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Dass die EU bislang keinen kohärentenAnsatz für einen solidarischenund menschenwürdigen Umgangmit Flüchtlingen gefunden hat, führtdie tiefe Krise der europäischenIntegration derzeit besondersdeutlich vor Augen. Auch in anderenBereichen wird die Krise offensichtlich:Das dritte „Hilfsprogramm“ fürGriechenland hilft in erster Linieden GläubigerInnen, wie der Beitragvon F. Ey zeigt. Die Ausrichtung desdiesjährigen Europäischen Semestersanalysiert G. Feigl. M. Schnetzervergleicht die unterschiedlichenStrategien der Krisenbewältigung inder EU und den USA. Die HandelsundInvestitionspolitik der EU sorgtweiter für Kontroversen, wie dieBeiträge von E. Beer, É. Dessewffyund P. Barabas verdeutlichen.Vor dem Hintergrund des VWSkandalswird die Dominanz desKonzern-Lobbyings in der EU einmalmehr ersichtlich, wie A. Wagnerherausarbeitet. Zudem werdendie Pläne der EU-Kommission zumdigitalen Binnenmarkt (W. Greif)und zur Unternehmensbesteuerung(M. Saringer) unter die Lupegenommen. Den Abschluss dieserAusgabe bildet eine Buchrezensionvon S. EdererTRANSCRIPT
Imp ressum: Herausgeber/Medieninhaber: Kammer für Arbeiter und Angestellte Wien, 1040 Wien, Prinz Eugen Strasse 20–22 • Redaktion: Elisabeth Beer, Thomas Delapina, Éva Dessewffy, Frank Ey, Lukas Oberndorfer, Oliver Prausmüller, Nikolai Soukup, Norbert Templ, Alice Wagner, Valentin Wedl • Kontakt: Lukas Oberndorfer, Norbert Templ, Alice Wagner • Layout/Satz: Julia Stern • Verlags- und Herstellungsort: Wien • Erscheinungsweise: 5 mal jährlich • Kostenlose Bestellung unter: http://wien.arbeiterkammer.at/euinfobrief
Editorial
Liebe Leserin! Lieber Leser!
Dass die EU bislang keinen kohärenten Ansatz für einen solidarischen und menschenwürdigen Umgang
mit Flüchtlingen gefunden hat, führt die tiefe Krise der europäischen
Integration derzeit besonders deutlich vor Augen. Auch in anderen
Bereichen wird die Krise offensichtlich: Das dritte „Hilfsprogramm“ für
Griechenland hilft in erster Linie den GläubigerInnen, wie der Beitrag von F. Ey zeigt. Die Ausrichtung des
diesjährigen Europäischen Semesters analysiert G. Feigl. M. Schnet
zer vergleicht die unterschiedlichen Strategien der Krisenbewältigung in
der EU und den USA. Die Handels und Investitionspolitik der EU sorgt
weiter für Kontroversen, wie die Beiträge von E. Beer, É. Dessewffy
und P. Barabas verdeutlichen. Vor dem Hintergrund des VW
Skandals wird die Dominanz des KonzernLobbyings in der EU einmal
mehr ersichtlich, wie A. Wagner herausarbeitet. Zudem werden
die Pläne der EUKommission zum digitalen Binnenmarkt (W. Greif)
und zur Unternehmensbesteuerung (M. Saringer) unter die Lupe genommen. Den Abschluss dieser
Ausgabe bildet eine Buchrezension von S. Ederer.
Ihre Redaktion
Eine Aussicht auf ein Ende der katastrophalen wirtschaftlichen und sozialen Krise in Griechenland ist weiterhin nicht in Sicht. Im Gegenteil: Das vereinbarte dritte „Hilfsprogramm“ mit einem Volumen von bis zu 86 Mrd. Euro ist an drastische Kürzungs-, Steuererhöhungs- und Privatisierungsauflagen geknüpft. NutznießerInnen sind in erster Linie GläubigerInnen, die dadurch weiterhin in den Genuss von Zinszahlungen kommen sowie auslaufende Kredite ausgezahlt bekommen. Für die GriechInnen selbst bedeutet die neue Vereinbarung mit den EUInstitutionen nur noch mehr Belastungen statt einer Kurskorrektur. Und eine Änderung des Kurses wäre dringend notwendig gewesen, denn die Folgewirkungen der ersten beiden Programme waren alles andere als erfolgreich. Frank Ey
Griechenland 2010: Auch die helleni-sche Republik hat die globale Finanz-krise voll erfasst. Schon 2009 stand die Schuldenquote bei 129,3%, das Budgetdefizit lag bei 15,8%. Die Leis-tungsbilanz erreichte im selben Jahr ein schwindelerregendes Defizit von 14,3%.1 Nachdem der neu gewählte sozialdemokratische Premierminister Giorgos Papandreou kurz nach Amts-
antritt bekannt gibt, dass die konser-vative Vorgängerregierung falsche Zahlen nach Brüssel gemeldet hat und das Haushaltsdefizit tatsächlich 12,7% des BIP beträgt (diese Zahl musste wenige Monate später weiter nach oben revidiert werden), setzt sich für Griechenland eine unheil-volle Spirale in Gang. Rasch stufen die Ratingagenturen die Kredit-
eu& internationalinfobrief
Ausgabe 4 | Oktober 2015
ISSN
240
9-02
8X
Aus dem Inhalt
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3. Griechenlandprogramm: Rezession 1Bilanz Europäisches Semester 2015 9USA und Europa: Krisenbewältigung 12TTIP: Investor-Staat-Streitschlichtung 14Regulierungskooperation in TTIP und CETA 17Lobbying zu Regulierungsvorhaben bei hormonschädigenden Stoffen 20Lobbying-Kontrolle und VW-Skandal 23Digitale Agenda 27Notwendige Reform der Unternehmens besteuerung 29Buchbesprechung 31
Neue Vereinbarung mit den EU-Institutionen hilft hauptsächlich den GläubigerInnen
Drittes „Hilfsprogramm“ bringt Griechenland Rezession statt Konjunkturaufschwung
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würdigkeit von Griechenland herab. Im März 2010 verschlimmert sich die Situation derart, dass die Eurogrup-pe Griechenland kurzfristig bilatera-le Kredite zusagt, der Internationale Währungsfonds beteiligt sich eben-falls. Im Mai 2010 folgt die Vereinba-rung der aus Europäischer Kommis-sion, Europäischer Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds bestehenden Troika mit Griechen-land über ein erstes Wirtschaftsan-passungsprogramm verbunden mit der Verschaffung der dringend not-wendigen Liquidität, die Griechen-land über die privaten Finanzmärkte nicht mehr aufstellen kann. Es folgt ein zweites Programm im Jahr 2012 und ein drittes „Hilfspaket“ im Au-gust 2015.
Dass Änderungen notwendig waren, um die Schieflage des öffentlichen Haushalts und der Leistungsbilanz wieder in den Griff zu bekommen, ist unbestritten. Tatsächlich haben es sowohl die konservativ als auch die sozialdemokratisch geführten Regie-rungen in Griechenland verabsäumt, in Zeiten hohen Wirtschaftswachs-tums Maßnahmen zu setzen, um sich mit makroökonomischen Ungleich-gewichten unter anderem in der Fis-
kalpolitik und der Leistungsbilanz zu befassen und diese zu beheben.
Bereits im ersten sogenannten Me-morandum of Understanding (MoU) verpflichtete die Troika Griechen-land zu umfangreichen Reformen und Sparauflagen. Maßnahmen ge-gen Steuerhinterziehung und für eine effizientere Steuereinhebung zu setzen, sind wie in jedem anderen EU-Mitgliedstaat auch ausdrücklich zu begrüßen. Aber führen Maßnah-men wie die Kürzung des Mindest-lohns auf 586 Euro, umfangreiche Einsparungen im Gesundheitssektor, die Kürzung des Arbeitslosengeldes auf etwas mehr als 300 Euro, die Streichung des Urlaubs- und Weih-nachtsgeldes und anderer Bezugs-kürzungen für PensionistInnen und StaatsbeamtInnen etc. tatsächlich zur Gesundung der hellenischen Fis-kal- und Wirtschaftspolitik?
Verheerende beschäftigungs- und sozialpolitische Auswirkun-gen der ersten beiden Sparpakete n Im Zuge der Umsetzung der Spar-vorgaben der Troika kürzte Griechen-land die Budgetausgaben zwischen 2010 und 2014 um mehr als 25%. In der Folge kam es auch zu einem Ein-
Drittes Griechenland-„Hilfsprogramm“: Rezession statt Konjunktur
bruch der Wirtschaftsleistung Grie-chenlands: Das Bruttoinlandsprodukt sank um fast 21% bzw. von rund 300 auf 238 Milliarden Euro.
Welche dramatischen beschäfti-gungs- und sozialpolitischen Folgen der Sparkurs aus den ersten beiden Programmen hatte, zeigen auch ak-tuelle unter anderem sogar von der Kommission zur Verfügung gestellte Daten:
n Die Anzahl der Beschäftigten brach binnen fünf Jahren (2010-2014) um 800.000 auf 3,7 Millionen Per-sonen ein. Binnen kürzester Zeit gingen rund 17% aller Jobs ver-loren. Geht man vom Vorkrisenni-veau (2008) aus, wurden bis 2014 sogar rund 20% bzw. 950.000 Jobs vernichtet.
n Die Beschäftigungsquote sank zwi-schen 2008 und 2014 von 66,3 auf 53,3%. Zum Vergleich: Die durch-schnittliche EU-Beschäftigungsquo-te lag 2014 bei 69,2%.
n Die Arbeitslosigkeit schnellte auf 26,5% hinauf, bei Jugendlichen lag sie bei 52,4%. Die Kommission meint zu dieser Entwicklung lapi-dar, dass Griechenland rasch An-passungen am Arbeitsmarkt habe vornehmen müssen und damit die Arbeitsmarktflexibilität erhöht wur-de.2
n Die Löhne sind um rund ein Fünftel gesunken;
n Rund die Hälfte der Bevölkerung hat keine Krankenversicherung mehr;
n Die ärmsten 10% der Haushalte verloren rund 86% ihres verfüg-baren Einkommens, zeigt eine von der Böckler-Stiftung herausgege-bene Studie.3 »
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Beschäftigte in Griechenland in Millionen in den Jahren 2008 bis 2014
– 950.000
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Quelle: Europäische Kommission
Die beiden Troika Pakete kosteten
Griechenland bisher 800.000 Arbeitsplätze.
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Gerade was Beschäftigung und Armut betrifft, liegen viele Länder jedoch weiter von ihren nationalen Europa 2020-Zielen entfernt als noch zu Be-ginn der Initiative 2010. Besonders negativ betroffen ist Griechenland. Lag die Beschäftigungsquote 2010 in Griechenland noch bei 63,8%, so liegt sie nun bei 53,3% und verfehlt damit das für 2020 angepeilte Ziel von 70% bei weitem. Um nichts bes-ser sieht es bei der Armut aus: Für 2020 war auch eine Verringerung der von Armut und sozialer Ausgrenzung bedrohten Personen auf 450.000 an-gepeilt. Ende 2014 war die Anzahl dieser Personen mit rund vier Millio-nen Menschen aber fast zehnmal so hoch.5
Und nicht nur die Europa 2020-Ziele, sondern auch die EU-Grundrechte-Charta dürfte die Kommission nicht mehr besonders interessieren. So musste Griechenland auf Anordnung der Troika 2010 und 2012 tiefge-hende Eingriffe in das griechische Kollektivvertragssystem vorneh-men.6 Das stellt sowohl laut einem Rechtsgutachten von Prof. Andreas Fischer-Lescano, welches im Auftrag der AK Wien in Kooperation mit dem ÖGB, dem Europäischen Gewerk-schaftsbund und dem Europäischen Gewerkschaftsinstitut durchgeführt wurde, als auch nach einer neuen Untersuchung von Florian Rödl und Raphaël Callsen vom Hugo Sinzhei-mer-Institut für Arbeitsrecht einen Verstoß gegen geltendes EU-Recht und die Menschenrechte bzw. ei-nen Widerspruch zu dem in Art. 28 der Grundrechte-Charta (EU-GRC) formulierten Recht auf Kollektiv-verhandlungen dar.7 Laut Rödl und Callsen stelle die Mitwirkung der Kommission an den in den Memo-randa of Understanding erteilten Auflagen gleich in mehreren Fäl-len eine Einschränkung des Rechts auf Kollektivverhandlungen dar. Für die betroffenen Mitgliedstaaten und Kollektivvertragspartner sehen Rödl und Callsen die Möglichkeit ei-
Drittes Griechenland-„Hilfsprogramm“: Rezession statt Konjunktur
n Die Armut ist laut EU-Kommission drastisch angestiegen: Der Anteil der Bevölkerung, der von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht ist, liegt bei 36%, der EU-Schnitt liegt bei 24,5%.
n Laut der von der Böckler-Stiftung herausgegebenen Studie ist die Anzahl von Selbstmorden in den letzten Jahren um 45% gestiegen.
n Die Kommission kennt auch einen eigenen Indikator zu schweren materiellen Entbehrungen. Diese Kennzahl bemisst sich aus neun grundlegenden Gütern, von denen sich die Betroffenen zumindest vier nicht mehr leisten können. Darun-ter fällt beispielsweise, dass Betrof-fene ihre Miete oder ihre Heizkos-ten nicht mehr bezahlen können, sich keine regelmäßigen Mahlzei-ten mehr leisten können oder kei-ne Waschmaschine oder kein Te-lefon mehr haben. Bei 21,5% der griechischen Bevölkerung ist diese Situation per 2014 gegeben, der EU-Schnitt beläuft sich auf 9,6%. Binnen fünf Jahren verdoppelte sich die Zahl der Personen, die sich
in extremer Armut befindet, rund 2,4 Millionen Menschen sind davon betroffen.4
n Es verwundert angesichts solcher Zahlen auch nicht, dass viele Grie-chInnen eine Beschäftigung in an-deren EU-Mitgliedsstaaten suchen und die Zahl der EinwohnerInnen Griechenlands um 150.000 Men-schen zurückgegangen ist.
Griechenland und die Europa 2020-Ziele n Völlig in Vergessen-heit geraten dürften bei den EU-Institutionen die Pläne der Europa 2020-Strategie sein: Noch im Jahr 2010 hat die Europäische Kommis-sion die Europa 2020-Ziele als den Weg in „eine neue Ära“ bezeichnet: So soll bis 2020 unter anderem die Beschäftigung steigen sowie die Ar-beitslosigkeit und die Armut sinken. » »
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Anteil der Bevölkerung, der sich grundlegende Güter nicht mehr leisten kann, in % in den Jahren 2008 bis 2014 Quelle: Europäische Kommission
Die Armut ist in Griechenland
derzeit fast zehnmal so hoch wie in den Europa 2020Zielen
angestrebt.
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ner Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV. Auch der Weg über ein Vor-abentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV sei demnach möglich.
Troika schätzte die Folgewirkun-gen ihrer Maßnahmen wieder-holt falsch ein n Die Troika hat die Folgewirkungen der umfangreichen Sparmaßnahmen und Steuererhö-hungen völlig unterschätzt. Gingen die ExpertInnen der Kommission in ihren Einschätzungen 2010 bzw. 20128 noch von einer Arbeitslosen-quote von 14,8 bzw. 17,8% für 2013 aus, lag sie tatsächlich bei 27,8%. Abgesehen von dem großen Leid, das Arbeitslosigkeit verursacht, bedeutet diese fatale Fehleinschätzung der Kommission und ihrer Partner auch enorme Kosten für das griechische Budget: Geplante Lohnsteuereinnah-men und Konsumsteuern fallen weg, stattdessen entstehen ungeplante Mehrausgaben zur Unterstützung der Arbeitslosen.
Auf die Sparmaßnahmen zurückzu-führen ist auch, dass die Wirtschafts-entwicklung Griechenlands deutlich dramatischer ausfiel als von der Kommission prognostiziert.9 Die Re-zession in der hellenischen Republik war wesentlich tiefer und hielt auch länger an, als von der Kommission in ihren Berichten von 2010 und 2012 vermutet worden war. Erst 2014 kehrte Griechenland der Rezession den Rücken.
Falsche Kommissions-Schätzung: Statt 359 Milliarden Euro nur 317 Milliarden Euro Schulden n
In der Folge lag die Staatsschulden-quote 2014 auch wesentlich höher, als von der EU-Kommission ange-nommen worden war: Statt 148,4 bzw. 162,1% (Kommissionsprognose 2010 bzw. 2012) lag sie bei 177,1%. An mangelndem Sparwillen der Grie-chInnen kann dieses Ergebnis jedoch nicht liegen. Wie bereits zu Beginn berichtet, kürzte Griechenland seine Budgetausgaben binnen fünf Jahren
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um 25%. Die absolute Verschuldung für 2014 schätzte die Kommission da-für fälschlicherweise wesentlich hö-her ein: 2010 glaubte die Kommissi-on noch, dass die Verschuldung 2014 einen Stand von 359 Milliarden Euro erreichen würde und 2012 lag die Vorhersage bei 335 Milliarden Euro. Tatsächlich waren es aber nur rund
317 Milliarden Euro, also um 42 bzw. 18 Milliarden Euro unter der Kommis-sionsprognose. Dass die Staatsschul-denquote 2014 trotz einer beeindru-ckenden Reduktion der absoluten Verschuldung anstieg, ist schlicht eine Folge des radikalen Sparkurses, der für einen Einbruch des Bruttoin-landsprodukts gesorgt hat.
Ein Budget-Primärüberschuss konn-te als Folge der Troika-Auflagen erst 2013 erreicht werden und lag 2014
bei 0,4% statt bei angenommenen 5,9% (2010) bzw. 4,5% (2012).
Nach dem Auslaufen des ersten und zweiten Programms ist festzustellen, dass die „Hilfspakete“ mit enormen Kosten aus sozialer, beschäftigungs-, wirtschafts- und fiskalpolitischer Sicht verbunden waren. Nach rationalen Gesichtspunkten wäre angesichts der beängstigenden negativen Folgewirkungen der Spar-programme ein radikaler Kurswech-sel der Troika zu erwarten gewesen. Tatsächlich sorgt das nunmehr dritte Anpassungsprogramm jedoch trotz immer stärker werdender Proteste aus der griechischen Bevölkerung für eine neuerliche Verschlechterung der sozialen und wirtschaftlichen Lage in Griechenland.
Das dritte Wirtschaftsanpas-sungsprogramm – Griechenland auf dem Weg in die nächste Re-zession n Auch das dritte Paket umfasst vor allem Hilfsmaßnahmen für die GläubigerInnen: Das neue Finanzpaket umfasst bis zu 86 Milli-arden Euro, davon erhalten die Gläu-bigerInnen Griechenlands knapp 54 Milliarden Euro bzw. zwei Drittel »
Die EUKommission hat sich laufend verschätzt: Statt einer Arbeitslosenquote von 17,8 % wies
Griechenland 2013 eine Quote von 27,8 % auf.
Entwicklung der Arbeitslosenquote im Vergleich zu den Kommissionsprognosen
in % in den Jahren 2009 bis 2014
Quelle: Europäische Kommission
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Tatsächlich laut EurostatPrognosen 2. Paket der TroikaPrognosen 1. Paket der Troika
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dieser Gelder – zum Teil dienen sie Kreditrückzahlungen, zum Teil der Bezahlung von Zinsen. Fast 30% der Finanzmittel bzw. 25 Milliarden Euro sollen für die Rekapitalisierung der Banken Verwendung finden.
In einem eigenen Memorandum of Understanding (MoU) sind die mit den Finanzhilfen verknüpften Maß-nahmen und Ziele, die Griechenland verordnet werden, enthalten. Eines der wichtigsten Ziele stellt die Er-reichung eines Primärüberschusses dar. Bereits dieses Jahr soll trotz ei-nes von der Kommission prognosti-zierten Rückfalls Griechenlands in die Rezession das Primärdefizit des öffentlichen Haushalts auf 0,25% gedrückt werden, gefolgt von Pri-märüberschüssen von 0,5% 2016, 1,75% 2017 und 3,5% 2018. Leich-ter zu erreichen wäre dieses Ziel mit einem Wachstumskurs, der das Budget durch niedrigere Kosten für Arbeitslose und Arme und höhere Einnahmen aus Unternehmens- und Lohnsteuern entlasten würde. Die EU-Institutionen haben sich jedoch für einen Weg neuerlicher Belas-tungen entschieden – trotz der Er-
kenntnis, dass genau die gleichen Maßnahmen im ersten und zweiten Spar- und Belastungsprogramm dazu geführt haben, dass diese Ziele völlig verfehlt wurden. Bisher nur 500 Millionen Euro aus dem EU-Strukturfonds für Sozial- und Strukturpolitik geflossen n
Auch im neuen „Hilfspaket“, welches bis 2018 laufen soll, sind keine Gelder für Infrastruktur- und Konjunktur-belebungsmaßnahmen vorgesehen. Die Kommission wird jedoch nicht müde zu betonen, dass Griechenland aus dem Europäischen Struktur- und Investitionsfonds (Programmperiode 2014-2020) 35 Milliarden Euro zur Verfügung stehen. Was sie allerdings verschweigt: Diese Mittel wären für Griechenland auch ohne Krise vorge-sehen gewesen. Zudem sind 20 der 35 Milliarden Euro landwirtschaftli-chen Angelegenheiten und ländlicher Entwicklung gewidmet. Und in den ersten eineinhalb Jahren sind von den knapp 4,5 Milliarden Euro, die aus diesem Titel geflossen sind, fast 90% in den Agrarsektor gepumpt worden. Nur rund 500 Millionen Euro wurden in die Sozial- und Struktur-
Die Mehrwertsteuer für Grundnahrungsmittel
wurde von 13 auf 23 % erhöht.
politik investiert. Zweitgrößter Pos-ten bei den seit 2014 ausbezahlten Mitteln: Maßnahmen aus dem Euro-päischen Sozialfonds, für die rund 100 Millionen Euro flossen.10 Insbe-sondere verglichen mit den 54 Mil-liarden Euro, die die GläubigerInnen aus dem „Hilfspaket“ erhalten, und angesichts der äußerst hohen Ar-beitslosigkeit ein Tropfen auf dem heißen Stein.
Weitere Belastungen für die ärmsten Haushalte n Die Mehr-wertsteuersätze für eine Reihe von Grundnahrungsmitteln wurden be-reits im Juli von 13 auf 23% erhöht. Davon erfasst sind u.a. Milchproduk-te, Fleisch, Fisch, Mehl, Zucker und Reis. Gerade diese Maßnahme trifft besonders die armen Haushalte. Nach 2010 und 2012 ordnen die EU-Institutionen nunmehr bereits die
dritte Pensionsreform an. Die Pensi-onen werden über eine neue 6%ige Gesundheitsabgabe weiter gekürzt. Einsparungen von 0,25% des BIP dieses Jahr und 1% des BIP 2016 sollen beim Pensionsbudget erreicht werden. Insbesondere die Anzahl der Frühpensionierungen soll reduziert werden – ungeachtet der Tatsache, dass das effektive Pensionsalter der Griechen bereits bei 63 Jahren und bei Griechinnen bei 59 Jahren liegt. Eine Erhöhung des gesetzlichen Pen-sionsalters auf 67 Jahre muss bis 2022 voll umgesetzt sein, die Pen-sionen werden bis 2021 auf dem aktuellen Stand eingefroren. Auch die Sozial- und Wohlfahrtsausgaben sollen erneut reduziert werden - um 0,5% des BIP.
EU-Institutionen ohne soziales Gewissen n Obwohl infolge der ers-ten beiden „Wirtschaftsanpas-
Griechische Staatsverschuldung im Vergleich zu den Kommissionsprognosen 2010 und 2012
in Mrd. €, in den Jahren 2011 bis 2014Quelle: Europäische Kommission
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sungsprogramme“ knapp die Hälfte der GriechInnen nicht mehr kran-kenversichert ist, kennen die EU-Ins-titutionen weiterhin keine Rücksicht: So sollen Selbstbehalte für Medika-mente und Befunde weiter erhöht werden. Nachdem viele GriechInnen ohnehin schon am Existenzminimum leben, soll nun auch noch die Pfän-dungsschwelle herabgesetzt werden, damit unter anderem Rückstände bei Steuerzahlungen oder Gesund-heitsabgaben eingehoben werden können. Erneut planen die EU-Insti-tutionen Eingriffe in den Rechtsrah-men der Arbeitsmarktpolitik: Verein-barungen in Kollektivverträgen und Regelungen zu Massenentlassungen sollen überarbeitet werden. Davon, dass es sich um Maßnahmen zu-gunsten der griechischen Bevölke-rung handelt, ist nicht auszugehen.
Einzelne Maßnahmen aus dem neu-en Paket sind jedoch auch positiv zu bewerten: Erstmals sollen Steu-ererleichterungen für ReederInnen
und LandwirtInnen fallen. Positiv zu würdigen ist auch, dass Reformen im Finanzmanagement der Spitäler und beim Beschaffungswesen vorgesehen sind, die unter anderem die Effizienz der Krankenhäuser erhöhen und die Preise für Medikamente reduzieren sollen. Auch Aktionen gegen Steuer-hinterziehung, die Errichtung eines zentralen Beschaffungswesens, wie etwa im Gesundheitssektor, sind zu begrüßen. Einsparungen im Militär-haushalt in Höhe von 100 Millionen
Euro noch heuer bzw. dauerhaft 400 Millionen Euro ab 2016 sind vertret-bar, weil sie kaum negative Effekte auf die Bevölkerung haben dürften. Das Vorhaben, bis März 2016 Pläne auszuarbeiten, um 50.000 Langzeit-arbeitslosen einen neuen Job zu ver-schaffen und 150.000 Personen Un-terstützung im Rahmen der aktiven
Den Hauptteil der „Hilfsmittel“ erhalten die GläubigerInnen.
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Arbeitsmarktpolitik zu geben, wiede-rum klingt zwar sehr engagiert. Mit-tel aus dem dritten „Hilfspaket“ sind dafür aber nicht vorgesehen.
Zu begrüßen – wenngleich nicht Teil des MoU – sind geplante erhebliche Erleichterungen für Griechenland, Gelder aus dem EU-Struktur- und Investitionsfonds abzurufen. Der Ko-finanzierungsbeitrag Griechenlands, um Mittel aus den EU-Fonds zu er-halten, wird bis Mitte 2016 auf 5% gesenkt, d.h. Projekte werden zu 95% aus EU-Mitteln finanziert. Für den Abruf von Geldern aus der al-ten Programmperiode ist sogar eine 100%ige Kofinanzierung aus EU-Gel-dern vorgesehen. Für Mittel aus dem Kohäsionsfonds ist eine zusätzliche 7%ige Vorfinanzierung seitens der Kommission vorgesehen.
Privatisierungen und die Kon-zeptlosigkeit der EU-Instituti-onen n Wie bereits beim letzten Hilfspaket sind Privatisierungen
wirtschaftspolitik– standpunkte
Meinung, Position, Überzeugung. Der digitale Newsletter der Ab-teilung Wirtschaftspolitik in der Wiener Arbeiterkammer behandelt Aspekte der Standortpolitik, des Wirtschaftsrechts, der Regulierung diverser Branchen und allgemeine wirtschaftspolitische Fragestellun-gen aus der Perspektive von ArbeitnehmerInnen. Wirtschaftspolitik-Standpunkte erscheint 4-mal Jährlich und wird per Email versandt.
Kostenlose Bestellung und alle Ausgaben nachlesen unter: http://wien.arbeiterkammer.at/wp-standpunkte
Wirtschaftspolitik – Standpunkte. 01 | 2011. seite 1 von 14
wirtschaftspolitik
– standpunkte 01|2011
impreSSum
Herausgeberin und MedieninHaberin:
Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien,
1040 Wien, Prinz Eugen Straße 20-22
redaktion: Maria Maltschnig und Susanne Wixforth
Layout und satz: Julia Kolda
VerLags- und HersteLLungsort: Wien
erscHeinungsweise: 4 mal jährlich
kostenLose besteLLung unter: http://wien.arbeiterkammer.at/newsletter
staatsscHuLdenkrise seite 02
roHstoffHandeL
seite 03
Der neue Selbstbedienungsmarkt
für SpekulantInnen?
nicHt scHon wieder 2008 seite 03
Rohstoffspekulationen feiern ein
unerwünschtes Comeback
finanzMarktreguLierung seite 04
Kann alles beim Alten bleiben?
europeans for financiaL reforM seite 06
Eine Zwischenbilanz
ak für priVatisierungsstopp seite 06
neue pauscHaLierungsVerordnung seite 07
Größere Agrarbetriebe werden
reich beschenkt!
ak studie
seite 08
Die Beschäftigungswirkung von Innovationen
VorLäufiges ende der seite 09
diskussion uM die steuerLicHe
förderung Von forscHung und
entwickLung
offenLegungspfLicHt Von seite 10
JaHresabscHLüssen
Theorie und gelebte Unternehmenspraxis
die neue reguLierungsbeHörde seite 11
für den stroM- und gasbereicH
LiberaLisierung der seite 12
postdienste Mit 1.1.2011
tanksteLLen
seite 13
Nur eine Preiserhöhung pro Tag erlaubt
inhaltWirtschaftspolitik – Standpunkte. Meinung, Position, Überzeugung. Was es
damit auf sich hat? Wir – das ist die Abteilung Wirtschaftspolitik in der Wie-
ner Arbeiterkammer – arbeiten an Aspekten der Standortpolitik, des Wirt-
schaftsrechts, der Regulierung diverser Branchen und an allgemeinen wirt-
schaftspolitischen Fragestellungen. Dabei verfolgen wir das Ziel, die Situation
der Beschäftigten zu verbessern und KonsumentInnenrechte durchzusetzen.
Das ist auch der Standpunkt, von dem aus wir uns dem wirtschaftspoliti-
schen Geschehen annähern und in dem Newsletter, dessen erste Ausga-
be Sie geradevor sich haben, davon berichten wollen. Wirtschaftspolitik –
Standpunkte wird in Zukunft am Ende jedes Quartals erscheinen und per
E-Mail versandt. Wer will, kann sich jederzeit auf der Homepage der Arbei-
terkammer Wien in den Verteiler aufnehmen lassen.
Eröffnet wird diese erste Ausgabe von Helene Schuberth, die in einem
Gastartikel den politischen Folgen der krisenbedingten Staatsverschuldung
nachgeht. Außerdem beschäftigen wir uns mit der wieder aufgeflammten
Debatte um Spekulationen auf Nahrungsmittel und Öl und der europäi-
schen Finanzmarktregulierung. Aufhorchen ließ die Wiener Börse, indem
sie eine neue große Privatisierungswelle forderte und gleich die passende
Studie dazu mitlieferte. Erwähnenswert fanden wir zudem die Umstruktu-
rierung der E-Control, die Bilanzoffenlegungsmoral der Unternehmen, die
vollständige Liberalisierung des Postmarktes, die jüngsten Entwicklungen
in der steuerlichen Forschungsförderung und einiges mehr.
In diesem Sinne freuen wir uns über unser Erstlingswerk und auf die vielen
Ausgaben, die noch folgen werden. Die Redaktion
editorial
Wirtschaftspolitik – Standpunkte. 02 | 2011. seite 1 von 14
wirtschaftspolitik
– standpunkte 02|2011
impreSSum
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erscHeinungsweise: 4 mal jährlich
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MeHr wettbewerb iM seite 02
gLobaLen finanzsektor?
Hat der eurorauM eine zukunft? seite 04
europa
seite 06
– FAlSCh VERSTANDEN
der aufscHwung koMMt seite 07
(zunäcHst) nur oben an
priVatisierungen seite 08
EIN VERlUSTGESChäFT
ideoLogiefrei? seite 09
ak studie:
seite 10
AGRAREINKOMMEN IN ÖSTERREICh UND
IN DER EUROPäISChEN UNION
der nacHHaLtigkeitsscHMäH seite 12
Mit den grünen arbeitspLätzen
ökostroMgesetz neu seite 14
NUR MIT DEN KONSUMENTiNNEN
UND NIChT GEGEN SIE
niederLassungsfreiHeit seite 15
der unterneHMen:
EU-KOMMISSION WIll EINhEIT VON SATZUNGS-
UND VERWAlTUNGSSITZ KIPPEN
bucHbesprecHung: seite 17
POSTWAChSTUMSGESEllSChAFT
– KONZEPTE FüR DIE ZUKUNFT
inhaltDie Managergehälter befinden sich wieder auf dem Vorkrisenniveau, während
die Beschäftigten der österreichischen Leitbetriebe nichts vom Aufschwung
spüren. Wie es um die Zukunft des Euro steht, wird heftig diskutiert. Die
Wirtschaftskrise mutierte zur Krise der öffentlichen Haushalte – ein willkom-
mener Anlass für manche, eine neue Privatisierungswelle zu fordern.
Nach der Krise ist vor der Krise – Der Eindruck verfestigt sich, wenn man
die aktuelle wirtschaftspolitische Debatte verfolgt. Dieser Umstand muss sich
ändern, wenn es nach den AutorInnen dieser Ausgabe geht, die auch gleich
konkrete Lösungen mitliefern. „Too big to fail“ muss Geschichte sein. Das
meint etwa EBRD-Direktor Kurt Bayer in seinem Gastartikel. Er fordert eine
merkliche Verkleinerung des Finanzsektors und einen Mechanismus, mit des-
sen Hilfe marode Banken abgewickelt werden können, ohne die Realwirt-
schaft zu gefährden. Nachdrücklich eingefordert wird von den AutorInnen
auch die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen. Sie sollen Ge-
winne investieren, Arbeitsplätze sichern und ausbauen. Dass die Interessen
der GesellschafterInnen von Unternehmen ultimativen Vorrang haben, ist ein
gescheitertes Paradigma. Ebenso die Privatisierung von öffentlichem Eigentum,
die zur Budgetsanierung völlig ungeeignet ist und die Versorgungssicherheit
der Bevölkerung gefährdet.
Brisant ist auch die momentane Auseinandersetzung um die Energie- und Um-
weltpolitik. Bei den Verhandlungen um das neue Ökostromgesetz wurden die
Interessensgegensätze der Beteiligten besonders offensichtlich. Und was hat
es eigentlich mit den „Green Jobs“ auf sich?
Eine spannende Lektüre wünscht Die Redaktion
editorial
Wirtschaftspolitik – Standpunkte. 03 | 2011. seite 1 von 24
wirtschaftspolitik– standpunkte 03|2011
impreSSum
Herausgeberin und MedieninHaberin:
Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien,
1040 Wien, Prinz Eugen Straße 20-22
redaktion: Maria Maltschnig und Susanne Wixforth
Layout und satz: Julia Kolda
VerLags- und HersteLLungsort: Wien
erscHeinungsweise: 4 mal jährlich
kostenLose besteLLung unter: http://wien.arbeiterkammer.at/newsletter
poLarisierung der seite 02
einkoMMensVerteiLung
STRUKTUREllE URSAChE DER KRISE
ezb iM dienste der banken, seite 03
nicHt der staaten
neue europäiscHe seite 06
finanzarcHitektur – EINE GlEIChUNG MIT
NOCh (ZU) VIElEN UNBEKANNTEN?
eins und eins ist zwei seite 08
die wäHrungsunion ist seite 09
reforMiert – IST SIE DAS?
reguLierung der finanzMärkte seite 11
in den usa und der eu – AllES PAlETTI?
oecd LänderprüfbericHt seite 13
österreicH – EINE KRITISChE WüRDIGUNG
nacHHaLtig wirtscHaften, seite 14
aber wie?
