ergotherapie und sturzprävention -...
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Ergotherapie und Sturzprävention
Dr. Sebastian Voigt-Radloff1,2 Christian Müller3,4
1 Zentrum für Geriatrie und Gerontologie Freiburg 2 Cochrane Deutschland3 Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes, Saarbrücken4 Berufsakademie für Gesundheits- und Sozialwesen Saarland, Saarbrücken
Themen
• Wie behandelt Ergotherapie bei Sturzgefahr?
• Wie ist die Evidenzlage zur Ergotherapie bei Sturzgefahr?
• Wie passt Ergotherapie in die Versorgungs-landschaft für sturzgefährdete ältere Personen?
• Pilotstudie zu FIT-Daheim: Ergotherapie-Programm nach Gitlin, Clemson und ENABLER
Wie behandelt Ergotherapie bei Sturzgefahr?
Person Umwelt
Aktivität
Sensomotor., kognitive und psychosoziale Funktionen mit alltagsnahen Aktivitäten beüben
fördernde Faktoren fördern
limitierende limitieren
subjektiv wichtige, alltagsrelevante und auffordernde Aktivitäten suchen
☺• Assessment• Zielfindung• Behandlung• Evaluation• Nachsorge-
Empfehlungen
Sturzgefährdung bei Mahlzeitzubereitung
Patient A
Küche, Kühlschrank, TürschwelleEsszimmertisch
Transport und Tischdecken
Kognitiv
Rollator-Sicherheits-training
Sensomotor.
Balance (Kühlschrank)
Kraft (Arme Beine, Rollator)
Türschwelle mit schrägen Leisten entschärfen
subjektiv wichtige Aktivität ist nur noch mit Rollator im Esszimmer möglich, nicht mehr im Wohnzimmer
☺
Wie ist die Evidenzlage zur Ergotherapie bei Sturzgefahr?
− Gillespie: SR-2012 (Cochrane): exercise programs and home safety interventions reduce rate of falls and risk of falling
− Rimland: SR-Overview-2016 (PLoS One) Exercise and multifactorial interventions (exercises, environmental modifications, staff or patient education, vision correction) reduce falls in older adults
− Tricco: Network-Meta-analysis-2017 (JAMA):
CAVE: subgroup analyses: combination of exercise andenvironmental modification increased risk of injurious fallsamong patients who had fallen previously. Exercise may increase fall risk because people become more mobile.
Bereits gestürzte Person benötigen neben körperlichem Training und Wohnraumanpassung auch häusliches Sicherheitstraining
Sturzgefährdung bei Mahlzeitzubereitung
Patient A
Küche, Kühlschrank, TürschwelleEsszimmertisch
Transport und Tischdecken
Kognitiv
Rollator-Sicherheits-training
Sensomotor.
Balance (Kühlschrank)
Kraft (Arme Beine, Rollator)
Türschwelle mit schrägen Leisten entschärfen
subjektiv wichtige Aktivität ist nur noch mit Rollator im Esszimmer möglich, nicht mehr im Wohnzimmer
☺
Wie passt Ergotherapie in die Versorgungslandschaft?
Brown: CR-2015, Medical day hospital care for older people versus …
Endpunkte
Häusliche
Therapie
Primär Ergotherapie, Physiotherapie
Andere
Reha
interdisziplinär, Mix aus amb., stat. oder häusl.
Keine
Reha
Tod oder Heimaufnahme = = =
ADL = = ↑
Ältere Menschen mit Risiko zur Unselbständigkeit (ADL↓) brauchen Therapie, um selbständig zu bleiben.
Die Versorgungsform ist nicht entscheidend.
