgenden Definitionen zu Nationalismus und Nation, die, wie er selbst schreibt, sehr den Studien der bedeutenden Nationalismuskenner verpflichtet sind.

Nationalismus: „das Ideensystem, die Doktrin, das Weltbild, das der Schaffung, Mobilisierung und Integration eines größeren Solidverbandes (Nation genannt), vor allem aber der Legitimation neuzeitlicher politischer Herrschaft dient. Daher wird der Nationalstaat mit einer möglichst homogenen Nation zum Kardinalsproblem des Nationalismus.“57

Nation: „jene zuerst „gedachte Ordnung“, die unter Rückgriff auf die Tradition eines ethnischen Herrschaftsverbandes entwickelt und allmählich durch den Nationalismus und seine Anhänger als souveräne Handlungseinheit geschaffen wird. Daher führte die Auffassung, dass die Nation den Nationalismus hervorbringe, in die Irre. Umgekehrt ist vielmehr der Nationalismus der Demiurg der neuen Wirklichkeit.“58

3.2 Nationalismus - eine Ideologie und ihr Rückblick

Für Gellner sind die Umstände, unter denen Nationalismus normalerweise entstand, kein fehlender Staat. Es geschah aufgrund der Grenzen, der Macht und anderer Privilegien, warum die Kritiken gegen die amtierenden Herrscher immer lauter wurden. Der Mensch durchlief in der Geschichte drei grundlegende Stadien. Das erste war jene des Sammelns und Jagens. In diesem Stadium gab es keine Notwendigkeit für einen Staat und seiner Arbeitsteilung. Darauf folgt das agrarische Zeitalter, wo es bereits Staaten gab. Jedoch steht hier schon die Existenz der Form, welche sehr variabel ist, eine Option dar. Im letzten Stadium der industriellen Gesellschaft ist die Existenz des Staates unvermeidlich. Für Gellner bleiben die Formen jedoch variabel.59

3.2.1 Die Entwicklung bis zur Industriegesellschaft

Es werden in der agrarischen Phase zwei unterschiedliche Pole genannt, die den Typus der politischen Einheit beschreiben. Zum einen sind es die lokalen selbstverwaltenden Gemeinschaften. Diese Stadtstaaten oder bäuerlichen Gemeinschaften verwalten ihre eigenen Angelegenheiten, haben politisches Mitbestimmungsrecht und vergleichbar wenig soziale Ungerechtigkeit. Zum anderen gibt es die großen Reiche, die ihre Macht in einen Punkt vereinigen. Charakteristisch ist die politische Verbindung beider Pole: Eine zentrale beherrschende Autorität koexistiert mit halbautonomen lokalen Einheiten. Für Gellner bedeutet dies allerdings, dass diese „kleineren“ Einheiten keine eigene Kultur haben, sondern nur jene des größeren

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56 Gellner Ernest, Nationalismus und Moderne. S. 86f.57 Wehler Hans Ulrich, Nationalismus. S. 13.58 Ebda. S. 13.59 Gellner Ernest, Nationalismus und Moderne. S. 13f.

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ausfüllen und ein Teil davon sind.60 Das Geheimnis des Nationalismus ist laut Gellner, dass eine Hochkultur die gesamte Gesellschaft durchdringt, diese definiert und dann vom Gemeinwesen aufrechterhalten werden muss.61

Bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts ist für Wehler der Nationalismus ein politisches und soziokulturelles Phänomen Europas und der Kolonien in Amerika gewesen. Nur im westlichen Kulturkreis entstanden Nationalismus und Nationen. Als diese sich als erfolgreich erwiesen wurden sie exportiert. Probleme des Exports traten erst im 20. Jahrhundert auf, als der Nationalismus zu einer globalen Macht wurde. Für Wehler stellt sich dabei die Frage, wieso nur der Okzident dieses Phänomen hervorbrachte und warum es zu einem attraktiven Exportartikel wurde.62

Der Nationalismus ist, wie bereits erwähnt, keine selbstverständliche Entwicklung bei Völkern und Kulturen. Es gab schon immer Loyalitätsgefühle, die Menschen an Herrscher und Verbände banden. Diese Loyalität konnte durch den Familienclan, einen Stamm, eine Region oder durch Religion entstehen. Ein Zugehörigkeitsgefühl stärkt das Identitätsgefühl und das Selbstbewusstsein, da neben Schutz und Hilfe auch Ansehen und Geltung in einem Solidarverband eine Rolle spielen. Diese sind jedoch sozialpsychische bzw. anthropologische Konstante und haben wenig mit dem Nationalismus zu tun. Sie können aber später zur Konstruktion nationaler Vergangenheit genutzt werden. Mythen, die jeder Nationalismus braucht, lassen sich genauso davon ableiten.63

Dieses Phänomen des Okzidents, der Nationalismus, lässt sich zeitlich auf die europäische Neuzeit einschränken. Durch die Verunsicherung und die Kritik an der frühmodernen westlichen Gesellschaft und ihren Weltbildern entsteht der Nationalismus. Diese Krisen führen zu einer Revolution, welche den Herrscher unter Druck setzt und als Ziel hat, ihn zu stürzen. Nicht selten wird eine Autonomie gefordert, die sich gegen die Fremdherrschaft richtet. Nur der Westen bietet die nötigen Voraussetzungen, die solchen Revolutionen auch den gewünschten Erfolg bringen.64

Die erste erfolgreiche Revolution in diesem Sinne verzeichnen die Niederländer 1581 gegenüber den Spaniern. Die Niederlande hatten natürlich den Vorteil, als europäische „Pioniergesellschaft“ zu gelten. Handelskapitalismus und Kapitalressourcen machten es einfacher von einer Zentralmacht los zu kommen und unabhängig zu sein. Darauf folgten die Englische bzw. Amerikanische Revolution, die ebenfalls den Nationalismus als Auslöser hatten. Mit der Abspaltung vom Königreich wird die Kolonie in Übersee unabhängig.65

1789, sechs Jahre nach der Anerkennung der amerikanischen Republik, sollte die Französische Revolution ein Signal setzten, das anfangs für Europa und später für die ganze Welt von Bedeutung sein sollte. Auch in Hinsicht auf den Nationalismus kann man hier eine Vorbildrolle erkennen. Die Probleme des Ancien Régime hatten eine Legitimationskrise zur Folge und es wurde die Macht der Generalstände hinterfragt. Drei soziale Bewegungen und ihre Überschneidung machten letzten Endes jedoch den

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60 Gellner Ernest, Nationalismus und Moderne. S. 26.61 Ebda.. S. 33.62 Wehler Hans Ulrich, Nationalismus. S. 15.63 Ebda. S. 16.64 Ebda. S. 17f.65 Wehler Hans Ulrich, Nationalismus. S. 18 - 21.

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Umschwung aus, so Wehler. Dies waren der Eliteprotest der Ständevertreter, das Aufbegehren der städtischen Unterschichten und die Agrarrevolution gegen das spätfeudale System auf dem Lande. Der „Dritte Stand“ und das städtische Bürgertum wären das eigentliche Zentrum und ihr Wille sollte der Grundstein der Nation sein. Eine beherrschende nationale Identität sollte die uneingeschränkte Souveränität des nationalen Staates gewährleisten. Die Grundbausteine des Nationalismus blieben aus der Zeit der 1790er Jahren erhalten.66

Die Modernität machte diese Länder schon vorher zu Vorbildern. Der Nationalismus schien für viele Intellektuelle und Politiker in ganz Europa zu dieser Modernität dazuzugehören. Davon unabhängig sei er als soziale Erfindung zu sehen, welche sich als Antwort auf die Kr isen des west l ichen Modernisierungsprozesses herausbildete. Wehler kritisiert somit Gellners Hauptargument, die Industriegesellschaft hätte das Bedürfnis nach einer Nationalkultur (Sprache, etc.) und deswegen wurde nach einem Nationalismus verlangt. Jedoch haben sich für Wehler bereits alle ursprünglichen Nationalismen vor der Industrialisierung gebildet.67

3.2.2 Der Übergang zum Zeitalter des Nationalismus - Die Industriegesellschaft

Die Industriegesellschaft hängt ab von einem Wachstum des Wissens und der Ökonomie, was wiederum ein Bevölkerungswachstum ermöglicht. Faktoren, wie Mobilität und die Folgen von Individualismus, Alphabetisierung, politische Zentralisierung und die Notwendigkeit einer Infrastruktur der Ausbildung, benötigen eine Grenze, die politisch und kulturell übereinstimmt. Der Staat tritt hier als Beschützer der Kultur auf. Er unterhält das Ausbildungssystem, das fähiges Personal produziert, welches in der wachsenden Ökonomie und mobilen Gesellschaft Arbeitsplätze wechseln und ausfüllen kann. Für Gellner werden hier vor allem Bedeutungen und Menschen manipuliert. Für viele bedeuten diese Grenzen auch die Grenzen ihrer Möglichkeiten, wie zum Beispiel Arbeit zu finden.68

Der frühe Industrialismus und dessen Ausbreitung wird von einer gewalttätigen Phase des Nationalismus begleitet. Durch die Ungleichheiten in Politik, Ökonomie und Ausbildung kommt es zu Spannungen. Wenn diese Ungerechtigkeiten noch mit dem Faktor ethnische und kulturelle Unterschiede zusammenfallen, kommt es zu Gruppierungen der Ethnien. Wegen Ungerechtigkeiten werden Schuldige gesucht, die in anderen „Nationen“ zu finden sind. Wenn sich genug Opfer als Angehörige dieser Nation identifizieren, entsteht für Gellner Nationalismus.69 Hier wird deutlich, dass eine Gemeinschaftsbildung auch beinhaltet, dass jemand ausgeschlossen wird.

Die allgemeine Grundausbildung und dazu spezifische Kenntnisse in Sprache, Mathematik und Technik gehören zu den funktionalen Erfordernissen der Industriegesellschaft. Vor allem Kommunikation wird zu einer wichtigen Errungenschaft. Individuen müssen unabhängig voneinander kommunizieren können, so dass es von allen Beteiligten verstanden wird. Das bedeutet, es wird eine gemeinsame standardisierte Sprache und Schrift nötig. Das Erziehungssystem musste diese Errungenschaften weitergeben und dies

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66 Wehler Hans Ulrich, Nationalismus. S. 22f.67 Ebda. S. 24f.68 Gellner Ernest, Nationalismus und Moderne. S. 163f.69 Ebda. S. 165f.

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wurde auch vermehrt wahrgenommen. Gellner schreibt, dass die Ausbildung bei weitem die wichtigste Investition sei und sie im Endeffekt Identität verleiht. Der moderne Mensch ist loyal gegenüber seiner Kultur und nicht dem Monarchen oder dem Staat. Gellner spricht weiter davon, dass Kultur heutzutage das notwendige Medium für den Zusammenhalt ist, und der Staat sei der einzige, der diese Kultur herstellen kann, und diese auch schützt, indem gewisse Normen eingehalten werden. Somit ist es für Gellner eindeutig, dass durch die Verbindung von Kultur und Staat, welche unabdingbar ist, der Nationalismus entsteht.70

Hobsbawm definiert den typischen modernen Staat, welcher in der Französischen Revolution entstand, folgendermaßen: „der Staat herrschte über ein territorial bestimmtes „Volk“ und tat dies als höchstes „nationales“ Organ der Herrschaft über sein Territorium, wobei seine Stellvertreter mit der Zeit sämtlicher Bürger bis hin zum bescheidensten Bewohner des kleinsten seiner Dörfer erreichten.“71 Während des 19. Jahrhunderts wurde der Kontakt zwischen Familien und dem Staat immer häufiger und wurde schließlich zum Standard. Durch Lehrer, Polizisten, Postboten oder die Bediensteten der Eisbahn kam es zu ständigem Kontakt. Die regelmäßigen Volkszählungen sowie die allgemeine Schul- und Wehrpflicht halfen dem Staat, sich ein Wissen über seine Untertanen anzueignen. Diese Transformation weist für Hobsbawm zwei große politische Probleme auf. Zum einen werden technisch-administrative Fragen aufgeworfen, in denen es darum geht, wie die neue Regierungsform ans Werk gehen soll, da nun jeder Bewohner mit der Staatsregierung verknüpft war. Dies beinhaltet vor allem den Aufbau eines Verwaltungs- und Behördenapparats und damit einhergehend die Frage der Verkehrssprache innerhalb des Staates. Zum anderen ist die Frage der Loyalität der Staatsbürger, sowohl gegenüber dem Staat und dem Regierungssystem als auch der Identifikation mit dem Staat, ein noch größeres Problem der Transformation. Während des letzten Drittels des 19. Jahrhunderts wuchs die Erkenntnis, dass eine Demokratisierung oder zumindest das Ausdehnen des Wahlrechts unabdingbar war. Dies alles hatte auch zur Folge, dass die Interessen des Staates nun von der Einbeziehung des gewöhnlichen Bürger abhingen. Somit rückt anscheinend die Frage der „Nation“ oder die Identifikation mit dieser in die Tagesordnung der demokratischen Politik.72

Pierre Vilar, so Hobsbawm, beschreibt die Nation aus einen ganz anderen Blickwinkel. Für ihn stellt das eigentliche Kennzeichen das Allgemeininteresse dar. Das Gemeinwohl wird über dem der Privilegierten gestellt. Sprachen oder ethnische Zugehörigkeit spielen in diesem Sinne überhaupt keine Rolle.73

3.3 Phasen des Nationalismus

Der Nationalismus hat keine soziale Trägerschicht und ebenso wenig ist eine soziale Schicht, Elite oder Klasse gegen dieses Phänomen immun. Es ist vielmehr so, dass diese politische Gesinnung zuerst in Europa und dann weltweit bewies, dass es möglich ist, mit allen konfessionellen, sozialen und regionalen

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70 Gellner Ernest, Nationalismus und Moderne. S. 58 - 62.71 Hobsbawm Eric J., Nationen und Nationalismus. S. 97f.72 Ebda. S. 97 - 100.73 Ebda. S. 31.

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Gegebenheiten zu kooperieren. Die bürgerlichen Intellektuellen spielen allerdings meist eine entscheidend lange Zeit eine dominierende Rolle. Am einfachsten ist es, drei typische Phasen des Nationalismus zu unterscheiden.

Zuerst wird, durch diverse Interessen einiger Intellektueller, die Aufmerksamkeit auf bestimmte „nationale“ Dinge, wie Sprache, Kunst oder Literatur, gerichtet. Der Intellektuellen- oder Elitennationalismus verbreitet sich. Die meisten Befürworter sind bürgerlicher Herkunft, jedoch ist der Anteil des Adels nicht unerheblich. Kleinere Gruppen bilden unter Berücksichtigung der vermeintlichen Tradition Herrschaftsverbände. Religiöse und naturrechtliche Traditionen stützen ihre Vision. Es wird auch versucht, durch riskante politische Aktionen, die eigenen Interessen durchzusetzen.Das Einflussfeld wachst ständig, was die Mobilisierung von Massen zur Folge hat. In diesen Bewegungen haben bürgerliche Intellektuelle meist Führungsrollen. Zunächst wird ein Teil des lese- und schreibkundigen städtischen Bürgertums erfasst und erst später weitet sich die Bewegung auch auf die restliche Bevölkerung, wie z. B. auf die Bauern, aus.

Hielt die nationale Unterdrückung jedoch etwas länger an, hatte der Nationalismus relativ schnell eine große gesellschaftliche Breitenwirkung.74

Miroslav Hroch erstellt eine schematische Tabelle, in der er die Hauptentwicklungstypen für den Nationalismus erfasst. Den Nationalismus im Baskenland stuft er als „erfolglose desintegrierte Bewegung“ ein. Dem Einsetzen der Industriellen Revolution ist eine Demokratisierung und eine „bürgerliche Revolution“ vorausgegangen. Danach kam es erst zu einer nationalen Propaganda (Phase B). Desintegriert bedeutet, dass die nationale Propaganda erst durch die bürgerliche Gesellschaft in einem Staat einsetzte, welcher zumindest ansatzweise ein liberales politisches System durchgesetzt hatte. Dabei handelt es sich um Bewegungen, die auf Territorien multiethnischer Staatsnationen Westeuropas fungierten. Das Problem, das diese Bewegungen hatten, war der Übergang zur Massenbewegung, zur Phase C, nämlich die Mobilisierung der Arbeiterschaft. Diese sollte kompliziert oder in manchen Fällen überhaupt nicht von statten gehen. Speziell für das Baskenland ist sich Hroch unsicher, ob der Übergang zur Masse geschafft wurde.75

Die drei Grundtypen für die Nationalbildung leitet Hroch von Theodor Schieder ab. In der ersten Gruppe finden sich die Nationalstaaten oder Staatsnationen, wie sie Horch bezeichnet. Als Beispiele sind hier Frankreich und England zu sehen. Die moderne Nation konstituiert sich durch eine innerstaatliche Revolution. Der zweite Typ sind die „unifizierenden Nationalstaaten“. Hierbei verbinden sich staatliche getrennte Teile, bei denen sich die Einwohner kulturell und/oder sprachlich nahe standen. Als Beispiel wird hier Deutschland und Italien genannt. Der dritte Typ beinhaltet Entwicklungen von Staaten, die sich von übernationalen Großstaaten trennen, oder, wie im baskischen Fall, trennen wollen.76

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74 Wehler Hans Ulrich, Nationalismus. S. 41 - 43.75 Hroch Miroslav, Das Europa der Nationen. S. 105 - 108.76 Ebda. S. 41.

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Stuart Hall wählt fünf grundlegende Elemente aus, die zur Nationenbildung führen.

Erzählung der Nation, welche in den Medien, Literatur und Nationalgeschichten immer wieder vorgetragen wird. Hier wird der Zusammenhang zwischen Geschichte, Vorstellungen, Ereignissen, Symbolen, Ritualen u.a. hergestellt, die einer Nation Bedeutung verleihen. Als Mitglied nimmt das Individuum selbst an der Geschichte teil. Dies gibt Sicherheit und bindet das Individuum an das nationale Schicksal.Ein besonderes Augenmerk liegt auf Ursprüngen, Kontinuität, Tradition und Zeitlosigkeit. Der Charakter der Nation bleibt im Laufe der Geschichte erhalten. Seit seiner Bildung wurden keine Veränderungen durchgeführt.„Die Erfindung der Tradition“ findet hier ihren Stellenwert. Auch für Hall ist dies ein wichtiger Punkt in einer nationalen Gemeinschaft.Der Gründungsmythos spielt eine ganz entscheidende Rolle. Hier ist vor allem wichtig, diesen so früh wie möglich anzusetzen, sodass dieser sehr mysteriös ist und in allen Bereichen ausgeschmückt werden kann.Eine Begründung der nationalen Identität kann auch in der Idee eines „reinen, ursprünglichen Volkes“ verankert sein. In der Realität, so Hall, hat oder bekommt dieses ursprüngliche Volk selten die Macht.77

Wie zu erkennen ist, werden Identitäten geschaffen, die sich zwischen Vergangenheit und Zukunft orientieren. Durch den vergangenen Ruhm wird versucht in die Moderne einzudringen, wie es Hall treffend beschreibt.78

Grob lassen sich drei Ebenen im Prozess der Nationsbildung unterscheiden. Die erste Ebene ist die wirtschaftliche. Hier spielen Dinge wie Mobilität, kapitalistische Wirtschaft, Industrialisierung und beginnende Verstädterung mit einhergehender Bevölkerungsverschiebung eine Rolle. Die wirtschaftliche Integration bildet eine sehr wichtige Ebene im Bildungsprozess. Die zweite Ebene ist die sozialkulturelle Integration. Das Individuum wird seit Beginn des 19. Jahrhunderts immer stärker in politische, wirtschaftliche und sozialkulturelle Aspekte einbezogen. Verschiedenste staatliche Maßnahmen, wie die allgemeine Wehrpflicht oder Änderungen der Steuern oder der Gesetze, führten dazu, dass die Bürger ihren Horizont erweiterten. Die verbesserte Schulbildung hat dabei einen genau so wichtigen Anteil wie die aufkommenden Zeitungen und Zeitschriften. Das bedeutet also, dass sich neben dem wirtschaftlichen auch der kulturelle Markt erweiterte und somit erhielten die sozialen Beziehungen eine weitere Dimension. Die Klassenbildung als vielschichtiger Prozess gehört deswegen auch zur Erweiterung der Lebenswelten und Lebenserfahrungen. Die dritte Ebene ist die politische. Die Nationalbewegung mit ihrem Programm und ihren Organisationen bis hin zu Nationalvereinen war in den ökonomischen und sozialkulturellen Nationsbildungsprozess integriert. Die Idee zeigt eine neue Ordnungsvorstellung, die der gewachsenen Ordnung bessere Bezugspunkte bot als die alte traditionelle. Diese verschwand aber nicht und Heimat wurde zu einem Teil der Nation.79

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77 Hall Stuart, Kulturelle Identitäten und Globalisierung. S. 417 - 419.78 Ebda. S. 419.79 Hobsbawm Eric J., Nationen und Nationalismus. S. 235 - 237

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Um die letzte Phase C einleiten zu können muss eine Ausbreitung des Nationalismus stattfinden. Für Wehler spielen hierbei sechs Momente eine entscheiden Rolle. Als erstes ist hier die Etablierung der Kommunikationsmittel und deren Verdichtung zu nennen. Durch diesen technischen Fortschritt konnten innerhalb kürzester Zeit eine große Anzahl Menschen erreicht werden. Der zweite wichtige Faktor ist die Ausbreitung der gemeinsamen Sprache, der „Volkssprache“ oder der Nationalsprache. Dieser Faktor geht eng mit der Verdichtung der Kommunikationswege einher. Vor allem die Erfindung des Buchdrucks ebnete hier den entscheidenden Weg. Für Anderson wird hier der Grundstein für das Nationalbewusstsein gelegt.80 Es ist jedoch zu erwähnen, dass nirgends eine uralte Nationalsprache die Nation hervorbrachte. Erst durch den Nationalstaat wurde die Nationalsprache durchgesetzt. Weiters ist daran zu arbeiten, dass der Nationalismus nicht an Überzeugungskraft verliert. Denkmäler, Umzüge, Feste und Hymnen sorgten bei den verschiedensten Veranstaltungen unterschiedlicher Vereine für Verinnerlichung und Verankerungen der nationalen Traditionen. Die Opferbereitschaft ist weiterhin ein wichtiger Faktor für die Ausbreitung und Festigung des Nationalismus. Keine Werbekraft ist größer als Märtyrer, die für die Idee und die Nation bereit sind alles zu geben, sogar ihr Leben. Während all dieser Momente musste die Nationalisierung auch sichtbare Fortschritte machen. Die Bestrebungen mussten voranschreiten und gleichzeitig wachsen. Schließlich ist für einen Nationalismus eine Differenzierung zwischen „uns“ und den „anderen“ unabdingbar und diese musste vertieft werden. Wehler bringt dies auf den Punkt und schreibt: „Die nationalen Identität musste im Wettbewerb mit anderen (partikularstaatlichen, regionalen, konfessionellen) Identitäten einen Vorrang gewinnen.“81 Nichts desto trotz bewies der Nationalismus vor allem im 20. Jahrhundert, dass er alle Regimegrenzen überspringen kann, und das Potential hat, jedermanns Knecht oder Herr zu sein.82

3.4 Die Wandlung des Nationalismus - Anfänge im Baskenland

Aus praktischen Gründen muss die Bildung der Massen in einer Landessprache erfolgen. Die Wahl dieser Sprache wäre vergleichsweise einfach, würde man sie nach der Zahl der Menschen, die sie sprechen und/oder verstehen, wählen. Einfach war die Entscheidung für eine Sprache jedoch selten. Vor allem für die Nationalismen, welche am Ende des 19. Jahrhunderts entstanden, war die Sprache ein sehr zentraler Faktor. Hier war die Entscheidung mehr als nur eine administrative Zweckmäßigkeit. 1853 wurde zum ersten Mal darüber diskutiert, ob die gesprochenen Sprachen in der Volkszählung aufgenommen werden sollten und welchen Einfluss dies auf die Nationalitäten haben würde. Auseinandersetzungen, die sich auf die Sprache beziehen, sind ein Phänomen, welches erst seit dem 19. Jahrhundert zu beobachten ist. 1842 wurde berichtet, dass nicht Natur die Grenzen bestimmt, sondern Sprache, Traditionen und Erinnerungen; alles, was eine Nation von einer anderen unterscheidet. Auch international gesehen wird die Sprache wichtiger. In der Diplomatie wird sie ein bestimmender Faktor. Einige waren der Auffassung, dass die Sprache der einzig angemessene Indikator wäre für die nationale Zugehörigkeit. Die Frage nach der Sprache „zwang“ die Leute erstmals nicht nur Position zu ihrer Nationalität zu beziehen, sondern sich genau

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80 Anderson Benedict, Die Erfindung einer Nation. S. 51f.81 Wehler Hans Ulrich, Nationalismus. S. 50.82 Ebda. S. 45 - 50.

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in einer sprachlichen Nationalität wiederzufinden. Somit hatte der Staatsapparat die Wandlung des Nationalismus begünstigt.83

Der Nationalismus von 1880 bis zum Beginn des 1. Weltkrieges unterscheidet sich für Hobsbawm in drei Faktoren zu jenem der liberalen Zeit. Jede Gemeinschaft, die sich als „Nation“ bezeichnet, beansprucht das Recht auf Selbstbestimmung, was zu einem souveränen Staat mit eigenem Territorium führt. Daraus folgt der zweite Unterschied. Da vermehrt Nationalismen ohne wirkliche Geschichte aufkommen, rücken Sprache und ethnische Zugehörigkeit als Merkmale ins Zentrum für die potentiellen Nationen. Der dritte Unterschied betrifft die nationale Gesinnung der etablierten Nationalstaaten. Hier ist ein deutlicher Ruck zur politischen Rechten zu erkennen. Laut Hobsbawm wurde für sie der Begriff „Nationalismus“ erst Ende des 19. Jahrhunderts erfunden. In dieser Zeit steigt auch das Interesse am Nationalismus und dessen Bewegungen. Genau durch diese veränderten zentralen Punkte kommt es in ganz Europa zu einzelnen nationalistischen Bewegungen, unter anderem auch zum baskischen Nationalismus. 1894 gründete Sabino Arana seine Baskische Nationalpartei (PNV). Er erfand neben der Flagge (Ikurriña) für seine Partei, die später zur Nationalflagge werden sollte, auch den Namen des Landes (Euskadi).84

Der gesamtbaskische Nationalismus, welcher zunächst mit den Karlisten zusammenarbeitet (Karlistenkriege), sich jedoch bald davon distanzierte, ging aus der „kulturnationalen Erweckungsbewegung“, wie es Walther Bernecker nennt, unter Arana hervor. Die PNV hatte ihre breiten Verbündeten in den Küstenregionen Gipuzkoa und Bizkaia. Zu seiner Entstehungszeit bezeichnet Bernecker die nationale Bewegung als doppelt antimodern. Zum einen richtet man sich gegen die Industrialisierung und die Modernisierung mit all ihren Folgen und zum anderen gegen den politisch-zentralistischen Liberalismus aus Madrid, welcher für die Abschaffung der Fueros verantwortlich war.85 Jean Grugel betitelt diesen Verlust der Fueros mit „the justifying myth of the Basque case“.86

Möglichkeiten zur Entfaltung waren schwierig für den Nationalismus im Baskenland. Die Großbourgeoise schaute nach Madrid und hatte sich vom „Baskismus“ gelöst. Das städtische Proletariat stand den baskischen Belangen mit Gleichgültigkeit gegenüber. Arana schränkte dies noch weiter ein mit seinem Programm, welches eine radikale Absage an die Industriegesellschaft war. Die wichtigste Forderung bestand in der „Ruralisierung“ und der Rückkehr zum ländlichen Leben. Weiters sollte die Reinheit der baskischen Rasse bewahrt und alle Gruppen, die nicht dazugehören, aus dem Baskenland entfernt werden. Genauso wurde die bedingungslose Loyalität der katholischen Kirche gefordert. Die alten Rechte (Fueros) sollten wieder hergestellt werden, gleichzeitig mit einer Loslösung vom spanischen Einfluss. „Gott und die alten Rechte“ („Jaungoikua eta lagi zarra“) wurde zum Leitspruch dieser nationalistischen Bewegung. „Jelkides“ und „jeltzailes“ waren mittlere Unternehmer, die nicht die Dynamik der Großunternehmer entwickelten, nämlich traditionelle Gruppen wie Pächter, Kleinbauern, Fischer, Handwerker und Kleinhändler. Die Bewegung entwickelte sich also als Reaktion auf die tiefgreifenden Struktur- und Identitätskrisen im

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83 Hobsbawm Eric J., Nationen und Nationalismus. S. 112 - 119.84 Ebda. S. 122 - 127.85 Bernecker Walther L., Sozialgeschichte Spaniens im 19. und 20. Jahrhundert. S. 214.86 Grugel Jean, The Basques. S. 100.

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Baskenland. Es ist zusammenfassend als Kunstprojekt eines Mannes anzusehen und entstand nicht, wie in Katalonien, aus einer geistig-kulturellen Strömung.87

Für Arana selbst war die Rasse viel wichtiger als die Sprache, um die baskische Nation zu definieren. Jedoch sah er auch die Sprache als ein sehr wichtiges politisches Instrument zur Identifikation und Abgrenzung gegenüber Spanien.88 Er schrieb über den Zusammenhang von Sprache und Vaterland folgendes: „Wenn ihr die Sprache eures Vaterlandes nicht liebt könnt ihr auch euer Vaterland nicht lieben.“89

Der sprachliche Nationalismus fordert die Kontrolle über einen Staat, bzw. die offizielle Anerkennung der Sprache. Nicht in jedem Staat und in jeder Gruppierung hat dies denselben Stellenwert. Dennoch stehen im Kern dieses Nationalismus Macht, Status, Politik und Ideologie und nicht Sprache und Kultur. Die Sprache, wie Hobsbawm Haugens zitiert, ist jedoch als Kulturartefakt zu sehen; dies ist der große Gegensatz zum nationalistischen Mythos. So wichtig die Sprache auch sein konnte, ohne staatliche Macht und Autorität war nichts zu erreichen.90

Im Baskenland führte die Problematik der Sprache zur Verteidigung einer untergehenden Sprache, da diese kurz vor dem Aussterben stand. Damit ist ein Beschützen der alten Traditionen und Lebensweisen gleichzusetzen, das durch die Moderne entstand. Dadurch lässt sich auch der große Einfluss der Katholischen Kirche begründen. Es war also keine einfache Bewegung der Mittelschicht, jedoch auch keine der ländlichen Bevölkerung. Obwohl diese die Sprache beherrschten und einige politische Führer, wie Arana, diese erst im erwachsenen Alter erlernen mussten. Der baskische Nationalismus wurzelt(e) überwiegend im konservativen, katholischen und kleinbürgerlichen Milieu der Städte und Küstenprovinzen. Sie waren gegen die Großbourgeoisie, da diese sich zu Spanien wandte. Sie sahen sich durch die Industrialisierung und den gottlosen proletarischen Sozialismus der Einwanderer bedroht. Für Hobsbawm mutierte der Nationalismus in der unteren Mittelschicht, die mit Liberalismus und Linke in Verbindung gebracht wurde, zu einer chauvinistischen, imperialistischen und fremdenfeindlichen Bewegung der (radikalen) Rechten.91 Für Grugel ist Aranas Nationalismus fundamental unterschiedlich zum zentralistischen, kapitalistischen und liberalen Nationalismus des 19. Jahrhunderts in Europa. Für Arana war die baskische Rasse ein wichtigeres Thema als die Sprache, da er durch die Urbanisierung und die damit verbunde Integration aus anderen Teilen des spanischen Staates, diese gefährdet sah.92

Die traditionell baskische Gesellschaft geriet durch den Industrialisierungsprozess völlig unter die Räder. Bauern und Handwerker verarmten und wurden kulturell an den Rand gedrängt. Das Euskera wurde unterdrückt und in den Schulen teilweise bestraft, woraus eine Überwachung und Unterdrückung entstehen sollte, wie Lang schreibt.93

Es entstanden auch zwei mit der baskischen Tradition verbundene Klassen. Zum einen war dies der kulturell heimatlose städtischer Mittelstand, zum anderen ein im Schatten der Schwerindustrie und

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87 Bernecker Walther L., Sozialgeschichte Spaniens im 19. und 20. Jahrhundert. S. 214f.88 Santiago de Pablo, Ludger Mees, El péndulo patriótico. S. 12f.89 Hroch Miroslav, Das Europa der Nationen. S. 179.90 Hobsbawm Eric J., Nationen und Nationalismus. S. 131 - 134.91 Ebda.. S. 141f.92 Grugel Jean, The Basques. S. 101.93 Lang Josef, Das baskische Labyrinth. S. 26f.

