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EINFÜHRUNG IN DAS VERGABERECHT
Prof. Dr. Jürgen KühnenVorsitzender Richter am OLG
Gegenstand des Vergaberechts
Beschaffung von Gütern sowie Bau-
und Dienstleistungen
durch die öffentliche Hand
durch den Abschluss
privatrechtlicher Verträge
Ziel des Vergaberechts
Gleichbehandlung der Unternehmen
bei der öffentlichen Auftragsvergabe
sparsame und wirtschaftliche
Haushaltsführung
Prof. Dr. Jürgen KühnenVorsitzender Richter am OLG
Regelungsinhalt des Vergaberechts:
Welche Beschaffungsvorgänge unterfallen dem Vergaberecht?
(Wer ist die „öffentliche Hand“? Müssen bestimmte Auftragssummen überschritten sein?)
Gibt es Regeln für die Ausschreibung und die Auftragsvergabe?
Gibt es Möglichkeiten eines Rechtsschutzes?
Prof. Dr. Jürgen KühnenVorsitzender Richter am OLG
Vergabekoordinierungsrichtlinie (VKR)
Sektorenkoordinierungsrichtlinie (SKR)
Rechtsmittelrichtlinie (RMR)
Sektorenrechtsmittelrichtlinie (SRMR)
Europäisches Recht
Prof. Dr. Jürgen KühnenVorsitzender Richter am OLG
Art. 288 III AEUV
Vergabekoordinierungsrichtlinie
• Vergabe von Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge
Sektorenkoordinierungsrichtlinie
• Vergabe durch öffentliche Auftraggeber im Bereich Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung
Rechtsmittelrichtlinie
• Rechtsschutz im Wege von Nachprüfungsverfahren
Sektorenrechtsmittelrichtlinie
• Nachprüfungsverfahren im Sektorenbereich Prof. Dr. Jürgen Kühnen
Vorsitzender Richter am OLG
Nationales RechtUmsetzung der europäischen Richtlinien
KaskadenprinzipG
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(G
WB
)§§ 97 – 101 b GWB
Vergabegrundsätze, Vergabearten, Definition des öffentlichen Auftraggebers
§§ 102 – 124 GWB
Nachprüfungsverfahren und Beschwerdeverfahren
§§ 125 – 129 b GWB
Kosten, Schadensersatz etc.Prof. Dr. Jürgen Kühnen
Vorsitzender Richter am OLG
I.
Prof. Dr. Jürgen KühnenVorsitzender Richter am OLG
II.
Ve
rga
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rord
nu
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(V
gV
)Schwellenwerte und Schätzung
der Auftragswerte
Bekanntmachungspflichten, elektronische Auftragsvergabe,
ausgeschlossene Personen
Verweis auf die jeweils einzuhaltenden Abschnitte der
VOB, VOL, VOF
Prof. Dr. Jürgen KühnenVorsitzender Richter am OLG
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Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB)
- VOB(A)
- Abschnitt 1: Basisparagraphen
- Abschnitt 2: a-Paragraphen (Umsetzung der VKR)
Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL)
- VOL/A
- Abschnitt 1: Vergabe von Leistungen
- Abschnitt 2: EG-Paragraphen (Umsetzung der VKR)
Vergabeordnung für freiberuflicheLeistungen (VOF)
III.
Prof. Dr. Jürgen KühnenVorsitzender Richter am OLG
IV.
Sekt
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(S
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VO
)
Vergabe von Aufträgen im Bereich des Verkehrs, der
Trinkwasserversorgung und der Energieversorgung
erfasst wird die Vergabe von Bau-, Liefer- und
Dienstleistungsaufträgen
durch Auftraggeber nach
§ 98 Nr. 1 – 4 GWB
und Erreichen der EU-Schwellenwerte (§ 1 II
SektVO)
Prof. Dr. Jürgen KühnenVorsitzender Richter am OLG
Grundsätze des Vergabeverfahrens nach § 97 GWB
Beschaffung von Waren, Bau- und Dienstleistungen im Wettbewerb, § 97 I GWB
Durchführung eines transparenten Vergabeverfahrens, § 97 I GWB
Gleichbehandlung aller Teilnehmer, § 97 II GWB
Berücksichtigung mittelständischer Interessen durch Losbildung, § 97 III GWB
Vergabe an fachkundige, leistungsfähige und gesetzestreueUnternehmen, § 97 IV 1 GWB
MAXX1S IPOD
Prof. Dr. Jürgen KühnenVorsitzender Richter am OLG
Sachverhalt:
- Stadt H hat die Lieferung von Kopiertechnik für die Schul-verwaltung ausgeschrieben
- 5 Bieter geben ein Angebot ab
- Firma A bietet der H sog. Rebuild-Geräte an (Verwendung von Fertigbau-teilen, so dass die Produktionskosten niedriger sind als bei einem Neu-gerät
- Mitbewerber haben Neugeräte angeboten
- H hat das Angebot der A nicht berücksichtigt.
Zu Recht?
Fall 1
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Fall 2Sachverhalt:
- Stadt V möchte ihren Flughafen ausbauen und schreibt entsprechende Erd- und Bauarbeiten aus
- Vor Angebotsabgabe besichtigt einer der Bieter, die A-GmbH, den be-treffenden Teil des Flughafengeländes
- Dabei erklärt ein Vertreter der Stadt V, dass eine bestimmte – derzeit nochvorhandene - Erdaufschüttung beseitigt werde und die Kosten hierfür nicht in das Angebot einzubeziehen seien
- Die anderen Bieter wurden hierüber nicht informiert
- A-GmbH bietet ohne die beschriebenen Erdarbeiten zum Preis von 1 Mio. Euro an, der Mitbewerber mit den Erdarbeiten zu 1,15 Mio. Euro
- Stadt V möchte beide Angebote werten, und zwar ohne die Position fürErdaufschüttung.
Zu Recht?
Prof. Dr. Jürgen KühnenVorsitzender Richter am OLG
Öffentlicher Auftraggeber
geregelt in § 98 GWB
maßgeblich ist der funktionale Auftraggeberbegriff:
- nicht erforderlich ist eine öffentlich-rechtliche Organisationsform
- entscheidend ist die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben
Gebietskörperschaften(§ 98 Nr. 1 GWB)
funktionale Auftraggeber(§ 98 Nr. 2 GWB)
Verbände (Zweck- und Spitzenverbände)(§ 98 Nr. 3 GWB)
Sektorenauftraggeber(§ 98 Nr. 4 GWB)
Auftraggeber öffentlich ge-förderter Projekte(§ 98 Nr. 5 GWB)
private Baukonzessionäre(§ 98 Nr. 6 GWB)
Prof. Dr. Jürgen KühnenVorsitzender Richter am OLG
§9
8 N
r. 1
GW
B Gebietskörperschaften
(Bund, Länder, Kommunen)
Sondervermögen der Gebietskörperschaften
Anstalten und Stiftungen
Prof. Dr. Jürgen KühnenVorsitzender Richter am OLG
§9
8 N
r. 2
GW
Bjuristische Personen des
öffentlichen Rechts oder des Privatrechts,
die zur Erfüllung von nichtgewerblichen Aufgaben im
Allgemeininteresse gegründetwurden
und durch die öffentliche Hand beherrscht werden
(Geschäftsanteile, Finanzierung)
ohne Gewinnerzielungsabsicht
Aufgaben, die hoheitliche Be-fugnissse bzw. die Wahrnehmungder Belange des Staates betreffen
Staatsnähe aufgrund einer maß-geblichen Beteiligung, derüberwiegenden Finanzierung oder einer staatlichen Aufsicht
Anhang III der Vergabekoordinierungsrichtlinieenthält eine – nicht abschließende – Liste vonÖffentlichen Auftraggebern !