ökostroMgesetz 2012 seite 16
die neue energieeffizienzricHtLinie seite 17
EIN VORSChlAG DER EU KOMMISSION
die scHeinaLternatiVe seite 19
„biokraftstoffe“
bescHäftigt in der seite 21
forscHung(sabteiLung) eines
unterneHMens – EIN BENEIDENSWERTER JOB?
eu-grünbucH zu corporate seite 22
goVernance – AK FORDERT VERBINDlIChEN
MASSNAhMENKATAlOG
das neue seite 23
teLekoMMunikationsgesetz
inhalt
Die Finanz-, Wirtschafts-, Schulden-, Umwelt-, Arbeitsmarkt- bzw die globale
Krise beschäftigt uns nach wie vor. Und es scheint der Politik nicht zu gelin-
gen, Europa in einem absehbaren Zeitraum aus dieser multiplen Krise heraus
zu führen. Folgt man den AutorInnen dieser Ausgabe von Wirtschaftspolitik-
Standpunkte, liegt das an verfehlten Konzepten und – vor allem bei der Neu-
ordnung der Finanzmärkte und der Stabilisierung des Euro – an mangelnder
Ambition. Der Ökonom Engelbert Stockhammer belegt, dass die gestiegene
Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen ursächlich für die Krise
verantwortlich war und eine ausgewogene Verteilung nicht Luxus sondern
Voraussetzung für ein stabiles Wachstumsregime ist. Andere AutorInnen wid-
men sich den aktuellen Maßnahmen zur Stabilisierung des Euro, dem OECD
Länderbericht und der Debatte um nachhaltiges Wirtschaften.
Auch in spezifischeren Politikbereichen hat sich einiges getan. Nach langem
hin und her wurde die Novelle des Ökostromgesetzes auf Schiene gebracht
und ein neues Telekommunikationsgesetz im Ministerrat verabschiedet. Die
Europäische Kommission legte ein Grünbuch zur Corporate Governance vor,
das sich vor allem um die Interessen der AktionärInnen dreht. Was die AK
Wien von all dem hält und was uns die Beschäftigten im Forschungsbereich
über ihre Arbeitszufriedenheit mitgeteilt haben, erfahren Sie hier.
Eine aufschlussreiche Lektüre wünschtDie Redaktion
editorial
Wirtschaftspolitik – Standpunkte. 04 | 2011. seite 1 von 15
wirtschaftspolitik– standpunkte 04|2011
impreSSum
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Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien,
1040 Wien, Prinz Eugen Straße 20-22
redaktion: Maria Maltschnig und Susanne Wixforth
Layout und satz: Julia Kolda
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scHuLdenbreMse in der Verfassung seite 02
BudgetpolitiSche SpielräuMe Schaffen
Statt auSBreMSen!
„wage Moderation“ seite 04
die lohnpolitiSche oBSeSSion der eu
die wirkungsweise steuerLicHer seite 06
forscHungsförderung
Mifid und Mad seite 08
SynonyMe für den auSWeg auS der
finanzKriSe?
eu-urHeberrecHt seite 09
SchutzfriSten für MuSiKaufnahMen nun
doch verlängert
diVersität Muss pfLicHt sein! seite 11
scHutz Vor ÜbernaHMen fÜr seite 12
unterneHMen der sicHerHeits- und
daseinsVorsorge
waruM gut Verdienende seite 13
Landwirte/innen keine
einkoMMensteuer zaHLen
die scHweLLenwerteVerordnung seite 14
vergaBerecht alS vehiKel zur
KonJunKturanKurBelung
inhalt
Die Eskalation der Krise der Eurozone ist mittlerweile in Österreich an-
gelangt. Weil Moody’s Österreich und Standard & Poor’s der gesamten Eu-
rozone mit einem Downrating drohte, beschloss der Nationalrat mit den
Stimmen der Regierungsparteien eine Schuldenbremse einzuführen, die ein
strukturelles Defizit vorsieht. Warum wir finden, dass dieses Instrument
nicht geeignet ist, den Euro zu retten und wirtschaftspolitisch ein schwerer
Fehler ist, beschreibt Georg Feigl in seinem Artikel. Johannes Schweighofer
argumentiert, dass die Überschussländer in der EU schleunigst angemesse-
ne Lohnabschlüsse brauchen, die sich an der Benya-Formel orientieren. Er
skizziert, welche Fehler dahingehend in der Europäischen Debatte began-
gen werden. Um die Krisenanfälligkeit des Wirtschaftssystems in Zukunft
einzudämmen ist eine merkbare Kontrolle der Finanzmärkte unerlässlich.
Aktuelle Richtlinienvorschläge der Europäischen Kommission geben wenig
Hoffnung, dass dies passieren wird, argumentieren Susanne Wixforth und
Judith Vorbach.
Auch strukturpolitisch hat sich in den letzten Monaten wieder einiges getan:
Ein Rechtsgutachten für die Arbeiterkammer Wien bestätigt die Verfassungs-
widrigkeit der umfassenden Vollpauschalierung von Agrarbetrieben, Über-
nahmen von Versorgungsunternehmen wurden erschwert und die Debatte
um Frauenquoten in Aufsichtsräten kam ein – wenn auch kleines – Stück
voran. Besonders ans Herz legen möchten wir Ihnen den Artikel von Andre-
as Schibany, der eindrucksvoll argumentiert, warum die jetzige Ausgestaltung
der steuerlichen Forschungsförderung alles andere als zielführend ist.
Eine spannende Lektüre und erholsame Feiertage wünscht
Die Redaktion
editorial
Wirtschaftspolitik – Standpunkte. 01 | 2012. seite 1 von 16
wirtschaftspolitik– standpunkte 01|2012
impreSSum | offenlegung gem § 25 medieng
Herausgeberin und MedieninHaberin:
Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien,
1040 Wien, Prinz Eugen Straße 20 – 22
redaktion: Maria Maltschnig und Susanne Wixforth
Layout und satz: Julia Kolda
VerLags- und HersteLLungsort: Wien
erscHeinungsweise: 4 mal jährlich
kostenLose besteLLung unter: http://wien.arbeiterkammer.at/newsletter
bLattLinie: Die Meinungen der AutorInnen.
inhalt
Alles dreht sich ums Sparen, zumindest wenn man den wirtschaftspolitischen
Diskurs der vergangenen Monate verfolgt. Somit kommen auch wir nicht umhin,
in dieser Ausgabe wieder einen besonderen Fokus auf die Folgen der Schul-
denhysterie zu legen. Christa Schlager nimmt das Österreichische Konsolidie-
rungspaket unter die Lupe und liefert gleich Prognosen über die gesamtwirt-
schaftlichen Auswirkungen desselben mit. Markus Marterbauer warnt vor der
EU-weiten Schrumpfkur im öffentlichen Sektor, die ein „verlorenes Jahrzehnt“
mit sich bringen könnte und hält ein Plädoyer für den sozialen Fortschritt. Dass
Österreich bei seiner Schuldenbremse ausgerechnet das deutsche Modell als
Vorbild nimmt, sorgt für Kopfschütteln bei dem Düsseldorfer Ökonom Achim
Truger, der in einem Gastartikel die ausgeprägten Schwächen dieses Korsetts
eindrucksvoll darlegt.
Auf EU Ebene tat sich auch abseits des Spar-Wahns einiges. Die Macht der
Ratingagenturen soll zurückgedrängt werden, es gibt neue Vergaberichtlinien
und die Art und Weise wie das Spanungsfeld zwischen Daseinsvorsorge und
Beihilfenrecht gesehen wird, hat sich verändert. Außerdem ist das Match um das
umstrittene „Anti-Piraterie-Abkommen“ ACTA noch lange nicht entschieden.
Wer sich in letzter Zeit in Wien um Mietwohnungen umgeschaut hat, dem ist
die Lust auf einen Umzug ob der massiv gestiegenen Preise gründlich vergangen.
Die ImmobilienbesitzerInnen schieben die Schuld auf hohe Gebühren, die AK
kommt zu einem anderen Schluss: Es sind schlicht und einfach die Nettomieten,
die die Wohnungskosten in die Höhe treiben, wie eine kürzlich erschienene
Studie belegt. Nach wie vor trist schaut es in den Führungsetagen der großen
Unternehmen für Frauen aus. Die Versprechungen seitens der Industrie sich
um einen höheren Frauenanteil im Management zu bemühen, sind offensichtlich
reine Lippenbekenntnisse. Wir fordern deshalb:
Her mit der Quote!Die Redaktion
editorial
Wirtschaftspolitik
wie österreicH spart seite 02
soziaLer fortscHritt statt seite 04
deMontage des soziaLstaates
KoMMentar von MarKuS MarterBauer
die deutscHe scHuLdenbreMse seite 05
ein leuchtendeS vorBild für ÖSterreich und
europa?
brandpunkt ratingagenturen seite 07
iM europäiSchen parlaMent Beginnt die
heiSSe phaSe
strukturpolitik
ak frauen. seite 08
ManageMent.report 2012
frauen Sind SoWohl in den vorStänden alS
auch in den aufSichtSräten Weiterhin die
auSnahMe
neue strafbestiMMungen seite 09
zeigen wirkung
90% der groSSen KapitalgeSellSchaften
haBen 2011 friStgerecht den JahreSaBSchluSS
offengelegt
acta seite 10
uMStritteneS antipiraterie-aBKoMMen Mit
folgen?
priVatMieten steigen doppeLt so seite 12
stark wie einkoMMen und infLation
wie VieL beiHiLfenrecHt seite 13
Verträgt die daseinsVorsorge?
reVision der eu-VergaberegeLn seite 15
wirtschaftspolitik– standpunkte
Meinung, Position, Überzeugung. Der digitale Newsletter der Ab-teilung Wirtschaftspolitik in der Wiener Arbeiterkammer behandelt Aspekte der Standortpolitik, des Wirtschaftsrechts, der Regulierung diverser Branchen und allgemeine wirtschaftspolitische Fragestellun-gen aus der Perspektive von ArbeitnehmerInnen. Wirtschaftspolitik-Standpunkte erscheint 4-mal Jährlich und wird per Email versandt.
Kostenlose Bestellung und alle Ausgaben nachlesen unter: http://wien.arbeiterkammer.at/wp-standpunkte
Wirtschaftspolitik – Standpunkte. 01 | 2011. seite 1 von 14
wirtschaftspolitik
– standpunkte 01|2011
impreSSum
Herausgeberin und MedieninHaberin:
Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien,
1040 Wien, Prinz Eugen Straße 20-22
redaktion: Maria Maltschnig und Susanne Wixforth
Layout und satz: Julia Kolda
VerLags- und HersteLLungsort: Wien
erscHeinungsweise: 4 mal jährlich
kostenLose besteLLung unter: http://wien.arbeiterkammer.at/newsletter
staatsscHuLdenkrise seite 02
roHstoffHandeL
seite 03
Der neue Selbstbedienungsmarkt
für SpekulantInnen?
nicHt scHon wieder 2008 seite 03
Rohstoffspekulationen feiern ein
unerwünschtes Comeback
finanzMarktreguLierung seite 04
Kann alles beim Alten bleiben?
europeans for financiaL reforM seite 06
Eine Zwischenbilanz
ak für priVatisierungsstopp seite 06
neue pauscHaLierungsVerordnung seite 07
Größere Agrarbetriebe werden
reich beschenkt!
ak studie
seite 08
Die Beschäftigungswirkung von Innovationen
VorLäufiges ende der seite 09
diskussion uM die steuerLicHe
förderung Von forscHung und
entwickLung
offenLegungspfLicHt Von seite 10
JaHresabscHLüssen
Theorie und gelebte Unternehmenspraxis
die neue reguLierungsbeHörde seite 11
für den stroM- und gasbereicH
LiberaLisierung der seite 12
postdienste Mit 1.1.2011
tanksteLLen
seite 13
Nur eine Preiserhöhung pro Tag erlaubt
inhaltWirtschaftspolitik – Standpunkte. Meinung, Position, Überzeugung. Was es
damit auf sich hat? Wir – das ist die Abteilung Wirtschaftspolitik in der Wie-
ner Arbeiterkammer – arbeiten an Aspekten der Standortpolitik, des Wirt-
schaftsrechts, der Regulierung diverser Branchen und an allgemeinen wirt-
schaftspolitischen Fragestellungen. Dabei verfolgen wir das Ziel, die Situation
der Beschäftigten zu verbessern und KonsumentInnenrechte durchzusetzen.
Das ist auch der Standpunkt, von dem aus wir uns dem wirtschaftspoliti-
schen Geschehen annähern und in dem Newsletter, dessen erste Ausga-
be Sie geradevor sich haben, davon berichten wollen. Wirtschaftspolitik –
Standpunkte wird in Zukunft am Ende jedes Quartals erscheinen und per
E-Mail versandt. Wer will, kann sich jederzeit auf der Homepage der Arbei-
terkammer Wien in den Verteiler aufnehmen lassen.
Eröffnet wird diese erste Ausgabe von Helene Schuberth, die in einem
Gastartikel den politischen Folgen der krisenbedingten Staatsverschuldung
nachgeht. Außerdem beschäftigen wir uns mit der wieder aufgeflammten
Debatte um Spekulationen auf Nahrungsmittel und Öl und der europäi-
schen Finanzmarktregulierung. Aufhorchen ließ die Wiener Börse, indem
sie eine neue große Privatisierungswelle forderte und gleich die passende
Studie dazu mitlieferte. Erwähnenswert fanden wir zudem die Umstruktu-
rierung der E-Control, die Bilanzoffenlegungsmoral der Unternehmen, die
vollständige Liberalisierung des Postmarktes, die jüngsten Entwicklungen
in der steuerlichen Forschungsförderung und einiges mehr.
In diesem Sinne freuen wir uns über unser Erstlingswerk und auf die vielen
Ausgaben, die noch folgen werden. Die Redaktion
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Wirtschaftspolitik – Standpunkte. 02 | 2011. seite 1 von 14
wirtschaftspolitik
– standpunkte 02|2011
impreSSum
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Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien,
1040 Wien, Prinz Eugen Straße 20-22
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Layout und satz: Julia Kolda
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MeHr wettbewerb iM seite 02
gLobaLen finanzsektor?
Hat der eurorauM eine zukunft? seite 04
europa
seite 06
– FAlSCh VERSTANDEN
der aufscHwung koMMt seite 07
(zunäcHst) nur oben an
priVatisierungen seite 08
EIN VERlUSTGESChäFT
ideoLogiefrei? seite 09
ak studie:
seite 10
AGRAREINKOMMEN IN ÖSTERREICh UND
IN DER EUROPäISChEN UNION
der nacHHaLtigkeitsscHMäH seite 12
Mit den grünen arbeitspLätzen
ökostroMgesetz neu seite 14
NUR MIT DEN KONSUMENTiNNEN
UND NIChT GEGEN SIE
niederLassungsfreiHeit seite 15
der unterneHMen:
EU-KOMMISSION WIll EINhEIT VON SATZUNGS-
UND VERWAlTUNGSSITZ KIPPEN
bucHbesprecHung: seite 17
POSTWAChSTUMSGESEllSChAFT
– KONZEPTE FüR DIE ZUKUNFT
inhaltDie Managergehälter befinden sich wieder auf dem Vorkrisenniveau, während
die Beschäftigten der österreichischen Leitbetriebe nichts vom Aufschwung
spüren. Wie es um die Zukunft des Euro steht, wird heftig diskutiert. Die
Wirtschaftskrise mutierte zur Krise der öffentlichen Haushalte – ein willkom-
mener Anlass für manche, eine neue Privatisierungswelle zu fordern.
Nach der Krise ist vor der Krise – Der Eindruck verfestigt sich, wenn man
die aktuelle wirtschaftspolitische Debatte verfolgt. Dieser Umstand muss sich
ändern, wenn es nach den AutorInnen dieser Ausgabe geht, die auch gleich
konkrete Lösungen mitliefern. „Too big to fail“ muss Geschichte sein. Das
meint etwa EBRD-Direktor Kurt Bayer in seinem Gastartikel. Er fordert eine
merkliche Verkleinerung des Finanzsektors und einen Mechanismus, mit des-
sen Hilfe marode Banken abgewickelt werden können, ohne die Realwirt-
schaft zu gefährden. Nachdrücklich eingefordert wird von den AutorInnen
auch die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen. Sie sollen Ge-
winne investieren, Arbeitsplätze sichern und ausbauen. Dass die Interessen
der GesellschafterInnen von Unternehmen ultimativen Vorrang haben, ist ein
gescheitertes Paradigma. Ebenso die Privatisierung von öffentlichem Eigentum,
die zur Budgetsanierung völlig ungeeignet ist und die Versorgungssicherheit
der Bevölkerung gefährdet.
Brisant ist auch die momentane Auseinandersetzung um die Energie- und Um-
weltpolitik. Bei den Verhandlungen um das neue Ökostromgesetz wurden die
Interessensgegensätze der Beteiligten besonders offensichtlich. Und was hat
es eigentlich mit den „Green Jobs“ auf sich?
Eine spannende Lektüre wünscht Die Redaktion
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Wirtschaftspolitik – Standpunkte. 03 | 2011. seite 1 von 24
wirtschaftspolitik– standpunkte 03|2011
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Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien,
1040 Wien, Prinz Eugen Straße 20-22
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Layout und satz: Julia Kolda
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STRUKTUREllE URSAChE DER KRISE
ezb iM dienste der banken, seite 03
nicHt der staaten
neue europäiscHe seite 06
finanzarcHitektur – EINE GlEIChUNG MIT
NOCh (ZU) VIElEN UNBEKANNTEN?
eins und eins ist zwei seite 08
die wäHrungsunion ist seite 09
reforMiert – IST SIE DAS?
reguLierung der finanzMärkte seite 11
in den usa und der eu – AllES PAlETTI?
oecd LänderprüfbericHt seite 13
österreicH – EINE KRITISChE WüRDIGUNG
nacHHaLtig wirtscHaften, seite 14
aber wie?
ökostroMgesetz 2012 seite 16
die neue energieeffizienzricHtLinie seite 17
EIN VORSChlAG DER EU KOMMISSION
die scHeinaLternatiVe seite 19
„biokraftstoffe“
bescHäftigt in der seite 21
forscHung(sabteiLung) eines
unterneHMens – EIN BENEIDENSWERTER JOB?
eu-grünbucH zu corporate seite 22
goVernance – AK FORDERT VERBINDlIChEN
MASSNAhMENKATAlOG
das neue seite 23
teLekoMMunikationsgesetz
inhalt
Die Finanz-, Wirtschafts-, Schulden-, Umwelt-, Arbeitsmarkt- bzw die globale
Krise beschäftigt uns nach wie vor. Und es scheint der Politik nicht zu gelin-
gen, Europa in einem absehbaren Zeitraum aus dieser multiplen Krise heraus
zu führen. Folgt man den AutorInnen dieser Ausgabe von Wirtschaftspolitik-
Standpunkte, liegt das an verfehlten Konzepten und – vor allem bei der Neu-
ordnung der Finanzmärkte und der Stabilisierung des Euro – an mangelnder
Ambition. Der Ökonom Engelbert Stockhammer belegt, dass die gestiegene
Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen ursächlich für die Krise
verantwortlich war und eine ausgewogene Verteilung nicht Luxus sondern
Voraussetzung für ein stabiles Wachstumsregime ist. Andere AutorInnen wid-
men sich den aktuellen Maßnahmen zur Stabilisierung des Euro, dem OECD
Länderbericht und der Debatte um nachhaltiges Wirtschaften.
Auch in spezifischeren Politikbereichen hat sich einiges getan. Nach langem
hin und her wurde die Novelle des Ökostromgesetzes auf Schiene gebracht
und ein neues Telekommunikationsgesetz im Ministerrat verabschiedet. Die
Europäische Kommission legte ein Grünbuch zur Corporate Governance vor,
das sich vor allem um die Interessen der AktionärInnen dreht. Was die AK
Wien von all dem hält und was uns die Beschäftigten im Forschungsbereich
über ihre Arbeitszufriedenheit mitgeteilt haben, erfahren Sie hier.
Eine aufschlussreiche Lektüre wünschtDie Redaktion
editorial
Wirtschaftspolitik – Standpunkte. 04 | 2011. seite 1 von 15
wirtschaftspolitik– standpunkte 04|2011
impreSSum
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Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien,
1040 Wien, Prinz Eugen Straße 20-22
redaktion: Maria Maltschnig und Susanne Wixforth
Layout und satz: Julia Kolda
VerLags- und HersteLLungsort: Wien
erscHeinungsweise: 4 mal jährlich
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scHuLdenbreMse in der Verfassung seite 02
BudgetpolitiSche SpielräuMe Schaffen
Statt auSBreMSen!
„wage Moderation“ seite 04
die lohnpolitiSche oBSeSSion der eu
die wirkungsweise steuerLicHer seite 06
forscHungsförderung
Mifid und Mad seite 08
SynonyMe für den auSWeg auS der
finanzKriSe?
eu-urHeberrecHt seite 09
SchutzfriSten für MuSiKaufnahMen nun
doch verlängert
diVersität Muss pfLicHt sein! seite 11
scHutz Vor ÜbernaHMen fÜr seite 12
unterneHMen der sicHerHeits- und
daseinsVorsorge
waruM gut Verdienende seite 13
Landwirte/innen keine
einkoMMensteuer zaHLen
die scHweLLenwerteVerordnung seite 14
vergaBerecht alS vehiKel zur
KonJunKturanKurBelung
inhalt
Die Eskalation der Krise der Eurozone ist mittlerweile in Österreich an-
gelangt. Weil Moody’s Österreich und Standard & Poor’s der gesamten Eu-
rozone mit einem Downrating drohte, beschloss der Nationalrat mit den
Stimmen der Regierungsparteien eine Schuldenbremse einzuführen, die ein
strukturelles Defizit vorsieht. Warum wir finden, dass dieses Instrument
nicht geeignet ist, den Euro zu retten und wirtschaftspolitisch ein schwerer
Fehler ist, beschreibt Georg Feigl in seinem Artikel. Johannes Schweighofer
argumentiert, dass die Überschussländer in der EU schleunigst angemesse-
ne Lohnabschlüsse brauchen, die sich an der Benya-Formel orientieren. Er
skizziert, welche Fehler dahingehend in der Europäischen Debatte began-
gen werden. Um die Krisenanfälligkeit des Wirtschaftssystems in Zukunft
einzudämmen ist eine merkbare Kontrolle der Finanzmärkte unerlässlich.
Aktuelle Richtlinienvorschläge der Europäischen Kommission geben wenig
Hoffnung, dass dies passieren wird, argumentieren Susanne Wixforth und
Judith Vorbach.
Auch strukturpolitisch hat sich in den letzten Monaten wieder einiges getan:
Ein Rechtsgutachten für die Arbeiterkammer Wien bestätigt die Verfassungs-
widrigkeit der umfassenden Vollpauschalierung von Agrarbetrieben, Über-
nahmen von Versorgungsunternehmen wurden erschwert und die Debatte
um Frauenquoten in Aufsichtsräten kam ein – wenn auch kleines – Stück
voran. Besonders ans Herz legen möchten wir Ihnen den Artikel von Andre-
as Schibany, der eindrucksvoll argumentiert, warum die jetzige Ausgestaltung
der steuerlichen Forschungsförderung alles andere als zielführend ist.
Eine spannende Lektüre und erholsame Feiertage wünscht
Die Redaktion
editorial
Wirtschaftspolitik – Standpunkte. 01 | 2012. seite 1 von 16
wirtschaftspolitik– standpunkte 01|2012
impreSSum | offenlegung gem § 25 medieng
Herausgeberin und MedieninHaberin:
Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien,
1040 Wien, Prinz Eugen Straße 20 – 22
redaktion: Maria Maltschnig und Susanne Wixforth
Layout und satz: Julia Kolda
VerLags- und HersteLLungsort: Wien
erscHeinungsweise: 4 mal jährlich
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bLattLinie: Die Meinungen der AutorInnen.
inhalt
Alles dreht sich ums Sparen, zumindest wenn man den wirtschaftspolitischen
Diskurs der vergangenen Monate verfolgt. Somit kommen auch wir nicht umhin,
in dieser Ausgabe wieder einen besonderen Fokus auf die Folgen der Schul-
denhysterie zu legen. Christa Schlager nimmt das Österreichische Konsolidie-
rungspaket unter die Lupe und liefert gleich Prognosen über die gesamtwirt-
schaftlichen Auswirkungen desselben mit. Markus Marterbauer warnt vor der
EU-weiten Schrumpfkur im öffentlichen Sektor, die ein „verlorenes Jahrzehnt“
mit sich bringen könnte und hält ein Plädoyer für den sozialen Fortschritt. Dass
Österreich bei seiner Schuldenbremse ausgerechnet das deutsche Modell als
Vorbild nimmt, sorgt für Kopfschütteln bei dem Düsseldorfer Ökonom Achim
Truger, der in einem Gastartikel die ausgeprägten Schwächen dieses Korsetts
eindrucksvoll darlegt.
Auf EU Ebene tat sich auch abseits des Spar-Wahns einiges. Die Macht der
Ratingagenturen soll zurückgedrängt werden, es gibt neue Vergaberichtlinien
und die Art und Weise wie das Spanungsfeld zwischen Daseinsvorsorge und
Beihilfenrecht gesehen wird, hat sich verändert. Außerdem ist das Match um das
umstrittene „Anti-Piraterie-Abkommen“ ACTA noch lange nicht entschieden.
Wer sich in letzter Zeit in Wien um Mietwohnungen umgeschaut hat, dem ist
die Lust auf einen Umzug ob der massiv gestiegenen Preise gründlich vergangen.
Die ImmobilienbesitzerInnen schieben die Schuld auf hohe Gebühren, die AK
kommt zu einem anderen Schluss: Es sind schlicht und einfach die Nettomieten,
die die Wohnungskosten in die Höhe treiben, wie eine kürzlich erschienene
Studie belegt. Nach wie vor trist schaut es in den Führungsetagen der großen
Unternehmen für Frauen aus. Die Versprechungen seitens der Industrie sich
um einen höheren Frauenanteil im Management zu bemühen, sind offensichtlich
reine Lippenbekenntnisse. Wir fordern deshalb:
Her mit der Quote!Die Redaktion
editorial
Wirtschaftspolitik
wie österreicH spart seite 02
soziaLer fortscHritt statt seite 04
deMontage des soziaLstaates
KoMMentar von MarKuS MarterBauer
die deutscHe scHuLdenbreMse seite 05
ein leuchtendeS vorBild für ÖSterreich und
europa?
brandpunkt ratingagenturen seite 07
iM europäiSchen parlaMent Beginnt die
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strukturpolitik
ak frauen. seite 08
ManageMent.report 2012
frauen Sind SoWohl in den vorStänden alS
auch in den aufSichtSräten Weiterhin die
auSnahMe
neue strafbestiMMungen seite 09
zeigen wirkung
90% der groSSen KapitalgeSellSchaften
haBen 2011 friStgerecht den JahreSaBSchluSS
offengelegt
acta seite 10
uMStritteneS antipiraterie-aBKoMMen Mit
folgen?
priVatMieten steigen doppeLt so seite 12
stark wie einkoMMen und infLation
wie VieL beiHiLfenrecHt seite 13
Verträgt die daseinsVorsorge?
reVision der eu-VergaberegeLn seite 15
wirtschaftspolitik– standpunkte
Meinung, Position, Überzeugung. Der digitale Newsletter der Ab-teilung Wirtschaftspolitik in der Wiener Arbeiterkammer behandelt Aspekte der Standortpolitik, des Wirtschaftsrechts, der Regulierung diverser Branchen und allgemeine wirtschaftspolitische Fragestellun-gen aus der Perspektive von ArbeitnehmerInnen. Wirtschaftspolitik-Standpunkte erscheint 4-mal Jährlich und wird per Email versandt.
Kostenlose Bestellung und alle Ausgaben nachlesen unter: http://wien.arbeiterkammer.at/wp-standpunkte
Wirtschaftspolitik – Standpunkte. 01 | 2011. seite 1 von 14
wirtschaftspolitik– standpunkte 01|2011
impreSSum
Herausgeberin und MedieninHaberin:
Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien,
1040 Wien, Prinz Eugen Straße 20-22
redaktion: Maria Maltschnig und Susanne Wixforth
Layout und satz: Julia Kolda
VerLags- und HersteLLungsort: Wien
erscHeinungsweise: 4 mal jährlich
kostenLose besteLLung unter: http://wien.arbeiterkammer.at/newsletter
staatsscHuLdenkrise seite 02
roHstoffHandeL seite 03
Der neue Selbstbedienungsmarkt
für SpekulantInnen?
nicHt scHon wieder 2008 seite 03
Rohstoffspekulationen feiern ein
unerwünschtes Comeback
finanzMarktreguLierung seite 04
Kann alles beim Alten bleiben?
europeans for financiaL reforM seite 06
Eine Zwischenbilanz
ak für priVatisierungsstopp seite 06
neue pauscHaLierungsVerordnung seite 07
Größere Agrarbetriebe werden
reich beschenkt!
ak studie
seite 08
Die Beschäftigungswirkung von Innovationen
VorLäufiges ende der seite 09
diskussion uM die steuerLicHe
förderung Von forscHung und
entwickLung
offenLegungspfLicHt Von seite 10
JaHresabscHLüssen
Theorie und gelebte Unternehmenspraxis
die neue reguLierungsbeHörde seite 11
für den stroM- und gasbereicH
LiberaLisierung der seite 12
postdienste Mit 1.1.2011
tanksteLLen
seite 13
Nur eine Preiserhöhung pro Tag erlaubt
inhalt
Wirtschaftspolitik – Standpunkte. Meinung, Position, Überzeugung. Was es
damit auf sich hat? Wir – das ist die Abteilung Wirtschaftspolitik in der Wie-
ner Arbeiterkammer – arbeiten an Aspekten der Standortpolitik, des Wirt-
schaftsrechts, der Regulierung diverser Branchen und an allgemeinen wirt-
schaftspolitischen Fragestellungen. Dabei verfolgen wir das Ziel, die Situation
der Beschäftigten zu verbessern und KonsumentInnenrechte durchzusetzen.
Das ist auch der Standpunkt, von dem aus wir uns dem wirtschaftspoliti-
schen Geschehen annähern und in dem Newsletter, dessen erste Ausga-
be Sie geradevor sich haben, davon berichten wollen. Wirtschaftspolitik –
Standpunkte wird in Zukunft am Ende jedes Quartals erscheinen und per
E-Mail versandt. Wer will, kann sich jederzeit auf der Homepage der Arbei-
terkammer Wien in den Verteiler aufnehmen lassen.
Eröffnet wird diese erste Ausgabe von Helene Schuberth, die in einem
Gastartikel den politischen Folgen der krisenbedingten Staatsverschuldung
nachgeht. Außerdem beschäftigen wir uns mit der wieder aufgeflammten
Debatte um Spekulationen auf Nahrungsmittel und Öl und der europäi-
schen Finanzmarktregulierung. Aufhorchen ließ die Wiener Börse, indem
sie eine neue große Privatisierungswelle forderte und gleich die passende
Studie dazu mitlieferte. Erwähnenswert fanden wir zudem die Umstruktu-
rierung der E-Control, die Bilanzoffenlegungsmoral der Unternehmen, die
vollständige Liberalisierung des Postmarktes, die jüngsten Entwicklungen
in der steuerlichen Forschungsförderung und einiges mehr.
In diesem Sinne freuen wir uns über unser Erstlingswerk und auf die vielen
Ausgaben, die noch folgen werden.Die Redaktion
editorial
Wirtschaftspolitik – Standpunkte. 02 | 2011. seite 1 von 14
wirtschaftspolitik– standpunkte 02|2011
impreSSum
Herausgeberin und MedieninHaberin:
Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien,
1040 Wien, Prinz Eugen Straße 20-22
redaktion: Maria Maltschnig und Susanne Wixforth
Layout und satz: Julia Kolda
VerLags- und HersteLLungsort: Wien
erscHeinungsweise: 4 mal jährlich
kostenLose besteLLung unter: http://wien.arbeiterkammer.at/newsletter
MeHr wettbewerb iM seite 02
gLobaLen finanzsektor?
Hat der eurorauM eine zukunft? seite 04
europa seite 06
– FAlSCh VERSTANDEN
der aufscHwung koMMt seite 07
(zunäcHst) nur oben an
priVatisierungen seite 08
EIN VERlUSTGESChäFT
ideoLogiefrei? seite 09
ak studie: seite 10
AGRAREINKOMMEN IN ÖSTERREICh UND
IN DER EUROPäISChEN UNION
der nacHHaLtigkeitsscHMäH seite 12
Mit den grünen arbeitspLätzen
ökostroMgesetz neu seite 14
NUR MIT DEN KONSUMENTiNNEN
UND NIChT GEGEN SIE
niederLassungsfreiHeit seite 15
der unterneHMen:
EU-KOMMISSION WIll EINhEIT VON SATZUNGS-
UND VERWAlTUNGSSITZ KIPPEN
bucHbesprecHung: seite 17
POSTWAChSTUMSGESEllSChAFT
– KONZEPTE FüR DIE ZUKUNFT
inhalt
Die Managergehälter befinden sich wieder auf dem Vorkrisenniveau, während
die Beschäftigten der österreichischen Leitbetriebe nichts vom Aufschwung
spüren. Wie es um die Zukunft des Euro steht, wird heftig diskutiert. Die
Wirtschaftskrise mutierte zur Krise der öffentlichen Haushalte – ein willkom-
mener Anlass für manche, eine neue Privatisierungswelle zu fordern.
Nach der Krise ist vor der Krise – Der Eindruck verfestigt sich, wenn man
die aktuelle wirtschaftspolitische Debatte verfolgt. Dieser Umstand muss sich
ändern, wenn es nach den AutorInnen dieser Ausgabe geht, die auch gleich
konkrete Lösungen mitliefern. „Too big to fail“ muss Geschichte sein. Das
meint etwa EBRD-Direktor Kurt Bayer in seinem Gastartikel. Er fordert eine
merkliche Verkleinerung des Finanzsektors und einen Mechanismus, mit des-
sen Hilfe marode Banken abgewickelt werden können, ohne die Realwirt-
schaft zu gefährden. Nachdrücklich eingefordert wird von den AutorInnen
auch die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen. Sie sollen Ge-
winne investieren, Arbeitsplätze sichern und ausbauen. Dass die Interessen
der GesellschafterInnen von Unternehmen ultimativen Vorrang haben, ist ein
gescheitertes Paradigma. Ebenso die Privatisierung von öffentlichem Eigentum,
die zur Budgetsanierung völlig ungeeignet ist und die Versorgungssicherheit
der Bevölkerung gefährdet.
Brisant ist auch die momentane Auseinandersetzung um die Energie- und Um-
weltpolitik. Bei den Verhandlungen um das neue Ökostromgesetz wurden die
Interessensgegensätze der Beteiligten besonders offensichtlich. Und was hat
es eigentlich mit den „Green Jobs“ auf sich?
Eine spannende Lektüre wünscht Die Redaktion
editorial
Wirtschaftspolitik – Standpunkte. 03 | 2011. seite 1 von 24
wirtschaftspolitik– standpunkte 03|2011
impreSSum
Herausgeberin und MedieninHaberin:
Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien,
1040 Wien, Prinz Eugen Straße 20-22
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Layout und satz: Julia Kolda
VerLags- und HersteLLungsort: Wien
erscHeinungsweise: 4 mal jährlich
kostenLose besteLLung unter: http://wien.arbeiterkammer.at/newsletter
poLarisierung der seite 02
einkoMMensVerteiLung
STRUKTUREllE URSAChE DER KRISE
ezb iM dienste der banken, seite 03
nicHt der staaten
neue europäiscHe seite 06
finanzarcHitektur – EINE GlEIChUNG MIT
NOCh (ZU) VIElEN UNBEKANNTEN?
eins und eins ist zwei seite 08
die wäHrungsunion ist seite 09
reforMiert – IST SIE DAS?
reguLierung der finanzMärkte seite 11
in den usa und der eu – AllES PAlETTI?
oecd LänderprüfbericHt seite 13
österreicH – EINE KRITISChE WüRDIGUNG
nacHHaLtig wirtscHaften, seite 14
aber wie?