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Großbanken stehendes Klein- und Mittelunternehmertum. Diese stammten aus den Dörfern und Städten, wo sie ihre Fabriken hatten. Sie beschäftigten hauptsächlich Einheimische.94

Der „sabinische“ Nationalismus (1893 - 1904) vertrat den Mythos eines einst unabhängigen und demokratischen Baskenlandes und das Idyll eines vorindustriell-friedlichen Euskadi. Der Sozialismus der Einwanderer und die Großbourgeoisie wurden als die Hauptfeinde der unterdrückten Heimat gesehen. Er trat für die Unabhängigkeit ein, in der es nur das Euskara gab, und die katholische Religion, welche die moralischen Grundsätze vorgab. Nicht-Basken hätten keine demokratischen Rechte und es herrschte mehr soziale Gerechtigkeit.95

1904 begannen die ländlichen Intellektuellen (Klerus und national-baskische Bourgeoisie) Aranas Partei, die „Partido Nacionalista Vasco (PNV), zu unterstützen. Dies hatte zur Folge, dass die PNV vom separatistischen zum autonomischen Standpunkt wechselte und die rassistisch-integristischen Elemente gemäßigt wurden. Um die einheimischen Arbeiter politisch zu binden, wurde eine Gewerkschaft der PNV gegründet (Solidaridad de Obreros Vascos, später Solidaridad de Trabajadores Vascos). Lang zeigt somit die Spaltung der werktätigen Bevölkerung in eine sozialdemokratische-zentralistische und eine bürgerliche-nationalistische Bewegung. Die Sozialisten hatten eine freundliche Haltung gegenüber der zentralistischen Diktatur Primo de Riveras, was deren Ansehen schadete. Die Kommunisten, die als einzige Linke in die nationale Frage die Arbeiterschaft integrieren wollten, waren zu schwach um die tiefe Spaltung zu überwinden.96

Der Nationalismus ist nach dem 1. Weltkrieg bis 1950 auf dem Höhepunkt. „Unbedeutende“ Nationalismen, wie sie Hobsbawm beschreibt, waren vor 1914 kaum in Erscheinung getreten, sieht man vom irischen Beispiel ab. Auch die Basken haben hier eine Sonderstellung. Die Nationalpartei fand nach 1905 die Unterstützung der Masse und konnte 1917 - 1919 die Kommunalwahlen für sich entscheiden. Die jungen militanten Aktivisten ließen sich von dem revolutionären Nationalismus in Irland inspirieren. Durch die Zentralisierung und die Unterdrückungen Primo de Riveras, was unter Franco noch stärker wurde, wuchsen der Nationalismus und die Gemeinschaft der Basken. Nach 1918 ist festzustellen, dass der Nationalismus sich aus der traditionellen Arena, wie Grenzstreitigkeiten und Forderungen nach eigener Sprache, wegführt. Es wurden neue Mittel gefunden um die nationale Identifikation in modernen, urbanisierten und hochtechnisierten Gesellschaften auszudrücken. Hobsbawm erwähnt dazu zwei ganz bestimmte Mittel. Zum einen spielen hier sicherlich die modernen Massenmedien eine besondere Rolle. Mit Hilfe von Presse, Film und Funk, konnten Ideologien für die Masse tauglich gemacht und von den Regierungen sowie anderen Organisationen als Propaganda eingesetzt werden. Ausschlaggebender ist jedoch der Faktor, dass Massenmedien es schafften, nationale Symbole zu einem Bestandteil jedes einzelnen Individuums zu machen. Dadurch wurde auch die Trennung zwischen Privatbereich und lokaler Sphäre einerseits und öffentlicher und nationaler Sphäre andererseits aufgehoben.97

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94 Lang Josef, Das baskische Labyrinth. S. 27.95 Ebda. S. 27.96 Ebda. S. 27f.97 Hobsbawm Eric J., Nationen und Nationalismus. S. 167

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Das andere Mittel, welches private und öffentliche Welten verband, war der Sport. Zwischen den beiden Weltkriegen wurden Sportereignisse zu einem Spektakel, die Gladiatorenkämpfen glichen. Personen und Mannschaften symbolisierten Nationen. Heutzutage sind Großereignisse Bestandteil des Alltags. Früher hatten solche Veranstaltungen vor allem Publikum aus der Mittelschicht. Eigentlich hatten internationale Turniere und Wettkämpfe das Ziel, nationale Bestandteile von Vielvölkerstaaten zu integrieren. Solche Wettkämpfe schufen Sicherheitsventile für Spannungen. Das Zusammengehörigkeitsgefühl sollte verstärkt werden. George Orwell erkannte jedoch, dass zwischen den Kriegen Sportler und Mannschaften zu Symbolfiguren ihrer Gemeinschaft wurden. Was die Identifikation vereinfacht, ist die Mühelosigkeit, da sich selbst politisch und öffentlich Uninteressierte mit einer Nation identifizieren können. Die Gemeinschaft von Millionen lässt sich in 11 Spielern einer Mannschaft wiederfinden. Der einzelne, auch wenn er nur anfeuert (Fan), wird zu einem Symbol seiner Nation.98

3.5 Beenden Zensur und Unterdrückung nationalistische Bestrebungen?

1923 kam Primo de Rivera an die Macht in Spanien. Dies hatte einige Veränderungen für die verschiedenen Nationalismen in Spanien zur Folge. Primo de Rivera setzte verstärkt auf den Zentralismus und ab dem Jahre 1924 tritt eine Zensur in Kraft, welche seine Macht verstärken und seine Gegner schwächen sollte. Sprachen und andere Symbole der Provinzen waren vor allem im Blickpunkt dieser Zensur und wurden zum Teil sogar komplett verboten. Die baskische Presse durfte nur noch Texte im Euskera und Castellano drucken. Das ganze hatte zur Folge, dass die Nationalisten in den Deputaciones verschwanden. Das bedeutet, dass die Erfolge der Wahlen durch die Diktatur zunichte gemacht wurden. Ende Oktober 1923 folgt das Dekret „Antiseperatista“. Dies hatte zur Folge, dass im Baskenland 34 Organisationen verboten wurden. Diese Organisationen lebten jedoch teilweise im Untergrund oder im Exil weiter. Ihre Motivation war nicht nur der Nationalismus sondern auch eine Einstellung gegen die Diktatur Riveras.99

Primo de Rivera konnte dem Druck von innen und außen nicht Stand halten und musste somit nach sieben Jahren abdanken. Es kommt am 14. April 1931 zur 2. Republik in Spanien, welche im Baskenland wieder Hoffnung weckte. Bereits ein halbes Jahr zuvor kommt es zu einer Versammlung und Wiedervereinigung der Nationalisten. Die PNV besinnt sich auf ihre alten Gewohnheiten und ihren Leitspruch JEL. Sie beziehen sich weiter auf das konfessionelle, autonome Baskenland, welches auf der Rasse, der Sprache und den Traditionen basiert. Es kommt hierbei auch zu einer Abspaltung. Die Accion Nacionalista Vasca - Eusko Abertzale Ekintza (ANV - EAE) gilt als säkulare Abspaltung der PNV und wird als linksnationalistische Partei bezeichnet, welche für ein unabhängiges und sozialistisches Baskenland steht. Hier sind viele ehemalige Kommunisten zu finden. 100

Als die 2. Spanische Republik in allen Städten in Spanien ausgerufen wurde, fügte man am Balkon des Rathauses in Bilbao noch die Ausrufung der Baskischen Republik hinzu. In den folgenden Tagen mobilisierte

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98 Hobsbawm Eric J., Nationen und Nationalismus. S. 167 - 17199 Santiago de Pablo, Luger Mees, El péndulo patriótico. S. 90 - 101.100 Ebda. S. 115 - 119.

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die PNV ihr Mitglieder und es wurde am neuen Staat gearbeitet. José Antonio de Aguirre, Bürgermeister von Getxo und ehemaliger Spieler des Athletic Club de Bilbao, versammelte unter seiner Führung in Gernika unter der großen Eiche (Symbol der baskischen Freiheit) zahlreiche baskische Bürgermeister, um neuen Schwung in die Autonomiebewegung zu bringen. Die Regierung aus Madrid war klar dagegen und versuchte alles um das zu verhindern. Das besondere an diesen Treffen und Abmachungen war, dass die Bürgermeister der vier Hauptstädte Hegoaldes nicht teilnahmen, da diese keine PNV-Mitglieder waren. Es kam am 14. Juni 1931 zum „Estatuo de Estella“. Von 450 Bürgermeistern stimmten 428 für den Statut. Es sollten alle sieben Provinzen zusammengefasst werden und einen Status wie „Bundesländer“ besitzen. Das Euskera sollte als offizielle Amtssprache gelten. Die Regierung in Madrid lehnte dies jedoch ab. Auf der Grundlage der neuen Verfassung von Spanien (8. Dezember 1931) wurde der Vorschlag überarbeitet. Ein halbes Jahr später kam es zu einer weiteren Abstimmung über die Autonomie. Die Vertreter aus Nafarroa stimmten gegen ein gemeinsames Statut. Die anderen Provinzen blieben dem Kurs treu und ließen Nafarroa die Möglichkeit offen, dem Statut jederzeit beizutreten. In einem Referendum wurde das neue Statut, welches ein Minimalvorschlag gegenüber dem letzten war, angenommen. Es war keine Rede mehr von einem baskischen Staat sondern von einer Autonomen Region und die Sprachen wurden gleichgestellt. Die Bindung zu Iparralde wurde herausgenommen. Dieses Statut wurde zwar angenommen, jedoch wegen eines Regierungswechsels in Madrid nicht ratifiziert. Anfang Oktober 1936 war es dann soweit. Die Regierung in Madrid gewährte den Basken ihre Autonomie. Am Vormittag des 7. Oktobers kam es zur ersten Wahl und José Antonio de Aguirre wurde der erste „Lendakari“ (Ministerpräsident). Zu diesem Zeitpunkt war der Bürgerkrieg in Spanien in vollem Gange. Madrid bestätigte die Autonomie zum einen, weil Spanien die Industrie im Baskenland nicht verlieren wollte, und zum anderen beinhaltete die Autonomie nur mehr einen Bruchteil der Vorschläge von 1931. Aguirre verlor keine Zeit und formte das Gemeinwesen und besetzte die einzelnen Posten. Auch das Aussehen des Gemeinwesens wurde verändert und die PNV-Symbole wurden zu den Symbolen des Baskenlandes Die Ikurriña wurde zur Flagge des Autonomen Baskenlandes. Die Bemühungen konnten allerdings aufgrund des Bürgerkriegs nur wenige Erfolge aufweisen. Die deutsche Luftwaffe zerstörte am 26. April 1937 die symbolische Stadt Gernika. Dieser Angriff geht in die Geschichte ein, da erstmals eine Stadt aus der Luft zerstört wurde. Am 19. Juni 1937 wurde Bilbao eingenommen und einen Monat später ergaben sich die Milizen der PNV und ANV. Aguirre ging ins Exil und das Baskenland stand unter der Herrschaft von Francisco Franco, seinem Zentralismus und seiner Zensur.101

Die Nachkriegsjahre sahen einige antifranquistische Aktionen seitens der baskischen Bevölkerung, und dies obwohl die PNV und die PSOE hauptsächlich auf die internationale Diplomatie hin orientiert waren und die meisten Mitglieder der nationalen und sozialen Bewegung im Exil oder im Gefängnis waren. Es häuften sich das Anbringen von Inschriften wie „Gora Euzkadi Azkatuta“ („Es lebe das freie Baskenland“) und das Aufhängen von Ikuriñas. Durch die schlechte Lage der Bevölkerung wuchs die Gemeinschaft immer näher zusammen. Der gemeinsame Kampf gegen die Unterdrückung und für eine Verbesserung der Lage lies alle alten Ressentiments verschwinden. Das Feuer des Widerstandes brannte im Baskenland im Jahre 1947

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101 Niebel Ingo, Das Baskenland. S. 61 - 71.

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heißer als in den vorherigen zehn Jahren, wie es Lang treffend beschreibt, was den Generalstreik im Mai 1947 zur Folge hatte.102

3.6 Der Neue Baskische Nationalismus

Im Jahre 1953 begannen sich einige Studenten regelmäßig zu treffen. Sie lernten zusammen Euskara, lasen zusammen existentialistische Literatur und studierten die Geschichte des baskischen Volkes. Sie gründeten eine eigene Gruppe mit den Namen „Ekin“, was so viel wie „Machen“ oder „Handeln“ bedeutet. Sie kritisierten die PNV, standen ihr aber nicht feindlich gegenüber. Die „unternehmungslustigen“ Jugendlichen kannten diese aus ihren Familien, jedoch waren sie die Passivität, Ausweglosigkeit und Gleichgültigkeit des traditionellen Nationalismus leid. Auch politisch gab es Differenzen. Die Ekin bezeichnet sich als patriotische akonfessionelle Bewegung. Ihr Nationalismus hatte sein Standbein im ethnisch-kulturellen und linguistischen Bereich, so Lang. Viele Mitglieder der Jugendorganisation Euzko Gaztedi (EG), welche der PNV angehörten, schlossen sich der Ekin an. Dies war ein weiter Grund, warum die PNV die Bewegung nicht gut hieß und sogar ihre Auflösung forderte. Um mit den „Alten“ komplett zu brechen gaben sie sich am 31. Juli 1959 einen neuen Namen: ETA - Euskadi Ta Askatasuna - Baskenland und Freiheit. Lang betont, dass es keinen bestimmten Grund für die Spaltung des Nationalismus gab. Es ist die Gesamtansicht zu betrachten. Ekin und ETA waren nie, sie wurden. Genauso ist es mit der Entwicklung dieser Bewegung zu sehen. Nicht die Frage, warum sie plötzlich sozialistisch und dann später gewalttätig wurde, zählt, sondern der Weg bis dahin und ab wann die ersten Elemente auszumachen sind. Die Jugend fand im Existentialismus eine neue Weltanschauung. Dies bedeutet den ersten tiefen weltanschaulichen Bruch mit dem traditionellen Nationalismus.103

Der neue Nationalismus ab den 60er Jahren veränderte nicht nur die Situation des Franco Regimes, sondern auch jene der Großbourgeoisie des Baskenlandes. Die Großunternehmer und Bankiers mit ihren Sitzen im Baskenland identifizierten sich mit der Ökonomie und Kultur des Franquismus. Die neue nationalistische Organisation ETA war genauso gegen die Pro-Spanischen Gruppen wie sie gegen Madrid waren. Somit schreibt Grugel, dass die ETA ihre Bemühungen mehr in die Befreiung des Baskenlandes von Spanien als die Befreiung Spaniens von Franco betrieb.104

Für Grugel veränderte die ETA auch die Frage nach der baskischen Rasse. Zum ersten Mal werden die Immigranten nicht als der ewige Feind und die Basken nicht als einheitliche homogene Rasse gesehen. Stattdessen kommt der soziale Stand in den Vordergrund, und gleich danach wird die Sprache zu einem wichtigen Faktor des Nationalismus.105

Die ETA definierte sich bei ihrer Gründung als patriotisch-demokratisch-akonfessionell. Ihr Ziel war ein freies Baskenvolk mit einem Baskenstaat und Freiheit. Einer der ETA Gründer, Txillardegui, setzt mit seiner Rede in Paris anlässlich des 25. Geburtstags der baskischen Regierung am 7. Oktober 1961 eine klare Grenze zum „alten“ und „neuen“ Nationalismus. Er kritisiert den Rückgang des Euskera und die

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102 Lang Josef, Das baskische Labyrinth. S. 92 - 94.103 Ebda. S. 117 - 123.104 Grugel Jean, The Basques. S. 103.105 Ebda. S. 109.

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Tatsache, dass die Exilregierung mit ihren beiden Zentren in Paris Französisch und Spanisch spreche. Die frühere PNV lobte er, jedoch sei die gegenwärtige kein Vergleich. Die Jugend solle sich den neuen Patrioten anschließen. Er sprach von einer „Patriotischen Front“, die alle nicht-nationalen Parteien ausschloss. Die erste umfassende programmatische Erklärung der ETA erscheint nach ihrer 1. Versammlung im Mai 1962:

„Euzkadi Ta Askutasuna (ETA) ist eine revolutionär- baskische Bewegung zur nationalen Befreiung, entstanden im patriotischen Widerstand ist sie unabhängig von jeder anderen Partei, Organisation... Für die ETA besteht Euskadi aus den historischen Regionen, Alava, Guipúzcoa, Laburdi, Navarra, Vizcaya und Zuberoa... ETA schlägt vor: die gewisse effektive Garantierung der Menschenrechte, solange diese nicht ausgenutzt werden gegen die Souveränität Euskadis oder zur Errichtung eines diktatorischen Regimes (sei das faschistisch oder kommunistisch); die föderalistisch europäische Integration, sofern diese über Nationalitätenebene verläuft; die progressive Aufhebung der staatlichen Grenzen in der ganzen Welt, weil diese antinatürlich und hinderlich sind für das gute Einvernehmen und den wirtschaftlichen und kulturellen Fortschritt der Völker und Individuen; die Absage an den Rassismus und damit an das Prinzip der rassischen Überlegenheit eines Volkes oder einer Rasse über die anderen... ETA manifestiert seine Akonfessionalität und schlägt sie vor für die Verfassung Euskadis... Auf sozialem Gebiet seit die ETA für das Baskenland vor: die Bestimmung von Arbeit und Kapital als integrierende Teile eines Unternehmens, in dessen Mitverwaltung und an dessen Gewinnen beide teilhaben... ETA verlangt für Euskadi die Proklamierung des Euskara als einzige Nationalsprache.“106

Die ETA hatte einiges gemeinsam mit dem Yagi-Yagi-Nationalismus und in einigen Punkten stimmte sie auch mit der PNV überein. Den Mythos eines unabhängigen demokratischen und klassenlosen Baskenlandes, welches bis in die Neuzeit existierte, vertrat auch sie. Die Betonung auf die sprachliche Unterdrückung war auch etwas Neuartiges. Ebenso wie der Bruch mit der Kirche, die ihren Halt in der Jugend ein wenig verlor, bis dahin aber eine bestimmende Größe im Nationalismus darstellte.

Das spätere ETA Mitglied Fernando Sarralih de Ihartza, Künstlername Federico Krutwig, beschrieb in seinem Buch „Vasconia - Dialektische Studie eine Nationalität“ einige Ideen, die großen Einfluss auf die ETA ausübten und die Erfahrung in Algerien deutlich zum Ausdruck brachten. Die algerische Revolution und ihre Erreichung der Unabhängigkeit im Juli 1962 hatten großen Einfluss auf das Baskenland und auf seine Jugend. Krutwig geht weiter im Gedanken als Arana bezüglich der Idylle eines vorspanischen Baskenlandes, „wo alles allen gehört“.107 Er lehnt das Privateigentum als spanisches Produkt ab und sieht im Katholizismus die erste Entfremdung des Baskischen. Die Gemeinschaft sollte auf Gemeineigentum und Kommunen basieren und antiklerikal sein. Für ihn macht die Sprache ein Volk aus. Er erweitert somit den Gedanken der ETA von einer linguistischen Definition der Basken. In Europa über Rassen zu sprechen sei unwissenschaftlich. Die PNV kritisiert er, da sie mit spanischen Parteien zusammenarbeitet und aus der Unabhängigkeit eine Autonomie macht. Die Kommunisten verfolgten eine Kolonialpolitik und würde zu wenig auf die leninistischen Prinzipien in der Nationalitätenfrage achten. Diese Besinnung auf den Leninismus ist eine wichtige Neuerung. Krutwig greift die PNV, die Autonomieregierung und generell die ältere Generation

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106 Lang Josef, Das baskische Labyrinth. S. 147.107 Ebda. S. 150.

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stark an. Der Präsident der Exilregierung Leizola sollte erschossen werden, da er seinen Kindern nicht das Euskera beibrachte. Er stellte harte Forderungen und schreckt auch nicht vor harten Aktionen zurück. Vor allem der Bruch zwischen Neu und Alt wird deutlich in seinen Schriften. Die „Alten“ definiert er als, „baskistisch bis zu einem gewissen Punkt, konservativ, klerikal, eher sabinisch als nationalistisch.“108 Viele würden sich mit einem Statut begnügen und würden auf die wirtschaftlichen Interessen des Landes schauen. Die „Jungen“ bezeichnet er als „baskistisch, mehrheitlich linguistisch orientiert, fortschrittlich, akonfessionell, oft sogar antiklerikal, nationalistisch aber nicht sabinisch, separatistisch, Anhänger einer Loslösung von Spanien und Frankreich; wenn es nötig ist, sind sie bereit Gewalt anzuwenden.“ 109 Zum ersten Mal kommt es zur Kritik der PNV, weil sie bürgerlich ist und nur die Interessen der bürgerlichen Nationalisten vertritt. Lang schreibt, dass Krutwig bei seiner Ausrichtung der Jugend eine zu große Vehemenz und Arroganz beimisst, die von keinem vertreten wurde. Weiters würde Krutwig wenig über den „Marxismus-Leninismus“ wissen, da er sich eher auf China, Algerien und Kuba fokussiert und diese Ideen aufgreift. Für Marx selber interessiere er sich wenig und von Lenin wisse er nichts über die Arbeiterschaft. Dies würde, so Lang, typisch werden für die spätere Entwicklung des radikalen Nationalismus.110

Jean Grugel gliedert die Zeit nach dem Bürgerkrieg bis 1960 in 4 Phasen der PNV. In der ersten Phase von 1939 - 45, in der die nationalistische Regierung im Exil in Paris und London war, musste sie um ihre Existenz bangen. In den folgenden beiden Jahren stieg das Prestige der baskischen Republikaner im Westen Europas und den Vereinigten Staatenbei den verbündeten Feinden gegen Franco. Die dritte Phase dauerte von 1946 - 1952 und wurde durch den kalten Krieg und die Rehabilitation von Franco durch die westlichen Mächte geprägt. Somit mussten die Ziele neu definiert werden, da die nationale Bewegung nicht mehr auf die Alliierten Mächte hoffen konnte. In der letzten Phase bis 1960 ist die PNV so gut wie nicht vorhanden und konnte dem Kampf gegen Spanien und Franco nichts entgegensetzen. Zwei Punkte kommen dabei heraus, die beachtet werden müssen, so Grugel. Zum einen war die PNV bis 1960 die einzige legitime repräsentierende Partei des baskischen Nationalismus und zum anderen war der Glaube an Nationalismus eng mit der Demokratisierung Spaniens verbunden. 111

Im Gegensatz zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts spielt ab den 1960er Jahren die Arbeiterbewegung verstärkt eine Rolle. Die Arbeiterschaft entwickelte ein hohes Bewusstsein für die kulturelle Emanzipation Euskadis. Sie präsentierten soziale Stärke und kollektive Kampfkraft. Die Integration der Einwanderer funktionierte anscheinend sehr gut mit den einheimischen Arbeitern. Sie arbeiteten, lebten und kämpften zusammen.112 Die Arbeiterbewegung war geprägt von neuen Elementen. Es kam zum Bruch mit den früheren Führern der Kommunistischen Partei (PCE) und den Gewerkschaften, zumindest wurde diesen kein Gehör mehr geschenkt. Somit zeichnete sie sich durch ihre hohe Kampfbereitschaft, aber durch einen schwachen Organisationsgrad aus. Der radikalen Linken gelang es mit ihren vielen Arbeiterführern in dieser Zeit ein starkes Gewicht zu bilden. Ein weiteres neues Element war die Politisierung der Arbeiterkämpfe. In

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108 Lang Josef, Das baskische Labyrinth. S. 151.109 Ebda. S. 151.110 Ebda. S. 150 - 152.111 Grugel Jean, The Basques. S. 103.112 Lang Josef, Das baskische Labyrinth. S. 202f.

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den Streiks, vor allem in dem Jahr 1969, solidarisierten diese sich stark mit politischen Forderungen, wie der Freilassung von verfolgten Kollegen. Bis zum Ende des Franquismus kam es zu einer Bereitschaft der Solidarisierung mit allen Antifranquisten. Im Rahmen der Politisierung bekam die nationale Frage immer mehr Aufmerksamkeit. Die Arbeiter konnten sich mit der ETA und mit ihren Ideen identifizieren. Auch mit dem Movimiento Comunista Vasco, welches 1969 stärker war als die PCE, konnte sich eine Partei in der Arbeiterschaft verankern, die aus dem (radikalen) Nationalismus stammt und trotz ihres Bruchs für die nationale Frage offener war als die traditionellen Arbeiterparteien. Daraufhin öffnete sich auch die Kommunistische Partei für die Forderungen Euskadis und für den radikalen Nationalismus der ETA. Diese ganzen neuen Bewegungen des Nationalismus kulminierten im Burgos-Prozess vom Dezember 1970.113

3.7 Was Francos Tod und die nachfolgende Demokratie bewirkten

Der Tod Francos (20.11.1975) öffnete schlussendlich die Möglichkeit für ein demokratisches System in Spanien. Die Transición - Wandlung von der Diktatur zu einem parlamentarisch-monarchischen Staatssystem - wurde vorberietet. Dies war allerdings kein Bruch mit dem alten System sondern eine vereinbarte Reform zwischen den Verfechtern des Franco-Regimes und den Hauptgruppen der Opposition, wie es de Pablo beschreibt. Es entstehen einige neue Parteien nach dem Tod Francos in Euskadi. Vor allem der linke Flügel der Nationalisten organisiert sich vermehrt in Parteien und in gemeinsamen Organisationen (Koordinadora Abertzale Sozialista - KAS).114 Zwei Trends sind für Waldmann in Bezug auf die parteilichen Entwicklungen nach der Franco Diktatur zu erkennen. Zum einen ist das Vordringen nationalistischer Parteien, welche pro-baskisch und contra spanisch sind, zu beobachten. Während der Zweiten Republik (1931 - 1936) brachte es die PNV auf ein knappes Drittel der Wähler. Der zweite Trend zeigt das breite Spektrum an nationalistischen Parteien, welche zwei Drittel der Wähler für sich gewinnen können. Zum Unterscheid zur vorfranquistischen Zeit entwickelte sich neben der baskischen Rechten auch eine baskische Linke. Diese waren mit zwei Parteien vertreten, die sich beide aus der ETA abgesplittert haben. Diese heißen Euskadiko Ezquerra (EE) und Herri Batasuna (HB). Die EE verfolgte zunehmend ein sozialistisches Parteiprogramm und distanzierte bzw. verurteilte die ETA. HB hingegen fungiert als politisches Sprachrohr der ETA.115

Der absolute Schlusspunkt der Franco Diktatur sollte mit der Abstimmung über die neue Verfassung am 6. Dezember 1978 gesetzt werden. Zwei Drittel beteiligten sich an der Wahl und 88% stimmten für die Verfassung. Das Baskenland nimmt hier, wie so oft, eine Sonderstellung ein. Die nationalistischen Parteien riefen zu einem Boykott bzw. zu einem klaren „Nein“ auf. Dem Boykott folgten 40,31% der Wahlberechtigten und 11,3% stimmten gegen die Verfassung. Die abertzales interpretierten diese Zahlen in dem Sinne, dass 51,6%, also die Mehrheit, die Verfassung ablehnten und somit die Verfassung dem baskischen Volk aufgezwungen wurde.116

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113 Lang Josef, Das baskische Labyrinth. S. 143f.114 Santiago de Pablo, Luger Mees, El péndulo patriótico. S. 364f.115 Waldmann Peter, Militanter Nationalismus im Baskenland. S. 144.116 Niebel Ingo, Das Baskenland. S. 76.

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Für Niebel sind vor allem zwei Verfassungsartikel ausschlaggebend, die das „ewige Spanien“ rechtlich umsetzen und faktisch absichern. In Artikel 2 geht es deutlich um die „unteilbare Einheit der spanischen Nation“, welche von den Streitkräften zu schützen ist (Artikel 8). Über all dem thront König Juan Carlos I., welcher von Franco selbst vorgeschlagen wurde. Weiters wurden auch bei der Festlegung des Autonomiewesens genügend Kontrollpunkte eingebaut, so dass Madrid, der reformwillige Flügel der Franquisten und deren Gegenspieler, die Republikaner, damit leben konnten. Die Autonomie bedeutet, dass einige Kompetenzen den Regionen unterstellt werden, und sie über diese selbst bestimmen dürfen, nachdem dies mit der Zentralregierung ausgehandelt wurde. Es wird jedoch in der Verfassung festgehalten, dass der Staat in eine Autonome Gemeinschaft eingreifen darf, sollte diese ihre Verpflichtungen nicht erfüllen, oder gegen gemeinsame Interessen arbeiten. Im Baskenland wird dieser Artikel 155 so verstanden, dass die Regierung das Recht hat, die Autonomie außer Kraft zu setzen, wenn nötig mit Unterstützung des Militärs.117

Die Zeit nach der Diktatur und der Veränderung in Spanien stellte die PNV vor die Wahl, sich mit der ETA und den linksnationalistischen Parteien und Organisation zu verbinden, oder die neue Verfassung zu akzeptieren und mit dieser zu arbeiten. Das erste Mal, dass die PNV ein ETA-Attentat offiziell verurteilte, geschah im April 1976. Ángel Berezadi, ein Industrieller, wurde entführt und ermordet. Santiago de Pablo schreibt, er sei der PNV nahe gewesen, jedoch sei dies nicht der ausschlaggebende Grund für die Verurteilung.118 Die Situation in den Straßen des Baskenlandes war geprägt von Demonstrationen und polizeilicher Gewalt. Zwischen dem Tod Francos und den ersten Wahlen in Spanien (Juni 1977) kam es im Baskenland zu sechs politischen Generalstreiks. Niebel beschreibt, dass jegliche Erfolge zuvor hart in den Straßen erkämpft wurden. Die Verfassung war demokratisch im westeuropäischen Sinne, jedoch blieb die Polizei mit ihren Methoden die alte. Als Alternative zum Straßenkampf sah die PNV ein weiteres Autonomiestatut im Sinne des politischen und rechtlichen Status von 1936/37. Aus diesem Grunde wollte die PNV als die „guten“ Nationalisten dastehen und verurteilten die ETA-Aktionen. Obwohl die PNV die Verfassung nicht anerkannte, kam es zu Verhandlungen über einen Autonomiestatut in Madrid. Dies geschah für Niebel aus zwei Gründen. Zum einen hat die PNV noch nie eine spanische Verfassung anerkannt, zum anderen bestimmt der Bezug zu den Fueros auch das politische Handeln. Diese Fueros machten zum einen die zweigeteilte Souveränität aus und zum anderen die „Pase Foral“, welche sich in der Formel „se obedece, pero no se cumple“ („Man gehorcht, aber man tut es nicht“) ausdrückt.119

Die beiden Verhandlungspartner konnten sich nicht einigen, somit kam es zur Drohung der Regierung in Madrid, dass, wenn die baskischen Parlamentarier den Änderungen am Statustext nicht zustimmen würden, der Belagerungszustand über das Baskenland verhängt würde. Die PNV knickt ein und die Folge war eine „Verwässerung“ des Autonomiestatus. Die Basken erhielten eine Autonome Regierung, ein eigenes Parlament, die Zweisprachigkeit, Finanzautonomie, einen Obersten Gerichtshof und sie bekamen das Recht, das Justiz- und Bildungswesen zu gestalten. In jedem dieser Statusartikel ist jedoch die

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117 Niebel Ingo, Das Baskenland. S. 78 - 81.118 Santiago de Pablo, Luger Mees, El péndulo patriótico. S. 368.119 Niebel Ingo, Das Baskenland. S. 83f.

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Präsenz Madrids zu finden. Das bedeutet, dass jegliche getroffenen Beschlüsse von Madrid wieder aufgehoben werden können.120

Die Literatur sieht die Probleme dieses politischen Konfliktes nicht gelöst, sondern rechtlich und politisch vertieft. Die geforderte politische Einheit der vier Provinzen in Hegoalde wurde nicht umgesetzt. Nafarroa erhielt einen minderwertigen Status. Die territoriale Problematik bleibt somit offen, da dies auf Dauer nicht von den Nationalisten akzeptiert werden würde. Dasselbe gilt für Ipparalde. Hier können die diplomatischen Beziehungen nur über Madrid laufen. Auf dem Papier wurde eine eigene Polizei zugesichert, jedoch wurden die spanischen Polizeikräfte, wie von der Mehrheit gefordert, nicht abgezogen. Am 25. Oktober 1979 durften die Wahlberechtigten der Autonomen Gemeinschaft über das so genannte Statut von Gernika abstimmen. 40% blieben fern, 3% stimmten dagegen, 2,7% gaben einen ungültigen Stimmzettel ab und 53,9% stimmten für das Statut. Die Vorstellungen über dieses Statut sind unterschiedlich. Die Zentralregierung sieht das als Ende der Bestrebungen und als Akzeptanz der Verfassung. Die PNV sah dieses Staut als Anfang und vor allem als ausbaufähig. Niebel sieht in der neuen spanischen Verfassung und im Autonomiestatut zwei verpasste Möglichkeiten, den Konflikt politisch zu lösen.121

Da die PNV das Statut verhandelte, versuchte sie die Bevölkerung dafür zu gewinnen und für den Urnengang zu begeistern. Die ETA und ihr gesamtes politisches Umfeld lehnte das Statut klar ab, da dieses auf der spanischen Verfassung beruht. Nafarroa gehörte nicht zur neuen Gemeinschaft, allerdings wurde die Möglichkeit zum Beitritt garantiert. Der Sitz der baskischen Regierung wurde bewusst in Gasteiz (Vitoria) gewählt. Die doch eher „spanische“ Provinz Araba sollte so näher zu Bizkaia und Gipuzkoa gebracht werden. Die ersten Wahlen am 9. März 1980 wurden von der PNV gewonnen. Dahinter folgte das linksnationale Parteibündnis Herri Batasuna (Volkseinheit). Der PNV-Spitzenkandidat Carlos Garaikoetxea wurde zum neuen Lehendakari (neue Schreibweise) gewählt. Die Ikurriña, seit dem 19. Januar 1977 wieder legal122, wurde wieder zur offiziellen Fahne und auch die alte PNV-Hymne „Gora ta gora Euzkadi“ wieder zum musikalischen Repräsentanten. Das Wappen zeigte die vier Abzeichen der Provinzen von Hegoalde, bis Nafarroa dagegen klagte. Seitdem ist das untere rechte Feld leer.123

Die PNV musste seit Jahrzehnten immer wieder mit internen Problemen kämpfen. Dies führte Anfang der 1988er Jahre zu einer Abspaltung der Eusko Alkartasuna - Baskische Solidarität (EA). Die Jelkides mussten daraufhin ihre Partei neu organisieren. Was hierbei geschah, war, dass die PNV zum ersten Mal in ihrer Geschichte auch versuchte Ipperalde in ihr Programm zu integrieren. Sabino Arana war durchaus gewillt ein Baskenland über die Staatsgrenzen hinaus zu bilden, jedoch wurde nie eine Zweigstelle im nördlichen Teil gegründet, obwohl während der Diktatur Francos einige Jelkides in Ipperalde ihre Zeit im Exil verbrachten. Es gab einige Organisationen, die seit den 1960er Jahren in Ipperlade existieren und denen eine Nähe zur ETA nachgesagt wird. Im Gefolge der EA kommt nun auch die PNV in den Norden des Baskenlandes, wie

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120 Niebel Ingo, Das Baskenland. S. 85.121 Ebda. S. 85f.122 Ebda. S. 83.123 Ebda. S. 86f.