Prof. Dr. Jürgen KühnenVorsitzender Richter am OLG
§98 N
r. 3
GW
B
Verbände
Insbesondere Zweck-und Spitzenverbände
z.B. Städte- und Landkreistage
§98 N
r. 4
GW
B Sektorenauftraggeber:
Auftraggeber nach § 98 Nr. 1 – 4 GWB im Bereich Wasser-, Energie- und
Verkehrsversorgung
die entweder vom Staat beherrscht werden
oder denen zur Ausübung ihrer Tätigkeit besondere Rechte verliehen worden sind
(Monopolstellung, Wegerechte, Anschluss-und Benutzungszwang)
Prof. Dr. Jürgen KühnenVorsitzender Richter am OLG
§ 98 Nr. 5 GWB
•Auftraggeber im Bereich öffentlich geförderter Projekte
•Sinn: es macht keinen Unterschied, ob der öffentliche Auftraggeber selbst beauftragt oder er einen Dritten subventioniert, der seinerseits beauftragt
§ 98 Nr. 6 GWB
•Baukonzession (zum Begriff siehe § 99 VI GWB)
Prof. Dr. Jürgen KühnenVorsitzender Richter am OLG
Öffentlicher Auftrag (§ 99 I GWB)
entgeltliche Verträge
zwischen einem öffentlichen Auftraggeber und einem
Unternehmen
zur Beschaffung von Bau-, Liefer- oder Dienstleistungen
sowie Auslobungsverfahren
und Baukonzessionen
Prof. Dr. Jürgen KühnenVorsitzender Richter am OLG
Fall 3Sachverhalt:
- Stadt B schließt mit der A-GmbH einen Rahmenvertragzur Entwicklung und Errichtung wirtschaftlicher und touristischer Infrastrukturprojekte
- Vertrag: Zusammenarbeit der Vertragspartner, um die Stadt zu einemKurort zu entwickeln
- Konkrete Projekte enthält der Rahmenvertrag nicht
- eine Ausschreibung ging dem Vertragsschluss nicht voraus
- B-GmbH hält das für rechtswidrig
Prof. Dr. Jürgen KühnenVorsitzender Richter am OLG
Auftragsarten:
Bauauftrag (§ 99 III GWB)
- Herstellung, Instandhaltung, Änderung oderBeseitigung einer baulichen Anlage
- Vertrag über die Ausführung eines solchen Bauvorhabens
- Vertrag über die Planung + Ausführung eines solchen Bauvorhabens
- Bauträgerverträge
- nicht: der Verkauf eine Grundstücks mit der Maßgabe seiner Bebauung im Rahmen einer geordneten städtebaulichen Entwicklung(es fehlt an der Beschaffung einer Bauleistung)
- erfasst werden sowohl Tiefbauarbeiten als auch Hochbauarbeiten
Baukonzession (§ 99 VI GWB)
Bauauftrag, bei dem die Gegenleistung in dembefristeten Recht auf Nutzung der Anlage - ggfs.zzgl. einer Entgeltzahlung - besteht
Prof. Dr. Jürgen KühnenVorsitzender Richter am OLG
Lieferauftrag (§ 99 II GWB)
- Verträge zur Beschaffung von Waren
- Waren sind alle beweglichen Sachen, die einen Geldwert haben und Gegenstand eines Handelsgeschäfts sein können
- Aufzählung in § 99 II 1 GWB nicht abschließend
Dienstleistungsauftrag (§ 99 IV GWB)
- Auffangtatbestand
- alles, was weder Bauauftrag noch Lieferauftrag ist, so dass nicht nurDienstverträge iSv § 611 BGB erfasst werden
- erfasst werden gewerblich wie freiberuflich erbrachte Dienste
- Dienstleistungskonzessionen unterfallen nicht dem Vergaberecht
Prof. Dr. Jürgen KühnenVorsitzender Richter am OLG
Auslobungsverfahren (§ 99 V GWB)
- dienen der Vorbereitung der Vergabe einesDienstleistungsauftrags
- sollen dem öffentlichen Auftraggeber zu einem Plan verhelfen, z.B. Architektenwettbewerb
Gemischte Verträge (§ 99 X - XIII GWB)
- maßgeblich ist der Schwerpunkt des Vertrages (was prägt denVertragsinhalt, welches Vertragsziel ist primär?), § 99 XI GWB
- Dienstleistungsauftrag, wenn der Wert der Dienstleistungen den Wertder Waren übersteigt, § 99 X 1 GWB
- Dienstleistungsauftrag, wenn die Bauleistungen im Verhältnis zum Hauptgegenstand Nebenarbeiten sind, § 99 X 2 GWB
- ist ein Hauptgegenstand nicht feststellbar, ist der Auftrag nach denBestimmungen zu vergeben, die für Auftraggeber nach § 98 Nr. 1- 3 GWB gelten, § 99 XII GWB
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Schwellenwerte:
§ 100 I GWB: Vergaberecht gilt nur für Aufträge, deren Auftragswerte bestimmteSchwellenwerte erreichen oder übersteigen
Schwellenwerte sind geregelt in § 2 VgV
§ 2 I und II VgV enthält eine dynamische Verweisung auf dieEU-Vergaberichtlinien
- Liefer- und Dienstleistungsaufträge der obersten und oberen Bundesbe-hörden: 134.000 Euro
- Liefer- und Dienstleistungsaufträge im Sektorenbereich: 414.000 Euro
- alle anderen Liefer- und Dienstleistungsaufträge: 207.000 Euro
- Bauaufträge: 5.186.000 Euro
- Auslobungsverfahren: Schwellenwert des erstrebten Dienstleistungsauf-trags
- für losweise Vergabe: 80.000 Euro – 1 Mio. Eurobzw. ab 20 % des Gesamtwertes aller Lose
Prof. Dr. Jürgen KühnenVorsitzender Richter am OLG
Bedeutung der Schwellenwerte:
Zweiteilung des Vergaberechts:
Aufträge, die die maßgeblichen Schwellenwerte erreichen oder Übersteigen (vgl. § 100 I GWB):
Ermittlung des Schwellenwertes
- aufgrund einer seriösen Schätzung nach § 3 VgV
- bei Einleitung des Vergabeverfahrens (§ 3 IX VgV)
- Umgehungsverbot - es untersagt die künstliche Aufspaltung eines Auftrags mit dem Ziel, den Schwellenwert zu unterschreiten (§ 3 II VgV)
- Pflicht zur europaweiten Ausschreibung
- Geltung der vergaberechtlichen Bestimmungen
Aufträge, die die maßgeblichen Schwellenwerte nicht erreichen:
- keine Pflicht zur europaweiten Ausschreibung
- keine Geltung der vergaberechtlichen Bestimmungen, sondern nur des Haushaltsrechts
- maßgeblich ist der Netto-Auftragswert (§ 2 I VgV)
Prof. Dr. Jürgen KühnenVorsitzender Richter am OLG
Offenes Verfahren (§ 101 II, VII 1 GWB)
•eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmen wird öffentlich zur Angebotsabgabe aufgefordert
•vorrangiges Verfahren, sofern nicht das GWB etwas anderes bestimmt
Nichtoffenes Verfahren (§ 101 III GWB)
•zweistufiges Vergabeverfahren•1. Stufe: öffentlicher Teilnahmewettbewerb•2. Stufe: beschränkte Ausschreibung
Verhandlungsverfahren (§ 101 V GWB)
•Verhandlungen mit ausgewählten Unternehmen, um über Auftragsbedingungen und Vertragsinhalt zu verhandeln
Wettbewerblicher Dialog (§ 101 IV GWB)
•Aufforderung zur Teilnahme•anschließend Verhandlungen über alle Einzelheiten des Auftrags mit
ausgewählten Unternehmen
Arten der Vergabe im Schwellenwert-bereich:
Prof. Dr. Jürgen KühnenVorsitzender Richter am OLG
Fall 4Sachverhalt:
- Stadt T möchte ihr Jugendheim modernisieren
- Sie schreibt die entsprechenden Bauarbeitenbeschränkt (ohne Teilnahmewettbewerb) aus
- 5 Unternehmen werden zur Angebotsabgabe aufgefordert
- T will an den preisgünstigsten Bieter A vergeben
- Dagegen wendet sich Bieter B, der zu einem um 5 % höheren Preis angeboten hatte
Mit Recht?
Prof. Dr. Jürgen KühnenVorsitzender Richter am OLG
Rangfolge der Vergabearten:
Es gilt grundsätzlich eine strenge Hierarchie der Vergabe-arten, d.h.
- das Offene Verfahren hat Vorrang vor dem Nichtoffenenund das Nichtoffene Verfahren geht dem Verhandlungsverfahren vor(vgl. § 3 EG Abs. 2 – 4 VOB/A, § 3 EG Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VOL/A)
- aber: Kein Vorrang des Verhandlungsverfahrens vor dem Wettbewerb-lichen Dialog
- freiberufliche Leistungen werden ausschließlich im Verhandlungsver-fahren vergeben (§ 3 I VOF)
- Sektorenauftraggeber können zwischen Offenem Verfahren, Nicht-offenem Verfahren und Verhandlungsverfahren wählen (§ 107 VII 2 GWB)
Prof. Dr. Jürgen KühnenVorsitzender Richter am OLG
§§ 4 – 6 VgV regelt im Einzelnen, welcher Auftraggeber nach § 98 Nr. 1 – 6 GWB bei welchen Aufträgen welche Vergabe- und Vertragsordnung in welchem Abschnitt(VOB/A, VOL/A, VOF) anzuwenden ha:
Auftraggeber nach § 98 Nr. 1 – 3 GWB bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen
• VOL/A 2. Abschnitt (EG-Paragraphen), § 4 I VgV
Auftraggeber nach § 98 Nr. 1 – 3 und 5 GWB bei freiberuflichen Leistungen
• VOF, § 5 VgV
Auftraggeber nach § 98 Nr. 1 – 3, 5 und 6 GWB bei Bauaufträgen
• VOB/A 2. Abschnitt (EG-Paragraphen), § 6 I VgV, § 1 a EG VOB/A
Prof. Dr. Jürgen KühnenVorsitzender Richter am OLG
Erstellung der Vergabeunterlagen (Leistungsbeschreibung +
Vertragsbedingungen)
Bekanntmachung der Ausschreibung
Angebotsabgabe
Prüfung und Wertung der eingegangenen Angebote
Auftragsvergabe (Zuschlag)
Ablauf eines Offenen Vergabeverfahrens:
Prof. Dr. Jürgen KühnenVorsitzender Richter am OLG
Erstellung der Vergabeunterlagen (Leistungsbeschreibung +
Vertragsbedingungen)
Bekanntmachung der Ausschreibung
Übersendung der Vergabeunterlagen an die
Bewerber
Auswahl der Bewerber, die zur Angebotsabgabe aufgefordert
werden
Prüfung und Wertung der Angebote
Auftragsvergabe (Zuschlag)
Ablauf eines Nichtoffenen Verfahrens:
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Ablauf des Verhandlungsverfahrens:
Aufforderung einzelner Unternehmen zu Vertragsverhandlungen
oder
Bekanntmachung des Vergabeverfahrens mit
anschließender Teilnehmerauswahl
Verhandlungsphase
Angebotsphase
Prüfung und Wertung der Angebote am Ende der letzten Verhandlungsrunde
Auftragsvergabe (Zuschlag)
Prof. Dr. Jürgen KühnenVorsitzender Richter am OLG
Leistungsbeschreibung:
legt Inhalt und Umfang der anzubietenden Leistungfest (Klarheit im Vergabeverfahren + bei der Vertrags-abwicklung)
gewährleistet ein faires Vergabeverfahren
ist Grundlage für die Vergütung des künftigen Auftragnehmers
Anforderungen an die Leistungsbeschreibung:
Leistung muss eindeutig und so erschöpfend beschrieben werden, dass alle Bewerber die Beschreibung in einem gleichen Sinn ver-stehen und ihre Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten berechnen können, § 7 I Nr. 1 VOB/A, § 7 I VOL/A, § 8 EG I VOL/A
- unzulässig sind unvollständige, missverständliche oder widersprüchliche Angaben
- unzulässig ist es, wenn der Bieter die Leistung aus den Vergabeunter-lagen „zusammensuchen“ muss
Prof. Dr. Jürgen KühnenVorsitzender Richter am OLG
Maßstab für die Beurteilung der Eindeutigkeit und Vollständigkeit ist der Empfängerhorizont, also dasVerständnis eines durchschnittlichen und mit der Art der Ausschreibung vertrauten (fachkundigen)Bieters
Auftraggeber muss sich so klar wie möglich ausdrücken, damit alleBieter die Angaben objektiv im gleichen Sinn verstehen müssen undvergleichbare Angebote abgeben können
- ratsam ist die Verwendung verkehrsüblicher Bezeichnungen
Auftraggeber muss nicht nur die ausgeschriebene Leistung exaktund umfassend beschreiben, sondern auch alle die Preisermittlungbeeinflussenden Umstände angeben, § 7 I Nr. 2 VOB/A
- bei Bauleistungen z.B. die Boden- und Wasserverhältnisse, vorhandeneKontaminationen, Zufahrtsprobleme
- lässt sich der Sachverhalt (noch) nicht klären und ist deshalb die Not-wendigkeit von bestimmten Leistungen unklar,können nach § 7 I Nr. 4 VOB/A Bedarfs- und Eventualpositionen in die Leistungsbeschreibung aufgenommen werden
Prof. Dr. Jürgen KühnenVorsitzender Richter am OLG
dem Auftragnehmer darf kein ungewöhnliches Wagnis für Umstände und Ereignisse aufgebürdetwerden, auf die er keinen Einfluss hat und derenEinwirkung auf die Preise und Fristen er nicht imVoraus abschätzen kann, § 7 I Nr. 3 VOB/A
- Ausschluss von Preisgleitklauseln bei langer Laufzeit des Bauvertrages
- Risiko nachteiliger Boden- oder Wasserverhältnisse wird auf den Auftrag-nehmer abgewälzt
- Ausschluss von Nachforderungen des Auftragnehmers, wenn sich späterUnklarheiten oder Irrtümer in der Leistungsbeschreibung herausstellen
- vom Auftragnehmer wird ein Anerkenntnis gefordert, dass der Pauschalpreis auch Arbeiten enthält, die sich nicht aus der Leistungsbe-schreibung ergeben
unklar, ob das vg. Verbot auch bei der Vergabe von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen gilt, nachdem eine § 7 I Nr. 3 VOB/A ent-sprechende Vorschrift in der VOL/A gestrichenworden ist
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Fall 5Sachverhalt:
- Kreisfreie Stadt K hat die Einsammlung + Verwertungder Papierabfälle im offenen Verfahren nach der VOL/A ausgeschrieben
- Nach der Leistungsbeschreibung hat der Bieter die Einsammlung +Verwertung aller anfallenden Papierabfälle zu garantieren, ohnedass ihm eine Mindestmenge garantiert wird
- K weist in den Vergabeunterlagen auch auf die Möglichkeit ge-werblicher Papiersammlungen nach § 13 KrW-/AbfG hin
- Gewerbliche Papiersammlungen können nur bei existentiellerGefährdung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungssystems untersagt werden
- Bieter A hält die Ausschreibung für rechtswidrig, weil sie offen lasse,ob nach Zuschlagserteilung gewerbliche Papiersammlungenuntersagt werden
Prof. Dr. Jürgen KühnenVorsitzender Richter am OLG
die ausgeschriebene Leistung muss produktneutralbezeichnet werden, § 7 VIII VOB/A, § 8 EG II VOL/A
- Chancengleichheit aller Bieter
- diskriminierungsfreie Auftragsvergabe
- Verhinderung von Zuwendungen an den Auftraggeber
- Sicherung der Wirtschaftlichkeit
Ausnahme: Hinweise auf bestimmte Hersteller und Produkte erlaubt, wenn der Auftragsgegenstand anders nichthinreichend genau und allgemein verständlich be-schrieben werden kann + der Zusatz „oder gleich-wertig“ erfolgt
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Fall 6Sachverhalt:
- Stadt F will die marode Fassade des städtischen Gymnasiums erneuern lassen
- Sanierungsarbeiten werden öffentlich ausgeschrieben
- ein Teil der Arbeiten werden produktbezogen ausgeschrieben, u.a.„Türschließer Marke G 1000 oder gleichwertig“ und „wärmegedämmte
Fenster der Marke Sun Protect Modell R 40 oder gleichwertig“.
