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Holger Böning 1 DEM BÜRGER ZUR INFORMATION UND AUFKLÄRUNG: Die ›Staats- und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen CorrespondentenMartin Welke zum 70. Geburtstag 1 1. EINFÜHRENDE GEDANKEN Vor dreihundert Jahren – am 22. Juni 1712 – erschien in Schiffbek bei Hamburg unter dem Titel ›Aviso. Der Hollsteinische unpartheyische Correspondente Durch Europa und andere Teile der Welt‹ ein Blatt, das sich zur bedeutendsten deutschen, in Europa und Übersee beachteten Zeitung entwickeln sollte. Die Erfolgsgeschichte der ›Staats- und Gelehrten Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten‹ – so der Titel ab 1731 – vom dürftigen, im kleinen Dörfchen Schiffbek erscheinenden Blatt zur gerühmten, die Debatten der Hamburger bestimmenden und in ganz Europa gele- senen Zeitung hat eine Vorgeschichte. Will man über das kommunikative Netzwerk der Aufklärung sprechen, dann darf man nicht vergessen, dass die wesentlichen Strukturen dieses Netzwerkes eben kein Produkt der Aufklärungsepoche selbst sind, sondern Er- gebnis von Entwicklungen und Prozessen des 17. Jahrhunderts, jenes Säkulums, das in seiner Bedeutung für die Herausbildung der Moderne sehr unterschätzt wird. Die Auf- klärung entsteht nicht wie ein Blitz aus heiterem Himmel, sondern sie bereitet sich seit der Reformation und besonders in jenem Jahrhundert vor, in dem die Geburtsstunde der Zeitungen und Zeitschriften wie des gesamten modernen Mediensystems liegt. Der vielberufene »Strukturwandel der Öffentlichkeit« ist kein plötzliches Ereignis, sondern ein Prozess, der vom frühen 17. Jahrhundert bis in das aufgeklärte Säkulum hinein zu verfolgen ist. Der erste, noch für unsere heutige Mediengesellschaft bedeutsame Schritt besteht darin, dass Informationen aus der Welt des Politischen regelmäßig und allgemein zugänglich werden. Die Zeitung wird zur Mutter weiterer periodischer Gattungen, flächendeckend erscheint sie in Deutschland, dem ersten Zeitungsland der Erde, bereits in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Nirgendwo sonst erreicht sie so früh so viele Leser wie in Hamburg und Altona. Nicht nur als Zeitungsstadt wurde Hamburg zum ersten Medienzentrum des Reiches. Es waren weit mehr als 1.000 Periodika, die von der ersten kalenderartigen Schrift im 15. Jahrhundert bis zum Jahre 1815 in Hamburg und den Nachbarorten der Stadt herausgegeben wurden und die Grundlage für die Massenpresse des 19. und 20. Jahrhunderts legten. 2 2. HAMBURGER ZEITUNGSLANDSCHAFT UND CHARAKTER DER FRÜHEN ZEITUNGEN Noch war an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhunderts Autoren, Nachrichtenüber- mittlern und Druckern der Gedanke fremd, aktuelle Meldungen über wichtige Gescheh- nisse müssten mit möglichst großer Geschwindigkeit einem möglichst großem Publikum bekannt gemacht werden. Zwar existiert ein eng geflochtenes Informationsnetz, das – Holger Böning ist Professor für Neuere Deutsche Literaturgeschichte und Geschichte der deut- schen Presse sowie Sprecher des Instituts Deutsche Presseforschung der Universität Bremen. Urheberrechtlich geschütztes Material. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitungen in elektronischen Systemen. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2012

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Page 1: EM ÜRGER ZUR INFORMATION UND AUFKLÄRUNG Die ›Staats … · Holger Böning ist Professor für Neuere Deutsche Literaturgeschichte und Geschichte der deut-schen Presse sowie Sprecher

Holger Böning1

DEM BÜRGER ZUR INFORMATION UND AUFKLÄRUNG: Die ›Staats- und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen

Correspondenten‹

Martin Welke zum 70. Geburtstag1

1. EINFÜHRENDE GEDANKEN

Vor dreihundert Jahren – am 22. Juni 1712 – erschien in Schiffbek bei Hamburg unter

dem Titel ›Aviso. Der Hollsteinische unpartheyische Correspondente Durch Europa

und andere Teile der Welt‹ ein Blatt, das sich zur bedeutendsten deutschen, in Europa

und Übersee beachteten Zeitung entwickeln sollte. Die Erfolgsgeschichte der ›Staats-

und Gelehrten Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten‹ – so

der Titel ab 1731 – vom dürftigen, im kleinen Dörfchen Schiffbek erscheinenden Blatt

zur gerühmten, die Debatten der Hamburger bestimmenden und in ganz Europa gele-

senen Zeitung hat eine Vorgeschichte. Will man über das kommunikative Netzwerk der

Aufklärung sprechen, dann darf man nicht vergessen, dass die wesentlichen Strukturen

dieses Netzwerkes eben kein Produkt der Aufklärungsepoche selbst sind, sondern Er-

gebnis von Entwicklungen und Prozessen des 17. Jahrhunderts, jenes Säkulums, das in

seiner Bedeutung für die Herausbildung der Moderne sehr unterschätzt wird. Die Auf-

klärung entsteht nicht wie ein Blitz aus heiterem Himmel, sondern sie bereitet sich seit

der Reformation und besonders in jenem Jahrhundert vor, in dem die Geburtsstunde

der Zeitungen und Zeitschriften wie des gesamten modernen Mediensystems liegt. Der

vielberufene »Strukturwandel der Öffentlichkeit« ist kein plötzliches Ereignis, sondern

ein Prozess, der vom frühen 17. Jahrhundert bis in das aufgeklärte Säkulum hinein zu

verfolgen ist. Der erste, noch für unsere heutige Mediengesellschaft bedeutsame Schritt

besteht darin, dass Informationen aus der Welt des Politischen regelmäßig und

allgemein zugänglich werden. Die Zeitung wird zur Mutter weiterer periodischer

Gattungen, flächendeckend erscheint sie in Deutschland, dem ersten Zeitungsland der

Erde, bereits in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Nirgendwo sonst erreicht sie

so früh so viele Leser wie in Hamburg und Altona. Nicht nur als Zeitungsstadt wurde

Hamburg zum ersten Medienzentrum des Reiches. Es waren weit mehr als 1.000

Periodika, die von der ersten kalenderartigen Schrift im 15. Jahrhundert bis zum Jahre

1815 in Hamburg und den Nachbarorten der Stadt herausgegeben wurden und die

Grundlage für die Massenpresse des 19. und 20. Jahrhunderts legten.2

2. HAMBURGER ZEITUNGSLANDSCHAFT UND CHARAKTER DER FRÜHEN ZEITUNGEN

Noch war an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhunderts Autoren, Nachrichtenüber-

mittlern und Druckern der Gedanke fremd, aktuelle Meldungen über wichtige Gescheh-

nisse müssten mit möglichst großer Geschwindigkeit einem möglichst großem Publikum

bekannt gemacht werden. Zwar existiert ein eng geflochtenes Informationsnetz, das –

Holger Böning ist Professor für Neuere Deutsche Literaturgeschichte und Geschichte der deut-

schen Presse sowie Sprecher des Instituts Deutsche Presseforschung der Universität Bremen.

Urheberrechtlich geschütztes Material. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitungen in elektronischen Systemen. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2012

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6 Holger Böning

basierend auf einem ausgebauten Postwesen – alle wichtigen europäischen Städte ein-

bezieht,3 zwar fließen aus dem regelmäßigen brieflichen Nachrichtenaustausch von Kauf-

leuten und Gelehrten, Politikern und Diplomaten Rinnsale – und manchmal auch mehr

– in die Flugschriften, die Kalender und Messrelationen oder in die Neuen Zeitungen,

doch eine regelmäßige und aktuelle Unterrichtung aus der Welt des Politischen erreicht

allein jene in die bestehenden Korrespondenznetze einbezogenen Personenkreise aus

dem unmittelbaren Umfeld von Handel und Politik. Sie sind es auch, die handschrift-

lich vervielfältigte Zeitungen beziehen, verfertigt von haupt- oder nebenberuflichen Zei-

tungsschreibern, im wöchentlichen Rhythmus der Post an die Abonnenten versandt.4

Eine regelmäßig erscheinende handgeschriebene Zeitung ist auch in Hamburg un-

mittelbarer Vorgänger der ersten gedruckten Wochenzeitung. Ihr Herausgeber, Johann

Meyer, war gemeinsam mit seinem Schwiegervater Hans Schrenck als Hamburger

»Frachtbestätter« tätig. Er stellte fest, dass der »gütige godt« die Stadt Hamburg »mit

großer handlung und correspondentz vieler auslendischer herrn und kauffleuthen ver-

sehen und gesegnet undt unß auß allen örttern gute gewisse kundschafft zugeschicket

würden«. Diese einkommende Korrespondenz, zu der er durch seinen Beruf unmittel-

baren Zugang hatte, nutzte Meyer für ein Zusatzgewerbe: Er verbreitete sie handschrift-

lich vervielfältigt in Hamburg. Die quantitativen und wirtschaftlichen Grenzen einer

»geschriebenen Zeitung« liegen auf der Hand, so dass Meyer bald darüber nachdachte,

»dieselben advisen, so insonderheit unß anhero schrifftlich heuffig überfertigt würden,

öffentlich in Druck außgehen und zu großer nachrichtung und ersettigung vieler men-

schen begirlichkeit denselben [zu] communiciren«5 (siehe Hamburg, Titel-Nr. 15).

Daraus wurde schließlich 1618 die erste gedruckte, regelmäßig erscheinende Zeitung

für Hamburg geboren. Sie erschien zunächst – wie die handschriftlichen Zeitungen –

titellos, mit der Vergrößerung ihrer Leserschaft erhielt sie den Namen ›Wöchentliche

Zeitung auß mehrerley örther‹. Mit dem Wirtshaus zum »Weißen Schwan«, einem Zen-

trum des Hamburger Nachrichtenaustauschs, unmittelbar bei der Börse gelegen und

außerdem Sitz der Nürnberger Post, hatte Meyer ideale Voraussetzungen, dem neuen

Medium aufzuhelfen.

Ähnlich entstand im Jahre 1630 mit der ›Post Zeitung‹ die zweite Hamburger Zei-

tung. Hans Jacob Kleinhans gehörte als kaiserlicher Postmeister zu einer Personen-

gruppe, die für das frühe Zeitungswesen von großer Bedeutung war. Der leichte Zu-

gang zu den kursierenden Nachrichten und die kostenfreie Nutzung der Postverbin-

dungen erlaubten es ihm, »die alda zu Hamburg einkommende wochentliche Particu-

laria und Avisi in Truck auflegen [zu] laßen«6 (siehe Hamburg, Titel-Nr. 18).

Die Entstehungsgeschichte der Hamburger Zeitungen zeigt, dass die erste Voraus-

setzung für die Zeitungsgründung der problemlose Zugang zu den Nachrichten war.

Buchdrucker, die sich des lukrativen Zeitungsgeschäftes angenommen hätten, sucht

man in Hamburg zunächst vergeblich. Das dritte Hamburger Zeitungsunternehmen,

der ›Nordische Mercurius‹, verdankt sein Entstehen einer Person, die eigentlich der

Dichtkunst verbunden war und durch den Zwang zu regelmäßigem Broterwerb Zei-

tungsherausgeber wurde: Georg Greflinger. Er hatte wahrscheinlich schon bei der von

Johann Meyer gegründeten ersten Hamburger Zeitung Erfahrungen als Redakteur ge-

sammelt, ehe er sich in den sechziger Jahren des 17. Jahrhunderts zur Herausgabe eines

eigenen Blattes entschloß (siehe Hamburg, Titel-Nr. 26). Erst 1673 finden wir einen

Urheberrechtlich geschütztes Material. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitungen in elektronischen Systemen. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2012

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Dem Bürger zur Information und Aufklärung 7

Hamburger Drucker, der sich vom Senat die Erlaubnis zur Herausgabe einer Zeitung

erbat und auch erhielt: Thomas von Wiering. Sein ›Relations-Courier‹ gehört zu den

langlebigen Hamburger Zeitungen (siehe Hamburg, Titel-Nr. 32).

Am Ende des Dreißigjährigen Krieges, genau 1649 und damit ein Jahr, bevor in Leip-

zig die erste Tageszeitung erschien,7 verfügte Hamburg mit sechs wöchentlich heraus-

kommenden Zeitungen über eine nahezu täglich erscheinende Zeitungspresse. In den

Jahrzehnten von den sechziger bis zu den achtziger Jahren des 17. Jahrhunderts erleb-

ten Hamburg und Altona, das sich nun als Konkurrenzstandort etablierte, eine regel-

rechte Zeitungsgründungswelle. Zeitweise erschienen in den achtziger Jahren acht Zei-

tungen gleichzeitig, womit Hamburg und Altona den Raum in Deutschland bildeten,

der die höchste Zeitungs- und Informationsdichte aufwies. 1686 wurde in Hamburg gar

eine Zeitungssteuer erwogen.8 In dieser Zeit entstanden neue journalistische Konzepte,

denen die beiden frühesten Hamburger Zeitungen zum Opfer fielen.

Das Bemühen um aktuelle, seriöse und vollständige Nachrichtendarbietung ist das erste

und wichtigste Charakteristikum der Zeitungsberichterstattung in Hamburg und Alto-

na. Wer regelmäßig die Zeitung las, war bereits während der ersten Hälfte des 17. Jahr-

hunderts in allen Einzelheiten über den Fortgang der politischen und militärischen Ereig-

nisse informiert, auf die sich mit geringen Abweichungen 90 Prozent aller Meldungen be-

zogen.9 In größter Sachlichkeit und sehr präzise erfuhr der Leser das Wichtigste aus

allen europäischen Machtzentren; Falschmeldungen wurden regelmäßig sogleich korri-

giert. In der historischen Forschung galt es lange als ausgemacht, dass sich die Blätter des

17. Jahrhunderts auf langweiliges Ereignisreferat beschränken, auf bloße Reihung von

Fakten bei stereotyper Formulierung und fehlender Anteilnahme des Berichterstatters.

Häufig wurde der Blick mehr auf die angebliche Dürftigkeit der Berichterstattung ge-

lenkt als auf die revolutionäre Veränderung, die sich durch die nun regelmäßige Infor-

mation über die Zeitereignisse ergab. Tatsächlich fehlt in den ersten Zeitungsjahrzehn-

ten noch vieles, was die Lektüre angenehm macht und die Attraktivität moderner Zeitun-

gen begründet. Es gibt keine Schlagzeilen, keinen typographischen oder illustrativen

Blickfang, keine räsonierende oder an die Instinkte der Leser appellierende Berichterstat-

tung, kaum unterhaltende Elemente. Blickt man genauer hin, so wird man immerhin

mehr Nuancierung und Vielfalt finden, als zunächst vermutet. Die Qualität der Bericht-

erstattung darf nicht allein anhand von Einzelnachrichten beurteilt werden. Es war die

große Masse der nun regelmäßig gelieferten Meldungen, die zu einer neuen Qualität

der Unterrichtung führte und dem Leser mit der Zeit Quer- und Kreuzverbindungen

zwischen den europäischen Ereignissen erlaubten und sein Verständnis für die Mecha-

nismen schärfte, denen die Staats- und Kriegsgeschäfte unterworfen waren.

Die Zeit, da Redakteure die eingelaufenen Korrespondentenberichte lediglich wenig

bearbeitet abdruckten, geht in Hamburg spätestens mit dem ›Nordischen Mercurius‹ zu

Ende, im Grunde fordert bereits die Konkurrenz zwischen den ersten beiden Hambur-

ger Zeitungen eine auf die Zeitungsleser ausgerichtete Nachrichtendarbietung und In-

formationsaufbereitung. An die Stelle des Kompilierens, Kürzens, oft auch schon Erklä-

rens traten im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts echte journalistische Leistungen, Nach-

richtenzusammenfassungen und den Inhalt bezeichnende Schlagzeilen. Noch, so darf

man annehmen, erledigte der Redakteur die gesamte Redaktionsarbeit wie Sichten der

Korrespondenzen, Übersetzen, Einrichten und Zusammenfassen mehr oder weniger

Urheberrechtlich geschütztes Material. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitungen in elektronischen Systemen. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2012

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Abb. 1:

Das erste Stück der Zeitung erschien am 22. Juni 1712 unter dem Titel ›Aviso. Der Hollsteinische

unpartheyische Correspondente Durch Europa und andere Teile der Welt‹.

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Dem Bürger zur Information und Aufklärung 9

Abb. 2:

Am Ende des Jahres 1712 lieferte der Zeitungsverleger den Lesern neben dem hier abgebildeten

Bandtitel, den der Buchbinder zum Zusammenbinden eines dauerhaft aufzuhebenden Bandes mit den

über das Jahr gesammelten Zeitungsausgaben benötigte, ein Register, das die Benutzbarkeit erhöhen

sollte. Bemerkenswert für das Selbstverständnis des Zeitungsherausgebers als eines Chronisten ist, dass

auch die Ereignisse des ersten Halbjahres im Register verzeichnet sind, obwohl die Zeitung zu diesem

Zeitpunkt noch gar nicht erschien.

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10 Holger Böning

allein, was die journalistische Qualität der Hamburger Blätter in noch hellerem Licht

erscheinen lässt. Aus den Avisenhändlern der Zeitungsfrühzeit, die, wie andere

Kaufleute auch, ihre Waren nur wenig weiterbearbeitet so verkauften, wie sie sie er-

hielten, war ganz langsam ein Berufsstand mit eigenem Selbstverständnis und Ehren-

kodex geworden. Aus Kopisten, Druckern und Postmeistern entwickelten sich Jour-

nalisten, von denen der Leser mehr verlangte als die bloße Weitergabe eingelaufener

Korrespondenzen. Zwar hing die Wertschätzung einer Zeitung auch am Ende des 17.

Jahrhunderts noch in hohem Maße davon ab, dass verschiedene, eigene Urteile ermög-

lichende Berichte geliefert wurden,10 doch entwickelte sich die redaktionelle Gestaltung

zu einem Markenzeichen der besten Zeitungen. Gerade in Hamburg und Altona ist mit

Zeitungsredakteuren wie Daniel Hartnack, Georg Greflinger und Johann Frisch die

Tendenz zur Akademisierung unübersehbar, mit der auch ein kritischeres Verhältnis zu

den eingelaufenen Nachrichten entstand, das zugleich auch dem Leser vermittelt wurde.