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de Pablo schreibt. In April 1990 gründen sie ihre erste Abteilung, jedoch braucht es noch bis 1997 zum ersten Wahlantritt, welcher nicht unbedingt von Erfolg gekrönt war.124

In den 1980er und 1990er Jahren geht die PNV immer wieder Koalitionen in den Provinzen des Baskenlandes ein. So auch mit der PSOE-PSE. Die HB wirft der PNV eine „españolizacion“ vor. Während dieser Zeit war das größte Problem der Koalitionen die Gewalt durch die ETA. Aus diesen Gründen kommt es in den Jahren von 1986 bis 1992 zu einer kompletten Funkstille zwischen der PNV und der HB. Daraus folgt ein ganz entscheidender Aspekt. Die ganze Situation ist nun nicht nur mehr ein ungelöster Streit zwischen dem baskischen Volk und dem spanischen Staat, sondern es wird zu einem inneren Konflikt im Baskenland. Auf der einen Seite stehen jene, die der Gewalt abschwören und diese beenden wollen, gegenüber positionieren sich die politischen Arme der ETA, welche die Anschläge in der Öffentlichkeit nicht kritisieren. Die HB nimmt an den Wahlen teil, jedoch bleiben ihre Mitglieder dem Parlament aufgrund des politischen Protests meist fern.125

In der zweiten Hälfte der 1990er Jahre sollte ein Umdenken stattfinden. Zuerst feierte die PNV 1995 ihr 100-jähriges Jubiläum. Die Gewalt der ETA hielt an und die HB wurde immer mehr von den anderen Parteien isoliert. Die Diskussion um den Frieden wurde immer intensiver. Ein neuer Kurs wurde eingeschlagen, der den Pakt von Estella / Lizarra im September 1998 zur Folge hatte. Zuvor kam es zu einem Basisabkommen zwischen der PNV, EA und der ETA. Das Basisabkommen, welches von allen unterzeichnet wurde, besagt, dass effektive Schritte unternommen werden müssen, um eine gemeinsame Institution entstehen zu lassen. Diese soll alle sieben Provinzen umfassen. Der Weg dorthin führe über eine Zusammenarbeit aller Parteien mit demselben Interesse. Bei dieser Bildung von Euskal Herria, wie Niebel schreibt, sollten kurz- und langfristige Abkommen beschlossen werden, welche die grundlegenden Notwendigkeiten des baskischen Volkes aufgreifen. Alle anderen Pakte, welche für ein zentralistischen Spanien stehen und gegen ein Euskal Herria, sollten abgebrochen werden. Dies beinhaltet auch jegliche Anti-ETA-Pakte. Im Gegenzug verkündete die ETA einen Waffenstillstand.126 Der Pakt von Lizarra wurde von HB, PNV, EA, einigen nationalistischen Gewerkschaften sowie den Vereinigten Linken (IU), welche eine Koalition der früheren Kommunisten darstellt, unterzeichnet. Die PNV entwickelte eine nationale Front mit der HB, die de Pablo beschreibt. Der Pakt beinhaltet, dass der baskische Konflikt politsicher Herkunft und Natur sei, in dem der spanische und der französische Staat beteiligt ist. Daraus ist zu schließen, dass auch die Lösung nur eine politische sein kann. Es sollte vor allem zu einem Dialog und zu Verhandlungen kommen, ohne einen Ausschluss von Parteien, der jedoch nur stattfinden könne, wenn die Gewalt stoppt. Das Dokument von Estella / Lizarra reflektiert eine nationalistische Vision, die Vorherbestimmung der Souveränität in Euskal Herria würde die Lösung der baskischen Probleme sein. Während dieser Zeit kam es zweimal zu Wahlen, welche den Pakt stärken sollten. Seit langer Zeit waren die Wahlen nicht mit Attentatsdrohungen überschattet, was zu Euphorie und politischem Elan in der Bevölkerung führte.127 Dies hatte zur Folge, dass die nationalbaskischen Parteien

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124 Santiago de Pablo, Ludger Mees, El péndulo patriótico. S. 419 - 426.125 Ebda. S. 427 - 432.126 Niebel Ingo, Das Baskenland. S. 117f.127 Santiago de Pablo, Ludger Mees, El péndulo patriótico. S. 435 - 446.

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51% der Stimmen bei den Wahlen zum Baskischen Parlament im Oktober 1998 erhielten. Im Endeffekt hatten Madrid und auch Paris wenig Interesse an Verhandlungen mit den Nationalisten und der ETA. So wurde ein ETA-Mitglied bei den Verhandlungen verhaftet. Es kam zu einer weiteren Verhaftung, als die Organisation ein weiteres Programm der spanischen Regierung vorschlug; diese erwiderte jedoch, dass sie keine politischen Zugeständnisse für den Frieden geben konnte. Für die ETA bedeutete dies das Ende der Waffenruhe und sie nahm am 3. Dezember 1999 den bewaffneten Kampf wieder auf.128

Die Anschläge des 11. September 2001 hatten für die damalige Regierung in Madrid den „Vorteil“ ihre Repressionen zu verstärken. ETA-Mitglieder, Politiker und einige flüchtige Basken wurden auf die Terror-Listen gesetzt. Damit verbunden waren Verbote einiger Organisationen und auch Anwälte politischer Gefangener wurden angegriffen. Im Zuge dessen wurde ein neues Parteigesetz vorbereitet, dessen einziges Ziel es war, die Linkspartei Batasuna verbieten zu lassen, so Niebel. Herri Batasuna änderte den Namen bei den Wahlen 1998 in Euskal Herritarrok um eine Illegalisierung zu vermeiden. Diese hatten sich nach internen Problemen wiederum in Batasuna umbenannt. Am 29. Juni 2002 trat das Gesetz in Kraft und im März 2003 wurde Batasuna verboten, da sie einen Terroranschlag der ETA vom August 2002 nicht öffentlich verurteilt hatten. Jegliche Organisationen und Personen, denen in irgendeiner Weise eine Nähe zur ETA nachgesagt wurde, wurden von den Wählerlisten gestrichen. Das spanische Regierungsoberhaupt José Maria Aznar (PP) versuchte, mit Verboten von Organisationen, Zeitungen und Parteien den baskischen Nationalismus zu schwächen.129

José Luis Rodríguez Zapatero (PSOE) folgte 2004 Aznar und führte die Repressionen gegen das Baskenland weiter. Im März 2008 sollten alle spanischen Staatsbürger das Parlament in Madrid wählen. Die linken Nationalisten entschieden sich zum Wahlboykott aufzurufen. Batasuna war verboten, andere durften sich nicht politisch betätigen und eine Neugründung war erfahrungsgemäß aussichtslos. Auch die ETA begrüßte diese Entscheidung. 48 Stunden vor der Wahl wurde jedoch von einem ETA-Mitglied ein ehemaliger Stadtrat (PSOE) erschossen. Daraufhin riefen die PSOE und alle anderen Formationen zur Wahlbeteiligung auf. Am Ende lag die Wahlenthaltung im Baskenland 10% über dem Durchschnitt von ganz Spanien. Inwieweit das Attentat dies noch beeinflusste, ist fraglich. Die linke Tageszeitung „Gara“ rechnete die Enthaltung (35%) für die linke Unabhängigkeitsbewegung. Jedoch hatte anscheinend die Regierung Zapateros genau das erreichen wollen. Die PSOE wurde in Euskadi zu ersten Mal seit 1980 in allen drei Regionen stimmenstärkste Partei. Einige Wahlstrategen hatten schon die Parlamentswahlen in der Autonomen Baskischen Gemeinschaft 2009 im Kopf. Im September desselben Jahres erreichte die Verbotswelle ihren Höhepunkt. Die beiden letzten Linksparteien (EHAK und EAE-ANV) wurden verboten und 21 Mitglieder der verbotenen Gefangenenhilfsorganisationen Gestoras pro Amnitía und Askatasuna wurden zu langen Freiheitsstrafen verurteilt, da sie angeblich mit der ETA zusammenarbeiteten.130

Die Wahlen 2009 sollten die Hoffnungen der PSOE-PSE bestätigen. Die PNV ging zwar als stärkste Partei hervor und konnte von den 75 Sitzen 30 besetzen, jedoch konnten sie mit keiner der nationalbaskischen

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128 Niebel Ingo, Das Baskenland. S. 118 - 120.129 Ebda. S. 122f.130 Ebda. S. 191 - 193.

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Parteien die Mehrheit erreichen. Dies geschah das erste Mal seit 30 Jahren wieder. Als Sieger ging die PSOE hervor, die den Lehendakari Patxi López stellte. Die PP und die UPyD (Unión Progreso y Democracia) verhalfen dieser zu einer regierenden Koalition. Die Versuche der linken Nationalisten wurden durch das Parteiengesetz zunichte gemacht und ihre Listen wurden gestrichen. Sie forderten aus diesem Grund die WählerInnen auf, einen ungültigen Stimmzettel abzugeben. Es kam zu einem Rekord von 100.939 (8,79%)131 ungültigen Stimmen. Diese Stimmen wurden in den Medien für die Linken gezählt. Bei den Wahlen davor waren 4.020132 ungültige Stimmen gezählt worden. Alles in allem lief es darauf hinaus, dass die PNV mit Aralar (4 Sitze), EA (2 Sitze) und EB (1 Sitz) auf insgesamt 37 Sitze im Parlament kam und die PSOE-PSE (24 Sitze) mit der PP (13 Sitze) und der UPyD (1 Sitz) auf insgesamt einen mehr. Die PNV blieb im Vergleich zwischen 2005 und 2009 ziemlich gleich, ihre Koalitionspartner verloren die Stimmen.133

Der 20. Oktober 2011 sollte in die Geschichte der ETA, des Baskenlandes und der ganzen Welt eingehen. Euskadi Ta Askatasuna gibt nach 40 Jahren die Beendigung des bewaffneten Kampfes bekannt. „Die Eta ruft die spanische und französische Regierung auf, einen direkten Dialog einzuleiten mit dem Ziel, die Konsequenzen des Konfliktes anzugehen und so die bewaffneten Auseinandersetzungen zu überwinden.“134 Es wurde dabei einem Aufruf einer internationalen Organisation, die das Wochenende davor in San Sebastián tagte, Folge geleistet. Die „Zeit“ schreibt, dass bis zu diesem Zeitpunkt die Organisation für den Tod von 829 Menschen verantwortlich ist.135

Ein Jahr danach Veröffentlicht die Zeitung „Gara“ eine Stellungnahme der ETA, welche nach eigenen Angaben nun seit einen Jahr erfolglos den Dialog mit Spanien und Frankreich sucht. Die ETA sieht Rückschritte bei der Regierung und den Parteien und möchte mit einer Agenda entgegenwirken. Diese sollte sich mit den Folgen des Konfliktes auseinandersetzen, was zum einem die Gefangenen und Flüchtlinge betrifft und auch die Entwaffnung der ETA und die Demilitarisierung des Baskenlandes. Die ETA sei sehr gewillt eine Möglichkeit für eine Lösung zu finden. Für die Gestaltung der Rahmenbindungen für die Politik sieht die ETA vor allem die baskische Gesellschaft, Bürger und Parteien als Hauptansprechpersonen. Des weiteren arbeitet die ETA mit internationalen Vermittlern zusammen, welche mit den baskischen Parteien und Organisationen in Verbindung stehen. Die Problematik hierbei entsteht dadurch, dass der spanische Staat sich weigert mit, wie von ihm betitelt, Terroristen zu verhandeln, und der französische Staat fordert zuerst eine komplette Entwaffnung bevor man zum Dialog bereit wäre.136

Eigentlich sollten erst im März 2013 Parlamentswahlen in Euskadi stattfinden. Jedoch schafften die baskischen Parteien diese vorzulegen. Die Unzufriedenheit mit dem Lehendakari Patxi und die schlechte

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131 Elecciones autonómicos 2009. El País.http://resultados.elpais.com/elecciones/2009/autonomicas/14/index.html

132 Elecciones autonómicos 2005. El País.http://resultados.elpais.com/elecciones/2005/autonomicas/14/index.html

133 El PNV gana pero los vascos dan la mayoría a los partidos no nacionalistas.http://www.rtve.es/noticias/20090301/mayoria-nacionalista-euskadi-esta-aire/240807.shtml

134 Eta erklärt bewaffneten Kampf für beendet. Die Zeit.http://www.zeit.de/politik/ausland/2011-10/eta-kampf-spanien

135 Ebda.136 ETA responde a la involución en el proceso con una agenda de diálogo. Naiz.

http://gara.naiz.info/paperezkoa/20121125/374529/es/ETA-responde-involucion-proceso-una-agenda-dialogo

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wirtschaftliche Lage machten dies möglich. Somit kam es ein Jahr und einen Tag nach dem historischen Ereignisse der ETA am 21.10.2012 zu Wahlen für das baskische Parlament.137 Die PNV wurde stärkste Partei mit 34,64% (27 Sitzen). Somit heißt der neue Lehendakari Iñigo Urkullu. Der große Gewinner dieser Wahlen war das Bündnis der baskischen Linken (EH Bildu) mit 25% (21 Sitzen). Somit haben diesen beiden Parteien bereits zwei Drittel der Parlamentssitze. Noch nie in den letzten Jahrzehnten hatten Parteien, die für das baskische Selbstbestimmungsrecht eintraten, so viele Stimmen erhalten. Die linke Zeitung „Gara“ beschreibt den Sieg als völlige Delegitimation der vorherigen Regierung. PSE-PSOE (19,13%) und die PP (11,73%) hatten zusammen weniger Stimmen als die PNV.138 Dieser Erfolg ist auch durch die ETA zu Stande gekommen. Ohne die endgültige Ablehnung der Gewalt hätte EH Bildu wohl nicht zur Wahl antreten dürfen. Dies ist wohl mit ein Grund, warum die ETA sich zu der Entscheidung durchgerungen hat.139

Die Frage, ob der Nationalismus nun einen Erfolg in Euskal Herria zu verzeichnen hat, beantwortet Bernecker in dem Sinne, dass die PNV, als sie 1995 ihren 100. Geburtstag feierte, auf einen Erfolg zurückblicken kann. Ihr Hauptzweck war, das Überleben der baskischen Identität zu sichern, und dies schien erreicht zu sein. Bernecker erklärt dies folgendermaßen: „Das Fortbestehen der baskischen Nationalität ist durch die Existenz einer eigenen Regierung sichergestellt, die über mehr Kompetenzen verfügt, als je eine baskische Exekutive hatte.“140 Gellner schreibt, dass das Ziel des Nationalismus die Selbstregierung über die eigene Ethnie ist, um das Überleben des kollektiven Gedächtnisses zu sichern. Somit war für Bernecker die Partei von Sabino Arana erfolgreich.141

Für Lang sagen fünf Gründe, bei der eine deutliche Mehrheit der Bewohner dafür ist, aus, warum Euskal Herria eine Nation ist. Denn die Mehrheit der Bewohner betrachtet Euskadi als ihren Heimatort, identifiziert sich als Basken, befürwortet die Unabhängigkeit oder die Föderation, will das Selbstbestimmungsrecht, wählt Parteien, die diese Interessen vertreten und die Euskadi als Nation sehen. Der Volkswille entscheidet für Lang allein, ob ein Volk eine Nation ist, denn es gibt keine allgemeinen Kriterien.142

Was von den Theoretikern des Nationalismus in den 1980er Jahren ein wenig vernachlässigt wird, ist die Funktion des Schaffens einer Identität des Nationalismus. Denn wenn eine Person zu einer Gruppe gehört, distanziert sie sich automatisch von einer anderen. Amartya Sen schreibt, dass der Nationalismus ausschließliche Identitäten schafft, man könnte sie auch als singuläre Identitäten beschreiben.

„Die Illusion der Schicksalhaftigkeit insbesondere der einen oder anderen ausschließlichen Identität fördert die Gewalt in der Welt sowohl durch Unterlassung als auch durch Taten [...] Das Gefühl der Identität mit einer Gruppe kann entsprechend angestachelt, zu einer mächtigen Waffe werden, mit der man anderen grausam zusetzt.

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137 Las elecciones en el país Vasco se adelanten al próximo 21 de octubre. El Economista. http://www.eleconomista.es/noticias/noticias/4195832/08/12/Las-elecciones-en-el-Pais-Vasco-se-adelantan-al-proximo-21-de-octubre.html

138 Elecciones autonómicos 2012. El País.http://resultados.elpais.com/elecciones/2012/autonomicas/14/index.htmlAbkehr von Madrid. Info-Baskenalndhttp://info-baskenland.de/1161-0-Uschi+Grandel+Abkehr+von+Madrid.html

139 „Wir sind einen Riesenschritt weitergekommen. Info-Baskenalnd. http://info-baskenland.de/1162-0-Stefan+Natke+einen+Riesenschritt+weiter+.html

140 Bernecker Walther L. Das Baskenland zwischen Terrorismus und Friedenssehnsucht. S. 39.141 Ebda. S. 39.142 Lang Josef, Das baskische Labyrinth. S. 398f.

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Viele der Konflikte und Grausamkeiten in der Welt beruhen denn auch auf der Illusion einer einzigartigen Identität, zu der es keine Alternative gibt. Die Kunst, Haß zu erzeugen, nimmt die Form an, die Zauberkraft einer vermeintlichen überlegenen Identität zu beschwören, die andere Zugehörigkeiten überdeckt, und in einer entsprechend kriegerischen Form kann sie auch jedes menschliche Mitgefühl, jede natürliche Freundlichkeit, die wir normalerweise besitzen mögen, übertrumpfen. Das Ergebnis ist dann entweder krude elementare Gewalt oder heimtückische Gewalt und Terrorismus im globalen Maßstab.“143

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143 Sen Amartya, Die Identitätsfalle. S. 10f.

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4. Identität

Hier soll nun geklärt werden, wie es der Nationalismus schafft, dass die einzelnen Personen und die ganze Masse sich mit ihm identifizieren und ihn als eine Identität annehmen. Wir werden Identitäten weitergegeben und warum werden diese in den Individuen verinnerlicht?

Stuart Hall bezieht sich auf Ernest Renan um die Frage zu beantworten, ob Nationalkulturen und die daraus erzeugten Identitäten wirklich einheitlich sind. Er kommt auf drei Vorstellungen von Renan, die eine Nationalkultur als eine „vorgestellte Gemeinschaft“ schaffen. „Erinnerungen an die Vergangenheit, das Begehren, zusammenzuleben, und die Fortsetzung des Erbes.“ 144 Nationale Identitäten präsentieren die Verbindung des modernen Nationalstaates und der „alten“ lokalen Gemeinschaft, welche vorher existierte. Dabei kommt man auf Gellners Theorie, in welcher der Kultur ein politisches Dach übergestellt wird.145

Hall unterscheidet drei unterschiedliche Auffassungen von Identitäten. Das Konzept des Subjekts der Aufklärung, der Soziologie und der Postmoderne. Beim Konzept der Aufklärung war das Subjekt ein vollkommenes zentriertes und vereinheitlichtes Individuum. Ausgestattet war das Ganze mit der Vernunft des Bewusstseins und der Handlungsfähigkeit. Ein innerer Kern, welcher bei der Geburt entstand, bildete das Zentrum. Dieser entfaltete sich mit dem Individuum, blieb aber während des gesamten Lebens gleich. Hall schreibt, dass es sich dabei schon um eine individualistische Konzeption des Subjekts und seiner Identität handelte. Beim soziologischen Konzept des Subjekts spielen die moderne Welt und die Wahrnehmung dieser eine entscheidende Rolle. Es wird erkannt, dass der innere Kern doch nicht autonom ist und sich selbst genügt. Dieser wird von „Anderen“ geformt. Sie vermitteln Werte, Symbole und Bedeutungen an das Subjekt, welche eng mit der umgebenden Kultur verbunden sind. Das bedeutet, dass die Identität zwischen einem „Ich“ und der Gesellschaft gebildet wird. Es kommt zu einer Interaktion zwischen den beiden. Daraus folgt, dass sich das Subjekt nicht aus einer, sondern aus mehreren Identitäten zusammensetzt. Diese können sich widersprechen oder auch unvollständig sein. Hall schreibt, „der Prozeß der Identifikation selbst, in dem wir uns in unseren kulturellen Identitäten entwerfen, ist offener, variabler und problematischer geworden“.146 Dadurch entsteht das postmoderne Subjekt, welches ohne eine gesicherte, wesentliche oder anhaltende Identität konzipiert ist. Entscheidend ist, dass das Subjekt hier historisch und nicht biologisch definiert ist.147 Zu verschiedenen Zeiten werden unterschiedliche Identitäten angenommen, die nicht in einen zusammenhängenden „Ich“ vereinheitlicht sind. Das Individuum hat also verschiedene Identitäten, mit denen es sich eine unterschiedlich lange Zeit zu definieren gedenkt.148

Mit „Dezentrierung des Subjekts“ spricht Hall nicht von einer Entfremdung, sondern von einer Zerstreuung des Subjekts in der Spätmoderne. Die erste Theorie, die er dabei aufgreift, kommt aus der Wiederentdeckung Karl Marxʻ und seiner Werke in den 1960er Jahren.

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144 Hall Stuart, Kulturelle Identitäten und Globalisierung. S. 420.145 Ebda. S. 420.146 Ebda. S. 396147 Assmann Jan, Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität. S.9.148 Hall Stuart, Kulturelle Identitäten und Globalisierung. S. 394 - 396.

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„Die Menschen machen ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken, nicht unter selbstgewählten, sondern unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umständen.“149

Für Hall bedeutet dies, dass es nur möglich ist auf der Grundlage historischer Dinge zu handeln, welche von anderen gemacht wurden und in die jeder/jede hineingeboren wird; wobei hier die Ressourcen der früheren Generationen genutzt werden.150 Die zweite Theorie, die zur Dezentrierung und zur Vernichtung des Konzeptes eines wissenden und vernünftigen Subjekts mit seiner gesicherten und vereinheitlichten Identität beitrug, kommt von Siegmund Freud. Seine Theorien werden in dieser Hinsicht so verstanden, dass die Identität, das „Ich“, sich nicht natürlich entwickle, sondern sich aus der Beziehung zu Bezugspersonen, wie Eltern, bildet. Für Freud ist Subjektivität ein „Produkt unbewusster psychischer Prozesse“.151 Identität ist also etwas, was sich über die Lebensdauer entwickelt und nicht mit der Geburt mitgegeben wird und natürlich ist. Sie sollte als unabgeschlossen betrachtet werden, schreibt Hall. Identität entstehe viel mehr aus Mangel an Ganzheit und hat sehr viel damit zu tun, wie sich die einzelnen Personen vorstellen, von anderen gesehen zu werden. Das bedeutet, dass das Ganze von außen entsteht und nicht bereits im Inneren vorhanden ist.152

Die dritte Dezentrierung verbindet Hall mit der Theorie von Ferdinand de Saussure. Identität sei wie die Sprache konstruiert. Wir können nur ein Gespräch führen, indem wir die Regeln der Sprache anwenden und sie kulturell positionieren, damit ist ein einheitliches Verstehen bestimmt. Wörter sind jedoch „vielfach akzentuiert“, wie es Hall schreibt. Gewisse Wörter bringen weitere Bedeutungen mit. Alles Gesagte hat ein Vorher und ein Nachher und ist unabgeschlossen. Es kommt immer wieder zu ergänzenden Bedeutungen, welche nicht unter Kontrolle zu bringen sind, und diese haben die Macht das Gesagte zu verstärken oder zu entkräften.153 Als Beispiel ist hier im Baskenland die Verwendung der einzelnen Sprachen zu sehen. Sie kann viel über die Haltung gegenüber Politik und Identität aussagen. Allerdings gilt dies nicht nur für die Verwendung unterschiedlicher Sprachen. Dialekte können hier einen gleichen Status einnehmen. Michel Foucault und seine Theorien sind ausschlaggebend für die vierte Dezentrierung. Das entscheidende Wort dabei ist „Disziplinarmacht“. Überwachung, Regulierung und Kontrolle der Menschheit, sowie der Bevölkerung aber auch des Individuums und des Körpers, steckt dahinter. Schauplätze sind dazu die neuen Institutionen, wie Betriebe, Kasernen, Schulen, Kliniken, welche während des 19. Jahrhunderts entstanden sind. Es wird versucht das komplette Leben des Einzelnen zu kontrollieren und zu disziplinieren. Das geht von Leben und Tod über Arbeit und Lust bis zu Moral, Gesundheit und Sexualpraktiken. Das Ziel besteht darin, einen gefügigen Menschen zu machen, der das Regime und die von akademischen Fachleuten erworbenen Kenntnisse akzeptiert. Die fünfte und letzte Dezentralisierung besteht aus den „neuen sozialen Bewegungen“ der 1960er Jahre und ihren Ideen und Ideologien, welche sich gegen die liberale Politik des Westens aber auch gegen die „stalinistische“ des Ostens richten. Die Bewegungen appellieren an die sozialen Identitäten ihrer AnhängerInnen. Später, so Hall, wird dies als Identitätspolitik

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149 Hall Stuart, Kulturelle Identitäten und Globalisierung. S. 407.150 Ebda. S. 407f.151 Ebda. S. 409.152 Ebda. S. 410.153 Ebda. S. 410f.

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bekannt - eine Identität pro Bewegung. Vor allem der Feminismus ist hier zu nennen, da er als theoretische Kritik und als soziale Bewegung Einfluss hat. 154

In der modernen Welt gehören nationale Kulturen, in die das Individuum hineingeboren wird, zu den Hauptquellen der kulturellen Identität. Bei Selbstdefinition wird oft das Land als Identität herangezogen („Euskal nago“ - Ich bin Baske). Dies ist nicht in den Genen eingeprägt, trotzdem wird es oft als Teil der wesenhaften Natur betrachtet. Ernest Gellner schreibt dazu, dass der Verlust der Nation als Identität etwas Schwerwiegendes sei. Es ist zwar kein verinnerlichtes Attribut der Menschlichkeit, jedoch habe es den Anschein dazu erworben. Hall erweitert den Gedanken und sagt, dass nationale Identität nicht bei der Geburt mitgegeben wird. Erst die öffentlichen Einrichtungen und das Verhältnis zu diesen bilden und verändern die Identität. Die Nation produziert auch Bedeutung und ist nicht nur ein politisches Gebilde. Für Hall ist die Nation eine symbolische Gemeinschaft. Das bedeutet sie hat Macht und kann ein Gefühl von Identität und Treue (des Untertanen) erzeugen. Die Nationalkultur schaffte Standards in der Bildung und in der Sprache, dies nahm eine Schlüsselrolle in der Industrialisierung ein und wurde somit auch zu einem Motor der Moderne.155

Für Miroslav Hroch ist klar, dass die Schule eine besondere Rolle für die Bildung der nationalen Identität innehat. Zum einen werden in dieser Institution Informationen an breite Bevölkerungsschichten weitergegeben, welche identitätsstiftend sind, und zum anderen schafft die Schule als Hauptakteur bei der Alphabetisierung das grundlegende Mittel für ein festes Kommunikationsnetz. Wobei zu beachten ist, dass dies nicht die einzige aber eine wichtige Voraussetzung für die nationale Mobilisierung war. Eine zentrale Aufgabe war, neben der Alphabetisierung, das Erziehen und Disziplinieren der Kinder. Aus diesem Grunde hatte der Religionsunterricht auch seinen fundamentalen Platz in den europäischen Schulen. Neben der moralischen Erziehung ging es auch um die Anerziehung der „bürgerlichen Tugenden“, wie es Hroch beschreibt. Es wurde versucht den Schülern die Liebe zum Vaterland und dessen Repräsentanten näher zu bringen. Die Unterrichtssprache konnte hierbei ein wichtiges Instrument zur Disziplinierung und zur Erziehung zu Staatsloyalität darstellen. Für die nationale Mobilisierung ist besonders der Besuch von mittleren und höheren Schulen wichtig. Hier bilden sich die nationalen Eliten, welche in den nationalerzieherischen Fächer wie Geschichte, Literatur und Geographie unterrichtet werden.156

Hroch schreibt , dass speziel l d ie Entstehung der Geschichtswissenschaft den Nationsbildungsprozess beeinflusste. Geschichte ist im 19. Jahrhundert gleichzusetzen mit politischer Geschichte. Hier wurde die gesamte Chronologie mit all den Erinnerungen eines Territoriums gelehrt. Neben den heroischen Zeiten wurde auch von Unterdrückung gesprochen, von der Unterdrückung durch einen Größeren, welcher bekämpft werden müsse, um die eigene Geschichte zu bewahren. Aus diesem Grunde wurde in den Schulen auch die nationale Geschichte unterrichtete. Hroch stellt die Frage nach der Bedeutung einer Nationalgeschichte für eine angehende Nation und kommt dabei auf vier Punkte:

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154 Hall Stuart, Kulturelle Identitäten und Globalisierung. S. 411 - 414.155 Ebda. S. 414 - 416.156 Hroch Miroslav, Das Europa der Nationen. S. 99 - 101.

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Wenn historisches Bewusstsein als notwendiges Strukturelement menschlichen Handels gesehen wird, dann wird dieses „Gedächtnis“ eine wichtige nationsbildende Komponente: „Es festigt die Identität mir der Nation“.157

Die Nationalgeschichte erhebt den Anspruch auf eine nationale Existenz. Es gibt zu einer Nation nur eine Nationalgeschichte und lässt keine andere zu.Sie bot dem Individuum Sicherheit gleich einer Unsterblichkeit. Durch die Vorfahren in derselben Nation sind sie miteinander verbunden. Durch die personelle „Verschmelzung“ mit der Nation und ihrer Vergangenheit lebt diese bis in die „ewige Zukunft“ weiter.Die Nationalgeschichte diente dazu, durch ihre Vorstellung von nationalen Werten ein kollektives Wertesystem zu schaffen. Die Geschichte hatte den Anschein einer geeigneten Quelle, um konkrete Beispiele für eine moralische Norm liefern zu können. Vorbilder wurden geschaffen und die Sehnsüchte und Träume für die Zukunft spiegelten sich in den Erzählungen der Vergangenheit.

Hroch schreibt dazu weiter, dass die Nationalgeschichten als Kollektivmemoiren zu sehen sind. Für ihn haben die Historiker bewusst die Geschichte zu Gunsten der Nation geschrieben.158

Durch die Berührungen mit der Vergangenheit, die auch den Rahmen der persönlichen Erinnerungen darstellt, werden Schüler und Kinder in viele soziale Gruppen einbezogen. Für Maurice Halbwachs steht fest, dass auf diese gelebte Vergangenheit im späteren Leben mehr Bezug genommen wird, als auf die erfahrene aus der Geschichtsschreibung. Genau hier erkennt Halbwachs den Unterschied von der gelebten zur geschriebenen Geschichte. Die gelebte Geschichte hat alles um den lebendigen und natürlichen Rahmen zu bilden, worauf das Denken sich stützt, damit das Bild der Vergangenheit bewahrt und wiedergefunden wird.159

Um das Abstrakte an der Geschichte der Gegenwart leichter zu verstehen, müssen die Erinnerungen vervollständigt werden. Die Vorstellungen müssen an Bücher, Bilder, Portraits etc. gebunden sein, um das Ganze verständlicher zu machen. Der Unterschied zu anderen Epochen besteht darin, dass man als Kind Teil davon war, auch wenn nicht alles in der Erinnerung blieb.160

„Nicht auf die gelernte, sondern auf die gelebte Geschichte stützt sich unser Gedächtnis. Unter Geschichte ist dann nicht eine chronologische Folge von Ereignissen und Daten zu verstehen, sondern alles, was bewirkt, daß eine Epoche sich von der anderen unterscheidet und wovon die Bücher und Berichte uns im allgemeinen nur ein sehr schematisches und unvollständiges Bild bieten.“161

Wenn die Wahrnehmung an bestimmte Ereignisse schwach ist (z. B. im Kindesalter), wird nur eine vage und kaum dauerhafte Erinnerung zurückbleiben. Um den historischen Kontext erfassen zu können, muss das Individuum aus sich selbst heraustreten, wie Halbwachs schreibt. Dabei muss es Zugang zur

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157 Hroch Miroslav, Das Europa der Nationen. S. 155.158 Ebda. S. 154 . 157.159 Ebda. S. 55.160 Ebda. S. 41f.161 Ebda. S. 42.