Empfehlung zur Ergotherapie in der Versorgung
Screen-Standard bei HA und Pflegeeinstufung
Stepped Care gemäß Sturzrisiko
1. Empfehlung zu Gruppenübungen + eine Einheit Sicherheitsschulung inkl. Broschüre (oder interaktive Internetseite)
2. Collaborative Care / Ageing in Place (Gitlin)Hausarzt + Ergotherapie (+ Pflege)
3. Rehabilitation
Standardversorgung
Studienvorschlag zur gestuften Versorgung
Interventionsregionen
Screen-Standard bei HA und Pflegeeinstufung
Stepped Care gemäß Sturzrisiko
1. Empfehlung zu Gruppenübungen + eine Einheit Sicherheitsschulung inkl. Broschüre (oder interaktive Internetseite)
2. Collaborative Care / Ageing in Place (Gitlin)Hausarzt + Ergotherapie (+ Pflege)
3. Rehabilitation
Kontrolle
Machbarkeitsstudie zur Evaluation der Umsetzbarkeit,Praxistauglichkeit und Akzeptanz des Sturzpräventions-programms FIT Daheim für zu Hause lebende Menschen im höheren Lebensalter
Christian Müller 1, 2 , Sindy Lautenschläger 1, Christine Dörge 1
Sebastian Voigt-Radloff 3
1 Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes, Saarbrücken2 Berufsakademie für Gesundheits- und Sozialwesen Saarland, Saarbrücken3 Universitätsklinikum Freiburg, Zentrum für Geriatrie und Gerontologie Freiburg
Potenzialanalyse• vielversprechende Interventionen ermitteln
April 2014 - Okt2015
Konzeption und Manualisierung von FIT Daheim• LiFE- und CAPABLE-Programm unter Berück-
sichtigung des deutschen Versorgungskontextes
Machbarkeitsstudie• Prüfung von Umsetzbarkeit, Praktikabilität, Akzeptanz
Nov 2015 -April 2016
Juli 2016 -Juni 2017
Intervention FIT Daheim
Phase 1
Phase 2
Phase 3
Wie bewerten Ergotherapeuten und Patienten die Umsetzbarkeit, Praktikabilität und Akzeptanz der Intervention FIT Daheim für die Anwendung bei sturzgefährdeten zu Hause lebenden Menschen im höheren Lebensalter?
StufenweiseEntwicklung
Fragestellung
Zielsetzung
Prüfung, inwieweit FIT Daheim in den Routinealltag implementierbar ist und oberste Ergebnisse es rechtfertigen, die Intervention weiter zu entwickeln.
Studiendesign Methodik
Design: qualitativ-explorative Querschnittsstudie
Methodik:
Aufbau des Feldzugangs
Entwicklung Schulungskonzept + Interventionsschulung von 14 Ergotherapeuten
Interventionsphase 3 Monate in 7 Praxen + begleitende Prozessevaluation
(Studienteilnehmer: 14 Ergotherapeuten und 17 Patienten)
Interviews mit 14 Ergotherapeuten und 7 Patienten 1 Monat nach Ende
A: Gründe für Teilnahme an der Intervention
B: Rekrutierung der Zielgruppe
C: Umsetzbarkeit und Akzeptanz der Intervention
D: Manual und Manualtreue
E: Anwendbarkeit und Akzeptanz der Instrumente
F: Anwendbarkeit und Akzeptanz des Aktivitätenplaners
G: Nutzen und Aufwand der Intervention
H: Zufriedenheit mit der Intervention
Leitfadengestützte Interviews
zu 8 Themenbereichen
Methodik
Rekrutierung der Ergotherapeuten: zielgerichtete Fall-auswahl; Einschlusskriterien: Ausbildung/Studium Ergotherapie,Tätigkeit in einer Praxis im Saarland, absolvierte Schulung
Rekrutierung der Patienten: über Ergotherapeuten unter Beachtung der Prinzipien der Aufklärung und informierten Einwilligung
Rekrutierung
Komponenten der
Intervention
1. Alltagsorientiertes Balance- und Krafttraining und
2. Wohnraumanalyse, -beratung und -anpassung
Dauer der Intervention
9 Hausbesuche im Zeitraum von 12 Wochen
+ 1 Monat und 3 Monate nach Ende der Intervention
Transfer des Erlernten erfragt
Therapiefrequenz1. bis 6. Einheit wöchentlich
7. bis 9 Einheit zweiwöchentlicher Intervallabstand
Übungsintensitätan 7 Tagen pro Woche, je nach Konstitution 3x täglich
Verordnungergotherapeutische Heilmittelleistung durch Arzt nach
§ 125 SGB V
FIT Daheim
Stichprobenbeschreibung
Ergebnisse
Ergotherapeuten/-innen (N=14) Patienten/-innen (N=17)
Alter:Durchschnittsalter 49,2 Jahre
Alter:Durchschnittsalter 72,2 Jahre