ökostroMgesetz 2012 seite 16
die neue energieeffizienzricHtLinie seite 17
EIN VORSChlAG DER EU KOMMISSION
die scHeinaLternatiVe seite 19
„biokraftstoffe“
bescHäftigt in der seite 21
forscHung(sabteiLung) eines
unterneHMens – EIN BENEIDENSWERTER JOB?
eu-grünbucH zu corporate seite 22
goVernance – AK FORDERT VERBINDlIChEN
MASSNAhMENKATAlOG
das neue seite 23
teLekoMMunikationsgesetz
inhalt
Die Finanz-, Wirtschafts-, Schulden-, Umwelt-, Arbeitsmarkt- bzw die globale
Krise beschäftigt uns nach wie vor. Und es scheint der Politik nicht zu gelin-
gen, Europa in einem absehbaren Zeitraum aus dieser multiplen Krise heraus
zu führen. Folgt man den AutorInnen dieser Ausgabe von Wirtschaftspolitik-
Standpunkte, liegt das an verfehlten Konzepten und – vor allem bei der Neu-
ordnung der Finanzmärkte und der Stabilisierung des Euro – an mangelnder
Ambition. Der Ökonom Engelbert Stockhammer belegt, dass die gestiegene
Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen ursächlich für die Krise
verantwortlich war und eine ausgewogene Verteilung nicht Luxus sondern
Voraussetzung für ein stabiles Wachstumsregime ist. Andere AutorInnen wid-
men sich den aktuellen Maßnahmen zur Stabilisierung des Euro, dem OECD
Länderbericht und der Debatte um nachhaltiges Wirtschaften.
Auch in spezifischeren Politikbereichen hat sich einiges getan. Nach langem
hin und her wurde die Novelle des Ökostromgesetzes auf Schiene gebracht
und ein neues Telekommunikationsgesetz im Ministerrat verabschiedet. Die
Europäische Kommission legte ein Grünbuch zur Corporate Governance vor,
das sich vor allem um die Interessen der AktionärInnen dreht. Was die AK
Wien von all dem hält und was uns die Beschäftigten im Forschungsbereich
über ihre Arbeitszufriedenheit mitgeteilt haben, erfahren Sie hier.
Eine aufschlussreiche Lektüre wünscht
Die Redaktion
editorial
Wirtschaftspolitik – Standpunkte. 04 | 2011. seite 1 von 15
wirtschaftspolitik– standpunkte 04|2011
impreSSum
Herausgeberin und MedieninHaberin:
Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien,
1040 Wien, Prinz Eugen Straße 20-22
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Layout und satz: Julia Kolda
VerLags- und HersteLLungsort: Wien
erscHeinungsweise: 4 mal jährlich
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scHuLdenbreMse in der Verfassung seite 02
BudgetpolitiSche SpielräuMe Schaffen
Statt auSBreMSen!
„wage Moderation“ seite 04
die lohnpolitiSche oBSeSSion der eu
die wirkungsweise steuerLicHer seite 06
forscHungsförderung
Mifid und Mad seite 08
SynonyMe für den auSWeg auS der
finanzKriSe?
eu-urHeberrecHt seite 09
SchutzfriSten für MuSiKaufnahMen nun
doch verlängert
diVersität Muss pfLicHt sein! seite 11
scHutz Vor ÜbernaHMen fÜr seite 12
unterneHMen der sicHerHeits- und
daseinsVorsorge
waruM gut Verdienende seite 13
Landwirte/innen keine
einkoMMensteuer zaHLen
die scHweLLenwerteVerordnung seite 14
vergaBerecht alS vehiKel zur
KonJunKturanKurBelung
inhalt
Die Eskalation der Krise der Eurozone ist mittlerweile in Österreich an-
gelangt. Weil Moody’s Österreich und Standard & Poor’s der gesamten Eu-
rozone mit einem Downrating drohte, beschloss der Nationalrat mit den
Stimmen der Regierungsparteien eine Schuldenbremse einzuführen, die ein
strukturelles Defizit vorsieht. Warum wir finden, dass dieses Instrument
nicht geeignet ist, den Euro zu retten und wirtschaftspolitisch ein schwerer
Fehler ist, beschreibt Georg Feigl in seinem Artikel. Johannes Schweighofer
argumentiert, dass die Überschussländer in der EU schleunigst angemesse-
ne Lohnabschlüsse brauchen, die sich an der Benya-Formel orientieren. Er
skizziert, welche Fehler dahingehend in der Europäischen Debatte began-
gen werden. Um die Krisenanfälligkeit des Wirtschaftssystems in Zukunft
einzudämmen ist eine merkbare Kontrolle der Finanzmärkte unerlässlich.
Aktuelle Richtlinienvorschläge der Europäischen Kommission geben wenig
Hoffnung, dass dies passieren wird, argumentieren Susanne Wixforth und
Judith Vorbach.
Auch strukturpolitisch hat sich in den letzten Monaten wieder einiges getan:
Ein Rechtsgutachten für die Arbeiterkammer Wien bestätigt die Verfassungs-
widrigkeit der umfassenden Vollpauschalierung von Agrarbetrieben, Über-
nahmen von Versorgungsunternehmen wurden erschwert und die Debatte
um Frauenquoten in Aufsichtsräten kam ein – wenn auch kleines – Stück
voran. Besonders ans Herz legen möchten wir Ihnen den Artikel von Andre-
as Schibany, der eindrucksvoll argumentiert, warum die jetzige Ausgestaltung
der steuerlichen Forschungsförderung alles andere als zielführend ist.
Eine spannende Lektüre und erholsame Feiertage wünscht
Die Redaktion
editorial
Wirtschaftspolitik – Standpunkte. 01 | 2012. seite 1 von 16
wirtschaftspolitik– standpunkte 01|2012
impreSSum | offenlegung gem § 25 medieng
Herausgeberin und MedieninHaberin: Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien,
1040 Wien, Prinz Eugen Straße 20 – 22
redaktion: Maria Maltschnig und Susanne Wixforth
Layout und satz: Julia Kolda
VerLags- und HersteLLungsort: Wien
erscHeinungsweise: 4 mal jährlich
kostenLose besteLLung unter: http://wien.arbeiterkammer.at/newsletter
bLattLinie: Die Meinungen der AutorInnen.
inhalt
Alles dreht sich ums Sparen, zumindest wenn man den wirtschaftspolitischen Diskurs der vergangenen Monate verfolgt. Somit kommen auch wir nicht umhin, in dieser Ausgabe wieder einen besonderen Fokus auf die Folgen der Schul-denhysterie zu legen. Christa Schlager nimmt das Österreichische Konsolidie-rungspaket unter die Lupe und liefert gleich Prognosen über die gesamtwirt-schaftlichen Auswirkungen desselben mit. Markus Marterbauer warnt vor der EU-weiten Schrumpfkur im öffentlichen Sektor, die ein „verlorenes Jahrzehnt“ mit sich bringen könnte und hält ein Plädoyer für den sozialen Fortschritt. Dass Österreich bei seiner Schuldenbremse ausgerechnet das deutsche Modell als Vorbild nimmt, sorgt für Kopfschütteln bei dem Düsseldorfer Ökonom Achim Truger, der in einem Gastartikel die ausgeprägten Schwächen dieses Korsetts eindrucksvoll darlegt.
Auf EU Ebene tat sich auch abseits des Spar-Wahns einiges. Die Macht der Ratingagenturen soll zurückgedrängt werden, es gibt neue Vergaberichtlinien und die Art und Weise wie das Spanungsfeld zwischen Daseinsvorsorge und Beihilfenrecht gesehen wird, hat sich verändert. Außerdem ist das Match um das umstrittene „Anti-Piraterie-Abkommen“ ACTA noch lange nicht entschieden.
Wer sich in letzter Zeit in Wien um Mietwohnungen umgeschaut hat, dem ist die Lust auf einen Umzug ob der massiv gestiegenen Preise gründlich vergangen. Die ImmobilienbesitzerInnen schieben die Schuld auf hohe Gebühren, die AK kommt zu einem anderen Schluss: Es sind schlicht und einfach die Nettomieten, die die Wohnungskosten in die Höhe treiben, wie eine kürzlich erschienene Studie belegt. Nach wie vor trist schaut es in den Führungsetagen der großen Unternehmen für Frauen aus. Die Versprechungen seitens der Industrie sich um einen höheren Frauenanteil im Management zu bemühen, sind offensichtlich reine Lippenbekenntnisse. Wir fordern deshalb:
Her mit der Quote!Die Redaktion
editorial
Wirtschaftspolitik
wie österreicH spart seite 02
soziaLer fortscHritt statt seite 04deMontage des soziaLstaatesKoMMentar von MarKuS MarterBauer
die deutscHe scHuLdenbreMse seite 05ein leuchtendeS vorBild für ÖSterreich und europa?
brandpunkt ratingagenturen seite 07iM europäiSchen parlaMent Beginnt die heiSSe phaSe
strukturpolitik
ak frauen. seite 08ManageMent.report 2012frauen Sind SoWohl in den vorStänden alS auch in den aufSichtSräten Weiterhin die auSnahMe
neue strafbestiMMungen seite 09 zeigen wirkung90% der groSSen KapitalgeSellSchaften haBen 2011 friStgerecht den JahreSaBSchluSS offengelegt
acta seite 10uMStritteneS antipiraterie-aBKoMMen Mit folgen?
priVatMieten steigen doppeLt so seite 12 stark wie einkoMMen und infLation
wie VieL beiHiLfenrecHt seite 13 Verträgt die daseinsVorsorge?
reVision der eu-VergaberegeLn seite 15
wirtschaftspolitik– standpunkte
Meinung, Position, Überzeugung. Der digitale Newsletter der Ab-teilung Wirtschaftspolitik in der Wiener Arbeiterkammer behandelt Aspekte der Standortpolitik, des Wirtschaftsrechts, der Regulierung diverser Branchen und allgemeine wirtschaftspolitische Fragestellun-gen aus der Perspektive von ArbeitnehmerInnen. Wirtschaftspolitik-Standpunkte erscheint 4-mal Jährlich und wird per Email versandt.
Kostenlose Bestellung und alle Ausgaben nachlesen unter: http://wien.arbeiterkammer.at/wp-standpunkte
Wirtschaftspolitik – Standpunkte. 01 | 2011. seite 1 von 14
wirtschaftspolitik– standpunkte 01|2011
impreSSum
Herausgeberin und MedieninHaberin:
Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien,
1040 Wien, Prinz Eugen Straße 20-22
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Layout und satz: Julia Kolda
VerLags- und HersteLLungsort: Wien
erscHeinungsweise: 4 mal jährlich
kostenLose besteLLung unter: http://wien.arbeiterkammer.at/newsletter
staatsscHuLdenkrise seite 02
roHstoffHandeL seite 03
Der neue Selbstbedienungsmarkt
für SpekulantInnen?
nicHt scHon wieder 2008 seite 03
Rohstoffspekulationen feiern ein
unerwünschtes Comeback
finanzMarktreguLierung seite 04
Kann alles beim Alten bleiben?
europeans for financiaL reforM seite 06
Eine Zwischenbilanz
ak für priVatisierungsstopp seite 06
neue pauscHaLierungsVerordnung seite 07
Größere Agrarbetriebe werden
reich beschenkt!
ak studie
seite 08
Die Beschäftigungswirkung von Innovationen
VorLäufiges ende der seite 09
diskussion uM die steuerLicHe
förderung Von forscHung und
entwickLung
offenLegungspfLicHt Von seite 10
JaHresabscHLüssen
Theorie und gelebte Unternehmenspraxis
die neue reguLierungsbeHörde seite 11
für den stroM- und gasbereicH
LiberaLisierung der seite 12
postdienste Mit 1.1.2011
tanksteLLen
seite 13
Nur eine Preiserhöhung pro Tag erlaubt
inhalt
Wirtschaftspolitik – Standpunkte. Meinung, Position, Überzeugung. Was es
damit auf sich hat? Wir – das ist die Abteilung Wirtschaftspolitik in der Wie-
ner Arbeiterkammer – arbeiten an Aspekten der Standortpolitik, des Wirt-
schaftsrechts, der Regulierung diverser Branchen und an allgemeinen wirt-
schaftspolitischen Fragestellungen. Dabei verfolgen wir das Ziel, die Situation
der Beschäftigten zu verbessern und KonsumentInnenrechte durchzusetzen.
Das ist auch der Standpunkt, von dem aus wir uns dem wirtschaftspoliti-
schen Geschehen annähern und in dem Newsletter, dessen erste Ausga-
be Sie geradevor sich haben, davon berichten wollen. Wirtschaftspolitik –
Standpunkte wird in Zukunft am Ende jedes Quartals erscheinen und per
E-Mail versandt. Wer will, kann sich jederzeit auf der Homepage der Arbei-
terkammer Wien in den Verteiler aufnehmen lassen.
Eröffnet wird diese erste Ausgabe von Helene Schuberth, die in einem
Gastartikel den politischen Folgen der krisenbedingten Staatsverschuldung
nachgeht. Außerdem beschäftigen wir uns mit der wieder aufgeflammten
Debatte um Spekulationen auf Nahrungsmittel und Öl und der europäi-
schen Finanzmarktregulierung. Aufhorchen ließ die Wiener Börse, indem
sie eine neue große Privatisierungswelle forderte und gleich die passende
Studie dazu mitlieferte. Erwähnenswert fanden wir zudem die Umstruktu-
rierung der E-Control, die Bilanzoffenlegungsmoral der Unternehmen, die
vollständige Liberalisierung des Postmarktes, die jüngsten Entwicklungen
in der steuerlichen Forschungsförderung und einiges mehr.
In diesem Sinne freuen wir uns über unser Erstlingswerk und auf die vielen
Ausgaben, die noch folgen werden.Die Redaktion
editorial
Wirtschaftspolitik – Standpunkte. 02 | 2011. seite 1 von 14
wirtschaftspolitik– standpunkte 02|2011
impreSSum
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Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien,
1040 Wien, Prinz Eugen Straße 20-22
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gLobaLen finanzsektor?
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europa seite 06
– FAlSCh VERSTANDEN
der aufscHwung koMMt seite 07
(zunäcHst) nur oben an
priVatisierungen seite 08
EIN VERlUSTGESChäFT
ideoLogiefrei? seite 09
ak studie: seite 10
AGRAREINKOMMEN IN ÖSTERREICh UND
IN DER EUROPäISChEN UNION
der nacHHaLtigkeitsscHMäH seite 12
Mit den grünen arbeitspLätzen
ökostroMgesetz neu seite 14
NUR MIT DEN KONSUMENTiNNEN
UND NIChT GEGEN SIE
niederLassungsfreiHeit seite 15
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EU-KOMMISSION WIll EINhEIT VON SATZUNGS-
UND VERWAlTUNGSSITZ KIPPEN
bucHbesprecHung: seite 17
POSTWAChSTUMSGESEllSChAFT
– KONZEPTE FüR DIE ZUKUNFT
inhalt
Die Managergehälter befinden sich wieder auf dem Vorkrisenniveau, während
die Beschäftigten der österreichischen Leitbetriebe nichts vom Aufschwung
spüren. Wie es um die Zukunft des Euro steht, wird heftig diskutiert. Die
Wirtschaftskrise mutierte zur Krise der öffentlichen Haushalte – ein willkom-
mener Anlass für manche, eine neue Privatisierungswelle zu fordern.
Nach der Krise ist vor der Krise – Der Eindruck verfestigt sich, wenn man
die aktuelle wirtschaftspolitische Debatte verfolgt. Dieser Umstand muss sich
ändern, wenn es nach den AutorInnen dieser Ausgabe geht, die auch gleich
konkrete Lösungen mitliefern. „Too big to fail“ muss Geschichte sein. Das
meint etwa EBRD-Direktor Kurt Bayer in seinem Gastartikel. Er fordert eine
merkliche Verkleinerung des Finanzsektors und einen Mechanismus, mit des-
sen Hilfe marode Banken abgewickelt werden können, ohne die Realwirt-
schaft zu gefährden. Nachdrücklich eingefordert wird von den AutorInnen
auch die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen. Sie sollen Ge-
winne investieren, Arbeitsplätze sichern und ausbauen. Dass die Interessen
der GesellschafterInnen von Unternehmen ultimativen Vorrang haben, ist ein
gescheitertes Paradigma. Ebenso die Privatisierung von öffentlichem Eigentum,
die zur Budgetsanierung völlig ungeeignet ist und die Versorgungssicherheit
der Bevölkerung gefährdet.
Brisant ist auch die momentane Auseinandersetzung um die Energie- und Um-
weltpolitik. Bei den Verhandlungen um das neue Ökostromgesetz wurden die
Interessensgegensätze der Beteiligten besonders offensichtlich. Und was hat
es eigentlich mit den „Green Jobs“ auf sich?
Eine spannende Lektüre wünscht Die Redaktion
editorial
Wirtschaftspolitik – Standpunkte. 03 | 2011. seite 1 von 24
wirtschaftspolitik– standpunkte 03|2011
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poLarisierung der seite 02
einkoMMensVerteiLung
STRUKTUREllE URSAChE DER KRISE
ezb iM dienste der banken, seite 03
nicHt der staaten
neue europäiscHe seite 06
finanzarcHitektur – EINE GlEIChUNG MIT
NOCh (ZU) VIElEN UNBEKANNTEN?
eins und eins ist zwei seite 08
die wäHrungsunion ist seite 09
reforMiert – IST SIE DAS?
reguLierung der finanzMärkte seite 11
in den usa und der eu – AllES PAlETTI?
oecd LänderprüfbericHt seite 13
österreicH – EINE KRITISChE WüRDIGUNG
nacHHaLtig wirtscHaften, seite 14
aber wie?
ökostroMgesetz 2012 seite 16
die neue energieeffizienzricHtLinie seite 17
EIN VORSChlAG DER EU KOMMISSION
die scHeinaLternatiVe seite 19
„biokraftstoffe“
bescHäftigt in der seite 21
forscHung(sabteiLung) eines
unterneHMens – EIN BENEIDENSWERTER JOB?
eu-grünbucH zu corporate seite 22
goVernance – AK FORDERT VERBINDlIChEN
MASSNAhMENKATAlOG
das neue seite 23
teLekoMMunikationsgesetz
inhalt
Die Finanz-, Wirtschafts-, Schulden-, Umwelt-, Arbeitsmarkt- bzw die globale
Krise beschäftigt uns nach wie vor. Und es scheint der Politik nicht zu gelin-
gen, Europa in einem absehbaren Zeitraum aus dieser multiplen Krise heraus
zu führen. Folgt man den AutorInnen dieser Ausgabe von Wirtschaftspolitik-
Standpunkte, liegt das an verfehlten Konzepten und – vor allem bei der Neu-
ordnung der Finanzmärkte und der Stabilisierung des Euro – an mangelnder
Ambition. Der Ökonom Engelbert Stockhammer belegt, dass die gestiegene
Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen ursächlich für die Krise
verantwortlich war und eine ausgewogene Verteilung nicht Luxus sondern
Voraussetzung für ein stabiles Wachstumsregime ist. Andere AutorInnen wid-
men sich den aktuellen Maßnahmen zur Stabilisierung des Euro, dem OECD
Länderbericht und der Debatte um nachhaltiges Wirtschaften.
Auch in spezifischeren Politikbereichen hat sich einiges getan. Nach langem
hin und her wurde die Novelle des Ökostromgesetzes auf Schiene gebracht
und ein neues Telekommunikationsgesetz im Ministerrat verabschiedet. Die
Europäische Kommission legte ein Grünbuch zur Corporate Governance vor,
das sich vor allem um die Interessen der AktionärInnen dreht. Was die AK
Wien von all dem hält und was uns die Beschäftigten im Forschungsbereich
über ihre Arbeitszufriedenheit mitgeteilt haben, erfahren Sie hier.
Eine aufschlussreiche Lektüre wünscht
Die Redaktion
editorial
Wirtschaftspolitik – Standpunkte. 04 | 2011. seite 1 von 15
wirtschaftspolitik– standpunkte 04|2011
impreSSum
Herausgeberin und MedieninHaberin:
Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien,
1040 Wien, Prinz Eugen Straße 20-22
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Layout und satz: Julia Kolda
VerLags- und HersteLLungsort: Wien
erscHeinungsweise: 4 mal jährlich
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scHuLdenbreMse in der Verfassung seite 02
BudgetpolitiSche SpielräuMe Schaffen
Statt auSBreMSen!
„wage Moderation“ seite 04
die lohnpolitiSche oBSeSSion der eu
die wirkungsweise steuerLicHer seite 06
forscHungsförderung
Mifid und Mad seite 08
SynonyMe für den auSWeg auS der
finanzKriSe?
eu-urHeberrecHt seite 09
SchutzfriSten für MuSiKaufnahMen nun
doch verlängert
diVersität Muss pfLicHt sein! seite 11
scHutz Vor ÜbernaHMen fÜr seite 12
unterneHMen der sicHerHeits- und
daseinsVorsorge
waruM gut Verdienende seite 13
Landwirte/innen keine
einkoMMensteuer zaHLen
die scHweLLenwerteVerordnung seite 14
vergaBerecht alS vehiKel zur
KonJunKturanKurBelung
inhalt
Die Eskalation der Krise der Eurozone ist mittlerweile in Österreich an-
gelangt. Weil Moody’s Österreich und Standard & Poor’s der gesamten Eu-
rozone mit einem Downrating drohte, beschloss der Nationalrat mit den
Stimmen der Regierungsparteien eine Schuldenbremse einzuführen, die ein
strukturelles Defizit vorsieht. Warum wir finden, dass dieses Instrument
nicht geeignet ist, den Euro zu retten und wirtschaftspolitisch ein schwerer
Fehler ist, beschreibt Georg Feigl in seinem Artikel. Johannes Schweighofer
argumentiert, dass die Überschussländer in der EU schleunigst angemesse-
ne Lohnabschlüsse brauchen, die sich an der Benya-Formel orientieren. Er
skizziert, welche Fehler dahingehend in der Europäischen Debatte began-
gen werden. Um die Krisenanfälligkeit des Wirtschaftssystems in Zukunft
einzudämmen ist eine merkbare Kontrolle der Finanzmärkte unerlässlich.
Aktuelle Richtlinienvorschläge der Europäischen Kommission geben wenig
Hoffnung, dass dies passieren wird, argumentieren Susanne Wixforth und
Judith Vorbach.
Auch strukturpolitisch hat sich in den letzten Monaten wieder einiges getan:
Ein Rechtsgutachten für die Arbeiterkammer Wien bestätigt die Verfassungs-
widrigkeit der umfassenden Vollpauschalierung von Agrarbetrieben, Über-
nahmen von Versorgungsunternehmen wurden erschwert und die Debatte
um Frauenquoten in Aufsichtsräten kam ein – wenn auch kleines – Stück
voran. Besonders ans Herz legen möchten wir Ihnen den Artikel von Andre-
as Schibany, der eindrucksvoll argumentiert, warum die jetzige Ausgestaltung
der steuerlichen Forschungsförderung alles andere als zielführend ist.
Eine spannende Lektüre und erholsame Feiertage wünscht
Die Redaktion
editorial
Wirtschaftspolitik – Standpunkte. 01 | 2012. seite 1 von 16
wirtschaftspolitik– standpunkte 01|2012
impreSSum | offenlegung gem § 25 medieng
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1040 Wien, Prinz Eugen Straße 20 – 22
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Layout und satz: Julia Kolda
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bLattLinie: Die Meinungen der AutorInnen.
inhalt
Alles dreht sich ums Sparen, zumindest wenn man den wirtschaftspolitischen Diskurs der vergangenen Monate verfolgt. Somit kommen auch wir nicht umhin, in dieser Ausgabe wieder einen besonderen Fokus auf die Folgen der Schul-denhysterie zu legen. Christa Schlager nimmt das Österreichische Konsolidie-rungspaket unter die Lupe und liefert gleich Prognosen über die gesamtwirt-schaftlichen Auswirkungen desselben mit. Markus Marterbauer warnt vor der EU-weiten Schrumpfkur im öffentlichen Sektor, die ein „verlorenes Jahrzehnt“ mit sich bringen könnte und hält ein Plädoyer für den sozialen Fortschritt. Dass Österreich bei seiner Schuldenbremse ausgerechnet das deutsche Modell als Vorbild nimmt, sorgt für Kopfschütteln bei dem Düsseldorfer Ökonom Achim Truger, der in einem Gastartikel die ausgeprägten Schwächen dieses Korsetts eindrucksvoll darlegt.
Auf EU Ebene tat sich auch abseits des Spar-Wahns einiges. Die Macht der Ratingagenturen soll zurückgedrängt werden, es gibt neue Vergaberichtlinien und die Art und Weise wie das Spanungsfeld zwischen Daseinsvorsorge und Beihilfenrecht gesehen wird, hat sich verändert. Außerdem ist das Match um das umstrittene „Anti-Piraterie-Abkommen“ ACTA noch lange nicht entschieden.
Wer sich in letzter Zeit in Wien um Mietwohnungen umgeschaut hat, dem ist die Lust auf einen Umzug ob der massiv gestiegenen Preise gründlich vergangen. Die ImmobilienbesitzerInnen schieben die Schuld auf hohe Gebühren, die AK kommt zu einem anderen Schluss: Es sind schlicht und einfach die Nettomieten, die die Wohnungskosten in die Höhe treiben, wie eine kürzlich erschienene Studie belegt. Nach wie vor trist schaut es in den Führungsetagen der großen Unternehmen für Frauen aus. Die Versprechungen seitens der Industrie sich um einen höheren Frauenanteil im Management zu bemühen, sind offensichtlich reine Lippenbekenntnisse. Wir fordern deshalb:
Her mit der Quote!Die Redaktion
editorial
Wirtschaftspolitik
wie österreicH spart seite 02
soziaLer fortscHritt statt seite 04deMontage des soziaLstaatesKoMMentar von MarKuS MarterBauer
die deutscHe scHuLdenbreMse seite 05ein leuchtendeS vorBild für ÖSterreich und europa?
brandpunkt ratingagenturen seite 07iM europäiSchen parlaMent Beginnt die heiSSe phaSe
strukturpolitik
ak frauen. seite 08ManageMent.report 2012frauen Sind SoWohl in den vorStänden alS auch in den aufSichtSräten Weiterhin die auSnahMe
neue strafbestiMMungen seite 09 zeigen wirkung90% der groSSen KapitalgeSellSchaften haBen 2011 friStgerecht den JahreSaBSchluSS offengelegt
acta seite 10uMStritteneS antipiraterie-aBKoMMen Mit folgen?
priVatMieten steigen doppeLt so seite 12 stark wie einkoMMen und infLation
wie VieL beiHiLfenrecHt seite 13 Verträgt die daseinsVorsorge?
reVision der eu-VergaberegeLn seite 15
wirtschaftspolitik– standpunkte
Meinung, Position, Überzeugung. Der digitale Newsletter der Ab-teilung Wirtschaftspolitik in der Wiener Arbeiterkammer behandelt Aspekte der Standortpolitik, des Wirtschaftsrechts, der Regulierung diverser Branchen und allgemeine wirtschaftspolitische Fragestellun-gen aus der Perspektive von ArbeitnehmerInnen. Wirtschaftspolitik-Standpunkte erscheint 4-mal Jährlich und wird per Email versandt.
Kostenlose Bestellung und alle Ausgaben nachlesen unter: http://wien.arbeiterkammer.at/wp-standpunkte
Wirtschaftspolitik – Standpunkte. 01 | 2011. seite 1 von 14
wirtschaftspolitik
– standpunkte 01|2011
impreSSum
Herausgeberin und MedieninHaberin:
Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien,
1040 Wien, Prinz Eugen Straße 20-22
redaktion: Maria Maltschnig und Susanne Wixforth
Layout und satz: Julia Kolda
VerLags- und HersteLLungsort: Wien
erscHeinungsweise: 4 mal jährlich
kostenLose besteLLung unter: http://wien.arbeiterkammer.at/newsletter
staatsscHuLdenkrise seite 02
roHstoffHandeL
seite 03
Der neue Selbstbedienungsmarkt
für SpekulantInnen?
nicHt scHon wieder 2008 seite 03
Rohstoffspekulationen feiern ein
unerwünschtes Comeback
finanzMarktreguLierung seite 04
Kann alles beim Alten bleiben?
europeans for financiaL reforM seite 06
Eine Zwischenbilanz
ak für priVatisierungsstopp seite 06
neue pauscHaLierungsVerordnung seite 07
Größere Agrarbetriebe werden
reich beschenkt!
ak studie
seite 08
Die Beschäftigungswirkung von Innovationen
VorLäufiges ende der seite 09
diskussion uM die steuerLicHe
förderung Von forscHung und
entwickLung
offenLegungspfLicHt Von seite 10
JaHresabscHLüssen
Theorie und gelebte Unternehmenspraxis
die neue reguLierungsbeHörde seite 11
für den stroM- und gasbereicH
LiberaLisierung der seite 12
postdienste Mit 1.1.2011
tanksteLLen
seite 13
Nur eine Preiserhöhung pro Tag erlaubt
inhaltWirtschaftspolitik – Standpunkte. Meinung, Position, Überzeugung. Was es
damit auf sich hat? Wir – das ist die Abteilung Wirtschaftspolitik in der Wie-
ner Arbeiterkammer – arbeiten an Aspekten der Standortpolitik, des Wirt-
schaftsrechts, der Regulierung diverser Branchen und an allgemeinen wirt-
schaftspolitischen Fragestellungen. Dabei verfolgen wir das Ziel, die Situation
der Beschäftigten zu verbessern und KonsumentInnenrechte durchzusetzen.
Das ist auch der Standpunkt, von dem aus wir uns dem wirtschaftspoliti-
schen Geschehen annähern und in dem Newsletter, dessen erste Ausga-
be Sie geradevor sich haben, davon berichten wollen. Wirtschaftspolitik –
Standpunkte wird in Zukunft am Ende jedes Quartals erscheinen und per
E-Mail versandt. Wer will, kann sich jederzeit auf der Homepage der Arbei-
terkammer Wien in den Verteiler aufnehmen lassen.
Eröffnet wird diese erste Ausgabe von Helene Schuberth, die in einem
Gastartikel den politischen Folgen der krisenbedingten Staatsverschuldung
nachgeht. Außerdem beschäftigen wir uns mit der wieder aufgeflammten
Debatte um Spekulationen auf Nahrungsmittel und Öl und der europäi-
schen Finanzmarktregulierung. Aufhorchen ließ die Wiener Börse, indem
sie eine neue große Privatisierungswelle forderte und gleich die passende
Studie dazu mitlieferte. Erwähnenswert fanden wir zudem die Umstruktu-
rierung der E-Control, die Bilanzoffenlegungsmoral der Unternehmen, die
vollständige Liberalisierung des Postmarktes, die jüngsten Entwicklungen
in der steuerlichen Forschungsförderung und einiges mehr.
In diesem Sinne freuen wir uns über unser Erstlingswerk und auf die vielen
Ausgaben, die noch folgen werden. Die Redaktion
editorial
Wirtschaftspolitik – Standpunkte. 02 | 2011. seite 1 von 14
wirtschaftspolitik
– standpunkte 02|2011
impreSSum
Herausgeberin und MedieninHaberin:
Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien,
1040 Wien, Prinz Eugen Straße 20-22
redaktion: Maria Maltschnig und Susanne Wixforth
Layout und satz: Julia Kolda
VerLags- und HersteLLungsort: Wien
erscHeinungsweise: 4 mal jährlich
kostenLose besteLLung unter: http://wien.arbeiterkammer.at/newsletter
MeHr wettbewerb iM seite 02
gLobaLen finanzsektor?
Hat der eurorauM eine zukunft? seite 04
europa
seite 06
– FAlSCh VERSTANDEN
der aufscHwung koMMt seite 07
(zunäcHst) nur oben an
priVatisierungen seite 08
EIN VERlUSTGESChäFT
ideoLogiefrei? seite 09
ak studie:
seite 10
AGRAREINKOMMEN IN ÖSTERREICh UND
IN DER EUROPäISChEN UNION
der nacHHaLtigkeitsscHMäH seite 12
Mit den grünen arbeitspLätzen
ökostroMgesetz neu seite 14
NUR MIT DEN KONSUMENTiNNEN
UND NIChT GEGEN SIE
niederLassungsfreiHeit seite 15
der unterneHMen:
EU-KOMMISSION WIll EINhEIT VON SATZUNGS-
UND VERWAlTUNGSSITZ KIPPEN
bucHbesprecHung: seite 17
POSTWAChSTUMSGESEllSChAFT
– KONZEPTE FüR DIE ZUKUNFT
inhaltDie Managergehälter befinden sich wieder auf dem Vorkrisenniveau, während
die Beschäftigten der österreichischen Leitbetriebe nichts vom Aufschwung
spüren. Wie es um die Zukunft des Euro steht, wird heftig diskutiert. Die
Wirtschaftskrise mutierte zur Krise der öffentlichen Haushalte – ein willkom-
mener Anlass für manche, eine neue Privatisierungswelle zu fordern.
Nach der Krise ist vor der Krise – Der Eindruck verfestigt sich, wenn man
die aktuelle wirtschaftspolitische Debatte verfolgt. Dieser Umstand muss sich
ändern, wenn es nach den AutorInnen dieser Ausgabe geht, die auch gleich
konkrete Lösungen mitliefern. „Too big to fail“ muss Geschichte sein. Das
meint etwa EBRD-Direktor Kurt Bayer in seinem Gastartikel. Er fordert eine
merkliche Verkleinerung des Finanzsektors und einen Mechanismus, mit des-
sen Hilfe marode Banken abgewickelt werden können, ohne die Realwirt-
schaft zu gefährden. Nachdrücklich eingefordert wird von den AutorInnen
auch die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen. Sie sollen Ge-
winne investieren, Arbeitsplätze sichern und ausbauen. Dass die Interessen
der GesellschafterInnen von Unternehmen ultimativen Vorrang haben, ist ein
gescheitertes Paradigma. Ebenso die Privatisierung von öffentlichem Eigentum,
die zur Budgetsanierung völlig ungeeignet ist und die Versorgungssicherheit
der Bevölkerung gefährdet.
Brisant ist auch die momentane Auseinandersetzung um die Energie- und Um-
weltpolitik. Bei den Verhandlungen um das neue Ökostromgesetz wurden die
Interessensgegensätze der Beteiligten besonders offensichtlich. Und was hat
es eigentlich mit den „Green Jobs“ auf sich?
Eine spannende Lektüre wünscht Die Redaktion
editorial
Wirtschaftspolitik – Standpunkte. 03 | 2011. seite 1 von 24
wirtschaftspolitik– standpunkte 03|2011
impreSSum
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poLarisierung der seite 02
einkoMMensVerteiLung
STRUKTUREllE URSAChE DER KRISE
ezb iM dienste der banken, seite 03
nicHt der staaten
neue europäiscHe seite 06
finanzarcHitektur – EINE GlEIChUNG MIT
NOCh (ZU) VIElEN UNBEKANNTEN?
eins und eins ist zwei seite 08
die wäHrungsunion ist seite 09
reforMiert – IST SIE DAS?
reguLierung der finanzMärkte seite 11
in den usa und der eu – AllES PAlETTI?
oecd LänderprüfbericHt seite 13
österreicH – EINE KRITISChE WüRDIGUNG
nacHHaLtig wirtscHaften, seite 14
aber wie?
ökostroMgesetz 2012 seite 16
die neue energieeffizienzricHtLinie seite 17
EIN VORSChlAG DER EU KOMMISSION
die scHeinaLternatiVe seite 19
„biokraftstoffe“
bescHäftigt in der seite 21
forscHung(sabteiLung) eines
unterneHMens – EIN BENEIDENSWERTER JOB?
eu-grünbucH zu corporate seite 22
goVernance – AK FORDERT VERBINDlIChEN
MASSNAhMENKATAlOG
das neue seite 23
teLekoMMunikationsgesetz
inhalt
Die Finanz-, Wirtschafts-, Schulden-, Umwelt-, Arbeitsmarkt- bzw die globale
Krise beschäftigt uns nach wie vor. Und es scheint der Politik nicht zu gelin-
gen, Europa in einem absehbaren Zeitraum aus dieser multiplen Krise heraus
zu führen. Folgt man den AutorInnen dieser Ausgabe von Wirtschaftspolitik-
Standpunkte, liegt das an verfehlten Konzepten und – vor allem bei der Neu-
ordnung der Finanzmärkte und der Stabilisierung des Euro – an mangelnder
Ambition. Der Ökonom Engelbert Stockhammer belegt, dass die gestiegene
Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen ursächlich für die Krise
verantwortlich war und eine ausgewogene Verteilung nicht Luxus sondern
Voraussetzung für ein stabiles Wachstumsregime ist. Andere AutorInnen wid-
men sich den aktuellen Maßnahmen zur Stabilisierung des Euro, dem OECD
Länderbericht und der Debatte um nachhaltiges Wirtschaften.
Auch in spezifischeren Politikbereichen hat sich einiges getan. Nach langem
hin und her wurde die Novelle des Ökostromgesetzes auf Schiene gebracht
und ein neues Telekommunikationsgesetz im Ministerrat verabschiedet. Die
Europäische Kommission legte ein Grünbuch zur Corporate Governance vor,
das sich vor allem um die Interessen der AktionärInnen dreht. Was die AK
Wien von all dem hält und was uns die Beschäftigten im Forschungsbereich
über ihre Arbeitszufriedenheit mitgeteilt haben, erfahren Sie hier.
Eine aufschlussreiche Lektüre wünschtDie Redaktion
editorial
Wirtschaftspolitik – Standpunkte. 04 | 2011. seite 1 von 15
wirtschaftspolitik– standpunkte 04|2011
impreSSum
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scHuLdenbreMse in der Verfassung seite 02
BudgetpolitiSche SpielräuMe Schaffen
Statt auSBreMSen!
„wage Moderation“ seite 04
die lohnpolitiSche oBSeSSion der eu
die wirkungsweise steuerLicHer seite 06
forscHungsförderung
Mifid und Mad seite 08
SynonyMe für den auSWeg auS der
finanzKriSe?
eu-urHeberrecHt seite 09
SchutzfriSten für MuSiKaufnahMen nun
doch verlängert
diVersität Muss pfLicHt sein! seite 11
scHutz Vor ÜbernaHMen fÜr seite 12
unterneHMen der sicHerHeits- und
daseinsVorsorge
waruM gut Verdienende seite 13
Landwirte/innen keine
einkoMMensteuer zaHLen
die scHweLLenwerteVerordnung seite 14
vergaBerecht alS vehiKel zur
KonJunKturanKurBelung
inhalt
Die Eskalation der Krise der Eurozone ist mittlerweile in Österreich an-
gelangt. Weil Moody’s Österreich und Standard & Poor’s der gesamten Eu-
rozone mit einem Downrating drohte, beschloss der Nationalrat mit den
Stimmen der Regierungsparteien eine Schuldenbremse einzuführen, die ein
strukturelles Defizit vorsieht. Warum wir finden, dass dieses Instrument
nicht geeignet ist, den Euro zu retten und wirtschaftspolitisch ein schwerer
Fehler ist, beschreibt Georg Feigl in seinem Artikel. Johannes Schweighofer
argumentiert, dass die Überschussländer in der EU schleunigst angemesse-
ne Lohnabschlüsse brauchen, die sich an der Benya-Formel orientieren. Er
skizziert, welche Fehler dahingehend in der Europäischen Debatte began-
gen werden. Um die Krisenanfälligkeit des Wirtschaftssystems in Zukunft
einzudämmen ist eine merkbare Kontrolle der Finanzmärkte unerlässlich.
Aktuelle Richtlinienvorschläge der Europäischen Kommission geben wenig
Hoffnung, dass dies passieren wird, argumentieren Susanne Wixforth und
Judith Vorbach.
Auch strukturpolitisch hat sich in den letzten Monaten wieder einiges getan:
Ein Rechtsgutachten für die Arbeiterkammer Wien bestätigt die Verfassungs-
widrigkeit der umfassenden Vollpauschalierung von Agrarbetrieben, Über-
nahmen von Versorgungsunternehmen wurden erschwert und die Debatte
um Frauenquoten in Aufsichtsräten kam ein – wenn auch kleines – Stück
voran. Besonders ans Herz legen möchten wir Ihnen den Artikel von Andre-
as Schibany, der eindrucksvoll argumentiert, warum die jetzige Ausgestaltung
der steuerlichen Forschungsförderung alles andere als zielführend ist.
Eine spannende Lektüre und erholsame Feiertage wünscht
Die Redaktion
editorial
Wirtschaftspolitik – Standpunkte. 01 | 2012. seite 1 von 16
wirtschaftspolitik– standpunkte 01|2012
impreSSum | offenlegung gem § 25 medieng
Herausgeberin und MedieninHaberin:
Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien,
1040 Wien, Prinz Eugen Straße 20 – 22
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Layout und satz: Julia Kolda
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kostenLose besteLLung unter: http://wien.arbeiterkammer.at/newsletter
bLattLinie: Die Meinungen der AutorInnen.
inhalt
Alles dreht sich ums Sparen, zumindest wenn man den wirtschaftspolitischen
Diskurs der vergangenen Monate verfolgt. Somit kommen auch wir nicht umhin,
in dieser Ausgabe wieder einen besonderen Fokus auf die Folgen der Schul-
denhysterie zu legen. Christa Schlager nimmt das Österreichische Konsolidie-
rungspaket unter die Lupe und liefert gleich Prognosen über die gesamtwirt-
schaftlichen Auswirkungen desselben mit. Markus Marterbauer warnt vor der
EU-weiten Schrumpfkur im öffentlichen Sektor, die ein „verlorenes Jahrzehnt“
mit sich bringen könnte und hält ein Plädoyer für den sozialen Fortschritt. Dass
Österreich bei seiner Schuldenbremse ausgerechnet das deutsche Modell als
Vorbild nimmt, sorgt für Kopfschütteln bei dem Düsseldorfer Ökonom Achim
Truger, der in einem Gastartikel die ausgeprägten Schwächen dieses Korsetts
eindrucksvoll darlegt.
Auf EU Ebene tat sich auch abseits des Spar-Wahns einiges. Die Macht der
Ratingagenturen soll zurückgedrängt werden, es gibt neue Vergaberichtlinien
und die Art und Weise wie das Spanungsfeld zwischen Daseinsvorsorge und
Beihilfenrecht gesehen wird, hat sich verändert. Außerdem ist das Match um das
umstrittene „Anti-Piraterie-Abkommen“ ACTA noch lange nicht entschieden.
Wer sich in letzter Zeit in Wien um Mietwohnungen umgeschaut hat, dem ist
die Lust auf einen Umzug ob der massiv gestiegenen Preise gründlich vergangen.
Die ImmobilienbesitzerInnen schieben die Schuld auf hohe Gebühren, die AK
kommt zu einem anderen Schluss: Es sind schlicht und einfach die Nettomieten,
die die Wohnungskosten in die Höhe treiben, wie eine kürzlich erschienene
Studie belegt. Nach wie vor trist schaut es in den Führungsetagen der großen
Unternehmen für Frauen aus. Die Versprechungen seitens der Industrie sich
um einen höheren Frauenanteil im Management zu bemühen, sind offensichtlich
reine Lippenbekenntnisse. Wir fordern deshalb:
Her mit der Quote!Die Redaktion
editorial
Wirtschaftspolitik
wie österreicH spart seite 02
soziaLer fortscHritt statt seite 04
deMontage des soziaLstaates
KoMMentar von MarKuS MarterBauer
die deutscHe scHuLdenbreMse seite 05
ein leuchtendeS vorBild für ÖSterreich und
europa?
brandpunkt ratingagenturen seite 07
iM europäiSchen parlaMent Beginnt die
heiSSe phaSe
strukturpolitik
ak frauen. seite 08
ManageMent.report 2012
frauen Sind SoWohl in den vorStänden alS
auch in den aufSichtSräten Weiterhin die
auSnahMe
neue strafbestiMMungen seite 09
zeigen wirkung
90% der groSSen KapitalgeSellSchaften
haBen 2011 friStgerecht den JahreSaBSchluSS
offengelegt
acta seite 10
uMStritteneS antipiraterie-aBKoMMen Mit
folgen?
priVatMieten steigen doppeLt so seite 12
stark wie einkoMMen und infLation
wie VieL beiHiLfenrecHt seite 13
Verträgt die daseinsVorsorge?
reVision der eu-VergaberegeLn seite 15
wirtschaftspolitik– standpunkte
Meinung, Position, Überzeugung. Der digitale Newsletter der Ab-teilung Wirtschaftspolitik in der Wiener Arbeiterkammer behandelt Aspekte der Standortpolitik, des Wirtschaftsrechts, der Regulierung diverser Branchen und allgemeine wirtschaftspolitische Fragestellun-gen aus der Perspektive von ArbeitnehmerInnen. Wirtschaftspolitik-Standpunkte erscheint 4-mal Jährlich und wird per Email versandt.
Kostenlose Bestellung und alle Ausgaben nachlesen unter: http://wien.arbeiterkammer.at/wp-standpunkte
Wirtschaftspolitik – Standpunkte. 01 | 2011. seite 1 von 14
wirtschaftspolitik
– standpunkte 01|2011
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1040 Wien, Prinz Eugen Straße 20-22
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erscHeinungsweise: 4 mal jährlich
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staatsscHuLdenkrise seite 02
roHstoffHandeL
seite 03
Der neue Selbstbedienungsmarkt
für SpekulantInnen?
nicHt scHon wieder 2008 seite 03
Rohstoffspekulationen feiern ein
unerwünschtes Comeback
finanzMarktreguLierung seite 04
Kann alles beim Alten bleiben?
europeans for financiaL reforM seite 06
Eine Zwischenbilanz
ak für priVatisierungsstopp seite 06
neue pauscHaLierungsVerordnung seite 07
Größere Agrarbetriebe werden
reich beschenkt!
ak studie
seite 08
Die Beschäftigungswirkung von Innovationen
VorLäufiges ende der seite 09
diskussion uM die steuerLicHe
förderung Von forscHung und
entwickLung
offenLegungspfLicHt Von seite 10
JaHresabscHLüssen
Theorie und gelebte Unternehmenspraxis
die neue reguLierungsbeHörde seite 11
für den stroM- und gasbereicH
LiberaLisierung der seite 12
postdienste Mit 1.1.2011
tanksteLLen
seite 13
Nur eine Preiserhöhung pro Tag erlaubt
inhaltWirtschaftspolitik – Standpunkte. Meinung, Position, Überzeugung. Was es
damit auf sich hat? Wir – das ist die Abteilung Wirtschaftspolitik in der Wie-
ner Arbeiterkammer – arbeiten an Aspekten der Standortpolitik, des Wirt-
schaftsrechts, der Regulierung diverser Branchen und an allgemeinen wirt-
schaftspolitischen Fragestellungen. Dabei verfolgen wir das Ziel, die Situation
der Beschäftigten zu verbessern und KonsumentInnenrechte durchzusetzen.
Das ist auch der Standpunkt, von dem aus wir uns dem wirtschaftspoliti-
schen Geschehen annähern und in dem Newsletter, dessen erste Ausga-
be Sie geradevor sich haben, davon berichten wollen. Wirtschaftspolitik –
Standpunkte wird in Zukunft am Ende jedes Quartals erscheinen und per
E-Mail versandt. Wer will, kann sich jederzeit auf der Homepage der Arbei-
terkammer Wien in den Verteiler aufnehmen lassen.
Eröffnet wird diese erste Ausgabe von Helene Schuberth, die in einem
Gastartikel den politischen Folgen der krisenbedingten Staatsverschuldung
nachgeht. Außerdem beschäftigen wir uns mit der wieder aufgeflammten
Debatte um Spekulationen auf Nahrungsmittel und Öl und der europäi-
schen Finanzmarktregulierung. Aufhorchen ließ die Wiener Börse, indem
sie eine neue große Privatisierungswelle forderte und gleich die passende
Studie dazu mitlieferte. Erwähnenswert fanden wir zudem die Umstruktu-
rierung der E-Control, die Bilanzoffenlegungsmoral der Unternehmen, die
vollständige Liberalisierung des Postmarktes, die jüngsten Entwicklungen
in der steuerlichen Forschungsförderung und einiges mehr.
In diesem Sinne freuen wir uns über unser Erstlingswerk und auf die vielen
Ausgaben, die noch folgen werden. Die Redaktion
editorial
Wirtschaftspolitik – Standpunkte. 02 | 2011. seite 1 von 14
wirtschaftspolitik
– standpunkte 02|2011
impreSSum
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1040 Wien, Prinz Eugen Straße 20-22
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gLobaLen finanzsektor?
Hat der eurorauM eine zukunft? seite 04
europa
seite 06
– FAlSCh VERSTANDEN
der aufscHwung koMMt seite 07
(zunäcHst) nur oben an
priVatisierungen seite 08
EIN VERlUSTGESChäFT
ideoLogiefrei? seite 09
ak studie:
seite 10
AGRAREINKOMMEN IN ÖSTERREICh UND
IN DER EUROPäISChEN UNION
der nacHHaLtigkeitsscHMäH seite 12
Mit den grünen arbeitspLätzen
ökostroMgesetz neu seite 14
NUR MIT DEN KONSUMENTiNNEN
UND NIChT GEGEN SIE
niederLassungsfreiHeit seite 15
der unterneHMen:
EU-KOMMISSION WIll EINhEIT VON SATZUNGS-
UND VERWAlTUNGSSITZ KIPPEN
bucHbesprecHung: seite 17
POSTWAChSTUMSGESEllSChAFT
– KONZEPTE FüR DIE ZUKUNFT
inhaltDie Managergehälter befinden sich wieder auf dem Vorkrisenniveau, während
die Beschäftigten der österreichischen Leitbetriebe nichts vom Aufschwung
spüren. Wie es um die Zukunft des Euro steht, wird heftig diskutiert. Die
Wirtschaftskrise mutierte zur Krise der öffentlichen Haushalte – ein willkom-
mener Anlass für manche, eine neue Privatisierungswelle zu fordern.
Nach der Krise ist vor der Krise – Der Eindruck verfestigt sich, wenn man
die aktuelle wirtschaftspolitische Debatte verfolgt. Dieser Umstand muss sich
ändern, wenn es nach den AutorInnen dieser Ausgabe geht, die auch gleich
konkrete Lösungen mitliefern. „Too big to fail“ muss Geschichte sein. Das
meint etwa EBRD-Direktor Kurt Bayer in seinem Gastartikel. Er fordert eine
merkliche Verkleinerung des Finanzsektors und einen Mechanismus, mit des-
sen Hilfe marode Banken abgewickelt werden können, ohne die Realwirt-
schaft zu gefährden. Nachdrücklich eingefordert wird von den AutorInnen
auch die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen. Sie sollen Ge-
winne investieren, Arbeitsplätze sichern und ausbauen. Dass die Interessen
der GesellschafterInnen von Unternehmen ultimativen Vorrang haben, ist ein
gescheitertes Paradigma. Ebenso die Privatisierung von öffentlichem Eigentum,
die zur Budgetsanierung völlig ungeeignet ist und die Versorgungssicherheit
der Bevölkerung gefährdet.
Brisant ist auch die momentane Auseinandersetzung um die Energie- und Um-
weltpolitik. Bei den Verhandlungen um das neue Ökostromgesetz wurden die
Interessensgegensätze der Beteiligten besonders offensichtlich. Und was hat
es eigentlich mit den „Green Jobs“ auf sich?
Eine spannende Lektüre wünscht Die Redaktion
editorial
Wirtschaftspolitik – Standpunkte. 03 | 2011. seite 1 von 24
wirtschaftspolitik– standpunkte 03|2011
impreSSum
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1040 Wien, Prinz Eugen Straße 20-22
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einkoMMensVerteiLung
STRUKTUREllE URSAChE DER KRISE
ezb iM dienste der banken, seite 03
nicHt der staaten
neue europäiscHe seite 06
finanzarcHitektur – EINE GlEIChUNG MIT
NOCh (ZU) VIElEN UNBEKANNTEN?
eins und eins ist zwei seite 08
die wäHrungsunion ist seite 09
reforMiert – IST SIE DAS?
reguLierung der finanzMärkte seite 11
in den usa und der eu – AllES PAlETTI?
oecd LänderprüfbericHt seite 13
österreicH – EINE KRITISChE WüRDIGUNG
nacHHaLtig wirtscHaften, seite 14
aber wie?
ökostroMgesetz 2012 seite 16
die neue energieeffizienzricHtLinie seite 17
EIN VORSChlAG DER EU KOMMISSION
die scHeinaLternatiVe seite 19
„biokraftstoffe“
bescHäftigt in der seite 21
forscHung(sabteiLung) eines
unterneHMens – EIN BENEIDENSWERTER JOB?
eu-grünbucH zu corporate seite 22
goVernance – AK FORDERT VERBINDlIChEN
MASSNAhMENKATAlOG
das neue seite 23
teLekoMMunikationsgesetz
inhalt
Die Finanz-, Wirtschafts-, Schulden-, Umwelt-, Arbeitsmarkt- bzw die globale
Krise beschäftigt uns nach wie vor. Und es scheint der Politik nicht zu gelin-
gen, Europa in einem absehbaren Zeitraum aus dieser multiplen Krise heraus
zu führen. Folgt man den AutorInnen dieser Ausgabe von Wirtschaftspolitik-
Standpunkte, liegt das an verfehlten Konzepten und – vor allem bei der Neu-
ordnung der Finanzmärkte und der Stabilisierung des Euro – an mangelnder
Ambition. Der Ökonom Engelbert Stockhammer belegt, dass die gestiegene
Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen ursächlich für die Krise
verantwortlich war und eine ausgewogene Verteilung nicht Luxus sondern
Voraussetzung für ein stabiles Wachstumsregime ist. Andere AutorInnen wid-
men sich den aktuellen Maßnahmen zur Stabilisierung des Euro, dem OECD
Länderbericht und der Debatte um nachhaltiges Wirtschaften.
Auch in spezifischeren Politikbereichen hat sich einiges getan. Nach langem
hin und her wurde die Novelle des Ökostromgesetzes auf Schiene gebracht
und ein neues Telekommunikationsgesetz im Ministerrat verabschiedet. Die
Europäische Kommission legte ein Grünbuch zur Corporate Governance vor,
das sich vor allem um die Interessen der AktionärInnen dreht. Was die AK
Wien von all dem hält und was uns die Beschäftigten im Forschungsbereich
über ihre Arbeitszufriedenheit mitgeteilt haben, erfahren Sie hier.
Eine aufschlussreiche Lektüre wünschtDie Redaktion
editorial
Wirtschaftspolitik – Standpunkte. 04 | 2011. seite 1 von 15
wirtschaftspolitik– standpunkte 04|2011
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1040 Wien, Prinz Eugen Straße 20-22
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BudgetpolitiSche SpielräuMe Schaffen
Statt auSBreMSen!
„wage Moderation“ seite 04
die lohnpolitiSche oBSeSSion der eu
die wirkungsweise steuerLicHer seite 06
forscHungsförderung
Mifid und Mad seite 08
SynonyMe für den auSWeg auS der
finanzKriSe?
eu-urHeberrecHt seite 09
SchutzfriSten für MuSiKaufnahMen nun
doch verlängert
diVersität Muss pfLicHt sein! seite 11
scHutz Vor ÜbernaHMen fÜr seite 12
unterneHMen der sicHerHeits- und
daseinsVorsorge
waruM gut Verdienende seite 13
Landwirte/innen keine
einkoMMensteuer zaHLen
die scHweLLenwerteVerordnung seite 14
vergaBerecht alS vehiKel zur
KonJunKturanKurBelung
inhalt
Die Eskalation der Krise der Eurozone ist mittlerweile in Österreich an-
gelangt. Weil Moody’s Österreich und Standard & Poor’s der gesamten Eu-
rozone mit einem Downrating drohte, beschloss der Nationalrat mit den
Stimmen der Regierungsparteien eine Schuldenbremse einzuführen, die ein
strukturelles Defizit vorsieht. Warum wir finden, dass dieses Instrument
nicht geeignet ist, den Euro zu retten und wirtschaftspolitisch ein schwerer
Fehler ist, beschreibt Georg Feigl in seinem Artikel. Johannes Schweighofer
argumentiert, dass die Überschussländer in der EU schleunigst angemesse-
ne Lohnabschlüsse brauchen, die sich an der Benya-Formel orientieren. Er
skizziert, welche Fehler dahingehend in der Europäischen Debatte began-
gen werden. Um die Krisenanfälligkeit des Wirtschaftssystems in Zukunft
einzudämmen ist eine merkbare Kontrolle der Finanzmärkte unerlässlich.
Aktuelle Richtlinienvorschläge der Europäischen Kommission geben wenig
Hoffnung, dass dies passieren wird, argumentieren Susanne Wixforth und
Judith Vorbach.
Auch strukturpolitisch hat sich in den letzten Monaten wieder einiges getan:
Ein Rechtsgutachten für die Arbeiterkammer Wien bestätigt die Verfassungs-
widrigkeit der umfassenden Vollpauschalierung von Agrarbetrieben, Über-
nahmen von Versorgungsunternehmen wurden erschwert und die Debatte
um Frauenquoten in Aufsichtsräten kam ein – wenn auch kleines – Stück
voran. Besonders ans Herz legen möchten wir Ihnen den Artikel von Andre-
as Schibany, der eindrucksvoll argumentiert, warum die jetzige Ausgestaltung
der steuerlichen Forschungsförderung alles andere als zielführend ist.
Eine spannende Lektüre und erholsame Feiertage wünscht
Die Redaktion
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Wirtschaftspolitik – Standpunkte. 01 | 2012. seite 1 von 16
wirtschaftspolitik– standpunkte 01|2012
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inhalt
Alles dreht sich ums Sparen, zumindest wenn man den wirtschaftspolitischen
Diskurs der vergangenen Monate verfolgt. Somit kommen auch wir nicht umhin,
in dieser Ausgabe wieder einen besonderen Fokus auf die Folgen der Schul-
denhysterie zu legen. Christa Schlager nimmt das Österreichische Konsolidie-
rungspaket unter die Lupe und liefert gleich Prognosen über die gesamtwirt-
schaftlichen Auswirkungen desselben mit. Markus Marterbauer warnt vor der
EU-weiten Schrumpfkur im öffentlichen Sektor, die ein „verlorenes Jahrzehnt“
mit sich bringen könnte und hält ein Plädoyer für den sozialen Fortschritt. Dass
Österreich bei seiner Schuldenbremse ausgerechnet das deutsche Modell als
Vorbild nimmt, sorgt für Kopfschütteln bei dem Düsseldorfer Ökonom Achim
Truger, der in einem Gastartikel die ausgeprägten Schwächen dieses Korsetts
eindrucksvoll darlegt.
Auf EU Ebene tat sich auch abseits des Spar-Wahns einiges. Die Macht der
Ratingagenturen soll zurückgedrängt werden, es gibt neue Vergaberichtlinien
und die Art und Weise wie das Spanungsfeld zwischen Daseinsvorsorge und
Beihilfenrecht gesehen wird, hat sich verändert. Außerdem ist das Match um das
umstrittene „Anti-Piraterie-Abkommen“ ACTA noch lange nicht entschieden.
Wer sich in letzter Zeit in Wien um Mietwohnungen umgeschaut hat, dem ist
die Lust auf einen Umzug ob der massiv gestiegenen Preise gründlich vergangen.
Die ImmobilienbesitzerInnen schieben die Schuld auf hohe Gebühren, die AK
kommt zu einem anderen Schluss: Es sind schlicht und einfach die Nettomieten,
die die Wohnungskosten in die Höhe treiben, wie eine kürzlich erschienene
Studie belegt. Nach wie vor trist schaut es in den Führungsetagen der großen
Unternehmen für Frauen aus. Die Versprechungen seitens der Industrie sich
um einen höheren Frauenanteil im Management zu bemühen, sind offensichtlich
reine Lippenbekenntnisse. Wir fordern deshalb:
Her mit der Quote!Die Redaktion
editorial
Wirtschaftspolitik
wie österreicH spart seite 02
soziaLer fortscHritt statt seite 04
deMontage des soziaLstaates
KoMMentar von MarKuS MarterBauer
die deutscHe scHuLdenbreMse seite 05
ein leuchtendeS vorBild für ÖSterreich und
europa?
brandpunkt ratingagenturen seite 07
iM europäiSchen parlaMent Beginnt die
heiSSe phaSe
strukturpolitik
ak frauen. seite 08
ManageMent.report 2012
frauen Sind SoWohl in den vorStänden alS
auch in den aufSichtSräten Weiterhin die
auSnahMe
neue strafbestiMMungen seite 09
zeigen wirkung
90% der groSSen KapitalgeSellSchaften
haBen 2011 friStgerecht den JahreSaBSchluSS
offengelegt
acta seite 10
uMStritteneS antipiraterie-aBKoMMen Mit
folgen?
priVatMieten steigen doppeLt so seite 12
stark wie einkoMMen und infLation
wie VieL beiHiLfenrecHt seite 13
Verträgt die daseinsVorsorge?
reVision der eu-VergaberegeLn seite 15
Drittes Griechenland-„Hilfsprogramm“: Rezession statt Konjunktur
7 infobrief eu & international Ausgabe 4 | Oktober 2015 wien.arbeiterkammer.at
Die Senkung der Pfändungsschwelle
zeigt, dass es der Troika an sozialem Gewissen
fehlt.
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öffentlichen Eigentums mit einem Volumen von 50 Milliarden Euro vor-gesehen. Zwar gibt es eine Liste von zu verkaufenden Objekten; wie die EU-EntscheidungsträgerInnen aber auf 50 Milliarden Euro an Gesamter-lösen kommen, wird nicht beschrie-ben. Es ist nicht verwunderlich, dass unter der von der konservativen Nea Demokratia geführten Regierung bis Ende 2014 nur rund vier Milliarden Euro statt der bis dahin anvisierten 35 Milliarden Euro erlöst wurden. Das Gesamtvolumen der erwarte-ten Erlöse liegt bei beinahe 20% des griechischen BIP, das in einem Zeit-raum erlöst werden sollte, in der sich die gesamte Eurozone die meiste Zeit in einer Rezession befand. Allei-ne bei griechischen Immobilienwer-ten kam es zu einem Werteverfall von 40%. Auch die Organisation von Privatisierungen in einem derartigen Ausmaß nimmt von der Planung bis zur Umsetzung viel Zeit in Anspruch. Von einer wohlüberlegten Forde-rung seitens der Troika kann daher nicht gesprochen werden. Schon gar nicht beachtet wurde, welche Aus-wirkungen Privatisierungen auf die griechische Bevölkerung haben wer-
den. Denn privatisiert werden sollten und sollen nach wie vor insbeson-dere auch Basisinfrastrukturdienst-leistungen wie die Wasserver- und Abwasserentsorgung oder Energie-dienstleister. Naturgemäß steht für PrivatunternehmerInnen die Gewinn-maximierung im Mittelpunkt des In-
teresses, während für die öffentliche Hand die optimale Versorgung das erste Anliegen ist. Die Bevölkerung hat daher mit Preiserhöhungen und/oder Qualitätsverschlechterungen, die Beschäftigten dieser Betriebe mit Verschlechterungen ihrer Arbeitsbe-dingungen zu rechnen.
Schließlich sind auch die Effekte auf die öffentlichen Haushalte miteinzu-kalkulieren: Privatisierungen bedeu-ten Einmalerlöse, belasten aber an-dererseits auf Dauer das griechische Budget, weil Erträge, die diese Un-
„Wirtschaftswachstum“ in Griechenland in %, in den Jahren 2010 bis 2016
ternehmen erwirtschaften, nunmehr wegfallen. Ein aktuelles Beispiel ist die Privatisierung von 14 gewinn-bringenden Regionalflughäfen, die im Eilverfahren an die deutsche Fra-port (im Übrigen zu mehr als 50% im Besitz des Landes Hessen bzw. der Stadtwerke Frankfurt) verkauft wur-den. Proteste von griechischen Poli-tikerInnen, die auch die Übernahme der anderen Regionalflughäfen for-derten, die keine Gewinne abwerfen, blieben erfolglos. Negative Effekte auf die Leistungsbilanz werden von den EU-EntscheidungsträgerInnen bei den Privatisierungen ebenfalls völlig außer Acht gelassen: So wer-den die wegfallenden Gewinne der griechischen Regionalflughäfen die griechische Leistungsbilanz entspre-chend verschlechtern, während sich die deutsche Leistungsbilanz im glei-chen Ausmaß verbessert.
Völlig unverständlich ist, dass vor-erst kein Geld aus den Privati-sierungserlösen für Investitionen verwendet werden darf: Denn die EU-Institutionen ordnen an, dass die ersten 25 Milliarden Euro zur Gänze für die Rückzahlung der Auslagen aus der Bankenrekapitalisierung zu verwenden sind. Die anderen 25 Milliarden Euro wären zur Hälfte zur Schuldenrückzahlung und zur Hälfte für Investitionen bestimmt. Bis 2018 sind jedoch nur Erlöse in Höhe von rund 6,4 Milliarden Euro eingeplant. Das heißt, Mittel für Investitionen sind auf geraume Zeit nicht aus dem Privatisierungsbereich zu erwarten.
Auf kurze Erholung folgt die nächste Rezession n Die ersten Folgen zieht das neue Paket aus Be-lastungen und Steuererhöhungen bereits jetzt nach sich: Vor kurzem hat die griechische Regierung ihr Budget für 2016 samt den erwar-teten Zahlen für die Wirtschafts-entwicklung und die Arbeitslosigkeit vorgestellt. Griechenland, das 2014 das erste Mal seit vielen Jahren ein kleines Wirtschaftswachstum
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2011 20122010 2013 2014 2015* 2016*
Quelle: Europäische Kommission bzw. * Prognose der griechischen Behörden
8 infobrief eu & international Ausgabe 4 | Oktober 2015 wien.arbeiterkammer.at
verzeichnen konnte, welches sich auch in den ersten beiden Quartalen 2015 fortsetzte, wird das Gesamt-jahr 2015 nun voraussichtlich mit einer Rückkehr in die Rezession von -2,3% abschließen. Für 2016 rech-net die griechische Regierung mit einem Rückgang der Wirtschaftsleis-tung von 1,6%. Die Arbeitslosigkeit, die 2014 erstmals seit vielen Jahren gesunken ist, soll 2015 noch weiter zurückgehen, 2016 aber wieder stei-gen.11
Nachdem die griechische Regierung am 20. September in ihrem Amt be-stätigt worden ist, möchte Premi-erminister Tsipras nun einen neuen Anlauf nehmen, um die Troika davon zu überzeugen, zumindest einzelne Härten wie beispielsweise eine Mehr-wertsteuererhöhung im Schulwesen aus dem verordneten Sparpaket der EU-Institutionen herauszubekom-men.12 Alexis Tsipras und der grie-chische Finanzminister Euklid Tsa-kalotos müssen seit Anfang Oktober einen Termin-Marathon absolvieren,
denn die Euro-FinanzministerInnen erwarten bereits wenige Wochen nach Abschluss des MoU erste Be-richte über den Beginn der Umset-zung der ersten 48 Reformpunkte.
Diese sind wiederum Voraussetzung für die Zahlung der nächsten Tranche aus dem „Hilfspaket“. Vielleicht er-gibt sich im Rahmen dieser Gesprä-che die Möglichkeit, einzelne Spar-auflagen zu überarbeiten und zu entschärfen.
Mit Spannung erwartet werden auch die Verhandlungen der EU-In-stitutionen mit dem Internationalen
Währungsfonds in den kommenden Wochen. Bisher wollte der IWF am dritten Griechenland-Paket nicht teilnehmen, weil er einen Schulden-schnitt bzw. Schuldenerleichterun-gen als unabdingbaren Schritt zur Sanierung Griechenlands bezeichnet. Die EU-Institutionen lehnten dies in der Vergangenheit strikt ab. Diese Haltung dürfte sich nun aber ändern: Laut Eurogruppenchef Jeroen Dijs-selbloem hat sich die Eurozone da-rauf verständigt, dass der Schulden-dienst Griechenlands auf 15% des Bruttoinlandsprodukts beschränkt werden soll.13 In welcher Form diese Vereinbarung umgesetzt wird und ob es dadurch zu einen Schuldenschnitt für Griechenland kommt, bleibt noch offen. Für Diskussionen rund um das finanz- und wirtschaftspolitische Schicksal Griechenlands ist also auch in den kommenden Monaten gesorgt.
Frank Ey n AK Wien
1) Europäische Kommission, The Se
cond Economic Adjustment Program
me for Greece. March 2012, Occa
sional Papers 94, März 2012.
2) Europäische Kommission, Commission
Staff Working Document: Assessment
of the Social Impact of the new Sta
bility Support Programme for Greece,
19.8.2015, SWD(2015) 162 final.
3) Tassos Giannitsis, Stavros Zografa
kis, Greece: Solidarity and Adjust
ment in Times of Crisis, März 2015.
4) Europäische Kommission, Commission
Staff Working Document: Assessment
of the Social Impact of the new Sta
bility Support Programme for Greece,
19.8.2015, SWD(2015) 162 final.
5) Zu den Europa 2020Zielen für Grie
chenland siehe http://ec.europa.
eu/europe2020/pdf/annexii_en.pdf
(abgerufen am 25.9.2015).
6) Klaus Busch/ Christoph Hermann/
Karl Hinrichs/ Thorsten Schulten, Eu
rokrise, Austeritatspolitik und das
Europaische Sozialmodell, Berlin,
FriedrichEbertStiftung, Internationale
Politikanalyse, November 2012, 12 f.
7) Florian Rödl/ Raphaël Callsen, Kollekti
ve soziale Rechte unter dem Druck der
Währungsunion Schutz durch Art. 28 EU
Grundrechtecharta?, Frankfurt am Main,
Hugo Sinzheimer Institut für Arbeitsrecht,
HSISchriftenreihe, Band 13, 2015.
8) Europäische Kommission, The Econo
mic Adjustment Programme for Greece,
Occasional Papers 61, Mai 2010; und
The Second Economic Adjustment
Programme for Greece. March 2012,
Occasional Papers 94, März 2012.
9) Siehe auch Philipp Heimberger, Das
Scheitern der europäischen Krisenpolitik,
infobrief eu & international 3/2015, 1115.
10) Europäische Kommission, Commission
Staff Working Document: Assessment
of the Social Impact of the new Sta
bility Support Programme for Greece,
19.8.2015, SWD(2015) 162 final.
11) Frankfurter Allgemeine Zeitung v.
6.10. 2015, http://www.faz.net/
agenturmeldungen/adhoc/roundup
griechischerhaushaltsentwurfweist
groesserenschuldenbergaus13842048.
html (abgerufen am 6.10.2015).
12) Der Standard v. 5.10.2015, http://
derstandard.at/2000023258123/Athen
versuchtNachbesserungenbeimSpar
katalog (abgerufen am 6.10.2015).
13) Reuters v. 9.10.2015, http://www.
reuters.com/article/2015/10/08/
useurozonegreecedebt
idUSKCN0S233820151008 (ab
gerufen am 9.10.2015).
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Drittes Griechenland-„Hilfsprogramm“: Rezession statt Konjunktur
Bisher wollte der IWF am dritten
GriechenlandPaket nicht teilnehmen,
weil er einen Schuldenschnitt als unabding
baren Schritt zur Sanierung bezeichnet.
9 infobrief eu & international Ausgabe 4 | Oktober 2015 wien.arbeiterkammer.at
Eine der Lehren aus der Krise war, dass die europäische Wirtschaftspo-litik bisher auf verschiedene Prozes-se und Zeitpunkte aufgeteilt war und daher nur wenig effektiv sein kann. Das sollte sich 2011 ändern, als im Rahmen des Six-Packs die Zeitabläufe und wirtschaftsrelevanten Beschlüsse zu einem kohärenten Prozess zusam-mengeführt wurden, dem sogenann-ten Europäischen Semester. Dieses wird seither mit dem Jahreswachs-tumsbericht der Kommission ein-geleitet und mit dem Beschluss der länderspezifischen Empfehlungen im Europäischen Rat im Juli beendet. Der Prozess dazwischen ist einerseits von der Diskussion über die Gesamtaus-richtung, andererseits von der Über-wachung der nationalstaatlichen Bud-getpolitiken bzw. länderspezifischen makroökonomischen Ungleichge-wichte geprägt.
Das neue Europäische Semester zeigt indirekt noch deutlicher, dass es für die europäische Wirtschafts-politik praktisch keine demokratische Legitimierung gibt. Parlamente – al-len voran das Europäische Parlament – bleiben außen vor. Auch sonst be-müht man sich höchstens um forma-le Einbindung vorwiegend nationaler wirtschaftspolitischer AkteurInnen in Form verstärkter bilateraler Treffen, nicht aber um ihre echte Beteiligung im Sinne eines ergebnisoffenen po-litischen Prozesses. Während auf nationaler Ebene die organisierten Wirtschaftssubjekte in Form von Ar-beitnehmerInnen- und Unterneh-
mensvertretungen eine wichtige Rolle spielen, kommen diese im Eu-ropäischen Semester praktisch nicht vor. Und selbst die Entscheidungsho-heit des Rates ist im neuen Prozess eingeschränkt und zunehmend auf die möglichst reibungslose Annahme der Empfehlungen der Kommission beschränkt.
In den letzten Jahren unterlag der neue Steuerungsprozess einer stän-digen operativen Weiterentwicklung im Detail, wobei insbesondere die wachsende Zahl länger werdender Berichte hervorsticht: Jahreswachs-tumsbericht, Länderanalyseberich-te, Tiefenanalysen im Rahmen der Überwachung makroökonomischer Ungleichgewichte etc. Dem steht der Wunsch vieler Beteiligter gegenüber, sich wieder verstärkt auf das für die kommenden Quartale Wesentliche zu fokussieren, anstatt einen politisch wenig relevanten Dokumentenfried-hof zu produzieren.
Neue wirtschaftliche Prioritäten? n Das Europäische Semester 2015 war das vierte seiner Art und das ers-te der neuen Juncker-Kommission. Gleich zu Beginn zeigte sich, dass die neue Kommission einerseits zwar am
bisherigen wirtschaftspolitischen Kurs grundsätzlich festhalten, andererseits aber auch neue Akzente setzen will. Dies kam zunächst in der Neuformu-lierung der wirtschaftspolitischen Pri-oritäten für das laufende Jahr im Jah-reswachstumsbericht letzten Herbst zum Ausdruck. Nachdem die Priori-täten – mit allgemeiner Budgetkon-solidierung an oberster Stelle – drei Jahre lang praktisch unverändert blie-ben, steht nun die Förderung privater Investitionen – in erster Linie durch den neuen EFSI, dem Europäischen Fonds für strategische Investitionen1 – voran. An zweiter Stelle steht nun ein erneutes Engagement für Struk-turreformen, unter dem ein Großteil der bisherigen Prioritäten (Vollendung des Binnenmarkts mit Blick auf digi-talen Handel und Dienstleistungen, Verwaltungsreform, Einschränkung von ArbeitnehmerInnenrechten, Ver-schlechterungen im Pensionssystem etc.) zusammengefasst wurde. Drit-tens und letztens bleibt eine „ver-antwortungsvolle“ Budgetpolitik ein Bestandteil der EU-Prioritäten. Zu-sammen überhöhte die Kommission diese drei Prioritäten zum „virtuosen Dreieck“, mit dem die wirtschaftliche Krise endgültig gelöst werden sollte.
Dass sich seither die wirtschaftliche Entwicklung stabilisiert hat, ist aller-dings weniger auf dieses Dreieck zu-rückzuführen, sondern vielmehr auf den stark gesunkenen Ölpreis sowie die expansive Geldpolitik der EZB, die noch niedrigere Zinsen und einen schwächeren Euro ermöglichte.
Bilanz des Europäischen Semesters 2015
Bilanz des Europäischen Semesters 2015
Widerspruch zwischen verstärkter Regelbindung und flexiblem Handlungsspielraum spitzt sich zuIm Sommer wurde das erste Europäische Semester der neuen JunckerKommission abgeschlossen, in dem die Prozesse für eine koordinierte Wirtschaftspolitik gebündelt werden sollen. Mit der Rückkehr des Wirtschaftswachstums wurde auch der budgetpolitische Druck auf die Mitgliedstaaten reduziert. Georg Feigl
Das neue Europäische Semester zeigt, dass
es für die europäische Wirtschaftspolitik praktisch keine demokrati
sche Legitimierung gibt.
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10 infobrief eu & international Ausgabe 4 | Oktober 2015 wien.arbeiterkammer.at
Auf operativer Ebene wurde mit der Vorverlegung der – noch detaillier-teren – Länderanalyse versucht, die Grundlage für die länderspezifischen Empfehlungen nachvollziehbarer und politikrelevanter zu gestalten. Die Kommission verabsäumte es jedoch, Einwände aus den Vorjahren einzu-beziehen. Damit wurde aber auch der darauf folgende Konsultations-prozess zur Farce, bei dem es wohl nur bedingt um eine Mitsprachemög-lichkeit gehen soll, sondern vielmehr Widerstände der nationalen Sta-keholder zur wirtschaftspolitischen Agenda der Kommission überwun-den werden sollen.
Ambivalente budgetpolitische Ausrichtung n Wichtigster Beitrag der EU-Kommission ist die schlei-chende Neuinterpretation einer verantwortungsvollen Fiskalpolitik. Während in der Vergangenheit stets die Konsolidierungsnotwendigkeit im Mittelpunkt stand, so wurde heuer verstärkt die Wachstums- und In-vestitionswirkung betont. So wurde gleich zu Beginn des Europäischen Semesters im Rahmen des Jahres-wachstumsberichts festgehalten, dass das damals bereits prognosti-zierte weitgehende Ende der Auste-ritätspolitik bedeuten würde, „dass die Fiskalpolitik nicht weiter auf dem Wachstum lasten wird.“2 Auch wur-de explizit erwähnt, dass Länder mit Spielraum gemäß den europäi-schen Fiskalregeln – also vor allem Deutschland – auf einen expansiven Kurs umschwenken sollten.
Diese differenziertere Fiskalpolitik blieb allerdings ambivalent. Nur we-nig später forderte die EU-Kommis-sion einige Länder – darunter Ös-terreich – bei der Überprüfung der Budgetpläne zu Nachbesserungen auf, damit die Fiskalregeln 2015 nicht verletzt werden würden. Immer wenn es jedoch wirklich um die Sanktionie-rung von Regelabweichungen ging (die stets nur im Nachhinein möglich ist), verhielt sich die EU-Kommission
Bilanz des Europäischen Semesters 2015
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Während in der Vergangenheit
budgetpolitisch stets die Konsolidierungsnot
wendigkeit im Mittelpunkt stand, so wurde
heuer verstärkt die Wachstums und Inves
titionswirkung betont.
zurückhaltend. Anstatt etwa Frank-reich für die Nicht-Einhaltung der 3%-Grenze zu strafen, verlängerte man die Korrekturfrist einfach auf 2017. Diese Verlängerung ist zwar ökonomisch gut begründet, ist aber mit den aus wirtschaftswissenschaft-licher Sicht zum Teil widersinnigen europäischen Fiskalregeln nicht kom-patibel. Ähnlich verhielt es sich mit Belgien, wo die neuerliche Verletzung sowohl der 3%-Grenze als auch des Anpassungspfads zum mittelfristigen Haushaltsziel 2014 keine Konsequen-zen hatte. Auch im Falle Spaniens oder Italiens nutzte die Kommission den in den Fiskalregeln angelegten Interpretationsspielraum aus. Gleich-zeitig bleibt allerdings die Androhung von künftigen Sanktionen bereits bei kleinen Abweichungen aufrecht. Un-nachgiebig war der Umgang nur mit Griechenland, das allerdings für die Dauer der „Hilfsprogramme“ nicht am Europäischen Semester teilnimmt.
Für die Eurozone insgesamt scheint die EU-Kommission nun gewillt, die Fiskalregeln auszudehnen, um fiskal-politische Fehler der Vergangenheit, die 2012/13 eine neuerliche Rezessi-on und Rekordarbeitslosigkeit brach-ten, zu vermeiden. Gleichzeitig ist sie aber kaum bereit, die naheliegendere Konsequenz zu ziehen, nämlich den zu restriktiven Rahmen der Fiskal-politik zu verändern. Dazu wäre es erstens notwendig, die Fiskalregeln zu vereinfachen und zu flexibilisieren, wie das im Rahmen des Berichts3 der fünf Präsidenten über die Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion bereits ansatzweise angekündigt wur-de. Zweitens sollten die bestehenden Ansätze einer goldenen Investitions-regel 4 weiter ausgebaut werden.
Drittens ist ein Weg zu finden, wie restriktive Fiskalpolitiken verhindert werden können, die gesamteuropä-isch kontraproduktive Wirkung ent-falten. Als Pendant zum „Excessive Deficit Procedure“ könnte etwa ein „Insufficient Fiscal Stimulus Procedu-
re“ eingeführt werden, also ein Ver-fahren gegen Regierungen, die eine Budgetpolitik betreiben, die Beschäf-tigung und Wachstum in der Eurozo-ne unnötig schwächt. Die deutsche Regierung wäre derzeit eine Kan-didatin für ein solches Verfahren: Obwohl gemäß den europäischen Fiskalregeln Spielraum bestünde, um die anhaltende Nachfrageschwä-che in der Eurozone und den inner-deutschen Investitionsrückstand zu lindern, setzt sie lieber selbst das noch deutlich restriktivere Ziel einer „schwarzen Null“ um.
Alles Reformen oder was? n Die seit 2013 erkennbare Strategie „we-niger Austerität, dafür mehr Struk-turreformen“ trat 2015 noch deutli-cher zum Vorschein – bei gleichzeitig noch stärkerer Verwässerung des Reformbegriffs.5 Somit ist es auf all-gemeiner Ebene möglich, alle Mit-gliedstaaten zu verstärkten Anstren-gungen bei den Strukturreformen aufzurufen und sich gleichzeitig ge-gen Kritik zu immunisieren. In dem Ausmaß, in dem die EU-Kommission klar macht, dass es in erster Linie um Lohnzurückhaltung und den Ab-bau von ArbeitnehmerInnenrechten zwecks Flexibilisierung der Arbeits-kräfte geht, wird sie aber angreifba-rer. Dies betrifft etwa auch die von der EU-Kommission ausgeblendete offensichtliche Doppelrolle der Löhne, die einerseits Produktionskosten und andererseits Einkommen, die für den Konsum verwendet werden, darstel-len. Und obwohl selbst in exportab-hängigen Ländern wie Deutschland und Österreich die Inlandsnachfrage (die vor allem von den Löhnen de-terminiert wird) größer ist als die Ex-portnachfrage, stellt die Kommission nach wie vor nur auf die internati-
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Obwohl die Lohnentwicklung selbst hinter dem Maßstab der Kommission zurückbleibt, sieht diese weiterhin einen Anpassungsbedarf nach unten.
Bilanz des Europäischen Semesters 2015
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onale Wettbewerbsfähigkeit ab.6 Dabei dürfte die preisliche Wettbe-werbsfähigkeit in Form der Lohn-stückkostenentwicklung selbst nach Kommissionsmaßstab für praktisch alle Länder kein Problem mehr dar-stellen, nachdem die kumulierten Zuwächse seit der Euro-Einführung unter dem verteilungs- und preissta-bilen Zielpfad liegen.7 Trotzdem fo-kussiert die EU-Kommission in ihren länderspezifischen Empfehlungen bzw. im Rahmen der Überprüfung zur Eröffnung eines Verfahrens bei mak-roökonomischen Ungleichgewichten (MIP) auf einen angeblichen weite-ren Anpassungsbedarf nach unten auf Kosten der ArbeitnehmerInnen.
Gleichzeitig bleibt sie allerdings auch hier widersprüchlich, weil sie bislang kein einziges derartiges Verfahren eingeleitet hat. Stattdessen wur-den mehrere Zwischenstufen des politischen Drucks eingeführt (die-se bestehen in der Definition von mehr oder weniger exzessiven Un-gleichgewichten, der unterschied-lich genauen Beobachtung von Un-gleichgewichten und verschiedenen Graden der Entschlossenheit bei den verordneten Korrekturmaßnahmen), wohl auch weil diese Stufen weniger begründet werden müssen als eine Verfahrenseröffnung. Den größten Handlungsbedarf innerhalb der Eu-rozone sah die Kommission 2015 in Frankreich, Italien und Portugal – und damit in Ländern, die gemäß dem einzig quantitativ-vergleichba-ren Instrument – dem sogenannten Scoreboard mit Indikatoren bezüg-lich makroökonomischer Ungleich-gewichte – eigentlich wenig auffällig sind. Dass im „Fünf-Präsidenten-Be-
richt“ gefordert wird, ausgerechnet das MIP auszubauen, ist vor dem gelebten Hintergrund einigermaßen absurd.
Der zweite Arm der Durchsetzung von Strukturreformen sind die soge-nannten länderspezifischen Empfeh-lungen, die sich über die Jahre vom lockereren Instrument der politischen Top-down-Koordinierung zu einem mittlerweile recht dezidierten, demo-kratisch bestenfalls nur sehr indirekt legitimierten wirtschaftspolitischen Forderungskatalog der Kommissi-on entwickelt haben. Abweichungen von der „Empfehlung“ werden seit dem Six-Pack nur mehr dann tole-riert, wenn sie begründet werden und eine qualifizierte Mehrheit im Rat finden. Im Falle Österreichs hat-te das zur Folge, dass die politische Forderung nach einer automatischen Anpassung des gesetzlichen Pensi-onsantrittsalters aufgestellt wurde, obwohl u.a. AK-ExpertInnen bereits in der Vergangenheit aufgezeigt ha-ben, dass diese sachlich bestenfalls unzureichend fundiert ist.8
Nun möchte die – mehrheitlich kon-servativ besetzte – Kommission weiter gehen und auch Länder mit anderen politischen Mehrheiten zur Umsetzung ihrer wirtschaftspoliti-schen Forderungen verpflichten. In einem ersten Schritt soll ab heuer durch stärkere Überwachung der Um-setzung sowie Kommunikation der Ergebnisse der Druck erhöht wer-den. Damit das leichter möglich ist, wurden im Frühjahr die bisherigen länderspezifischen Empfehlungen verdichtet (z. B. für Österreich: vier Empfehlungen bzw. 13 Zeilen im Ver-gleich zu fünf Empfehlungen bzw. 31 Zeilen im Vorjahr) sowie zu Lasten der mittelfristigen Europa 2020-Stra-tegie kurzfristiger ausgerichtet. In einem weiteren Schritt soll (gemäß dem Vorschlag des Berichts der fünf Präsidenten) dieses Instrument zur Festlegung und verpflichtenden Um-setzung gemeinsamer strenger Stan-
dards z.B. in Bezug auf Arbeitsmärkte und Wettbewerbsfähigkeit eingesetzt werden.
Fazit n Das erste Europäische Se-mester der neuen Kommission be-gann zwar mit neuem Elan, brachte letztlich allerdings wenig Neuerung, weder inhaltlich noch bei der Durch-setzung der alten und neuen Steue-rungselemente. Letzteres dürfte vor allem daran liegen, dass die Kommis-sion wenig Lust auf eine verschärfte Konfrontation mit einzelnen Mitglied-staaten hat – auch weil das nicht zum derzeit vermittelten Bild passen würde, die Krise in der Eurozone sei (zumindest jenseits von Griechen-land) spätestens dann überwunden, wenn der Juncker-Investitionsplan in die Umsetzungsphase kommt. Der Widerspruch zwischen Rückkehr zur Normalität und harten, regelgebun-denen budget- und makroökonomi-schen Vorgaben wurde im heurigen Europäischen Semester jedenfalls noch deutlicher. Es wird sich zeigen, ob er auch im bereits im November startenden Prozess für das Jahr 2016 weiter aufrechterhalten werden kann.
Georg Feigl n AK Wien
1) Vgl. http://media.arbeiterkam
mer.at/wien/PDF/Publikationen/
Positionspapier_EFSI.pdf.
2) http://ec.europa.eu/europe2020/
pdf/2015/ags2015_de.pdf.
3) http://ec.europa.eu/priorities/
economicmonetaryunion/docs/5
presidentsreport_de.pdf.
4) http://blog.arbeitwirtschaft.at/oeffentli
cheinvestitioneneuropaweitstaerken/.
5) http://media.arbeiterkammer.at/
wien/PDF/studien/Strukturelle_Re
formen_in_Europa_2015.pdf.
6) http://blog.arbeitwirtschaft.at/
eurozonelohnwettbewerb/.
7) Ebd.
8) Vgl. http://media.arbeiterkammer.at/
wien/PDF/studien/EPC__1000bn_Eu
ros_at_stake_112012.pdf.
12 infobrief eu & international Ausgabe 4 | Oktober 2015 wien.arbeiterkammer.at
„Allein unter Verlierern“ titelte „Die Zeit“ in einer September-Ausgabe und bescheinigte der US-Ökonomie einen Erfolgskurs in einem krisen-haften Umfeld. Tatsächlich sieht Europa in einem direkten Vergleich wichtiger ökonomischer Kennzahlen blass aus. Das Wirtschaftswachs-tum hat sich in den USA nach dem Krisenjahr 2009 relativ rasch sta-bilisiert, während diesseits des At-lantiks 2012 und 2013 noch einmal sieben aufeinanderfolgende Quar-tale sinkender Wirtschaftsleistung folgten. Laut Eurostat wuchs die US-Wirtschaft im ersten Quartal 2015 um 2,9% und im zweiten Quartal um 2,7% gegenüber den Vorjahreszeit-räumen. In den 28 EU-Staaten war die Wachstumsdynamik mit 1,7% und 1,9% deutlich geringer.
Das schlägt auch auf den Arbeits-markt durch. Während die Arbeits-losigkeit in den USA seit Ende 2009 stetig zurückging, fand sie in Euro-pa erst 2013 ihren Höhepunkt und stagniert seither auf hohem Niveau. Die US-Arbeitslosenrate war 2014 mit 6,2% weit unter dem EU-28-Wert von 10,2%. Natürlich muss bei einem Vergleich zwischen den USA und der EU berücksichtigt werden, dass die Entwicklungen innerhalb der beiden Wirtschaftsblöcke sehr unterschiedlich verlaufen. Denn in den EU-Mitgliedsländern variiert die Arbeitslosigkeit aktuell zwischen rund 5 (Deutschland) und 25% (Griechenland). Deutlich kleiner sind die Unterschiede in den US-Bundes-
staaten, wo die Arbeitslosenrate in etwa zwischen 3 und 8% liegt.
Soziale Probleme nicht gelöst n
Ein Blick auf die soziale Lage zeigt, dass die Erholung der US-Wirtschaft hier keine Entspannung mit sich brachte. Seit 2007 die Zwangsräu-mungen überschuldeter Haushalte begannen, hat die Obdachlosigkeit rasant zugenommen und Zeltstäd-te mittlerweile zu einem vertrauten Bild werden lassen. Laut einem Be-richt des „National Center on Family Homelessness“ sind aktuell fast 2,5 Millionen Kinder in den USA obdach-los – ein historischer Höchstwert.
Das öffentliche Sozial- und Gesund-heitswesen ist im Vergleich zu Euro-pa rudimentär. Vor der umstrittenen Gesundheitsreform, die als „Obama-care“ bezeichnet wurde, waren rund 40 Millionen US-AmerikanerInnen nicht krankenversichert. 45 Millionen Menschen lebten 2013 unter der Ar-mutsschwelle, bei der Kinderarmut liegen die USA im OECD-Vergleich an viertletzter Stelle.
Europa wird hingegen mit einem Bekenntnis zum Wohlfahrtsstaat, einem funktionierenden sozialen Netz und koordinierter Lohn- und Arbeitsmarktpolitik assoziiert. Dabei weisen die einzelnen Staaten sehr unterschiedlich ausgeprägte wohl-
fahrtsstaatliche Institutionen und Traditionen auf. Länder wie Groß-britannien und Irland setzen dabei eher auf Armutsvermeidung und Bedarfsprüfung („poor services for the poor“), die nordischen Länder weisen im Gegensatz dazu hohe So-zialschutzniveaus und eine großzü-gig ausgebaute soziale Infrastruktur auf. Österreich hat stets einen „so-zialpolitischen Mittelweg“ bestritten, wobei der öffentliche bzw. geförder-te Wohnbau und das Modell der So-zialpartnerschaft als Best Practice in Europa gesehen werden. Gerade die jüngsten Erfahrungen haben gezeigt, dass die Länder mit den höchsten sozialstaatlichen Standards am bes-ten durch die Krise gekommen sind.
Das Scheitern der Sparpolitik n Die Krise hat sowohl in den USA als auch in vielen Teilen Europas ihre Spuren in den Lebensbedin-gungen breiter Bevölkerungsteile hinterlassen. Warum aber sind die USA der Krise deutlich schneller entflohen? Der Schlüssel liegt in der Wirtschaftspolitik und kann an den Austeritätsmaßnahmen fest-gemacht werden. In Brüssel domi-niert die Ansicht, dass Stabilität und langfristiges Wachstum nur mittels Sparpolitik, Lohnzurückhaltung und dem Abbau sozialer Standards zu-rückgewonnen werden können. Die Hoffnungen basieren auf einem Zu-wachs der bisher ökonomisch wenig bedeutenden außereuropäischen Nachfrage, während der Konsum der heimischen Haushalte gedämpft wird. Die Wirtschaftspolitik in den USA schlug einen anderen Weg ein und die staatlichen Impulse wa-ren deutlich expansiver. So betrug das US-Konjunkturpaket 2009 etwa 1,7% der Wirtschaftsleistung, die realen Staatsausgaben stiegen zwi-schen 2007 und 2010 um 17%.
USA und Europa: Krisenbewältigung im Vergleich
Krisenbewältigung im Vergleich
Ziehen die USA Europa davon?Aktuelle Daten sprechen eine klare Sprache: Die Vereinigten Staaten stemmen sich erfolgreich gegen den globalen Abschwung, während sich die Wirtschaftsindikatoren in der Europäischen Union kaum erholen. Warum weist die Wirtschaft in den USA eine spürbar stärkere Dynamik auf als in der EU? Und spiegelt sich das in der sozialen Lage der Menschen wider? Matthias Schnetzer
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Die EUAusteritätspolitik muss ihr
Versagen eingestehen
13 infobrief eu & international Ausgabe 4 | Oktober 2015 wien.arbeiterkammer.at
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USA und Europa: Krisenbewältigung im Vergleich
Der politische Wille, den Konjunktur-motor durch öffentliche Investitionen wieder in Bewegung zu setzen, war in den USA wesentlich ausgeprägter.
Die Austeritätspolitik muss bei nähe-rer Betrachtung ihr Versagen einge-stehen: Nach sieben Jahren tiefster Wirtschaftskrise droht der EU im-mer noch die Stagnation, während die öffentlichen Schuldenstände kri-senbedingt immer weiter steigen. Es werden Stimmen lauter, die eine Abkehr von den strengen Auflagen des Stabilitäts- und Wachstumspakts fordern. So spricht sich der Euro-päische Wirtschafts- und Sozialaus-schuss (EWSA) für eine „Goldene Regel“ für öffentliche Zukunftsinves-titionen aus. Das Argument: Öffentli-che Infrastrukturinvestitionen sollten nicht durch die engen fiskalischen Spielräume der EU-Vorgaben ver-unmöglicht werden. Hier ist aktuell der größte Handlungsbedarf der EU-Wirtschaftspolitik gegeben.
Symptombekämpfung statt Wur-zelbehandlung n Bei all den Un-terschieden gibt es auch Gemein-
samkeiten der Wirtschaftspolitik auf beiden Seiten des Atlantiks. Die Maßnahmen zur Krisenbewältigung sind in erster Linie Symptombe-
kämpfung, während die Wurzeln der Krise nur zaghaft angepackt werden. Als Ursachen der Wirtschafts- und Finanzkrise werden oft die drei U’s genannt: zunehmende Ungleich-heit, unterregulierte Finanzmärkte, internationale Ungleichgewichte. Die steigende Ungleichheit bei Ein-kommen und Vermögen wird immer noch stiefmütterlich behandelt. Da-bei bergen die immensen Vermö-gen der Superreichen gemeinsam mit lax regulierten Finanzmärkten die Basis für spekulative Blasen und Instabilität, die sich schnell auf die Realwirtschaft durchschlagen kann. In Sachen Finanzmarktregulierung hat sich in den USA und in Europa seit der Krise zwar einiges bewegt,
aber immer noch zu wenig und zu langsam. Schließlich werden die eu-ropäischen Leistungsbilanzungleich-gewichte lediglich einseitig gesehen und die ehemaligen Defizitländer getadelt, ohne dass die aggressi-ve Lohnzurückhaltung in den Über-schussländern kritisiert wird.
Solange diese miteinander verfloch-tenen Ursachen der Krise von der Wirtschaftspolitik nicht nachhaltig adressiert werden, droht weiterhin eine langfristige Krisengefahr in den USA und Europa. Eine jahrelange Wirtschaftsflaute würde die ohnehin angespannte soziale Lage breiter Be-völkerungsteile weiter verschärfen. Während die USA das Konjunktur-Duell gewinnen, und Europa die Nase bei den Sozialindikatoren noch vorne hat, können beide Wirtschaftsblöcke bei der nachhaltigen Krisenbewälti-gung nicht punkten.
Matthias Schnetzer n AK Wien
Eine Version dieses Artikels erschien in der
Österreichischen Gemeindezeitung 10/2015.
»
Kommission reagiert auf Krisen mit noch lauteren Rufen nach
strukturellen Reformen
1) http://www.spiegel.de/wirtschaft/wolfgang
muenchaudieeurozonestehtvordemzu
sammenbrucha837214.html
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Der EUInfobrief erscheint 5x jährlich im digitalen Format und liefert eine kritische Analyse der Entwicklungen auf europäischer und internationaler Ebene. Die Zeitschrift der Abteilung EU & Internationales der AKWien fokussiert dabei Themen an der Schnittstelle von Politik, Recht und Ökonomie. Anspruch ist nicht nur die Prozesse in den europäischen Institutionen zu beschreiben, sondern auch Ansätze zur Überwindung des Neoliberalismus zu entwickeln. Kurze Artikel informieren in prägnanter Form über aktuelle Themen. Langbeiträge geben den Raum für grundlegende Analysen, Buchbesprechungen bieten eine kritische Übersicht einschlägiger Publikationen.
EU-Infobrief: Europa und Internationales in kritischer und sozialer Perspektive – kostenlos beziehen
Impressum: Herausgeber und Medieninhaber: Kammer fü
r Arbeiter und Angestellte für Wien, 1040 Wien, Prinz Eugen Strasse 20-22 •
Redaktion: Elisabeth Beer, Éva Dessewffy, Lukas Oberndorfer, Ir
is Strutzm
ann Norbert Templ, Valentin Wedl • K
ontakt:
Lukas Oberndorfer ([email protected]) L
ayout und Satz: Julia Stern • V
erlags- und Herstellungsort: Wien •
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Editorial
Liebe Leserin! Lieber Le
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Vor Ihnen liegt doppelt Neues.
Durch professionelles La
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erscheinen wir in
neuem Gewand.
Auch inhaltlich haben wir uns
bemüht, die internationalen Brenn-
punkte durch neue Formate besser
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Raum für grundlegende Analysen.
Damit starten Markus Marterbauer
und Lukas Oberndorfer. Ersterer
zeigt auf, dass simultanes Kon-
solidieren die EU in den nächsten
Abschwung führen könnte. Zweiterer
setzt sich mit dem Monti-B
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dem Versuch eines neuen Konsenses
für eine angebotseitige Binnen-
marktpolitik – auseinander. Produk-
tion von Konsens und Dissens darin
spielen Bücher eine wichtige Rolle.
Daher eröffnen wir mit zw
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Wachstumshindernissen, Handels-
politik (EU – Kanada) und HIV/Aids.
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China-Schwerpunkt fort. Diesmal:
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Ihr AK Redaktionsteam
Seit Beginn der Finanz- und Wirts
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Die weitere Konjunkturentwicklung
hängt davon ab, ob die von Asien
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ging zunächst in den
Jahren 2007 und 2008 von den
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riet mehrmals an den Rand des
Zusammenbruchs.
n Dadurch wurde von Mitte 2008
bis Mitte 2009 ein tiefer Einbruch
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real um 4,2% zurück, die saison-
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2008 bis Mai 2010 von 16 Mio auf
23 Mio.
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sich ab dem Frühjahr 2010 eine
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Die faktische Macht
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18
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20
Die europäische Chance
21
eu& international
infobriefAusgabe 3 | Ju
ni 2010
Aus dem Inhalt
Imp ressum: Herausgeber/Medieninhaber: Kammer für Arbeiter und Angestellte Wien, 1040 Wien, Prinz Eugen Strasse 20–22 •
Redaktion: Elisabeth Beer, Thomas Delapina, Éva Dessewffy, Frank Ey, Lukas Oberndorfer, Oliver Prausmüller, Nikolai Soukup, Norbert
Templ, Alice Wagner, Valentin Wedl • Kontakt: Lukas Oberndorfer, Norbert Templ, Alice Wagner • Layout/Satz: Julia Stern • Verlags- und
Herstellungsort: Wien • Erscheinungsweise: 5 mal jährlich • Kostenlose Bestellung unter: http://wien.arbeiterkammer.at/euinfobrief
Editorial
Liebe Leserin!
Lieber Leser!
Die Politik des eisernen Sparens
hat zu folgenschweren Verwer-
fungen insbesondere in den Kri-
senländern Südeuropas geführt.
Ruth Simsa skizziert, wie sich die
Lebensbedingungen in Spanien
verschlechtert haben. Über
die schwierigen Verhandlungen,
die die griechische Regierungs-
partei Syriza mit der EU-Troika
führen muss, informiert Lukas
Oberndorfer. Michael Mesch
beschäftigt sich mit der Lohn-
politik in der Krise, die zu einer
Demontage der Tarifautonomie
der KollektivvertragspartnerInnen
geführt hat. Einen Einblick zu den
Praktiken der Steueroasen, die
eine steuerschonende Behand-
lung von Unternehmensgewin-
nen und Vermögen ermöglichen,
gibt Gertraud Lunzer. Frank Ey
schildert, wie es um die Trans-
parenz beim Lobbying auf EU-
Ebene bestellt ist. Elisabeth Beer
berichtet über die letzten Ent-
wicklungen zu Investitionsschutz
und Investor-Staat-Streit bei-
legungsmechanismus im EU-
USA-Handelsabkommen TTIP.
Die Kampagne No2ISDS setzt
dazu neue Aktivitäten.
Ihre Redaktion
Spanien ist von einer gravierenden ökonomischen, sozialen
und politischen Krise betroffen. Zum Teil ist dies Folge
der europäischen Politik. Die zunehmende Orientierung an Wirt-
schaftsinteressen statt an sozialen Standards, die Unterordnung des
Gemeinwohls unter individuelle Interessen, die Individualisierung
von Gewinnen und Kollektivierung von Risiken der Finanzmärkte
führen zu wachsender Ungleichverteilung und Exklusion. Ruth Simsa
Spanien
Überleben in der
Krise mit Hilfe
sozialer Netzwerke
Folgen sind in vielen Ländern Politik-
verdrossenheit oder ein Zulauf der
Krisenverlierer zu nationalistischen
und rechtspopulistischen Strömun-
gen. In Spanien dagegen kam es in
Folge einer breiten Protestbewegung
zu einer Stärkung der Zivilgesell-
schaft, des politischen Engagements
und der Solidarität. Infolge der Be-
wegung wurden neue Parteien ge-
gründet, die hohe Erfolgsaussichten
bei den nächsten Wahlen haben.1
Hintergründe: die Wirtschafts-
krise und ihre Folgen n Die Fi-
nanzkrise und durch sie verursachte
Liquiditätsengpässe von Banken tra-
fen Spanien nach einem Jahrzehnt
des Baubooms, der durch lockere
Kreditvergabe und niedrige Zinsen
verursacht und durch Spekulationen
verstärkt worden war. Bis dahin er-
lebte Spanien goldene Jahre und den
Aufstieg zur fünftgrößten Volkswirt-
schaft Europas. Spanien hatte vor
der Finanzkrise eine mit 39,4 % im
Jahr 2008 deutlich niedrigere Staats-
verschuldung als etwa Österreich
(68,5 %), war aber u.a. aufgrund
des hypertrophen Bausektors beson-
ders verwundbar. Mit der Finanzkri-
se platzte die Immobilienblase. Der
Staat fing die von Kreditausfällen
betroffenen Banken auf, verschul-
dete sich stark, Unternehmen gin-
gen in Konkurs, die Arbeitslosigkeit
stieg. Die Staatsverschuldung stieg
bis 2014 auf geschätzte 98,1 %2
eu& international
infobrief
Ausgabe 2 | Mai 2015
ISSN
240
9-02
8X
Aus dem Inhalt
»
Spanien – Überleben in der Krise 1
Steuerflucht und Steueroasen 5
Lohnpolitische Diktate der Troika 9
Transparenzregister: Lobbying-
praktiken auf EU-Ebene 11
Investitionsschutz: Nein zu ISDS 14
Griechenland: Kompromiss
in letzter Minute? 17
Buchbesprechung 22
Impressum: Herausgeber und Medieninhaber: Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien, 1040 Wien, Prinz Eugen Strasse 20-22 • Redaktion: Elisabeth Beer, Éva Dessewffy, Lukas Oberndorfer, Iris Strutzmann Norbert Templ, Valentin Wedl • Kontakt: Lukas Oberndorfer ([email protected]) Layout und Satz: Julia Stern • Verlags- und Herstellungsort: Wien • Erscheinungsweise: zweimonatlich • Kostenlose Bestellung unter: http://wien.arbeiterkammer.at/euinfobrief
Editorial
Liebe Leserin! Lieber Leser!
Vor Ihnen liegt doppelt Neues. Durch professionelles Layout
erscheinen wir in neuem Gewand. Auch inhaltlich haben wir uns
bemüht, die internationalen Brenn-punkte durch neue Formate besser
zu fokussieren: Langbeiträge als Raum für grundlegende Analysen. Damit starten Markus Marterbauer
und Lukas Oberndorfer. Ersterer zeigt auf, dass simultanes Kon-
solidieren die EU in den nächsten Abschwung führen könnte. Zweiterer
setzt sich mit dem Monti-Bericht – dem Versuch eines neuen Konsenses
für eine angebotseitige Binnen-marktpolitik – auseinander. Produk-tion von Konsens und Dissens darin spielen Bücher eine wichtige Rolle.
Daher eröffnen wir mit zwei Rezensi-onen eine neue Rubrik: Die Buchbe-
sprechung. Die bekannten Stärken unserer Zeitschrift bleiben erhal-
ten: aktuelle Themen informativ & prägnant aufbereitet. Das zeigen
Elisabeth Beer, Norbert Templ, Iris Strutzmann, Walter Sauer & Susan
Leather mit ihren Beiträgen zu Investitionsschutzabkommen,
Wachstumshindernissen, Handels-politik (EU – Kanada) und HIV/Aids.
Ebenso setzt Claudia Schürz unseren China-Schwerpunkt fort. Diesmal:
WanderarbeiterInnen.
Ihr AK Redaktionsteam
Seit Beginn der Finanz- und Wirtschaftskrise ist es der EU gelungen, durch pragmatische Notfallmaßnahmen das Banken system, die Konjunktur und den Markt für Staatsschuld-verschreibungen zu stabilisieren, jedoch sind die grundlegenden Probleme nicht bewältigt.
Europas Wirtschaft
An einer entscheidenden Weggabelung
Die weitere Konjunkturentwicklung hängt davon ab, ob die von Asien ausgehenden Auftriebskräfte oder die Dämpfung durch die simultane Budgetkonsolidierung in der EU stär-ker wirken. Die Bewältigung der ho-hen Staatsschulden bleibt ein zent-rales Thema, für dessen Bewältigung unkonventionelle Ansätze notwendig sind.
EU-Wirtschaftspolitik schafft Stabilisierung n Die wirtschaftliche Krise hat in der Europäischen Uni-on in den letzten Wochen ihr drittes Stadium erreicht: n Die Krise ging zunächst in den
Jahren 2007 und 2008 von den Finanzmärkten und Banken aus, das weltweite Finanzsystem ge-riet mehrmals an den Rand des Zusammenbruchs.
n Dadurch wurde von Mitte 2008 bis Mitte 2009 ein tiefer Einbruch der Realwirtschaft ausgelöst. Das
Bruttoinlandsprodukt ging 2009 real um 4,2% zurück, die saison-bereinigte Zahl der Arbeitslosen stieg vom Tiefstand im Frühjahr 2008 bis Mai 2010 von 16 Mio auf 23 Mio.
n Als Folge des durch den finanz- und realwirtschaftlichen Einbruch entstandenen Ausfalls an Steu-ereinnahmen und der zusätzli-chen Staatsausgaben entwickelte sich ab dem Frühjahr 2010 eine Staatsschuldenkrise.
Die EU-Politik hat die Krisenzeichen in allen drei Stadien spät erkannt, sie hat – bedingt durch langwierige Entscheidungsprozesse, vor allem aber geprägt durch ein neoliberales Weltbild, das den Märkten Effizienz zuspricht und staatliche Eingriffe für falsch hält – mit Zögern und Zaudern reagiert. Dennoch ist es schließlich in jedem Stadium der Krise gelun-gen, durch Notfallmaßnahmen eine Stabilisierung zu erreichen:
Europas Wirtschaft 1Die faktische Macht multinationaler Unternehmen 6 Wachstumshemmnisse 9Analyse des Monti-Berichts 10EU-Kanada Abkommen 15China – Illegale im eigenen Land 17HIV/Aids 18Kritik des Kapitalismus 20Die europäische Chance 21
eu& internationalinfobrief
Ausgabe 3 | Juni 2010
Aus dem Inhalt
Impressum: Herausgeber und Medieninhaber: Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien, 1040 Wien, Prinz Eugen Strasse 20-22 •
Redaktion: Elisabeth Beer, Éva Dessewffy, Lukas Oberndorfer, Iris Strutzmann Norbert Templ, Valentin Wedl • Kontakt:
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EditorialLiebe Leserin! Lieber Leser!Vor Ihnen liegt doppelt Neues.
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Seit Beginn der Finanz- und Wirtschaftskrise ist es
der EU gelungen, durch pragmatische Notfallmaßnahmen das
Banken system, die Konjunktur und den Markt für Staatsschuld-
verschreibungen zu stabilisieren, jedoch sind die grundlegenden
Probleme nicht bewältigt.
Europas Wirtschaft
An einer entscheidenden Weggabelung
Die weitere Konjunkturentwicklung
hängt davon ab, ob die von Asien
ausgehenden Auftriebskräfte oder
die Dämpfung durch die simultane
Budgetkonsolidierung in der EU stär-
ker wirken. Die Bewältigung der ho-
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sind.
EU-Wirtschaftspolitik schafft
Stabilisierung n Die wirtschaftliche
Krise hat in der Europäischen Uni-
on in den letzten Wochen ihr drittes
Stadium erreicht: n Die Krise ging zunächst in den
Jahren 2007 und 2008 von den
Finanzmärkten und Banken aus,
das weltweite Finanzsystem ge-
riet mehrmals an den Rand des
Zusammenbruchs.n Dadurch wurde von Mitte 2008
bis Mitte 2009 ein tiefer Einbruch
der Realwirtschaft ausgelöst. Das
Bruttoinlandsprodukt ging 2009
real um 4,2% zurück, die saison-
bereinigte Zahl der Arbeitslosen
stieg vom Tiefstand im Frühjahr
2008 bis Mai 2010 von 16 Mio auf
23 Mio.
n Als Folge des durch den finanz-
und realwirtschaftlichen Einbruch
entstandenen Ausfalls an Steu-
ereinnahmen und der zusätzli-
chen Staatsausgaben entwickelte
sich ab dem Frühjahr 2010 eine
Staatsschuldenkrise.Die EU-Politik hat die Krisenzeichen
in allen drei Stadien spät erkannt,
sie hat – bedingt durch langwierige
Entscheidungsprozesse, vor allem
aber geprägt durch ein neoliberales
Weltbild, das den Märkten Effizienz
zuspricht und staatliche Eingriffe für
falsch hält – mit Zögern und Zaudern
reagiert. Dennoch ist es schließlich
in jedem Stadium der Krise gelun-
gen, durch Notfallmaßnahmen eine
Stabilisierung zu erreichen:
Europas Wirtschaft 1
Die faktische Macht multinationaler Unternehmen 6
Wachstumshemmnisse 9
Analyse des Monti-Berichts 10
EU-Kanada Abkommen 15
China – Illegale im eigenen Land 17
HIV/Aids
18
Kritik des Kapitalismus 20
Die europäische Chance 21
eu& international
infobrief
Ausgabe 3 | Juni 2010
Aus dem Inhalt
Imp ressum: Herausgeber und Medieninhaber: Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien, 1040 Wien, Prinz Eugen Strasse 20-22 •
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nungsweise: 5 mal jährlich • Kostenlose Bestellung unter: http://wien.arbeiterkammer.at/euinfobrief
EditorialLiebe Leserin! Lieber Leser!
Noch einmal vor der Sommer pause
widmen wir uns den aktuellen
Brennpunkten der europäischen
Politik: P. Eberhardt skizziert die
Einflussnahme der Wirtschafts-
lobbys auf die Verhandlung des
EU-Indien Freihandelsabkommens.
L. Oberndorfer, N. Templ und C.
Schlager greifen in ihren Analysen
noch einmal neue Aspekte des viel
diskutierten Economic Government-
Pakets auf, ergänzt um einen
kritischen Blick auf die Austeri-
tätsprogramme quer durch Europa
(G. Feigl), auf die sprunghaften
Preisanstiege an den Rohstoffbör-
sen (M. Maltschnig) sowie Aktuel-
lem zur Finanztransaktionssteuer
(V. Wedl). Das Ende der ungari-
schen EU Präsidentschaft nimmt
K. Lachmayer zum Anlass einen
genaueren Blick über die Grenze zu
werfen und analysiert die aktuellen
Verfassungsreformen in unserem
Nachbarland. Weitere Themen der
Ausgabe sind die Reformvorhaben
im EU-Vergaberecht (S. Wixforth),
die Strategie zur legalen Zuwande-
rung in die Union (C. Cesnovar) so-
wie die revidierten OECD-Leitsätze
für multinationale Unternehmen (E.
Beer). Abgerundet mit Buch- und
Veranstaltungstipps wünschen wir
eine anregende Lektüre im Juni.Ihr AK Redaktionsteam
Seit 2007 verhandeln Indien und die EU ein weit reichendes
Freihandelsabkommen. Es umfasst alle relevanten Wirtschafts-
bereiche – von Industrie, Landwirtschaft und Dienstleistungssekto-
ren bis hin zu Patenten, der öffentlichen Auftragsvergabe und der
Ausbeutung von Rohstoffen. Demnächst sollen die Gespräche abge-
schlossen werden. Dabei weiß in Europa und Indien kaum jemand
etwas darüber. Nur Konzerne und ihre Lobbyverbände sind bestens
in die Verhandlungen eingebunden.
Pia Eberhardt
In den Freihandelsverhandlungen mit Indien
arbeiten EU-Kommission, Mitgliedstaaten und
Konzernlobbies eng zusammen
Feindliche ÜbernahmeDie bruchstückhaften Informationen
über die Verhandlungen, die bisher
an die Öffentlichkeit gesickert sind,
haben soziale Bewegungen, Ge-
werkschaften, Entwicklungs-, Frau-
en- und Gesundheitsorganisationen
alarmiert. Sie befürchten, dass das
EU-Indien Freihandelsabkommen
Armut, soziale Ungleichheit und den
ökologischen Raubbau in Indien ver-
schärfen wird. Auch Arbeitsrechte
und der Zugang zu Medikamenten
seien durch das Abkommen bedroht,
und zwar nicht nur in Indien, son-
dern weltweit. Wiederholt haben da-
her hunderte zivilgesellschaftliche
Organisationen aus Europa und In-
dien zu einem sofortigen Stopp der
Verhandlungen aufgerufen.1
Ganz anders die europäischen Kon-
zerne und ihre Verbände: Für Busi-
nessEurope, den europäischen
Arbeitgeberverband, ist das EU-Indi-
en-Freihandelsabkommen das wich-
tigste, das die EU derzeit verhandelt.
Ihm gehen die Gespräche zwar nicht
schnell genug, aber der Verband
ist hochzufrieden mit der Verhand-
lungsführung der EU-Kommission.
Und mit ihrer Informationspolitik.
Kein Wunder.Symbiose zwischen Kommission
und Wirtschaft n Schon Monate
vor Beginn der offiziellen Gespräche
mit Indien begann die EU-Kommis-
sion, die europäische Wirtschaft zu
konsultieren. In einem detaillierten
Fragebogen wurde sie zu Proble-
men beim Export von Gütern und
Dienstleistungen, bei Filialeröffnun-
gen, beim Zugang zu Rohstoffen in
Indien etc. befragt. Drei Tage vor
Verhandlungsbeginn versicherte die
damalige EU-Agrarkommissarin,
Freihandel mit Indien
1
Economic Governance rechtswidrig? 7
EU-Wirtschaftsregierung
13
Verfassungsreform in Ungarn 15
Financial Transaction Tax
19
Finanzmärkte und Rohstoffbörsen 20
Sparpakete in Europa
22
Revidierte OECD-Leitsätze 24
Legale Zuwanderung
28
Grünbuch EU-Vergabepolitik 30
Buchtipps
33
eu& international
infobrief
Ausgabe 3 | Juni 2011
Aus dem Inhalt
»
14 infobrief eu & international Ausgabe 4 | Oktober 2015 wien.arbeiterkammer.at
Investor-Staat-Streitschlichtung in TTIP
Die Sache mit der Transparenz … n Vorweg ein (Teil-)Erfolg in Sachen Transparenz auf dem mühsamen und langen Weg des zivilgesellschaftli-chen Widerstands gegen Sonderkla-gerechte von Konzernen: Die Kom-mission hat ihren lang erwarteten Vorschlag zu Investitionsschutz und Investor-Staat-Streitschlichtungs-verfahren für die TTIP-Verhandlun-gen selbst im Netz veröffentlicht und nicht erst darauf gewartet, dass das Dokument geleakt wird. Dies dürf-te wohl auch der Grund dafür sein, dass die Medien der jetzt wieder auf-genommenen Diskussion über Son-derklagerechte von Konzernen in TTIP wenig Aufmerksamkeit schen-ken. Um das neue Modell eines In-vestitionsgerichts ist es schnell still geworden. Eine kritische Ausein-andersetzung bleibt aus. Geleakte Dokumente sind offensichtlich für die Medien spannender als zur all-gemeinen Diskussion präsentierte Entwürfe der Kommission. Bei Sach-verhalten, die der Öffentlichkeit vor-enthalten werden sollen und über Leaks allgemein zugänglich werden, werden BefürworterInnen und Geg-nerInnen ausführlicher befragt und kommentiert. Die fehlende Diskus-sion tut der Transparenz aber einen Abbruch, denn die notwendigen In-formationen für eine inhaltliche De-batte gelangen nicht in die interes-sierte Öffentlichkeit.
Ein neues Investitionsgerichts-system (ICS) soll das in Misskre-dit geratene ISDS ersetzen – um wieviel besser ist ICS? n Ist der neue Vorschlag zur Investitions-streitbeilegung in TTIP reine Kosme-tik und Etikettenschwindel, weil das Modell lediglich einen neuen Namen trägt? Oder steckt da auch etwas da-hinter? Die Kommission hat in ihrem Modell eines Investitionsgerichts-systems (Investment Court System, ICS) wesentliche Kritikpunkte an
der gängigen Praxis von privaten Ad-hoc-Schiedsgerichten oder ISDS aufgegriffen und entkräftet. So soll ein ständiges Investitionsgericht mit PräsidentIn, VizepräsidentIn und fünfzehn RichterInnen bzw. Juris-tInnen (jeweils fünf aus den USA, der EU und Drittstaaten) eingerich-tet werden, wobei in Streitfällen die drei im jeweiligen Tribunal tätig wer-denden RichterInnen im Rotations-verfahren von PräsidentIn und Vi-zepräsidentIn ernannt werden. Eine Berufungsinstanz mit sechs fixen RichterInnen (auch aus den USA, der
Investor-Staat-Streitschlichtung in TTIP
ICS anstatt ISDS in TTIP – Was ist vom neuen Kürzel zu halten? Die Europäische Kommission stellt ihren Vorschlag zum Investitionsschutz und zur Streitschlichtung zwischen Investoren und Staaten für die TTIPVerhandlungen zur Diskussion.1 Dieser beinhaltet das neue Modell eines Investitionsgerichts mit den USA. Was ist an diesem Konzept – außer dem neuen Kürzel ICS statt ISDS – dran? Und die Kommission gibt vor, das staatliche Regulierungsrecht vor Investorenklagen abzusichern. Hält sie ein, was sie vollmundig verspricht? Elisabeth Beer
EU und Drittstaaten) kann zur Über-prüfung von Schiedsurteilen angeru-fen werden. Die für maximal zwölf Jahre fix nominierten RichterInnen haben Qualifikationsanforderungen zu erfüllen und ein Verhaltenskodex untersagt parallele anwaltliche Tä-tigkeiten. Auch Transparenzregeln, klare Zeitabläufe und die Festlegung der Rechte von dritten Parteien ver-bessern das Schiedsverfahren, was rechtsstaatliche Grundsätze gewähr-leisten soll.
Doch mehrere schwerwiegende Kri-tikpunkte wie etwa Interessenskol-lisionen von SchiedsrichterInnen2, enorm hohe Streitwerte sowie die Zweiklassen-Justiz und die Sonder-gerichtsbarkeit, die durch die Inves-tor-Staat-Streitschlichtung geschaf-fen wurden, hat die Kommission nicht aus dem Weg geräumt. Nach wie vor richten sich die Tagessätze und der Spesenersatz der Schiedsrichte-rInnen nach dem Streitwert, womit ein materielles Interesse der Rich-terInnen an hohen Schadenersatz-forderungen weiterhin besteht. Das einseitige Klagerecht der Investoren erzeugt grundsätzlich einen großen Bias für die RichterInnen, im Inter-esse der Investoren zu handeln, um Streitfälle attraktiv zu machen. Eine Amtsenthebung ist nicht vorgesehen, womit der Verhaltenskodex, der an-waltliche Tätigkeiten untersagt,
Um das neue Modell eines Investitions
gerichts ist es schnell still geworden – eine
kritische Auseinandersetzung bleibt aus.
»
15 infobrief eu & international Ausgabe 4 | Oktober 2015 wien.arbeiterkammer.at
Investor-Staat-Streitschlichtung in TTIP
zahnlos wird. Die Qualifikationsan-forderungen an die RichterInnen sind so gestaltet, dass wiederum nur jene ExpertInnen in Frage kommen, die bereits heute in den privaten Ad-hoc-Schiedsgerichten tätig sind und daher die Entwicklung der Klagefälle und Schiedssprüche, die zu so gro-ßer Empörung in der Öffentlichkeit geführt hat, zu verantworten haben. In Summe ist damit auch die Unab-hängigkeit der RichterInnen nach wie vor nicht gewährleistet.
Grundsätzlich bleibt die Kernkritik am Investitionsschutzregime – auch wenn es Berufungs- und Prüfungs-möglichkeiten bei eklatanten Fehl-urteilen gibt – unberührt: Es wird eine Zweiklassen-Justiz geschaffen und ausländische Investoren können mit den Sonderklagerechten natio-nale Gerichte umgehen und Staa-ten direkt klagen, was andere in der Gesellschaft nicht können. Darüber hinaus werden US-amerikanische Investoren bessergestellt als inlän-dische Unternehmen, die u.a. bei sog. „indirekter Enteignung“ keine Schadensersatzklagen auch für ent-gangene künftige Gewinne erstrei-ten können. Auch sind die Schieds-richterInnen nach wie vor nicht dem öffentlichen Interesse verpflichtet, sondern haben nur die Bestimmun-gen des Abkommens auszulegen, die ausschließlich dem Investorenschutz, nicht aber dem Schutz des Gemein-wohls oder aber der Menschenrechte dienen.
Zu bedenken ist auch, dass Sonder-gerichte eine eigene Rechtsprechung entwickeln, die auf die ihnen zuge-wiesene Aufgabe fokussiert ist. Im
vorliegenden Fall ist diese der In-vestorenschutz, womit keine Gewähr gegeben ist, dass die Schiedsurteile in einem Investitionsgericht weniger investorenfreundlich ausfallen wür-den als im herkömmlichen ISDS.
Die Kosten des ICS als ständige Ein-richtung belaufen sich auf 3 Millionen Euro im Jahr, wobei die veranschlag-ten 1,5 Millionen Euro, die bei TTIP die EU aufbringen müsste, aus dem EU-Budget kommen würden.
Staatliche Regulierungsrechte keineswegs abgesichert n Im Vor-schlag der Kommission soll erstmalig das staatliche Regulierungsrecht in einem Investitionsabkommen abge-sichert werden. Doch die vollmün-digen Ankündigungen halten nicht, was sie versprechen. Zwar soll es in TTIP nach den Vorstellungen der Kommission eine eigene Bestimmung zum Regulierungsrecht geben, in der auch sensible Bereiche des Allge-meinwohls wie Gesundheit, Soziales, Umwelt- und KonsumentInnenschutz und ähnliches angesprochen werden, doch bei näherer Prüfung sind dies leere Versprechen. Nach wie vor ste-hen Regulierungsmaßnahmen auch in sensiblen Politikbereichen im Span-nungsverhältnis zwischen Allgemein-wohlinteressen und wirtschaftlichen Eigeninteressen der ausländischen Investoren. Die Schiedsgerichte ha-ben von Fall zu Fall zu prüfen, ob neue Gesetze und sonstige Regulie-rungen, die die Profiterwartungen von ausländischen Unternehmen schmälern, im legitimen Interesse der Allgemeinheit sind und darüber hinaus auch notwendig sind und ver-hältnismäßig durchgesetzt werden. Die Beweislast liegt ausschließlich beim Staat, der das Schiedsgericht überzeugen muss. Und selbst wenn die Maßnahme als legitim, verhält-nismäßig und notwendig erachtet wird, kann das Schiedsgericht Ent-schädigungsansprüche festgelegen, weil die Erwartungen des Investors frustriert wurden.
ICS ist weitgehend Kosmetik: eine
Unabhängigkeit der SchiedsrichterInnen ist
nicht gewährleistet.
Es wird eine ZweiklassenJustiz geschaffen: Ausländische Investoren können mit den Sonderklagerechten nationale Gerichte umgehen und Staaten direkt klagen.
Das umfassende Positions-papier der Arbeiterkammer ist zu finden unter:http://www.akeuropa.eu/de/publicationfull.html?doc_id=382&vID=43
Zum Weiterlesen
Hinzu kommt, dass die neue Bestim-mung so vage gehalten ist, dass die SchiedsrichterInnen den Interpreta-tionsspielraum haben, von Fall zu Fall zu entscheiden, ob sie die Bestim-mung als allgemeine Richtlinie oder aber als eine Ausnahme von Inves-titionsschutzansprüchen verwenden. Damit bleibt wiedermal alles wie ge-habt: Widersprüchliche Auslegungen ermuntern Investoren zu Klagen und erzeugen Rechtsunsicherheit, was wiederum Staaten von notwendigen Regulierungen abhält, um das Risiko von Klagen einzuschränken.
Kommission nimmt Verhandlun-gen zu Investitionsschutz und ISDS bzw. ICS in TTIP wieder auf n Die Kommission will bereits im November den Verhandlungstext zu Investitionsschutz und Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren den USA vorlegen und macht enormen Zeitdruck. Nur ein knappes Monat soll der neue Vorschlag zu ICS im Rat und im Europäischen Parlament diskutiert werden, wobei die Kom-mission nicht vorhat, einen formellen Beschluss für die Verhandlungen ein-zuholen. Eine öffentliche Beteiligung an der eingeleiteten Diskussion ist nicht vorgesehen. Die Kommission hofft offensichtlich, durch ihren zeit-lichen Druck die breite Widerstands-bewegung gegen ISDS in TTIP »
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16 infobrief eu & international Ausgabe 4 | Oktober 2015 wien.arbeiterkammer.at
mundtot zu machen und ihre Pläne ohne weitere öffentliche Debatten durchziehen zu können. Kritische Stimmen aus dem Europäischen Parlament, aber auch aus nationa-len Parlamenten haben sich nur un-mittelbar nach der Präsentation des neuen Vorschlags durch Kommissa-rin Malmström Mitte September zu Wort gemeldet. Danach ist jegliche Diskussion verstummt. Daher ist zu befürchten, dass das Kalkül der Kommission aufgehen könnte.
Die Reaktionen der Wirtschaft und deren durchsetzungsstarke Lobbys verheißen nichts Gutes. Die US-Handelskammer hat ICS schlicht als indiskutabel abgetan und will statt-dessen das bisher übliche, noch in-vestorenfreundlichere ISDS in TTIP durchsetzen. Der europäische Wirt-schaftsdachverband Business Euro-pe hat ICS für zu investorenfeindlich kritisiert und entsprechende Anpas-sungen in Richtung des herkömmli-chen ISDS gefordert.3 Nur die WKÖ hat eine pragmatische Haltung ein-genommen, indem sie die geplanten Neuerungen des Streitschlichtungs-verfahrens als eine offensichtliche Notwendigkeit hingenommen hat, um die Verhandlungen zu Investi-tionsschutz wieder aufnehmen zu können.4 Anerkennung für ihren Vor-schlag hat die Kommission nur von S&D-Abgeordnetem Bernd Lange, der Berichterstatter für die TTIP-Resolution des Europäischen Parla-ments war, bekommen. Er sprach
vom „einzig richtige[n] Weg vor-wärts in der Handelspolitik“5.
Was ist zu tun! n Die Kommission will Investitionsschutzbestimmun-gen mit den USA verhandeln, die nach wie vor Konzernen ermöglichen würden, gegen Regulierungen im In-teresse der Allgemeinheit vorzuge-hen. Die vorgelegten Vorschläge sind jedenfalls nicht ausreichend, um die Gefahren zu entschärfen, die vom Investitionsschutz ausgehen, denn
n nach wie vor sollen sich die Staaten dazu verpflichten, hohe Schadens-ersatzzahlungen zu leisten, wenn sich Investoren durch neue Re-gulierungen ungerecht behandelt sehen. Das selbstverständliche Re-gulierungsrecht von Staaten kann ungemindert durch Klagen bedroht und auch ausgehöhlt werden.
n Das Ergebnis der öffentlichen Kon-sultation zu ISDS in TTIP war ein-deutig: Keine – und daher auch nicht verschönerte – Sonder-klagerechte für Konzerne, denn US-amerikanische Unternehmen sollen in der EU nicht besser be-handelt werden als alle anderen in der Gesellschaft.
n Mit dem Vorschlag zu einem neu-en Streitschlichtungssystem für Investorenklagen will die Kom-mission die bis jetzt ausgesetzten Verhandlungen mit den USA zu Investitionsschutz wieder aufneh-
men. Es besteht in dieser Frage jedoch nach wie vor ein erhebli-cher Diskussionsbedarf sowie ins-besondere die Notwendigkeit, die Entscheidungsfindung in der EU in einer fairen und demokrati-schen Weise zu gestalten. Die ak-tive „No2ISDS“-Bewegung und die breite Unterstützung der selbstor-ganisierten BürgerInneninitiative gegen TTIP sind ein hinreichendes Zeugnis davon, dass ISDS oder ICS – wie auch immer es zukünftig heißen soll – auf große Ablehnung bei den europäischen BürgerInnen stößt. Daher sind jegliche Ver-handlungen darüber mit den USA nicht nur weiterhin auszusetzen, sondern vollständig abzublasen.
Elisabeth Beer n AK Wien
No2ISDS heißt auch No2ICS:
keine Sonderklagerechte für Konzerne
in TTIP.
1) Europäische Kommission, Commis
sion draft text TTIP – Investment,
16.9.2015, http://trade.ec.europa.
eu/doclib/docs/2015/september/tra
doc_153807.pdf (05.10.2015).
2) Auch wenn die Kommission von RichterIn
nen spricht, sind die in Schiedstribunalen
tätigen Personen nicht unbedingt Richte
rInnen in dem Sinn, dass sie ein Richter
amt bekleiden, sondern Personen, die in
ihrem Hauptberuf Rechtsgelehrte, Profes
sorInnen aber auch AnwältInnen sind und
die Qualifikationsvoraussetzung zu einem
Richteramt befähigt zu sein, erfüllen.
3) Siehe hierzu: http://91.238.32.185/
docs/1/LHCNFJMAFINFCCFKHIIHMJN
MPDW19DBNEW9LTE4Q/UNICE/docs/
DLS/201500668E.pdf (05.10.2015).
4) Siehe hierzu: http://www.ots.at/presse
aussendung/OTS_20150916_OTS0233/
wkoeinternationalesinvestitionsge
richtistkompromissumttipverhand
lungenbeiinvestitionsschutzwieder
ingangzubringen (05.10.2015).
5) Siehe hierzu: https://www.spd
europa.de/pressemitteilungen/der
einzigrichtigewegvorwaertsder
handelspolitik2262 (05.10.2015).
Investor-Staat-Streitschlichtung in TTIP
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17 infobrief eu & international Ausgabe 4 | Oktober 2015 wien.arbeiterkammer.at
Die Diskussionen um die Folgen von CETA und TTIP reißen nicht ab. Nicht nur das kürzlich noch ISDS (Inves-tor-State Dispute Settlement) und inzwischen ICS (Investment Court System) genannte Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren bringt die Gemüter zum Wallen. Auch die Diskussion über die umstrittene Re-gulierungskooperation in den neuen Handels- und Investitionsabkommen der EU wird je nach Interessenlage kontrovers geführt. Am 16. Septem-ber lud die AK Wien in ihrer Bibliothek zur Präsentation des Rechtsgutach-tens über die geplante Regulierungs-kooperation in CETA und TTIP ein. In dem Rechtsgutachten bestätigen die Göttinger Wirtschaftsvölkerrechtler Peter-Tobias Stoll, Till Patrick Hol-terhus und Henner Gött viele Sor-gen der BürgerInnen in Verbindung mit der Regulierungskooperation. Im Folgenden werden die wichtigsten Ergebnisse des Rechtsgutachtens zu-sammengefasst:
n Der Anwendungsbereich ist extrem weit. Die Reichweite der Regulie-rungszusammenarbeit ist erheb-lich. Sie umfasst fast jede gegen-wärtige und künftige Regulierung der EU oder ihrer Mitgliedstaaten, die einen Bezug zum Handel mit Waren oder Dienstleistungen auf-weisen. Darunter fallen auch sol-che, die dem Schutz der Arbeitneh-
merInnen, der VerbraucherInnen und der Umwelt dienen und es wer-den Bereiche berührt, die in den Kompetenzbereich der Mitglied-staaten fallen.
n Fragwürdige Methoden der Regu-lierung: Der Abbau von Handels-hemmnissen wird durch ein Früh-informationssystem über geplante Gesetzesvorhaben sowie Harmoni-sierung und gegenseitige Anerken-nung von Standards angestrebt. Darüber hinaus ist in TTIP auch eine sogenannte „Vereinfachung“ von Regulierungen vorgesehen.
n Schutzstandards werden nicht ge-währleistet, das Vorsorgeprinzip nicht erwähnt. Die Entwurfstexte von CETA und TTIP betonen das Bestreben, möglichst hohe Schutz-standards zu gewährleisten. Al-lerdings sind die verwendeten Formulierungen in den Entwürfen vergleichsweise schwach. Beson-ders bedenklich ist, dass das Vor-sorgeprinzip als ein Kernelement der europäischen Regulierungspo-litik in beiden Entwürfen gar nicht vorkommt. Diesem Grundsatz zu-folge können in der EU auch bei feh-lender endgültiger wissenschaftli-cher Gewissheit über das Ausmaß der Risiken präventive Maßnahmen zum Schutz von Menschen, Tieren und Umwelt gesetzt werden. So
wird etwa das Vorsorgeprinzip in der EU für die Zulassung von gen-technisch veränderten Lebensmit-teln angewandt.
n Es besteht ein Demokratiedefizit. Unklar ist, ob und in welchen Fällen eine Zustimmung zu den Ergebnis-sen aus der Regulierungszusam-menarbeit seitens des EU-Minister-rats, des EU-Parlaments oder der entsprechenden Organe der Mit-gliedstaaten (z.B. der nationalen Parlamente) erforderlich sind.
n Unklarheiten über Einflussmög-lichkeiten: Völlig offen bleibt auch, welche Einflussmöglichkeiten wel-chen Interessengruppen zuge-standen werden sollen. Bis dato ist ungewiss, welche Interessenver-treterInnen in den Gremien ver-treten sein werden und ob sich die Einbindung zivilgesellschaftlicher Organisationen auch hinreichend auswirken kann.
n Auswirkungen auf die Zukunft: Die Regulierungszusammenarbeit er-fasst auch in Vorbereitung befindli-che und zukünftige Regulierungen. Aufgrund einer Informationspflicht können daher auch Regulierungs-vorhaben in einzelnen Mitgliedstaa-ten bereits frühzeitig Gegenstand der Zusammenarbeit werden und auch völkerrechtlich verbindli- »
TTIP und CETA – Wollen wir das?
Studienpräsentation
Die Regulierungskooperation in TTIP und CETA – Wollen wir das? Die Regulierungszusammenarbeit ist ein Kernelement der EUFreihandelsabkommen mit Kanada (CETA) und den USA (TTIP). Dabei stellt sich die Frage, ob im Rahmen dieser Zusammenarbeit die Interessen der ArbeitnehmerInnen, der VerbraucherInnen und der Umwelt ausreichend gewährleistet werden. Deshalb hat die AK ein Rechtsgutachten dazu beauftragt. Bei einer Studienpräsentation wurden die Ergebnisse des Gutachtens vorgestellt und mit ExpertInnen diskutiert. Éva Dessewffy
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che Beschlüsse können dazu in den transatlantischen Gremien gefasst werden.
Im Anschluss an die Präsentation durch Studienautor Prof. Peter-To-bias Stoll diskutierten Heidemarie Porstner (Global 2000), Igor Sekar-di (Industriellenvereinigung, IV) und Éva Dessewffy (AK Wien) über das Für und Wider der Kommissionsvor-schläge.
Global 2000: Standards wer-den nicht erhalten, die Umwelt nicht geschützt und Gentechnik kommt n Heidi Porstner von Glo-bal 2000 wies auf die unterschied-
lichen Systeme bei der Bewertung der Sicherheit von Nahrungsmitteln, Chemikalien oder Saatgut hin. Wäh-rend in der EU das Vorsorgeprinzip vorherrsche, werde in den USA sei-tens der Industrie ein auf sogenann-ter solider Wissenschaft beruhender Ansatz eingefordert. Hier bestünde großer Handlungsbedarf. Weder in CETA noch in TTIP werde auch nur erwähnt, dass bestehende Standards erhalten werden müssen. Im Gegen-teil: Heidi Porstner befürchtet, dass diese Standards ausgehebelt werden und hält die diesbezüglichen Beteu-erungen der Kommission für reine Lippenbekenntnisse.
Wenn der Marktzugang die oberste Prämisse bei der Regulierungszu-
TTIP und CETA – Wollen wir das?
„Wenn ich jemandem meinen Gebrauchtwagen verkaufen will, dann werde ich im Internet nicht meinen niedrigsten Verkaufspreis angeben. Dann wird mir der Käufer keinen Cent zusätzlich geben, wenn er ein guter Verhandler ist.“Igor Sekardi (IV) zu Transparez
Wenn die Gentechnik nicht zu einem gut
verankerten Thema in TTIP wird, dann wird
es seitens der landwirtschaftlichen Verbände
einen hohen Druck auf die Kommission
geben, um gentechnikfreundliche Regelungen
durchzusetzen.“Heidemarie Porstner (Global 2000)
zur Gentechnik
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sammenarbeit ist, dann stehe die Frage im Mittelpunkt, was der Zu-lassung eines Produktes auf dem je-weils anderen Markt entgegensteht. Dann wären es nicht nur bürokrati-sche Hürden, die es abzubauen gilt, sondern die sehr großen Unterschie-de bei Bewertungsmethoden. So werde in Kanada und den USA mas-siv Gentechnik eingesetzt, in der EU gebe es einen großen Widerstand dagegen. Die Kommission hätte bis heute keine Antwort darauf gegeben, wie Handelsbarrieren gesenkt, sprich Zulassungen beschleunigt bzw. ver-einfacht werden sollen und gleichzei-tig die hohen Sicherheitsstandards und Prüfanforderungen an die neu zuzulassenden Produkte in der EU erhalten werden sollen. Man kenne die Aussagen der Industrie und der Agrarlobby, was Gentechnik betrifft. Wenn die Gentechnik nicht zu einem gut verankerten Thema in TTIP wird, dann werde es seitens der landwirt-schaftlichen Verbände einen hohen Druck auf die Kommission geben, um gentechnikfreundliche Regelun-gen durchzusetzen.
Heidi Porstner führt exemplarisch ei-nen sehr kurzen, aber aufschlussrei-chen Absatz zu Gentechnik in CETA mit dem Titel Biotechnologie an: Das Ziel sei es demnach, der Gentechnik
durch eine effektive wissenschaftli-che Bewertung beim Anbau und bei Futtermitteln zum Durchbruch zu verhelfen. Dies soll nicht nur in der EU und in Kanada, sondern auch auf Ebene der Mitgliedstaaten gelten. Es stelle sich die Frage, ob wir das woll-ten.
IV: Hohen Standards droht kei-ne Gefahr, es geht nur um Infor-mationsaustausch n Igor Sekardi meinte, er respektiere die Auslegung durch das präsentierte Rechtsgut-achten von Prof. Stoll. Allerdings sei es eine unter vielen, die Kommission sehe die Sachlage anders. TTIP sei ein Handelsabkommen, dessen Ziel es sei, den Handel zu liberalisieren,
Im Bild v. l. n. r.: PeterTobias Stoll (GeorgAugustUniversität Göttingen), Heidemarie Porstner (Global 2000), Igor Sekardi (IV), Éva Dessewffy (AK Wien), Ulla Ebner (Ö1, Moderation).
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Exporte und das Wirtschaftswachs-tum zu steigern und Arbeitsplätze zu schaffen. Zwei Drittel des öster-reichischen Wohlstands – und damit letztendlich Arbeitsplätze – seien durch den Export gesichert. TTIP gehe sehr weit, weil es auch um den Schutz von Standards ginge. Dies sei der Industriellenvereinigung wich-tig. Sie sei gegen die Absenkung von Standards in der industriellen Pro-duktion, denn hohe Standards seien der Garant für den Erfolg der öster-reichischen Exportwirtschaft.
Die IV vertraue der Kommission voll und ganz. So fürchtet der IV-Vertre-ter weder um die demokratischen Strukturen noch dass es verpflich-tende Beschlüsse im Wege der Regu-lierungszusammenarbeit geben soll. Vielmehr sei lediglich ein Gremium zum Informationsaustausch geplant.
Für Igor Sekardi ist TTIP das bis dato transparenteste Abkommen über-haupt. Trotz der vielen Materialien zu TTIP, die es jetzt online gibt, scheint ihm das Interesse in der Bevölkerung daran doch nicht so groß zu sein. Ein bestimmter Grad an Intransparenz sei jedoch notwendig, wenn man das Beste herausholen wolle. „Wenn ich jemandem meinen Gebrauchtwagen verkaufen will, dann werde ich im In-ternet nicht meinen niedrigsten Ver-kaufspreis angeben. Dann wird mir der Käufer keinen Cent zusätzlich geben, wenn er ein guter Verhand-ler ist.“ Das gelte auch für TTIP, um für Europa das Beste herausholen zu können.
AK: EU-Schutzstandards für Kon-sumentInnen und Arbeitneh-merInnen unter Druck n Für die AK als Vertreterin von über drei Mil-lionen ArbeitnehmerInnen sei Trans-parenz besonders wichtig, führte Éva Dessewffy aus. Um rechtlich kom-plexe Abkommen analysieren und beurteilen zu können, sei Expertise von notwendig. Die AK könne ihrem Auftrag, die Interessen der österrei-
chischen ArbeitnehmerInnen zu ver-treten, nur dann in der gebotenen Se-riosität nachkommen, wenn auf der Basis offen zugänglicher Dokumente die Möglichkeit bestünde, Rechtsmei-nungen einzuholen. Beim aktuellen Rechtsgutachten waren die Autoren auf das geleakte Regulierungskapitel von TTIP angewiesen. Die Geheim-haltung der TTIP-Texte könne nicht im Allgemeininteresse liegen.
80% der geschätzten Wachstums-effekte von TTIP sollen laut Studi-en auf den Abbau von nichttarifären Handelshemmnisse zurückzuführen sein. Unter nichttarifären Handels-hemmnissen werden jede Art von Regulierungen, technischen Han-delshemmnissen, Quoten oder Le-bensmittelbestimmungen in den Vereinbarungen zu sogenannten sa-nitären und phytosanitären Maßnah-men verstanden. Es sei daher davon auszugehen, dass viel Energie in den Abbau von nichttarifären Handels-hemmnissen fließen wird. Deshalb sei der Anwendungsbereich auch so extrem weit.
Das Vorsorgeprinzip sei zudem für den KonsumentInnenschutz sehr wichtig. Die Kommission beteuert zwar die Beibehaltung dieses europä-ischen Grundsatzes. Allerdings werde es in CETA und TTIP mit keinem Wort erwähnt. Stattdessen beziehe man sich auf das WTO-Abkommen über sanitäre und phytosanitäre Maßnah-men, in dem das Vorsorgeprinzip nur temporär anwendbar ist. Das wäre das Ende des Vorsorgeprinzips. Darüber hinaus bestehe auch kein Absenkungsverbot von bestehenden Standards, das die AK gern in CETA und TTIP verankert hätte.
Darüber hinaus seien die Rechte der ArbeitnehmerInnen in den USA und der EU sehr unterschiedlich. Bei-spielsweise sei die durchschnittliche Arbeitszeit in der EU auf 48 Stun-den beschränkt, so Éva Dessewffy. Das Pendent zur Arbeitszeitrichtlinie
der EU sei der Fair Standards Act in den USA. Dieser beschränke weder die Arbeitszeit und bestimme auch keine Urlaubs- und Ruhezeiten für ArbeitnehmerInnen über 16 Jahren. Auch die Bestimmungen über die Karenzurlaube oder Ruhezeiten für LKW-FahrerInnen seien in den USA ungünstiger.
Die TTIP-Verhandlungen scheinen sich zu verzögern. Die EU-Kommis-sion hat kürzlich bekanntgegeben, dass sie die Verhandlungen erst mit Ende 2016 abschließen wolle. Die AK wird die Verhandlungen und die Diskussionen weiterhin aufmerksam verfolgen, die Öffentlichkeit darüber informieren und die Anliegen der Ar-beitnehmerInnen und KonsumentIn-nen mit Nachdruck vertreten.
Éva Dessewffy n AK Wien
TTIP und CETA – Wollen wir das?
„Die durchschnittliche Arbeitszeit in der EU ist auf 48 Stunden beschränkt. Der Fair Standards Act in den USA beschränkt we
der die Arbeitszeit und bestimmt auch keine
Urlaubs und Ruhezeiten für ArbeitnehmerInnen
über 16 Jahren.“Éva Dessewffy (AK Wien)
zu Arbeitsrechten
Link zum Rechtsgutachten:http://media.arbeiterkammer.at/wien/PDF/studien/Regulierungszusammenarbeit_ttip_ceta.pdf
Link zum Veranstaltungsrückblick:http://wien.arbeiterkammer.at/service/veranstaltungen/rueckblicke/index.html
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20 infobrief eu & international Ausgabe 4 | Oktober 2015 wien.arbeiterkammer.at
Eine bisher wenig bekannte Gruppe von Stoffen sorgt derzeit für heiße wissenschaftliche und politische Dis-kussionen innerhalb und auch außer-halb der EU. Sogenannte endokrine Disruptoren stören das menschli-che Hormonsystem und sind für schwere gesundheitliche Störungen verantwortlich. Wie genau ihre re-gulatorische Definition lauten soll, steht seit Jahren zur Debatte. Die europäischen Gesetzestexte geben keine eindeutigen Antworten. Vor allem die Pestizidverordnung ist ein heiß umkämpftes Feld zwischen den Interessen von Wirtschaftsvertre-terInnen und Allgemeininteressen. Derzeit erhebt sich ein Trumpf für die Industrie: die aktuell laufenden TTIP-Verhandlungen. Die US-Han-delskammer und verschiedene ande-re Industrieverbände üben bewusst mit TTIP Druck auf die Europäische Kommission aus. Sie warnen davor, dass die laufenden Verhandlungen gefährdet seien, sollten strenge Re-gulierungen in Bezug auf endokrine Disruptoren vorgenommen werden. Man erhofft sich auch einen grundle-
genden regulatorischen Schwenk in-nerhalb der EU zu erwirken. Gemeint ist eine Abkehr vom Vorsorgeprinzip, hin zum risikoreicheren sogenann-ten wissenschaftsbasierten Ansatz im Chemikalienbereich.
Was sind endokrine Disrupto-ren? n Hormone sind Botenstoffe, die von Hormondrüsen abgegeben werden und das Wachstum, die Ent-wicklung, die Fortpflanzung, den Stoffwechsel, den Schlaf und das Verhalten von Menschen und Tieren steuern. Als endokrine Disruptoren werden jene Substanzen bezeich-net, die das Hormonsystem negativ beeinflussen. Dies können Substan-zen natürlichen oder künstlichen Ursprunges sein. Manche senken die Produktion von Hormonen in den Hormondrüsen, andere imitie-ren ihre natürliche Wirkung im Kör-per und einige blockieren die Wir-kung von Hormonen gar ganz.
Laut der Weltgesundheitsorganisa-tion WHO gibt es weltweit rund 800 bekannte endokrine Disruptoren. Darunter befinden sich sowohl er-laubte als auch in der Europäischen Union bereits verbotene Stoffe. Vie-le davon gelten als krebserregend. Außerdem stehen sie im Verdacht, zu Frühgeburten, Frühreife, Über-gewicht und Diabetes zu führen. Ein bekannter Stoff ist Bisphenol A. Ein-gesetzt wird Bisphenol A als Haupt-bestandteil in der Kunststoffherstel-
lung. Ein weiteres Beispiel für einen endokrinen Disruptor ist Ethinylest-radiol, welches ein Bestandteil der Anti-Babypille ist. Auch sogenannte Phtalate sind chemische Substan-zen, die als Weichmacher in der Kunststoffherstellung eingesetzt werden und hormonschädigende Ei-genschaften besitzen. Die Frage der Definition von endokrinen Disrupto-ren im regulatorischen Sinn ist der-zeit Teil einer großen wissenschaft-lichen und politischen Diskussion.
Was wurde bisher von der EU-Kommission unternommen? n
Zwischen 1996 und 2000 kam es zur Schaffung einer sogenannten Gemeinschaftsstrategie. Kurzfris-tig kamen die als am gefährlichsten geltenden Stoffe auf eine Verbots-liste und 435 Substanzen mit unsi-cheren Daten wurden untersucht. Mittelfristig sollte eine einheitliche europäische Teststrategie für hor-monschädigende Stoffe entstehen. Das langfristige Ziel war eine umfas-sende Legislaturanpassung. Sowohl die Biozidverordnung (EU 528/2012) als auch die Pestzidverordnung (EG 1107/2009) sehen vor, dass es zur Schaffung von Kriterien zur Identifi-zierung von endokrinen Disruptoren kommt. Es sollten Kriterien entwi-ckelt werden, auf deren Basis künf-tige regulatorische Entscheidungen zu endokrinen Disruptoren getroffen werden können. Dies hat den Grund, dass endokrine Disruptoren bis heu-te keine formalen Kriterien in den zentralen europäischen Chemikali-engesetzen besitzen. Im rechtlichen wie im wissenschaftlichen Sinne gibt es also keine allgemein gültige Defi-nition. Darum sollte die EU-Kom-
Lobbying zu Regulierungsvorhaben zu hormonschädigenden Stoffen
Lobbying zu Regulierungsvorhaben zu hormonschädigenden Stoffen
Bereits vor TTIP-Abschluss zeigt sich Druck auf die europäische GesetzgebungDie Frage der Regulierung von hormonschädigenden Stoffen in der EU steht zur Debatte. HandelsvertreterInnen und die USHandelskammer warnen vor Milliardenverlusten und der Gefährdung der laufenden TTIPVerhandlungen. Patrick Barabas
Endokrine Disruptoren sind eine bunt durchgemischte und nicht klar definierte Gruppe von Stoffen. Sie ähneln sich nur in ihrer Wirkung, Hormone negativ zu beeinträchtigen. »
21 infobrief eu & international Ausgabe 4 | Oktober 2015 wien.arbeiterkammer.at
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mission bis 2013 eine klare Definition in Bezug auf endokrine Disruptoren festlegen und sowohl auf die Biozid- als auch die Pestizidverordnung über-tragen. Als Übergangslösung wurden die als am gefährlichsten eingestuf-ten Stoffe, die im Verdacht stehen hormonschädigend zu sein, durch beide Verordnungen vorerst verbo-ten. Hier kann man also von einer vorsorgebasierten Maßnahme spre-chen. Nur wenn die Gefahr vernach-lässigbar ist oder eine Nichtzulassung gemessen an den Risiken für Mensch und Umwelt zu großen negativen Auswirkungen für die Gesellschaft führen würde, kann eine Zulassung bei Pestiziden und Bioziden erfolgen.
Zur Entwicklung einer einheitli-chen europäischen Rechtsvorschrift brauchte man also eine wissen-schaftliche Grundlage.1 Die Gene-raldirektion Umwelt (DG ENVI) der EU-Kommission übernahm 2009 die Führungsrolle und setzte sich zum Ziel, eine Studie vorzulegen, die klare wissenschaftliche Kriterien zur Identifizierung endokriner Disrupto-ren vorweisen konnte. Die Ergebnis-se sollten der besagten Überprüfung und Überarbeitung der zentralen
Chemikalienrechtsakte in der EU die-nen. Maßgeblich beteiligt an dieser Studie war auch der bekannte deut-sche Endokrinologe Andreas Korten-kamp.
Lobbyingattacken n 2012 wurde die Studie von der DG ENVI veröffentlicht und empfahl die Schaffung einer eige-nen regulatorischen Klasse für endo-krine Disruptoren sowie die vorsorgli-che Regulierung einer breiten Palette von Stoffen.2 Dies könnte auch bisher erlaubte Stoffe im Pestizidbereich be-treffen, was die Industrieverbände in Alarmbereitschaft versetzte. Bis 2013 hätte die Kommission laut eigenem Zeitplan eine Entscheidung treffen sollen, was endokrine Disruptoren im regulatorischen Sinn sind. Vermutlich wegen des aufkeimenden Drucks der europäischen sowie US-amerikani-schen Pharma- und Pestizidkonzerne sowie der US-Handelskammer unter-nahm die damalige Generaldirekti-on Gesundheit und Verbraucher (DG Sanco) der EU-Kommission ebenfalls den Versuch, eine wissenschaftli-che Einschätzung abzuliefern. Die EFSA (Europäische Behörde für Le-bensmittelsicherheit) wurde mit der Durchführung einer Untersuchung zu
endokrinen Disruptoren beauftragt. Hierbei zeigte der Druck, der durch die US-Handelskammer und Indus-trieverbände entstanden war, erste negative Folgen: acht der 18 Mitglie-der des Untersuchungsteams konnten Kontakte zur Industrie nachgewiesen werden. Nur vier hatten schon einmal zum Thema endokrine Disruptoren gearbeitet.3 Die EFSA empfahl, dass die meisten endokrinen Disruptoren wie normale Stoffe behandelt werden können und ein Risikobewertungsan-satz bei künftigen Regulierungsent-scheidungen wohl am zuverlässigsten sei.4 Die Empfehlung stand im kras-sen Gegensatz zu den Erkenntnissen der Generaldirektion Umwelt und der WHO. Letztere bezeichnete nämlich zur selben Zeit endokrine Disrupto-ren als globale Bedrohung.5 Um den Entscheidungsprozess weiter zu ver-zögern, begannen Industrievertrete-rInnen von nun an, BeamtInnen der EU-Kommission zu kontaktieren.6 Man forderte eine sogenannte Fol-genabschätzung7 über das Vorhaben zur Definition von endokrinen
Lobbying zu Regulierungsvorhaben zu hormonschädigenden Stoffen
»
»Mit einer Entscheidung
zur Legislaturanpassung in Bezug auf endokrine
Disruptoren ist wohl erst mit 2016 zu rechnen.
Veranstaltungsankündigung Montag, 14. Dezember 2015 9 bis 13 Uhr
Bildungszentrum der AK WienGroßer SaalTheresianumgasse 16–181040 Wien
Das europäische Integrationsprojekt am Wendepunkt
Zur Zukunft der Wirtschafts- und WährungsunionSeit Ausbruch der Krise 2008 ist es nicht gelungen, die Eurozone nachhaltig zu stabilisieren. Vielmehr suchen 23 Millionen Frauen und Männer Arbeit, fast 5 Millionen Jugendliche haben keinen Job.
Wissenschaftliche Inputs: Sonja Puntscher-Riekmann (Centre of European Union Studies Salzburg) und Engelbert Stockhammer (Kingston University London).
Veranstaltung von AK Wien und ÖGB in Kooperation mit der Wiener Zeitung
Ende Juni präsentierten die Präsiden-ten der Europäischen Kommission, des Europäischen Rates, der Europäischen Zentralbank, der Eurogruppe und des Europäischen Parlaments ihre Vorschlä-ge zur Vertiefung der Wirtschafts- und
Währungsunion. Wir laden zur Veran-staltung zur Zukunft der WWU, auf der ExpertInnen zum Präsidentenbericht Stellung nehmen und über notwendige Schritte zum Umbau der WWU diskutie-ren werden.
22 infobrief eu & international Ausgabe 4 | Oktober 2015 wien.arbeiterkammer.at
Disruptoren und die damit verbunde-ne Legislaturanpassung und warnte vor den großen wirtschaftlichen Ver-lusten, sollten im Pestizidbereich wei-tere Stoffe verboten werden.8
Auseinandersetzungen im Rah-men von TTIP n Bis heute gibt es noch immer keine Einigung über ein-heitliche Kriterien zur Identifizierung von endokrinen Disruptoren und eine damit einhergehende Legislaturan-passung durch die EU- Kommission. Einerseits durch mangelnde wissen-schaftliche sowie rechtliche Einigkeit, was endokrine Disruptoren sind, und andererseits durch die Verzöge-rungstaktik seitens der Chemiein-dustrie. Durch die Initiierung einer sogenannten Folgenabschätzung, bei der die Kommission bei Regulie-rungsvorhaben die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Folgen abschätzt und Stakeholder miteinbe-zieht, wird gezielt Zeit geschunden. Mit einer Entscheidung zur Legisla-turanpassung in Bezug auf endokrine Disruptoren ist wohl erst mit 2016 zu rechnen.
Das Freihandelsabkommen TTIP zielt auf einen Abbau der nichttarifären Handelshemmnisse zwischen der EU und den USA ab. Die Legislaturan-passung zu endokrinen Disruptoren in der Europäischen Union könnte je-
doch verschärfte Regulierungen und Verbote im Chemikalienbereich mit sich bringen. Über den Verhandlungs-druck bei TTIP versuchen US-Han-delskammer sowie Industrieverbän-de, eine Regulierungsentscheidung in Bezug auf endokrine Disruptoren zu ihren Gunsten ausfallen zu lassen. Die US-Handelskammer warnt davor, dass die geplanten Regulierungsvor-haben die TTIP-Gespräche ernsthaft gefährden könnten.9 Alleine diese Drohung sorgt bereits für Angst bei Teilen der Europäischen Kommission und dem EU-Parlament.
Der europäische Verband European Crop Protection Association oder die US-Chemikalienverbände SOCMA (Society of Chemical Manufacturers and Affiliates) und CropLife treten allesamt für das Anliegen ein, dass künftig nicht zu viele Stoffe als endo-krine Disruptoren gewertet werden. Außerdem warnen sie davor, dass unter den zu strengen Regulierungs-vorschlägen der Studie der General-direktion Umwelt die gemeinsamen Ziele von TTIP nicht erreicht wer-den können.10 Gemeint ist damit der Abbau der nichttarifären Handels-hemmnisse. Höchstens die bekann-testen und gefährlichsten Stoffe, die als endokrine Disruptoren gelten, ist man bereit aufzugeben. Vor allem ist es der Industrie aber wichtig, dass
das europäische Vorsorgeprinzip in der Entscheidung zu endokrinen Dis-ruptoren bei Pestiziden und Bioziden nicht zur Anwendung kommt und es in der EU eine Umkehr zum Risikoan-satz gibt.11
Mittlerweile wurde der Umweltdirek-tion das Mandat entzogen und die Generaldirektion Gesundheit und Le-bensmittelsicherheit besitzt nun die Führungsrolle bei der laufenden Fol-genabschätzung zu endokrinen Dis-ruptoren. Die Erfahrung zeigt, dass solche Bewertungen meist zuguns-ten der Industrie ausfallen, während diese unerlässlich mit Milliardenver-lusten droht. Im Endeffekt bleiben die hohen Kosten am Gesundheits-system und an den SteuerzahlerIn-nen hängen. Es ist erschreckend, wie offensichtlich TTIP bereits während der Verhandlungen das europäische Vorsorgeprinzip und die Gesetzge-bung im EU-Chemikalienbereich ne-gativ beeinflusst.
Patrick Barabas n Student des
Wirtschaftsrechts und der Politikwissenschaft
an der WU Wien und der Universität Wien
Eine Umkehr zum regulatorischen Risiko
ansatz wird in Bezug auf endokrine Disruptoren von Handelsverbänden im Chemikalienbereich
gefordert.
Lobbying zu Regulierungsvorhaben zu hormonschädigenden Stoffen
»
1) http://www.efsa.europa.eu/de/to
pics/topic/eas (9.10.2015)
2) State of the Art Assessment of Endo
crine Disrupters – Final Report Andreas
Kortenkamp u.a. http://ec.europa.eu/
environment/chemicals/endocrine/pdf/
sota_edc_final_report.pdf (12.10.2015)
3) http://www.spiegel.de/media/me
dia36630.pdf (11.11.2015)
4) EFSA Journal 2013;11(3):3132: Scien
tific Opinion on the hazard assessment
of endocrine disruptors Efsa (European
Food Safety Authority) Scientific Com
mittee http://www.efsa.europa.eu/
sites/default/files/scientific_output/files/
main_documents/3132.pdf (12.10.2015)
5) State of the Science of Endocrine Dis
rupting Chemicals – 2012 WHO, UNEP
(S.717) http://www.unep.org/chemi
calsandwaste/Portals/9/EDC/SOS%20
2012/Pages%20from%20EDC%20
report%20viixvii.pdf (11.10.2015)
6) http://www.spiegel.de/media/me
dia36634.pdf (12.10.2015) Schreiben
von Bayer an Marianne Klingbeil (Gene
raldirektorin des Regulierungsausschusses
der EUKommission): http://de.scribd.
com/doc/240837970/Bayer (10.10.2015)
7) Definition Folgenabschätzung EU:
http://ec.europa.eu/social/main.
jsp?catId=760&langId=de (3.10.2015)
8) Mailverkehr zwischen Johnston Duncan
(SG) und CropLifeAmerica:
http://www.asktheeu.org/en/re
quest/660/response/2563/attach/9/A%20
6%20US%20INDUSTRY.pdf (12.10.2015)
9) http://www.spiegel.de/media/me
dia36636.pdf (10.10.2015)
10) Siehe Fußnote 8.
11) Position Paper CropLife International
http://croplife.org/wpcontent/up
loads/2015/09/CropLifeInternational
PositiononEDsICCM4.pdf (12.10.2015)
23 infobrief eu & international Ausgabe 4 | Oktober 2015 wien.arbeiterkammer.at
Mit den Konzernen am Tisch – für die EU-Kommission ganz normal n In Österreich wäre dies wohl un-denkbar: Im Vorfeld jedes neuen Gesetzesvorschlags versammelt das zuständige Ministerium die betrof-fenen Konzerne an einem Tisch und lädt sie ein aufgrund ihrer Expertise einen Vorschlag vorzulegen oder in einem Bericht die aktuelle Problem-stellung aufzubereiten. Klingt ab-surd, in Brüssel jedoch vollkommen normal: 812 ExpertInnengruppen mit insgesamt 27.491 ExpertInnen beraten aktuell die Kommission.1 Die Verteilung der Interessen könn-te dabei ungleicher nicht sein: In Schlüsselgeneraldirektionen haben WirtschaftsvertreterInnen in diesen Beratungsgremien einen Anteil von 60 bis 80%, Arbeitnehmervertrete-rInnen kommen nur auf 1%.2 Volks-
Lobbying-Kontrolle und VW-Skandal
Lobbying in der EU
VW-Skandal zeigt einmal mehr die Lücken der Lobbying-Kontrolle in der EU aufDer im September ans Licht gekommene VWSkandal um die Manipulation von Abgas werteMessungen macht auch einmal mehr die Dominanz des Lobbyings großer Konzerne in Brüssel ersichtlich. Schärfere Regelungen zur Kontrolle der Abgaswerte hat die europäische Automobilindustrie über Jahrzehnte verhindert, verwässert und verzögert. Anhand des Anlassfalls VW lässt sich klar aufzeigen, warum die bisher gesetzten Maßnahmen, Lobbying zu kontrollieren, zu kurz greifen bzw. verfehlt sind. Auch bei einer aktuellen AKVeranstaltung in Brüssel (siehe Box auf der folgenden Seite) wurde das Thema LobbyTransparenz zwischen VertreterInnen der EUInstitutionen und NGOs facettenreich diskutiert. Alice Wagner
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Volkswagen sitzt nach wie vor in fünf ExpertInnengruppen der Kommission, in welchen auch andere Marken des Volkswagenkonzerns wie Seat oder Scania vertreten sind.
Verhältnis Arbeit – Wirtschaft laut den Einträgen im EU-Transparenzregister
Quelle: EU-Transparenzregister, Abfrage am 26. August 2015, eigene Darstellung
11
5265
::
:73 Gewerkschaften
1.364 Unternehmen & Unternehmens-gruppen
383 Berufsverbände
2.061 Gewerbe- und Wirtschafts-verbände
961 Beratungs-firmen/Anwalts-kanzleien/ selbst. Berater
wagen etwa sitzt nach wie vor in fünf ExpertInnengruppen, die die Kom-mission derzeit beraten.3 Auch ande-re Marken des Volkswagenkonzerns wie Seat oder Scania4 sind in den ExpertInnengruppen vertreten. Die NGO Corporate Europe Observatory konnte nachweisen, dass die Auto-mobilindustrie seit den 90er Jahren strengere Abgaswerte und strengere Kontrollsysteme verhindert, verwäs-sert und verzögert – unter Zuhilfe-nahme genau des Systems der Ex-pertInnengruppen der Kommission.5
Wäre es angesichts der Ausmaße des Skandals rund um den Konzern nicht ein logischer (erster) Schritt gewe-sen den VW-Konzern mit sofortiger Wirkung aus allen ExpertInnengrup-pen zu entlassen? Die Kommission hat keinen derartigen Schritt gesetzt. Vielmehr wiederholt sich ein Muster, welches schon aus dem Bereich der Finanzmarkt(de)regulierung bekannt ist. Hier waren schon in den 90er Jahren die zuständigen ExpertIn-nengruppen der GD Binnenmarkt zu 80 bis 100 % mit VertreterIn-
24 infobrief eu & international Ausgabe 4 | Oktober 2015 wien.arbeiterkammer.at
nen der Finanzindustrie besetzt.6 Es folgte die Finanzkrise, ein Umdenken der Kommission jedoch nicht. Die Fi-nanzwirtschaft, die die Kommission zuvor schon (schlecht) beraten hat-te, wurde nun wieder an den Tisch gebeten, um eben die europäischen Lösungsvorschläge für die Finanzkri-se zu entwerfen.7
Technische Details oder hochpo-litisches Thema? n Die EU-Kom-mission argumentiert die Notwen-digkeit der ExpertInnengruppen mit dem Bedarf nach externer Expertise aufgrund der eigenen geringen Per-sonalressourcen. Oftmals werden
somit jedoch hochpolitische Frage-stellungen als solche technischer Art verdreht. Tatsächlich definieren ExpertInnengruppen oftmals, bei welchen Themen politischer Hand-lungsbedarf besteht oder was als zu regulierendes Problem angesehen wird: Sie betreiben somit Agenda Setting. Julia Reda, Abgeordnete des Europäischen Parlaments (Piraten-partei/Grüne Fraktion) stellt dieses Phänomen bei der AK-Veranstaltung in Brüssel plakativ dar: Wird eine ExpertInnengruppe zu den Urhe-berrechten eingesetzt und diese vorrangig mit Unternehmensvertre-terInnen besetzt, kann man davon ausgehen, dass dieser ExpertInnen-kreis eine Verschärfung des Urheber-rechts fordern wird. Würde dieselbe ExpertInnengruppe stattdessen mit Universitäts-VertreterInnen besetzt, würde diese wohl auf das Problem aufmerksam machen, das Universi-täten immer größere Budgetanteile
Tatsächlich definieren ExpertInnengruppen oftmals, bei welchen Themen politischer Handlungsbedarf besteht oder was als zu regulierendes Problem angesehen wird.
Lobbying in der EU
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für Lizenzverträge ausgeben müs-sen. Auch welches Agenda Setting das neue ExpertInnennetzwerk der Kommission zu Schiefergas betrei-ben wird – in welchem 70 % der Ver-treterInnen eine direkte Verbindung zur Frackingindustrie haben8 – ist wohl schon vorab vorhersehbar.
Mangelnde Kontrolle des Trans-parenzregisters – eine bewusste Entscheidung der Kommission n
Im Eintrag von Volkswagen im EU-
Transparenzregister finden sich Eck-daten zu den Lobbyaktivitäten des Konzerns. Laut Eigenangaben sind 43 Personen (Vollzeitäquivalent: 18) mit Lobbyingaktivitäten beschäftigt, 4 vier Personen haben eine Zugangs-karte zum Europäischen Parlament. Als Gesamtkosten für Lobbying gibt der Konzern 3,3 Millionen Euro so-wie zusätzliche 625.959 Euro für die Mitgliedschaften in europäischen Dachverbänden wie der European Automobile Manufacturer's As-
Vor dem Hintergrund der Vorbereitungen für ein Abkommen zwischen den EU-Institutionen über ein verpflichtendes Lobbyregister sowie den Empfeh-lungen der Europäischen Ombudsfrau an die Europäische Kommission zur Reform der ExpertInnengruppen fand am 29. September 2015 in der Ständi-gen Vertretung Österreichs in Brüssel eine gemeinsame Veranstaltung von AK, ÖGB und ALTER-EU statt. Am Podium diskutierten Julia Reda (Europa-abgeordnete von der Grünen Fraktion), Martin Kröger (Abteilungsleiter im Generalsekretariat der Europäischen Kommission), Aidan O’Sullivan (Kabi-nettschef der Europäischen Ombudsfrau) sowie Paul de Clerck (Friends of the Earth und ALTER-EU).
Ein ausführlicher Veranstaltungsbericht findet sich hier:http://www.akeuropa.eu/de/akeuropalobbyregisterundexpertinnengruppenschaffteuropaendlichmehrlobbytransparenz.html?cmp_id=7&news_id=2552&vID=37
EU-Lobbyregister und ExpertInnengruppen: Schafft die EU endlich mehr Lobbytransparenz?
Diskussionsveranstaltung in Brüssel mit ExpertInnen der Institutionen und NGOs. Im Bild v. l. n. r.: Paul de Clerck, Martin Kröger, Detlef Fechtner, Julia Reda und Aidan O'Sullivan.
AK Veranstaltung
25 infobrief eu & international Ausgabe 4 | Oktober 2015 wien.arbeiterkammer.at
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Dass die personelle Ausstattung des
EUTransparenzregisters einem internationalen Vergleich keinesfalls
standhalten kann, lässt bei der EUKom
mission dennoch keinen Handlungsbedarf
entstehen.
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sociation (ACEA) oder BusinessEuro-pe an.9 Keine unbedeutenden Sum-men. Gemäß der Online-Datenbank Lobbyfacts.eu geben die Automobil-konzerne und ihre Verbände insge-samt mehr als 18 Millionen Euro für Lobbying aus, wobei VW die weitaus höchsten Lobbyausgaben verbucht.10 Wie die deutsche NGO LobbyCon-trol betont, wird der Konzern zudem auch von den deutschen Verbänden VDA und BDI mitvertreten, welche ebenfalls Millionen Euro Beträge für Lobbying einsetzen.11
Ob diese Eigenangaben auch den Tatsachen entsprechen oder die tat-sächlichen Werte noch viel höher sind, ist aber nicht erwiesen. Es gibt bis dato keine systematische Über-prüfung der Register-Einträge sowie keine abschreckenden Sanktionen bei Falschangaben. Kommission und Parlament haben für die Kontrolle der Register-Einträge sowie für die Behandlung von Beschwerden le-diglich zwei Vollzeitäquivalente an Personal vorgesehen. Im viel klei-neren Wirtschaftsraum Kanada wird eine vergleichbare Aufgabe von 30 Personen wahrgenommen, so EU-Abgeordnete Reda im Rahmen der AK-Veranstaltung. Auf dieses Miss-verhältnis angesprochen, erkennt Martin Kröger, der für das Transpa-renzregister in der EU-Kommission zuständige Abteilungsleiter, jedoch keinen Handlungsbedarf und hält eine ausreichende personelle Aus-stattung für illusorisch.
Auch weitere Schwächen des Trans-parenzregisters lassen sich am Ein-trag von Volkswagen verdeutlichen: Prinzipiell ist jede Mitgliedschaft in einer hochrangigen Gruppe der Kommission oder einer Sachverstän-digengruppe im Register genau an-zugeben. Der VW-Konzern tut das nicht, sondern begnügt sich mit ei-nem Link zur Kommissionswebsite. In welchen Gruppen der Konzern derzeit konkret mitarbeitet, kann daher nur indirekt und nicht ab-
Neue AK-Broschüre
Lobbying in Brüssel – Die Übermacht der Unternehmen brechen
WIEN
GERECHTIGKEIT MUSS SEIN
LOBBYING IN BRUSSELSBREAKING THE EXCESSIVE POWER OF CORPORATIONS
WIENGERECHTIGKEIT MUSS SEIN
LOBBYING IN BRÜSSELDIE ÜBERMACHT DER UNTERNEHMEN BRECHEN
Lobbying in der EU
schließend nachrecherchiert werden. Wenig ins Detail gehen die Angaben zu den EU-Initiativen und Rechtset-zungsvorhaben, zu denen der Kon-zern derzeit lobbyiert, und gar keine Angaben macht das Unternehmen zu seinen Strategien, Projekten, Veran-
staltungen und Veröffentlichungen. Um von den Unternehmen tatsäch-lich aussagekräftige Informationen zu erhalten, bräuchte es somit ein-mal mehr eine systematische Kont-rolle der Einträge durch das Regis-tersekretariat und die Einführung
abschreckender Sanktionen. Zuletzt hat das Europabüro von Transpa-rency International 4.253 Einzelbe-schwerden zum Transparenzregister eingebracht,12 das heißt, dass mehr als die Hälfte aller Einträge als feh-lerhaft eingeschätzt wurden.
Transparenzregister: Verhältnis Arbeit – Wirtschaft 1:65 n Selbst verbesserte Transparenz kann aber ein grundlegendes Problem nicht be-seitigen: Ein dramatisches Ungleich-gewicht zeigt sich nicht nur durch einen Blick auf die ExpertInnen-gruppen der Kommission, sondern spiegelt auch die aktuelle Datenla-ge im EU-Transparenzregister wider. Wenn man sich auf einen direkten Vergleich der in Brüssel vertrete-nen Gewerkschaften mit den ihnen gegenüberstehenden Unternehmen und Unternehmensverbänden be-schränkt, kommt man bereits auf ein Verhältnis von mehr als 1:50. Be-zieht man in diese Berechnung auch noch Beratungsfirmen, Anwaltskanz-leien und professionelle Lobby-
Eine brandneue Publikation der AK (erschienen im September 2015) bietet einen prägnanten Überblick zum Thema Lobbying und Transparenz in den EU-Institutionen. In der Broschüre sind die aktuellen „Baustellen“ im Brüsseler Lobbydschungel in einzelnen Unterkapiteln übersichtlich dargestellt: Vom EU-Transparenzregister, den ExpertInnengruppen der EU-Kommission, dem Phänomen der Drehtür bis hin zur Debatte um Verhaltensregeln für Kom-missarInnen, Abgeordnete und BeamtInnen. Nicht nur zahlreiche aktuelle Beispiele, Tabellen und Grafiken sowie eine Linksammlung für weiterführen-de Informationen sind in der Broschüre enthalten, sondern auch – am Ende jedes Kapitels – Forderungskataloge, mit welchen sich die AK auch in den anstehenden politischen Debatten positionieren möchte.
Die Broschüre ist auf Deutsch und Englisch erhältlich: http://wien.arbeiterkammer.at/service/broschueren/eu_index.html
26 infobrief eu & international Ausgabe 4 | Oktober 2015 wien.arbeiterkammer.at
istInnen ein, wird das Missverhält-nis noch eklatanter, das Verhältnis beträgt dann sogar mehr als 1:65! Hinzuzurechnen wären zudem noch bewusste Nicht-Einträge von Unter-nehmen, Unternehmensverbänden und Think Tanks – welche oftmals versteckt für Unternehmen lobbyie-ren – sowie die der Wirtschaftsseite zur Verfügung stehenden, weitaus höheren Kapitalmittel.
Anstehende Reformen: Register und ExpertInnengruppen n Nach dem zuletzt auch die Europäische Bürgerbeauftragte Emily O’Reilly die Dominanz von Wirtschaft und
Transparenz ist kein Selbstzweck: Insbesondere wird es darum gehen, das dahinterstehende Problem der extremen Dominanz der Wirtschaft in der europäischen Gesetzgebung zu bekämpfen.
Finanz in den ExpertInnengruppen der Kommission kritisiert hatte,13 hat die Kommission für Anfang 2016 eine Reform angekündigt. Darüber hinaus laufen die Vorbereitungen für ein Abkommen zwischen den EU-Institutionen über ein verpflich-tendes Lobbyregister. Bei genannter AK-Veranstaltung hat Martin Kröger, der zuständige Abteilungsleiter, auch den weiteren Fahrplan der Kommis-sion dazu festgehalten: Noch im Herbst soll es eine neuerliche Kon-sultation zum Transparenzregister geben, ebenfalls Anfang 2016 dann den gemeinsamen Vorschlag der In-stitutionen.
Der VW-Skandal hat einmal mehr gezeigt, welche Auswirkung das Lobbying von Konzernen auf den Gesetzgebungsprozess haben kann. Vor diesem Hintergrund ist die For-derung nach mehr Transparenz wich-tig, jedoch kein Selbstzweck. Durch ein verpflichtendes Transparenzre-gister mit entsprechendem Kontroll- und Sanktionsmechanismus könnten genauere Einblicke in die Lobbyak-
tivitäten der Konzerne gewonnen werden. Insbesondere wird es aber darum gehen, das dahinterstehen-de Problem der extremen Dominanz der Wirtschaft in der europäischen Gesetzgebung zu bekämpfen. Dafür bietet insbesondere die anstehen-de Reform der ExpertInnengruppen eine wichtige Gelegenheit. Es bedarf einer grundsätzlichen Überarbeitung des derzeitigen Systems, eine aus-gewogene Besetzung muss gewähr-leistet werden. Eine Quotenregelung nach Stakeholder-Gruppen, ein Ver-kleinerung und insgesamt eine star-ke Reduktion der Gruppen könnten einige Lösungsansätze für die anste-hende Debatte sein.
Alice Wagner n AK Wien
Lobbying in der EU
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1) Register der ExpertInnengruppen der Eu
ropäischen Kommission: http://ec.europa.
eu/transparency/regexpert/index.
cfm?do=search.result (7. Oktober 2015).
2) Vgl. AK EUROPA, ÖGB Europabüro und
ALTEREU, A Year of Broken Promises,
3, online abrufbar: http://altereu.org/
sites/default/files/documents/Broken_Pro
mises_web.pdf (7. Oktober 2015).
3) http://ec.europa.eu/transparency/reg
expert/index.cfm?do=search.resultNew
(RegisterAbfrage am 7. Oktober 2015).
4) http://ec.europa.eu/transparency/
regexpert/index.cfm?do=groupDetail.
groupDetail&groupID=1295&NewS
earch=1&NewSearch=1. (Register
Abfrage am 7. Oktober 2015).
5) CEO, Power of car industry lobby
makes scandal inevitable, Septem
ber 2015, http://corporateeurope.
org/powerlobbies/2015/09/power
carindustrylobbymakesscandal
inevitable (7. Oktober 2015).
6) Vgl. dazu sowie auch zahlreiche weitere
Beispiele in anderen Generaldirektionen:
Yiorgos Vassalos, European Commission’s
expert groups: Damocles‘ sword over
democracy, juridikum 1/2013, 87 (91).
7) CEO, Would you bank on them?, Fe
bruar 2009, http://corporateeurope.
org/financial-lobby/2009/02/would-
youbankthem (7. Oktober 2015).
8) CEO und FoEE, Carte blanche for fracking,
http://corporateeurope.org/sites/default/
files/attachments/carte_blanche_for_fra
cking_final.pdf (7. Oktober 2015).
9) http://ec.europa.eu/transparen
cyregister/public/consultation/dis
playlobbyist.do?id=650454197040
(RegisterAbfrage am 7. Oktober).
10) Max Bank, Die Macht der deutschen
Autolobby in Brüssel, September 2015,
https://www.lobbycontrol.de/2015/09/
diemachtderdeutschenautolobby
inbruessel/ (7. Oktober 2015).
11) Ebd.
12) Transparency International EU Office,
4253 Complaints against lobbyists:
Has it been a wakeup call?, Oktober
2015, http://www.transparencyin
ternational.eu/2015/10/4253comp
laintsagainstlobbyistshasitbeen
awakeupcall (7. Oktober 2015).
13) Alice Wagner, ExpertInnengruppen
der Kommission: A Never Ending
Story?, infobrief eu & international
3/2015, 2123, http://media.ar
beiterkammer.at/wien/EU_Infob
rief_2015_3.pdf (7.Oktober 2015).
27 infobrief eu & international Ausgabe 4 | Oktober 2015 wien.arbeiterkammer.at
Schwere Defizite in der Digita-len Agenda der Kommission n Mit ihrer „Digitalen Agenda für Europa“ und der „Initiative für den digitalen Binnenmarkt“ baut die EU-Kommis-sion auf der im Jahr 2010 als Teil der „Europa 2020-Strategie“ verfass-ten Digitalen Agenda auf. Die neue Kommission Juncker deklarierte die „Digitale Agenda“ geradezu zu einem der vorrangigen Vorhaben der Union, mit deren Umsetzung nicht weniger als sieben KommissarInnen beauf-tragt wurden. Im Mai 2015 stellte die Kommission mit ihrer Mitteilung „Eine digitale Binnenmarktstrategie für Europa“1 ein umfassendes Pro-gramm vor. Wie dessen Titel bereits vermuten lässt, bleibt dieses Pro-gramm jedoch einer engen Sicht auf Fragen zur Schaffung eines einheit-lichen europäischen Wirtschaftsrau-mes und dem Abbau von Einschrän-kungen und Kosten für digitale Transaktionen verhaftet.2
Auf den Bereich Arbeit und Beschäfti-gung geht das digitale Binnenmarkt-Paket nur am Rande ein. Lediglich die Notwendigkeit, Bildungssyste-me „digitaltauglich“ zu aktualisieren, findet Erwähnung. Andere beschäf-tigungspolitische Implikationen der Digitalisierung bleiben unbeachtet. So werden auch Fragen bezüglich der Qualität von Arbeit unter den
Vorzeichen von Digitalisierung kaum ins Visier genommen. Abschätzun-gen, was die „digitale Revolution“ für die Arbeitsmarktentwicklung im All-gemeinen sowie in einzelnen beson-ders betroffenen Sektoren bedeuten könnte, sucht man in der Strategie der Kommission ebenso vergebens wie solche zu Auswirkungen der Di-gitalisierung auf die Arbeitsorganisa-tion, das Arbeitsrecht und die sozia-le Sicherheit.
Folglich fehlt der Digitalen Agenda für Europa eine gezielte Strategie zur Gestaltung „guter digitaler Arbeit“. Betroffen sind die BürgerInnen in der Sichtweise der Kommission besten-falls als KonsumentInnen, nicht je-doch auch an ihren Arbeitsplätzen.
Zunehmende Gegenstimmen auch auf EU-Ebene n Umso erfreu-licher, dass sich andere EU-Institu-tionen dieser verengten Sichtweise, die den bisherigen europäischen Diskurs zum digitalen Wandel domi-niert, nicht anschließen: n So fordern mehrere im Europäi-
schen Parlament vertretene Frakti-
onen – allen voran die S&D – auch auf europäischer Ebene eine Ge-staltung des digitalen Wandels am Arbeitsplatz ein. Im Septem-ber 2015 arbeiten zudem mehrere Ausschüsse des Parlaments an Be-richten und Stellungnahmen, wel-che die Europäische Kommission auffordern, die beschäftigungspo-litischen Implikationen der Digita-lisierung zu erkennen und anzu-gehen.3 Eine im Jänner 2015 im Auftrag des Parlaments veröffent-lichte Studie zur wachsenden Ein-kommensungleichheit in Europa stellte fest, dass digitale Techno-logien insbesondere Beschäftigung im mittleren Einkommens- und Qualifikationssegment verdränge und daher Aufmerksamkeit erfor-dern.4
n Auch der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) macht in einer Sondierungsstel-lungnahme für die luxemburgische Ratspräsidentschaft zu den „Aus-wirkungen der Digitalisierung auf die Beschäftigung in der Dienstleis-tungswirtschaft“ wesentliche, bis-lang in der Digitalen Agenda außer Acht gelassene digitalisierungsge-triebene Veränderungen der Arbeit und deren Auswirkungen auf die Arbeitsmärkte und die Beschäfti-gung zum Thema.5 Diese Stel-
Auf den Bereich Arbeit & Beschäftigung
geht das digitale BinnenmarktPaket nur am Rande ein.
Digitale Agenda
Digitale Agenda
Beschäftigungseffekte: „Blinder Fleck“ in der EU-Strategie zum digitalen BinnenmarktKritik und Empfehlungen des Europäischen Wirtschafts und Sozialausschusses zum aktuellen Binnenmarktpaket der EUKommission. Seit gut fünf Jahren wird eine Reihe von Initiativen in der EU verfolgt, die sich die Gestaltung des „digitalen Zeitalters“ zum Ziel setzt. Leider sind beschäftigungs, sozial und arbeitsmarktpolitische Aspekte bislang dabei kaum zur Geltung kommen. Diese verkürzte Sichtweise kennzeichnet auch aktuelle Pläne der EUKommission. Wolfgang Greif
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28 infobrief eu & international Ausgabe 4 | Oktober 2015 wien.arbeiterkammer.at
lungnahme, die unter Federführung des Autors dieser Zeilen als Haupt-berichterstatter verfasst wurde und fast einstimmig – somit auch mit Zustimmung der Arbeitgeber – ver-abschiedet wurde, skizziert auch zentrale Gestaltungsherausforde-rungen in den Mitgliedstaaten so-wie auf europäischer Ebene und legt Empfehlungen zur politischen Bewältigung vor.
n Diese Initiativen können durchaus als Reaktion auf Vorstöße euro-päischer Gewerkschaftsverbände gesehen werden, die bereits seit Längerem auf den vielfältigen und drängenden Gestaltungsbedarf in Richtung einer Agenda für digitale Arbeit hinweisen, die das Gewicht auch auf soziale Verteilungsfragen legt.6 Konkret wird von Gewerk-schaftsseite u.a. gefordert, die Digitalisierung keinesfalls als bloß technologische Angelegenheit bzw. Frage des Marktes zu sehen. Statt-dessen wird politisches Handeln bei der Gestaltung eines angemesse-nen Übergangs traditioneller zu di-gitalen Arbeitsplätzen in der Indus-trie und Dienstleistungswirtschaft eingemahnt. In diese Richtung melden sich in letzter Zeit zuneh-mend der Europäische Gewerk-schaftsbund (EGB) und mit ihm die europäischen Branchenverbände, allen voran der gewerkschaftliche
Dienstleistungsverband UNI Euro-pa und der Industriegewerkschafts-verband IndustriAll, zu Wort.7
Konkrete Empfehlungen des EWSA zur politischen Gestaltung des Digitalen Wandels n Eine vo-rausschauende Politikgestaltung auf europäischer und nationaler Ebene muss sicherstellen, dass das Poten-zial der Digitalisierung erschlossen wird und ihre Fallen vermieden wer-den. „Chancen nutzen und Risiken vermeiden“ muss dabei die Maxime digitaler Politik lauten.
n Um die ArbeitnehmerInnen der EU mit den Fähigkeiten auszustatten, die sie im digitalen Zeitalter be-nötigen, müssen öffentliche und private Investitionen in die Berufs-bildung gefördert werden. Darüber hinaus muss geprüft werden, ob es europäischer Maßnahmen bedarf, um gute Erfahrungen in Mitglied-staaten zur Bildungsfreistellung in der EU zu verallgemeinern.
n Digitalisierte Arbeitswelten ver-schärfen Risiken, dass Beschäftigte gezwungen sind oder sich gezwun-gen fühlen, jederzeit erreichbar zu sein. Diese "Arbeit ohne Grenzen" führt zu Stress und Burnout. Da-her braucht es eine Überprüfung, welche Maßnahmen in Zeiten all-gegenwärtiger digitaler mobiler
Kommunikation auf nationaler und europäischer Ebene zur Begren-zung der allumfassenden Verfüg-barkeit bzw. Erreichbarkeit not-wendig sind.
n Bessere Statistiken und Untersu-chungen, um Prognosen zur Ar-beitsmarktentwicklung sowie zur Polarisierung der Arbeit und der Einkommen genauer zu erfassen, u.a. auch zur Ausbreitung und Zunahme nicht standardmäßiger Beschäftigungsformen sowie über Praktiken wie „Crowdsourcing“.
n Um der Zunahme der Einkommens-unterschiede entgegenzuwirken, die durch die Digitalisierung be-dingt sind, müssen Tarifverhand-lungen auf allen Ebenen gefördert werden, vorallem auch in Branchen und Unternehmen, die von der Di-gitalisierung betroffen sind.
n Tragfähige Bestimmungen über den Schutz personenbezogener ArbeitnehmerInnendaten: Europä-ische Datenschutzvorschriften dür-fen Mitgliedstaaten nicht von wei-tergehender Regulierung abhalten. Die derzeit ausgehandelte Daten-schutzverordnung sollte deshalb eine „Öffnungsklausel“ enthalten, die es den Mitgliedstaaten erlaubt, über die EU-Mindeststandards hin-auszugehen.
Digitale Agenda
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1) Strategie für einen digitalen Binnenmarkt
für Europa, COM(2015) 192 final, https://
ec.europa.eu/digitalagenda/en/news/
digitalsinglemarketstrategyeurope
com2015-192-final (25.9.2015).
2) Siehe u.a. Martin Beckmann, Torben
Schenk, Die europäische Dimension
digitaler Arbeit; in ver.di Bereich Innova
tion und ‚Gute Arbeit‘ (Hg.), Gute Arbeit
und Digitalisierung. Prozessanalysen und
Gestaltungsperspektiven für eine huma
ne Arbeitswelt, Berlin (2015) 4857.
3) Procedure file EMPL_PA(2015)560716,
Eurpäisches Parlament.
4) Wage and income inequality in the Euro
pean Union, Study for the EMPL Committee
of the European Parliament, 2015, 1516.
5) Stellungnahme des Europäischen Wirt
schafts und Sozialausschusses zu
„Auswirkungen der Digitalisierung auf
die Beschäftigung in der Dienstleistungs
wirtschaft“, Berichterstatter: Wolfgang
Greif/KoBerichterstatter: Hannes Leo,
Brüssel 2015, http://www.oegbeu.at/
servlet/ContentServer?pagename=S05/
Page/Index&n=S05_0.a&c
id=1442456103512 (25.9.2015).
6) Siehe u.a. Clara Fritsch, Wolfgang Greif,
Torben Schenk, Gestalten oder bestaunen?
– Der steinige Weg Europas durch die ‚digi
tale Revolution‘. Anforderungen zur Digita
lisierung der Arbeitswelt aus gewerkschaft
licher Perspektive, WISO 4/2015, 1534.
7) The digital agenda of the European
Commission: Preliminary ETUC assess
ment (Executive Committee, 1718 June
2015); siehe auch Positionen von UNI
Europa: http://www.uniglobalunion.
org/sites/default/files/public_shared/
files/dsm_finallinks.pdf (25.9.2015).
und von IndustriAll: http://www.
industrialleurope.eu/ (25.9.2015).
29 infobrief eu & international Ausgabe 4 | Oktober 2015 wien.arbeiterkammer.at
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Digitale Agenda
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n Die EU und die Mitgliedstaaten sollten im Dialog mit den So-zialpartnern Strategien prüfen, wie der Geltungsbereich sozialer und arbeitsrechtlicher Normen derart angepasst werden kann, damit sie die Bedingungen einer digitalisierten Arbeitswelt wider-spiegeln.
n Politische Maßnahmen und Rechtsbestimmungen, mit denen für sämtliche Arbeit-nehmerInnen – einschließlich derjenigen in neuen Beschäfti-gungsverhältnissen – ein gesetz-licher Sozialversicherungsschutz auf hohem Niveau sichergestellt wird.
n Zur Stärkung der Beschäftigung trotz sinkenden Arbeitskräftebe-darfs müssen entsprechend der Notwendigkeiten in den einzel-nen Mitgliedstaaten Lösungs-strategien entwickelt werden, so auch in den Bereichen öffentli-che Investitionen und beschäf-tigungsfördernde Innovation, aber auch im Bereich der Vertei-lung und Verkürzung der Arbeit.
n Reformen der Steuersysteme, damit sowohl die in den konven-tionell organisierten Branchen als auch die in der "Sharing Economy" erwirtschafteten Ein-kommen in vergleichbarer Höhe besteuert werden.
n Ein Teil der Digitalisierungsdi-vidende muss dazu verwendet werden, um die Nachhaltigkeit der Sozialsysteme auch in Zu-kunft zu gewährleisten und den Faktor Arbeit zu entlasten.
Wolfgang Greif n Internationaler
Sekretär in der GPAdjp; Mitglied
im Europäischen Wirtschafts und
Sozialausschuss
wolfgang.greif@gpadjp.at
Grundlegende Reform der Unternehmens besteuerung in der EU ist dringend notwendig
EU-Aktionsplan für faire und effiziente Konzernbesteuerung Die nicht mehr zeitgemäßen Grundprinzipien der grenzüberschreitenden Unternehmensbesteuerung sind mitverantwortlich dafür, dass multinationale Konzerne kaum noch Gewinnsteuern zahlen. Deshalb hat die Kommission am 17. Juni 2015 einen Aktionsplan zur Reform der Unternehmensbesteuerung in der EU vorgelegt.1 Die Ziele sind ambitioniert, aber es ist zweifelhaft, ob die vorgeschlagenen Maßnahmen ausreichen werden, um diese Ziele tatsächlich zu erreichen. Martin Saringer
Multinationale Konzerne zahlen 30% weniger Steuern n Amazon, Ikea, Google, Starbucks, McDonald‘s. Die Steuertricks der genannten Kon-zerne und der Umstand, dass diese trotz enormer Konzerngewinne in den letzten Jahren fast keine Ge-winnsteuern bezahlen mussten, ha-ben in den vergangenen Jahren für Aufregung in den Medien gesorgt.2 Aber diese Unternehmen sind keine Einzelbeispiele. Die Tochterfirmen multinationaler Konzerne zahlen im Durchschnitt um 30% weniger Kör-perschaftsteuern als Unternehmen, die nur lokal tätig sind und ihre Ge-winne nicht durch Gewinnverlage-rungen in Niedrigsteuerländer oder Steueroasen minimieren können.3 Das hat zumindest dazu geführt, dass OECD4 und EU5 die Gefahren erkennen und an Gegenmaßnahmen arbeiten. „Die Unternehmensbesteu-erung in der EU muss grundlegend reformiert werden. Im Interesse von Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Fairness müssen die Mitglied-staaten an einem Strang ziehen, damit jeder seinen gerechten Teil zum Steueraufkommen beiträgt. Die Kommission hat heute den Grund-stein für ein neues Unternehmens-steuerkonzept in der EU gelegt. Da-rauf müssen die Mitgliedstaaten nun aufbauen“6, so die Worte von Pierre
Moscovici, dem für Steuern zuständi-gen Kommissar.
Der Aktionsplan für eine faire und effiziente fairere und effiziente-re Unternehmensbesteuerung n
Die Ankündigungen der Kommission, einen Aktionsplan vorzulegen, der zu einer grundlegenden Reform der Unternehmensbesteuerung führen soll, haben für erhebliches Aufse-hen gesorgt. Es ist erfreulich, dass die Kommission erkennt, dass die Grundprinzipien der Besteuerung multinationaler Konzerne in Zeiten zunehmender Globalisierung und Di-gitalisierung nicht mehr den aktuel-len Anforderungen entsprechen und dass es zu grundlegenden Reformen kommen muss, wenn man sicher-stellen will, dass künftig auch die Gewinne der Konzerne angemessen besteuert werden. Um dieses Ziel zu erreichen, definiert der Aktionsplan die folgenden Ziele:7
n Unternehmen müssen dort Steuern entrichten, wo sie Gewinne erwirt-schaften.
n Die Besteuerung sollte wachstum-sorientierter gestaltet werden und darf nicht durch Wettbewerb um mobile Besteuerungsgrundlagen beeinträchtigt werden. »
30 infobrief eu & international Ausgabe 4 | Oktober 2015 wien.arbeiterkammer.at
Notwendige Reform der Unternehmens besteuerung
n Steuervergünstigungen eines Lan-des dürfen nicht zu Steuerverlus-ten für andere Länder führen.
n Steuerehrliche Unternehmen dür-fen nicht durch steuervermeidende Wettbewerber verdrängt werden.
n Drittländer dürfen nicht die Mög-lichkeit haben, Unternehmen dazu zu bringen, ihre Gewinne aus der EU zu transferieren.
Zur Erreichung dieser Ziele prä-sentiert die Kommission im Aktions-plan fünf Aktionsschwerpunkte:8
1. Neuauflage des Vorschlages für eine gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuerbemessungs-grundlage
2. Eine gerechtere Besteuerung am Ort der Wertschöpfung
3. Bessere Rahmenbedingungen für Unternehmen
4. Mehr Transparenz5. Bessere Koordination
Auf den ersten Blick wirken die Vor-schläge, die im Rahmen des Akti-onsplans vorgeschlagen werden, vielversprechend. Aber der Teufel steckt wie so oft im Detail. Und Er-nüchterung macht sich breit, wenn man die Einzelheiten zu den vorge-schlagenen Maßnahmen analysiert. Bereits im Jahr 2011 hat die Kom-mission einen Richtlinienvorschlag zur Einführung einer Gemeinsamen Konsolidierten Körperschaftsteuerbe-messungsgrundlage (GKKB) präsen-tiert.9 Hinter diesem sperrigen Titel steckt der ambitionierte Versuch, eine einheitliche Konzernbesteuerung in der Europäischen Union einzufüh-ren. Aufgrund des Widerstandes eini-ger Mitgliedstaaten ist dieser Versuch aber bis dato nicht umgesetzt wor-den. Dass im Aktionsplan die Einfüh-rung dieser GKKB als wichtige Maß-nahme angeführt wird, ist erfreulich. Die Kommission strebt jedoch eine schrittweise Einführung der GKKB an. Und in einem ersten Schritt sollen die Regelungen für die Gewinnermitt-
lung innerhalb der EU vereinheitlicht werden. Die Konsolidierung soll dann erst in einem zweiten Schritt erfol-gen. Konsolidierung bedeutet, dass die Ergebnisse (Gewinne, Verluste) der einzelnen, rechtlich selbständi-gen Konzerngesellschaften saldiert werden. Dieser Konzerngewinn wird schließlich mithilfe eines Aufteilungs-schlüssels (Umsatz, Vermögen, Ge-haltsumme, Personal) auf die betrof-fenen Mitgliedstaaten verteilt. Diese können ihren Gewinnanteil dem na-tionalen Körperschaftsteuersatz der Besteuerung unterwerfen. Aus der GKKB soll nach dem Aktionsplan vor-erst einmal eine Gemeinsame Kör-perschaftsteuerbemessungsgrundla-ge (GKB) werden. Das klingt auf den ersten Blick harmlos. Einheitliche Ge-winnermittlungsvorschriften für die Unternehmensbesteuerung in der EU sind jedenfalls zu begrüßen. Wenn es allerdings zu einer Vereinheitlichung der Bemessungsgrundlagen ohne Konsolidierung und ohne Festsetzung eines Mindeststeuersatzes kommt, können multinationale Konzerne ihre Gewinne nach wie vor in Niedrigsteu-erländer verlagern. Und es droht ein noch stärkerer Wettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten um die niedrigs-ten Körperschaftsteuersätze.10 Prob-lematisch im Aktionsplan ist auch der Vorschlag, den grenzüberschreiten-den Verlustausgleich für Konzerne zu ermöglichen, weil es in diesem Fall zu einer weiteren Aushöhlung des Steu-ersubstrates kommt, wenn dieser Verlustausgleich losgelöst von einer Konsolidierung umgesetzt wird.
Weniger konkret sind die übrigen Punkte, die im Aktionsplan angeführt werden. Es ist zwar positiv, dass sich die Kommission für mehr Transparenz und bessere Koordination zwischen den Mitgliedstaaten ausspricht und erreichen will, dass die Besteuerung der Gewinne dort erfolgen soll, wo die Wertschöpfung erfolgt. Das soll unter anderem mittels verbesserter CFC-Regelungen11, einer verbesserten De-finition von Betriebsstätten oder auch mit besseren Verrechnungspreisvor-
schriften erreicht werden. Mit den im Aktionsplan angeführten Punk-ten wird eine zufriedenstellende Lö-sung des Problems realistischerwei-se allerdings nicht erreicht werden. Dazu sind die Maßnahmen zu vage. Unverständlich ist auch, warum im Aktionsplan als leicht umzusetzende Maßnahme für mehr Transparenz auf die sofortige Umsetzung des „Coun-try by Country Reporting“ verzichtet wird. Hier erfolgt lediglich die Ankün-digung, eine öffentliche Konsultation über die Sinnhaftigkeit dieser Maß-nahme durchführen zu wollen.
Können die ambitionierten Ziele mit diesem Aktionsplan erreicht werden? n Positiv ist, dass der Ak-tionsplan die Probleme erkennt und thematisiert. Trotzdem überwiegt ins-gesamt die Enttäuschung, weil man die vorgeschlagenen Maßnahmen insgesamt als wenig ambitioniert und zielführend bezeichnen muss. Die präsentierten Maßnahmen reichen nicht aus, wirkliche Lösungen zu bie-ten, die dafür sorgen, dass in Zukunft auch multinationale Konzerne ange-messene, den Konzerngewinnen ent-sprechende, Gewinnsteuern zahlen. Wirklich in den Griff bekommen kann man das Problem letztendlich nur dann, wenn man tatsächlich den kon-solidierten Konzerngewinn besteuert und entsprechend eines geeigneten Verteilungsschlüssels an die betrof-fenen Staaten aufteilt. Die betroffe-nen Staaten können dann den auf sie entfallenden Gewinnanteil besteuern. Um hier Verschiebungen zu verhin-dern, muss ein Mindeststeuersatz vorgegeben werden.
„Die Unternehmensbesteuerung in der
EU muss grundlegend reformiert werden. Im Interesse von Wachs
tum, Wettbewerbsfähigkeit und Fairness müs
sen die Mitgliedstaaten an einem Strang ziehen,
damit jeder seinen gerechten Teil zum Steu
eraufkommen beiträgt.“ Pierre Moscovici
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31 infobrief eu & international Ausgabe 4 | Oktober 2015 wien.arbeiterkammer.at
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Die Ereignisse rund um das drit-te griechische „Hilfspaket“ haben die Diskussion über die Zukunft der europäischen Währungsunion entscheidend verändert. Die Ver-handlungen führten deutlich vor Augen, wie eine Alternative zur neoliberalen Politik am Widerstand der europäischen Eliten scheiterte. Insbesondere auf der linken Seite des politischen Spektrums macht sich seither Ernüchterung über die Spielräume für eine soziale und emanzipatorische Politik breit. Während zuvor darüber diskutiert wurde, wie die Währungsunion re-formiert werden kann, um die Kri-se zu lösen und zu Wachstum und (Voll-)Beschäftigung zurückzukeh-ren, rücken nunmehr Themen wie die Grenzen der Reformierbarkeit der EU und die Rolle der politischen und wirtschaftlichen Kräfteverhält-nisse ins Zentrum der Debatte. Mit dem Sammelband liefern die Her-ausgeberInnen zeitgerecht einen wertvollen Beitrag dazu.
Die im Buch vertretenen Ansätze liefern unterschiedliche Sichtwei-sen auf die europäische Integrati-on. Dies zeigt sich beispielsweise bei der Diskussion des EU-Krisen-managements: So argumentieren postkeynesianische ÖkonomIn-nen, dass die Krisenstrategie auf einer grundlegend falschen – weil aus der Mainstream-Ökonomie ab-geleiteten – Analyse beruht. Sie ist daher bei der Wiederbelebung von Wachstum und Beschäftigung spektakulär gescheitert. Die Frage, warum trotz offensichtlicher Miss-erfolge an dieser falschen Strate-gie festgehalten wird, wird jedoch nicht gestellt. Stattdessen wird meist eine „richtige“ Strategie zur Lösung der Krise präsentiert, de-ren Adressat der „Staat" ist. Durch die Linse der kritischen politischen Ökonomie betrachtet hatte das europäische Krisenmanagement hingegen vor allem das Ziel, den Neoliberalismus zu vertiefen und die Macht des Kapitals zu stärken, und war dabei höchst erfolgreich. Bankenrettungen, Ausgabenkür-zungen und Strukturreformen schwächten die Position von Ar-beitnehmerInnen und verschärften die Ungleichheit.
Notwendige Reform der Unternehmens besteuerung
Buchbesprechung
Die europäische Integration aus Sicht kritischer ÖkonomInnenDas von Johannes Jäger und Elisabeth Springler herausgegebene Buch beleuchtet die Probleme der europäischen Integration aus unterschiedlichen Perspektiven und spricht sowohl Reformen als auch die Möglichkeit ihrer Umsetzung an. Dabei werden die Ansätze der kritischen politischen Ökonomie und der postkeynesianischen Ökonomie verbunden. Die Beiträge diskutieren nicht nur Szenarien für die Zukunft der Währungsunion und Vorschläge zur Lösung der Eurokrise, sondern nehmen darüber hinaus eine politökonomische Perspektive ein und stellen die Lösungsansätze in den Kontext der politischen und wirtschaft lichen Kräfteverhältnisse. Stefan Ederer
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Das europäische Krisenmanagement hatte das Ziel, den Neoliberalismus zu vertiefen.
Es ist allerdings auch zu einfach, die alleinige Schuld am Versagen, Rege-lungen für eine effektive Unterneh-mensbesteuerung zu implementieren, ausschließlich der Kommission zuzu-schieben. Letztendlich ist der politi-sche Wille in den einzelnen Mitglied-staaten nicht vorhanden, hier effektive Maßnahmen zu setzen. Und nachdem Entscheidungen im Steuerrecht in der EU der Einstimmigkeit bedürfen, ist eine Lösung dieses Problems auch nicht zu erwarten, solange die betrof-fenen Staaten nicht tatsächlich an ei-ner Problemlösung interessiert sind.
Martin Saringer n AK Wien
1) COM(2015) 302 final: Eine faire Un
ternehmensbesteuerung in der Euro
päischen Union – Fünf Aktionsschwer
punkte, Brüssel, 17.6.2015.
2) Otto Farny u.a (2015): Steuerflucht und
Steueroasen, AK Wien.
3) FAZ: „Multis zahlen 30% weniger
Steuern“, vom 13.11.2014, 18f.
4) OECD, Addressing Base Erosion and
Profit Shifting, Paris (2013).
5) COM(2012) 722 final: Aktionsplan zur Be
kämpfung von Steuerbetrug
und Steuerhinterziehung, Brüssel, 6.12.2012.
6) IP/15/5188: Kommission stellt Aktionsplan für
eine fairere und effizientere Unternehmensbe
steuerung in der EU vor, Brüssel, 17.9.2015.
7) MEMO/15/5175: Fragen und Antwor
ten zum Aktionsplan für eine faire
und effiziente Unternehmensbesteue
rung in der EU, Brüssel, 17.6.2015.
8) COM(2015) 302 final: 8ff.
9) KOM(2011) 121/4: Vorschlag für eine
Richtlinie des Rates über eine gemein
same konsolidierte Körperschaftsteu
erbemessungsgrundlage, Brüssel.
10) Diese Situation ist nicht unbekannt.
Zwischen 1995 und 2014 ist der durch
schnittliche Körperschaftsteuersatz in der
EU von knapp 35% auf 23% gesunken.
11) CFC (Controlled Foreign Companies)
Regelungen sollen durch eine Hinzurech
nungsbesteuerung die Besteuerung von
in Steueroasen oder Niedrigsteuerländern
geparkten Gewinnen sicherstellen.
32 infobrief eu & international Ausgabe 4 | Oktober 2015 wien.arbeiterkammer.at
Buchbesprechung
Die unterschiedlichen Sichtweisen zeigen sich auch bei der Frage nach der Zukunft der Währungsunion. Während PostkeynesianerInnen dazu neigen, eine stärkere Integration und Kooperation in der EU zu befür-worten, ist die Perspektive kritischer politischer ÖkonomInnen tendenziell pessimistischer. Eine Auflösung – be-absichtigt oder als Endpunkt einer länger andauernden (chaotischen) Entwicklung in Richtung Stagnati-on und zunehmender Ungleichheit – scheint aus dieser Sicht die wahr-scheinlichere und möglicherweise auch bessere Alternative.
Thematische Schwerpunkte des Buchs sind der ungleiche Charakter der europäischen Integration und die zunehmend autoritäre Regulierung der Wirtschaftspolitik. Das Buch bie-tet eine breite Perspektive auf die Eurokrise und mögliche Szenarien für ihre Zukunft. Die einzelnen Kapi-tel sind thematisch gut abgegrenzt, kompakt und gut verständlich, sodass
» Buchtipp
Asymmetric Crisis in Europe and Possible Futures. Critical Political Economy and PostKeynesian Perspectives Herausgegeben von Johannes Jäger und Elisabeth Springler, Routledge 2015, 256 Seiten
Zu den HerausgeberInnen: Elisabeth Springler ist Lektorin für Volkswirtschaftslehre und Fachbereichs-leiterin an der FH des bfi Wien und arbeitet zu Geld theorie und Europäische Wirtschaft. Johannes Jäger ist Fachhochschulprofessor für Volkswirtschafts-lehre und Fachbereichsleiter an der FH des bfi Wien. Er ist im Bereich Politische Ökonomie und globale Entwicklung tätig.
sie im Rahmen einer Lehrveranstal-tung oder eines Seminars verwendet werden können. Ein Schwachpunkt des Buchs ist allerdings, dass die Beiträge in Summe keine kohärente Perspektive bieten. Es wird der Le-serin überlassen, die verschiedenen Sichtweisen und Erklärungsansätze der einzelnen Kapitel miteinander zu verbinden. Auch die Tiefe der Analy-se bleibt aufgrund der thematischen Breite des Buchs und der Kürze der
Kapitel manchmal unbefriedigend. Nichtsdestotrotz bietet es aufgrund der Integration und der Gegenüber-stellung unterschiedlicher Perspekti-ven und Sichtweisen eine lesenswerte und erhellende Analyse der europäi-schen Integration und ihrer Krise.
Stefan Ederer n WIFO
Eine längere Version dieser Rezension er
scheint in Wirtschaft und Gesellschaft 3/2015.
Veranstaltungsankündigung Mittwoch, 16. Dezember 2015, 9 bis 18 Uhr
Haus der Europäischen Union Wipplingerstraße 35, 1010 Wien
Wir bitten um Anmeldung bis 8. Dezember über: http://humanrightsinbusiness.eu/project/trainingsessionsregistration/
Ziel des Seminars ist es, verschiedene Interessensgruppen (z. B. Anwalt-schaft, Richterschaft, NGOs und Unter-nehmen) über aktuelle gerichtliche und außergerichtliche Beschwerdemöglich-keiten zu informieren, Unternehmen mit Sitz in einem EU-Mitgliedstaat für Menschenrechtsverletzungen zur Ver-antwortung zu ziehen.
RichterInnen, AnwältInnen, NGO-, Gewerkschafts- und Unternehmens-
vertreterInnen sowie ForscherInnen diskutieren zu folgenden Themen: n Zugang zu europäischen Gerichten:
Herausforderungen für Opfer und Justiz und wie diese bewältigt wer-den können
n Betriebliche Beschwerdemechanis-men – eine vielversprechende Mög-lichkeit unter den außergerichtlichen Mechanismen?
Training Session III
Human Rights in Business Das Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte, als Teil des europäischen Forschungsprojekts Human Rights in Business, lädt zum dritten Trainingsseminar im Rahmen dieses Forschungsprojekts ein.
Zum Abschluss des Trainingsseminars werden WissenschaftlerInnen des Lud-wig Boltzmann Instituts für Menschen-rechte die Ergebnisse des Projekts „Beschweren statt vor Gericht ziehen: Ein möglicher Interessenausgleich zwischen Menschenrechten und Wirtschaft?“ präsentieren.
Die Veranstaltung findet auf Englisch statt (ohne Dolmetschung).