Der erste Redakteur der ältesten Altonaer Zeitung, Johann Frisch, war immerhin

Erster Diakon an der Hauptkirche der Stadt. Daniel Hartnack, der Redakteur der

›Relation aus dem Parnasso‹, hatte ebenfalls Theologie studiert und war vor seiner Tä-

tigkeit in Hamburg Rektor der Bremer Domschule. Georg Greflinger schließlich hatte

die Rechte studiert und war Notar und kaiserlich gekrönter Dichter. Alle diese Redak-

teure waren in das Hamburger und Altonaer gesellschaftliche Leben integriert und er-

freuten sich eines sozialen Ansehens, das weit über jenes hinausging, das die in der Li-

teratur verabsolutierend beschriebenen Zeitungsmacher genossen, die angeblich ohne

große Sachkenntnis aus eingekommenen Nachrichten ein anspruchsloses Blättchen zu-

sammenstolperten. Auch die Zeitungsverleger, soweit nicht identisch mit den Redakteu-

ren, waren geachtete und angesehene Bürger Hamburgs und Altonas. Der Postmeister,

Verleger der ›Post Zeitung‹, gehörte nach den Hamburger Steuerlisten ausdrücklich zur

wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Oberschicht, ein Frachtmakler, Herausgeber

der ›Wochentlichen Zeitung‹, zur oberen Mittelschicht.11 Der Zeitungsverlag war zu

einem ausgesprochen lukrativen Geschäft geworden, nicht nur in Hamburg.

Wer nun waren in einer Stadt wie Hamburg die Zeitungsleser? Bisher ist in der pres-

sehistorischen Forschungsliteratur betont worden, dass die Berichterstatter der frühen

Zeitungen offenbar ein Lesepublikum vor Augen hatten, das dem Bereich des Politi-

schen traditionell recht nahestand. Erst ganz langsam sei den Zeitungsherausgebern

der öffentliche Charakter ihrer Berichterstattung deutlicher und gleichzeitig das Lese-

publikum immer anonymer geworden.12 Für die Hamburger Zeitungspresse trifft die

Beobachtung, die frühen Zeitungen seien schon von ihrer Sprache und von ihrem Stil

her vorwiegend für ein kleines Publikum eingeweihter Fachleute bestimmt gewesen,

bestenfalls für das erste Zeitungsjahrzehnt zu. Mit der Gründung einer zweiten Ham-

burger Zeitung und der nun bestehenden Konkurrenzsituation veränderte sich das Bild.

Jetzt kann man tatsächlich schon von einer allgemeinverständlichen Berichterstattung

sprechen, die über ein allgemeines Interesse an den politischen Ereignissen hinaus kei-

nerlei besondere Vorkenntnisse erforderte. Es besticht ein hohes Maß an Deutlichkeit

und Anschaulichkeit, um das die Meldungen bereits während der dreißiger Jahre des

17. Jahrhunderts bemüht waren. Die Berichte unterscheiden sich nun in ihrer Diktion

auch längst nicht mehr so stark voneinander, wie sie dies in der Anfangszeit je nach Kor-

respondent taten. Ganz offenkundig war der Zeitungsredakteur bereits recht stark um

Urheberrechtlich geschütztes Material. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitungen in elektronischen Systemen. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2012

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Dem Bürger zur Information und Aufklärung 11

eine sprachliche Vereinheitlichung bemüht, die eng mit dem Bemühen um Allgemein-

verständlichkeit zusammenhängt. Diese Beobachtungen gelten für beide Hamburger

Zeitungen, sehr viel stärker jedoch für die von Hans Jacob Kleinhans herausgegebene

›Post Zeitung‹. Man darf daraus schließen, dass sich der Kreis der Zeitungsleser schnell

über das ursprüngliche Publikum der handschriftlichen Zeitungen hinaus erweiterte.

Am Ende des 17. Jahrhunderts ist bereits mit Lesern aus allen Bevölkerungsschich-

ten zu rechnen, doch dürfte der Großteil des Zeitungspublikums noch aus dem Um-

kreis der traditionell mit der Politik befaßten Personen und der höheren Stände gekom-

men sein. In jedem Fall haben wir es im 17. Jahrhundert mit einer stark anwachsenden

Schicht von Lesern zu tun, deren Interesse an regelmäßigen Informationen über das

Weltgeschehen so weit ging, dass sie bereit waren, für ein jährliches Abonnement einer

zweimal wöchentlich erscheinenden Zeitung den Betrag von 2 Reichstalern aufzubringen.

Von welcher Reichweite der Zeitungen darf man nun in einer Stadt wie Hamburg

ausgehen, deren Einwohnerzahl im 17. Jahrhundert von etwa 40.000 auf 75.000 wuchs

und die sich neben Amsterdam und London zum wichtigsten europäischen Wirtschafts-

zentrum entwickelt hatte?13

Vorsichtige Schätzungen lassen für die erste Hamburger Zeitung um die Mitte des

17. Jahrhunderts eine Auflage von 1.000 Exemplaren wahrscheinlich sein. Nimmt man

für die zweite Hamburger Zeitung, die ›Post Zeitung‹, eine ähnliche Auflage an, dann

würden zu dieser Zeit unter Vernachlässigung der nach auswärts gelieferten Exemplare

auf 50.–75.000 Einwohner 2.000 Zeitungsblätter gekommen sein. Legt man heutige

Ergebnisse der Marktforschung zugrunde, dann kommen auf ein Zeitungsblatt 2,5 Le-

ser, so dass höchstens jeder zehnte Hamburger Zeitungsleser gewesen wäre. Ganz si-

cher wird man bei sehr viel höheren Preisen für diesen Lesestoff das Verhältnis von

Zeitungsabonnenten bzw. -käufern und Lesern für das 17. Jahrhundert sehr viel höher

veranschlagen müssen, ohne dass Zahlen wie zehn oder zwanzig Leser je Zeitungsblatt

im Detail beweisbar wären, aber, wie Martin Welke gezeigt hat, sehr wahrscheinlich

gemacht werden können. Bereits bei handgeschriebenen Zeitungen sind Exemplare mit

Zirkularvermerken aufgefunden worden, die auf das für das 17. und 18. Jahrhundert

wichtige gemeinschaftliche Lesen von Zeitungen hinweisen, keine andere Form der

Gruppenlektüre war so verbreitet wie das gemeinsame Lesen von Zeitungen, ebenso

wichtig dürfte die Zeitungsrezeption in Kaffeehäusern, Wirtshäusern, Gasthöfen und

Schenken gewesen sein, durch die selbst Leseungeübte und gar Analphabeten mit den

Zeitungsnachrichten in Berührung kamen.14 Zweierlei lässt sich so bereits um die Mitte

des 17. Jahrhunderts konstatieren. Erstens gehörten die Zeitungen zu den auflagenstärk-

sten weltlichen Lesestoffen, und zweitens hatten die Gazetten bereits eine beträchtliche

Reichweite. Geht man davon aus, dass die Oberschicht in Hamburg mit etwa 5 % so-

wie die obere Mittelschicht mit etwa 10–15 % der Bevölkerung zu veranschlagen sind,

dann wäre von höchstens 12.500–15.000 Personen auszugehen, die für das politische,

wirtschaftliche, kulturelle und kirchliche Leben besonders maßgebend waren.15 Sieht

man von den Frauen, die nach zeitgenössischem Verständnis als Zeitungsleser höchstens

selten in Frage kamen, und den Kindern ab, dann hat man eine Zahl von männlichen

erwachsenen Personen, die ziemlich genau den 5.000 Zeitungslesern entsprach, die bei

vorsichtiger Schätzung Mitte des 17. Jahrhunderts angenommen werden können.

Urheberrechtlich geschütztes Material. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitungen in elektronischen Systemen. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2012

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Für die Ausweitung des Zeitungspublikums, die in den folgenden Jahrzehnten bei in

den 1680er Jahren acht gleichzeitig in Hamburg und Altona erscheinenden Zeitungen

mit Sicherheit stattgefunden hat, waren die Verleger darauf angewiesen, in den bereits

erreichten Leserkreisen die Abonnementsdichte zu erhöhen und neue Leser vor allem

des unteren Mittelstandes zu gewinnen.16 Zu dieser unteren Mittelschicht, die auf etwa

ein Drittel der Hamburger Bevölkerung geschätzt werden kann, kamen die Unter-

schichten, die etwa die Hälfte der Hamburger Bevölkerung ausmachten. Um sie bemüh-

ten sich die Zeitungsverleger vereinzelt bereits in der ersten, verstärkt dann in der zwei-

ten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Dass es in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts vor

allem um die Ansprache des Mittelstandes ging, zeigen auch die Bemühungen etwa des

›Nordischen Mercurius‹ um Sach- und Worterläuterungen sowie eine nach didaktischen

Gesichtspunkten gestaltete Nachrichtendarbietung. Auch verstärkt auftretende unterhal-

tende Elemente in den Zeitungen sprechen dafür. Noch in einem ›Curieusem Avisen-

oder Zeitungs-Schlüssel‹ heißt es 1722: »Unsere einzige Bemühung gehet dahin aus, wie

wir auch den begierigen und ungelehrten Mittel-Mann bey dem Appetit die Zeitungen

zu lesen erhalten, und wo er keinen hat; ihm einen darzu machen wollen.«17

Am Ende des 17. Jahrhunderts kann man in Hamburg und Altona von 4.000 gedruckten

Zeitungsexemplaren ausgehen, was einer Verdoppelung seit der Jahrhundertmitte ent-

spräche. Bei 2,5 Zeitungslesern je Blatt dürfte man – wiederum bei Vernachlässigung

der nach auswärts gelieferten Blätter – nun annehmen, dass jeder fünfte bis sechste

Hamburger als regelmäßiger Zeitungsleser in Frage kam. Bei allen Unsicherheiten, die

bei solchen Schätzungen zu veranschlagen sind, muss man doch von einer ungewöhn-

lichen Erfolgsgeschichte sprechen, auf die das neue Medium um die Jahrhundertwende

zurückschauen konnte. Die Zeitung, so eines der wichtigsten Charakteristika der Pres-

segeschichte des 17. Jahrhunderts, bahnt maßgebend den Weg zu jeder anderen welt-

lichen Lektüre. Sie schafft außerhalb der Gelehrten ein Lesepublikum für nichtreligiöse

Literatur in der Muttersprache und ist hauptverantwortlich für die Entstehung weiterer

Gattungen der periodischen und nichtperiodischen Literatur, die auf der Zeitungsbericht-

erstattung aufbauen, sie vertiefen und erste Foren der Debatte über das Politische bie-

ten. Sie markiert den Anfang einer regelrechten Eroberung der Welt, der Welt des Poli-

tischen zunächst.

Die Zeitungen können als wichtigstes derjenigen Medien des 17. Jahrhunderts gel-

ten, die die Epoche der Aufklärung vorbereiten. Sie tun dies in erster Linie dadurch,

dass sie Informationen zu Gesellschafts- und Lebensbereichen liefern, mit denen die

Mehrzahl der Menschen zuvor nicht vertraut war. Im Verhältnis zur Politik, darauf hat

Johannes Weber aufmerksam gemacht, ist das neue Medium für einen Mentalitätswan-

del verantwortlich, der eine fundamentale Voraussetzung für Aufklärung und politische

Moderne ist.18 Wenig spektakulär geschieht dies, die große Masse der gelieferten Meldun-

gen führt zu einer neuen Qualität der Unterrichtung. Sie erlaubt dem Leser mit der

Zeit, die Zusammenhänge zwischen den europäischen Ereignissen zu erkennen und

schärft sein Verständnis für die Mechanismen, denen die Staats- und Kriegsgeschäfte

unterworfen sind. Die Politik hat begonnen, aus dem Arkanbereich zu treten; für den

Zeitungsleser wird sie zu einem Gegenstand alltäglicher Betrachtung. Die Zeitung ver-

mittelt Sachinformationen, die zu Weltkenntnis und Welterkenntnis beitragen, und

macht mit gesellschaftlichen Strukturen und Entscheidungskriterien der politisch Mächti-

Urheberrechtlich geschütztes Material. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitungen in elektronischen Systemen. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2012

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Dem Bürger zur Information und Aufklärung 13

gen vertraut. Erstmals in der Geschichte wird ein größerer Kreis von Privatleuten mit

den Prinzipien bekannt gemacht, nach denen Staat, Politik, internationale Beziehungen

und Militär strukturiert sind und gelenkt werden. Indem der Leser mit den Unterschie-

den vertraut wird, die zwischen verschiedenen Ländern bestehen, wird die Unabänder-

lichkeit gesellschaftlicher Strukturen in Frage gestellt, auch erschließt sich ihm die Welt

als geographischer Raum. Noch sind die Zeitungen keine Medien eines kritischen Rä-

sonnements durch ein Publikum von Privatleuten, doch liefern sie jene Informationen,

die dafür Voraussetzung sind. »Ein Zeitungs-leser«, so heißt es kaum ein Jahrhundert

nach Entstehung des neuen Medium, »hat oft Gedanken / die ihme kein Keyser wehren

kan / wenn er ihn gleich todt schlüge«.19 Über den Zeitraum fast eines Jahrhunderts

entstehen die Grundlagen für eine Urteilsfähigkeit, ohne die Aufklärung nicht denkbar

ist. Nicht nur in den Berichten über die aktuellen konfessionellen Konflikte, die zur

Identitätsbildung der Leser beitragen, wird deutlich, dass die Zeitungen Ausdruck zu-

nehmender Weltbezogenheit sind.

Im ersten Jahrhundert der Zeitungsgeschichte ist der Anfang eines Prozesses zu be-

obachten, durch den der irrationale Umgang mit gesellschaftlichen Ereignissen und Ent-

wicklungen zurückgedrängt und stattdessen auf die rationalen Grundlagen menschli-

cher Entscheidungsfindungen im politischen Geschäft hingewiesen wird. Auch der Krieg

verliert in der Berichterstattung seinen Charakter als unbeeinflussbares Naturereignis

und erscheint mehr und mehr als in menschlicher Verantwortung stehendes Ereignis.

Die regelmäßige Information über das Weltgeschehen wird als erster Schritt zum

Verständnis gesellschaftlicher Prozesse verstanden, wie zahlreiche Überlegungen zeit-

genössischer Gelehrter verraten, die sich mit der zunehmenden Zeitungslektüre ausein-

andersetzen. 1688 vertritt Daniel Hartnack die Auffassung, die Novellen seien eine

»Eröffnung des Buchs der gantzen Welt / in welches ein jeder nunmehr sehen / und

sonder wenig Kosten darinnen lesen kan«.20 Johann Peter Ludewig betont, »daß uns

nun die meiste Länder / kundiger / als unsern Vorfahren gewesen / dem aufkommen

der Zeitungen zu zu schreiben seyn dürffe«.21 Mehr und mehr verbreitet sich die Auf-

fassung, dass die Zeitung für alle Stände als unverzichtbares Mittel der Informationser-

langung und der Selbstbildung anzusehen sei. Zeitungen, so Kaspar Stieler, seien »Weg-

weiserinnen« zu »allerley Künsten und Wissenschaften«, denn »es führen die Avisen

junge Leute gleichsam bey der hand in das Reichs und Völker-Recht: Sie eröffnen ho-

her Potentaten Rahtstuben: weisen spielend und mit Lust allerhand Statsstriche an: ma-

chen die Welt mit ihrer Sitten-Höflichkeit / ihrem Stellen und Vorstellen bekant / und

lehren oft / üm einen Groschen / in einer viertel Stunde jungen Leuten mehr / als sie

von dem besten Doctor in einem Monat und länger lernen können.«22 Aus ihnen sei

»das ganze Reichs-Recht« zu lernen.23 Johann Peter Ludewig sieht den Nutzen der Zei-

tungen darin, dass die Leser »aus Kundschafft der gegenwärtigen Dinge ein Urtheil auff

die künfftige fassen; das ist / vernünfftig raisonniren lernen mögen«.24

Auch wenn dies von den Zeitungsherausgebern gar nicht beabsichtigt war, stieß die

Zeitungsberichterstattung erstmals ein Fenster auf, durch das ein breiteres Publikum

nun einen Blick auf das Politische tun konnte. Wichtige militärische und politische Nach-

richten, so zeigen Berichte, verbreiteten sich über die Zeitungen in der gesamten Bevöl-

kerung und wurden in allen öffentlichen Institutionen wie Kirche, Markt und Kaffee-

häusern diskutiert.25 Nicht jeder liest die Zeitung selbst, aber nahezu jeder ist mit den

Urheberrechtlich geschütztes Material. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitungen in elektronischen Systemen. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2012

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14 Holger Böning

wichtigen darin enthaltenen Nachrichten vertraut, sei es über die öffentliche Debatte,

über die öffentlichen Verkünder neuer Nachrichten oder andere mündliche Verbreitung.

Schon am Ende des 17. Jahrhunderts sind die Zeitungsbuden in Hamburg zu einem

Ort geworden, wo man die Zeitungsnachrichten nicht nur diskutiert, sondern wo man

die neuerschienenen Blätter zum halben Preis auch lediglich lesen kann.26 In ganz sicher

überzeichnender, tendenziell aber wohl richtig beobachteter Weise wird bereits 1637

behauptet, der »gemeine Mann« habe durch die Zeitungen gelernt, die Potentaten zu

kritisieren.27

Noch sind die Zeitungen keine Bühne kritischer Debatten. Aber im letzten Drittel

des 17. Jahrhunderts stoßen sie zu Entstehung und Nutzung weiterer Medien an. Regel-

mäßig werden in den Zeitungen zur eingehenderen Information und Diskussion Flug-

schriften, Broschüren, politische Traktate und Polemiken angeboten. Sie zählen nach

Tausenden und gehören zu den neben den Zeitungen in ihrer Bedeutung am meisten

unterschätzten Medien politischer Information und Kommunikation im 17. Jahrhun-

dert.28 Weiter entstehen Zeitschriften, in denen die Zeitungsinformationen vertieft, er-

läutert und diskutiert werden.29 Früh auch – bereits seit den 1680er-Jahren – wird die

Frage angestoßen, wie der Mensch in der Gesellschaft nach Maßstäben der Vernunft

und der Moral existieren könne.30 Nicht zufällig erscheint in der Hansestadt die erste

deutsche Moralische Wochenschrift.31 Bekannt ist die vom ›Patrioten‹ ausgelöste Debatte,

die Haltungen und Orientierungen einer ganzen Generation von Gebildeten und Bür-

gern in ganz Deutschland mitbestimmte. Die Zeitschrift erzielte eine Auflage von fünf-

einhalbtausend Exemplaren und erschien in mehreren Neuauflagen.32 Zugleich ist sie

ein frühes Beispiel für die engste Verbindung neuer aufklärerisch engagierter Gesell-

schaften und der Zeitschriftenliteratur.33 Alle Voraussetzungen waren so für die weitere

Entwicklung des Zeitungswesens im aufgeklärten Säkulum geschaffen, in dem in der

Hansestadt mit der ›Staats- und Gelehrten Zeitung des Hamburgischen unpartheyi-

schen Correspondenten‹ eine der bedeutendsten europäischen Zeitungen entstand.