Geschlecht: weiblich: N=10männlich: N=4
Geschlecht: weiblich: N=7männlich: N=10
A
Motive:
- zunehmend mit Stürzen konfrontiert
- Interesse, Repertoire zu erweitern & neue Impulse
- Indiv. Anpassung v. Übungen, aktive Einbindung, definierte Therapieeinheiten
Nicht-Teilnahme: - kein geeignetes Patientenkollektiv
Aufwand− akzeptabel eingeschätzt− zusätzlicher Zeitaufwand für Information, Aufklärung, Fragebogen− Rekrutierung von P außerhalb vom Patientenstamm wird abgelehnt
Zu berücksichtigende Faktoren:− Anzahl von TN zum Einschluss im Vorfeld überschätzt
Gründe für Teilnahme an der Intervention
Rekrutierung der ZielgruppeB
Ergebnisse Nachfolgend: Perspektive der Therapeuten
Therapiedauer− 3 Monate sinnvoll: P Zeit benötigen bis die Übungsprinzipien verstanden + Übungen
in Alltagsroutine übergehen
Therapiefrequenz − realisierbar + von Seiten der T akzeptiert
− wöchentl. Intervall ersten 6 Wochen sinnvoll → Ausführungsqualität überwachen + Eigeninitiative anzubahnen
Balance- und Kraftübungen− generelle Umsetzbarkeit in Alltagsroutine gegeben− Schwierigkeit, geeignete Übungsorte zu finden: Männer schwieriger als Frauen
Zu berücksichtigende Faktoren− krankheitsbedingte Unterbrechung → P meist weniger belastbar− Motivation/Bereitschaft der Übungsumsetzung von P zu P verschieden− Steigerung des Schwierigkeitsgrades nicht bei jedem P möglich
Umsetzbarkeit und Akzeptanz der InterventionC
Ergebnisse
Verständlichkeit des Manuals: gegeben
Erfahrungswerte− in der Anwendung praktikabel und akzeptiert− Manual hilfreich, wesentliche Aspekte für adäquate Durchführung nachzuschlagen− T haben FIT Daheim manualgetreu umgesetzt
− inhaltliche Auseinandersetzung → Motivation/Bereitschaft + viel Zeit
Überarbeitungshinweise− exemplarische Übungs-/Anwendungsbeispiele− Manual in Taschenformat + Manual für P erstellen− geschlechterspezifische Übungsorte
Manual und ManualtreueD
Ergebnisse
Anwendbarkeit und Akzeptanz der InstrumenteE
FIT Daheim Housing Enabler− systematische Erfassung Wohnraumbarrieren → Grundlage für Beratungsgespräch
Praxistauglichkeit− mit Erhebung hoher Zeitaufwand verbunden > 45 Min.
Optimierungshinweise− nicht einzusetzen, wenn beurteilbar ist, dass Wohnraum barrierefrei ist
− um Akzeptanz ↑ → Wohnraum-Kurzfragebogen vorschalten− Durchführung Housing Enabler auf 2 Einheiten
FIT Daheim Funktionsassessment− anwenderfreundlich in Durchführung und von T & P akzeptiert− geringer Zeitaufwand (in 15 Min. durchführbar)
Ergebnisse
Ergebnisse
F
Praktikabilität und Akzeptanz
− einfach aufgebaut, praktikabel und akzeptiert
Nutzen
− Aktivitätenplaner förderte die Eigeninitiative von P + Selbstüberprüfung− Nachvollziehbarkeit von Motivation & Lernfortschritt im Zeitverlauf
Aufwand
− akzeptabel, jedoch Zeitaufwand ↑ für inhaltliche Auseinandersetzung zu Beginn
Nutzen
− einfache Übungen + in Alltag integrierbar → großes Maß an Übungspotenzial
Anwendbarkeit und Akzeptanz des Aktivitätenplaners
Nutzen und Aufwand der Intervention G
Zufriedenheit mit der InterventionHUmsetzbarkeit und Praktikabilität positiv bewertet
Sturzereignisse
• 9 von 17 Personen sind gestürzt
• Gestürzt: Männer (N=5) und Frauen (N=4)
• keines der Sturzereignisse stand im Kausalzusammenhang mit FIT Daheim
Weitere unerwünschte Ereignisse und Studienabbrüche
• keine weiteren unerwünschte Ereignisse, wie z.B. Erschöpfungszustände, Ermüdungserscheinungen, körperliche Beschwerden
• 1x Studienabbruch nach 2 Monaten; schwerwiegende onkologische Erkrankung diagnostiziert
ErgebnisseProzessdokumentation
Praxistauglichkeit und Akzeptanz der Intervention FIT Daheim konnte aufgezeigt werden
vorliegende Ergebnisse rechtfertigen es, FIT Daheim weiter zu entwickeln !
Programmüberarbeitung notwendig !
Schlussfolgerung
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit !