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Erneuerbare Energien für Prozesswärme aus Sicht der Wissenschaft
Dr. Antje Seitz, Stefan Estelmann Fachgespräch „Erneuerbare Energien und Abwärme in der Prozesswärme“ Berlin – 24. Oktober 2017
> Fachgespräch "Erneuerbare Energien und Abwärme in der Prozesswärme" > A. Seitz • Sicht der Wissenschaft > 24.10.2017 DLR.de • Folie 1
> Fachgespräch "Erneuerbare Energien und Abwärme in der Prozesswärme" > A. Seitz • Sicht der Wissenschaft > 24.10.2017 DLR.de • Folie 2
Agenda
• Eckdaten industrieller Prozesswärme
• Optionen zur Erzeugung von Prozesswärme aus erneuerbaren Energiequellen • Wärmepumpen, Geothermie und Solarthermie • Alternative Brennstoffe • Direkte elektrische Beheizung
• Thermische Energiespeicher und Fernwärmenetze als Wegbereiter
• Zusammenfassung
Raumwärme 27%
Warmwasser 5%
Prozesswärme 22%
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Energieverbrauch nach Anwendungsbereichen
• Mehr als die Hälfte der Endenergie
wird in Form von Wärme benötigt
• Gerade einmal 13 % der Wärmeversorgung werden bisher erneuerbar bereitgestellt[1]
• Die Wärmeversorgung hängt zu mehr als 80 % von fossilen Energieträgern ab
Wärmebedarf ≙ 54 %
(4.794 PJ)[2]
Endenergiebedarf in Deutschland 2015[2] (8.877 PJ)
[1]: AGEE-Stat, 2/2017 [2]: BMWI, Energiedaten, 1/2017
Raumwärme
Warmwasser
Prozesswärme
Kälteprozess
Mechanische Energie
IKT & Beleuchtung
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Endenergiebedarf nach Sektoren
private Haushalte[1]
2.289 PJ
GHD[1]
1.393 PJ
Industrie[1]
2.576 PJ
Wärmebedarf ≙ 89 %
Wärmebedarf ≙ 58 %
Wärmebedarf ≙ 73 %
[1]: BMWi, Gesamtausgabe der Energiedaten – Datensammlung, 5/2017, für das Jahr 2015
Raumwärme Warmwasser Prozesswärme Kälteprozess Mechanische
Energie IKT &
Beleuchtung
Raumwärme 69 %
Warmwasser 14 %
Prozesswärme 6 %
Warmwasser 5 %
Prozesswärme 7 %
Prozesswärme 65 %
Warmwasser 1 %
Raumwärme 7 %
Raumwärme 47 %
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Energieträger zur industriellen Prozesswärmebereitstellung
• Der Gesamtbedarf beläuft sich auf etwa
1.700 PJ
• Als Hauptenergieträger werden Gas und Kohle eingesetzt
• Kohle dient überwiegend als Reduktionsmittel in der Eisenerzeugung
• Erneuerbare Energien tragen nur circa 5 % zur Bereitstellung bei (ca. 90 PJ)
Öl 3 %
Gas 45 %
Strom 8 %
Fernwärme 9 %
Kohle 25 %
Erneuerbare 5 %
Sonstige 5 %
[1]: BMWi, Gesamtausgabe der Energiedaten – Datensammlung, 5/2017
Verwendete Energieträger 2015[1]
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Temperaturniveaus in der Prozessindustrie
[1] DLR, Prozesswärme im Marktanreizprogramm, M. Nast, 2010
0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600 650
Maschinenbau
Metallerzeugnissen
Kfz-Hersstellung
Metallerzeugung u. -bearbeitung
Glasgewerbe, Keramik, Feuerfest
Chemische Industrie
Gummi- u. Kunststoffwaren
Papiergewerbe
Textilgewerbe
Ernährungsgewerbe
PJ
PW < 100°C PW 100-500°C PW 500-1000°C PW >1000°C
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Temperaturniveaus in der Prozessindustrie
• Ca. 50 %[1] der industriellen
Prozesswärme wird auf einem Temperaturniveau von mehr als 1.000 ºC benötigt (zur Metall-, Zement-, Glas- und Keramikerzeugung)
• Ca. 25 % der Prozesswärme fallen auf einem Temperaturniveau kleiner 500 ºC an
< 100 °C 10 %
(170 PJ)
100 - 500 °C 15 %
(250 PJ)
500 - 1.000°C 27 %
(450 PJ)
> 1.000 °C 48 %
(800 PJ)
[1]: DLR, Prozesswärme im Marktanreizprogramm, M. Nast, 2010
Temperaturniveau der Prozesswärme[1]
Wärmepumpe
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Optionen zur Erzeugung von Prozesswärme aus Erneuerbaren Energien
100 ºC 500 ºC 1000 ºC
Solarthermie
Geothermie
Alternative Brennstoffe (biogen oder synthetisch sowie Abfälle)
Direkter elektrischer Energieeintrag
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Wärmepumpen
• Exergetische Aufwertung von Niedertemperatur-wärme mittels eines Kompressors durch mechanischen oder thermischen Energieeintrag
• Mögliche Wärmequellen: Erdreich, Grundwasser, Umgebungsluft, Solarthermie, industrielle Abwärme
• Antriebsenergie (z.B. Strom) muss erneuerbar sein
• Stand der Technik: Tmax ~ 120 ºC Forschung & Entwicklung: Tmax > 150 ºC neue Ansätze mittels chemischer Reaktionen
• Industrielle Großwärmepumpen sind in Deutschland noch wenig verbreitet
Bildquelle: waermepumpen-portal.de
Bildquelle: Friotherm
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Geothermie
• Zunahme der Temperatur im Erdreich um 30 ºC je Kilometer[1]
Oberflächennahe Geothermie (Bohrtiefe < 400 m) • z.B. Erdwärmesonden in Verbindung mit
Wärmepumpen • Große Anzahl installierter Anlagen (insbesondere im
Gebäudebereich)
Tiefe Geothermie (Bohrtiefe > 400 m) • Im Wesentlichen hydrothermale Dublettensysteme • Technologisch herausfordernd • 33 Projekte mit insgesamt rund 300 MWth in Betrieb • Maximale Temperaturen von 160 ºC erreichbar
[1]: Bundesverband Geothermie
Bildquelle: GeotIS
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Solare Prozesswärme
• Prozesswärmebereitstellung auf einem Temperaturniveau bis 250°C
• Solarthermischer Ertrag in Mitteleuropa beläuft sich auf ca. 250 - 300 kWh/(m²a)[1] (Flächenbedarfe müssen berücksichtigt werden)
• Kombination mit Zusatzheizung, Wärmepumpe und thermischen Energiespeichern zur bedarfsgerechten Bereitstellung auf gewünschtem Temperaturniveau notwendig
[1]: DLR, Leitstudie 2010, Nitsch
Bildquelle: Universität Kassel
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Alternative Brennstoffe zur Erzeugung hoher Prozesstemperaturen
Biogene Brennstoffe • Ressourcen: Nachwachsende Rohstoffe oder biogene Reststoffe • Begrenztes Potenzial • Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion ist auszuschließen • Erzeugbare Produkte: feste Brennstoffe, (Roh-)Biogas, Biomethan
Strombasierte Brennstoffe (Power-to-Gas/Liquid) • Ressourcen: Wind- und PV-Strom und Kohlenstoffquelle • Größeres Potenzial • Wirkungsgradverluste durch chemische Umwandlungsketten • Erzeugbare Produkte: synthetische Kohlenwasserstoffe
Aufbereitete Abfälle • Steigerung der Ressourceneffizienz
Bildquelle:www.siemens.com/presse
Bildquelle:www.greengas.net
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Anwendungsbeispiel – Nutzung von Biogas in der Glasindustrie
• Kohlenstoffbasierte Brennstoffe werden aufgrund ihrer Energiedichte zukünftig weiterhin als Energieträger in Thermoprozessen benötigt
• Biogas kann als Zusatzbrennstoff in der Glasschmelze genutzt werden, ohne Qualitäts-einbußen im Glasprodukt und Schäden am Feuerfestmaterial hervorzurufen[1,2]
• Für hohe Biogasanteile in der Glasschmelze ist die
Brennerlogistik neu auszulegen, um eine konstante Gasqualität und Zusammensetzung zu gewährleisten
[1]: Nutzung von Biogas im Glasschmelzprozess, gwi – gaswärme international, 06/2014 [2]: Refractory materials in the glass melting furnaces fired with biogas, 56. International Colloquium on Refractories, 2013
Kühlfalle
Reststoffe z.B. Bioabfall,
Speisereste, Gülle
Roh-Biogas
Biogas CH4: 60-70 Vol.%, CO2: 30-40Vol.%
H2O + gelöste Salze
Bildquelle: HVG
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Anwendungsbeispiel – Reststoffe als Brennstoff in der Zementindustrie
• Einsatzrate alternativer Brennstoffe aus aufbereiteten Abfällen liegt bei derzeit 65 % (Industrieabfälle, Klärschlamm, Altreifen)
• Erhöhung bis 100 % möglich, vorausgesetzt die Qualität des Zementklinkers bleibt konstant und die Reststoffe sind ausreichend verfügbar
• Erschließung des Potenzials erfordert • Untersuchung der Einflüsse auf die
Eigenschaften der Zementprodukte und die Wechselwirkungen im Herstellungsprozess
• Wechselwirkungen mit den Aggregaten (z.B. Feuerfestmaterialien)
ca. 65 %
Quelle: VDZ Umweltdaten Zeitreihe
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Direkter elektrischer Energieeintrag
• Voll-elektrische oder hybride Prozessaggregate sind heute bereits im Einsatz (z.B. Elektrolichtbogenofen, Glaswanne mit Elektrozusatzheizung, Induktionsheizung für NE-Metalle)
• Die Elektrifizierung von Prozessaggregaten ist nicht immer möglich und abhängig von den physikalischen Stoffeigenschaften des zu erwärmenden Materials bzw. von zusätzlichen Funktionalitäten des Kohlenstoff basierten Energieträgers
• Grundsätzlich muss ein Ersatz des Energieeintrags mittels Brenngasen durch elektrischen Strom hinsichtlich der CO2-Bilanz überprüft werden
Bildquelle: BSW
Bildquelle: Weiss Anlagentechnik
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Anwendungsbeispiel – Elektrodenheizkessel in der chemischen Industrie
• 60 %[1] des Energieeinsatzes der europäischen Chemieindustrie entfällt auf die Erzeugung von Prozessdampf
• Die Reduktion der CO2-Emissionen ist direkt abhängig vom Strom-Mix
• Elektrodenkessel befähigen die Chemiewirtschaft zur Teilnahme an DSM-Maßnahmen
• Bedarfsgerechte Bereitstellung durch thermische Energiespeicher oder Hybridbetrieb mit fossilen Brennstoffen Bildquelle: Enerstorage
[1]: Dechema, Low carbon energy and feedstock for the European chemical industry, 2017
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„Wegbereiter“ – Thermische Energiespeicher
• Einsatz zur bedarfsgerechten Bereitstellung von Prozesswärme aus fluktuierenden erneuerbaren Energien
• Vergleichmäßigung fluktuierender Abwärme zur Reintegration in den Prozess oder zur externen Verwendung (z.B. Strom-erzeugung, Fernwärme, …)
• Sensible Speichertechnologien sind für spezifische Anwendungen bereits etabliert (Regeneratoren, Ruths-Speicher, 2-Tank-Flüssigsalz-Speicher)
• Weiterer Entwicklungsbedarf besteht generell im Hochtemperaturbereich und bei innovativen latenten und thermochemischen Speichertechnologien
Bildquelle: Solarmillenium
Latentwärmespeicher mit berippten Rohren (DLR)
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„Wegbereiter“ – Industrielle Wärmenetze
• Grund für den Bau der Fernwärmeschiene Niederrhein war die Einbindung der Abwärmequellen aus der Stahlindustrie Anfang der 80er Jahre (30 % der Wärme-Einspeisung)
• Warmwasser-Speicher werden zur Pufferung eingesetzt
• Im Sommer übersteigt das Angebot industrieller Abwärme häufig den Fernwärmebedarf Bedarf für saisonale Wärmespeicher
• Bestehendes Fernwärmenetz ermöglichte die Einbindung erneuerbarer Energiequellen (14 % der Wärmeeinspeisung)
• CO2-Emissionen der Industrie werden üblicherweise dem Prozess und nicht der Fernwärme zugeordnet, die dann CO2- und Primärenergie-frei ist. Bildquelle: Stadtwerke Dinslaken
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Überblick erneuerbarer Energien und Abwärme in der Prozesswärme
Öl 3 %
Gas 45 %
Strom 8 %
Fernwärme 9 %
Kohle 25 %
Erneuerbare 5 %
Sonstige 5 %
Alternative Brennstoffe • Einsatz biogener / synthetischer
Gase und aufbereiteter Abfälle • Anpassung von Prozess-
aggregaten notwendig
Direkte elektrische Beheizung • Power-to-Prozessdampf mit
thermischer Speicherung • Elektrifizierung Prozessaggregate
Wärmepumpen / Solarthermie / Geothermie • Niedertemperaturbereich • Angepasste Prozesstechnik
Alternative Routen • Neuer Hochofenprozess
Hohe EE-Anteile am Strom-Mix notwendig
CO2-freie Fernwärme • Einbindung industrieller
Abwärme • Einbindung erneuerbarer
Energien • Thermische Speicher
für bedarfsgerechte Bereitstellung
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Zusammenfassung
• Niedertemperatur-Prozesswärme kann mittels Wärmepumpen, Solarthermie und Geothermie erneuerbar zur Verfügung gestellt werden.
• Für hohe Prozesstemperaturen sind alternative Brenngase und Brennstoffe notwendig. Teilweise können Aggregate mit direktem elektrischen Energieeintrag betrieben werden. Hierbei müssen die verfügbaren Biomasse- und EE-Strom-Potenziale berücksichtigt und die ökologische Erzeugung sichergestellt werden.
• Die Wechselwirkung mit den Herstellungsprozessen sind zu berücksichtigen und eine unveränderte Produktqualität ist sicherzustellen. Hieraus ergibt sich Forschungsbedarf in der Nutzung erneuerbarer Energien für Einzelaggregate und deren Auswirkungen auf die industriellen Prozessketten.
• Thermische Energiespeicher sind branchen- und prozessübergreifend für eine bedarfsgerechte Bereitstellung von Prozesswärme einsetzbar. Im Hochtemperaturbereich besteht Forschungsbedarf hinsichtlich der Entwicklung kostengünstiger und effizienter Speicherkonzepte und deren Prozessintegration.
• Mittels industrieller Fernwärmenetze können Abwärme- und erneuerbare Potenziale geschöpft werden.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Dr. Antje Seitz
[email protected] 0711 / 6862 484
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