3. ZEITUNGEN IM AUFGEKLÄRTEN SÄKULUM UND DER ›CORRESPONDET‹

In den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts weist das Erscheinen von mehreren

Zeitungslexika und ›Avisen-Schlüsseln‹ darauf, dass nun auch mit Zeitungslesern ge-

rechnet wurde, denen das durch Schul- und Universitätsbildung vermittelte Wissen

ebenso wie die nötigen Informationsmittel fehlten, welche die Zeitungsherausgeber

während der Frühzeit des Zeitungswesens bei ihren Lesern als selbstverständlich voraus-

setzen konnten. Die Orientierung in der Gegenwart wird zu einem Bildungsziel, vor

dem selbst die Alte Geschichte zurückstehen muss. Bereits Samuel Pufendorf, so argu-

mentiert der Herausgeber eines periodisch erscheinenden ›Avisen- oder Zeitungs-Schlüs-

sels‹, habe gewusst, »was vor ein Vorschub es giebet, wenn man die neue Historie, so

wol von seinem Vaterlande als den benachbarten Staaten weiß«, und wie wichtig die

Vertrautheit mit dem Zeitgeschehen für jeden sei, der »mit Staats-Sachen zu handthieren«

habe.34 Neu ist zu Beginn des 18. Jahrhunderts die folgende Feststellung: »Auch ein

gemeiner Teutscher, der keinen Staats-Mann im Sinne hat, sondern nur aus Neugierig-

keit die neue Historie aus denen Zeitungen gern wissen möchte, hat daher die neue Hi-

storie mehr von nöhten, als die alte.« Deshalb müsse man »die Historie von unserer

Zeit, drinnen wir jetzo leben, zu lernen den Anfang machen«, um sodann zurückzuge-

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Dem Bürger zur Information und Aufklärung 15

hen, jedoch »also, daß man die Fortsetzung der neuesten Historie, als den allerhaupt-

sächlichsten Ziel-Zweck, niemals aus den Augen und aus der Acht lasse«.35 Fast stereotyp

weisen zahlreiche Autoren darauf hin, dass die »Erkändniß der anjetzo in Europa floriren-

den Reiche und Republiqven [...] eine der allernöhtigsten und angenehmsten Wissen-

schaften / nicht nur in Ansehung solcher Personen / welche in Staats-Affairen der-

mahleins sich wollen employren lassen / sondern auch in Betrachtung derjenigen /

welche eben keine Politicos künfftig abzugeben gedencken«.36

Der Aufgabe, entsprechende Informationen und Erkenntnisse zu vermitteln, stellten

sich im Norden Deutschlands vor allem vier Zeitungen, die im 18. Jahrhundert die Zei-

tungslandschaft Hamburgs und Altonas prägten.37

Mit dem ›Relations-Courier‹ des Ham-

burger Verlegers Wiering (Hamburg, Titel-Nr. 32), der ›Staats- und gelehrten Zeitung des

Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten‹ (Hamburg, Titel-Nr. 90), dem ›Alto-

naischen Mercurius‹ (Altona, Titel-Nr. 8) und dem ebenfalls in Altona erscheinenden

›Reichs-Post-Reuter‹ (Altona, Titel-Nr. 9) waren dies Blätter, die mit Erscheinungszeit-

räumen von 1674 bis 1813, 1712 bis 1934, 1688 bis 1874 und 1696 bis 1789 ihre Lebens-

dauer eher nach Jahrhunderten als nach Jahrzehnten zählten. An sie hatte sich ein neues

weltliches Lesepublikum gewöhnt, das im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts sozial bis

in die untere Mittelschicht reichte. Die Zeitungslektüre war zu einem selbstverständli-

chen Bestandteil des Alltagslebens geworden. Neben den vier Hauptblättern erfreuten

sich die 1687 entstandene und 1740 eingestellte ›Relation aus dem Parnasso‹ (Hamburg,

Titel-Nr. 55) und in der zweiten Jahrhunderthälfte die ab 1767 bis 1846 erscheinende

›Hamburgische Neue Zeitung‹ (Hamburg, Titel-Nr. 366) größerer Beliebtheit. Das ganze

18. Jahrhundert hindurch reißen Versuche nicht ab, neben diesen sechs Blättern zusätzli-

che Zeitungen zu etablieren. Aufklärerisches Sendungsbewusstsein beflügelt Herausgeber

zu Neugründungen, doch reizt so manchen Drucker auch das gute Geschäft, auf das die

Verleger der beliebtesten Zeitungen bauen können. Einige dieser Blätter bereichern die

Zeitungslandschaft im Norden Deutschlands mit wichtigen Innovationen. Der ›Wands-

beker Mercur‹ (Altona, Titel-Nr. 235) beginnt ebenso wie die ›Privilegirte Holsteinische

Zeitung‹ (Altona, Titel-Nr. 230) in Schiffbek 1745 das Erscheinen und bemüht sich um

ein neues Lesepublikum bei den unteren sozialen Schichten.38

Der ›Wandsbecker Bothe‹

(Altona, Titel-Nr. 241) hat seine Berühmtheit Matthias Claudius und Literaturhistorikern

zu verdanken, die weniger die Leistungen des Herausgebers als Zeitungsmann denn als

Dichter würdigten. Das Ende der Aufklärung als dominierender geistiger und kultureller

Orientierung markiert dann ›Der Deutsche Beobachter oder die Hanseatische Zeitung

von Staats- und Gelehrten Sachen‹ (Hamburg, Titel-Nr. 979). Französische Besetzung

und »Befreiungskrieg« bringen einen neuen Ton auch in die Zeitungspresse.

Die erfolgreichste und wichtigste unter den Hamburger Zeitungen war sicher der Ham-

burgische ›Correspondent‹. Mit seiner Entstehung im Jahre 1712 liegt er am Ende jener

Gründungswelle, die dem Hamburger Raum an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhun-

dert mit sechs gleichzeitig erscheinenden Zeitungen die größte Zeitungsdichte in Deutsch-

land bescherte.

Der Buchdrucker und Verleger des ›Correspondenten‹, Hermann Heinrich Holle,

kam 1707 aus seiner Geburtsstadt Nienburg nach Hamburg, wo er bis 1710 als Drucker

und Verleger wirkte.39

Seinen kurzzeitigen Aufenthaltsort Wandsbek musste er verlassen,

Urheberrechtlich geschütztes Material. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitungen in elektronischen Systemen. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2012

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16 Holger Böning

weil er eine Bibel mit Erläuterungen und verschiedenen Fassungen gedruckt hatte.

Diese ›Biblia Pentapla‹ galt als ketzerisches Werk.40

Holle verlegte seinen Sitz nach

Schiffbek, wo er sich entschloß, eine Zeitung herauszugeben. Am 28. Mai 1712 erhielt

er durch ein Schreiben der Gottorper Regierung an den Amtmann die zustimmende

Aufforderung, dass er »von der überschickten Art des ‚Hollsteinischen unpartheyischen

Correspondenten’ wöchentlich zwei Stück drucken und publique machen möge, doch

also, daß er nichts darinnen zum präjuditz Unseres fürstlichen Hauses stehen lasse«.41

Das erste Stück der Zeitung unter dem Titel ›Aviso. Der Hollsteinische unpartheyische

Correspondente Durch Europa und andere Teile der Welt‹ erschien am 22. Juni 1712

(siehe Altona, Titel-Nr. 221 und Hamburg, Titel-Nr. 90). Am 2. Januar 1731 wurde das

Blatt unter dem Titel ›Sta[a]ts- u. Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen

Correspondenten‹ mit der Übersiedlung von Verlag und Redaktion in die Hansestadt

eine Hamburger Zeitung.42

Der Geschäftsort befand sich nun »neben der Börse aufm

Eck von der Bohnenstraße, allwo das Schild der Buchdruckerey aushänget«.43

Mit der

Übersiedlung nach Hamburg war die aus Gesundheitsgründen erfolgende Übergabe

des Unternehmens von Hermann Heinrich Holle auf dessen Schwiegersohn Georg

Christian Grund verbunden.44

Grund, der 1695 in Hamburg geboren wurde und dort

1758 starb, entwickelte seinen Betrieb zum erfolgreichsten Hamburger Verlag für Pe-

riodika. Fortgeführt wurde er von seiner Witwe Wendelina Sophia geb. Holle.

Der Übergabevertrag verrät, dass die Zeitung eine Auflage von etwa 1.650 Exempla-

ren hatte und den Produktionskosten von 2.352 Mark 6.552 Mark an Einnahmen gegen-

überstanden, die Zeitungsherausgabe also ein überaus einträgliches Geschäft darstell-

te.45

Unter den Produktionskosten schlugen Satz und Druck mit je etwa 260 Mark

jährlich zu Buche, das Papier kostete etwa 560 Mark. Tinte, Heizung, Licht und ähn-

liches sind mit 104 Mark in Anschlag gebracht, das Austragen der Zeitung und Boten-

dienste mit 100 Mark, das Druckprivileg mit 300 Mark, die Zensur mit 75 Mark. Die

Redaktion des politischen Teils und des gelehrten Artikels verursachte Kosten von 400

Mark, die Korrespondenzen 312 Mark und etwa 50 Freiabonnements, mithin also etwa

ein Drittel der Gesamtkosten. Ein Zeitungsabonnement war fast das ganze Jahrhundert

mit 6 Mark für das Jahr zu veranschlagen.

Die Gründung des ›Correspondenten‹ gibt ein Beispiel für eine Besonderheit des

deutschsprachigen Raumes, die für die Presseentwicklung bereits des 17., verstärkt für

die des 18. Jahrhunderts prägend war: Regionale Besonderheiten und territoriale Auf-

splitterungen, die deutsche Kleinstaatlichkeit und die daraus erwachsenden Gegensätze

und Konflikte beförderten die Entstehung von Zeitungen und Zeitschriften. Wie Altona

politisch und wirtschaftlich von dänischer Seite als Gegenpol zum mächtigen Hamburg

begriffen wurde, so ist die Rolle des ›Correspondenten‹ nicht ohne die Gegensätze zwi-

schen Holstein-Gottorp, zu dem das kleine Dorf Schiffbek im herzoglich-gottorpischen

Amt Reinbek vor den östlichen Toren Hamburgs gehörte, und dem königlichen Däne-

mark zu begreifen. Dem Drucker Holle kam vermutlich zugute, dass das ganze Herzog-

tum Schleswig infolge des Nordischen Krieges von Dänemark besetzt und für das

Gottorpische Haus so gut wie verloren war. In dieser Situation war die herzogliche Re-

gierung offenbar bereit, für Holstein – zusätzlich zur akademischen Druckerei in Kiel–

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Dem Bürger zur Information und Aufklärung 17

eine Druckerei und später eine Zeitung zu genehmigen, die eine Gegenstimme zu den

im königlich-holsteinischen Altona erscheinenden Blättern bilden konnte.

Die Erlaubnis zur Herausgabe der Zeitung war verbunden mit der Befreiung von der

zeitraubenden Vorzensur. Dies war ein entscheidender Vorteil, der den Erfolg der von

Holle gegründeten Zeitung ebenso möglich machte wie die Freiheit von der hamburgi-

schen Zensur und der ihren Ruf als aktuell berichtendes Blatt begründete. Die Zeitung

erzielte während ihrer Schiffbeker Zeit bereits eine Auflage von 2.000 Exemplaren, in

der Holleschen Druckerei waren zeitweise 28 Gesellen beschäftigt. Natürlich verdankte

die Zeitung ihren Erfolg nicht vorrangig den Gegensätzen, aus denen sie entstand, son-

dern der Ausrichtung auf den Hamburger Zeitungsmarkt und das dortige Publikum

sowie ihrer Qualität. Schon 1722 erschien der ›Correspondent‹ dann viermal wöchent-

lich am Dienstag und Freitag mit Hauptausgaben sowie am Mittwoch und Sonnabend

mit einer ›Extra-ordinairen Zeitung‹. 1723 entfällt die Kennzeichnung als Haupt- und

Nebenausgaben. Kennzeichen des 18. Jahrhunderts ist eine enorm wachsende Informati-

onsdichte. Zieht man zum Vergleich die Menge des redaktionellen Stoffes in einer Zei-

tung von 1674 heran, dann hatte sich der im ›Correspondenten‹ gelieferte Stoff 1736

verdoppelt, 1796 gar verfünffacht.46

Bereits im ersten Stück der Zeitung findet sich ein Programm, das die Vertrautheit

des Herausgebers mit dem Zeitungsgeschäft verrät. Über die üblichen Floskeln hinaus,

»die curieusen Gemüther Cimbriens und umliegender Oerter« unterhalten zu wollen,

verspricht das Blatt, sich »nur allein um die glaubhafftesten und bewehrtesten Nova

oder Zeitungen« zu bemühen, die »man gleichsam concentrirt allhie beyeinander« dar-

bieten werde. Statt eines ungeordneten Zusammenstellens von eingehenden Nachrich-

ten werden Konzentration und Zusammenfassung angekündigt, um so den Leser »aus

der verdrießlichen Verwirrung in mehrere Gewißheit« zu setzen. Vom Selbstverständ-

nis des Zeitungsredakteurs in der Frühzeit der Zeitungspresse, die durch die Post ein-

kommenden Meldungen seien ungefiltert und ungewichtet an den Leser weiterzugeben,

ist wenig übriggeblieben. Nun wird es mehr und mehr seine Aufgabe, dem Leser in zu-

sammenstellender Auswahl alles das zu bieten, was zur vollständigen Information und

Urteilsbildung nötig ist.

Wesentliche Voraussetzung dafür ist auch, dem Leser Informationen nicht vorzuent-

halten und Berichte zu vermeiden, die interessengeleitete und einseitige Darstellungen

des Geschehens bieten. Es sei, so heißt es ausdrücklich, »eine unpartheyische Relation

die uns vergnüget«. Und so versichert der Herausgeber seinen Lesern, »daß man nichts

von allem zurück halten wird / es sey en vaveur dieser oder jener hohen Parthey / wo-

von wir nur durch unsere Correspondenten Gewißheit haben mögen; und sol dieses

verhoffentlich jede privat Persohn so Interesse am allgemeinen nimmt / belieben /

weil zugleich versichert wird / daß niemahlen aus interessirter Passion die Wahrheit sol

verkehret noch verkleinert werden«.47

Nichts geändert hat sich jedoch an dem traditionellen Verständnis, wonach die Zei-

tung neben der Aufgabe der aktuellen Information auch als Chronik und Nachschlage-

werk zu dienen habe. Jährlich werden mit dem Bandtitel ausführliche Register ausgege-

ben. Besonders deutlich wird dieses Selbstverständnis beim ersten Jahrgang, zu dem

man ein Register liefert, das auch die Ereignisse des ersten Halbjahres 1712 umfaßt,

eines Zeitraumes also, während dessen die Zeitung noch nicht erschienen war.

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18 Holger Böning

Abb. 3:

Am 2. Januar 1731 wurde das Blatt unter dem Titel ›Sta[a]ts- u. Gelehrte Zeitung des Ham-

burgischen unpartheyischen Correspondenten‹ mit der Übersiedlung von Verlag und Redaktion in die

Hansestadt eine Hamburger Zeitung. Hier die Ausgabe vom 31. Dezember 1741.

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Abb. 4:

Die Popularität und der ökonomische Erfolg der Zeitung führte mehrfach zu Nachahmungen. Hier

die Ausgabe vom 9. Dezember 1738 der ›Staats- u. Gelehrte Zeitung Des Königlichen Dänischen

unpartheyischen Correspondenten‹.

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20 Holger Böning

Bei allen mit dem ›Correspondenten‹ verbundenen Innovationen galt für Holle und

den ihn bei der Redaktionsarbeit unterstützenden hannoverschen Sekretär Neuhaus als

Grundsatz der Berichterstattung über die politischen und Weltereignisse noch ganz ein

Motto, das die Zeitungen während der ersten eineinhalb Jahrhunderte der Zeitungsent-

wicklung insgesamt prägte: »Es ist nicht die Sache des Zeitungsschreibers, dem Leser

die Schlüsse vorzumachen, welche dieser leicht von selbst und gemeiniglich besser

macht.«48 Der Zeitungsredakteur begreift sich nicht als kommentierender Begleiter des

Geschehens, sondern er will getreuer Chronist sein. Die Zeitung hat die Informationen

zu liefern und unterschiedliche Auffassungen zu dokumentieren, damit, wie es mehr-

fach im ›Correspondenten‹ heißt, »ein jeder sich sein eigenes Urtheil bilden könne«. Ur-

teil und Räsonnement im politischen Teil der Zeitung wurden als unzulässige Bevormun-

dung des Lesers empfunden. Dass die chronikalische Berichterstattung im ›Correspon-

denten‹ wie in anderen deutschen Zeitungen so lange vorherrschend blieb, ist diesem Be-

rufsverständnis der Zeitungsmacher, der Zensur, auch und vor allem aber den entspre-

chenden Erwartungen der Leser geschuldet. Diesem Prinzip, das Zeitungsschreiben als

Teil einer dokumentierenden Historiographie zu begreifen, verdankten die Zeitungen ihr

Ansehen; immer häufiger durchbrochen wurde es erst im Verlaufe des 18. Jahrhunderts. Was am ›Correspondenten‹ als neu empfunden wurde, war die ordnende Darbietung

des Weltgeschehens. Am Anfang eines jeden Blattes steht die Berichterstattung über

die aktuellen militärischen und politischen Ereignisse aus verschiedenen Orten, wobei

auf geographisch-thematische Ordnung Wert gelegt wurde. Daneben findet sich die Ru-

brik »Von allerhand Staats- und Neben-Affairen«, in der kleinere Nachrichten aus aller

Welt versammelt sind, die die Hauptereignisse nicht tangieren. Wie ernst Herausgeber

und Redakteur ihre Aufgabe hinsichtlich der politischen Information nahmen, zeigen

die zahllosen Anhänge und Beilagen, die – oft kostenlos – immer dann geliefert wurden,

wenn es in ereignisreichen Zeiten der Eingang der Nachrichten erforderte. In den An-

hängen galten nur eingeschränkt die Gesetze der Zeitungssberichterstattung, so dass

sich hier früh die Möglichkeit zum kritischen Räsonnement und Urteil ergab. Bereits

1712 wurde eine Frage erörtert wie »Ob der gegenwärtige Krieg Franckreich oder En-

gelland schwerer auszuhalten falle?«. Hier wurden Hintergrundinformationen und Hil-

fe zum Verständnis der eigentlichen Zeitungsnachrichten geboten.49

Überhaupt ist am

›Correspondenten‹ auffällig, wie besonders in den ersten Jahren auf ungeübte Zeitungs-

leser Rücksicht genommen wird.50

Seit 1721 nutzt der ›Correspondent‹ als eine der er-

sten deutschen Zeitungen zur Veranschaulichung der politischen Meldungen Abbildun-

gen unterschiedlicher Art.51

Geprägt ist die Berichterstattung der Zeitung schließlich davon, dass sie ihrem Namen

Ehre machte und schon bald kaum noch Nachrichten aus anderen Zeitungen über-

nahm, sondern sich eigener Korrespondenten bediente, die exklusive und auf gründli-

cher Information basierende Meldungen lieferten. In allen bedeutenden europäischen

und auch in den größeren deutschen Städten hatte man Berichterstatter verpflichtet,

denen die Zeitung ihren beispiellosen Ruf als schneller und zuverlässiger Informant

verdankte. In den zwanziger Jahren erhielt die Zeitung regelmäßige, zum Teil durch

Freiabonnements bezahlte Korrespondenznachrichten aus Berlin, Wien, Breslau, Polen,

Petersburg, Leipzig, Halle, Lüneburg, Frankfurt a. M., Hanau, Kopenhagen, den Nieder-

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landen und Stockholm. Viele der Korrespondenten sind bis heute anonym geblieben,

eine Folge der noch zu geringen Forschung zur Pressegeschichte des 18. Jahrhunderts.52

In allen großen Konflikten und Auseinandersetzungen des 18. Jahrhunderts ebenso

wie in den epochalen Umwälzungen der amerikanischen Unabhängigkeitsbewegung

und der Französischen Revolution behielt der ›Correspondent‹ seine referierende, sich

neutral oder »unpartheyisch« gebende Nachrichtendarbietung bei. Nach Bildung und

Qualifikation wären alle Redakteure zweifellos in der Lage gewesen, die Welt zu erklären,

eigene Analysen der politischen Entwicklungen vorzunehmen und Kommentare zu lie-

fern. Doch in einer sehr eigenen, diszipliniert durchgehaltenen Weise nahmen die Redak-

teure ihre Leser ernst, deren Fähigkeit zum eigenen Urteil als selbstverständlich vorausge-

setzt wurde. Eine nach Quellenherkunft und -charakter größtmögliche Vielfalt der In-

formationen zu bieten, bleibt stets vorrangiges Ziel. Neben der die Ereignisse möglichst

zuverlässig darstellenden Berichterstattung auf der Grundlage kritischer Quellenprüfung

wurden zur zusätzlichen Information in größter Zahl Dokumente wie Gesetzesentwür-

fe und Gesetzestexte, Verträge, Parlamentsreden, Friedensschlüsse oder Petitionen

vollständig oder in Auszügen mitgeteilt.53

Eine Berichterstattung, die dem Leser unterschiedliche oder gar gegensätzliche Berich-

te, Sichtweisen und Stellungnahmen bot, war einerseits redaktionelles Programm, an-

dererseits bot sie sich in Zeiten kriegerischer Konflikte als einfachste Möglichkeit an,

die »Unpartheylichkeit« der Zeitung und – sicher ebenso wichtig – die Neutralität des

Druckortes Hamburg zu behaupten. Redaktion und Zensur durch den Senat wirkten

hier eng und vertrauensvoll zusammen, um im Interesse der Hamburger Regierung aus-

ländische Mächte zufriedenzustellen, auf der anderen Seite aber auch im Interesse der

Glaubwürdigkeit der Zeitung den Leser nicht für dumm zu verkaufen, indem ihm die

Herkunft der Berichte verschwiegen wurde. Für den Leser des ›Correspondenten‹ hatte

diese Haltung der Zeitung große Vorteile, wie beispielsweise die Berichterstattung wäh-

rend des Siebenjährigen Krieges veranschaulicht. War in den österreichischen und

preußischen Gazetten nur eine höchst einseitige Informationsmöglichkeit gegeben, so

druckte das Hamburger Blatt Zeitungsartikel, Regierungsproklamationen und Berichte

beider Seiten ab. Indem der ›Correspondent‹ dadurch zu einer in ganz Deutschland ge-

lesenen Zeitung wurde, erregte er natürlich auch die Begehrlichkeiten der kriegsführen-

den Parteien, die das Blatt für ihre Zwecke gebrauchen wollten. Wie bei kaum einem

Ereignis zuvor, erwies sich im Siebenjährigen Krieg, welche Bedeutung die Zeitungen

auch in der Sicht der Regierungen für die Beeinflussung der öffentlichen Meinung ge-

wonnen hatten. Potentaten, die es gewohnt waren, ihren Berliner und Wiener Zeitun-

gen im Sinne der Staatsräson zu diktieren, sahen sich, indem im Sinne der Hamburger

Staatsräson im ›Correspondenten‹ beide Seiten zu Worte kamen, in ihre Schranken ge-

wiesen. Martin Welke hat das vom Hamburger Zensor Klefeker als »Zeitungs-Krieg«

bezeichnete Ringen um die Berichterstattung über den Siebenjährigen Krieges detail-

liert dargestellt und gezeigt, wie der ›Correspondent‹ und sein Redakteur Barthold Joa-

chim Zinck den Lesern die wichtigsten Ereignisse ohne Rücksicht darauf, ob sie Preu-

ßen oder Österreich günstig waren, geschildert haben. Es ist jedenfalls ein Beleg für die

unparteiische Berichterstattung, dass sich der preußische wie der österreichische Gesand-

te immer wieder beim Hamburger Zensor über die Zeitung beschwerten.54

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22 Holger Böning

War der ›Correspondent‹ während des Siebenjährigen Krieges in der Situation, beiden

kriegsführenden Parteien eine Plattform bieten zu müssen, so sah dies in der größere

Freiheiten bietenden Berichterstattung über die amerikanische Unabhängigkeitsbewe-

gung und über die Französische Revolution schon anders aus. In den Jahren 1773 bis

1783 berichtete die Zeitung in nahezu 120.000 Zeilen über die Ereignisse in Nordame-

rika.55

Detailliert wurde über die Parlamentsdebatten in England und über die sehr

freie Berichterstattung der Londoner Zeitungen, über die von deutschen Fürsten ver-

kauften deutschen Soldaten oder über die Infragestellung der englischen Kolonialpo-

litik in England selbst berichtet. Indem deutschen Lesern die gegensätzlichen, in öf-

fentlicher Debatte geäußerten Standpunkte ebenso referiert wurden wie die in England

erhobenen Forderungen nach Freiheit der Information, erhielt auch das deutsche Pu-

blikum eine Ahnung davon, welche Bedeutung eine in ihrer Berichterstattung nur we-

nig eingeschränkte Presse bei der Formierung der öffentlichen Meinung haben konnte.

Immer wieder weist der ›Correspondent‹ in seinen Quellenwürdigungen ausdrücklich

darauf hin. In einer zuverlässigen und eigenständigen, fast enzyklopädischen Stoffdar-

bietung, in der auch die den Konflikt bestimmenden konstitutionellen und naturrechli-

chen Fragen thematisiert wurden, gelang es dem ›Correspondenten‹ nicht immer, seine

eigene Sicht zu verbergen, mit der es ihm schwer fiel, Verständnis für die in Nordamerika

angestrebte Regierungsform zu entwickeln. Gleichwohl erschienen die Amerikaner

doch auch als Menschen, »welche der allgemeinen Hochachtung würdig sind [...], wel-

che die Waffen ergriffen, um ihre Rechte zu vertheidigen, welche sie als Menschen,

nicht von der gesetzgebenden Macht Englands, sondern von Gott selbst erhalten haben,

welche dieselben auf eine gemäßigte, unerschrockene und gottesfürchtige Art schützen,

auf eine Art, die [...] zu einem ermunternden Beyspiele der Nachahmung allen Völkern

dienen wird«.56

Als sich diese Hoffnung erfüllte, machte die Zeitung in einer umfassen-

den Berichterstattung über die Französische Revolution deutsche Leser in einer Weise

mit den Gedanken und Zielen der französischen Revolutionäre bekannt, dass die epo-

chale Bedeutung der Ereignisse im Nachbarland nicht verborgen bleiben konnte.

Wichtig für die Verankerung der Zeitung in der Stadt war, dass sich beim Hambur-

ger ›Correspondenten‹ von Beginn an eine Auswahl von Redakteuren fand, die im ham-

burgischen geistigen und kulturellen Leben des 18. Jahrhunderts stets eine zentrale

Rolle spielten. Bei ihnen handelte es sich regelmäßig um akademisch gebildete Männer,

die ihre ganze Arbeitskraft dem Blatt widmeten. Die Redakteure des ›Correspondenten‹

gehörten zu den ersten Journalisten in Deutschland, die allein von ihrer Tätigkeit bei

einer Zeitung leben konnten. Dies war ein Verdienst des Verlegers, der offenbar genau

wusste, dass ohne eine anständige Honorierung der Redakteure eine gute Zeitung nicht

zu machen war.57 Auch Korrespondenten wie 1772 bis 1792 aus London Gebhard

Friedrich August Wendeborn, im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts aus Berlin Hein-

rich von Bülow, aus Rom der preußische Generalkonsul Bartholdy oder aus Paris

Konrad Engelbert Oelsner trugen zum Ansehen des Blattes bei.58

Bis in das frühe 19. Jahrhundert bleibt der ›Correspondent‹ die auflagenstärkste Zei-

tung im Norden Deutschlands, wie verschiedene, nicht immer ganz schlüssige, zumeist

von Zeitgenossen stammende Zahlenangaben verraten. 1783 ist davon die Rede, er habe

eine größere Auflage als die Wieringsche und die ›Neue Zeitung‹ zusammen.59 Der

Londoner Korrespondent der Zeitung, Wendeborn, berichtet für die achtziger Jahre

Urheberrechtlich geschütztes Material. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitungen in elektronischen Systemen. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2012

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Dem Bürger zur Information und Aufklärung 23

von 21.000 Exemplaren.60 Der zeitgenössische Zeitungsforscher Joachim von Schwarz-

kopf weiß für 1800 von 28.–30.000 Exemplaren, die auf 12 Pressen gedruckt worden

seien und einen Reingewinn von 12.000 Mark abgeworfen hätten.61 Der Hamburger

Publizist Johann Wilhelm von Archenholz spricht in einem Brief an Cotta für 1798

von 25.000 Abonnenten, der französische Gesandte Bourienne einige Jahre später von

einer Auflage von 27.000 Exemplaren.62 1803 soll das Blatt nach Angaben der Jubiläums-

zeitung von 1881 gar 50.000 Abonnenten gehabt haben, für 1808 wird von einer ge-

druckten Auflage von 56.000 Exemplaren gesprochen.63 Während des letzten Drittels

des 18. Jahrhunderts war der ›Correspondent‹ die in den Lesegesellschaften am häufi-

gsten vertretene Zeitung.64

Es versteht sich, dass solche Auflagen nicht allein in einer Stadt von gut 100.000 Ein-

wohnern abgesetzt werden konnten. So waren um 1800 allein 4.000 Exemplare unbe-

stellt für die abgehenden Schiffe bestimmt.65

Die große Verbreitung des Blattes hatte

zur Folge, dass insbesondere in Norddeutschland die Entstehung regionaler Zeitungen

sehr behindert wurde. Die herausragende Stellung, die das Hamburger Blatt im deut-

schen Zeitungswesen errang, wird durch ein zeitgenössisches Urteil aus dem Jahre 1783

dokumentiert, in dem alles das zusammengefaßt wird, was für den Erfolg verantwort-

lich war: Der ›Correspondent‹, so heißt es, behaupte »sich noch immer in seiner aner-

kannten Würde, nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. Das macht, es

schreibt ihn ein Mann, der Prästanda prästirt, und dafür auch gehörig belohnt wird. Er

heist Herr Leister und ist mein Freund. In Hamburg selbst ist es die Favorit-Zeitung.

Sie hat viel bessere Correspondenz als die Andere, und die Herrn Grund, Verleger der-

selben, wenden auch viel mehr darauf. Druck, Papier, Satz, alles fällt viel angenehmer

in die Augen, als bey den übrigen. Ausdruck, Wendungen, gute deutsche Sprache sind

völlig in der Gewalt des Verfassers, und ihre Correspondenten sind Leute von politischer

Uebersicht und keine abgedankte Bedienten. Aus dieser Zeitung fließen hernach die

meisten deutschen Zeitungen in kleinern Städten.«66

Die Wertschätzung, die der ›Cor-

respondent‹ bei den Hamburgern besaß, erweisen nicht nur Nachahmungen der Zei-

tungen, sondern auch zwei französischsprachige Ausgaben. Eine erste, vermutlich nicht

autorisierte Übersetzung erschien, herausgegeben durch L’Abbé Montflambert in War-

schau, von 1789 bis mindestens 1794 unter dem Titel ›Gazette de Hambourg‹.67

Der

Erscheinungsbeginn im November 1789 ist ganz sicher kein Zufall, denn in ganz Eu-

ropa verfolgte man fiebernd die Entwicklung der Französischen Revolution. Eine nur

wenige Kosten verursachende Übersetzung der Hamburger Zeitung, die lediglich die

Anzeigen ausließ und stattdessen eigene veröffentlichte, versprach einen guten Gewinn,

selbst wenn das Warschauer Blatt eine um drei Wochen verzögerte Erscheinungsweise

aufwies.68

1799 rief der Verleger des ›Correspondenten‹ dann unter demselben Titel

eine eigene französischsprachige Ausgabe seiner Zeitung ins Leben, die bis 1802 be-

stand.69

Die Redaktion dieser Zeitung, so hieß es in den Ankündigungen, »ist einem

sachkundigen Gelehrten aufgetragen worden, dem alle zur zweckmäßigen Vollkommen-

heit dieser Zeitung nur immer nöthige Correspondenz und Hülfsquellen in reichem

Maaße mitgetheilt werden sollen«. Nach den aufgefundenen Stücken handelt es sich

keineswegs um eine bloße Übersetzung des ›Correspondenten‹. Dies war schon des-

halb nicht möglich, weil der Zeitung mit 4 Seiten je Ausgabe weniger Platz zur Verfügung

Urheberrechtlich geschütztes Material. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitungen in elektronischen Systemen. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2012

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24 Holger Böning

stand. Vor allem aber macht die Zeitung den Eindruck, als sei sie für ein anderes Lese-

publikum konzipiert. Es überwiegen die Nachrichten aus Frankreich und aus dem

sonstigen Ausland, Nachrichten aus Deutschland finden sich sehr viel seltener als im

›Correspondenten‹. In einzelnen Fällen beginnt die ›Gazette‹ zwar mit derselben Mel-

dung wie der ›Correspondent‹, doch auch bei solchen Meldungen ist erkennbar, dass

hier bewusst Auslassungen und Änderungen vorgenommen wurden, die unter Um-

ständen darauf zurückzuführen sein dürften, dass mit dem Blatt auch Leser in Frank-

reich selbst angesprochen werden sollten. Anders als der ›Correspondent‹ enthält die

›Gazette‹ keinen gelehrten Teil und nur sehr wenige Anzeigen. Ein Zeitgenosse berich-

tet, dass die Zeitung außerhalb Deutschlands, besonders in Belgien vielfach gelesen

wurde und sie aus Quellen des ›Correspondenten‹ schöpfte, ohne sich dessen Stil,

»Redactions- und Übersetzungs-Fleiß« zu eigen zu machen. Auch brachte die Zeitung

zahlreiche Auszüge aus dem politischen Tagesschrifttum, das in Frankreich erschien.70

4. DER GELEHRTE ARTIKEL ALS ZEITUNGSHISTORISCHE INNOVATION

Die wichtigste Innovation im Zeitungswesen des frühen 18. Jahrhunderts, die eng mit

dem Hamburger ›Correspondenten‹ verbunden ist, war die Einführung eines »gelehr-

ten Artikels«, der schnell zur Schule kritischen Räsonnements wurde. In der gelehrten

Welt fragte man – jedenfalls im Idealfall – nicht nach Rang und Namen. Jedes Mitglied

der »Gelehrtenrepublik« war nach Rechten und Pflichten gleich, hatte sich der Kritik

zu stellen und war zur Kritik berechtigt. Dieser Grundsatz, der im Widerspruch stand

zum Prinzip einer ständischen Gesellschaft, galt von Beginn an in der gelehrten perio-

dischen Literatur und in den gelehrten Nachrichten der Zeitungen. So ist den gelehrten

Zeitungen und Zeitschriften wie dem gelehrten Artikel der Zeitungen gemeinsam, dass

sie dem Prinzip der Kritik, das im wissenschaftlichen Leben selbstverständlich war,

langsam auch Bahn brachen bei der Beurteilung außerwissenschaftlich-pragmatischer,

politischer und gesellschaftlicher Fragen.

In der Literatur wird stets betont, die Einführung des »gelehrten Artikels« als eigener

Zeitungsrubrik sei eine Innovation des ›Correspondenten‹ gewesen, der damit zugleich

auch beispielgebend für andere deutsche Zeitungen geworden sei.71 Die mehr oder we-

niger enge Verbindung von Zeitungen mit gelehrten Nachrichten ist jedoch älteren

Datums. Schon zu Beginn der achtziger Jahre des 17. Jahrhunderts erschienen als Bei-

lage zum ohne gelehrten Teil herausgegebenen ›Relations-Courier‹ des Hamburger Ver-

legers Wiering die ›Relationes Curiosae‹, die als eine Art gelehrter Teil zu dieser Zeitung

betrachtet werden können.72 Auch in der seit 1687 erscheinenden ›Relation aus dem Par-

nasso‹ fehlte es nicht an gelehrten Nachrichten.73 Eine Beilage stellten 1696 auch noch

sogenannte »Vernunfft-Übungen« dar, die in der Altonaer ›Europäischen Relation‹ an-

gekündigt wurden und den Verstand wie das Urteilsvermögen der Leser schulen sollten.

Durch sie, so heißt es ausdrücklich, soll man sich »gewöhnen / von einem Dinge reiff

zu Urtheilen / geschickt zu Reden / und feste gedancken zufassen«.74 Einem ähnlichen

Ziel dienten die mit Beginn des 18. Jahrhunderts eingeführten gelehrten Artikel, die den

Ausgaben der ›Europäischen Relation‹ vorangestellt waren und in denen der Verfasser

naturwissenschaftliche, medizinische und militärische Probleme erörterte, aber auch

moralische wie philosophische Fragestellungen aufgriff. Auch tagespolitische Ereignis-

se, die Gegenstand der eigenen Zeitungsberichterstattung waren, wurden zum Ausgangs-

Urheberrechtlich geschütztes Material. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitungen in elektronischen Systemen. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2012

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Dem Bürger zur Information und Aufklärung 25

punkt allgemeiner philosophisch-moralischer und politisch-historischer Betrachtungen

sowie juristischer, medizinischer, naturwissenschaftlicher oder volkskundlicher

Informationen. Eingestreute gelehrte Nachrichten finden sich schließlich im ab 1696

erscheinenden Altonaer ›Relations-Courier‹, dem späteren ›Reichs-Post-Reuter‹.75

Alle diese frühen Versuche nimmt dann jedoch der 1712 gegründete ›Correspondent‹

mit einem eigenen gelehrten Teil auf. Bereits in der ersten Nummer der Zeitung wird

dem Leser nach den Erläuterungen zur politischen Berichterstattung mitgeteilt: »Weiter

gehet die Meynung dieser Arbeit grossen Theils auch dahin / nebst denen neuesten un-

partheyischen Zeitungen in Krieg- und Friedens-Sachen / die curiosa Nova in Re

Literaria & Artificiali, oder was curieuses Neues in der gelehrten und kunstliebenden

Welt passiret / mit beyzufügen / dazu nach und nach aller Fleiß sol angewandt werden.«76

Die gelehrten Nachrichten erscheinen – zunächst noch unregelmäßig – unter dem

Rubrikentitel »Das Neueste in Kunst- Natur- und gelehrten Sachen«. In der Vorrede

zum Jahrgang 1712 wird dann die Absicht verkündet, »absonderlich aber den Artickel

von den Neuigkeiten in der gelehrten Welt je länger je ausführlicher zu stellen«. Auch

werden die Leser »zum besten der Reipublica literariae« um Mitarbeit ersucht. Unter

der Rubrik »Nota« schließlich werden – häufig in Hamburg erschienene – aktuelle

Schriften angezeigt.

Schnell zeigte sich, dass der separate gelehrte Artikel im Empfinden der Zeitgenos-

sen noch etwas Neuartiges darstellte, indem sich hier in einem Blatt die Elemente der

alten Zeitungen mit denen der gerade entstehenden gelehrten Journale und gelehrten

Zeitungen verbanden. Vor allem wurde es zunächst als unangemessen empfunden,

dass sich ein Zeitungsschreiber Urteile in gelehrten Angelegenheiten anmaßte. Der

anonyme Verfasser eines ›Sendschreibens‹ von 1722 sprach der politischen Zeitung die

Kompetenz zur kritischen Beurteilung von gelehrten Schriften ab und machte den Zei-

tungsschreiber darauf aufmerksam, dass er es mit promovierten Personen zu tun habe,

die zu kritisieren er sich herausnehme: »Allein / mein Herr Correspondent, was haben

sie dagegen aufzuweisen?«77

Mit dem Neuanfang der Zeitung im Jahre 1721 erhält der gelehrte Artikel in einer

Rubrik »Von neuen remarquablen gelehrten Sachen« langsam eine größere Bedeutung,

was sich in einem wachsenden Umfang, zahlreichen Rezensionen sowie in Nachrichten

über Hamburger gelehrte Angelegenheiten und Ereignisse zeigt. Anfänglich besorgte

für kurze Zeit der 1694 in Weningen/Lauenburg geborene Adam Heinrich Lackmann

den gelehrten Teil der Zeitung. Er hatte diese Aufgabe nach einem Studium der Theo-

logie in Gießen und Kiel übernommen, im Juli 1721 wurde er dann Leiter der Eutiner

Gelehrtenschule, später Professor an der Universität Kiel.78 Eine bemerkenswerte Qua-

lität erreicht der gelehrte Artikel unter dem Redakteur Christian Friedrich Weichmann.

Der am 15. Januar 1667 in Braunschweig als Sohn eines Gymnasialrektors geborene

Schriftsteller war nach dem Studium der Rechtswissenschaft nach Hamburg gekom-

men und wurde als Freund Brockes und Richeys zum Mitbegründer der Patriotischen

Gesellschaft und Beiträger der Moralischen Wochenschrift ›Der Patriot‹. Als Verfasser

poetischer Schriften und Mitglied der Königl. Societät der Wissenschaften zu London

erwarb er sich hohes Ansehen in der Hansestadt, das wiederum dem ›Corresponden-

ten‹ zugute kam.79 Mit der ›Poesie der Niedersachsen‹ brachte er 1721 bis 1738 der Öf-

fentlichkeit die Leistungen der »Teutsch-übenden Gesellschaft« zur Kenntnis, die als

Urheberrechtlich geschütztes Material. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitungen in elektronischen Systemen. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2012

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erste unter den Einflüssen der Aufklärung stehende Sprachgesellschaft nicht nur für

Hamburg von Bedeutung war.80

1722 verfaßt Weichmann eine »Kurze Nachricht / wie es künftig mit dem gelehrten

Artikel der Holsteinischen Zeitungen wird gehalten werden / nebst andern diesen Arti-

kel betreffenden Erinnerungen«, in der er ein Programm des gelehrten Artikels entwirft

und diesem einen Standort neben den gelehrten Monatsschriften zuweist. So heißt es hier:

Gelehrte Zeitungen werden zu dem Ende ausgefertiget, dass man nicht allein von

verschiedenen hier und da heraus gekommenen oder unter Händen habenden Schrif-

ten die Titel erzähle; sondern daß auch dem Leser einiger Vorschmack von dem

Wehrte und Tüchtigkeit derselben gemacht werden. Das erste ist am wenigsten nöh-

tig, weil so wol die Leipziger Meß- als andere Catalogi hierin volle Genüge thun. Das

letzte aber wird man für desto nohtwendiger halten, weil nicht ein jeder, theils wegen

Entfernung des Ortes, theils wegen Mangel der Buchläden, die neuen Bücher vorher

anzusehen Gelegenheit hat, oder, wenn auch dieses, doch nicht ein jeder dieselben

nach ihrer Güte oder Unwürdigkeit so gleich zu beurtheilen vermag. Nun sind zwar

die sogenannten Journale oder Monatliche Schriften und Auszüge hiezu eigentlich

am geschicktesten, weil zugleich alle Gründe und Umstände beygefügt werden kön-

nen, warum man ein Werk für gut oder schlecht halte; in einer Zeitung aber will der

enge Raum solches nicht zulassen. So ist es auch jenen desto leichter, weil dort ver-

schiedene in Gesellschaft arbeiten, die theils mehr Zeit darauf zu wenden haben,

theils auch dem grimmigen Zorn der aufgebrachten Wespen sich nicht bloß stellen;

dahingegen hier alles auf einer Person beruhet, die zugleich wider den Anfall aller auf

sie abgeschossenen Pfeile allein stehen muß. Dennoch wird hier eben so wol erfodert,

sein Urtheil zu fällen, als in jenen Schriften, und bestehet der Unterschied nur darin,

daß man zwar auf beyden Seiten von allen den Ursachen müsse überzeuget seyn,

weshalben ein Werk zu loben oder zu tadeln; daß aber hier dieselben, wie bey den

Rechen-Meistern gewissen Zahlen, im Sinne behalten werden müssen. Was würde

doch im übrigen dem Leser mit Hinschreibung der bloßen Titel von diesem und

jenem Buche, oder mit einer durchgängigen Lobes-Erhebung aller so wol schlechten

als guten Schriften gedienet seyn?81

Das umfangreiche und detaillierte Programm ist bemerkenswert als ein sehr frühes

Dokument, mit dem Recht und Pflicht des Zeitungsschreibers zur freien Kritik postu-

liert wurden.82 Als erste Konsequenz der nun formulierten Programmatik erschien in

jeder Nummer der Zeitung ein gelehrter Artikel. 1733 umfaßt die Rubrik: »Von neuen

merckwürdigen gelehrten Sachen« dann in der Regel bereits eine von vier Seiten jeder

Zeitungsausgabe. Es kommen nun auch eigene Kommentare des Redakteurs hinzu, die

die aufklärerische Tendenz des gelehrten Artikels zeigen. So beispielsweise in Nr. 106

des Jahrgangs 1733: »Zu wenig oder zu viel, nichts oder alles glauben ist in der That

wohl gleich unvernünfftig und schädlich. Wie es uns dahero ein Vergnügen macht,

wenn vernünfftige Männer den Zweiffel und Unglauben zu bestreiten bemühet sind;

So sehen wir auch mit Lust, wenn man der Leichtgläubigkeit und dem Aberglauben

Einhalt zu thun beflissen ist.« Oder ähnlich in Nr. 108 desselben Jahrgangs als Einlei-

tung zu einer Rezension: »Wir haben jederzeit den Glauben, welchen einige Blödsinni-

ge denen Erzehlungen von Vampyren oder Blut-saugenden Todten beygemessen, mit

Vernunfft und Sinnen begabten Creaturen sehr unanständig gehalten, und hertzlich be-

Urheberrechtlich geschütztes Material. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitungen in elektronischen Systemen. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2012

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Dem Bürger zur Information und Aufklärung 27

dauret, daß Einfalt und Leichtgläubigkeit noch so groß unter den Menschen. Es ist uns

dahero ein Vergnügen, daß endlich nach langen und offt unnützen Untersuchungen

dieser Materie, der Herr Verfasser folgender auf Befehl einer fürstl. Person entworffener

Schrifft, den Ungrund...« usw.

Über die grundlegende Bedeutung des gelehrten Artikels für die Entstehung politi-

scher Urteile und Debatten hinaus ist auch die Rolle wichtig, die er für die Entwicklung

der Literaturkritik gewann. Er ist eine unverzichtbare Quelle für das literarische Leben

und die reichhaltig dokumentierte Theaterentwicklung nicht nur Hamburgs. Nicht gering

zu schätzen ist schließlich der Beitrag zur deutschen Sprachentwicklung und die Bemü-

hungen um die »Reinigkeit« der Sprache, die auch den politischen Teil der Zeitung be-

fruchten. Immer wieder reflektieren Rezensionen den Sprachgebrauch in deutschen

Schriften oder monieren »barbarische Übersetzungen«.

Auch für die die Redakteure des gelehrten Teils gilt, dass sie sich durch ihre Ausbil-

dung und Tätigkeit größter Achtung erfreuten, die wiederum auch der Zeitung zugute

kam. Eingebunden in literarische und publizistische Kreise, die als Netzwerk der Auf-

klärung in Hamburg bezeichnet werden können, verfügten sie über Kontakte in ganz

Deutschland, die ihnen die Einwerbung von Artikeln bedeutender Schriftsteller ermög-

lichten. Beiträger des ›Correspondenten‹ wie Gottsched, Bodmer, Herder, v. Knigge, v.

Schwarzkopf, Christian Ludwig Liscow, Friedrich von Hagedorn, Lessing, Samuel

Gotthold Lange, Johann Arnold Günther, Johann Gottfried Gurlitt, Heinrich Ludwig

von Heß, Friedrich Johann Lorenz Meyer, August Jakob Rambach, Reimarus, Daniel

Schiebeler, Joachim Friedrich Bolten, Christian Adolph Klotz, Matthias Claudius,

Georg Christoph Lichtenberg oder Johann Joachim Christoph Bode zeigen, welche

Bedeutung der ›Correspondent‹ als Publikationsort gewinnen konnte.83 Wie keiner an-

deren deutschen Zeitung gelang es dem Hamburger Blatt, die Zurückhaltung von Dich-

tern und Schriftstellern gegenüber der Zeitungspresse aufzubrechen.

Lässt sich bereits für die politische Berichterstattung des ›Correspondenten‹ zeigen,

dass es hier dem Leser durch die praktische Anwendung wesentlicher Prinzipien der

Aufklärung ermöglicht wurde, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen und zu ei-

genen Urteilen zu finden, so trifft dies noch ausgeprägter für den Gelehrten Artikel zu.

Sachlichkeit, Vorurteilslosigkeit und Kritikfähigkeit auf der Grundlage wissenschaftli-

cher Bildung waren die wichtigsten Eigenschaften, die Christian Friedrich Weichmann

1721 als Redakteur des Gelehrten Artikels von den Rezensenten gefordert hatte. Von

Beginn an stand eine journalistische Buchkritik im Mittelpunkt, deren wichtigstes Ziel

es war, durch Kritik der »Wahrheit« gegen Vorurteile und Unverstand zum Durchbruch

zu verhelfen.84 Eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass dieses Prinzip nach und

nach auch vom Publikum akzeptiert wurde, lag in der Person der Redakteure Johann

Georg Hamann, Joachim Friedrich Liscow, Jacob Friedrich Lamprecht und Barthold

Joachim Zinck, die als Nachfolger Weichmanns wirkten und wie dieser nicht nur über

eine akademische Ausbildung verfügten, sondern, das ist immer wieder zu betonen, vor

allem in die maßgebenden Hamburger politischen und literarischen Kreise eingebunden

waren. Nur so war es möglich, sich gegen die anfängliche Kritik durchzusetzen, die Be-

urteilung gelehrter und literarischer Werke sei allein Aufgabe des Gelehrten, keinesfalls

aber die eines »Zeitungsschreibers«.85

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28 Holger Böning

Das wichtigste Verdienst des Gelehrten Artikels liegt darin, dass der ›Correspondent‹

als erste periodische Schrift ein breites, weit über die Leserschaft wissenschaftlicher und

gelehrter Zeitschriften hinausreichendes Publikum mit dem Gedankengut der Aufklä-

rung vertraut machte. Dazu war kein Medium besser geeignet als die Zeitung. Rezen-

sionen von Schriften aus allen Bereichen der Gelehrsamkeit popularisieren Fortschritt

und Bedeutung der Wissenschaften und der Künste sowie deren schon in der ersten

Jahrhunderthälfte sich verstärkende Orientierung auf das Praktische. Regelmäßig wurde

über die Tätigkeit von Universitäten, Akademien und aufklärerischen Gesellschaften

berichtet. Aberglauben, Intoleranz und religiöser Fanatismus wurden zu wichtigen

Themen. Mehr und mehr erschienen die Welt und alle natürlichen Erscheinungen wis-

senschaftlich erklärbar, wie überhaupt ein säkularisiertes Wissenschaftsverständnis pro-

pagiert und der Philosophie der Vorrang vor der Theologie eingeräumt wurde. Vernunft,

Toleranz, vernünftige Religion und wissenschaftliche Naturerkenntnis wurden zu Schlacht-

rufen der Zeitung, mit großem Selbstbewusstsein wurde ein grundsätzliches Recht auf

Information und Kritik auch in staatsrechtlichen Fragen behauptet.86 Im Einzelfall

schon in den vierziger Jahren, verstärkt dann in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts

öffnet sich der gelehrte Teil der Zeitung für zahlreiche Beiträge aus dem Themenfeld

der gemeinnützig-ökonomischen und praktischen Aufklärung. Kleine Beiträge über die

Hornviehseuche und praktische Anleitungen, »Wie der Mauerkalk am besten zuzube-

reiten sey, daß er im Winde und Wetter am längsten daure?« oder wie Erfrorene zu be-

handeln seien, wechseln mit Bemerkungen über philosophische Bauern oder über Blitz-

ableiter, mit Berichten über den Fortgang der Pockenimpfung oder darüber, wie Bauern

zu Impfärzten ausgebildet werden, mit Nachrichten von Schleswig-Holsteinischen

Gutsherren und den Bemühungen um die Aufhebung der Leibeigenschaft oder mit

Beiträgen zur Verbesserung der Landwirtschaft und des Schulwesens. Auch beteiligt

sich die Zeitung selbst an solchen Reformbemühungen, wenn etwa 1765 ein Aufruf

zum Aufbau eines Waisenhauses publiziert wird oder Entwürfe zu einer Rindviehver-

sicherung sowie zu einer See- und Brandversicherung veröffentlicht werden. »Da unser

Augenmerk beständig auf die besondere Aufnahme und Verbesserung der Künste und

Wissenschaft gerichtet ist...«, so lautet 1765 eine charakteristische Einleitung zu einem

Bericht.87 Beständig kann man in der Zeitung Nachrichten über das praktische Tun der

patriotischen Gesellschaft in Hamburg lesen. Auch Preisfragen der Berner ökonomischen

Gesellschaft wurden veröffentlicht. Hinzu kamen schon sehr früh Rezensionen staats-

wissenschaftlicher und kameralistischer Schriften, in denen erstmals auch Fragen der

Staatsorganisation und grundlegende gesellschaftliche Probleme öffentlich debattiert

wurden.

Ähnlich wie die Moralischen Wochenschriften schließlich propagiert der ›Correspon-

dent‹ über das ganze Jahrhundert das Bild des Bürgers als Patrioten, dessen erstes Be-

streben der Förderung des gemeinen Nutzens gilt. Gemeinnützig-praktische Reformen,

befördert durch eine gerade in Hamburg sehr aktive, aufklärerisch motivierte Bürger-

initiative, erhalten beständigen Beifall. Ebenso werden seit der Mitte des Jahrhunderts

die Bemühungen unterstützt, durch Volksaufklärung aufklärerisches Gedankengut

auch bei den unteren Ständen zu popularisieren und diese in ihrer Berufsarbeit prak-

tisch zu unterstützen. Allein in den achtziger und neunziger Jahren finden sich etwa zwei-

hundert, durchweg beifällige Rezensionen aus dem Themenkreis der Volksaufklärung.

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Zu Beginn des 19. Jahrhunderts ist dann eine zunehmende Orientierung der Zeitung

auf Einnahmen aus Anzeigen zu beobachten. Dass dies gerade für den gelehrten Teil

nicht ohne Folgen blieb, lässt 1801 ein vernichtendes zeitgenössisches Urteil erahnen:

Ehemals hatte der Correspondent auch eine sehr ehrenvolle und achtbare Stimme in

der Gelehrtenrepublik; allein dies ist vorüber. Alle literarischen Anzeigen in demsel-

ben sind bezahlte Buchhändler-Avertissements, die keinen größern und keinen ge-

ringern Werth haben als die Anschlagezettel der Marktschreier, welche uns beweisen,

daß der Prinzipal die Zähne ohne Schmerzen auszieht. ’Geld! Geld! ihr Bürger! und

dann Tugend!’ Dies ist der Wahlspruch der jezzigen Welt und auch des Correspon-

denten. Rezensionen müssen bezahlt werden und dann – mögen sie seyn, wie sie wol-

len, der Redacteur darf keine Notiz davon nehmen. Wer sich jezt auf das Urtheil des

Correspondenten im literarischen Fache verlassen will, der wird sicher, wie von einem

Irrwische, in einen Sumpf geführt. In frühern Zeiten nahm der Correspondent auch

wohl ein Gedicht auf, welches für die mehrsten seiner Leser einiges Interesse haben

konnte; allein jezt muß jede Zeile baar bezahlt werden, denn Geld! Geld! Der Corres-

pondent theilte sonst vorzüglich ein Gedicht auf den Anfang des Jahres mit, welches

vielleicht bisweilen wohl einen dänischen Dukaten kosten mochte; aber jezt kann der

Plaz für eine marktschreierische Ankündigung gebraucht werden und das giebt – baar

Geld. Nicht einmal zum Anfange des neuen Jahrhunderts hat der Correspondent

einen dänischen Dukaten für ein Jubelgedicht angewandt und hat den Plaz, welchen

dieses einnimmt, mit einem baar bezahlten Avertissement besezt. Ich will damit nicht

sagen, daß Verse oder Reimereien einen so besonderen Werth haben, sondern ich

führte dies blos an, den Geist der Zeiten zu bemerken. Für vernünftige Rezensionen

und interessante Verse müßte der Correspondent immer eine kleine Stelle haben, wo

er sie gastfreundlich aufnehmen könnte, denn sie haben ihm zuerst allenthalben eine

günstige Aufnahme verschaft.88

5. DER ›CORRESPONDENT‹ UND DIE POPULARISIERUNG DER AUFKLÄRUNG

Der ›Correspondent‹ entwickelte sich in der zweiten Jahrhunderthälfte zu einem der

wichtigsten Träger und Popularisatoren der Aufklärung in der Hansestadt und weit

darüber hinaus. In welchem Maß die Zeitung mit ihrem gelehrten Teil in den siebziger

Jahren gemeinsam mit den bedeutenden anderen hamburgischen Blättern – zu nennen

ist vor allem die ›Hamburgische Neue Zeitung‹, herausgegeben vom Bruder Klopstocks,

Victor Ludwig Klopstock, – zu einem Organ der Aufklärung geworden war, zeigen

Briefe konservativer Gegenspieler insbesondere aus der hamburgischen Geistlichkeit.

So schreibt beispielsweise Johann Melchior Goeze, der berühmte Streitpartner Lessings,

am 22. Dezember 1770 an den Herausgeber der ›Acta historico-ecclesiastica‹, den Wei-

marer Hofprediger Wilhelm Ernst Bartholomäi: »Wollen Sie im übrigen sichtbar sehen,

wie weit hier die Freigeisterei, Skrupellosigkeit und schnöde Verachtung unserer Lehre

und Kirchenverfassung, hingegen die Vermehrung der ärgsten Verführer geht, so lesen

Sie nur die gelehrten Artikel der hiesigen Neuen Zeitung und des Korrespondenten.

Gegen diese beständig fortlaufenden Ärgernisse ist bisher mit aller Vorstellung nichts

auszurichten gewesen. Ich habe bereits nach Niederlegung des Seniorats verschiedene

Gewissensrügen an das Ministerium getan, allein ... Gott helfe uns!«89 Der Hauptpastor

an St. Nikolai, Johann Dieterich Winckler, beschrieb 1774 in einem Brief den zuneh-

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menden Einfluss der Aufklärer, der selbst für die Personalpolitik im Geistlichen Minis-

terium Schlimmes befürchten lasse, und bedauerte, dass »am Zeitungsruder lauter Ba-

sedowsche und Albertische Kreaturen sitzen«.90

Über Jahre sind Beschwerden konservativer Geistlicher zu verfolgen, die sich nicht

nur gegen die generelle Tendenz der Hamburger Presse richteten, sondern beim Senat

auch immer wieder versuchten, gegen einzelne Blätter Zensurmaßnahmen durchzuset-

zen. Mehrere Zeitschriften sind heute nur dadurch bekannt, dass sie den Beschwerden

als Belegexemplar beigelegt wurden und sich bis heute im Hamburger Staatsarchiv er-

halten haben.91 In keiner anderen deutschen Stadt hatte sich ein quantitativ und quali-

tativ vergleichbares Presseangebot entwickelt. Wichtiger noch als die bloße Zahl der

gedruckten Periodika ist die Bedeutung, die sie in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhun-

derts in der hamburgischen Öffentlichkeit gewannen. Es entstand eine Phalanx von

Zeitungen, Zeitschriften und Intelligenzblättern, die von wichtigen Teilen der Ham-

burger Bürgerschaft genutzt wurde, um eine Meinungsführerschaft aufklärerischer Po-

sitionen zu etablieren und für aufklärerisch-gemeinnützige Reformen zu werben. Größere

Teile der lutherisch-orthodoxen, aufklärungsfeindlichen Geistlichkeit sahen sich zu-

nehmend ihrer Möglichkeiten beraubt, öffentlich das Wort zu ergreifen. Insbesondere

in den gelehrten Teilen der beiden großen Hamburger Zeitungen, der ›Neuen Zeitung‹

und dem ›Correspondenten‹, hatte die Orthodoxie keine Stimme mehr und sah sich

beständiger Kritik ausgesetzt. Mehrfach finden sich Beispiele, dass auf entsprechende

Zeitungsbeiträge in den von vielen Hamburger Geistlichen wöchentlich herausgegebe-

nen Predigtentwürfen reagiert wurde, die daneben mit ihren mündlichen Predigten

agieren mussten.92

Die Zeitungen hatten sich von einem bloßen Mittel der Information zu Medien des

Eingreifens gewandelt, noch längst bevor sich bei einem Blatt wie dem ›Deutschen Be-

obachter‹ erstmals Charakteristika der künftigen Parteipresse zeigten. Betrachtet man

die in ihnen und in den Zeitschriften und besonders in den Intelligenzblättern geführ-

ten Debatten über den Zustand der Stadt und über Reform- und Verbesserungsvorha-

ben, dann lässt sich mit Fug von einer Art ersten Parlaments der Hansestadt sprechen.

War die Zeitungslektüre in den oberen Ständen bereits während des 17. Jahrhunderts

selbstverständlich geworden, so erreichte sie im 18. Jahrhundert vermehrt auch die

mittleren sozialen Schichten der Bevölkerung. Mit mehreren neuartig gestalteten Blättern

wurde zudem früh der erfolgreiche Versuch unternommen, auch die unteren Stände

für das Zeitungslesen zu gewinnen. Im Jahrzehnt nach der Französischen Revolution

häufen sich die Beobachtungen, die ein ausgeprägtes Interesse an den politischen Ereig-

nissen selbst bei Tagelöhnern behaupten. »An der Quelle der neuesten Nachrichten

des Auslandes«, so behauptet der Hamburger Domherr Friedrich Johann Lorenz

Meyer im Jahre 1800, »ist unsern niedern Klassen Wissbegierde in der Zeitgeschichte

eigen, und deren Befriedigung, durch die täglich erscheinenden Zeitungen, leicht«. An-

schaulich beschreibt er, was sich alltäglich mit dem Beginn des Zeitungsverkaufs an

den Avisenbuden abspielt: »In den Morgenstunden, wann diese erscheinen, sieht man

vor den Zeitungsbuden oft Arbeitsleute, Hausknechte reihenweise stehen und aufmerk-

sam die für ihre Herren geholten Zeitungen lesen. An den Gassenecken, dem Standort

der Arbeit erwartenden, und oft müssig genug dastehenden und Muthwillen treiben-

den, Arbeitsleute, werden nicht selten lokale und wohl gar politische Flugschriften vor-

Urheberrechtlich geschütztes Material. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitungen in elektronischen Systemen. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2012

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Dem Bürger zur Information und Aufklärung 31

gelesen und besprochen.« Meyer zieht daraus den Schluss, dass »die republikanische

Schreib- und Pressfreiheit« mit Sorgfalt genutzt werden müsse, meint jedoch auch, auf

diesem Wege könne »viel Gutes und Gemeinnütziges« gestiftet werden.« Auch hat er

bei diesen Zeitungslesern ihn erstaunende sachkundige Urteile bemerkt: »Merkwürdig

und überraschend sind manchmal die feinen Aeusserungen, philosophischen Bemerkun-

gen, das richtige, von Sachkenntniss geleitete Gefühl, in den Gassengesprächen der Ar-

beiter. Als Bonaparte den gewagten Zug nach Egypten antrat, und man seine Bestim-

mung nur noch muthmasste, unterhielten sich auf dem Berge, (einem Markt in der Alt-

stadt,) zwei neben einander hockende Steinpflasterer über diese Sache sehr naiv. Der

eine, nach seiner Mundart ein Obersachse, schien den guten Erfolg des Zuges nach

Egypten zu bezweifeln; der andre, ein plattdeutscher Hamburger, strafte ihn und sagte:

Bonaparte’n werde es damit nicht mislingen, denn, setzte er emphathisch hinzu: ‘et ist

een ganzen Keerl!’«93

In einem ›Gemälde von Hamburg‹ wird ein Jahr später der Charakter des »gemeinen

Mannes« in der Hansestadt Hamburg beschrieben und kritisiert, viele läsen nichts als

ihre Zeitung, doch habe auch »der einfachste Mann [...] ein ausgeprägtes Freiheitsge-

fühl und -empfinden«: »Jedem muß sein Recht wiederfahren, ist die allgemeine Stimme

des Volks. Auch das politische interessiert ihn aus gleichem Grunde. Der geringste

spricht und kannegiessert über neue Einrichtungen und Beschlüsse, als gehöre sein

Votum dazu. Die alten Weiber auf dem Fischmarkt sitzen mit ihren Stümmeln im Mun-

de und lesen Zeitungen. Kurz Sie sehen, das Volk interessirt sich doch für etwas mehr

als für sein Essen und Trinken.«94

6. RESÜMEE: DAS ZEITUNGSLESEN WIRD ALLGEMEIN

In einem Resümee lässt sich konstatieren, dass in Hamburg wie in keinem anderen

deutschen Territorium das aufgeklärte Jahrhundert jenen Wandel zur Moderne voll-

endet, der seit dem frühen 17. Jahrhundert in einem mehr als ein Jahrhundert dauernden

Prozeß einer regelrechten Welteroberung vorbereitet wurde, indem die neuen publizisti-

schen Medien nun in die Breite wirken und zu einem hochdifferenzierten System der

Information und Diskussion fortentwickelt werden. Hier kann tatsächlich davon ge-

sprochen werden, dass quantitative Entwicklungen qualitative Veränderungen zur Folge

haben. Wohl kaum weniger als 10.000 periodische Schriften in den deutschen Territo-

rien weisen auf die ganz neue Bedeutung des nun in enzyklopädischer Breite verbreite-

ten zeitgenössischen Wissens und der öffentlichen Debatte. Regelmäßigkeit und Dichte

der Kommunikation steigern sich in vorher kaum vorstellbarer Weise. Zeitschriften und

Intelligenzblätter, intensiver als in der Forschung bisher gesehen aber auch die Zeitun-

gen, werden zum Ort einer großen Debatte, in der sich Weltbild und Weltanschauung des

Publikums formen. Am Ende des 18. Jahrhundert ist es der periodischen Presse ge-

lungen, in alle Winkel des gesellschaftlichen Lebens einzudringen, sie ist aus dem Alltag

nicht mehr wegzudenken. Ob dieser bedeutendste Medienwandel in der Entwicklung

zur Moderne, wie Wolfgang Behringer meint, die Bezeichnung einer zweiten Medienre-

volution nach der Erfindung des Buchdruckes verdiente, mag dahingestellt sein, vieles

spricht dafür.95

Am Anfang des 19. Jahrhunderts hatte das Zeitungswesen in der Pressehauptstadt

Hamburg einen Stand erreicht, der in nuce die nun folgende Entwicklung der Zeitung

Urheberrechtlich geschütztes Material. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitungen in elektronischen Systemen. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2012

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32 Holger Böning

zum Massenlesestoff enthielt. Erschienen um 1700 Zeitungen in einer Gesamtauflage

von etwa 4.000 Exemplaren, so konnte um 1800 allein der ›Correspondent‹ auf eine

gedruckte Auflage von mindestens 25–30.000 Exemplaren verweisen.96

Die ›Neue Zei-

tung‹ dürfte 1798 eine Auflage von etwas 5.000 Exemplaren gehabt haben,97

der

›Reichs-Post-Reuter‹ kam in seiner besten Zeit während des Siebenjährigen Krieges auf

eine Auflage von 13.000 Exemplaren, der ›Altonaische Mercurius‹ 1789 auf 5.000,98

und auch der Hamburger ›Relations-Courier‹ dürfte einige tausend Exemplare abgesetzt

haben. Der Redakteur des ›Deutschen Beobachters‹ nennt 1813 Auflagen zwischen

5. und 9.000. Bei einer Einwohnerzahl von etwa 155.000 einschließlich Altona und der

Hamburger Landgebiete wird man bei wiederum angenommenen 2,5 Lesern je Zeitungs-

exemplar eine Verbreitungsdichte annehmen dürfen, die Hamburg zum Vorreiter einer

allgemeinen Zeitungslektüre machte, auch wenn sich nicht genau sagen lässt, welcher

Anteil der gedruckten Zeitungen nach außerhalb versandt wurde.

Das Ablaufmodell, nach dem die deutsche Aufklärung sich erst seit den sechziger

Jahren des 18. Jahrhunderts von einer wissenschaftlich-literarischen oder publizistisch-

literarischen strukturell zu einer alle Lebensbereiche umfassenden Reformbewegung

wandelt, ist zwar Handbuchwissen, wird den tatsächlichen, in der Presse dokumentier-

ten Debatten jedoch nur sehr bedingt gerecht.99 Es ist noch einmal besonders hervorzu-

heben, dass sich ein neues Lesepublikum die außerhalb des Privaten liegenden Bereiche

des Politischen, der Wissenschaften und des moralisch-ethischen Urteilens bereits im

17. und frühen 18. Jahrhundert erobert. Daraus entsteht noch nicht sogleich eine poli-

tisch-räsonierende Öffentlichkeit, wohl aber lässt sich hier der Prozeß verfolgen, in

dem sich zum Publikum versammelte Privatleute alle die Voraussetzungen aneignen,

ohne die ein politisches Räsonnement so wenig möglich ist wie eine Öffentlichkeit, die

eigene Vorstellungen zu artikulieren beginnt. In der Zunahme der politischen Informa-

tionen liegt somit die erste und wichtigste Voraussetzung für die mit der Aufklärung

einsetzende, zunächst sehr behutsame und oft nur an Nuancen erkennbare Kritik am

absolutistischen Staat und die erste Infragestellung von dessen Legitimität. Eine frühe

literarische Öffentlichkeit hingegen, die ihre Institutionen in Kaffeehäusern, Salons

und Tischgesellschaften gefunden hätte und als Vorform einer politischen Öffentlich-

keit begriffen werden könnte, ist für die Hamburger Entwicklung nie von größerer Be-

deutung gewesen. Zwar entstand schon 1677 das erste Kaffeehaus in der Hansestadt,

1700 waren es bereits sechs, 1750 vierzehn und 1810 zweiunddreißig dieser Stätten ge-

selliger Kommunikation, zwar wurde hier zweifellos auch über Oper, Theater und Li-

teratur diskutiert, doch als wirklich gesichert kann eigentlich nur gelten, dass sie ein

Hauptort der Zeitungslektüre waren, ein Ort, dessen Besucher »eher ihren Caffee, als

die Advisen missen wollen, wenigstens keine Tasse mit Appetit trinken, wenn sie sol-

che nicht mit einigen Raisonnements über den Kulicham oder über den Großvezier

hinunterschlürfen können«.100 Paul Jakob Marperger berichtet 1726 über die Bedeu-

tung der Kaffehäuser als wichtige Nachrichtenumschlags- und Diskussionsorte. Ganz

selbstverständlich stellt er sie neben solche Plätze des geselligen Beisammenseins und

Räsonnements, die engstens mit dem neuen Medium Zeitung verbunden waren, näm-

lich die Verkaufsorte der Zeitungen wie Avisenbuden, Zeitungsläden und Zeitungs-

Urheberrechtlich geschütztes Material. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitungen in elektronischen Systemen. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2012

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Dem Bürger zur Information und Aufklärung 33

büros, die nach dem Zeitungskauf »zur Versammlung und Entretien vieler curiosen

Leute« geworden seien.101

Nächst den Zeitungen sind es die moralischen, naturkundlich-praktischen und

gemeinnützig-ökonomischen Zeitschriften und die mit ihnen verbundenen Institu-

tionen sowie die Intelligenzblätter und die weiteren Medien einer praktischen Auf-

klärung, die als Vorform und Instrument der Formierung einer politisch fungierenden

Öffentlichkeit zu begreifen sind, als entscheidendes Übungsfeld öffentlichen Räson-

nements und als Orte der Selbstaufklärung.

Für das Entstehen einer politischen Öffentlichkeit im letzten Drittel des 18. Jahrhun-

derts, mit der sich ein fast zwei Jahrhunderte dauernder Prozeß zunächst vollendet,

spielt Hamburg ebenfalls eine beispielhafte Rolle. In später niemals mehr wiederkeh-

render Intensität werden hier in der periodischen Presse – und ganz besonders auch im

Hamburger ›Correspondenten‹ die öffentlichen Angelegenheiten in einer Weise beraten,

die jeder demokratischen Gesellschaft gut zu Gesicht stehen würde. Zwar wird – cha-

rakteristisch für die deutsche Aufklärung insgesamt – der staatliche Monopolanspruch

auf öffentliche Angelegenheiten nicht ausdrücklich in Frage gestellt und vermeidet

man möglichst Konfrontationen mit der Obrigkeit, doch in der Praxis nimmt sich das

neue Publikum aller Bereiche des öffentlichen Lebens und der gesellschaftlichen Gestal-

tung in einer Weise an, dass an dem Anspruch auf tatkräftige Mitgestaltung kein Zwei-

fel bestehen kann.

ANMERKUNGEN

1 Niemand hat so nachdrücklich auf die Bedeutung des ›Correspondenten‹ hingewiesen wie

Martin Welke. Siehe dazu von ihm: Staats- und Gelehrte Zeitungen des Hollsteinischen/

Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten. Beiheft zur Microfiche-Edition. In:

Ders.: (Hrsg.): Deutsche Zeitungen von den Anfängen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts.

(Bibliothek der deutschen Sprache. Ein Korpus literarischer und wissenschaftlicher Texte in

Microform. Serie 2: Periodica). Hildesheim und New York: Olms 1977 sowie grundsätzlich

zur Bedeutung der Zeitung Ders.: Rußland in der deutschen Publizistik des 17. Jahrhun-

derts (1613–1689). In: Forschungen zur osteuropäischen Geschichte, Bd. 23, Berlin 1976, S.

105–276, sowie Ders. / Jürgen Wilke (Hrsg.): 400 Jahre Zeitung. Die Geschichte der Tages-

presse im internationalen Kontext. Bremen: edition lumière 2008. 2 Die Titel sind bibliographisch verzeichnet und inhaltlich beschrieben bei Holger Böning

(Hrsg.): Deutsche Presse. Biobibliographische Handbücher zur Geschichte der deutsch-

sprachigen periodischen Presse von den Anfängen bis 1815. Kommentierte Bibliographie

der Zeitungen, Zeitschriften, Intelligenzblätter, Kalender und Almanache sowie biographi-

sche Hinweise zu Herausgebern, Verlegern und Druckern periodischer Schriften. Bd. 1.1,

1.2, 1.3: Holger Böning/ Emmy Moepps (Bearb.): Hamburg; Bd. 2: Dies. (Bearb.): Altona,

Bergedorf, Harburg, Schiffbek, Wandsbek. Stuttgart-Bad-Cannstatt: frommann-holzboog

1996, 1996, 1996, 1997. Hinweise auf dort beschriebenen Periodika erfolgen in der Form:

(Hamburg bzw. Altona, Titel-Nr.). 3 Am Beispiels Hamburgs und zugleich zur Pressegeschichte der Stadt Holger Böning: Welt-

eroberung durch ein neues Publikum. Die deutsche Presse und der Weg zur Aufklärung.

Hamburg und Altona als Beispiel. Bremen: edition lumière 2002. Die Geschichte des Post-

wesens war lange eine kaum beachtet gebliebene Domäne von Spezialisten, bis insbesondere

die Publikationen von Martin Dallmeier und Wolfgang Behringer neue Tore aufgestoßen

Urheberrechtlich geschütztes Material. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitungen in elektronischen Systemen. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2012

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34 Holger Böning

haben: Martin Dallmeier (Hrsg.): 500 Jahre Post. Thurn und Taxis. Ausstellung anläßlich

der 500jährigen Wiederkehr der Anfänge der Post in Mitteleuropa 1490–1990. Fürstliches

Marstallmuseum Regensburg. Regensburg: Fürst Thurn und Taxis Zentralarchiv 1990;

Martin Dallmeier/Martha Schad: Das Fürstliche Haus Thurn und Taxis. 300 Jahre Geschichte

in Bildern. Regensburg: Pustet 1996; Wolfgang Behringer: Thurn und Taxis. Die Geschichte

ihrer Post und ihrer Unternehmen. München, Zürich 1990. Siehe zur Literatur auch Wolf-

gang Behringer: Bausteine zu einer Geschichte der Kommunikation. Eine Sammelrezension

zum Postjubiläum. In: Zeitschrift für Historische Forschung, 21. Jg. 1994, S. 92–112. Siehe

auch Karl Heinz Kremer: Chronik der Post in Frankfurt am Main. Hg. von Karlheinz Nickels

und Heinrich Mimberg. Frankfurt a.M.: Philabooks 2008. 4 Zum Nachrichtenwesen der Frühen Neuzeit insbesondere Wolfgang Behringer: Im Zeichen

des Merkur: Reichspost und Kommunikationsrevolution in der Frühen Neuzeit. Göttingen:

Vandenhoeck & Ruprecht 2003. Zu den handgeschriebenen Zeitungen u.a. Heiko Droste:

»Einige Wiener briefe wollen noch publiciren”. Die Geschriebene Zeitung als öffentliches

Nachrichtenmedium. In: In: Volker Bauer / Holger Böning (Hrsg.): Die Entstehung des

Zeitungswesens im 17. Jahrhundert: Ein neues Medium und seine Folgen für das Kommuni-

kationssystem der Frühen Neuzeit. Bremen: edition lumière 2011, S. 1–22, sowie Holger

Böning: Handgeschriebene und gedruckte Zeitung im Spannungsfeld von Abhängigkeit,

Koexistenz und Konkurrenz. In: ebenda, S. 23–56. 5 Vgl. J.H. Eckardt: Zur Geschichte des Zeitungwesens in Hamburg und Schleswig-Holstein

bis zum Anfang des neunzehnten Jahrhunderts. In: Börsenblatt des Deutschen Buchhan-

dels. Bd. 3 (1900). S. 978–978; S. 985–986; S. 995–1001; hier S. 987ff. 6 Carsten Prange: Die Zeitungen und Zeitschriften des 17. Jahrhunderts in Hamburg und

Altona. Ein Beitrag zur Publizistik der Frühaufklärung. Hamburg: Hans Christians 1978. S.

88 (Beiträge zur Geschichte Hamburgs Band 13). 7 Siehe dazu Arnulf Kutsch / Johannes Weber: 350 Jahre Tageszeitung. Forschungen und

Dokumente. (Presse und Geschichte – Neue Beiträge, Bd. 2) Bremen: edition lumière 2000,

2. Aufl. 2010. 8 J[ohann] M[artin] Lappenberg: Zur Geschichte der Buchdruckerkunst in Hamburg. Hamburg:

Johann August Meißner 1840, S. LXXVIII. Vgl. auch [Koehler, H.]: Das Zeitungswesen in

Hamburg. In: Die Buchdruckerkunst in Hamburg-Altona, hg. anläßlich des Stiftungsfestes

von der Innung des Hamburgischen Buchdrucker-Prinzipal-Vereins. Hamburg 1895, S. 16

und Prange (1978) S. 133 (wie Anm. 4). 9 Dazu zusammenfassend Jürgen Wilke: Grundzüge der Medien- und Kommunikationsge-

schichte. Von den Anfängen bis ins 20. Jahrhundert, Köln, Weimar, Wien: Böhlau 2000, 2.

durchgesehene und ergänzte Aufl. 2008 sowie Rudolf Stöber: Deutsche Pressegeschichte.

Von den Anfängen bis zur Gegenwart, 2., verb. u. verm. Aufl. Konstanz: UVK 2005; de-

tailliert Martin Welke: Rußland in der deutschen Publizistik des 17. Jahrhunderts (1613–

1689). In: Forschungen zur osteuropäischen Geschichte, Bd. 23, Berlin 1976, S. 105–276;

Heinz-Georg Neumann: Der Zeitungsjahrgang 1694. In: Presse und Geschichte II. Neue

Beiträge zur historischen Kommunikationsforschung. München u.a.: Saur 1987, S. 127–157

sowie Jens Gieseler / Elke Kühnle-Xemaire: Der ›Nordische Mercurius‹ – eine besondere

Zeitung des 17. Jahrhunderts? Eine sprachwissenschaftliche Untersuchung der Hamburger

Zeitung. In: Publizistik 40 (1995), H. 2, S. 163–185. 10 So dass dann am Ende einer Darbietung mehrerer Berichte der Satz stehen konnte: »Auß

diesen mag der günstige Liebhaber nehmen dass jenige so ihm geliebet / und seind wir ent-

schlossen alles Vnparteyisch / zu Relatiern.« Siehe Altonaische Relation, Jg. 1688, No. 92.

Urheberrechtlich geschütztes Material. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitungen in elektronischen Systemen. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2012

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Dem Bürger zur Information und Aufklärung 35

11 Ich folge hier den Definitionen und der ausführlichen Darstellung bei Franklin Kopitzsch:

Grundzüge einer Sozialgeschichte der Aufklärung in Hamburg und Altona. T. 1–2. Ham-

burg: Verein für Hamburgische Geschichte 1982. 2. erg. Aufl. 1990 (= Beiträge zur Ge-

schichte Hamburgs, 21), S. 191ff. 12 Vgl. beispielhaft Johannes Weber: Der große Krieg und die frühe Zeitung. Gestalt und Ent-

wicklung der deutschen Nachrichtenpresse in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. In: Jahr-

buch für Kommunikationsgeschichte 1, 1999, S. 23–61. 13 Siehe die detaillierten Zahlen, insbesondere zur sehr starken Bevölkerungsvermehrung auf

75.000 Menschen bis 1710, bei Kopitzsch (1990) S. 140f (wie Anm. 11). 14 Ein solches Blatt mit Zirkularvermerken befindet sich in der SB Berlin: Ms. germ. Fol. 740,

Blatt 85f. Dazu Ernst Consentius: Die Berliner Zeitungen bis zur Regierung Friedrichs des

Großen. Berlin: Haude & Spenerschen Buchhandlung 1904, S. 115. Zur gemeinsamen Lek-

türe von Zeitungen siehe insbesondere Martin Welke: Gemeinsame Lektüre und frühe For-

men von Gruppenbildungen im 17. und 18. Jahrhundert: Zeitungslesen in Deutschland. In:

Otto Dann (Hrsg.): Lesegesellschaften und bürgerliche Emanzipation. Ein europäischer

Vergleich. München: C.H. Beck 1981, S. 29–54. Siehe auch ders.: Die Legende vom »unpo-

litischen Deutschen«. Zeitungslesen im 18. Jahrhundert als Spiegel des politischen Interes-

ses. In: Jahrbuch der Wittheit zu Bremen. Bd. XXV (1981), S. 161–188. 15 Siehe dazu die detaillierten Ausführungen zur Hamburger Sozialstruktur bei Kopitzsch

(1990) S. 185ff (wie Anm. 11). 16 Ebenda, S. 191ff. 17 Curieuser Zeitungs-Schlüssel, Das ist, Historische Nachrichten und Erklärungen Derer in

denen wöchentlichen Zeitungen unvollkommen angezogenen Begebenheiten. Auch vorkom-

menden fremden und unbekannten Wörter. Braunschweig: Schröder 1722, Hauptvorrede. 18 Dazu u.a. Johannes Weber: Daniel Hartnack – ein gelehrter Streithahn und Avisenschreiber

am Ende des 17.Jahrhunderts. Zum Beginn politisch kommentierender Zeitungspresse. In:

Gutenberg-Jahrbuch, Mainz 1993, S. 140–158. 19 Kaspar Stieler: Zeitungs Lust und Nutz. Neudruck der Ausgabe Hamburg 1695. Hg. von

Gert Hagelweide. Bremen: Schünemann 1969 (Sammlung Dieterich, 324), S. 158. 20 Daniel Hartnack: Erachten von Einrichtung der Alten Teutschen und neuen Europäischen

Historien. Zelle / verlegts Hieronymus Friedrich Hoffmann / Buchh. / Hamburg / Ge-

druckt bey Niclas Spieringk / 1688, S. 100. 21 Johann Peter Ludewig: Vom Gebrauch und Missbrauch Der Zeitungen / Bey Eröffnung

Eines COLLEGII geführet. Anno 1700. In: ders.: Gesamte Kleine Teutsche Schriften. 3,

Halle: Renger 1705, S. 80–111, hier S. 94. 22 Stieler (1695) S. 117 (wie Anm. 19). 23 Ebenda, S. 159f. 24 Ludewig (1705) S. 109 (wie Anm. 21). In der immer häufiger werdenden Erörterung des

Für und Wider der Zeitungslektüre durch Gelehrte wie den Rechtswissenschaftler Chris-

topher Besold, den Kanzler des Grafen von Schwarzenburg-Rudolstadt Ahasver Fritsch,

den Professor für Eloquenz, Politik und Poesie am Gymnasium zu Weißenfels Christian

Weise, das Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft Kaspar Stieler oder den Verfasser

der ersten akademischen Dissertation über die Zeitungen Tobias Peucer, sieht Franz Schnei-

der den Beginn der »Selbstapprobation« des Bürgertums. Siehe Franz Schneider: Pressefrei-

heit und politische Öffentlichkeit. Studien zur politischen Geschichte Deutschlands bis 1848.

Neuwied am Rhein und Berlin: Luchterhand 1966 (= Politica. Abhandlungen und Texte zur

politischen Wissenschaft), S. 70f.; siehe weiter Jörg Jochen Berns: Zeitung und Historia. Die

historiographischen Konzepte der Zeitungstheoretiker des 17. Jahrhunderts. In: Daphnis 12,

Urheberrechtlich geschütztes Material. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitungen in elektronischen Systemen. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2012

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36 Holger Böning

1983, S. 87–110, jetzt mit anderen zeitungs- und mediengeschichtlichen Beiträgen bequem

zugänglich in Jörg Jochen Berns: Die Jagd auf die Nymphe Echo. Zur Technisierung der

Wahrnehmung in der Frühen Neuzeit. Bremen: edition lumière 2011, sowie Ina Timmer-

mann: »vernünftig raisonniren lernen«. Politische Meinungsbildung und -äußerung im Vor-

feld »bürgerlicher Öffentlichkeit« am Beispiel »zeitungstheoretischer Schriften« des 17. und

18. Jahrhunderts. In: Großbothener Vorträge, III, Bremen: edition lumière 2002, S. 33–72. 25 Dazu beispielhaft die Berichte, wie sie 1683 der polnische Edelmann Jan Chryzoston Pasek

über die konfessionell geprägte Aufnahme neuer Nachrichten vom Türkenkrieg in Danzig

gegeben hat: Jan Chryzoston Pasek: Pamietniki. Krakau 1929, S. 525f. Deutsch in: Slavische

Geisteswelt. Hg. von St[anislaw] Hafner, O[tto] Turecek und G[ünther] Wytrzens. Baden-

Baden: Holle 1959, S. 86. 26 Als erster kam der Verleger Wiering auf die Idee, die soziale Barriere herabzusetzen, die für

die Zeitungslektüre noch bestand. In seinem Verkaufsladen, genannt »Wierings Kram«, konn-

te man die Zeitungen nicht nur kaufen, sondern zum halben Preis auch lediglich lesen. In sei-

nem Epigramm »Hanselmus« hat Christian Wernicke dieser neuen Möglichkeit, die Hälfte

eines Sechlings – der reguläre Preis des ›Relations-Couriers‹ – zu ersparen, ein poetisches

Denkmal gesetzt: »Und weiss wie Wierings Krahm den Sechsling halb ersparrt«. Siehe:

Christian Wernickes Epigramme. Hg. und eingeleitet von Rudolf Pechel. Berlin: Mayer &

Müller 1909, S. 252f. 27 Dankbarkeit des Kurfürsten von Sachsen. 1637. Zitiert nach: Heinrich Hitzigrath: Die Publizistik

des Prager Friedens (1635). In: Hallesche Abhandlungen zur neueren Geschichte, H. IX. Halle

1880. 28 Zum Forschungsstand über die deutsche Flugschriftenliteratur besonders des 17. Jahrhun-

derts siehe Günter Berghaus: Die Aufnahme der englischen Revolution in Deutschland

1640–1669. Bd. 1. Studien zur politischen Literatur und Publizistik im 17. Jahrhundert mit

einer Bibliographie der Flugschriften. Wiesbaden: Harrassowitz 1989. Die deutschen Flug-

schriften der Nachreformationszeit, so heißt es hier, seien immer noch nicht systematisch

erfaßt, über ihre Bedeutung als literarisches Medium oder als politischer Informationsträger

lasse sich nach wie vor Sicheres nicht sagen. Ein wesentliches Problem bei der Erforschung

dieses Mediums scheinen nach wie vor akademische Grenzziehungen zu sein, die trotz aller

Reden von Interdisziplinarität weiterhin nur selten ignoriert werden. Selbst die einfachsten

Fragen nach Autoren, Lesern, Nachrichtenquellen, Verlegern und Druckern oder Vertrieb

sind nicht beantwortbar, was Theorien zur Öffentlichkeit dieser Zeit allerdings wenig behin-

dert hat. Auf die große Bedeutung der Flugschriftenliteratur für die städtische Öffentlich-

keit in Hamburg und zugleich auf die engste Verbindung von Zeitungen und Flugschriften

hat meines Wissens erstmals Werner Kayser aufmerksam gemacht, auf dessen brieflich ge-

gebenen Auskünften und Publikationen die hier weitergegebenen Informationen wesentlich

beruhen. Siehe insbesondere die Darstellung der Verlagstätigkeit von Thomas Wiering und

seinen Erben bei Werner Kayser: Thomas von Wiering und Erben. Ein bedeutendes Kapi-

tel hamburgischer Druckgeschichte. In: Auskunft. Mitteilungsblatt Hamburger Bibliotheken,

10. Jg., Dezember 1990, H. 4, S. 343–371. Siehe auch Andreas Gestrich: Absolutismus und

Öffentlichkeit. Politische Kommunikation in Deutschland zu Beginn des 18. Jahrhunderts.

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1994. 29 Siehe beispielsweise: Johann Frischen Historischer Tagweiser oder Anweisung dessen was

sich in der Christenheit von Tag zu Tage zugetragen hat. Altona: »in Verlegung des Autoris«

1675. Die lange vertretene Auffassung, die seit 1665 publizierte gelehrte Zeitschrift ›Journal

des Savants‹ sei »die Wurzel der gesamten wissenschaftlichen, beruflichen, fachlichen und

ernsthaften kulturellen Zeitschriften« ist für die politischen Zeitschriften unzutreffend. Ver-

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Dem Bürger zur Information und Aufklärung 37

treten wurde sie u.a. von Wilmont Haacke: Die politische Zeitschrift 1665–1965. Bd. 1–2,

Stuttgart: K.F.Koehler 1968, 1982, Bd. 1, S.120, Bd. 2, S. 15f. Siehe dazu Johannes Weber:

Götter-Both Mercurius. Die Urgeschichte der politischen Zeitschrift in Deutschland. Bre-

men: edition Temmen 1994. 30 Hier ist insbesondere die folgende Zeitschrift zu nennen: Johann Frischen Erbauliche Ruh-

stunden / Das ist: Merkwürdige und nachdenkliche Unterredungen / darin allerhand nütz-

liche und erbauliche Materien abgehandelt / zugleich auch jedesmal die vornehmste Bege-

benheiten gegenwertiger Zeiten kürtzlich eingeführet werden. Denen Liebhabern der Ge-

schichte / und anderer Curieusen Sachen / insonderheit aber der anwachsenden Jugend zu

Nutz verfertiget. Hamburg: Heuß 1676–1680. Vollständiger Titel bei: Altona, Titel-Nr. 5

sowie Hamburg, Titel-Nr. 35. 31 Der Vernünfftler. Nr. 1–100 (101?), Hamburg: Wiering 1713–1714. 32 Der Patriot. Jg. 1724–1726, Nr. 1–156. Hamburg: Johann Christoph Kißner 1724–1726.

Zur umfangreichen Forschungsliteratur siehe den von Wolfgang Martens herausgegebenen

Neudruck der Zeitschrift, Bd. 4, Berlin, New York 1984, S. 6 f. 33 Siehe Kopitzsch (1990) (wie Anm. 11). 34 Curieuser Avisen- oder Zeitungs-Schlüssel [...]. Erste Oeffnung-Zwanzigste Oeffnung. o.O.

[Braunschweig]: Schröder 1719–1722, Bandtitelblatt 1723, Vorbericht der 1. Oeffnung. 35 Ebenda, Haupt-Vorrede. 36 Andreae Westphalii Andere Probe Historischer / Genealogischer / Geographischer / Poli-

tischer / ingleichen zu dem Juri Publico, und der Literatur gehöriger Reflexionen [...]. Greifs-

wald 1723, Vorbericht, S. 2. 37 Zum Hamburger Pressewesen im 18. Jahrhundert Holger Böning: Periodische Presse. Kommu-

nikation und Aufklärung. Hamburg und Altona als Beispiel. Bremen: edition lumière 2002. 38 Siehe dazu Holger Böning: Der »gemeine Zeitungsleser« und die Veränderungen der Pres-

sestruktur im 18. Jahrhundert. Hamburg und die umliegenden Orte als Vorreiter. In: Astrid

Blome (Hrsg.): Zeitung, Zeitschrift, Intelligenzblatt und Kalender. Beiträge zur historischen

Presseforschung. Bremen: edition lumière 2000. 39 Das Geburtsjahr ist nicht bekannt. Siehe zu Holle Hermann Colshorn: Hamburgs Buch-

handel im 18. Jahrhundert. In: Aus dem Antiquariat, Jg. 1971, S. A 185–191 u. 354–364; Jg.

1773, S. A 106–116; Jg. 1774, S. A 77–86. 40 Biblia pentapla. Das ist: Die Bücher der Heiligen Schrift des Alten und Neuen Testaments.

Nach 5-facher deutscher Verdolmetschung als 1. der römisch catholischen, durch Caspar

Ulenberg, 2. der evangelisch-lutherischen, durch Martin Luther, 3. der evangelisch-refor-

mirten. durch Johann Piscator, 4. der jüdischen, im Alten Testament, des Joseph Athiae, u.

der neuen, im Neuen Testament, durch Joh. Henrich Reitzen, 5. der holländischen, auf Ver-

ordnung der Herren General Staaten. Alle mit ihren eigenen Vorr., u. Parallelen, nebst kurt-

zen Summarien u. dienlichen Reg. Martin Luther. Th. 1–3, Schiffbeck bey Hamburg: Holle

1710–1712. Aus den Jahren 1710 bis 1712 existieren Drucke mit den Druckortangaben

Wandsbek und Schiffbek. 41 Siehe Welke (1977( (wie Anm. 1). Siehe weiter Brigitte Tolkemitt: Der Hamburgische Cor-

respondent. Zur öffentlichen Verbreitung der Aufklärung. Tübingen: Niemeyer 1995 mit

weiterer Forschungsliteratur. 42 Am 1. Dezember 1730 hatte der Senat die Genehmigung zum Zeitungsdruck erteilt, wozu

es im »Extractus Protocolli« heißt: »Conclusum: Dass Georg Christian Grundt hiermit vor

der Hand auf 5 Jahre verstattet werde, eine Zeitung unter gewöhnlicher Censur allhier zu

drucken und auszugeben, gegen Entrichtung jährlich 100 Mk Cronen an die löbliche Cäm-

merey und freye Ablieferung der Zeitungen an die Hochansehnliche Membra E. Hochedl.

Urheberrechtlich geschütztes Material. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitungen in elektronischen Systemen. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2012

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38 Holger Böning

Raths auch übrige Personen, welche bishero dieselben frey gehabt haben. Jedoch hat sich

der Supplicant eines guten Styli und leserlichen Drucks auch aller Vorsichtigkeit bey deren

Abfassung zu befleissigen.« 43 Vollständiger Titel und die zahlreichen Titelwechsel bei: Hamburg, Titel-Nr. 90. Zur umfang-

reichen Literatur siehe ebenda. 44 Hamb. Correspondent, Jg. 1730, Nr. 207. 45 Der Übergabevertrag befindet sich neben weiteren Materialien im SA Hamburg: Senat Cl.

VII Lit. Lb No. 16 Vol. 2 Fasc. 5. In englischer Übersetzung und analysiert bei Joachim

Whaley: New Light on the Circulation of Early Newspapers: the Case of the ‘Hamburgischer

Correspondent’ in 1731. In: Bulletin of the Institute of Historical Research 52, No. 126,

November 1979, S. 178–187. 46 Dazu Jürgen Wilke: Nachrichtenauswahl und Medienrealität in vier Jahrhunderten. Eine

Modellstudie zur Verbindung historischer und empirischer Publizistikwissenschaft. Berlin

und New York: de Gruyter 1984. 47 Alle Zitate No. 1 vom 22. Juni 1712. Zum Gestus der »Unpartheylichkeit« siehe die auf-

schlussreichen Aufsätze von Jörg Jochen Berns: »Partheylichkeit« und Zeitungswesen. Zur

Rekonstruktion einer medienpolitischen Diskussion an der Wende vom 17. zum 18. Jahr-

hundert. In: Argument, Sonderband 10: Massen, Medien, Politik, hg. von Wolfgang F.

Haug, Berlin 1976, S. 202–233 sowie Berns (1983) S. 87-110 (wie Anm. 24). 48 Dieses Motto findet sich noch in Nr. 74 des Jahrgangs 1783 der Zeitung. 49 Siehe beispielsweise Anhänge zu No. 42, 41, 46, Jg. 1712. 50 Siehe beispielsweise die Erläuterungen zur Englandberichterstattung in No. 48, Jg. 1712, 51 Hamb. Correspondent, Jg. 1721, Nr. 28; Jg. 1723, Nr. 80. 52 Informiert sind wir über die Beschäftigung der Korrespondenten durch einen Vertrag zwi-

schen Holle und dem Hamburger Verleger Grund, der genau die Kosten aufschlüsselt, die

Druck und Korrespondenten etc. verursachen. Der Vertrag findet sich im SA Hamburg:

Senat Cl. VII Lit. Lb No. 16 Vol. 2 Fasc. 5. 53 Zur Berichterstattung des ›Correspondeten‹ vgl. Ernst Consentius: Der Zeitungsschreiber im

17. Jahrhundert. In: Deutschland – Monatsschrift für die gesamte Kultur, Bd. 6, Berlin 1905,

S. 246–251; Vorboten der Freiheit. Das Ringen um die Unabhängigkeit der Vereinigten Staa-

ten von Amerika im Spiegel der zeitgenössischen deutschen Presse. Eine Ausstellung der Ab-

teilung Deutsche Presseforschung an der Universitätsbibliothek Bremen. Bearb. von Emmy

Moepps und Martin Welke. Bremen o.J. [1976]; Rainer Postel: Von der »glücklichen Revo-

lution« zur »Mördergrube«. Die Hamburger, der ›Hamburgische Correspondent‹ und die Fran-

zösische Revolution. In: Ders. (Hg.): Hamburg und die Französische Revolution. Hamburg:

Landeszentrale für Polit. Bildung 1977, S. 7–41; Nicole Klöckner: »Staats- und Gelehrte Zei-

tung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten‹. Eine Untersuchung der politi-

schen Berichterstattung im Jahre 1806. Magisterarbeit Hamburg 1988. 54 Siehe dazu im Detail Martin Welke: »...zu Österreichs Gloria durch Publicität mitzuwircken«.

Zur Pressepolitik des Kaiserhofes im Reich im 18. Jahrhundert. In: Mediengeschichte. For-

schung und Praxis. Hg. von Wolfgang Duschkowitsch. Köln und Wien: Böhlau 1985, S.

173–193. 55 Dazu Jürgen Wilke: Die Berichterstattung über die amerikanische Revolution in der deut-

schen Presse. Untersucht am Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten (1773–

1783). In: La Révolution américaine vue par les périodiques de langue allemande 1773–

1783. Actes du Colloque 1991. Publiés sous la direction de Roland Krebs et de Jean Moes

et avec la collaboration de Pierre Grappin. Université de Metz 1992, S. 69–109. 56 Siehe: Vorboten der Freiheit (1976) besonders S. 7 (wie Anm. 53).

Urheberrechtlich geschütztes Material. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitungen in elektronischen Systemen. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2012

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Dem Bürger zur Information und Aufklärung 39

57 Siehe zu den Zeitungsredakteuren des ›Correspondenten‹ Böning (2002) S. 17ff (wie Anm.

37), sowie Ders.: »Ein wahrer philosophischer Royalist«. Gottlob Benedict von Schirach

und seine publizistische Tätigkeit. In: Von »Obscuranten« und »Eudämonisten«. Gegenauf-

klärerische, konservative und antiaufklärerische Publizisten im späten 18. Jahrhundert. Hg.

von Christoph Weiß in Zusammenarbeit mit Wolfgang Albrecht. St. Ingbert: Röhrig 1997,

S. 403–444. Dort wird gezeigt, wie einträglich diese Stellen waren. Aufschlussreich sind Briefe

Benedikt von Schirachs, der zu seinem großen Bedauern den Redakteur seines ›Politischen

Journals‹, Diedrich Heinrich Stöver, nicht mehr halten konnte, nachdem dieser eine Redak-

teursstelle beim ›Correspondenten‹ angeboten bekommen hatte. 58 Viele der Korrespondenten sind bis heute anonym geblieben. Siehe dazu detailliert Böning

(2002) (wie Anm. 37). 59 [Johann Baldrian]: Kleine Charakteristik von Hamburg. Von Einem Kosmopoliten drey

Treppen hoch. Neue mit dazu gehörigen Anmerkungen vermehrte Ausgabe. Hamburg und

Leipzig: o.V. 1783, S. 71 f. 60 Gebhard Friedrich August Wendeborn: Erinnerungen aus seinem Leben. Hg. von C.D.

Ebeling. Hamburg: Bohn’sche Buchhandlung 1813, S. 291. 61 Joachim v. Schwarzkopf: Politische Zeitungen und Intelligenzblätter in der freyen Reichsstadt),

S. 314–337, Hamburg. Im July 1801. In: Hanseatisches Magazin, Bd. 6, H. 2 (1804hier S. 324. 62 Ernst Baasch: Geschichte des Hamburgischen Zeitungswesens von den Anfängen bis 1914.

Hamburg: Friederichsen, de Gruyter & Co. 1930, S.7. 63 Hamburgischer Correspondent. Festnummer zum 150jährigen Bestehen, Hamburg 1881. 64 Irene Jentsch: Zur Geschichte des Zeitungslesens in Deutschland am Ende des 18. Jahrhun-

derts. Mit besonderer Berücksichtigung der gesellschaftlichen Formen des Zeitungslesens.

Diss. Leipzig 1937, S. 48. 65 Schwarzkopf (1804) S. 324 (wie Anm. 61). 66 Baldrian (1783) S. 71f (wie Anm. 59). 67 Vollständiger Titel und weitere Literatur bei: Hamburg, Titel-Nr. 650. 68 Die Herausgabe begann am 30. November 1789 mit der Nr. 177 des ›Correspondenten‹

vom 6. November 1789. Die Übersetzung trug Numerierung und Datierung des Originals,

begann aber mit einer eigenen Paginierung. 69 Vollständiger Titel und Literatur bei: Hamburg, Titel-Nr. 785. Siehe auch: Catalogue collec-

tif des Périodiques, T. 2, Paris 1973, S. 691. 70 Siehe F[riedrich] L[orenz]) Hoffmann: La presse périodique française à Hambourg depuis

1686 jusqu’en 1848. In: Bulletin du bibliophile belge. Ser. 2, T. 1. Bruxelles 1854, S. 409–438. 71 So zuletzt Tolkemitt (1995) S. 20 (wie Anm. 41). 72 So ist im ›Relations-Courier‹ Nr. 37, Jahrgang 1682, zu lesen: »Hierbey der 45. Bogen der so

genandten Curiosen Relationen«. Vollständiger Titel dieser Zeitschrift bei: Hamburg, Titel-

Nr. 42. 73 Vollständiger Titel bei: Hamburg, Titel-Nr. 55. 74 Europäische Relation, Jg. 1696, No. 61 und 65 sowie gleichlautend im Altonaer ›Relations-

Courier‹ von Heinrich Heuß Jg. 1696, No. 27. 75 Vollständiger Titel bei: Altona, Titel-Nr. 9. 76 No. 1 des ›Correspondenten‹ vom 22. Juni 1712. 77 Eilfertiges Send-Schreiben an den Naupotamier, oder Schiff-beckischen Gazettier, Wegen

einiger so genanten Staats-Gelehrten und ordinairen Zeitungen des Hollsteinischen unpar-

theyischen Correspondenten, eingerückter Passagen von dem in Rostock neulichst heraus

gekommenen Journale, Ausgefertiget von einem jungen Studenten in Rostock. Anno 1722.

Vgl. auch (J. D. Naehmzow): Extract aus der am XIten Januarii, anno 1723. Von S. T. Herrn

Urheberrechtlich geschütztes Material. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitungen in elektronischen Systemen. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2012

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40 Holger Böning

M. Phil. Frid. Hanen, Mecklenb. in Rostock Gehaltenen Lection über die Vorgängige Nach-

richt, von den Gelehrten Artickel in der Schiffbeckischen Gazette, Wie selbige dazumahlen

nachgeschrieben, nunmehro aber allen unpartheyischen und curieusen Lesern zu gefallen

öffentlich zum Druck befordert. Von einem gegenwärtig gewesenen und inwendig ge-

nandten Auditore. Anno 1723. 78 Angaben nach: Deutsches Biographisches Archiv. Eine Kumulation aus 254 der wichtigsten

biographischen Nachschlagewerke für den deutschen Bereich bis zum Ausgang des 19. Jahr-

hunderts. Hg. von Bernhard Fabian. Bearb. unter der Leitung von Willi Gorzny. München

u.a.. Saur 1982–1983 [Mikrofiches]. Künftig zitiert als: DBA. 79 Weichmann verstarb 1769 in Wolfenbüttel. Vgl. zu seiner Biographie: ADB LV, 8 und neben

anderen Elger Blühm: Christian Friedrich Weichmann. Redakteur des Schiffbeker ‘Corres-

pondenten’. In: Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte 53 (1967), S. 69–78. 80 Hamburg, Titel-Nr. 110; Jörg Scheibe: Der ‚Patriot’ (1724–1726) und sein Publikum. Unter-

suchungen über die Verfasserschaft und die Leserschaft einer Zeitschrift der frühen Aufklä-

rung. Göppingen: Kümmerle 1973, sowie Kopitzsch (1990) S. 268f (wie Anm. 11). 81 Kurze Nachricht / wie es künftig mit dem gelehrten Artikel der Holsteinischen Zeitungen

wird gehalten werden / nebst andern diesen Artikel betreffenden Erinnerungen. Beilage zu

Nr. 108 des Jahrgangs 1722. 82 Detaillierter zu den Leistungen Weichmanns: Blühm (1967) (wie Anm. 79). 83 Dazu im einzelnen bei Böning (2002) (wie Anm. 37). 84 Siehe beispielsweise Hamb. Correspondent Jg. 1737, Nr. 162 oder Jg. 1747, Nr. 1. 85 Die Schriften aus den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts, in denen prinzipielle Kritik

am Gelehrten Artikel geübt wurde, sind verzeichnet bei: Hamburg, Titel-Nr. 90. 86 Zu allen diesen Themenbereichen im gelehrten Teil und ebenso zur Literaturkritik des ›Cor-

respondenten‹ detailliert: Tolkemitt (1995) (wie Anm. 41). 87 Hamb. Correspondent, Jg. 1765, Nr. 27. 88 So 1801 ein Anonymus in der Zeitschrift ›Hamburg und Altona‹, Bd. 1, 1801, S. 205 f. 89 Theodor Wotschke (Hg.): Johann Dietrich Wincklers Briefe an Joh. Christian Bartholomäi

und Christian Wilhelm Schneider. Ein Beitrag zur Geistesgeschichte Hamburgs in der Auf-

klärungszeit. In: Zeitschrift für Hamburgische Geschichte 37 (1938), S. 35–99, S. 53. 90 Ebenda, S. 61f. 91 Siehe Böning (2002) S. 267ff. (wie Anm. 35). 92 Ebenda, S. 280ff. 93 Skizzen zu einem Gemälde von Hamburg [Vollständiger Titel bei: Hamburg, Titel-Nr. 810].

Hamburg: »bey Friedrich Hermann Nestler« 1800–1804, H. 1, S. 44 ff. 94 Niedersächsisches Taschenbuch auf das Jahr 1801 [Vollständiger Titel bei: Hamburg, Titel-

Nr. 835], Jg. 1801, Hamburg: »bey A[ugust] Campe in Commission« [1800], S. 46f. 95 Siehe Behringer (2003) (wie Anm. 4). 96 Nach der Festnummer zum 150jährigen Bestehen, Hamburg 1881, soll das Blatt 1803 gar

50.000 Abonnenten gehabt haben, eine Zahl, die in zeitgenössischen Angaben keine Bestä-

tigung findet. Weitere Zahlen bei: Hamburg, Titel-Nr. 90, und Tolkemitt (1995) S. 30f (wie

Anm. 41). 97 Baasch (1930) S. 10 (wie Anm. 62). 98 Johann Hermann Stoever (u.d. Pseud.: Qintus Aemilius Publicola): Niedersachsen. In seinem

neuesten politischen, civilen und litterarischen Zustande. Ein in der Lüneburger Haide gefun-

denes merkwürdiges Reisejournal. Bdch. 1–3. Rom 1789, Bd.1, S. 215. 99 Siehe Jürgen Habermas: Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kate-

gorie der bürgerlichen Gesellschaft, 7. Aufl., Neuwied und Berlin: Suhrkamp 1975 sowie

Urheberrechtlich geschütztes Material. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitungen in elektronischen Systemen. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2012

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Dem Bürger zur Information und Aufklärung 41

Neuauflage 1990. Zur inzwischen fast unüberschaubaren Debatte über den Öffentlich-

keitsbegriff und den Strukturwandel der Öffentlichkeit siehe Carl. A. Hoffmann: »Öffent-

lichkeit« und »Kommunikation« in den Forschungen zur Vormoderne. Eine Skizze. In: Carl

A. Hoffmann / Rolf Kießling (Hg.): Kommunikation und Region. Konstanz: UVK 2001, S.

69–110. Siehe auch: Hans-Wolf Jäger (Hg.): »Öffentlichkeit« im 18. Jahrhundert. Göttingen:

Wallstein 1997. 100 So in: Altonaischer Mercurius, Jg. 1742, No. 71. 101 Siehe Paul Jakob Marperger 1726, in: Elger Blühm; Rolf Engelsing (Hg.): Die Zeitung. Deut-

sche Urteile und Dokumente von den Anfängen bis zur Gegenwart. Bremen: Schünemann

1967, S. 95.

Zusammenfassung

Der Aufsatz behandelt am Beispiel der ›Staats- und Gelehrten Zeitung des Hamburgi-

schen unpartheyischen Correspondenten‹ die Entstehung eines neuartigen, von den

Zeitgenossen als vorbildlich empfundenen journalistischen Konzeptes, das die Ham-

burger Zeitung zum erfolgreichsten deutschen Nachrichtenblatt werden ließ. Untersucht

wird die politische Berichterstattung ebenso wie die Bedeutung des gelehrten Teiles der

Zeitung für die Verbreitung aufklärerischer Ideen in Deutschland.

Summary

Taking the ›Staats- und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Corre-

spondenten‹ as an example, the article deals with the arising of a fresh journalistic con-

cept, which was regarded as a model by its contemporary customers and made the news-

paper the most successful and most widely circulated one in 18th century Germany. The

investigation looks into the newspaper‘s political reports and also its learned articles,

which were of utmost importance for spreading the ideas of Enlightenment in Germany.

Korrespondenzanschrift

Prof. Dr. phil. habil. Holger Böning, Bibliotheksstraße (Poststelle SuUB), Postfach 330

160, 28359 Bremen

Email: [email protected]

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