erste ergebnisse einer botanischen inventur des “fichtensterbens”

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Lehrstuht fur Forstbotanik der Universitat Munchen Erste Ergebnisse einer botanischen Inventur des ,,Fichtensterbens" ' Von P. Scuo'rr, H. BLASCHKE, E. HOQUE, W. KocH, K. J. LANGund H. J. SCHUCK 1 Einleitung Seit etwa drei Jahren registrieren die Pathologen Krankheitserscheinungen an Fichten (Picea abies), die mit den aus der Literatur bekannten biotischen und ablotischen Schadens- ereignissen bei dieser Holzart nicht identisch sind. Die Schfiden ffihren zu allmlihlicher oder pl6tzticher Entnadelung, spf.ter zum Absterben yon Altfichten, treten in H/Shenlagen des Bayerischen Waldes abet auch an Fichtenjungwuchs auf. Ats Ursache gilt ein komplexes, lang andauerndes Einwirken yon [mmissionen (ScFtOrr 1982a, ULR:CH 1981a, WF..-,-'rzEL 1982). Die SchS.den nehmen stiindig an Intensit!it und Ausdehnung zu. Zuniichst ais ,,Fich- tensterben" bezeichnet, betrachten manche Autoren die Krankheit als Tell eines in Mittel- europa verbreiteten Waldsterben-Syndroms (Scm;'-cr 1982b, UL~tCH 1981b). Die Bedrohlichkeit des Ph~inomens veranlafgte die Baverische Landesregierung im Herbst 1981 zur Bereitstellung yon Forschungsmitteln. Ein Tell davon kam Untersuchun- gen fiber die Symptomato]ogie und )~tiologie der Krankheit zugute. Es wurde ein als ,,P;irchenvergteich" bezeichnetes Forschungsprogramm aufgestellt, das auf minuti6sen Ver- gleichen zwischen zwei dicht beieinanderstehenden Partnern eines Baumpaares beruht, yon denen der eine Partner deutlich erkrankt, der andere weitgehend symptomfrei war. Der- artige P~irchen wurden in je einem Bestand der Forst~mter Bodenmais (mittl. Bayerischer Wald, 105j~hrig, 1200 m fiber NN) und Sauerlach (Miinchner Schotterebene, 625 m iiber NN, 100jfhrig) ausgew~ihh und zu drei Terminen (April, Juli, Oktober) des Jahres 1982 enmommen. Planung, Anlage und Probenahme erfoigten in enger Absprache zwi':chen den Miinch- her Lehrstfihlen f/.ir angewandte Zoologie, fiir Forstbotanik, ffir Waldwachstumskunde, fiir Standortskunde und dem Institut ffir Holzkunde. Erste Ergebnisse liegen inzwischen vor. Sofern sie botanische Probteme berfihrqn und deutlich erkennbare Tendenzen aufweisen, wird an dieser Stelle dariiber berichtet. Es sei jedoch betont, dag die bier mitgeteilten Resultate vorl~iufigen Charakter tragen, dutch laufende Untersuchungen ergiinzt werden und zu gegebener Zeit ats Originalarbeiten erscheinen sollen. 2 Versuchsanstellungen und Ergebnisse Die in den Bereich der Forstbotanik failenden Untersuchungen behandein anatomisch- morphologische, phytopathologische, physiologische und 6kologische Fragestellungen. Sie erstrecken sich yon den Feinwurzeln bis in die Blattorgane. Im einzelnen geht es urn: t Nach einem Vortrag auf dem Jiilicher Symposium ,Saurer Regen - Waldschfiden", 27. 1. 1983. U.S. Copyright Clearance Center Code Statement: Forstw. Cbl. 102 (1983), 158-166 1983 Verlag Paul Parey, Hamburg und Berlin [SSN 0015-8003 / InterCode: FWSCAZ 0015-8003/83/10203-0158 $ 02.50/0

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Lehrstuht fur Forstbotanik der Universitat Munchen

Erste Ergebnisse einer botanischen Inventur des ,,Fichtensterbens" '

Von P. Scuo'rr, H. BLASCHKE, E. HOQUE, W. KocH, K. J. LANG und H. J. SCHUCK

1 Ein le i tung

Seit etwa drei Jahren registrieren die Pathologen Krankheitserscheinungen an Fichten (Picea abies), die mit den aus der Literatur bekannten biotischen und ablotischen Schadens- ereignissen bei dieser Holzart nicht identisch sind. Die Schfiden ffihren zu allmlihlicher oder pl6tzticher Entnadelung, spf.ter zum Absterben yon Altfichten, treten in H/Shenlagen des Bayerischen Waldes abet auch an Fichtenjungwuchs auf. Ats Ursache gilt ein komplexes, lang andauerndes Einwirken yon [mmissionen (ScFtOrr 1982a, ULR:CH 1981a, WF..-,-'rzEL 1982). Die SchS.den nehmen stiindig an Intensit!it und Ausdehnung zu. Zuniichst ais ,,Fich- tensterben" bezeichnet, betrachten manche Autoren die Krankheit als Tell eines in Mittel- europa verbreiteten Waldsterben-Syndroms (Scm;'-cr 1982b, UL~tCH 1981b).

Die Bedrohlichkeit des Ph~inomens veranlafgte die Baverische Landesregierung i m Herbst 1981 zur Bereitstellung yon Forschungsmitteln. Ein Tell davon kam Untersuchun- gen fiber die Symptomato]ogie und )~tiologie der Krankheit zugute. Es wurde ein als ,,P;irchenvergteich" bezeichnetes Forschungsprogramm aufgestellt, das auf minuti6sen Ver- gleichen zwischen zwei dicht beieinanderstehenden Partnern eines Baumpaares beruht, yon denen der eine Partner deutlich erkrankt, der andere weitgehend symptomfrei war. Der- artige P~irchen wurden in je einem Bestand der Forst~mter Bodenmais (mittl. Bayerischer Wald, 105j~hrig, 1200 m fiber NN) und Sauerlach (Miinchner Schotterebene, 625 m iiber NN, 100jfhrig) ausgew~ihh und zu drei Terminen (April, Juli, Oktober) des Jahres 1982 enmommen.

Planung, Anlage und Probenahme erfoigten in enger Absprache zwi':chen den Miinch- her Lehrstfihlen f/.ir angewandte Zoologie, fiir Forstbotanik, ffir Waldwachstumskunde, fiir Standortskunde und dem Institut ffir Holzkunde. Erste Ergebnisse liegen inzwischen vor. Sofern sie botanische Probteme berfihrqn und deutlich erkennbare Tendenzen aufweisen, wird an dieser Stelle dariiber berichtet. Es sei jedoch betont, dag die bier mitgeteilten Resultate vorl~iufigen Charakter tragen, dutch laufende Untersuchungen ergiinzt werden und zu gegebener Zeit ats Originalarbeiten erscheinen sollen.

2 Versuchsans te l lungen und Ergebnisse

Die in den Bereich der Forstbotanik failenden Untersuchungen behandein anatomisch- morphologische, phytopathologische, physiologische und 6kologische Fragestellungen. Sie erstrecken sich yon den Feinwurzeln bis in die Blattorgane. Im einzelnen geht es urn:

t Nach einem Vortrag auf dem Jiilicher Symposium ,Saurer Regen - Waldschfiden", 27. 1. 1983.

U.S. Copyright Clearance Center Code Statement: Forstw. Cbl. 102 (1983), 158-166 �9 1983 Verlag Paul Parey, Hamburg und Berlin [SSN 0015-8003 / InterCode: FWSCAZ

0015-8003/83/10203-0158 $ 02.50/0

Ers&, Ergebnisse einer botanischen Inventur des ,Fichtensterbens" 159

- vergleichende Analysen des Phytohormonspiegels unter Betonung der Abscisinsfiure, - quantitative Analysen der Blattfarbstoffe, - Erfassung des Wasserzustandes der Nadeln, - Ermitttung der Leitungsgeschwindigkeit und des leitenden Querschnit ts im Stamm, - Feinwurzetuntersuchungen,

- Absterberate und Regenerationsf/ihigkeit, - Grad der Mykorrhizierung und Einflu[~ wurzelpathogener Prize,

- Pathologie der Blattorgane, der jungen Triebe und der Zweige, - Pufferkapazit~it der BlS.tter, - Nachweis eines Nagkerns,

loom

Piceo abtes{L JKorst OWS~. i-

Ahb. l. Wurz.etkomplex aus dem Oberboden-Wurzelsystem einer erkrankten Fichte (FA Bodenmais). FunktionsfS.hige Ektomykorrhizen fehlen, gro~,e Partien des Feinwurzelbesatzes sind abgestorben (---~). Nachfolgender Pitzbefall fiihrt zur Dekomposidon der Schwach- und Grobwurzeln (x)

Fig. t. Part of the topsoil root system of a diseased spruce (Bodenmais forest district). Functioning ectotrophic mvcorrhizae are m ssing, large portions of the fine roots that were present have died (--,.-). Subsequent fungal infection has brought about decomposition of fine and coarse roots (x)

I60 P. Schutt, H. 3(ascbke, E. Hoque, W. Koch, K. J. Lang und H. f. Schuck

- Ver~.nderungen der Cuticularwachse, - - biologische Aktivit~ten yon Staubauflagen. Nicht alle diese Untersuchungen haben in der bisherigen, etwa einj~h,igen Untersuchungs- zeit zu eindeutigen Ergebnissen gef/.ihrt. Nur bei den folgenden, separat abgehandelten Fragestellungen lassen sich aus den Ergebnissen eindeutige Tendenzen ablesen:

2.1 Unte rsuchungen des Feinwurzelsystems

Anhand vergleichender Wurzeluntersuchungen an gesunden und erkrankten Fichten in Bodenmais und Sauerlach wurden Absterbe- und Regenerationsvorgiinge im Feinwurzel- system quantitativ erfat~t. Weiterhin fanden qualitative Aufnahmen des Entwicklungszu- standes der Mykorrhiza statt. Die Ergebnisse lassen sich wie ~olgt zusammenfassen: - Erkrankte Fichten wiesen im Vergleich mit gesunden Individuen einen erh6hten Anteil

an abgestorbenen Feinwurzetn auf (Abb, 1). Die Sch~iden waren im Tiefenwurzelsystem st~irker ausgepr~gt als im Oberbodenwurze]- system (Abb. i, Tab. i). Das bczieht sick ebenfa]is auf die Absterberate, die bei kranken Fichten ausnahmslos h6her lag als bel gesunden. Im Tiefenwurzelbereich war dieser Unterschied besonders auff~illig. Dort batten erkrankte mindestens die doppelte Morta- lit~itsrate der Feinwurzeln yon gesunden Baumen.

- An den verbleibenden intakten Feinwurzeln war die Regeneration bei kranken wesent- lich geringer als bei gesunden Bfiumen (Abb. 1).

- Bei den.kranken P~irchenpartnern war stets ein starker R[ickgang ak~:iver Mykorrhizen festzustetlen.

2.2 Analyse yon Phy toho rmonen

Phvtohormone und einige auch in Waldb~iumen vorkommende Wuchsstoffe wie Abscisin- s~iure (ABA) oder Gibbereil ine spielen eine bedeutende Rolle bei der Abwehr yon Streg- zust~nden bei Pf]anzen. Unter Streg bildet sich verst~rkt ABA und Gibberel l ine nehmen

-['abe&' /

Vcrzwcigungsintensitat im Fcinwurzclsystcm gesundcr (Fi +) und krankcr Fichtcn (Fi -). Obcr- flachcnwurzclsystcm (OWS). Ticfcnwurzclsystcm (TWS)

Branching inten~itv of the fine-root system of healthy (Fi *) and diseascd spruces (Fi -). Surface root system (OWS), deep root system ('I'WS)

I kr e 2 f z w c l - Standorr I Probe- Wurzel- N mit ohnc Anzahi (';csalnr- i �9 -

ration ratolon '\Vurzel- wtar~cll~,~ge ! gung~;- mm ! knetti- [ :% I i sp~t ..... ~ i n t R

OWS 239 7%1 20,9 4414 29013,4 6,57 Fi +

Bodenmais TWS 2~0 80,9 19,1 2744 20-!40,9 7,45

21. 6. 1982 OWS 223 66,7 33,3 1268 i3109,0 11,72 F i -

TWS 238 55,0 45,0 602 15831,7 26,30

Fi + OWS 205 84,9 13,1 5236 47445.C 9,06

Sauerlach TWS 212 90,6 9,4 4567 30237,0 6,62

11. IC. 1982 OWS 244 62,7 37,3 3060 48587,6 15,88 F i -

T\VS 214 59,3 40,7 63') 39916,4 62,47

Erste Ergebnisse einer botanischen [nventur des , f ichtensterbens" 161

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Elutlon mit

10 50 27,5 ~/; MeOH / / / 2 5 25 %HOAc

lbb. 2. Kieselgelchromatographie des sauren n-Bu(')H- Extrakts (Gelbett: 30xl,6 cm). Die [nhibitoraktivitat wurde im \X"eizenkeimtest (0,01 ~ 16,S g FG-.\quiv.) er- mittelt Fig. 2. Silica-gel chromatograph)' of the acidic n-BuOH extract

Af~b. .1. Kieselgelchromatographie des neutraien n- BuOH-Extrakts. Die ]nhibitoraktivitiitsbestimmung er- folgte im Weizenktz'imlingstest mit aliquoten Anteilen (O,Ol ~ 16,,"; g FG-Aquiv.)

Fig. 3. Silica-gel chromatography of the neutral n-BuOH extract

ab. ABA kontrolliert auflerdem die Schlieflbewegung der Stomata (HoquE 1982). Diese Umst~nde sowie die bei Fichte, Tanne und Buche als Krankheitssymptom zu beobachten- den Wachstumsanomalien fiihrten zur Aufnahme vergleichender Phytohormonanalysen im Rahmen des PS.rchenversuchs.

Zur Isolierung und Identifizierung yon Abscisins~iure, Gibberellinen und weiteren ha- riven Wachstumsregulatoren wurden Extrakte aus kranken und gesunden Fichten herge- stelh, chromatographisch gereinigt und biologische Aktlvit3.t der Fraktionen mittels Bio- tests gepriift. Es ergaben sich deutliche Unterschiede zwischen kranken und gesunden Fichten in der Anzahl und der Natur der nachgewiesenen Komponenten. Im Trend konn- ten tiberdies Konzentrationsunterschiede festgestelh werden. Einige Komponenten zeigten deutliche Phytotoxizit~.t. Sie werden zur Zeit durch verschiedene chromatographische Methoden niher untersucht. ABA-Konjugate und oxidative Metaboliten der ABA fanden besondere Beachtung. Abbildungen 2-5 geben f~r verschiedene Fraktionen Hinweise auf die qualitativen und quantitativen Unterschiede der vorhandenen Komponenten bei gesun-

162 P. S&*,te, H. Blaschke, E. Hoque, W. Koch, K. J. Lang und H. J. Schucle.

5-

41:

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-8 �9 -,4 5 -

K L M N 0 P l

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GESUNO

10 -7 M GAo

lO-a M /'t20

KRANK

L N Q i i 1 " - 7 i i

~ ~ 10-aM GA 3

0 Elution mit: 10 25 95 90 80 70 50 50 % EtOAc

/ / / 2,5 S lO 20 30 ~0 50 ~ HeOH

Abb. 4. Kieselgelchromatographie des neutralen EtOAc-Extrakts ((;elbett: 30x 1,6 cm). Die Gibberel- linaktivit;it wurde im Zwergreistest ermiEelt (0,02 ~ 33,5 g FG-Aquiv.) Fig. 4 Siilca-gei chromatograprty of the neutrai EtOAc extract

den und kranken Fichten. Die Bestimmung der Struktur dieser Verbindungen ist vorgese- hen. Sie wiirden dazu beltragen k/Snnen, die hormonalen Mechanismen des Krankheitsab- laufes aufzukl~iren.

Des weiteren wurden ans verschiedenen Teilen der Terminaltriebe erkrankter und ge- sunder Fichten-Extrakte mittels organiseher L6sungsmittel hergestellt. Sie wurden separat chromatographisch gereinigt und in Biotests gepriift. Aus Abbitdung 5 geht hervor, daR der Inhibitorgehalt (~.g ABA eq./g FG) im er, sten DriEd des Terminaltriebes erkrankter Fich- ten h6her ist als im gleichen Bereich gesunder Fichten. Ein erheblicher Tell des Inhibitor- gehaltes wird yon ABAqihnlichen Substanzen eingenommen. M6glicherweise stehen die erh6hten Inhibitor- und ABA-Werte in direktem Zusammenhang zur Hemmung der Apikatdominanz, ein Bild, clas als charakteristische Erscheinung des Waldsterbens gelten mug. Auch im Holz/Rinde-Bereich trat eine h6here Konzentration yon ABA-iihnlichen Substanzen auf. M~Sgticherweise ist die Hemmung der kambialen Zellteilung und der kam- bialen Differenzierung darauf zurfickzuffihren.

Alle bisherigen Ergebnisse iassen sich dahingehend interpretieren, daft es eine hormo- hale Regulation des Krankheitsabtaufes gibt. Nur so w'arde auch versdindlich, wie grOne Nadeln unabh~ingig yore Wasserzustand des erkrankten Baumes abgestoften werden.

Die bier zun~ichst an sehr geringem Material festgesteltten Zusammenh{inge stimmen mit jenen Befunden iiberein, die phytohormonale Veriinderungen infolge yon Stref~situa-

5 0 - <

Erste Ergebnisse einer botam'schen Inventur des ,,Fichtensterbens"

INHIBITOR

163

~ d O -

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~ 2 0 -

5 0 -

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3 0 -

~ 20 -

t O -

ABA-~hnDch aBA-Konjungct t - ERSFES DRIFTEL ahnlich DE5 t E R M I N A L -

7RIEBES

80DM BOC~ 80DM 800M 21.5. LIO. 21.6 ~-.tO.

BODM 21.6.

5auerl. 21. l.. Nadeln Ho lz* Nadeln Ho l z . Nadel.n HOIZ * RJnde Rinde

Rinde

GA NZER EERMINA L TRtEB

Abb. 5. lnhibitorgehalt im ersten Drittei des Terminakriebes und im Gesamtterminaltrieb. Die Inhi- bitor--, ABA- und ABA-Konjugatwerte wurden nach chromatographischer Reinlgung an Sephadex LH-20 dutch Welzenkeimlingstest ermittelt Fig. 5. Inhibitor contents of the first third of the terminal shoot and of the entire terminal shoot

tionen feststellen (t-{oquE 1982). Dabei ist vorerst nicht auszumachen, weiche Einfliisse den Strel.~ ausl6sen.

2.3 Wasserhaushalt

Es sollte geprfift werden, ob der Wasserhaushalt kranker Fichten gegeniiber anscheinend gesunden nachweisbar geschiidigt ist.

Nach W~u.~R ist zu erwarten, dat?, eine St6rung des Wasserhaushahes den osmotischen Wert des Zellsaftes erh6ht, wodurch sich,der Quellungszustand des Zellplasmas verschlech- tert. Die Bestimmung des osmotischen Potentials kann somit als Vitalitatstest gelten. Zu diesem Zweck verwendeten wir die sogenannte Kapitlarmikrokryoskopie nach KeSS~:LER (1958), weiterentwickelt yon BREmaerl (1982), fiir die Anwendung bei h6heren Pflanzen.

Die Proben stammen yon einem Standort bei Sauerlach und wurden aus Licht- und Schattenkronen yon fi~nf Vergleichspaaren im Frfihsommer zu zwei verschiedenen Zeiten yon den gleichen Paaren dutch Herabschiegen gewonnen. Weitere Proben stammten yon anderen Vergleichspaaren. Die Ergebflisse sind auch hier in Hundertteilen der Abweichung yore jeweilig gesunden Vergleichsbaum in den Abbildungen dargestellt. Sie lassen in Ab- bildung 6 erkennen: - Von einem einheitlichen Verhalten der fi~nf kranken B~iume gegenfiber den gesunden

kann/-iberraschenderweise nicht die Rede sein. - Die Abweichungen betragen mit drei Ausnahmen weniger als 10%.

164 P. Schmt, H. Blaschke, E. Hoque, W. Koch, K. J. Lang und H. J. 5chuck

A %

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Poor I

PICEA A B I E S Soue r l och 1982

1. Jun i /,. Jun i ?0. r

• Schettennedeln

[--'~-~Sonnennodeln

Abb. 6. Abw'elchungen des osmotischen Potentials (A %) erkrankter Fichten yon dem der gesvnden Partner (- 100%) des jeweiligen Baumpaares F/g. 6. Deviations of ".he osmotic potential (~ %) of diseased spruces from that of the respective healthy paired sample trees (= 100%)

- Auch zum dritten Zeitpunkt von einem anderen Paar wurde kein eindeutiges Ergebnis erzie]t.

-- Mittelung Qber LJcht- und Schattennadeln sowie fiber den ersten und zweiten Entnah- mezeitpunkt bringen die Unterschiede fast vfllig zum Verschwinden.

-- Bei einem dritten Zeitpunkt und einem weiteren Vergleichspaar schnitt der kranke Baum nach liingerer hochsommerlicher Hitze in allen geprOften Wirteln sogar um Weniges (10%) besser ab als der gesunde.

Schlufibeurteilung

Insgesamt gesehen erbrachte die Pregsaftgewinnung aus tausenden yon Einzelnaddn bis- lang keinen Hinweis, dal~ der Wasserhaushalt erkrankter Ficbten ernsdich gef~ihrdet ist. Diese Ergebnisse zwingen zurn Urndenken. Offensichtlich ist der Lehrsatz yon WaL'rER ,,Jede Erhfhung des osmotischen Wertes zeigt eine St6rung des Wasserhaushaltes an" doch nicht immer umkehrbar, wovon wir ausgingen. M6glicherweise gelingt es einem erkrank- ten Baum dutch entsprechendes Abstogen yon Feinwurzeln oder Nadeln das Gleichge- wicht zwischen Wasseraufnahme und Wasserabgabe im Sinne einer Setbstregelung auf- rechtzuerhahen. Oder machen wit einen,grunds~itzlichen Fehler der Probenahme, indem wir uns ausschliel~lich auf den zwelten Nadeljahrgang beschr~,nkten?

2.4 Andere Fragestellungen

Nach dem derzeitigen Stand der vergleichenden Untersuchungen zwischen kranken und gesunden Fichten zeichnet sich ferner ab: -- Die Pufferkapazlt~it der Nadeln steht in kelnem klar erkennbaren Zusammenhang mit

dem Krankheitsbild. - Das Vorkommen naf~kernartiger Anomalien im Stature yon Altfichten ist nachzuweisen.

Ob iedoch - wie bei Abies alba - klare funktionelle Zusamrnenh~inge mit dem Krank- heitsablauf bestehen und ob diese optisch wenig auffallenden Ver~inderungen den Was- sertransport beeintr~ichtigen, bleibt noch zu ktfiren.

Erstc Ergebnisse eirzer botanischen ]nventur des ,,Ftcbtensterbens" 165

- Der wasserleitende Stammquerschnitt bei kranken Fichten scheint klelner zu sein als bei gesunden Fichten.

- Die Untersuchung der Pilzflora in Nadeln, Trieben und ,~.sten erbrachte keine qualita- tiven Unterschiede zwischen ,,kranken" und ,,gesunden" Fichten. Quantitative Unter- schiede lassen sich durch den h6heren Anteil gesch~idigter Nadeln sowie abgestorbener Triebe und Zweige erkl~ren. Als Primiirsch~dlinge sind die isolierten Pilze nicht anzu- sehen, sic sind vielmehr der Gruppe der Schw~icheparasiten und Saprophyten zuzuord- nen, so dal~ ihr Auftreten indirekt, bis zu einem gewissen Grade, R~cksch!iisse auf die Vitalitiit der Pflanzen zul~iflt.

3 Sch lugfo lge rungen u n d we i t e r fuh rende H y p o t h e s e n

Die hier skizzierten Ergebnisse wurden nach h6chstens einjShriger Versuchsdauer gewon- hen und haben deshalb nut vorl~iufigen Charakter. Schon deswegen sind sie sicher nicht geeignet, liickenlose, zweifelsfreie Vorstellungen fiber Ablauf und Ents~ehung des ,,Fich- tensterbens" zu liefern. Zieht man abet in Betracht, dag zei',gleic.b zt,r Fich:e auch an Weil!,tanne, Kiel:er und Buche Krankbeitssymptome iihnlicher Auspr~igung und Intensit~it auftreten und betrachtet man alle diese SchS.den als artspezifische Reaktionen auf dasselbe Krankheitsereignis, dann ist es auch erlaubt, alle einschliigigen Daten, Beobachtungen und Versuchsergebnisse als Mosaiksteine tiir die Konstruktion eines gemeinsamen Bildes zu verwenden. Ein derartiger Versuch k6nnte nach unserer Einsch~itzung zu folgender Hv- pothese fiber die Entstehung und den Ablauf des Waldsterbens fiihren:

Langj:ihrige Einwirkungen relativ geringer Konzentrationen eines komplexcn Schad- stoffgemisches in der Luft f:ahrten zu Schiidigungen des Photosynthcseapparatea und da- dutch zu einer steten }'Ierabsetzung der Netto-Photosynthese (KEi.l.~.r~ 1982). Ais Folge geht die Stoffproduktion zuriick, was sich u. a. in herabgesetztem Holzzuwachs, weniger Reser- vestoffen und Veranderungen in der Produktion sekundSrer Pfianzensmffe niedcrschl3.gt. Im Feinwurzetsystem k6nnen daher die normalen Abg;inge nicht mehr ersetzt werden (vermindertes Reproduktionsverm6gen, Liss 1983), es werden qualitativ und quantitativ ver~indcrte volatile Substanzen und Wurzeiexsudate abgegeben, was die Mykorrhizabiidung hemmt oder verhindert. Das Eindringen yon Bakterien oder pathogenen Pilzcn ist m6glich. lnsgesamt kommt es zu einer Verringerung der Wasser- und N~ihrsalzaufnahme, m6glicher- weise auch zur Beeinmichtigung der Produk6on yon Phytohormonen. Nachdem der pathologische Nat~kern zus~itzlich den Wassertransport behindert, erreicht insgesamt welt weniger Wasser die Krone als zur Aufrechterhaltung normater Hydraturverh~iltnisse ertor- derlich ist. Der Baum reagiert dutch Abstogen der nicht ausreichend wasserversorgtcn ~tteren B!at:organe, verkleinert damit zwangsl~iufig die CO 2 assin'iilierendc Oberfliiche, womit sich der Schadenskreislauf in verstSrkter Weise fortsetzt.

In enger Verbindung zu den auf diese Weise eintretenden Vitalit~itsverlusten steht eine erhiShte Disposition des Baumes ffir Erkrankungen dutch tierische und pflanztiche Sch3_d- linge, aber auch durch abiotisehe Schadensereignisse wie K~i!te, D/3rre oder Gifve.

Uns schein:, als sei diese ,,Stre,q-Hypothese" welt genug gespannt, um die derzeit auf- tretenden Schadbilder des Waldsterbens plausibel erkl[ircn zu k6nnen.

Zusammenfassung

Im Zuge eines Vergleichs zwischen gesunden und am ,,Fichtensterben" erkrankten Altfich- ten (,,P~irchenvergleich") fanden symptomatologische und ~itiologiscbe Untersuchungen statt, die nach einem ]ahr yon botanischer Selte her folgende vorl~iufige Ergebnisse erken- nen lassen:

166 P. Scht~tt, H. #taso{,ke, E. tT(~ql~e, W. K~ch, K. J. Lang und H. J. &'huck

- kranke Fichten haben ein deutlich gest6rtes Feinwurzelsystem, d. h. einen erh6hten Totwurzelanteil, ein reduziertes Reproduktionsverm6gen und eine igest6rte Mykorrhi- zierung

- zwischen kranken und gesunden Fichten bestehen deutliche Unterschiede in dee Anzahl und Natur nativer Wachstumsregulatoren (haupts~ichlich ABA4hnl iche Substanzen und Gibberelline). Dee Inhibitorgehah im obersten Drittel des Terminaltriebs ist bet kranken Fichten viel h6her ais bei gesunden

- dee mit Hilfe dee Kapillarmikrokryoskopie ermittelte Wasserzustand dee Nadeln ergab Ciberraschenderweise keme nennenswerten Differenzen zwischen den kranken und den gesunden Bf.umen der Versuchspaare. Offenbar regulieren erkrankte individuen den Wasserhaushalt ihres Blattapparates durch Abstogen 51terer Blattorgane.

Es wird eine Hypoihese (sog. ,,Streg-Hypothese '<) vorgestellt, die unter Verwendung des derzeitigen Wissensstandes versucht, die Entstehung und den Ablauf des Waldsterbens zu erklSren.

Summary

First results o f a botanical surwey o f ,,spruce dieback"

Based on a comparison between healthy and diseased spruces in older stands, symptoms and etiology of spruce dieback were investigated. After one year of investigation on the condition of trees, the following preliminary results are indicated: - Diseased spruces showed a significant damage to the fine-root system, i.e. an increased

amount of dead roots, reduced ability to produce new roots, and disturbance of mycorr- hizal formation.

- There are significant differences in the amount and nature of endogenous growth regu- lators (mainly ABA-like compounds and gibberellins) between diseased and heatthv spruces. The content of inhibitory compounds in the upper third of the terminal shoot is much higher in diseased spruces than in healthy trees.

- surprisingly there were no obvious differences in foliar moisture conditions - measured with the aid of capillary microcryoscopy - between diseased and healthy paired sample trees. Evidently the diseased trees regulate their water budget by shedding older needles.

Based on our present knowledge, a hypothesis (,,stress hypoehesis") is presented that tries to explain the initiation and intensification of the forest decline.

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