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Betrachtungsweise der Gruppe haben, damit von ihm gesehen werden kann, wie ein Ereignis Geschichte macht. Dies ist notwendig, da es in den Kreis der Beschäftigungen, Interessen und Leidenschaften der Nation eingedrungen ist. Genau hier ist das Ereignis kein persönlicher Eindruck mehr.162

Durch die Großeltern kommen Kinder noch mit einer ferneren Vergangenheit in Berührung. Oftmals kommen sie so viel stärker in Kontakt mit Traditionen und Bräuchen als durch ihre Eltern. Dies erweitert den Bereich für das kollektive Gedächtnis des Kindes enorm. Es kommt zu weiteren Sichtweisen auf Ereignisse durch eine andere Generation. Die kollektiven Rahmen des Gedächtnisses bestehen aus diesem Grund nicht nur aus Zahlen, Namen und Formeln, sondern werden auch von Denk- und Erfahrungsströmungen dargestellt, in denen wir unsere Vergangenheit wiederfinden, weil sie von ihnen durchzogen worden sind.163

Erinnerungen werden durch andere Individuen erweitert. Dadurch kann eine Veränderung stattfinden und ein größerer Bezug zur Realität hergestellt werden. Ein Bild oder ein bestimmtes Ereignis entwickeln sich im Laufe eines Lebens durch andere Erinnerungen. Jedoch wird dies auch durch das Individuum selbst verändert. Es entsteht ein neuer Blickwinkel, da es Teil anderer Milieus war und eine andere Stelle in der Gesellschaft eingenommen wurde.164

4.1 Gedächtnis - Kultur - Gruppe

Jan Assmann behandelt in seinem Buch „Das kulturelle Gedächtnis“ den Zusammenhang zwischen „Erinnerung“ (Vergangenheitsbezug), „Identität“ (politische Imagination) und „kulturelle Kontinuierung (Traditionsbildung). Für ihn bildet die Kultur etwas, was er als „konnektive Struktur“ bezeichnet. Das bedeutet, dass es verknüpfend bzw. verbindend wirkt und in einer zeitlichen und sozialen Dimension geschieht. Es wird ein gemeinsamer Erfahrungs-, Erwartungs- und Handlungsraum durch die „symbolische Sinnwelt“ gebildet. Dieser Raum bindet den Menschen an seine Mitmenschen. Weiters wird aber auch das Gestern an das Heute gebunden. Erfahrungen und Erinnerungen, die prägend sind, werden geformt und in der Gegenwart behalten. Durch das Miteinschließen von Bildern und Geschichten von vergangenen Zeiten in die Gegenwart werden Hoffnungen und Erinnerungen geweckt. Das Grundprinzip jeder konnektiven Struktur lautet Wiederholung. Handlungslinien verlaufen somit nicht ins Unendliche, sondern werden zu wiedererkennbaren Mustern und sind als Elemente einer gemeinsamen „Kultur“ identifizierbar. 165

Die inhaltlichen Aufnahmen des Gedächtnisses sind für Assman eindeutig äußere (gesellschaftliche und kulturelle) Rahmenbedingungen. Auf diese hat zuvor bereits Halbwachs verwiesen. Assmann unterscheidet hierbei vier Bereiche dieser Außendimensionen. Als erstes nennt er das „mimetische Gedächtnis“. Handeln und Nachmachen sind hier ausschlaggebend. Gebrauchsanweisungen, Kochbücher etc. fallen in diesen Bereich. Der zweite Bereich handelt vom „Gedächtnis der Dinge“. Die unterschiedlichsten Dinge, wie ein Bett oder eine Straße, können Erinnerungen hervorrufen. Der dritte Bereich behandelt die Sprache und die

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162 Halbwachs Maurice, Das kollektive Gedächtnis. S. 43.163 Ebda. S. 49f.164 Ebda. S. 58f.165 Assmann Jan, Das kulturelle Gedächtnis. S. 16f.

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Kommunikation. Es geht dabei um „das kommunikative Gedächtnis“, welches bereits von Maurice Halbwachs (kollektives Gedächtnis) untersucht wurde. Kommunikation entwickelt den Menschen nicht von Innen. Da dies nur im Austausch mit einem anderen Individuum funktioniert, ist hier ein Zusammenspiel von Innen und Außen nötig. Im vierten Bereich geht es um die Überlieferung des Sinns. „Das kulturelle Gedächtnis“ bildet einen Raum, wie es Assmann beschreibt, in denen die vorherigen Bereiche bruchlos übergehen. Mimetische Routine wird zum „Ritus“. Zu ihrer Zweckbedeutung kommt noch eine Sinnbedeutung hinzu. Gleiches passiert auch bei Gegenständen. Sie stellen eine Überlieferung und Vergegenwärtigung des kulturellen Sinnes dar. Sprache und Kommunikation in diesem Zusammenhang, sowie die Rolle der Schrift, sind das eigentliche Thema von Assmann.166

Die Erinnerungskultur ist auf eine Gruppe bezogen und hierbei müssen soziale Verpflichtungen eingehalten werden. In erster Linie geht es darum, was nicht vergessen werden darf. Dies kann stärker oder schwächer ausgeprägt sein. Wo es sehr zentral ist und zur Identität gehört, kann von „Gedächtnisgemeinschaften“ gesprochen werden. Die Erinnerungskultur beschäftigt sich mit dem Gedächtnis, welches Gemeinschaft stiftet.167

Vergangenheit und die Auffassung davon sind mit der Erinnerungskultur verbunden, da sie weitgehend auf dem Bezug zur vergangenen Zeit beruht. Assmann schreibt, dass die Vergangenheit erst entsteht, wenn man sich auf diese bezieht. Erinnerungskultur hat also mit Vergangenheitsbezug zu tun. Allerdings muss die Vergangenheit erst ins Bewusstsein treten, damit man sich auf sie beziehen kann. Das setzt voraus, dass sie nicht ganz verschwunden ist, es existieren also noch Zeugnisse, und diese Zeugnisse müssen eine charakteristische Differenz zum „Heute“ zeigen.168

Halbwachs schreibt, dass zweifellos alle Ereignisse zusammenhängen und es ist anfangs nicht auszumachen, welche Ereignisse eine Rückwirkung haben oder wie weit sie sich in Raum und Zeit fortbewegen werden. Entscheidend ist hier, dass nicht das Ereignis sondern die Auswirkungen im Gedächtnis eines Volkes bewahrt werden. Wenn bestimmte Ereignisse von den Zeitgenossen nicht bemerkt werden, bedeuten diese wenig. Örtlich definierte Gruppen haben ihre eigene Vorstellung von Zeit und auch ihr eigenes Gedächtnis. Wenn Städte, Provinzen oder Völker miteinander verschmelzen, erweitern sich die gemeinsame Zeit und die gemeinsamen Ereignisse. Zumindest für jene, die an den älteren Traditionen teilnehmen. In gleicher Weise kann auch das Gegenteil eintreten, wenn ein Volk zerfällt, sich Kolonien bilden oder Kontinente neu bevölkert werden.169

Bestimmte Gruppen haben durchaus das Potential sich zu verschmelzen, sowie auch bei bestimmten Denkströmen Überschneidungen möglich sind. Dasselbe Ereignis kann verschiedene kollektive Bewusstseinsarten berühren. Folglich wird angenommen, dass sie sich in diesem Augenblick nähern und in einer gemeinsamen Vorstellung vereinen. Wichtig ist dabei jedoch die Interpretation, der Sinn, welcher dem Ganzen gegeben wird. Damit es dieselbe Bedeutung bekommt, muss bereits vorher eine Verschmelzung

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166 Assmann Jan, Das kulturelle Gedächtnis. S. 20f.167 Ebda. S. 30.168 Ebda. S. 31f.169 Halbwachs Maurice, Das kollektive Gedächtnis. S. 97.

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stattgefunden haben. Zwei Gruppen können durchaus miteinander verschmelzen, jedoch entsteht dann ein neues Bewusstsein, welches in Umfang und Inhalt nicht gleich mit dem alten ist. Es kann auch zu einer scheinbaren Verschmelzung kommen, dabei trennen sich die beiden Gruppen später wieder und bestehen in ihrer vorherigen Form weiter. Halbwachs nimmt als Beispiel ein Volk, welches ein anderes besiegt. Wenn es zu keiner Angleichung der beiden kommt, behalten beide ihr nationales Bewusstsein, was dazu führt, dass die gemeinsamen Ereignisse unterschiedlich interpretiert werden (Sieg - Niederlage).170

Wenn man die Gruppen und ihre inhaltlichen Vorstellungen in den Vordergrund stellt, kann erkannt werden, dass diese Vorstellungen bis in die Vergangenheit zurückgehen. Diese Vorstellungen können auch weiter zurück reichen, abhängig von der Sichtweise, die ein individuelles Gedächtnis durch das kollektive Bewusstsein erhält. Notwendig hierbei ist, dass ein gleiches Bild der Vergangenheit unverändert fortbesteht. Halbwachs fragt sich dabei, wie eine Gesellschaft fortbestehen kann, ohne auf gemeinsame Ereignisse zurückzublicken. Politische, wirtschaftliche, religiöse Gesellschaften, Familien, Freunde und Bekannte, selbst kurzzeitige Versammlungen in einer Bar, in einem Zuschauerraum oder auf der Straße, lassen die Zeit auf ihre Weise stillstehen, oder lassen zumindest ihren Mitgliedern den Glauben, dass wenigstens während einer bestimmten Zeitspanne, in einer sich ständig veränderten Welt, es noch Elemente gibt, die gleich bleiben und in denen sich über kurz oder lang nichts Grundlegendes ändert.171

4.1.1 Das kollektive Gedächtnis (Maurice Halbwachs)

Für Maurice Halbwachs bleiben unsere Erinnerungen immer kollektiv. Auch wenn wir sie alleine erlebt oder gesehen haben. Daraus ist zu schließen, dass wir nie alleine sind. Wir tragen immer eine gewisse Anzahl an Personen mit uns. In bestimmten Augenblicken und Situationen versetzt sich das Individuum in eine bestimmte Gruppe. Durch andere Individuen in derselben Gruppe kann sich der Einzelne das gesamte Gedankengut zu Eigen machen. Alleine würden manche Vorstellungen und Denkweisen nicht wiedergefunden. Dadurch bleibt man mit den anderen Personen der Gruppe in Verbindung.172

Um eine Erinnerung wieder erwecken zu können ist es notwendig, dass alle Individuen derselben Gesellschaft angehört haben und auch noch immer angehören. Nur so kann ein permanenter Austausch stattfinden. Dies ist die Voraussetzung, damit Erinnerungen wiedererkannt und rekonstruiert werden können. Wenn Menschen in notwendigen Gruppen, wie Unternehmen, Beschäftigungen, Parteien etc., zusammenhalten, trennen sie sich später wieder in mehrere Gruppen; diese Gruppen, so Halbwachs, sind zu begrenzt um alle Inhalte zu behalten, welche sie früher beschäftigten (Partei). Wenn nur drei Gruppen miteinander eine Verbindung eingehen, fehlt ihnen die gemeinsame Vergangenheit und Halbwachs beschreibt das so, als ob Individuen mit unterschiedlicher Sprache kommunizierten.173

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170 Halbwachs Maurice, Das kollektive Gedächtnis. S. 107 - 109.171 Ebda 125.172 Ebda. S. 2f.173 Ebda. S. 12f.

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Halbwachs und auch andere Philosophen beziehen sich darauf, dass nahezu alle Erinnerungen sich auf Gruppen beziehen und es die Erinnerung auf das Alleinsein, oder das Alleine Erlebte nicht wirklich gibt.174

Das Individuum nimmt für Halbwachs an zwei Arten von Gedächtnissen teil. Er bezeichnete diese als „individuelles“ und „kollektives“ Gedächtnis. Jedoch wird durch die unterschiedliche Teilhabe an beiden das Individuum eine andere, teilweise sogar entgegengestellte, Haltung einnehmen. Es ist durchaus möglich mit dem kollektiven Gedächtnis Lücken des individuellen zu füllen, dabei folgt das individuelle Gedächtnis seinem eigenen Weg, und die äußeren Beiträge des kollektiven Gedächtnisses werden angeglichen und aufgenommen. Das kollektive Gedächtnis selbst umfasst zwar die individuellen Gedächtnisse, es kommt jedoch zu keiner „Verschmelzung“. Wenn auch individuelle Erinnerungen eindringen, verändern sich diese wieder, wenn sie in eine Gesamtheit eingefügt werden, die kein persönliches Bewusstsein ist.175

Das individuelle Gedächtnis beschreibt Halbwachs als vollkommen isoliert und in sich abgeschlossen. Um die eigene Vergangenheit konstruieren zu können, müssen oft Erinnerungen von anderen herangezogen werden. Es wird auf Anhaltspunkte Bezug genommen, die außerhalb liegen und von der Gesellschaft konstruiert worden sind. Ohne diese Instrumente, welche durch Worte und Vorstellungen gebildet werden, funktioniert das individuelle Gedächtnis nicht. Die Einzigartigkeit macht die Erinnerung an die Gefühle, an das, was gesehen wurde und was man zu einem Zeitpunkt dachte. Räumlich und zeitlich findet sich hier eine enge Grenze. Das gleiche gilt für das kollektive Gedächtnis, jedoch können sie hier noch enger oder aber auch weiter auseinander sein. Halbwachs beschreibt dies mit dem Beispiel der Nation und der Kindheit. Bestimmte Ereignisse der Nation, in der sich das Individuum befindet, werden durch Medien aufgenommen. Trotz des Fehlens der persönlichen Anwesenheit können die Ereignisse wiedergegeben werden. Dabei kommt mit der Wiedergabe das Vertrauen zu den anderen, da dies die einzige Quelle ist. Auch Ereignisse aus der Kindheit können nur so wiedergegeben werden, weil sie dem Individuum erzählt wurden. Die Überlieferungen haben für das nationale Denken tiefe Spuren hinterlassen, da diese innerhalb einer Provinz oder einer Partei lebendig fortleben. Halbwachs bezeichnet dies als Begriffe bzw. Symbole. Die Vorstellung davon ist ohne Probleme möglich, die Erinnerung daran fehlt jedoch. Somit kommt Halbwachs zum Schluss, dass auf alle Fälle zwei Gedächtnisse zu unterscheiden sind, ein inneres (persönlich) und ein äußeres (kollektiv). Um dies noch zu spezifizieren, nennt er sie „autobiografisches“ und „historisches“ Gedächtnis.176

Jedes Individuum ist gleichzeitig Mitglied in größeren und kleineren Gruppen. Halbwachs beschreibt dies so, dass die anderen Gedächtnisse das Gedächtnis des Individuums verstärken und vervollständigen, wenn die Mitglieder in einen Zusammenhang vergangener Ereignisse stehen. Wird jedoch das Augenmerk auf die umfassendsten Gruppen, wie die Nation, gerichtet, kann nicht behauptet werden, dass diese auf die einzelnen individuellen Gedächtnisse eingeht. Unter der Annahme, dass die nationale Geschichte eine Auflistung aller wichtigen Ereignisse ist, welche die Nation geprägt haben, unterscheidet sie sich genau in diesem Punkt zur Provinz-, Stadt- oder Ortsgeschichte, da sie nur die Geschehnisse beinhaltet, welche die

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174 Halbwachs Maurice, Das kollektive Gedächtnis. S. 15f.175 Ebda. S. 34f.176 Ebda. S. 35f.

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Gesamtheit der Bürger einer Nation interessieren. Hierbei betrifft es das individuelle Gedächtnis nur, wenn man selbst eine wichtige Persönlichkeit in der Geschichte war. Es gibt, selten aber doch, bestimmte Augenblicke im Laufe der Geschichte, die über die Grenze hinausgehen und die das Dasein der Einzelnen bedeutend verändert. Diese Ereignisse können den Bewohnern einen zeitlichen Anhaltspunkt bieten. Für gewöhnlich ist für Halbwachs die Nation als Rahmen jedoch zu weit entfernt vom Individuum und deswegen kommt es nur zu wenigen Berührungspunkten. Es gibt etliche andere Gruppen zwischen dem Individuum und der Nation, die viel mehr Einfluss auf das Leben und die Denkweise ihrer Mitglieder haben.177

Zusammenfassend ist also zu Maurice Halbwachs zu sagen, dass das kollektive Gedächtnis nicht zu verwechseln ist mit der Geschichte. Weiters ist zu bemerken, dass der Ausdruck „historisches Gedächtnis“ schlecht gewählt ist, da sich die beiden Wörter mehr als in einem Punkt unterscheiden. Für Halbwachs beginnt die Geschichte dort, wo die Tradition aufhört. Geschichte wird in Büchern niedergeschrieben und in Schulen gelernt. Dies war jedoch nicht unbedingt zwingend für Menschen, die diese Informationen als „Gut“ in sich hatten. Das Bedürfnis der Geschichte ist es auch, über Ereignisse erst zu berichten, wenn diese schon der Vergangenheit angehören. Somit werden Erinnerungen „gerettet“, die sonst in Vergessenheit geraten würden, da sie nicht mehr interessant für die Gesellschaft sind.178

Zwei Punkte gibt Halbwachs an, die das kollektive Gedächtnis von der Geschichte unterscheiden. Das kollektive Gedächtnis ist eine kontinuierliche Denkströmung. Das bedeutet, dass sie nichts Künstliches hat, weil sie nur das behält, was in der Gruppe fortleben kann. Die Gruppe ist zugleich auch die Grenze. Sobald eine Epoche nicht mehr interessant ist, entsteht eine neue Gruppe, da es innerhalb der Gruppe kein Vergessen gibt. In der Geschichte hat man jedoch den Eindruck, dass sich von einer Periode auf die andere alles erneuert; jedoch das Wiederauftauchen derselben Gruppen bedeutet, dass die äußeren Unterteilungen fortbestehen. Die zweite wesentliche Unterscheidung besteht darin, dass es mehrere kollektive Gedächtnisse gibt. Die Geschichte ist einzigartig und ungeteilt. Die einzelnen Teile der Geschichte ergeben zusammengefügt ein Ganzes. Halbwachs schreibt, dass die Geschichte die Gruppen von außen erforscht und eine lange Zeitspanne umfasst. Das kollektive Gedächtnis sieht die Gruppe von Innen und während eines bestimmten Zeitabschnittes, welcher die durchschnittliche Lebensdauer eines Menschen nicht überschreitet.179

4.1.2 Das kulturelle Gedächtnis (Jan und Aleida Assmann)

Halbwachs ordnet also alles was über das Alltagsgedächtnis (80-100 Jahre) hinausgeht in Geschichte ein. „Mémoire geht über in histoire.“180 Die These von Jan und Aleida Assmann geht jedoch davon aus, dass dies nicht der Fall ist und dass im Bereich der „objektiven Kultur“ und „organisierten“ bzw. „zeremonialisierten“ Kommunikation sich ähnliche Dinge beobachten lassen, wie im kommunikativen (kollektiven) Gedächtnis. Wie die Alltagsnähe das kommunikative Gedächtnis kennzeichnet, kennzeichnet die Alltagsferne das

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177 Halbwachs Maurice, Das kollektive Gedächtnis. S. 66f.178 Ebda. S. 66.179 Ebda. S. 68 - 76.180 Assmann Jan, Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität. S.11.

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„kulturelle Gedächtnis“. Ein weitere wichtiger Unterschied sind die Fixpunkte des kulturellen Gedächtnisses. „Diese Fixpunkte sind schicksalshafte Ereignisse, deren Erinnerung durch kulturelle Formungen (Texte, Riten, Denkmäler) und institutionalisierter Kommunikation (Rezitation, Begehung, Betrachtung) wachgehalten wird.“181 Assmann und seine Frau Aleida nennen sie „Erinnerungsfiguren“.182 Auch Mythen können solche Erinnerungsfiguren darstellen. Unterscheidung zwischen Mythos und Geschichte ist jedoch nicht wichtig, da nur erinnerte Geschichte zählt und keine Fakten. „Durch die Erinnerung wird Geschichte zum Mythos.“183 Erinnerungsfiguren haben etwas religiöses, quasi einen religiösen Sinn. Ein Fest wird meist dazu verwendet sich diese Erinnerungen zu bewahren und zu vergegenwärtigen. Es hilft auch die Vergangenheit in den einzelnen Gruppen zu stärken und zu fundieren. Eine Gruppe kann sich somit ihrer Identität sicher sein. An kollektiven Identitäten haftet meist etwas Feierliches, etwas, das nicht alltäglich ist. Dies zeigt sich auch in der Form der Erinnerung.184

Schamanen, Priester, Lehrer, Künstler, Gelehrte usw. werden als die speziellen Träger des kulturellen Gedächtnisses dargestellt. Ein weiterer Unterschied zwischen den beiden besteht auch darin, dass das kulturelle Gedächtnis im Vergleich zum kommunikativen sich nicht von selbst verbreitet. Eine sorgfältige Einweisung, wie es Assmann beschreibt, sei hierbei von Nöten. Dabei entsteht eine Kontrolle der Verbreitung, was bedeutet, dass es einerseits die Pflicht ist, an ihr teilzuhaben, diese andererseits jedoch das Recht der Teilnahme vorenthält.185

Assmann besinnt sich auf die Einsicht Halbwachs ̀bezüglich der Vergangenheit. Sie entsteht aus kultureller Konstruktion und Repräsentation. Geleitet wird sie von spezifischen Motiven, Erwartungen, Hoffnungen und Zielen, die in einem Bezugsrahmen der Gegenwart geformt werden. Jede Gruppe gestaltet die Vergangenheit also nach ihrem Willen und Vorbild.186 Assmann fragt sich daraufhin nach dem Verfahren kultureller Reproduktion. Das kulturelle Gedächtnis muss kulturell über die Generationen weitergegeben werden. Assmann bezeichnet dies als Frage der „kulturellen Mnemotechnik“. Das bedeutet Speicherung, Reaktivierung und Vermittlung von Sinn. Die Funktion liegt hierbei in der Kontinuität bzw. Identität. Identität ist also eine Sache von Gedächtnis und Erinnerung. Genauso, wie ein Individuum seine eigene Identität durch sein Gedächtnis erhalten kann, gilt dies auch für eine Gruppenidentität. Für die Gruppe ist dies die Kultur: „ein Komplex identitätssichernden Wissens, der in Gestalt symbolischer Formen wie Mythen, Liedern, Tänzen, Sprichwörtern Gesetzen, heiligen Texten, Bildern, Ornamenten, Malen, Wegen, ja [...] ganze Landschaften objektiviert ist.“187188

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181 Assmann Jan, Das kulturelle Gedächtnis. S.12.182 Ebda. S.11f.183 Ebda. S. 52.184 Ebda. S.52f.185 Ebda. S.54f.186 Ebda. S. 88.187 Ebda. S. 89.188 Ebda. S. 89.

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Hall zitiert aus John Lockes Essay Concerning Human Understanding, das 1689 erschien, einen sicherlich nicht unerheblichen Satz für die Findung der Nation und der Theorie des kulturellen Gedächtnisses. Locke bestimmt, so Hall, das Individuum als „Identität des rationalen Seins“.„So weit wie das Bewußtsein sich auf vergangenes Handeln und Denken zurück erstreckt, so weit reicht die Identität dieser Person.“189

Für Hall ist klar, dass dies in allen grundlegenden Prozessen und Praktiken, die zur Entstehung der modernen Welt beitrugen, fest verankert war.190

Auch für Assmann ist klar, „Identität ist eine Sache des Bewußtseins, d.h. des Reflexivwerdens eines unbewußten Selbstbildes. Das gilt im individuellen wie im kollektiven Leben. Person bin ich nur in dem Maße, wie ich mich als Person weiß, und ebenso ist eine Gruppe, „Stamm“, „Volk“, oder „Nation“ nur in dem Maße, wie sie sich im Rahmen solcher Begriffe versteht, vorstellt und darstellt.“191

Für Assmann besteht eine paradoxe Beziehung zwischen der personalen Identität und der kollektiven Identität. Dies drückt er in zwei Thesen aus. Die erste besagt, dass die Identität ein soziales Phänomen ist bzw. „soziogen“. Hier geht es darum, dass die „Wir-Identität“ Vorrang gegenüber der „Ich-Identität“ des Individuums hat. Das „Ich“ wird von außen aufgebaut. Durch die Mitgliedschaft in der Gruppe entwickelt sich die „Ich-Identität“. Die zweite These besagt, dass das kollektive Gedächtnis nur innerhalb der Individuen, die dieses konstruieren und tragen, existiert. Es ist eine Sache individuellen Wissens und Bewusstseins. Der Zusammenhang besteht darin, dass das Einzelne vom Ganzen abhängt und zu seiner Identität aus der Rolle bekommt, die er im Ganzen spielt. Das Ganze entsteht jedoch erst durch das Zusammenwirken der Einzelnen.192

Assmann unterteilt das „Ich“ in „individuelle“ und „personale“ Identität. Die Individuelle Identität macht das Individuum einzigartig und unverwechselbar. Es bezieht sich auf die Eckdaten wie Geburt und Tod. Die personale Identität sind die Rollen, Eigenschaften und Kompetenzen des Individuums, die durch die Eingliederung im Sozialgefüge durch spezifische Konstellationen entstehen. Hier wird Bezug auf die soziale Anerkennung und Zurechnungsfähigkeit des Individuums genommen. Beide sind Sache des Bewusstseins, welches durch Sprache und Vorstellungswelt, Werte und Normen einer Kultur und der Epoche geformt und bestimmt wird. Identität ist für Assmann immer ein gesellschaftliches Konstrukt und somit kulturelle Identität.193

Kollektive bzw. „Wir-Identität“ wird als Bild verstanden, welches eine Gruppe aufbaut und mit dem sich die Gruppe identifiziert. Es ist also eine Identifikation der Mitglieder. Die Stärke liegt am Bewusstsein der Gruppenmitglieder und wie weit sie die Mitglieder in ihrem Denken und Handeln motivieren kann. 194

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189 Hall Stuart, Kulturelle Identitäten und Globalisierung. S. 403.190 Ebda. S. 403.191 Assmann Jan, Das kulturelle Gedächtnis. S. 130.192 Ebda. S. 130f.193 Ebda. S. 131f.194 Ebda. S. 132.

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Kultur und Gesellschaft werden als Grundstrukturen des Menschseins gesehen. Dieses menschliche Dasein ist für Assmann nur im Rahmen von Kultur und Gesellschaft denkbar. Auf dieser Ebene der Grundstrukturen vermitteln bzw. „produzieren“ sie Identitäten. Hierbei handelt es sich immer um personale Identitäten. Nur weil der Einzelne geprägt wird, heißt dies nicht unbedingt, dass auch ein „Wir“ damit verbunden ist. Erst durch Bewusstwerden (z. B. Initiationsriten) oder Bewusstwerdung (Begegnung andersartiger Gesellschaften oder Lebensformen) können sich Zugehörigkeiten zu Wir-Identitäten steigern. Assmann versteht kollektive Identität als „reflexiv gewordene gesellschaftliche Zugehörigkeit“. Kulturelle Identität ist die entsprechende reflexive Teilhabe an der Kultur aber auch das Bekenntnis zu dieser.195

4.2 Die Gesellschaft und ihre Symbole in Euskal Herria

Die Frage, die sich nun stellt, lautet: Wie sehen sich die Basken selbst, was ist das Ausschlaggebende, um als baskisch zu gelten, und wie wird dies vermittelt?

Ingo Niebel antwortet darauf mit einer Beschreibung eines Werbevideos mit dem Titel „Euskaldunak“ (Die Basken od. die Baskischsprachigen). Das Video zeigt anfangs ein hochseetaugliches Ruderboot („trainera“) mit 14 rudernden Männern und einem aufrecht Stehenden, welcher mit seinem Ruder die Richtung vorgibt. Niebels Interpretation: „gemeinsam gegen alle Gewalten“ beschreibt völlig ohne Worte diesen baskischen Wesenszug. Die Sportart symbolisiert das dichte soziale Netz, welches aus unzähligen Arbeits- und Freizeitorganisationen, sowie politischen und kulturellen Gruppen, gewoben ist, wie dies auch von Josef Lang geschildert wurde. Für ihn trägt und produziert dies in erster Linie vor allem den radikalen Nationalismus. Was für Niebel auch weiterhin Gültigkeit hat und Lang schon für die 1980er Jahre beschrieben hat, bezieht sich auf das politische Leben, welches nicht auf Urnen und Institutionen beschränkt ist, sondern Straßen, Stadtteile, Fabriken, Gewerkschaften, Massenorganisationen usw. hierbei zum entscheidenden Teil werden lässt.196

Michael Kasper beschreibt auch, dass das Zusammengehörigkeitsgefühl der Basken über politische und administrative Grenzen hinausgeht. Es erstreckt sich viel mehr auf ethnische, kulturelle, historische und insbesondere sprachliche Identität.197

Soziale Identität wird durch Interaktion aufgebaut und reproduziert. Durch diese Interaktion kommt es zur Zirkulation des „kulturellen Sinns“, welcher die gemeinsame Sprache, das gemeinsame Wissen und die gemeinsamen Erinnerungen beinhaltet. Durch diese Zirkulation entsteht der „Gemeinsinn“. Hier wird die Vorrangigkeit des Ganzen aufgebaut und individuelle Wünsche, Triebe und Ziele werden in den Hintergrund gestellt.198

Bereits Anfang der 1990er wird wieder deutlicher, dass die Basken teilweise ein anderes Verständnis von Politik und Gesellschaft haben. Eine basisdemokratische Ordnungsvorstellung und weniger Macht für politische Führer ist ein wichtiger Punkt. Juan Cruz Alli, der Präsident Navarras, sagte dazu, dass die Gesellschaft über die Parteien hinaus geht und sich bestimmte Interessen nur in der Gesellschaft

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195 Assmann Jan, Das kulturelle Gedächtnis. S. 133f.196 Niebel Ingo, Das Baskenland. S. 39.197 Kasper Michael, Baskische Geschichte in Grundzügen. S. 1.198 Assmann Jan, Das kulturelle Gedächtnis. S. 140.

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widerspiegeln, welche ihre eigenen Organisationen abseits der Parteien hat. Dies stammt aus dem Jahre 1991 und auch die Gegenwart bestätigt dies, wie Niebel beschreibt. Gemeinsam für ein Projekt einstehen zählt zu Fähigkeiten, die im Baskenland verstärkt wahrzunehmen sind. Zum einen ist hier die Ikastolas-Bewegung zu nennen, aber auch die jahrzehntelange Unterstützung der ETA. Es kam nie zu Zwangsrekrutierungen, und obwohl seit dem Tod Francos die Verankerung in der Gesellschaft immer weniger wurde, reichte es aus um zu überleben. Das zeigt sich auch im Engagement der Gefangenhilfsorganisationen. 1976 entstand „Gestoras por Amnistía“ (Amnestie-Komitees), deren Arbeit nach dem Verbot der Organisation 2008 von „Senidaek“ (Die Angehörigen, 1991) übernommen wurde. In den 1980er Jahren kam es zu einem deutlichen Anstieg des Drogenkonsums. Zwei Organisationen entstanden, um den Betroffenen zu helfen. In einigen Bereichen sind mehrere Organisationen tätig. Dies hat nicht nur mit der Verbostpolitik und den Neugründungen zu tun, sondern zeigt für Niebel einen weiteren Charakterzug der baskischen Bevölkerung. Es besteht ein Hang zur Abgrenzung von anderen. Für Niebel ist womöglich auch hier der Grund zu finden, warum man vergeblich nach einer Führungsperson in der Geschichte sucht, oder warum es zu keiner nationalen Einheit der Basken im Spanischen Bürgerkrieg kam.199

Kultur erzeugt nach Innen Identität, nach Außen Fremdheit. Der Ethnologe Wilhelm E. Mühlmann führt den Begriff „limitische Struktur“ ein. Er beschreibt eine Grenze, die nicht zwingend auf dem Boden markiert wird. Hierbei wird der Mensch zum Träger der Grenze.200 Mit einer Abgrenzung zwischen Ethnien, Regionen, Nationen, Kulturen etc. ist auch immer wieder Fremdenfeindlichkeit und Rassismus ein wichtiges Thema. Dies wird in der Literatur für das Baskenland unterschiedlich ausgelegt. Niebel bezeichnet den Rassismus im Baskenland als Vorwurf des nationalspanischen Mainstreams, welcher sich auf Aranas Aussagen Anfang des 20. Jahrhunderts stützt. Die PNV distanzierte sich jedoch davon, und spätestens in den 1960er Jahren durch die ETA, welche politische, soziale und kulturelle Faktoren etabliert hatte, waren Aranas Vorstellungen und Ideen der Vergangenheit zuzuschreiben. Auch Walther Bernecker, der als Spanien-Experte gilt, schreibt darüber, dass sich das Baskentum durch Kultur und Sprache definiert und nicht mehr durch „Rassenzugehörigkeit“. Dies hatte vor allem Auswirkungen auf Familien, die aus ärmeren Teilen Spaniens in den reichen Norden zogen. Hier gibt es Beispiele von Kindern, die in das Baskenland zogen und dort später für die Unabhängigkeit kämpften, und, wie Juan Paredes Manot „Txiki“ (Kleiner), vom spanischen Militärgericht wegen der Zugehörigkeit zur ETA zum Tode verurteilt wurden.201 Andere, wie z. B. Eric Hobsbawm, sehen sehr wohl eine Fremdenfeindlichkeit im Baskenland, vor allem nach der Zeit Francos, als laut Hobsbawm nur 8% der nicht im Baskenland Geborenen Euskera sprachen, was möglicherweise mit dem schweren Erlernen und sicherlich mit der vorangegangenen Politik zu tun hat.202

„Sind alle Bewohner von Euskal Herria Basken? Alle Länder haben ihren Ausländeranteil, aber da das Baskenland kein Staat ist, berücksichtigt es nur die ,Volkszugehörigkeitʻ und nicht de Staatszugehörigkeit. Baskischsein heißt, sich als ein Mitglied der baskischen ,Nationʻ zu fühlen, obwohl man die französische, spanische oder

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199 Niebel Ingo, Das Baskenland. S. 48f.200 Assmann Jan, Das kulturelle Gedächtnis. S. 151 - 153.201 Niebel Ingo, Das Baskenland. S. 39f.202 Hobsbawm Eric J., Nationen und Nationalismus. S. 165f.

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amerikanische Nationalität besitzt; heißt, sich voll und ganz bewußt zu sein, Teil eines Volkes zu sein, einer sozialen Sinnes- und Gefühlsgemeinschaft, mit der uns Blutsbande, der Geist oder das Herz verbinden. Die Sprachgemeinschaft zeigt den Unterschied am. Man kann Baske sein, ohne Baskisch zu sprechen. Es reicht nicht, als Baske geboren zu werden, es reicht nicht Baske zu sein, es bedarf außerdem dem Wunsch, Euskaldun [Baskischsprechende/r,IN] zu sein oder es werden zu wollen.“203

1986 erschien dieser französische Text „Être basque“ in der spanischen Version („Sé Vasco“ - Baskischsein). Es wurde eben auch versucht, auf akademischer Basis der Frage nach dem Baskischsein nachzugehen, vor allem ab Mitte der 1980er Jahre an der Akademie der Baskischen Sprache (Euskaltzaindia) in Bilbao.204

Leben und Arbeiten in Euskal Herria und ein Wille Baske/in zu sein zählt auch Arnaldo Otegi, Batasuna-Sprecher, zu den drei erfüllenden Bedingungen um der baskischen Gemeinschaft anzugehören. Niebel beschreibt die Situation so, dass der westafrikanische Straßenverkäufer mehr Respekt bekommt als ein bekannter Radiosprecher, da dieser seine Kundschaft in Euskera anspricht. Neben dem Sprechen kann auch die Wahl des Vornamens und die Schreibweise des Nachnamens ausschlaggebend sein. Das Franco-Regime verbot nicht nur das Euskera, sondern auch baskische Personennamen. Weiters durften Nachnamen nur gemäß der spanischen Orthografie geschrieben werden. Nach dem Tod Francos zeigten viele ihre baskische Identität durch das Andern ihrer Namen. So wurde z. B. aus „Goicoechea“ wieder „Goikoetxea“, ein Pedro nannte sich Kepa oder eine Dolores Nekane. Baskische Spitznamen wurden vor allem während der Diktatur in den Dörfern verwendet. Diese wurden in den internationalen Medien oft falsch interpretiert, da sie mit „Terrorist“ gleichgesetzt wurden, oder eins zu eins übersetzt, was bei Spitznamen meist merkwürdig klingt. Die Schreibweise des Namens kann ein Indiz sein, um auf Nummer sicher zu gehen, empfiehlt Niebel folgende Formel: „Baske/Baskin ist, wer baskisch spricht.“205 206

Neben kulturellen Institutionen werden nationale Kulturen auch durch Symbole und Repräsentationen gebildet und ausgedrückt. „Eine nationale Kultur ist ein Diskurs - eine Weise, Bedeutung zu konstruieren, die sowohl unsere Handlungen als auch unsere Auffassungen von uns selbst beeinflußt und organisiert.“207

Das Bewusstsein sozialer Zugehörigkeit (kollektive Identität) beruht auf einem gemeinsamen Wissen und einem gemeinsamen Gedächtnis. Dies wird durch die gemeinsamen Symbolsysteme vermittelt. Alles kann hierbei zu Symbolen werden, welche die Gemeinsamkeit herstellen, denn nicht das Medium entscheidet, sondern die Symbolfunktion und Zeichenstruktur. Assmann nennt diesen Komplex an symbolisch vermittelter Gemeinsamkeit „Kultur“ oder, für ihn noch präziser, „kulturelle Formation“. Eine kollektive Identität entspricht dieser, stärkt sie und reproduziert diese auch. Durch die kulturelle Formation wird die kollektive Identität aufgebaut und über Generationen aufrecht gehalten.208

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203 Niebel Ingo, Das Baskenland. S. 40.204 Ebda. S. 40.205 Niebel Ingo, Das Baskenland. S. 41.206 Ebda. S. 40f.207 Hall Stuart, Kulturelle Identitäten und Globalisierung. S. 416.208 Assmann Jan, Das kulturelle Gedächtnis. S. 139.

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Symbole werden oftmals als Voraussetzungen für soziale Interaktionen gesehen. Daneben drücken sie natürlich im öffentlichen Raum auch einen „Herrschaftsanspruch“ aus. Hroch schreibt dazu, dass eine Gruppe, welche eine so große Anzahl hat, dass sich nicht alle Mitglieder persönlich begegnen können, auf Symbole zur Interaktion und Kommunikation angewiesen ist. Symbole sollen hierbei vor allem nationale Identität verbreiten und Vertrauen in den Menschen wecken. Hroch schreibt, dass in der Literatur sich die Wege spalten, wie nationale Symbole entstehen. Klar ist jedoch, dass bereits vor den Symbolen eine bestimmte Identität und Vorstellung der Nation vorhanden war und die Symbole diese verstärkten. Einfache Symbole, wie Fahnen, Farben und Volkstrachten, wurden leichter angenommen als komplexer Symbole aus der Geschichte oder der Mythologie. Diese mussten zuerst von Stereotypen angenommen werden, die sich intensiv mit der Thematik beschäftigten um weiter verbreitet zu werden. Je nachdem in welchem Kontext Symbole ihre Anwendung fanden und nach deren Formen können, wie Hroch schreibt, mehre Gruppen unterschieden werden: 1. öffentliche Aktivitäten (Umzüge, Feste, Begräbnisse, Meetings, usw.), 2. verbale Äußerungen (Parolen, Deklarationen, Gesänge, Hymnen), 3. ikonographische Symbole (Bilder, Portraits, Historienmalerei, Flaggen, Abzeichen, Plakate), 4. Denkmäler und 5. die Landschaft und Teile davon.209

Neben der Sprache verfügen die Basken über mehrere Symbole, welche die Nationalität ausdrücken. Das Wichtigste, da auch das Sichtbarste, ist die Ikurriña. Auf roten Grund prangt ein grünes Andreaskreuz, über dem ein weißes Kreuz liegt. Die rote Farbe symbolisiert die Gesamtheit aller Basken. Das weiße Kreuz steht für den Katholizismus und die beiden gekreuzten grünen Balken verweisen auf die alten Sonderrechte. Die Fahne bezieht sich somit auf den Wahlspruch JEL der PNV, was nicht verwunderlich ist, da der Parteigründer Sabino Arana die Flagge entwarf. Die erste Autonome Regierung (1936 - PNV) machte das Parteisymbol zur „nationalen Fahne“ Euskal Herrias. Diese begleitet die baskischen Milizen im Kampf gegen den Faschismus. Aus dieser Zeit stammt die Bürgerkriegshymne „Eusko Gudarik gara“ (Wir sind baskische Soldaten), die heute noch von der linken Unabhängigkeitsbewegung gesungen wird, wie Niebel schreibt. Während der Zeit Francos war das Hissen der Ikurriña strengstens verboten. Ihre Wiederzulassung wurde von den politisch aktiven Basken in den 1960er und 1970er Jahren hart und blutig in den Straßen erkämpft. Heutzutage ist die Fahne für die Nationalspanier ein Symbol der politischen und territorialen Spaltung. Für gemäßigte Kreise außerhalb des Baskenlandes wird sie eher auf ein Wiedererkennungszeichen einer „spanischen“ Region reduziert.210

Aber auch auf anderen Ebenen, wie Sport, bekennen sich die Basken zur Ikurriña, damit ihre Mannschaften nicht unter der Rojigualda (Nationalflagge Spaniens) antreten müssen. ESIAT (Euskal selekzioaren Aldeko Iritzi Taldea) entstand 1995. Diese Organisation ist parteiübergreifend und bemüht sich, dass baskische Nationalmannschaften unter der Ikurriña bei internationalen Wettkämpfen antreten können. Spanische Organisationen des Sports und die Regierung wehren sich jedoch dagegen; somit gibt es nur eine inoffizielle Fußball-Nationalmannschaft, die meist an Benefizturnieren teilnimmt und gegen die Nationalelf von Katalonien spielt.211

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209 Hroch Miroslav, Das Europa der Nationen. S. 207 - 209.210 Niebel Ingo, Das Baskenland. S. 44f.211 Ebda. S. 46.

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Die großen Für- und Wider-Sympathien der Ikurriña wurden vor allem in den 1980er Jahren sichtbar. Als die Zentralregierung in Madrid anordnete, es müsse neben der Ikurriña auch die Rojagualda an den baskischen Rathäusern angebracht werden, kam es zum sogenannten „Fahnenkrieg“. Die rot-gelb-rote Fahne drückt für viele die spanische Unterdrückung aus. Die Ausschreitungen waren so stark, dass es zum Entschluss kam, keine Fahne zu hissen. Erst 2008 setzte der Oberste Gerichtshof Spaniens durch, dass die spanische Nationalfahne „an hervorgehobener Stelle“ zu hissen sei. Es kam zu einer friedlichen Demonstration der linken abertzale. In Nafarroa sind laut Niebel seit 1978 die gesamtspanischen Kräfte an der Macht. Hier wird die Fahne der Provinz Nafarroa in den Vordergrund gestellt und versucht, die Ikurriña aus dem Stadtbild zu entfernen. Die Fahne stammt angeblich aus dem Mittelalter. Sie symbolisiert den Sieg des navarresischen Königs gegenüber einem arabischen Kalifen. Die BewohnerInnen Navarras, welche sich von den anderen Provinzen Euskal Herrias distanzieren, sehen dies als offizielle Fahne Nafarroas. Die abertzale Linke benutzt dieses Symbol nur, wenn sie das Wappen Euskal Herrias zeigt, welches aus den Erkennungszeichen der sieben Provinzen besteht. Die linken Nationalisten aus diesem Gebiet versammeln sich lieber unter der Fahne des Königs Santxo VIII. Azkarra (Sancho, der Starke). Diese zeigt einen schwarzen Adler auf gelbem Hintergrund. Dokumente, in der das Königreich Nafarroa alle heutigen Provinzen Hegoaldes umfasst, zeigen dieses Symbol. Niebel schreibt, dass mittlerweile seit über einem Jahrzehnt von der linken Unabhängigkeitsbewegung versucht wird, genau jenes „Alte Königreich“, bevor es 1512 von Kastilien erobert wurde, als politisches und ideologisches Zentrum ihrer Bewegung darzustellen. Dies soll vor allem als ideologisches Gegenstück zur PNV und ihren Symbolen, sowie ihrem Zentrum Bizkaia, dienen. Arnaldo Otegi schreibt dazu, dass die abertzale Linke die Bevölkerung Navarras davon überzeugen muss, „dass Nafarroa seine politische Identität nur wiederherstellen kann, indem es zur tragenden Achse eines baskischen Nationalprojekts wird“212.213

Ein weiteres Symbol, welches auf T-Shirts und unzähligen Dingen in Souvenirshops zu finden ist, ist das „Lauburu“ (Vierkopf). Durch seine Form und die Laufrichtung erinnert es ein wenig an das Hakenkreuz und stößt somit im zentraleuropäischen Raum und aus israelischer Sicht auf Widerspruch. Jedoch ist hier lediglich das Aussehen gemeint. Zum einen gibt es die Verwendung im Baskenland schon länger und auch steht es nicht im Zusammenhang mit dem Faschismus sondern drückt nur eine Verbindung zum Baskenland aus, wie Niebel schreibt.214

Nationale Feiern waren und sind eine ganz besondere Ausdrucksweise von Freiheit und Identität. Denn, nur wer politisch frei war, konnte nationale Feiern auch abhalten. Feiern welche im öffentlichen Raum abgehalten werden, stärken das kollektive Bewusstsein. Für Hroch gehört dazu auch das Ritual, welches dafür sorgte, dass das Individuum die durch den Mythos strukturierte Zugehörigkeit zur nationalen Gemeinschaft annahm. Das Ritual vertieft die Beziehung mit der Nation und deren Vergangenheit, was vor allem emotional von statten geht. Dies stärkte den inneren Sozialisierungsprozess einer Nation. Feiern hatten auch dem Sinn, dem Alltag etwas zu entrinnen und einen Gegenpol dazu zu schaffen. Es gab die unterschiedlichsten Gründe und Thematiken für Feierlichkeiten. Manche knüpften bewusst oder unbewusst

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212 Niebel Ingo, Das Baskenland. S. 46.213 Ebda. S. 45f.214 Ebda. S. 46f.

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an ältere Traditionen an, die religiös oder volkstümlich motiviert sein konnten. Jubiläumsfeiern oder Ehrungen von Persönlichkeiten, vor und nach ihren Tod, waren auch ein wichtiger Bestandteil für eine Nation. Neben den Militärfeiern, welche meist die militärische Stärke einer Nation demonstrieren, gibt und gab es die Turnfeste. Hier sind jedoch sicherlich auch alle anderen sportlichen Ereignisse mitzuzählen, die die Massen begeistern, wie zum Beispiel die Meisterfeiern des Athletic Club, auf die später noch Bezug genommen wird.

Wie bereits erwähnt wurde, besteht die Gesellschaft der Basken aus einem dichten Geflecht freiwilliger Vereine, Organisationen und Gruppen. Diese wurden ein wichtiger Faktor der Selbstbehauptung und lassen deutlich werden, warum dies in die zivile Gesellschaft zurückging. Die Ursachen für die Entstehung und die Vielfalt eines sozialen Gefüges, das sich selbst trägt, ist sicherlich durch die Anspannung mit der Zentralmacht auszumachen. Da die Politik für die Bewältigung von Gemeinschaftsaufgaben ausfällt, waren private Bewegungen umso mehr gefordert. Die wichtigsten Gruppen, die das öffentliche Leben bereichernden, waren Pfandfinderverbände, Berg- und Wandervereine Chöre, Volkstanzgruppen und Sportvereine. Während der Diktatur Francos waren politische Abweichungen sehr riskant. Dadurch gewannen Ereignisse, die einen unpolitischen Anschein hatten, an Exklusivität. Vieles war nur Eingeweihten erkennbar, ob es nun ein Theaterstück oder eine Sportveranstaltung war.215

Die Zensur machte es der nationalistischen Presse schwer, pro-baskisch zu schreiben und vor allem Texte gegen die Diktatur zu verfassen. Zu diesem Zeitpunkt ist zu erkennen, dass ein größeres Augenmerk auf die Sportarten fällt, diese wichtiger für die Identität werden, und dadurch vermehrt vom Nationalismus verwendet werden. 216

4.3 Fußball und die Möglichkeit der Identifikation

Sport ist heutzutage ein Schlüsselmedium und kann beim Aufbau oder Wiederaufbau nationaler Identitäten eine wichtige Rolle einnehmen. Mannschaften die unter einer Flagge spielen, können die Menschen einigen und sie zu ihrer Identität stehen lassen.217

Von Ernest Gellner wissen wir bereits, dass eine nationale Identität Institutionen zur Verbreitung braucht. Zum einen sind das die Massenmedien und zum anderen ist es das nationale Bildungssystem. Fußball spielt in beiden eine bedeutende Rolle und ist somit tief verankert in der Bildung einer nationalen Identität. Wenn in den Medien über ein Spiel berichtet wird, kommt es zu einer ausführlichen Berichterstattung. Dabei werden auch die gesamten politischen und ökonomischen Umstände der beiden Teams (und Nationen) besprochen, sowie das Verhältnis der beiden Kontrahenten zueinander.218

Die Beziehung zwischen dem Fußball und der nationalen Identität ist keine einfache. Auf der einen Seite versuchen Politiker mit Hilfe der Vereins Werbung zu machen, auf der anderen Seite zeigen die Fans,

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215 Waldmann Peter, Militanter Nationalismus im Baskenland. S. 53216 Santiago de Pablo, Ludger Mees, El péndulo patriótico. S. 109f.217 Giulianotti Richard, Finn Gerry P.T. Old Visions, Old Issues: New Horizons, New Openings? Change, Continuity and Other

Contradictions in Word Football. S. 260.218 Ebda. S. 265

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oder der Verein selbst, bestimmte innere und äußere Missstände eines Landes auf. Was die Fans zusammenschweißt, ist der Sport, und eine „erfolgreiche“ Mannschaft, die für sie spielt und gewinnt und ihre Identität nach außen hin präsentiert. 219

Fußball ist mehr als ein Spiel. Im Ganzen konstruiert es ein soziales Ereignis, bei dem spielerische, soziale, ökonomische, politische, kulturelle und technologische Komponenten analysiert werden können. Am besten werden diese von unserer zeitgenössischen Gesellschaft entschlüsselt im Vergleich zwischen der Identifizierung unserer fundamentalen Werte und der Konfrontation mit den Widersprüchen unserer Welt.220

Philippe Baudillon sagt, dass für den Fußball vier fundamentale Aspekte notwendig sind: ein sozialer Platz, den der Sport ausfüllen kann; eine ökonomische Stütze; der technische Fortschritt und seine diplomatische und internationale Rolle. Weiters kann der Fußball nur sich selbst und seine Position halten, wenn die Fundamente miteinander verbunden sind.221

Der politische Einfluss beginnt in der Fußballgeschichte sehr früh. Bereits Anfang der 1920er Jahre verstehen es einige Regimes, ihre Ideologien durch diesen Sport zu verbreiten. Siege der Nationalmannschaft werden für die Propaganda und die Mobilisierung verwendet. Der Fußball konstruiert ein privilegiertes Terrain, wo kollektive Identitäten ihre Bestätigung finden. Diese treffen hier auch auf die Gegenseite in lokaler, regionaler und nationaler Form. Wenn die politischen Umstände durch die Referenzen der Opposition verschärft werden, wird der Fußball, vor allem seine Anhänger, den chauvinistischen und ultranationalen Ausbruch vorwegnehmen und ebenso die sozialen Konflikte beinhalten (ehem. Jugoslawien).222

Daniel Gómez stellt sich die Frage, ob Fußball Probleme und Konflikte zwischen Nationen und Staaten beilegen könnte. Er beantwortet es selbst mit einem Ja, fügt aber hinzu, dass es auch in die Gegenrichtung gehen könnte, wodurch die Situation verschlimmert werde. Fußball setzt die Politik in einem anderen Medium fort. Es ist wie ein kampflustiges Schauspiel, welches einem Krieg ähnelt, der in einem abgesteckten Territorium genauen Regeln unterliegt. Die Vereine sind bestimmten Symbolen, politischen Richtungen, Nationen oder Ethnien untergeordnet. Ignacio Ramonet behauptet, die Akteure spielen nur für den Sieg, welcher eine enorme Wirkung haben kann. Die Masse könnte sich dadurch mehr mit dem Club und seiner Ideologie identifizieren.223

Ende der 1990er Jahre kam es zum Aufeinandertreffen der Auswahl (selección) von Euskal Herria gegen die Auswahl von Catalunya (Katalonien). Die Zentralregierung in Madrid missbilligte dies, jedoch nahmen sich hier die beiden Autonomen Regionen ihr Recht der Selbstbestimmung über den Fußball. Ein Politiker der

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219 Giulianotti Richard, Finn Gerry P.T. Old Visions, Old Issues: New Horizons, New Openings? Change, Continuity and Other Contradictions in Word Football. S. 267.

220 Ramonet Ignacio, Un hecho social total. S. 17.221 Baudillon Philippe, Un deporte singular. S. 41.222 Ramonet Ignacio, Un hecho social total. S. 13f.223 Gómez Daniel, La patria del gol. S. 25.

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PP bringt es auf den Punkt, indem er sagt, dass für Millionen von Menschen nichts mehr ihren Patriotismus und ihre Mythologie zum Ausdruck bringt, wie ein verschwitztes Trikot des eigenen Teams. Zugleich fügt der Journalist Carlos Toro neben seiner Befürchtung, dass diese Zunahmen der autonomen Auswahlen in einer Katastrophe für Spanien enden könnte, hinzu: „La pelota es una arma de lucha,“224 Es bedeutet, dass der Ball eine Waffe für den Kampf darstellen kann. Er weist darauf hin, dass mit dem Aufschrei für ein Tor der Aufschrei für die Freiheit einhergeht. Für ihn ist es schade, dass Fußball von den Parteien als Hilfe genutzt wird.225

Finn und Giulianotti schreiben im Prolog ihres Buches „Football Cultures“ über das Paradoxe an Fußballvereinen. Egal in welcher Hinsicht sie sich verändern, sie werden immer eine unterschiedliche Stellung zur sozialen Identität repräsentieren. Ohne diese Differenz kommt es zu keinem Wettbewerb, welcher auch auf einer emotionalen Basis ausgespielt wird. Das entscheidende daran ist jedoch, wie der einzelne diese soziale Differenz wahrnimmt, wie sie sich entwickelt, und wie damit umgegangen wird.226

Teresa Revilla unterscheidet in ihren Bericht über die Fangruppen in Spanien die „hinchas“ und die „Ultras“ Die hinchas stellen die Hobbyfans und treuen Anhänger dar. Die Ultras sehen sich selbst als das Maximum des Supports. Von Italien aus kam diese Fankultur nach Spanien und auch England steuerte hier einen wichtigen Beitrag bei. Diese Fangruppierung singt und stellt Choreografien für das Stadion zusammen. Revilla beschreibt dies als „Rituale“, wozu bei dieser Gruppierung auch die Gewalt zu zählen ist. Die Identifikation mit dem Verein hat für die Ultras oft politische Hintergründe, was zu weiteren gewalttätigen Auseinandersetzungen führen kann. In Spanien existiert nicht nur die einfache Differenzierung zwischen extremen Linken und extremen Rechten, sondern auch zwischen Separatisten, Nationalisten („separatas“, „antifas“), wie sie Revilla bezeichnet, und den „españolismo“ („nazis“, „facistas“). Fahnen und andere Symbole der einzelnen Gruppierungen geben oft Auskunft über ihre politische Gesinnung. Revilla zitiert einen baskischen Ultra der sagt, dass die Politik in den Gruppen immer vorhanden ist und dass daraus die Gewalt resultiert.227

Alles, was sich rund um ein Team abspielt, von den Bildschirmen der Anhänger über die Gesänge und verwendeten Wörter bis zum Händeklatschen im Stadion, ist Teil eines klaren Supports und der kulturellen Identität. In den Gesängen z. B. spiegeln sich die Geschichte und Bedürfnisse der Zuseher wieder.228

Armstrong und Young vergleichen den Support mit einer Kriegsführung. Bei vielen Anhängern setzt in der Masse das rationale Denken aus und auch die Sprache verändert sich zu einem hasserfüllten und mitunter derben Umgangston. Der „Kampf“ wird zum „Tanz“, und durch das gemeinsame Singen entsteht Identifikation. Es entsteht ein „Wir“ und ein „Sie“.229

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224 Gómez Daniel, La patria del gol. S. 99.225 Ebda. S. 98 - 100.226 Finn Gerry P.T., Giulianotti Richard, Football Culture. S.8.227 Revilla Teresa Adán, Ultras e hinchas: politica y violencia en el fútbol en España (1982 - 1997). S. 109.228 Armstrong Gary, Young Malcolm, Fanatical Football Chants: Creating and Controlling the Carnival. S. 174.229 Ebda. S. 175 - 178

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Die Spieler werden von den Fans häufig als „Angestellte“ betrachtet. Somit sehen es die Fans als Pflicht an, unterhalten und befriedigt zu werden. Sie spielen für „uns“, und genauso werden die Spieler auch beurteilt. Große Stars haben mehr Einfluss auf die Fans, was natürlich für Werbung aller Art verwendet wird.230

Einige Analysen besagen, dass die Sprachgesänge Nationalismus, Regionalismus und sozio-politische Antagonismen ausdrücken und verbreiten. Für Armstrong und Young drücken sie aber noch mehr aus. Sie beziehen sie auf jegliche politische und soziale Elemente, die die Fans bewegen (Gender, Rassismus, Geschichte, Liebe und Hass etc.). Sie werden auch dazu verwendet, eine Gruppenidentifikation zu bilden und diese auch zu zeigen.231

Eine Million Fans nahmen angeblich an den zeremoniellen Feierlichkeiten 1983 und 1984 in Bilbao nach dem Titelgewinnen teil. Zum Vergleich beschreibt MacClancy dazu den Erfolg von Manchester United im Jahre 1994, als die Mannschaft das Double (Meisterschaft und Pokal) in der Englischen Liga holte, was vorher nur drei andere Teams schafften. Hier wurden einige tausend Menschen gezählt, die das Team unterstützen. Es sind also nicht nur die sportlichen Erfolge, sondern auch die Repräsentation des Vereins in der Öffentlichkeit. Der Athletic Club de Bilbao wird als das Team der baskischen Bevölkerung gesehen, wobei einige Fans von Real Sociedad, oder anderen Teams des Baskenlandes, unterschiedlicher Ansicht sein könnten. Fußball ist in Euskal Herria auf jeden Fall eine zentrale Stütze der modernen Vorstellung darüber, wer die Basken eigentlich sind.232

Für viele gilt auch, dass der Athletic Club mehr als ein Verein ist. Dies findet man auch beim F.C. Barcelona, welcher eine entscheidende Rolle in der katalanischen Identität einnimmt. Der Romanautor Luis de Castresana, der während seiner Kindheit im Exil lebte, beschreibt Athletic mit folgenden Worten:

„Athletic is for me something more than a football team; it is part of the emotional landscape of my Bilbao, my Biscaya ... I suppose that, at root, we Biscayans love Athletic because we intuit that it has something which belongs to us, because we intuit that within it is a piece of ourselves. I remember how much we Basque children vacated overseas during the war, were animated, shored up, and unified by having a red and white T-shirt and by calling our team ,Athletic de Bilbaoʻ. I believe that what we did then in Brussels was to discover for ourselves, from the nostalgia of a long absence, one of the characteristics which best and most deeply define the Bilbao team: that is, its identity as an umbilical cord linking men to the land, its geographic-emotional capacity. Athletic is like the river, the ochotes [Chor], the blast furnaces, the sirimiri [örtlicher Wind] or the Arenal [kleiner Park im Zentrum Bilbaos]: something which, in a way, is already consubstantial with our urban psychology.“233

Für Mariann Vaczi hat Athletic die spanische Fußballwelt auf drei Arten beeinflusst. Erstens durch den Import des Spiels der englischen Arbeiter, welche in Bilbao lebten, zweitens durch die zahlreichen Rekorde, Siege

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230Armstrong Gary, Young Malcolm, Fanatical Football Chants: Creating and Controlling the Carnival. S. 181.231 Ebda. S. 204.232 MacClancy Jeremy, Expressing Identities in the Basque Arena. S. 44f.233 Ebda. S. 56.

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und Weltklasse-Spieler, welche der Verein hervorbrachte, und, drittens, durch die Beibehaltung seiner „Rekrutierungsphilosophie“.234

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234 Vaczi Mariann, Subversive pleasures, losing games: Basque soccer madness. S. 21.

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5. Athletic Club

5.1 Ein Verein und seine Identität entstehen

Athletic wurde zu einem Zeitpunkt geboren, der sehr ungünstig für Spanien war. Die gesamte letzte Dekade des 19. Jahrhunderts wurde als Katastrophe betitelt. 1898 gingen auch noch die Kolonien Kuba und die Philippen an die USA verloren. In der Stadt Bilbao war Athletic 1898 eine neue Attraktion nebenzwei weiteren, nämlich die Eröffnungen des großartigen neuen Gebäudes des Arriaga Theaters und des ebenfalls imposanten Sato Hospital Civil de Basurto. MacAlevey sieht diese Neuerungen als Reaktion auf die schnelle Industrialisierung von Bilbao.235

Die allererste offizielle Fußballpartie im Baskenland wurde am 4. Mai 1894 ausgetragen. Die Söhne der Unternehmer brachten die Leidenschaft des Spieles von ihren Studienjahren in England mit in die Heimat. Die Studenten spielten gegen die ansässigen englischen Arbeiter. Die Engländer gewannen diese Partie überlegen mit 5:0.236

Vier Jahre später hatte Juan Astoriqua in der Turnhalle Zamacois 1898 die Idee einen Fußballclub nach englischem Vorbild zu gründen. Er kannte das Spiel von seinen Aufenthalten in Großbritannien. Somit wurde der Athletic Club ins Leben gerufen. Die englische Aussprache wurde ganz bewusst gewählt. Aber auch in den englischen Arbeitervierteln in Bilbao wurde Fußball gespielt.237

Dies fiel auf fruchtbaren Boden und 1901 verfassten die Herren Don José María Barquín, Don Juan Astorquia und Don Enrique Goiri, im Café García die Statuten des Vereins. Am 11. Juni 1901 wurde Don Luis Márquez der erste Präsident und Astorquia der erste offizielle Kapitän des Athletic Club. Don Alfredo Mills, ein Engländer, war nicht nur der 2. Kapitän sondern zählte auch zu den Gründungsmitgliedern. Im August kam es zur Gründung mit den 33 Mitgliedern.238

1923 kam es erstmals zu Unstimmigkeiten bezüglich. des Gründungsdatums als der F.C. Barcelona (1899) die 25-Jahr-Feier anprangerte. Barcelona argumentiert damit, dass ein Club erst mit seinen Mitgliedern, seinen Stauten und seinem Vorstand existiere. Die Basken antworten mit einer traditionellen baskischen Phrase, die besagt, „alles was einen Namen hat, ist“. Abgesehen davon, ist keine von beiden der älteste Fußballverein Spaniens. Dieser stammt aus Huelva und heißt Huelva Recreation Club (1889).239

Athletic war natürlich nicht der einzige Verein im Baskenland, Bizkaia und Bilbao. Der Bilbao F.C., der 1900 gegründet wurde, war der erste große Rivale. Die beiden schlossen jedoch eine Zusammenkunft, welche kurz danach wieder aufgelöst wurde, um letztendlich einige Jahre später ganz zu fusionieren. Athletic spielte

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235 MacAlevey Wiliam, Football and Local Idenity. S. 91.236 Terrachet Enrique, 100 años de historia del Atletic de Bilbao. S. 23f.237 Sáiz Valdivielso Alfonso Carlos, Atletic Club (1898 - 1998). 14f.238 Terrachet Enrique, 100 años de historia del Atletic de Bilbao. S. 24.239 Unzueta Patxo, Fútbol y nacionalismo vasco. S. 147.

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ab dieser Zeit mit den Trikotfarben blau-weiß längs gestreift.240 Zu den Rojiblancos (Rotweißen) wurden sie erst Anfang des Jahres 1910. Blau-weiß wurde zu den Farben der Auswärtsdressen.241

Zum spanischen Fußball ist zu sagen, dass Athletic einer der ersten Vereine auf der Iberischen Halbinsel war und die drei allerersten Turniere (1902/03/04) für sich entscheiden konnte. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass Atlético Madrid in seinen Gründerjahren (1903) Athletic de Madrid hieß, und sich aus einem der ersten Fanclubs (peñas) des Athletic Club de Bilbao bildete.242

1912/13 war eine ganz besondere Saison für den Verein. Es musste eine neue Bleibe gefunden werde. In Lamiaco, wo seit Beginn gespielt wurde, hatte man Probleme mit der Ausbildung der Spieler und auch die kurzzeitige Lösung danach, Jolaseta, stellt sich als unzureichend heraus. Unter Präsident Alejandro de la Sota (1911-17) und zahlreichen Mitgliedern wurde bei der feierlichen Versammlung am 10. Dezember 1912 beschlossen, dass an der Verlängerung der Straße Gran Vía ein neues Fußballstadion entstehen sollte. Die Bauarbeiten sollten 50.000 pesetas ausmachen. Ein Teil sollte von den Mitgliedern (socios) getragen werden, jeder sollte so viel geben wie er konnte. Der Rest wurde durch Kredite finanziert. Da die Vorteile überwogen und große Gewinne zu erwarten waren, gab es diesbezüglich keine Probleme. Am 21. August 1913 war es dann soweit, zum ersten Mal wurde in San Mamés ein Fußballspiel ausgetragen. Die Zuseher sahen das Spiel der Rojiblancos gegen Racing de Irún. Pichichi war der erste Torschütze im neuen Stadion; ein sicherlich ehrwürdiger erster Torschütze. Nach dem Goalgetter ist die Trophäe des Torschützenkönigs der spanischen Liga (Primera División) benannt. Am Tag darauf spielten das Team aus Irún und ein englisches Team, Shepherd`s Bush, aus London. Zwei Tage darauf spielten die Rojiblancos gegen das Team aus London und diesmal waren das spanische Königspaar anwesend, was dem Spiel einen besonderen Glanz verlieh, wie es im Bericht des nächsten Tages zu lesen ist. Somit war San Mamés eröffnet, la Catedral (die Kathedrale) wie es im spanischen Fußball genannt wird, wo die Spieler ihr Können, unter den zahlreichen kritischen Augen der Fans, unter Beweis stellen mussten.243

Der Beiname der Spieler, „Los Leones“ (die Löwen), kommt vom dem Löwen, der San Mamés (Santimamiñe) zu Füßen liegt. Die Legende besagt, dass ein junger Christ mit dem Namen Mamés sich mit einem Dreizack bewaffnet in einem römischen Zirkus in Cäsarea zur Belustigung der Römer einer Löwenbestie stellen musste. Die Bestie griff den Jungen jedoch nicht an, sondern legte sich diesem zahm vor die Füße. Heute knien die Spieler, Los Leones des Stadions San Mamés, vor jeder neuen Saison vor der Jungfrau von Begoña, der Stadtheiligen Bilbaos, nieder.244

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240 Terrachet Enrique, 100 años de historia del Atletic de Bilbao. S.25.241 Ebda. S. 57.242 MacAlevey Wiliam, Football and Local Idenity. S. 92.243 Terrachet Enrique, 100 años de historia del Atletic de Bilbao. S. 71 - 74.244 Arizaleta Mikel, Fußball in Euskadi. S. 184.

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5.2 „Caso unico“ - La Cantera - „Einzigartig“

Der Schlüssel der Identifikation zwischen den leones und deren Anhängern ist die Charakteristik des Vereins, nur baskische Spieler in ihren Reihen zu haben. Lange Zeit gab es in Spanien noch weitere Teams mit einer vergleichbaren Philosophie, heute übrig ist nur Athletic. In den Gründungsjahren sind einige englische Spieler zu finden. Alfred Mills, ein Ingenieur, war einer der 33 Gründungsmitglieder. Langford, Dyer, Evans und Cockram waren weitere Engländer in den Reihen des Vereins in den ersten Jahren. Enrique Terrachet, der Historiker des Vereins, schreibt in der Chronologie jedoch, dass diese sich voll integriert hatten und schon lange in Bilbao wohnten.245 Da es zu dieser Zeit auch noch keinen Profifußball gab, wurden die Spieler auch nicht durch Geld angelockt oder anderen Vereinen mit gigantischen Summen abgekauft. Als Beispiel dafür, wie die ausländischen Spieler zu Athletic und Euskal Herria standen, wird immer der Fall von Langford angeführt. Während des spanischen Bürgerkriegs kam ein britischer Abgesandter und wollte den ansässigen Briten helfen nach England zu kommen. Er erklärte Langford, dass er es in Britannien gemütlicher habe und keine Angst vor Bomben haben müsse. Der sympathische Langford, wie ihn Terrachet beschreibt, antwortet, dass dies gute Gründe wären, in Bilbao habe er wohl die Gefahr der Bomben, aber auch den Wein. Wenn er nach England ginge, hätte er keine Bomben, aber auch keinen Wein, und somit war sein Entschluss gefällt und er blieb in Bilbao. Das sind für Terrachet Ausländer, die es verdienen bei Bilbao zu spielen, und die es sogar verdienen würden, gekauft zu werden. Aber er schreibt auch ganz klar ¡cada cual es cada cual!, was so viel bedeutet wie keiner ist wie der andere.246

MacClancy schreibt, dass ab dem Jahre 1919 sich das Team ausschließlich aus Basken zusammensetzte und die Junta Directiva (Vorstand) erklärte dies gleich zu einem Prinzip des Clubs. Zuerst hatte diese Definition noch „sabinische“ Wurzeln. Die Bedingungen waren, im Baskenland geboren und aufgewachsen zu sein, und alle vier Großeltern mussten baskische Nachnamen vorweisen können. Das Kriterium Nachname wurde bald aufgehoben, und ab den 1950er Jahren konnten all jene, die im Baskenland geborenen sind, für den Verein das Trikot tragen, egal welcher Herkunft die Eltern waren. In den 1970er Jahren wurde die Regel reformiert. Ab diesem Zeitpunkt konnten auch jene, die nicht im Baskenland geboren waren, aber im frühen Kindesalter dort aufwuchsen, sich für den Verein die Fußballschuhe schnüren. Dies geht einher mit der Definition des Baskisch sein, des „Neuen“ Nationalismus. Nicht das Erfüllen von ethnischen Kriterien war wichtig, sondern jemand, der im Baskenland lebt und seiner Arbeit dort nachgeht. („Lo importante no es donde se nace sino donde se pace.“ 247) MacClancy schreibt dazu weiter, dass alle Regionen von Euskal Herria dabei schon integriert waren, auch jene von Iparralde. Angeblich suchte man jedoch vor 1997 dort nicht nach Spielern. 1997 wurde laut der Literatur Bixente Lizarazu als erster von Ipparalde verpflichtet. Zu dieser Zeit hatte das Team auch einen französischen Trainer (Luis Fernández). Lizarazu spielte aber nur ein Jahr in Bilbao und wechselte dann nach Deutschland zu Bayern München. Trotz der weniger guten Erfahrungen werde man weiter auch in Ipparalde Ausschau nach Talente halten, zitiert MacClancy den Verein. In den 1990er Jahren veränderte sich La Cantera erneut. Wenn jemand außerhalb des Baskenlandes geboren und auch aufgewachsen ist, jedoch ein Elternteil Baske ist,

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245 Terrachet Enrique, 100 años de historia del Atletic de Bilbao. S. 37.246 Ebda. S. 37.247 MacClancy Jeremy, Expressing Identities in the Basque Arena. S. 47.

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besteht die Möglichkeit für den Verein aufzulaufen. Auch ohne baskische Eltern, nicht in Euskal Herria geboren und auch nicht dort aufgewachsen zu sein, aber das Handwerk des Fußball dort erlernt zu haben, genügt, um spielen zu dürfen. Der Großteil der Spieler ist jedoch nach wie vor in Euskal Herria geboren oder zumindest aufgewachsen, und in der Regel wird auch von „nur Basken“ gesprochen.248

Ein berühmter Satz, welcher auch immer in der Chroniken Athletics vorkommt ist „caso unico en la historia del fútbol mundial“, welcher von der französischen Zeitung L`Equipe aus den 1960er Jahren stammt. „Ein einzigartiger Fall in der Geschichte des Weltfußballs“, nur mit Spielern aus ihren Reihe anzutreten.249 In Spanien wird Athletic mit Liebe und Hass gesehen, manchmal sogar in derselben Person. Die ultrakonservative Zeitung La Razon schrieb im Jänner 2002, dass Athletic der einzige Verein sei, welcher mit 11 Spaniern spiele. In den Spielern fließe spanischen Blut. La Cantera ist immer wieder ein großes Thema vor allem, da bei einigen Vereinen hauptsächlich Spieler aus anderen Ländern zu finden sind. Für viele geht die Situation in Bilbao jedoch in eine andere Richtung, und so sagt z. B. der Präsident der Autonomen Region Cantabaria über seinen Verein Racing de Santander, dass sie nicht wie Bilbao seien, bei ihnen sei jeder willkommen, sie haben keine Xenophobie. Athletic ging dies entschieden zu weit, und man forderte eine Entschuldigung, was in Form einer Karte geschah, nachdem die eigene Partei (PP) selbst die Aussage kritisierte.250

Ein weiteres ungewöhnliches Phänomen, das den Verein aus Bilbao ausmacht und für einen spanischen Fußballverein untypisch ist, ist eine weitere wichtige Komponente in der Philosophie des Clubs. Athletic ist keine Rechtsform einer Kapitalgesellschaft. Der Verein wird von seinen Mitgliedern (socios) gemeinsam als Sportverein geführt. Normalerweise wird so verhindert, dass eine einzelne Person das Kommando übernimmt. Der Vorstand, welcher vom Großteil der socios unterstützt wird, muss sicherstellen, dass mindestens 30% der jährlichen Einnahmen von den Mitgliedsbeiträgen der socios getragen wird. Diese Zahl limitiert die Einnahmen pro Jahr stark für den Verein. Ein ehemaliger Präsident sagt dazu, dass es sich lohnt, „Athletic has to be for everybody and not for a few“.251

5.3 Eine nationale Liga (Primera División) entsteht und mit ihr die Profis

In den 1920er Jahren spaltete sich die Fußballwelt bezüglich Pro und Contra des Profisports. Manuel de la Sota (1926-29), für Arizaleta ohne Zweifel der nationalistischste Vereinspräsident in der Geschichte des Athletic Clubs,252 war ein Verfechter des Profifußballs. Er erklärte, dass die generelle Stimmung dagegen sei. Wolle man jedoch an frühere Ereignisse anknüpfen, sei dies der einzige Weg. Bis zu diesem Zeitpunkt stammten die Spieler eher aus wohlhabenden Kreisen und waren Studenten, für die jedoch das Studium an erster Stelle stand. Die Federación Español de Fútbol (Spanischer Fußballverband) wurde bereits 1909 gegründet. Mit 1928/29 ging die erste Saison in Spanien über die Bühne. Geld sollte die Stabilität des

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248 Ebda. S. 46f249 Es gibt mit Chivas des Clubs Deportivo Guadalajara aus Mexico und dem Club Deportiva Sarpissa aus Costa Rica zwei weitere auf

der gleichen Ebene des Sports mit der selben Philosophie.250 Gómez Daniel, La patria del gol. S. 121 - 123.251 MacClancy Jeremy, Expressing Identities in the Basque Arena. S. 50f.252 Arizaleta Mikel, Fußball in Euskadi. S. 185

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Spieles, der Vereine und der Spieler sichern. 1929 erklärte die Junta Directiva ihren Rücktritt, aufgrund des Streits um den Profifußball. Die Diskussion wurde in der Presse weitergeführt:

„Die Vereine haben das Profitum eingeführt, indem sie Spielern aus anderen Orten Geld für einen Orts- und Vereinswechsel bezahlten. Nach und nach hat diese Hamstermentalität der Vereine logischerweise dazu geführt, daß Spieler ihre Fähigkeiten zum Kauf anboten. So entstand der Profifußball, d.h. das Spielen wird bezahlt, der Auftritt vergütet, wie bei einem Pelotaspieler, einem Boxer oder einem Sänger.“253

Erstmals wurde über eine Liga, welche die ganze Halbinsel umfassen sollte, in der Saison 1927/28 gesprochen. Bis dahin wurden nur Meisterschaften auf regionaler Ebene ausgetragen. Das englische System sollte als Vorlage dienen. Terrachet schreibt dazu, dass ihnen dabei wahrscheinlich nicht bewusst war, dass damit der Weg für den Profifußball geebnet wurde. Als die Liga zum ersten Mal 1928/29 ausgetragen wurde, spielten folgende Teams: Barcelona, Real Madrid, Athletic de Bilbao, Real Sociedad, Arenas de Guecho Athletic de Madrid, R.C.D. Español, C D. Europa Real Unión de Irún und Real Santander. Das ist auch die Reihenfolge, in der die Meisterschaft zu Ende ging. Barcelona war der erste Meister der Primera División. Die ersten drei Teams verbindet bis heute noch etwas. Athletic, der F.C. Barcelona und Real Madrid sind bis zum heutigen Tage (Jänner 2013) die einzigen Clubs, die seit dem Bestehen der Liga immer in der höchsten Klasse spielten. Für Athletic ist dies etwas ganz besonderes und ein weiterer wichtiger Pfeiler in ihrer Vereinsgeschichte.254

Revilla schreibt, dass kurz darauf auch der Nationalismus eine wichtigere Rolle einnahm. Vor allem drei große Blöcke ließen sich erkennen. Basken, Katalanen und Madrilenen lieferten sich regelrechte Kämpfe. Weiters kam es auch zu Stadtrivalitäten oder „Feindschaften“ innerhalb einer Region oder Provinz. So war vor allem Real Sociedad aus San Sebastian lange Zeit ein großer Rivale des Athletic Club. Das hatte zur Folge, dass die einzelnen Clubs Aushängeschilder für ihre Stadt, Region oder Nation wurden und somit das Ganze eine zusätzliche Motivation und Attraktion bekam.255

Wenn man bedenkt, dass Fußball eigentlich „konkurrieren“ bedeutet, kann das für Spiele gegen baskische Mannschaften (Real Sociedad, Alavés, Osasuna) einerseits eine Teilung begünstigen anderseits aber auch den regionalen Zusammenhalt fördern. Besonders die Beziehung mit dem Verein aus San Sebastian wechselt oft zwischen freundschaftlicher Rivalität und totaler Feindseligkeit. In den 1940er und 1950er Jahren, während der Zeit des Faschismus, präsentierten sich beide Vereine auf einer provinzialen Ebene und nicht auf einer regionalen. Spätestens ab den 1960er Jahren ließ die gegenseitige Feindschaft nach, als der baskische Nationalismus wieder verstärkt aufkeimte und die Identität der Basken vermehrt in den Vordergrund trat. Diese „Basqueness“ kann, wie MacClancy es beschreibt, auch dazu führen, vor allem wenn es um den Erhalt einer Mannschaft in der obersten Liga geht, dass alle ein Team unterstützen. In den Derbys wird sogar von gegenseitiger Unterstützung in diesen Fällen gesprochen. Dies kann jedoch nur vermutet werden, da dies natürlich wegen Spielmanipulierung illegal ist und offiziell geleugnet wird.256

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253 Arizaleta Mikel, Fußball in Euskadi. S. 181.254 Terrachet Enrique, 100 años de historia del Atletic de Bilbao. S. 115 - 123.255 Revilla Teresa Adán, Ultras e hinchas: politica y violencia en el fútbol en España (1982 - 1997). S. 110.256 MacClancy Jeremy, Expressing Identities in the Basque Arena. S. 56f.

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Athletic wurde nur drei Jahre nach der PNV gegründet. Bereits nach kurzer Zeit wurde der Club zum Aushängeschild der Stadt Bilbao. Die Begeisterung und Entwicklung ging auch an den Politikern nicht spurlos vorbei. Es sollte nur eine Frage der Zeit sein, schreibt Gómez, bis die PNV aufmerksam auf den Verein wurde und versuchen würde ihn zu kontrollieren und zu beeinflussen. Familien, wie die de la Sotas, welche in England studierten und den Fußball liebten, hatte eine lange Zeit den Vorsitz von Athletic.257

Die frühen Befürworter des Nationalismus haben in ihren Schriften eher eine geteilte Meinung zum Thema Fußball. Die Konservativen, welche am Land lebten und ihre Schriften in Euskera verfassten, tendierten dazu, pelota als den Nationalsport zu sehen und standen dem neuen Sport Fußball mit Skepsis gegenüber. Die Liberalen, welche in der Stadt wohnten und in Kastilisch ihre Texte niederschrieben, standen England wohlgesonnen gegenüber und unterstützten auch das Aufkommen des Fußballs. Vor allem in den 1930er Jahren konnten die modernen Sportarten punkten und traditionelle Sportarten waren eher nur mehr im ländlichen Bereich üblich. 258

Patxo Unuzueta nennt mit Alejandro de la Sota (1911-17), Ramón Aras-Jáuregui (1906-08), José María Vilallonga Medina (1922-23) und den Spieler José Antonio Aguirre, welcher der erste Lehendakari war, zumindest vier Personen, die in den Anfangsjahren bei Athletic wichtige Positionen inne hatten und auch für den baskischen Nationalismus eine entscheidende Rolle spielten.259

In der Saison 1929/30 sollte Athletic zum ersten Mal das Double (Meisterschaft und Pokal) holen. Es wurde eine bis heute unvergessliche Ära eingeläutet. In dieser Saison wurde der Meistertitel geholt, ohne auch nur ein Spiel zu verlieren. Ein Jahr danach wurde das Double zum ersten Mal erfolgreich verteidigt. Neben diesen beiden Erfolgen stand Athletic auch in der regionalen Entscheidung am Ende an erster Stelle. Für Terrachet ist klar, zu dieser Zeit spielt „das beste Team“ in der Geschichte Athletics. In den darauf folgenden Spielzeiten sollte Athletic fast alles gewinnen, was es zu gewinnen gab. In der Saison 1934/35 waren die regionalen Meisterschaften für Clubs wie Athletic, welche im Pokal spielten, nicht mehr zugänglich. Stattdessen wurde zum ersten Mal der „Copa Vasca“ ausgetragen und die Los Leones holten sich gleich den ersten Titel.260

Manuel de la Sota, von 1926-29 Präsident der Rojiblancos, engagierte sich auch in der PNV und trat für die Unabhängigkeit Euskal Herrias ein. Ihn verband eine gute Freundschaft mit Josep Sunyol, ein herausragender Politiker Kataloniens (Esquerra Republicana de Catalaunya) und socio des F.C. Barcelona. Gómez schreibt, dass de la Sota ihn dahingehend beeinflusste, wie der Fußball zu sehen sei. Fußball, erklärte de la Sota, sei ein Spielzeug des Krieges, ein kleiner zivilisierter zeitgemäßer Kampf quasi. Das Trikot könne sich zu einer Flagge verwandeln. Die Spieler könnten die Seelen der Zuseher formen. Die

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257 Gómez Daniel, La patria del gol. S. 27.258 MacClancy Jeremy, Expressing Identities in the Basque Arena. S. 59f.259 Unzueta Patxo, Fútbol y nacionalismo vasco. S. 155.260 Terrachet Enrique, 100 años de historia del Atletic de Bilbao. S. 127 - 148.

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Trikots würden den ganzen regionalen Enthusiasmus aufsaugen und ein lebendiges Symbol für diesen darstellen. 261

Der F.C. Barcelona steht, genauso wie der Athletic Club und andere baskische Vereine, bereits zu dieser Zeit für einen Autonomiestatut und eine autonome Verwaltung.

Neben den Anfängen in Euskal Herria hat der Fußball in Spanien auch in Katalonien seine Wurzeln. Somit ist es auch nicht allzu verwunderlich, wenn die Spieler der spanischen Nationalmannschaft oft ausschließlich aus diesen beiden Regionen kamen. 1930 bestand die Mannschaft, nur mit einer katalanischen Ausnahme, aus Basken. 262

Hand in Hand mit dem Professionalismus stieg auch die baskische Sportpresse auf. Die erste Sportzeitschrift war „Excelsior“ (1924-32) und ihr Nachfolger „Excelsius“ (1932-37). Beiden ist eine Treue zur PNV nachzuweisen. Herausgeber war Alejandro de la Sota. In den Zeitungen und Zeitschriften konnte man bis zum Bürgerkrieg viele englische Wörter in Bezug auf den Fußball finden (match, foot-ball, team, ...). Einiges wurde sofort in die Sprachen der iberischen Halbinseln übersetzt und unter Franco war es dann gänzlich vorbei mit den Anglizismen. Heutzutage ist es vereinzelt wieder üblich in der baskischen Presse diese Anglizismen zu finden.263

5.4 Fußball unter Franco

Mit dem Ausbruch des Bürgerkriegs in Spanien wurden die Fußballmeisterschaften in Spanien eingestellt. Einige Spieler gründeten ein Team unter den Namen „Combinado Vasco“ und bereisten Länder in Europa und Amerika um dort Fußball zu spielen. Viele von wollten nicht wieder zurück auf die Iberische Halbinsel und versuchten dort ihr Glück. Somit löste sich das Team auf. Athletic stand ohne Team da, jedoch wurde bereits während des Krieges, laut Terrachet, nach Lösungen für dieses Problem gesucht. Ab dem 8. Mai 1938 wurden in San Mamés wieder Spiele ausgetragen und es wurde ein Team zusammengestellt, welches in der Saison 1939/40 wieder an den nationalen Meisterschaften teilnahm.264

Für das totalitäre Regime wurde Sport als moralische Aktivität gesehen, welche Patriotismus und Disziplin verbreiten sollte. Man glaubte durch den Sport die jungen Zuseher für die Diktatur gewinnen zu können. Zuerst wurde jedoch bei Athletic die Junta Directiva ausgewechselt und das Team wurde in einem angemessenen Rahmen präsentiert. Die Rojiblancos mussten ihren Namen in „Atlético de Bilbao“ ändern. Regionale Wettkämpfe wurden verboten. Der sportliche Separatismus sollte auf diese Weise unterbunden werden. Die Diktatur wusste genau um die Kraft des Sports und um die damit verbundenen Mythen und Erinnerungen. Aus diesem Grunde wurde 1937, genau am 12. Oktober, am „Dia de la Raza“ („Tag des Volkes“) oder auch „Hispanidad“, von der Führung von Athletic verlangt, ihre Trophäen auszuhändigen. Als

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261 Gómez Daniel, La patria del gol. S. 36f.262 Arizaleta Mikel, Fußball in Euskadi. S. 186.263 MacAlevey Wiliam, Football and Local Idenity. S. 112f.264 Terrachet Enrique, 100 años de historia del Atletic de Bilbao. S. 149 - 154.

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sie die Vitrinen leerten, gravierten sie im Gegenzug den Schriftzug „Todo por la Patria“ („Alles für die Heimat“) ein. Dieser Satz ist für immer im Herzen des Clubs, wie es Gómez beschreibt.265

Seit Franco Fußball zum größten und wichtigsten Sport machte, hatte die Leistung von „Atlético“ eine größere Resonanz. Während den 1940er Jahren feierte der Club drei Meisterschaften. Durch diese Erfolge steigerte sich das Ansehen der Los Leones, in der Presse, bei den Massen und in der Regierung Francos. Der Wert des Teams bei der Wiederherstellung einer lokalen Gesellschaft nach der Zerstörung nach dem Krieg ist durchaus bestätigt, so MacClancy. Jon Juratsi, ein bekannter baskischer Akademiker, schreibt, dass sein Vater ihm erzählte, dass gleich nach dem Krieg „Atlético“ eine Toleranz zeigte, die es ermöglichte einen anständigen Teil der Gesellschaft Bilbaos, der herrschenden Mittelklasse, zu restaurieren. MacClancy meint, dass es sehr schwierig ist, die Zeit in den 1940er und 1950er genau zu rekapitulieren und die Sympathien zuzuordnen, da versucht wurde und noch wird, zu viel in das öffentliche Leben hinein zu interpretieren. Der Club selbst erzählt in den 1980er Jahren in seiner Geschichten, dass die Erfolge bei vielen Einwohnern gut für sie selbst waren und weniger für die Diktatur. Weiter ist dazu zu sagen, dass alle nationalistischen Aktivitäten gegen das Regime verboten waren. Franco liebte Fußball, und genau hier gab es eine Möglichkeit des Protests. Hier konnten die Basken auf legalem Weg zeigen, wer sie sind und woher sie kommen. Spiele gegen Real Madrid, welche als besonders franquistisch galten, hatten eine ganze besondere Bedeutung, vor allem bei Siegen und wenn Franco selbst unter den Zusehern war. Ein beliebter Spruch aus dieser Zeit ist von Agustin Gainza, dem Kapitän von Athletic, welcher 1958, nachdem er den Pokal von Franco überreicht bekam, zu ihm sagte, „see you next year“.266

Der Ball wurde zu einer Waffe des passiven Widerstandes. Mit einem Krieg, der die Angst, die Sehnsucht und die Empfindungen intensivierte, bekamen die Trikots der Teams eine ganz neue Bedeutung. Sie wurden mehr als je zuvor zu Symbolen der Masse.267

Durch den Fußball drücken die Basken aus, was sie sind. Während der Diktatur riefen die Fans im Stadion: „Aupa, Athletic, y el quería lo entienda!“, was in etwa bedeutet, „Steh auf Athletic, wer will wird schon verstehen, was damit gemeint ist!“268

Die Los Leones verdienten im Vergleich zu anderen Spielern wenig Geld, welches aber auch wichtig sein konnte: „I don`t know if today this was well understood but in the 1940s, after the war, with the misery that there was and everything else, for us, to play in Athletic, to play in international games, to be able to bring up a family, that you were paid for doing something that you liked doing over and above everything else, was like a blessing from heaven.“269

Generell wurde den Spielern nachgesagt nicht für das Geld, sondern für den Stolz zu spielen. Dieses Interesse für den Verein zu spielen war ein weiterer Grund, warum sich die Anhänger mit den Spielern identifizieren konnten. Der unterbezahlte Arbeiter war auf gleicher Ebene mit den Fußballern. Mit den Ende der 1940er Jahre stieg der Bekanntheitsgrad und auch ein wenig das Einkommen. Die Spieler erreichten

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265 Gómez Daniel, La patria del gol. S. 42.266 MacClancy Jeremy, Expressing Identities in the Basque Arena. S. 60f.267 Gómez Daniel, La patria del gol. S. 39.268 Arizaleta Mikel, Fußball in Euskadi. S. 186.269 MacClancy Jeremy, Expressing Identities in the Basque Arena. S. 51.

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eine größere Berühmtheit als die Stierkämpfer. Dies führte auch dazu, dass sie vermehrt in Werbungen und als Werbefiguren für unterschiedliche Kampagnen, wie pro-Euskera oder gegen Drogen, zu sehen waren.270

Es wurde nach dem Krieg versucht so schnell wie möglich zur Normalität zurückzukehren; aus diesem Grund wurde auch bereits vom spanischen Fußballverband 1939/40 eine Meisterschaft organisiert. Eine Legende der Rojiblancos sollte in dieser Saison seinen ersten Auftritt haben. Telmo Zarraonandía, el gran Zarra, für welchen Terrachet am liebsten ein neues Buch anfangen würde, wie er schreibt. Zarra wird von allen Seiten bewundert und geschätzt. In der Saison 1942/43 spielten erstmals 14 Teams in der höchsten spanischen Liga. Eine Saison darauf kehrten die Rojiblancos zu ihren Erfolgen zurück und konnten ein weiteres Double erreichen. Die Zeitungen berichteten am nächsten Tag, dass mehr als 150.000 Personen mit dem Team den Meistertitel in den Straßen Bilbaos feierten. Terrachet schreibt, dass dieser Triumph vor allem jenen Personen zuzuschreiben sei, die auch während des Krieges für Athletic gearbeitet haben. Die nächste Meisterschaft bezeichnet der Historiker als die schlechteste Spielzeit bis dahin. Athletic erreichte nur den 10. Platz. Jedoch wurde im Copa del Generalísimo271 ein weiterer Pokal geholt. Die Meisterschaft in den 1940er Jahren war für Athletic de Bilbao ein schwieriges Unterfangen und der Titel konnte nicht ins Baskenland geholt werden. Der Pokalbewerb war jedoch anscheinend der Wettbewerb der Los Leones. Den auch in der folgenden Saison 1944/45 sollte der Titel an die Rojiblancos gehen. 1948/49 verlor man im Finale gegen Valencia, jedoch ein Jahr darauf hörte man nach dem 4:1 Sieg gegen Valladolid wieder ¡Alirón! ¡Aliron!272 El Athletic es campeón! 1950 wurde in Brasilien die Weltmeisterschaft ausgetragen und Zarra wurde von den Kritikern als bester Spieler auf seiner Position bezeichnet.273

In den 1940er und 1950er Jahren entwickelte sich durch die Diktatur Francos der Fußball immer mehr zu einer Art nationaler Befreiung. Vor allem die Duelle zwischen Real Madrid und dem F.C. Barcelona spielten hier eine besondere Rolle. Dieses Duell ist auch heute noch als „El Clasico“ bekannt und hat nach wie vor Brisanz in Spanien und in der ganzen Fußballwelt. Real Madrid war vor Franco ein rechtsorientierter Club, welcher die Monarchie schätzte. Nach dem Krieg sympathisierten die Mitglieder und Fans mit dem Regime. Somit wurde der Verein „el equipo del régimen“ („Verein des Regimes“). Heutzutage steht der Club der spanischen Hauptstadt für den Zentralismus in Spanien. Mit dem Tod Francos und dem Demokratisierung Spanien sympathisierten die Clubs, und vor allem die Fans, verstärkt mit dem Nationalismus / Regionalismus und der Symbolik dieser Bewegungen. Außerdem kommen einige Jahre später die Ultras auf, welche sich die politischen Forderungen groß auf ihre Fahnen schreiben.274

In der Saison 1968/69 sollte es wieder so weit sein und die Los Leones sollten den Cup nach Bilbao holen. Das Spiel selbst wurde mit 1:0 gegen das Team aus Elche gewonnen. In der Chronik von Athletic ist ein Zeitungsausschnitt abgedruckt, der besagt, dass 250.000 Menschen auf den Straßen in Bilbao waren um dem siegreichen Team die Ehre zu erweisen. Die Spieler wurden einzeln aufgerufen und ihre Namen wurden

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270 Ebda. S. 51f.271 Der Name des Pokalbewerbs wurde unter Franco umbenannt.272 Kommt von den englischen Arbeitern, als sie Eisen entdeckten; ursprünglich: „All Iron“.273 Terrachet Enrique, 100 años de historia del Atletic de Bilbao. S. 157 - 215.274 Revilla Teresa Adán, Ultras e hinchas: politica y violencia en el fútbol en España (1982 - 1997). S. 112.

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laut von den Massen geschrien. Vor diesem Balkon sollen sich in etwa 100.000 Menschen befunden haben. Der Torwart José Angel Iribar und der goldenen Torschütze Para Arieta bekamen den größten Beifall der Massen. Nach elf Jahren wurde wieder ein nationaler Titel gewonnen. Bilbao war im Ausnahmezustand und die Fans feierten „ihr“ Athletic.275

5.5 Die Veränderung durch den „Neuen Nationalismus“ und die Ikurriña

Die letzten 20 Jahre des Franquismus wurden von der ETA und den linken abertzales geprägt. Der Prozess von Burgos (1970), wo eine Gruppe führender ETA-Mitglieder angeklagt war, und die Exekution von zwei ETA- und drei FRAP-Mitgliedern am 27. September 1975, blieben tief in der kollektiven Erinnerung der Bewohner. Die Empörung über die Toten erreichte auch den Fußball. Während das Regime international jede Schuld von sich wies und in den Straßen von Bilbao die Unruhen und Demonstrationen weitergingen, spielte der Athletic Club in Andalusien gegen Granada. 276 Der wohl bekannteste Nationalist in den Reihen Athletics, Torhüter José Ángel Iribar, überzeugt seine Mitspieler, als ein Zeichen des Mitgefühls mit einer schwarzen Armbinde aufzulaufen. Er versuchte sich und seine Kollegen zu schützen, indem sie behaupteten, diese zu Ehren des Todestages eines verstorbenen Mitspielers zu tragen. Im gleichen Jahr entschied der Torhüter, das fünfzigste Spiel für das Team Spanien nicht zu bestreiten. Angeblich soll die baskische Politik es ihm verboten haben. Ein Jahr darauf, am 5. Dezember 1976, im Spiel gegen Real Sociedad in San Sebastian, überzeugte er den gegnerischen Kapitän (Inazio Kortabarria), gemeinsam mit der Ikurriña in der Hand auf das Feld zu laufen und diese in den Mittelpunkt zu stecken. „Separatist orgy at Anoeta“ („Separatisten-Orgie in Anoeta“) betitelte es eine Madrider Zeitung. 277 Das Stadion brach beinahe zusammen, schreibt Gómez. Eine unbeschreibliche Begeisterung brach aus und die Spieler wurden von tausenden Zusehern bejubelt, die ihren Augen nicht trauen konnten. Das Spiel endet mit einer 5:0 Niederlage der Los Leones. Iribars Leistung war eher eine Katastrophe, jedoch machte er sich mit dieser Aktion unsterblich. Die beiden Clubs wussten nicht, dass sie der spanischen Regierung etwas vorwegnahmen, zumindest laut Gómez. Am 19. Jänner 1977 wurde das offizielle Verbot der Ikurriña aufgehoben. Nach beinahe 30 Jahren des Verbotes wurde die baskische Fahne wieder offiziell toleriert. Überall wurde sie ausgegeben, so auch in San Mamés, wo Real Madrid als Gegner wartete. Mit einem Fahnenmeer siegte Bilbao über Madrid mit 4:1. In der Hauptstadt war in einer Zeitung „Goleada con Ikurriñas“ („Torsegen mit Ikurriñas“) zu lesen.278

Iribar weigerte sich das 50. Länderspiel für die spanische Auswahl zu absolvieren. Seine Aussage dazu war, dass er den Medienrummel nicht wollte. Die ganze Welt würde über diese Leistung sprechen. Zu diesem Zeitpunkt war er auch Rekordnationalspieler. Dieses Aufsehen wollte er nicht, jedoch war die Aufregung 1976 in Anoeta für ihn umso freudiger. Iribar erzählt, dass sie den Plan eineinhalb Stunden zuvor schmiedeten, und sie zu dem Entschluss kamen, dass es ein sehr günstiger Zeitpunkt wäre, dieses Zeichen

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275 Terrachet Enrique, 100 años de historia del Atletic de Bilbao. S. 247 - 283.276 Gómez Daniel, La patria del gol. S. 62f.277 MacClancy Jeremy, Expressing Identities in the Basque Arena. S. 62.278 Gómez Daniel, La patria del gol. S. 63f.

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zu setzen. Inazio Kortabarria fügt hinzu, dass es für die Fußballer an der Zeit war, etwas gegen die Situation, in der sie sich befanden, zu unternehmen.279

Mit dem Aufkommen des „Neuen Nationalismus“ verändert sich auch viel bei Athletic. „[People] less disposed to tolerate the arrogant centralism of the State, in general and of the incompetent and antidemocratic attitudes of sporting authorities in particular“ 280 wie es MacClancy zitiert. Die Ikurriña ist laut ihm bereits seit Ende der 1960er Jahre wieder im Stadion zu finden. Trotz ihres Verbots zeigten die Basken sie wieder vermehrt, auch weil sie wussten, bis sich die Polizei durch die Menge kämpfte um dies zu unterbinden, war die Fahne bereits wieder verschwunden. Der neue gewählte Präsident Athletics, Jesús María Duñabeitia, zog ein kulturelles Spektakel am 8. August 1977 ab. Die Ikurriña wurde groß und mit Begeisterung offiziell am Stadion angebracht. Alles war baskisch, die Musik, die Tänze, die Personen in baskischer Tracht, welche einen „Tunnel der Ehre“ für die auf das Spielfeld laufenden Athleten bildeten. Dies geschah im Zuge des Trofeo del Athletic. Hier wurden immer verschiedenen internationalen Clubs eingeladen um für diesen Titel zu spielen. Diesmal wurde Aston Villa mit 2:0 und dann im Finale Dynamo Kiew mit 1:0 besiegt.281 Während Spaniens Weg zur Demokratie bekannt sich Athletic ganz öffentlich zur Autonomie und für die Amnestie der politischen Gefangenen. Viele Spieler, so MacClancy, begannen auch das Euskera zu erlernen.282

Im Mai 1977 betrat José Angeles Iribar beim Finale des Europacups gegen Juventus Turin ebenfalls mit der Ikurriña das Feld. Tausende in San Mamés hielten diese ebenfalls in den Händen und riefen „Presoak kalera!“, was so viel bedeutet wie, „lasst die Gefangen frei“.283

5.6 Lezama

Im Jahr 1970, wurde, wie jedes Jahr am Ende der Saison, die Junta General abgehalten. Bei dieser Hauptversammlung waren alle im Club aktiven Mitglieder beteiligt. Hier wurden auch die einzelnen Posten vergeben und andere Punkte besprochen. In diesem Jahr wurde der Versammlung das Entwurfsmodell für das Ausbildungszentrum Lezama und somit auch das Zukunftsmodell Athletics präsentiert. Lezama verdient laut Terrachet einen gesonderten Punkt in der Geschichte des Vereines. Der spanische Fußball steckte zu dieser Zeit etwas in der Krise und der Nachwuchs musste gefördert werden. Vor allem für das Team von San Mamés war dies ein ganz wichtiger und einschneidender Punkt.284

Eine wichtige finanzielle Folge der Philosophie und Politik der Rojiblancos ist natürlich, dass normalerweise keine großen Summen für den Kauf von Spielern ausgegeben werden, wie das bei anderen Vereinen der Fall ist. Stattdessen wird seit 1971 viel von dem Geld in die Jugend der Region investiert. In einem Vorort von Bilbao, Lezama, gründete der Verein eine Fußball-Akademie. In diesem Trainingszentrum trainieren alle

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279 Ebda. S. 205 - 207.280 MacClancy Jeremy, Expressing Identities in the Basque Arena. S. 61.281 Terrachet Enrique, 100 años de historia del Atletic de Bilbao. S. 349.282 MacClancy Jeremy, Expressing Identities in the Basque Arena. S. 61f.283 Ebda. S. 62.284 Terrachet Enrique, 100 años de historia del Atletic de Bilbao. S. 292 - 294.

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Altersklassen des Vereins bis hin zur Kampfmannschaft. Sie werden dort erstklassig vorsorgt, meist sogar von ehemaligen Spielern des Vereins. Kleinere Kopien von Lezama existieren auch in Vizcaya und in den umliegenden Provinzen. Dort wird die Jugend zweimal pro Woche trainiert und den Vielversprechendsten wird ein Platz in Lezama angeboten. Weiters hat Athletic mit über 100 Vereinen, vor allem in Hegoalde, formelle Übereinkünfte. Dafür bekommen die Vereine professionellen Support und gelegentlich werden Spieler aus Lezama an die einzelnen Vereine weitergegeben. Zusätzlich versucht der Verein in mehr als 300 Schulen ein jährliches Treffen zu arrangieren um sich zu vergewissern, dass die verschiedensten Methoden des Trainings den neuesten Standards entsprechen. Diese Strategie bzw. der Grundsatz, sich um den lokalen Nachwuchs zu kümmern und nicht bereits bekannte Spieler für Unsummen zu kaufen, ist die „Definition“ der La Cantera („Kaderschmiede“). Genau aus diesem Grund ist es so einfach für so viele Anhänger sich mit dem Team zu identifizieren.285

Es wird versucht die Jugend aus Lezama für die Kampfmannschaft zu gewinnen und nicht von anderen baskischen Clubs Spieler zu kaufen. Jeder in Lezama kann es schaffen, so der Präsident José María Arrate im Jahre 1998. Nachteile liegen hier woanders. Kleinere oder lokale Amateurclubs könnten Athletic „erpressen“ und aus der Übereinkunft aussteigen, wenn die Rojiblancos nicht mehr für sie tun, oder mehr bezahlen. Auf der anderen Seite beklagen Fans, dass Athletic die Vereine ausnützen würde und nur auf seine eigene Gunsten schaue.286

5.7 Fans und ihr Support für Athletic und für Euskal Herria

Während der Zeit Francos wurde der Verein durch seine Grundsätze und seine Philosophie, zusammen mit den großen Erfolgen, sehr bekannt in ganz Spanien. Es entstanden plötzlich Fangruppen (peñas), die keine Basken waren, wie in Granada und Murcia. Somit ist der Plan Francos, Spanien durch den Fußball zu einigen, fehlgeschlagen und genau das Gegenteil ist eingetreten. Die peñas verfolgten das Schicksal des Teams und diskutierten über die Feinheiten des Spiels. Insgesamt existieren zurzeit 406 peñas, und davon sind 145 (Stand Jänner 2013)287 untereinander zusammengefügt in einer Organisation (Agrupaciòn de Peñas del Athletic)288, welche auch einen Präsidenten hat. Diese schwören auf die Gemeinschaft. Sie halten zudem jedes Jahr einen mehrtägigen „Kongress“ in Bilbao ab. Ihr Ziel ist es, Verbindungen zwischen allen Strukturen des Clubs zu schaffen.289

Die Anhänger Athletics sind in allen gesellschaftlichen Schichten zu finden. In den Anfängen waren die Anhänger ausschließlich señoritos. „Young upper-class parasites“, wie sie MacClancy nennt. Als das Spiel populärer wurde und Fußball zu einer Profession, wurden Spieler aus wohlhabenden Familien weniger, während sich die Anhängerschaft des erfolgreichen Clubs weiter und weiter in den unteren sozialen

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285 MacClancy Jeremy, Expressing Identities in the Basque Arena. S. 47f.286 Ebda. S. 48.287 Peñas.

http://www.athletic-club.net/web/main.asp?a=2&b=5&c=0&d=0&idi=1288 Agrupación de peñas del Atheltic Club.

http://www.agrupacionathletic.com/cas/default.asp289 MacClancy Jeremy, Expressing Identities in the Basque Arena. S. 53.

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Schichten ausdehnte. „Perhaps it would be better to say that here [in the stadium] concur a crucible of diverse and differentiated attitudes, feelings, and thoughts. Here coincide a comedian, a theologian of liberation, a cobbler, a musician, a shopkeeper, a quick change artist and a woman of loose morals who vibrates more with the goals of Athletic than with her next client.“290

Eine Konsequenz aus der engen Identifikation zwischen Team und Anhänger ist, dass manche Fans behaupten, dass sie etwas ganz besonderes zum Erfolg besteuern. Ein Historiker des Vereins stellte dies laut MacClancy so dar, dass die Elf am Feld die Stoßtruppen darstellen und ihre Anhänger sind die „faithful infantry“, oder die „back-up brigade“. MacClancy schreibt dazu, wie ein Fan dieses Phänomen erklärt:„In our innermost being lies the belief that Athletic wins its matches because we urge them on [...] We have stimulated ad urged the team on, and they have won; therefore we ourselves have won, and for that reason we are a part of Athletic.“291

Gabriel Ortiz wird in den 1950er und 1960er Jahren durch seinen lauten schrei „Atleeeeeeeetic!“ zu einer lokalen Berühmtheit. Er konnte so laut schreien, dass er wiederholt Tausende zu einer Reaktion bewegen konnte, und der Antwort der Fans war ein lautes „Eup!“ Danach folgte die Hymne Athletics. Dieses Ritual wird auch heute noch praktiziert. Journalisten und jeder einzelne, der bei Athletic seine Brötchen verdient, weiß ganz genau um die wirkungsvolle Unterstützung in San Mamés und deren Wichtigkeit für das Team. Die baskische Presse berichtete täglich über den Verein und an Spieltagen kommen ein bis zwei Seiten hinzu. MacClancy schreibt, dass es für die Journalisten kein Problem ist, einzelne Spieler oder auch die gesamte Spielweise des Teams zu kritisieren. Jedoch wäre es schwierig, am Fundament der Los Leones Kritik in der Presse zu üben. Dies würde gleichgestellt mit einer Kritik an der baskischen Gesellschaft selbst. Eine Folge aus diesen Faktoren, welche ein Gefühl der Identität zwischen Spielern und Fans erleichtert, ist, dass Athletic auch „una gran familia rojiblanca“ (eine große rot-weiße Familie) genannt wird.292

Die Ultras verwenden die verschiedenste Symbole, die meist aus der politischen Gesinnung und den Farben oder Symbolen des Clubs entstehen. Somit haben ihre Symbole, Fahnen und allein ihr Logo eine brisante politische Bedeutung. Ihre Symbolik wird erkannt und die gegnerischen Fans wissen um die Bedeutung. Somit steht z. B. die spanische Fahne im Stadion von Real Madrid für den Zentralismus und ein geeintes Spanien. Die Fahnen des Athletic Club de Bilbao und auch die des F.C. Barcelona stehen für ihren Nationalismus, für die Autonomie und die Unabhängigkeit. Die Fahne des Vereins wird zu einem politischen Symbol. Revilla beschreibt auch, dass in einem Stadion alle politischen Richtungen vertreten sind, obwohl meist ein Anteil größer ist als der andere. Jedoch kann anscheinend das Phänomen Fußball die politischen Wirren einigen und eine gemeinsame Glaubenssache darstellen.293 Die Ikurriña ist auch in anderen Stadien zu finden, oft auch außerhalb des Baskenlandes. Sie steht für die Autonomie und gegen den Zentralismus des spanischen Staates. Deswegen wird sie auch als Gegenstück zur spanischen Nationalflagge verwendet.294

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290 MacClancy Jeremy, Expressing Identities in the Basque Arena. S. 54.291 Ebda. S. 54f.292 Ebda. S. 54f.293 Revilla Teresa Adán, Ultras e hinchas: politica y violencia en el fútbol en España (1982 - 1997). S. 125294 Ebda. S. 126.

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Einige Fangruppierungen distanzieren sich vom Begriff „Ultras“, da dieser oft mit der extrem Rechten in Verbindung gebracht wird. Diese Fans bezeichnen ihre Gruppierung als „hinchas“ und distanzieren sich bewusst davon. Ein Fan von Herri Norte Taldea (HNT) erklärt, man distanziere sich klar von den faschistischen Fangruppierungen und Ultras. Man identifiziere sich mehr als populistischer Anhänger, betrunken und anarchisch.295

Obwohl die meisten Anhänger Athletics das Team und auch die Spieler als Ausdruck des Nationalismus sehen, wünschen sich viele Fans nicht, dass eine Partei vom Verein bevorzugt wird. Seit dem Tod Francos versuchte die PNV immer wieder den Posten des Präsidenten zu kontrollieren, welcher in der Gesellschaft hoch angesehen ist. Auch Herri Batasuna versuchte den Club zu unterwandern, schaffte dies jedoch nicht. Ihnen fehlten die Unterstützer in der Manager- und Vorstandsebene. Stattdessen versuchten sie, Spieler wie José Angeles Iribar auf ihre Seite zu bekommen. Normalerweise versammelten sich die PNV-Fans immer an beiden Enden des Spielfeldes und die batasuneros (Anhänger Herri Batasuna) an den Seitenlinien bei den Zäunen. Von dort schallten ihre Slogans durchs Stadion und dort präsentierten sie auch ihre Banner. Ein Vorteil, den sie dort hatten, war die Aufmerksamkeit der TV-Kameras, welche direkt neben ihnen waren, und sie auch filmten, was dazu führte, dass ihre Slogans sofort in der Öffentlichkeit waren.296

Der Verein soll aber eigentlich über den Parteien stehen. Er ist dafür da, um alle zu repräsentieren, nicht nur eine Fraktion. MacClancy beschreibt es so, dass der Club die gleiche vereinende Funktion hat wie die Königin in England.297

Gómez schreibt, dass alle baskischen Teams in der zweiten und ersten Liga linke abertzale Fangruppen haben. Die Symbole der Unabhängigkeit sind überall in den Stadien von Bilbao, San Sebastian, Gasteiz und Iruñea zu finden. Das Ganze wird zu einem Bühnenbild, welches auch die MNLV gutheißt. Im Jahre 2000 wurde der Präsident der Agrupación de Peñas verhaftet. Er wurde zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt, da man ihm eine Zusammenarbeit mit dem ETA-Kommando in Bilbao vorwarf.298

5.8 Hochmut kommt vor dem Fall

Während des Chaos am Arbeitsmarkt im Jahre 1979 war die Situation im Fußball auch nicht die hoffnungsvollste und der schloss sich den Streiks an. Terrachet schreibt, dass Spanien erfahren sollte, was es bedeutet ohne den Sport zu sein. In diesem Jahr wurden auch Pläne zur Vergrößerung und Renovierung von San Mamés erarbeitet. Nach gründlicher Überlegung kamen die Verantwortlichen zum Entschluss, ein neues Stadion zu bauen, welches zwischen 40.000 und 51.000 Zuseher fassen sollte. Das Budget sollte sich zwischen 400 Millionen und 450 Millionen pesetas (ca 2,4 Mio. - 2,7 Mio. Euro) betragen. Schlussendlich sollte es jedoch um die 700 Millionen pesetas (ca. 4,7 Mio. Euro) ausmachen.299 Ein Grund,

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295 Revilla Teresa Adán, Ultras e hinchas: politica y violencia en el fútbol en España (1982 - 1997). S. 126.296 MacClancy Jeremy, Expressing Identities in the Basque Arena. S. 63.297 Ebda. S. 63.298 Gómez Daniel, La patria del gol. S. 128f.299 Terrachet Enrique, 100 años de historia del Atletic de Bilbao. S. 353 - 357.

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der die Entscheidung möglicherweise beeinflusste, war die Weltmeisterschaft 1982, welche in Spanien stattfand, und wo auch in San Mamés gespielt wurde.

San Mamés sollte ein gutes Omen für das Team aus Bilbao werden. In der ersten Saison, in der alle Heimspiele in der neuen Kathedrale ausgetragen wurden, kehrten die Titelgewinne zurück nach Euskal Herria. Die Entscheidung fiel am letzten Tag zwischen den Los Leones und Real Madrid. Real spielte in Valencia und Athletic in Las Palmas. Bei diesen beiden Teams ging es um den Abstieg. Real musste nur punkten um Meister zu werden, jedoch durfte Valencia nicht verlieren um den Klassenerhalt zu schaffen. Am Ende siegte Athletic souverän mit 5:0 und Real Madrid verlor in Valencia mit 0:1. Somit feierte Valencia den Klassenerhalt und die Rojiblancos den siebten Meistertitel. Für die Feierlichkeiten ließ sich der Club etwas Neues einfallen. Die Mannschaft fuhr mit einem Frachtkahn, der natürlich den Namen „Athletic“ trug, am Fluss Nervión durch Bilbao und ließ sich von den Fans am Ufer feiern. Dies wurde zur Tradition und wird auch heute noch bei einem Titelgewinn praktiziert.300

In der Saison 1983/84 sollte ein neuer Rekord aufgestellt werden, der bis heute Gültigkeit hat (Jänner 2013)301. Athletic schaffte das fünfte Double mit dem Gewinn der Meisterschaft und dem Copa del Rey, welcher im Finale gegen Barcelona mit einem 1:0 ins Baskenland geholt wurde. Auch der Supercup, wo normalerweise der Meister gegen den Cupsieger spielt, wurde gegen Barcelona mit 3:0 gewonnen. Die Meisterschaft war wie so oft ein Duell mit Real Madrid. Das letzte Match der Saison wurde in San Mamés gegen diesen Rivalen ausgetragen. Iñigo Liceranzu machte in diesem Spiel das 3.000. Tor für Athletic, und mit dem 2:1 Sieg wurde auch die Meisterschaft gewonnen. Der Supercup ermittelt den „Supercampion“ und das war der Titel für Athletic nach 86 Jahren, wie Terrachet schreibt. Das gleiche Motto wie bei der Gründung 1898: „el club más grande de la historia del fútbol“ („Der größte Verein in der Geschichte des Fußballs“).302 Gefeiert wurde in San Mamés einen Tag darauf am Frachter, und Montag in Begoña und vor dem Rathaus. Ganz Bilbao wurde in ein rot weißes Meer gehüllt.303 Wie bereits erwähnt, sollten an diesen Titelfeiern jeweils eine Million Menschen teilgenommen haben. Luis de Castresana beschreibt die Feier vom Mai 1984 mit folgenden Worten:„Bilbao yesterday was something more than a mass frenzy and something more than a fiesta. It was an experience. It was the communion of people with its team and, at root, the communion of a people with itself ... Athletic is ourselves.“304

Nach dem Tod Francos war Real Madrid das tonangebende Team in der Primera Divisón. Bis 1980 gewannen sie alle Meisterschaften. Danach war jedoch die Zeit reif für die baskischen Clubs. Zuerst hatte San Sebastian seine erfolgreichen Saisonen und danach kam die Stunde Bilbaos, bis 1984. Zur selben Zeit existierte auch eine nie da gewesene Präsenz an Gewalt und der ETA. Der baskische Konflikt und der baskischen Fußball überrannten Spanien und waren in aller Munde, wie Gómez schreibt. Der Trainer Javier Clemente meinte dazu, dass sie einmal das beliebteste Team waren und mit Respekt behandelt wurden.

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300 Terrachet Enrique, 100 años de historia del Atletic de Bilbao. S. 365.301 Los récords del Athletic Club.

http://www.athletic-club.net/web/main.asp?a=2&b=1&c=3&d=0&idi=1302 Terrachet Enrique, 100 años de historia del Atletic de Bilbao. S. 382.303 Ebda. S. 373 - 382.304 MacClancy Jeremy, Expressing Identities in the Basque Arena. S. 56.

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Aber mit den Anschlägen kamen auch die Beschimpfungen und überall, wo sie hingehen, werden sie „Terroristen“ genannt.305

Terrachet schreibt, dass es allgemein heißt, Euphorie sei nie gut. Man könnte sagen, der Hochmut kommt vor dem Fall, und genauso ist es auch im Fußball. Bereits in der ersten Runde des Europapokals der Landesmeister 1984/85 zerstörte der französischen Club Girondinis Bordeaux die internationalen Träume der Mannschaft aus Bilbao. Auch in der Meisterschaft konnte man nicht an die Erfolge der letzten Jahre anknüpfen, am Ende wurde der dritte Platz erreicht. Im Pokalbewerb fand man jedoch zur alten Stärke zurück und erreichte das Finale. Dieses wurde gegen Atlético Madrid ausgetragen. Das Finale ging jedoch an die Madrilenen und Bilbao blieb nach zwei erfolgreichen Jahren wieder ohne Titel. Zum traurigen Höhepunkt des Finales kommt die Auseinandersetzung der Schlachtenbummler der beiden Vereine hinzu, wo auch die Polizei einschreiten musste. Ein schreckliches Ende für ein Finale, das es so schnell nicht wieder geben würde, wie Terrachet schreibt.306

Die Titel von 1982/83 und 1983/84 sollten die letzten sein, die in Bilbao bis heute (Jänner 2013) gefeiert wurden. Zwar gab es noch sportliche Höhepunkte, jedoch wurde kein Titel geholt. In zwölf Jahren wechselte das Team seinen Trainer elfmal. 1996 kam es wieder zu einem Aufschwung unter dem Trainer Luis Fernandez, schreibt MacClancy. Der Grund, warum sich dies so schnell änderte und das Schicksal Athletics bestimmte, war für ihn kein anderer als Geld. Einige Vereine, vor allem die „super-clubs“ wie Barcelona, hatten/haben genug Geld, um sich Spieler kaufen und ihnen Unsummen bezahlen zu können. Die Situation wurde für den Verein aus Bilbao noch schlimmer, als Spieler von Clubs außerhalb der Region abgeworben wurden. Dies war früher ein Ding der Unmöglichkeit, die Los Leones spielten nur für Athletic. Für viele gilt dies heute noch. Daraus entstanden höhere Standards. Athletic spielte nun gegen Teams, deren Spieler viel mehr verdienten als die eigenen. Im Jahre 2000 z. B. spielten fünfzig Basken außerhalb Euskal Herrias und sechs davon beim F.C. Barcelona.307

Um dem entgegen wirken zu können und den Verlust von jungen Talenten zu kompensieren, wurde entschieden, die „gute Nachbarschaft“ zu beenden, und es wurde begonnen, Spieler von anderen baskischen Teams abzuwerben. Dies hatte allerdings zur Folge, dass die eigenen Spieler sahen, wie viel der Verein für andere ausgab, wodurch auch sie ein höheres Gehalt forderten. Dies beendete eine weitere lange Tradition der „economy of austerity“. Dies führte bis in die untersten Ebenen der Struktur des Vereins.308

„In long term, it creates problems with the players. Football has changed a lot in the last years. The motivation of the lads, which used to be to play and to enjoy themselves, is now different and if they go to the selection very young, on their return we already find intermediaries in the doorway.“309

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305 Gómez Daniel, La patria del gol. S. 71.306 Terrachet Enrique, 100 años de historia del Atletic de Bilbao. S. 407.307 MacClancy Jeremy, Expressing Identities in the Basque Arena. S. 64.308 Ebda. S. 64.309 Ebda. S. 64.

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5.9 Die ETA und der Fußball

Die ETA veränderte ihre Meinung im Laufe der Jahre über den Fußball. Anfangs sah man eine tiefe Abneigung gegen den Sport, da er als „Droge“ von Spanien gesehen wurde um die Leute zu unterhalten. Sie verglichen es mit dem „Brot und Spiele“ der Römer. Der Fußballeifer machte aber auch vor der ETA nicht halt. Dem Anführer in den 1980er Jahren wird auch eine gewisse Sympathie für die spanische selección nachgesagt, so Gómez. Ihm gefiel es anscheinend, wenn die spanische Mannschaft gewann und einige Basken daran beteiligt waren. Für viele war dies etwas Unverständliches und sie setzten sogar auf die Gegner der selección. 1985 griff die ETA auch aktivistisch in den Fußball ein, indem sie das Vorstandsmitglied Juan Pedro Guzmán Uribe von Athletic entführten. Es war das erste Mal, dass sich die ETA bewusst gegen eine Person aus dem Sport stellte, und den baskischen Fußball provozierte. Der Trainerstab, der Trainer Javier Clemente selbst, José Ángel Iribar und Piru Gainza, welche sich beide mit Herri Batasuna identifizierten, traten in einer Pressekonferenz an die Öffentlichkeit und forderten die Freilassung von Guzmán Uribe. Die Verurteilung in der Öffentlichkeit von einer Person wie Iribar und die gemeinsame Anklage von Athletic und Real Sociedad haben für die ETA wahrscheinlich einen größeren negativen Effekt als die Mitteilungen der demokratischen Basken, welche ignoriert wurden, zitiert Gómez aus der spanischen Presse. Elf Tage nach seiner Entführung wurde der Unternehmer gesund und unverletzt von der Polizei gefunden. Einige Tage später, kurz vor dem Anpfiff eines Spiels, war jedoch ein großes Spruchband mit der Aufschrift „Gora ETA“ in San Mamés zu sehen. Die Botschaft zur Unterstützung der „baskischen Organisation“ wurde sofort von der Polizei unterbunden.310

Der berühmte Trainer Javier Clemente sagte über die Existenz der ETA, dass er niemals Gewalt mit Todesfolge akzeptieren werde.. Er toleriere weder die Entführungen noch die Morde. Niemand hat das Recht zu entscheiden, wer leben und wer sterben soll. Clemente ist ein Trainer, der sich offen für die baskische Identität ausspricht, und auch stolz darauf ist, ein Teil von ihr zu sein. Ebenso wie sein Freund Iribar ist er mit linken abertzalen befreundet. Er mag an Herri Batasuna, dass sie die Arbeiterklasse unterstützen, jedoch ist seine Partei die PNV, obwohl er nicht mit all ihren Ideen sympathisiert. Für ihn ist das der richtige Weg, um etwas zu erreichen. Er wurde sogar kurz für die Führungsposition der Partei 1985 vorgeschlagen, nicht weil er Trainer sei oder berühmt, einfach nur, weil er ein „echter“ Kerl ist. Sieben Jahre später bekommt er eine neue Aufgabe. Er wird Trainer des spanischen Nationalteams, ohne jedoch seine Ideale zu vergessen, so Gómez. Dies brachte ihm Kritik ein, jedoch glaubte Clemente nicht, dass in ganz Spanien oder ganz Madrid hassen würde.311

5.10 La Cantera - nach 100 Jahren noch möglich?

Das Geld und all die Veränderungen lassen den Glauben schwinden, dass Athletic „mehr als ein Club ist“; es entsprach zumindest weniger der Wahrheit als zuvor und seine Anhänger waren sich dessen bewusst. Als 1992 die Krise auf ihrem Höhepunkt war, führte die Zeitung El Mundo bei den socios eine Umfrage durch.

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310 Gómez Daniel, La patria del gol. S. 72 - 75.311 Ebda. S. 75 - 78.

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Diese beklagten, dass die Spieler nur noch des Geldes wegen spielten und nicht der Liebe und Leidenschaft wegen. Die Kraft und die Stärke würde auf dem Feld vermisst werden und vor allem der Wunsch zu kämpfen fehlt. „Not prepared to die on the field“. Dennoch war der Großteil der socios nicht bereit, die geschätzten Traditionen des Vereins weiter zu verändern. Drei Viertel der Befragten sagten, sie würden den Club lieber in der zweiten Liga sehen als La Cantera aufzugeben. Javier Clemente bezog hier einen klaren Standpunkt:

„There is no doubt that, above all in the league, we start out in a position of inferiority, but that way things have more valour. The championship is perhaps more feasible. Nowadays, moreover, Basque football has also to cope with the consequences of Common Market norm of the free circulation of European players. But I believe that Athletic will continue with its football of La Cantera unless the socios say otherwise. For me, particularly, I would not like to see foreigners entering.“312

1991 veränderte Real Sociedad seine Politik. Ab diesem Zeitpunkt war es nur mehr Spaniern nicht gestattet für den Verein zu spielen. Das einzige, wozu die socios in Bilbao sich bereit erklärten, war darüber nachzudenken, ob es möglich wäre, einen geeigneten Trikotsponsor zu bekommen. Die Voraussetzung dafür war, dass es sich um ein baskisches Unternehmen handelt.313

Ein besonderer Charakterzug des baskischen Fußballs, insbesondere des Athletics, ist sein „echter englischer Geschmack“, welcher auch in Verbindung mit Ästhetik und Ökonomie gesehen wird. Der Spielstil zeigt eine gewisse Ähnlichkeit mit dem traditionellen englischen Fußball (Spiel über die Seiten, Schnelligkeit, erbarmungslose Defensive, erste Berührung), es wird ein Block geformt, ein homogenes Team, wie sich die Gruppe gegenüber einem Einzelnen durchsetzt und wo es schwierig ist einen Leader oder Einzelspieler zu finden.314

Mit der Verpflichtung des Deutschen Jupp Heyncks im Jahre 1992 änderte sich auch die Spielweise des Teams. Er lehrte das Team, die Angriffe mit Geduld zu spielen und Gefühl für den Ball zu entwickeln. Athletic stand in den Jahren zuvor sehr schlecht da und diese Veränderung brachte die Mannschaft wieder nach vorne. Seine Nachfolger blieben dem Prinzip treu, obwohl man anfangs am jungen Trainer zweifelte. Noch heute ist auf der Homepage von Athletic zu lesen „Der Aufbruch in eine neue Ära“. Damit ist das zweite Jahr Heyncks gemeint, in der man sich wieder einen UEFA-Platz sicherte.315

Die Los Leones werden genau beobachtet, von den Fans und auch von allen anderen, was sie zu Opfern des Misstrauens macht. Während der Weltmeisterschaft 1998 wurde der Spieler Bixente Lizarazu ganz genau unter die Lupe genommen, unter anderem von einem Professor der Universidad Autónoma de Madrid, Fernando Valespín. Es ging um das Singen der Hymne. 1996 sagte Lizarazu in Interviews, dass er ein sehr schlechter Sänger sei. In diesem Jahr wechselte er nach Bilbao. Im Sommer unterschrieb somit, laut Gómez, der erste Baske aus Iparralde einen Vertrag mit dem Athletic Club de Bilbao. In seiner Autobiografie, welche 2007 erschein, bekannte er sich dazu, stolz auf seine baskischen Wurzeln zu sein. Er liebe das Land, jedoch distanziere er sich von der Politik und möchte keiner Fraktion oder Weltanschauung

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312 MacClancy Jeremy, Expressing Identities in the Basque Arena. S. 65.313 Ebda. S. 64f.314 Unzueta Patxo, Fútbol y nacionalismo vasco. S. 155.315 Reyero Radler Thomas, Athletic Bilbao: das baskische Prinzip. Spiegel.

http://www.spiegel.de/sport/fussball/athletic-bilbao-das-baskische-prinzip-a-290094-2.html (23.01.2013)

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zugeordnet werden. Allerdings, um Missverständnisse zu beseitigen, könne er sich nicht vorstellen, dass die Unabhängigkeit Euskal Herrias eine Verbesserung mit sich bringen würde. Lizarazu spielte auch für die Auswahl Euskal Herria, als erster aus Ipparalde (1993).316 Er kam nach Bilbao und unterschrieb für vier Jahre. Sportlich lief es jedoch schlecht und er fragte sich häufig, ob er dort sei um zu spielen oder nur um der Politik hilfreich zu sein. Nach nur einem Jahr wechselte er nach Deutschland zu Bayern München. Er spielte dort sehr erfolgreich und gewann 1998 mit der französischen Nationalmannschaft die Weltmeisterschaft. Im Jahr 2000 sollte sich die ETA bei ihm in Form eines Schreibens melden. In diesem Schreiben forderte die Organisation die bekannte „impuesto revolucionario“ (Revolutionssteuer) ein. Der Brief ging an das Elternhaus Lizarazus. Im Schreiben gratulierte die ETA ihm zu seinem Talent, aber wirft ihm vor, für das französische Team zu spielen. Da er eine Vorbildfunktion habe, könne er nicht für ein Land spielen, das Euskal Herria einengt. Er würde ein Trikot eines tyrannischen Staates tragen, der den Basken Geld stiehlt. Lizarazu repräsentiere nicht die Farben Euskal Herrias, sondern die des Feindes. Das Vorhaben der ETA sei von ihm zu unterstützen. Sie brauche diese Unterstützung für den Freiheitskampf. Das Schreiben endet mit einer Drohung an ihn und seine Familie. Lizarazu verstand nicht, wieso ausgerechnet er bedroht werde. Er soll die Drohungen ignoriert und nichts bezahlt haben. Die Behörden in Deutschland boten ihm Schutz an. Ein Jahr darauf kam es zu einem Spiel Frankreich gegen Deutschland. Der Trainer ließ Lizarazu auf der Bank sitzen. Er begründete dies damit, es nicht zu wollen, jedoch sei es besser für das Team. Das Team sei das wichtigste, wichtiger als Lizarazu.317

Für die ETA konnte Lizarazu nicht zwei Heimatländer haben, und somit kehrte er, wie es die ETA beschreibt, Euskal Herria den Rücken. Gómez schreibt, dass er nicht der einzige Sportler war, der zur „Revolutionssteuer“ herangezogen wurde. Jedoch ist er der einzige, der damit an die Öffentlichkeit ging. Die ETA kritisierte die Spieler in Ipparalde, sie würden nicht für Euskal Herria ihren Support geben; dies stieß natürlich auf Kritik, denn warum sollen die Fußballer so denken wie sie?318

Gómez schreibt, dass seit der Transición es nur einen Präsidenten (Joé Julián Lertxundi) gegeben hat, der nicht der PNV treu war. Seit 2011 hat Josu Urrutia Telleria diese Position und auch ihm wird eine sehr enge Bindung zur PNV nachgesagt. San Mamés kann durchaus als Nährboden für den Nationalismus im Baskenland gesehen werden. Die Spieler und die Fans identifizieren sich mit der baskischen Identität. Auch die sellección Euskal Herria trägt ihre Spiele in diesem Stadion aus, in einem Stadion, in dem es unter dem Präsidenten Fernando García Macua (2007-11) erstmals in der Clubgeschichte im März 2008 zu einer Gedenkminute an ein ETA-Opfer kommen sollte. Die Ultras beschimpften ihn daraufhin als Verräter. Die Gedenkminute dauerte zehn Sekunden, bevor sie niedergeschrien wurde.319 1998, nach einem Attentat der ETA, bei dem zwei Personen umgekommen waren, gab der Präsident von Athletic Club, José Mará Arrate, eine etwas andere Stellungnahme ab. Die Junta Directiva sei zu dem Entschluss gekommen, das eine offizielle Stellungnahme zu den Ereignissen auf dem Feld nicht geeignet sei. Man wolle diese Akte der

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316 Gómez Daniel, La patria del gol. S. 165.317 Ebda. S. 125 - 127.318 Ebda. S. 128.319 Die Schweigeminute für ETA-Opfer dauerte acht Sekunden. SAZ Aktuell.

http://www.saz-aktuell.com/Sport/Schweigeminute-fur-ETA-Opfer-dauerte-acht-Sekunden/9094.html

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Gewalt aus dem Stadion fern halten. Das Stadion sei der einzige Ort des Friedens und in solchen Momenten würde die baskische Gesellschaft diesen sehr dringend brauchen. Trotzdem kam es in der Vergangenheit zu Solidarität mit den Opfern. Im Jahre 1980 wurde bei einem Spiel Athletics gegen Real Sociedad Geld für eine Prothese, welche ein Opfer eines ETA- Anschlages benötigte, gespendet.320

In den ersten 100 Jahren gab es 23 Präsidenten. Alle Präsidenten waren Männer, denn Frauen bekamen erst Ende der 1970er Jahre die vollen Rechte der socios. Seitdem gilt auch die Philosophie „Ein Mitglied eine Stimme“. Meistens waren die Präsidenten Unternehmer, die politisch eher rechts zu finden waren und eine konservative Wertvorstellung vertraten. Seit der neuen Philosophie mussten sie sich jedoch etwas populärer und publikumsnäher geben, wie Arizaleta schreibt.321

Durch diese selbst auferlegten Bedingungen war der Erfolg umso bedeutender. Im Jahr 1998 feierte der „älteste Club“ in der Primera División sein 100-jähriges Jubliäum und wurde zweiter in der Liga, was die Qualifikation für die Champions Legaue bedeutete. Dieser Erfolg, welcher zu unzähligen Festen führte, wurde in der Presse zu einer Rechtfertigung der sturen Politik der Rojiblancos . Sprüche wie „Geld ist nicht alles“ und die Widerlegung von „He wins who has more“ zeigten, dass es im Fußball nach wie vor auch Faktoren wie Stärke, Robustheit, Identität, Spirit im Team und Leidenschaft gibt, die eine entscheidende Rolle spielen können, wie es MacClancy beschreibt. Dieser Erfolg zeigte, dass es keine großen Konzerne mit viel Geld und keine Spieler aus dem Ausland braucht um Erfolg zu haben. Viele schätzen dies, unter anderen der Präsident der Katalanen Jordi Pujol, der auch den Ausländeranteil beim F.C. Barcelona kritisierte. Ein populärer Spruch in der nächsten Saison wurde, „God created only one perfect team. The others he filled with foreigners“. Athletic versuchte daraufhin durch verschieden Aktionen wie Kunst und Marketing das Einkommen zu steigern. Die Saison in der Champions League sollte sich lukrativ auswirken. Geld wird jedoch auch in Bilbao ein immer wichtigerer Faktor. Die Jungen müssen damit gelockt werden, vor allem da das Baskenland die niedrigste Geburtenrate alle Provinzen in Europa hat. Für MacClancy stellt dies vielleicht die ernsteste Bedrohung für La Cantera dar.322

Viele Spieler betonen die Vorteile der „Nur-Basken-Regel“. So auch Joseba Etxebarria, einer der stärksten im Team der späten 1990er Jahre:„The best squad does not always win. Besides having good players, it is necessary to make a team and make it work. In this sense we are already winning because in our changing-room we all speak the same language, we are all from here.“323

Die Gemeinschaft, das Familiäre und die Kameradschaft sind entscheidend und wichtig für die Rojiblancos aus Bilbao. Viele gaben die enge Kameradschaft als Grund für die erfolgreiche Saison an. Dadurch sei auch die Integration ins Team leichter, da alle aus derselben Gegend kommen, Dinge sehr ähnlich gesehen werden und ein Großteil die gleiche Schule in Lezama absolvierte. Bei sozialen Engagements im

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320 Gómez Daniel, La patria del gol. S. 123f.321 Arizaleta Mikel, Fußball in Euskadi. S. 183.322 MacClancy Jeremy, Expressing Identities in the Basque Arena. S. 66f.323 Ebda. S. 49.

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Baskenland (Überschwemmung 1983), aber auch in Zentralamerika (Hurrikane Mitch 1998), sponserte das Team geschlossen jeweils mehrere Millionen pesetas. In solch einen Team ist natürlich auch viel vom Trainer abhängig, der diese Philosophie ebenso annehmen muss. Dieser Verein nimmt einen 24 Stunden für sich ein und hinterlässt Spuren, ob es einem gefällt oder nicht.324 Über Luis Fernandez, Trainer in den späten 1990er Jahren sagte ein lokaler Journalist:

„Not any trainer will do for any team. Athletic needs one who fully takes on its philosophy [...] Athletic, all things considered, needs someone who believes in what it does and gives himself up body and soul to the entity. This is the secret of Luis Fernandez [1996-2000]. He arrived in Bilbao and understood that he was not just in another team. He understood the significance of to be of Athletic. And he made himself Athletic.“325

In der fünften Edition des Buches, gleichzeitig die 100-jährige Jubiläumsausgabe, zur Geschichte von Athletic Club vergleicht Terrachet den Verein mit den zwei großen im spanischen Fußball, F.C. Barcelona und Real Madrid. Er schreibt von den „tres grandes“ („drei Großen“) und ihren Erfolgen und Rekorden im spanischen Fußball. Man sieht also, dass Athletic und seine Fans sich nicht beirren lassen, obwohl der letzte Titelgewinn in den frühen 1980er Jahren liegt. Man zählt immer noch zu den Großen. Er beschreibt weiter, dass der Club „wie immer“ sei und sich nichts verändert habe in den letzten hundert Jahren, auch die Rivalität zu den anderen beiden nicht.326

5.11 Gegenwart und Zukunft des Vereins

2004 wurde eine Befragung bei den 34.000 Mitgliedern durchgeführt. Es ging darum, ob Basken in der Diaspora in das Reglement inkludiert werden sollten. 20% sprachen sich dagegen aus, man fürchtete um die Philosophie. 58% befürworteten das Unterfangen, unter der Berücksichtigung der speziellen Rekrutierung. Diego Forlán, der Nationalspieler Uruguays, der den Golden Ball bei der WM 2010 holte, bekundete bereits 2004 sein Interesse, für Athletic spielen zu wollen. Zu dieser Zeit konnte sich der Verein einen Spieler wie Forlán nicht leisten und außerdem wäre die einzige Verbindung zum Baskenland eine Großmutter, die nach Argentinien und dann weiter nach Uruguay auswanderte. Weiters hatte er das Handwerk des Spielens nicht in Euskal Herria erlernt. Diese Philosophie ist der letzte Überrest der historischen Vorliebe für die üblichen lokalen Gesetze oder fueros; ungeschrieben und noch bedingungslos.327

La Cantera ist mittlerweile globaler zu betrachten. Junge Spieler werden aufgenommen, die aus andren Teilen Spaniens und auch aus anderen Teilen der Welt kommen. Luis Solar, der Koordinator von Lezama, sagte 2008, dass es keine Veränderungen in der Philosophie gibt. Es gibt Spieler, die ihre Ursprünge in Nigeria, Angola, Kamerun, Mali, Italien und anderen Regionen Spaniens haben. Der Vorgänger Solars, José María Amorrortu, sieht dies anders, und sagt, es sei atypisch. Ein junger farbiger Bursche, der bereits 2008

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324 MacClancy Jeremy, Expressing Identities in the Basque Arena. S. 49.325 Ebda. S. 49.326 Terrachet Enrique, 100 años de historia del Atletic de Bilbao. S. 7.327 Vaczi Mariann, Subversive pleasures, losing games: Basque soccer madness. S. 30.

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positiv in Lezama auffällt, ist Jonas Ramalho Chimeno. Sein Vater stammt aus Angola, seine Mutter aus dem Baskenalnd. Er selbst wurde 1993 in Barkaldo (Bizkaia) geboren.328 Am 20. November 2011 spielte er seine erste Partie in der Primera División und war somit der erste farbige Spieler in Athltics Kampfmannschaft.329 Bereits im Dezember 2009 wurde er für das Spiel in der Europa League gegen den deutschen Verein Werder Bremen einberufen, saß aber schlussendlich nur auf der Bank.330 Der Afrikaner Blanchard Moussayou wurde auch einst bei Athletic aufgenommen, schaffte es aber verletzungsbedingt nicht in die erste Mannschaft. Er sagte zur Zukunft Ramalhos, dass es vielen Leuten schwer fallen wird, ihn zu akzeptieren. 331

In der Saison 2008/09 schafften die Rojiblancos wieder den Finaleinzug in der Copa del Rey. Der Gegner sollte niemand anders sein als der F.C. Barcelona. Das Finale wurde am 13. Mai 2009 in Valencia ausgetragen. Beim Abspielen der spanische Nationalhymne (Marcha Real) fing der Großteil der 53.000 Zuseher an zu pfeifen. Es erklang ein schallendes Pfeifkonzert, welches sich gegen die Nation Spanien und seine Führer richtete. Das Königspaar saß auf der Ehrentribüne und konnte das Transparent der baskischen und katalanischen Separatisten gut lesen: „We are nations of Europe. Good bye Spain.“ Der eigentliche Skandal spielte sich jedoch beim staatlichen TV-Sender TVE ab. Dieser schaltete in der Live-Sendung während der Hymne zur Außenstelle nach Bilbao. In der Halbzeitpause bekamen die Zuseher vor den Bildschirmen eine geschönte Version zu sehen.332 Das Sportblatt Marca verglich den Vorfall mit den Methoden von Franco. Der Sender setzte daraufhin seinen Sportchef Julian Reyes vor die Tür. Das Spiel ging mit 4:1 an die Katalanen.333

Drei Jahre später kam zur Neuauflage im Finale der Copa del Rey. Ein Pokal eines Königs, den weite Teile der Bevölkerung und eine große Anzahl der Fans beider Vereine nicht anerkennen. Bereits im Vorfeld wurde viel über das am 25. Mai 2012 stattfindende Ereignis gesprochen. Die Präsidentin der Region Madrid, Esperanza Aguirre, schlug vor, die Öffentlichkeit auszuschließen und das Spiel an einen anderen Ort auszutragen. Das Spiel fand wie geplant im Stadion von Atlético Madrid, Estadio Vincente Calderón, statt. Im Estadio Santiago Bernabeau, der Heimatstätte Reals, seien Renovierungen vorzunehmen und diese sei deswegen nicht bespielbar, hieß es von Seiten Reals. Das Spiel endete erneut mit einem Erfolg vom Barcelona (3:0)334 Auch diesmal übertönte ein Pfeifkonzert die Hymne, die diesmal in einer 27-sekündigen Kurzfassung abgespielt wurde. Auch die Präsidenten wurde nicht vergessen, und die Fans stimmten gemeinsam „Esperanza, hija de puta“ an. König Juan Carlos, welcher sich vom Kronprinzen Felipe vertreten lies, wurde auch ein Lied gewidmet. In Anspielung auf die zuvor bekannt gewordene Elefantenjagt des

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328 Polémica en el Athletic por el fichaje de un jugador catalán de 15 años. http://www.20minutos.es/noticia/354529/0/caparros/lezama/negro/

329 Jonás Ramalho Chimeno.http://www.athletic-club.net/web/main.asp?a=1&b=1&c=1&d=0&jokalaria=946&foto=2&idi=1#fotos

330 Colour barrier finally broken at Athletic Bilbao. http://www.bbc.co.uk/blogs/philminshull/2009/12/colour_barrier_finally_broken.html 24.01.2013

331 Messi nicht mal geschenkt. 11 Freunde.http://www.11freunde.de/artikel/schalkes-naechster-gegner-11-dinge-ueber-athletic-bilbao

332 Zensiert: http://www.youtube.com/watch?v=nTJRhiOaNLkUnzensiert: http://www.youtube.com/watch?v=T3xnvXQ_EUg333 Spanien: Pfiffe für das Königreich. Die Presse. S.16.334 Duell Basken gegen Katalanen reizt Spanien. Laola.

http://www.laola1.at/de/fussball/international/spanien/copa-del-rey/copa-del-rey-sport-und-politik/page/26075-371-67-81-.html

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Königs in Afrika stimmten die Fans gemeinsam ein Kinderlied an, bei dem es um einen auf dem Spinnennetz balancierenden Elefanten geht. Diese Aktion wurde bereits zuvor im Internet propagiert.335

Athletic hatte in der Saison 2011/12 noch die Chance auf einen weiteren Titel. Der Verein stand im Finale der Europa League. Nach 1976/77 (UEFA-Cup) war dies das zweite internationale Finale für die Löwen. Es wurde nichts mit dem ersten internationalen Titel. Der Sieg in Bukarest ging am 9. Mai mit 3:0 an Atlético Madrid.

Der Trainer, der zu diesem Erfolgen einen großen Beitrag leistet, ist Marcl Bielsa (seit 2011), „El Loco“ („der Verrückte“), wie er genannt wird. Er verlangt von seiner Mannschaft ein höllisches Tempo, bei Ballverlust den Gegner sofort vereint attackieren, stets Überzahlsituationen schaffen und nie die Kontrolle aus der Hand geben. Das Fußballmagazin „11 Freunde“ sieht in ihm einen der letzten Idealisten und betitelt so auch den Artikel über ihn, und dies nicht nur weil der früher Nationaltrainer von Argentinien und Chile Inter Mailand absagte und für weniger Geld nach Bilbao ging.336

Im Zuge des UEFA-Cups kam es in der Spielsaison 2009/10 auch auf ein Aufeinandertreffen des österreichischen Vereins Austria Wien und den Rojiblancos. Die beiden Begegnungen bekamen eine ganze besondere Brisanz. Nachdem es laut den Medien bereits im Hinspiel zu Auseinandersetzungen der beiden Fangruppierungen gekommen war, eskalierte die Situation beim Rückspiel am 3. Dezember 2009 in Wien. Baskische Fans berichten in spanischen und baskischen Zeitungen, dass bereits ihre Ankunft nicht gerade freundlich war. Fans wurden angeblich attackiert und die Polizei griff nicht ein. Im Stadion eskalierte die Situation noch mehr. Die spanische und baskische Presse berichtet davon, dass die rechte Gruppierung der Austria-Fans sich mit Gleichgesinnten aus Spanien (Real Madrid - Fangruppe Ultrasur; Espanyol Barcelona - Brigadas Blanquiazules), Italien (Lazio Rom) und Bulgarien (Levski Sofia) zusammentat. Neben „Viva España“ Gesängen und „Viva Franco“ Rufen wurde auch die unter Franco übliche spanische Fahne mit dem Adlerwappen präsentiert. Dies wird als erste geplante Vereinigung von rechten Ultragruppierungen gesehen, sagte Esteban Ibarra vom "Movimiento contra la intolerancia" ("Bewegung gegen Intoleranz"). Das ganze wurde auch von einem versuchten Platzsturm begleitet. Die Partie endete nach einer Unterbrechung 3:0 für Bilbao.337

Die Farben der Ikurriña begleiten die los leones permanent. Ab dem Herbst 2011 wurden auch die Auswärtstrikots den Farben angepasst. Das Blau-Weiße musste einen grünen Trikot mit einem roten und einem weißen Streifen weichen.338 Bereits drei Jahre zuvor sollte ein großer Bruch mit einer Tradition stattfinden. Petronor, ein Mineralölkonzern mit Sitz in Bizkaia, zahlte Athletic 2 Mio. Euro um ihren Namen auf das Trikot drucken zu dürfen. Zu diesem Zeitpunkt war nur mehr der F.C. Barcelona ohne richtigen

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335 Von Königen und Elefanten. 11 Freunde.http://www.11freunde.de/artikel/barca-und-athletic-fans-singen-ein-kinderlied

336 Der letzte Idealist. 11 Freunde. http://www.11freunde.de/forum/international/el-loco-bilbaos-trainer-marcelo-bielsa-der-letzte-idealist

337 Athletic-Vorwürfe gegen Austria-Fans und Polizei. Der Standard. http://derstandard.at/1259281286337/Athletic-Vorwuerfe-gegen-Austria-Fans-und-Polizei

338 Nueva camiseta del Athletic. Harrobi. http://harrobi.com/nueva-camiseta-verde-athletic/

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Trikotsponsor in der Primera División. Dies sollte sich jedoch auch bald für 165 Mio. Euro durch „Qatar Foundation“ ändern.339 Streng genommen hatte Athletic bereits 2004/05 einen Trikotsponsor, damals zierte der Schriftzug „Euskadi“ des Gobierno Vasco (baskische Regierung) die Trikots der Rojiblancos.340 Um auf höchstem Niveau spielen zu können, bleibt auch Vereinen mit langen Traditionen oft nichts anders mehr übrig als mit den alten Werten zu brechen. Die Auflage der socios, einen Konzern aus Euskal Herria zu wählen, wurde zumindest eingehalten.

Im Jahr 2013 feiert San Mamés sein 100-jähriges Jubiläum. Grund genug für Athletic zu sagen: Wir bauen ein neues Stadion. San Mamés Barria, wie es heißen wird, soll voraussichtlich im September 2013 fertiggestellt werden und somit genau richtig für den Start in die Saison 2013/14. Das Stadion soll 53.332 Zusehern Platz bieten. Das bisherige Stadion bot von 1982 bis 1997 zuerst 47.000 und nach dem Umbau 40.000 Zusehern einen Platz. Mit dem neuen Stadion können auch die Mitgliederzahlen erhöht werden. Es wird vermutet, dass es bis zur Eröffnung um die 36.000 socios geben wird. Die Mitglieder haben einen zugeordneten Platz im Stadion. Eine bestimmte Menge an freien Plätzen muss allerdings bleiben, deswegen konnte nach dem Erreichen von 34.000 socios niemand mehr einen Platz in San Mamés bekommen. Es besteht die Möglichkeit einer Aufstockung auf 37.000. San Mamés Barria wird direkt daneben gebaut. Die Kosten des Baus belaufen sich auf 212 Millionen Euro. Dies wird von fünf socios getragen: Athletic (50 Mio.), Ayuntamiento de Bilbao (12 Mio.), Gobierno Vasco (50 Mio.), Diputación Foral de Bizkaia (50 Mio.) und die BBK (50 Mio.). Wann das alte Stadion abgerissen werden soll, steht zu diesem Zeitpunkt noch nicht fest.341

Seit der Gründung kann Athletic acht Meistertitel und sieben Vizemeistertitel aufweisen. 24 Pokalsiege gehen auf das Konto der Los Leones und 14 weitere Male erreichten sie das Finale. Auf internationaler Ebene erreichten die Rojiblancos zweimal das Finale. Einmal im UEFA-Cup (1976/77) und ein weiteres Mal in der Europa League (2011/12). 18 regionale Meisterschaften stehen genauso wie ein Superpokalsieg (1984/85) auf der Erfolgsliste. Auch an Rekorden fehlt es nicht bei dem Verein aus Bilbao. 5 Doubles konnte bis jetzt keine andere Mannschaft in der Primera División erreichen. Diese Liste lässt sich noch verlängern, denn der Athletic Club ist durchaus ein Verein der sportliche Erfolge feierte, jedoch steht im Zuge dieser Diplomarbeit nicht dieser Erfolg im Vordergrund.

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339 An den Teufel verkauft. Süddeutsche Zeitung.http://www.sueddeutsche.de/sport/neuer-sponsor-beim-fc-barcelona-an-den-teufel-verkauft-1.

340 El Athletic sella su acuerdo con Petronor por dos millions de euros. Marca. http://archivo.marca.com/edicion/marca/futbol/1a_division/athletic/es/desarrollo/1151278.html

341 San Mamés Barria - Todo lo que debes saber sobre el futuro nuevo campo del Athletic. http://www.blogseitb.com/athleticbilbao/tag/san-mames-barria/

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6. Resümee

Nach dem „Gründer“ des baskischen Nationalismus Sabino Arana ist auch eine Straßenbahnhaltestelle in Bilbao benannt. Von dieser Haltestelle aus erblickt man am Ende einer Straße ein großes Logo des Athletic Club. Die dazugehörige Mauer ist ein Teil des Stadions San Mamés. Somit entsteht bereits hier eine optische Verbindung zwischen dem Nationalismus und dem Fußball in Euskal Herria. Es wurde zwar versucht, den Parteien nicht zu viel Macht innerhalb des Vereins zu geben, jedoch ist einer erheblichen Anzahl der Führungspersönlichkeiten, vor allem seit der Transición, eine Nähe zur PNV nachzusagen. Die Versuche der linken abertzale, den Vorstand aus den eigenen Reihen zu besetzen, schlugen fehl. Die inoffizielle Nationalmannschaft von Euskal Herria ist stolz auf ihre Philosophie, ihre Spieler und auf ihre treuen Anhänger, die auf der ganzen Welt zu finden sind, auch wenn die sportlichen Erfolge ausbleiben. Der Verein versucht seinen Traditionen treu zu bleiben, jedoch wie man gesehen hat, ist dies nicht immer einfach, und um auf dem höchsten Spielniveau bestehen zu können, mussten die Rojiblancos sich auch von Zeit zu Zeit „weiterentwickeln“ bzw. Kompromisse eingehen. Der „Neue Nationalismus“ ab den 1960er Jahren veränderte viele Dinge im Land der baskisch-sprechenden Bevölkerung. Mit ihm entstand die Gewalt, welche, nach Auslegung der ETA, der Befreiung dienen sollte. Aber auch die Einstellung der Bewohner veränderte sich. Der Aspekt „Ethnie“ rückte in den Hintergrund und die Menschen, die sich für Euskal Herria interessierten, rückten in den Vordergrund. Dies beeinflusste auch den Verein aus Bilbao und seine Philosophie. Bei den Los Leones ist auch sehr gut zu beobachten, dass es für viele Nationalisten wichtig ist, das alte Erbe zu behalten, aber auch „up to date“ zu sein, und neue Elemente in die Kultur aufzunehmen, die wiederum die alten tragen, wie es MacClancy treffend beschreibt.342

Die Identifizierung des Vereins mit der Kultur und dem Land ist überall zu finden und zeigt, welche wichtige Rolle der Club für das kollektive und kulturelle Gedächtnis einnimmt. Jedes Jahr wird vor dem Beginn der Saison ein offizielles Mannschaftsfoto gemacht. Auf dem Foto zur Saison 2005/06 sind im Hintergrund alle Ortschaften Euskal Herrias aufgelistet. Im Laufe der Zeit finden sich u.a. das Guggenheim Museum, die Landschaft Euskal Herrias und die Ikurriña auf dem Mannschaftsbild. Athletic versucht sich als Teil der baskischen Identität zu präsentieren. Sie zeigen, wer sie sind und woher sie kommen. Die Ikurriña ist seit den 1960er Jahren in San Mamés wieder vertreten, wenn auch illegal. Vor allem die linke abertzale versucht, durch Symbole und verschiedene Transparente, auf die Situation Euskal Herrias aufmerksam zu machen. Eine weit verbreitete Botschaft ist die Forderung, die politischen Häftlinge des Baskenlandes frei zu lassen oder zumindest dem Baskenland auszuliefern („Euskal presoak Euskal Herria“). Diese Botschaft ist an den verschiedensten Orten im ganzen Baskenland zu finden und natürlich auch in San Mamés und den anderen Stadien. Die Fans halten diese Transparente vor allem dann in die Höhe, wenn die Kameras durch den Spielverlauf (z. B. Eckbälle) auf sie gerichtet sind. Fußball ist ein weiterverbreitetes Medium, in Spanien, in Europa und auf der ganzen Welt. Die Bilder mit den politischen Forderungen sind daher überall zu sehen und stoßen entweder auf Sympathien oder auf Ablehnung. Es werden zumindest die unterschiedlichen Problematiken aufgezeigt. Dieser Protest geht meist friedlich vonstatten und den Medien bleibt wenig Spielraum für Zensur.

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342 MacClancy Jeremy, Expressing Identities in the Basque Arena. S. 44.

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Mit La Cantera hat Athletic etwas Einzigartiges auf der Ebene des Profifußballs. Die Diskussionen über ein Für und Wider entfachen vor allem immer dann aufs Neue, wenn die Mannschaft kurz davor steht, einen bedeuteten Rekord zu verlieren. Seit dem ersten Tag ein Teil der Primera Divisón zu sein, stellt den Verein aus Bilbao auf gleiche Höhe mit den beiden Topvereinen der Iberischen Halbinsel, F.C. Barcelona und Real Madrid. Zweimal standen die Rojiblancos bis jetzt (Jänner 2013) kurz vor dem Abstieg. Das erste Mal in der Saison 1995/96 und das zweite Mal 2006/07. Beim zweiten Mal fiel die Entscheidung erst am letzten Spieltag. Die Los Leones feierten einen 2:0 Sieg gegen U.D. Levante und schafften somit den Klassenerhalt. Obwohl Mariann Vaczi von der Treue der Fangemeinde schreibt, selbst wenn es dem Verein sportlich schlecht geht, „Our players are us, are family, friends and neighbours; how could we abandon them?“343, gehen manche Vermutungen in die Richtung, dass wenn der Verein absteigen und es längere Zeit nicht schaffen sollte in die höchste Liga Spaniens zurück zu kommen, würde auch La Cantera überdacht werden. Natürlich werden im Gegenzug die großen Erfolge genau auf diese viel diskutierte Philosophie zurückgeführt. Iparralde wurde in den 1990er Jahren nicht nur in der Politik wichtiger, sondern auch im Fußball, zumindest für den Athletic Club. Mit Bixente Lizarazu wurde der erste Baske aus dem französischen Teil des Landes unter Vertrag genommen. Er war zwar nicht unbedingt erfolgreich, jedoch folgten ihm viele seiner Landsleute, und den Zeitungsberichten aus dem Jahre 2011 ist zu entnehmen, dass einige junge Nachwuchsspieler aus Iparralde in Lezama sind und großes Potential besitzen.344 Der Großteil der Los Leones spielt ein Leben lang in Bilbao. Das Ausbildungszentrum bietet eine sehr familiäre Atmosphäre. Die Jugendspieler absolvieren dort ihr Training und die Meisterschaft, während zeitgleich auf den hinteren Spielfeldern die Kampfmannschaft ihr Training abhält. Dieser „Familie“ den Rücken zu kehren, sprich den Verein zu verlassen, wird nur bedingt von Fans und Vorstand toleriert. Ein gutes Beispiel dafür lieferte Javi Martinez im Herbst 2012. Mit 18 Jahren wechselte er 2006 von der B-Auswahl Osasunas nach Bilbao in die Kampfmannschaft. Er wurde zu einem wichtigen Leistungsträger innerhalb der Mannschaft. Neben dem Finaleinzug in der Europa League kann er ebenfalls den Europa- und Weltmeistertitel mit der spanischen Auswahl unter seinen Erfolgen verbuchen, auch wenn er nur kurze Einsätze hatte. Im Herbst 2012 wechselte er für 40 Mio. Euro nach Deutschland zu Bayern München. Die Reaktion der Fans war ein Pfeifkonzert bei seinen letzten Spielen in San Mamés. 345 Eine Welle der Empörung ging durch das Baskenland. Auch der zweite Welt- und Europameister in den Reihen der Basken, Fernando Llorente, wird voraussichtlich im Sommer 2013 nach Italien zu Juventus Turin wechseln. Für viele gleicht dies einem Verrat an der „Familie“. Kameradschaft und Zusammenhalt sind zwei sehr wichtige Elemente bei den Rojiblancos. Athletic ist eine Stütze der Kameradschaft und des Zusammenhalts in Euskal Herria, weil der Club die unterschiedlichen politischen Richtungen in sich vereint. Die Gegensätze der baskischen Gesellschaft sind auch im Stadion zu sehen. In San Mamés haben sie allerdings etwas, was sie vereint. Viele sehen Fußball, vor allem den des Mainstreams, als „Brot und Spiele“ an. Mit dieser Arbeit sollte auch gezeigt werden, dass Fußball zum einen mehr ist als ein Spiel und zum anderen nicht den Effekt hat,

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343 Vaczi Mariann, Subversive pleasures, losing games: Basque soccer madness. S. 29.344 El Athletic pretende blendarse en Iparralde. Deia.

http://www.deia.com/2011/08/21/athletic/el-athletic-pretende-blindarse-en-iparralde345 Martínez bei Bilbao-Spiel ausgepfiffen. Bild.

http://www.bild.de/sport/fussball/javier-martinez/zur-halbzeit-kratzte-martinez-die-kurve-25682712.bild.html

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die Masse abzulenken, sondern ein Medium darstellt, in der die Zuseher ihren Emotionen, Anregungen und Wünschen freien Lauf lassen können. Der Protest im Stadion erreicht durch seine Medienpräsenz auch das Ausland und klärt somit über die Grenzen hinaus über bestimmte Situationen auf. Der Nationalismus und die Identität Euskal Herrias sind in und vor allem mit Athletic verbunden.

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7.2 Internetquellen

(Stand 31. Jänner 2013)

Offizielle Website Athletics:

• Athletic Club www.athletic-club.net/

• Agrupación de peñas del Athletic Clubhttp://www.agrupacionathletic.com/cas/default.asp

• Jonás Ramahlo Chimenohttp://www.athletic-club.net/web/main.asp?a=1&b=1&c=1&d=0&jokalaria=946&foto=2&idi=1#

• Los récordes del Athletichttp://www.athletic-club.net/web/main.asp?a=2&b=1&c=3&d=0&idi=1

• Poster http://www.athletic-club.net/web/main.asp?a=1&b=9&c=0&d=0&idi=1

• San Mamés Barria - Todo lo que debes saber sobre el futuro nuevo campo del Athletic. http://www.blogseitb.com/athleticbilbao/tag/san-mames-barria/

Fußball:

• An den Teufel verkauft. Süddeutsche Zeitung.http://www.sueddeutsche.de/sport/neuer-sponsor-beim-fc-barcelona-an-den-teufel-verkauft-1.1039090

• Athletic-Vorwürfe gegen Austria-Fans und Polizei. http://derstandard.at/1259281286337/Athletic-Vorwuerfe-gegen-Austria-Fans-und-Polizei

• Colour barrier finally broken at Athletic Bilbao. http://www.bbc.co.uk/blogs/philminshull/2009/12/colour_barrier_finally_broken.html

• Der letzte Idealist. 11 Freunde.http://www.11freunde.de/forum/international/el-loco-bilbaos-trainer-marcelo-bielsa-der-letzte-idealist

• Duell Basken gegen Katalanen reizt Spanien. Laola.http://www.laola1.at/de/fussball/international/spanien/copa-del-rey/copa-del-rey-sport-und-politik/page/26075-371-67-81-.html

• El Athletic sella su acuerdo con Petronor por dos millones de euros.http://archivo.marca.com/edicion/marca/futbol/1a_division/athletic/es/desarrollo/1151278.html

• El Athletic pretende blindarse en Iparralde.http://www.deia.com/2011/08/21/athletic/el-athletic-pretende-blindarse-en-iparralde

• Martínez bei Bilbao-Spiel ausgepfiffen. Bild.http://www.bild.de/sport/fussball/javier-martinez/zur-halbzeit-kratzte-martinez-die-kurve-25682712.bild.html

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• Messi nicht mal geschenkt. 11 Freunde.

http://www.11freunde.de/artikel/schalkes-naechster-gegner-11-dinge-ueber-athletic-bilbao

• Nueva camiseta del Athletic Club (y vídeo). Harrobi.http://harrobi.com/nueva-camiseta-verde-athletic/

• Reyero Radler Thomas, Athletic Bilbao: das baskische Prinzip. http://www.spiegel.de/sport/fussball/athletic-bilbao-das-baskische-prinzip-a-290094-2.html

• Schweigeminute für ETA-Opfer dauert acht Sekunden. In SAZ Aktuell. http://www.saz-aktuell.com/Sport/Schweigeminute-fur-ETA-Opfer-dauerte-acht-Sekunden/9094.html

• Polémica en el Athletic por el fichaje de un jugador catalán de 15 años. http://www.20minutos.es/noticia/354529/0/caparros/lezama/negro/

• Von Königen und Elefanten. 11 Freundehttp://www.11freunde.de/artikel/barca-und-athletic-fans-singen-ein-kinderlied

Wahlen:

• Elecciones autonómicas 2005http://resultados.elpais.com/elecciones/2005/autonomicas/14/index.html

• Elecciones autonómicas 2009http://resultados.elpais.com/elecciones/2009/autonomicas/14/index.html

• Elecciones autonómicas 2011/2007http://resultados.elpais.com/elecciones/2011/autonomicas/13/index.html

• Elecciones autonómicos 2012http://resultados.elpais.com/elecciones/2012/autonomicas/14/index.html

Sonstiges:

• Abkehr von Madrid. Info-Baskenland.http://info-baskenland.de/1161-0-Uschi+Grandel+Abkehr+von+Madrid.html

• Bevölkerungszahlen. Eurostat.

http://epp.eurostat.ec.europa.eu/tgm/table.do?tab=table&init=1&language=de&pcode=tgs00096&plugin=1

• Demografía. Euskosare.

http://www.euskosare.org/euskal_herria/aurkezpena_eh/geografia/demografia-es

• El PNV gana pero los vascos dan la mayoría a los partidos no nacionalistashttp://www.rtve.es/noticias/20090301/mayoria-nacionalista-euskadi-esta-aire/240807.shtml

• ETA erklärt bewaffneten Kampf für beendet.http://www.zeit.de/politik/ausland/2011-10/eta-kampf-spanien

• ETA responde a la „involución“ en el proceso con una „agenda de diálogo“. Naiz.http://gara.naiz.info/paperezkoa/20121125/374529/es/ETA-responde-involucion-proceso-una-agenda-dialogo

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Page 94: Euskal Herria - Nationalismus, Identität & Athletic Club...1. Einleitung 4 2. Euskal Herria 6 2.1 Hegoalde 9 2.2 Iparralde 11 2.3 Die baskische Sprache - Euskera / Euskara 13 3. Nationalismus

• Euskobarometro, Estudio períodico de la opinión pública vasca. Mayo 2012.http://www.ehu.es/euskobarometro/index.php?option=com_content&view=article&id=131&Itemid=44

• Las elecciones en el País Vasco se adelantan al próximo 21 de octubre. El Economista.http://www.eleconomista.es/noticias/noticias/4195832/08/12/Las-elecciones-en-el-Pais-Vasco-se-adelantan-al-proximo-21-de-octubre.html

• Salgado Naiara Larrakoetxea, Nacionalismo Vasco en Iparralde. Evolución y estado actual de la ideología. Postgrado de Especialista Universitario en Estudios Vascos; Ciencias Sociales 2008/2009.http://culturavasca.asmoz.org/trabajos/2008-2009/naiara_larrakoetxea.pdf

• „Wir sind einen Riesenschritt weiter gekommen“. Info-Baskenland.http://info-baskenland.de/1162-0-Stefan+Natke+einen+Riesenschritt+weiter+.html

7.3 Sonstige Quellen

• Pfiffe für das Könighaus. In: Die Presse vom 15.5.2009. S.16.

• Unzensiert Copa del Rey spanische Hymne: http://www.youtube.com/watch?v=T3xnvXQ_EUg

• Zensiert Copa del Rey spanische Hymne: http://www.youtube.com/watch?v=nTJRhiOaNLk

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