Ist das zulässig ?
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Bildung von Losen:
Los ist der Teil einer ausgeschriebenen Gesamtleistung
es können Teillose (mengenmäßige oder räumlicheTeilung) und Fachlose (Trennung nach Fachgebieten) gebildet werden, § 97 III GWB
Losbildung muss bereits in der Bekanntmachung angegeben werden
es besteht grundsätzlich die Pflicht, die ausgeschriebene Leistung nach Losen zu vergeben, § 97 III 1 GWB
Ausnahme: entgegenstehende wirtschaftliche oder technische
Gründe, § 97 III 2 GWB (Wunsch nach einheitlichen Verjährungsfristen, einem geringen Koordinierungs-aufwand oder einem kostengünstigen Vergabever-fahren reicht nicht)
Beispiel: Notwendigkeit der Leistungserbringung durch über-regional tätige Unternehmen
Prof. Dr. Jürgen KühnenVorsitzender Richter am OLG
Fall 7Sachverhalt:
- Stadt G möchte eine Kaufmännische Berufsschuleerrichten und schreibt die benötigte technischeAusstattung europaweit aus
- Los 2: Lieferung von Präsentationstechnik, nämlich
• Audio-, Video- und Projektionstechnik• Sterilisatoren für den Arzthelferinnenunterricht
- Sterilisatoren: 5 % des Auftragsumfangs von Los 2
- es werden 8 Angebote zu Los 2 abgegeben
Firma A hält die Ausschreibung für rechtswidrig, weil Sterilisatoren mitPräsentationstechnik nichts zu tun hätten; ein Audio- und Video-Händler könne zu diesen Produkten kein seriöses Angebot abgeben.
Prof. Dr. Jürgen KühnenVorsitzender Richter am OLG
Bekanntmachung des Vergabever-fahrens
zusätzlich ist eine inländische Bekanntmachung gestattet; eseignen sich hierfür z.B. Tageszeitungen, Fachzeitschriften, amtliche Veröffentlichungsblätter, Internetportale, § 12 I Nr. 1 VOB/A, § 12 I VOL/A
zu wählen ist dabei dasjenige Veröffentlichungsorgan, das den mit der gewählten Vergabeart (Offene oder Nichtoffenes Verfahren etc.) adressierten Empfängerkreis möglichst vollständig und problemlos erreicht
bei Schwellenwertvergaben ist eine EU-weite Bekanntmachung im Supplement zum Amtsblatt der EU vorgeschrieben, §12 EG VOB/A, § 15 EG VOL/A
Prof. Dr. Jürgen KühnenVorsitzender Richter am OLG
Zu beachtende Fristen:
•Frist bis zur Angebotsabgabe•§ 10 EG I Nr. 1, II Nr. 4 VOB/A,
§ 12 EG II, V 3 VOL/A•mindestens 52 bzw. 40
Kalendertage
Angebotsfrist
•Frist für die Einreichung des Teilnahmeantrags
•§ 10 EG II Nr. 1 VOB/A, § 12 EG IV VOL/A
•mindestens 40 Kalendertage
Bewerbungsfrist
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Das Angebot:
ein schriftliches Angebot muss in einem verschlos-senen Umschlag eingereicht, ein elektronisches Angebot muss verschlüsselt werden
das Angebot muss unterzeichnet sein
alle Angebote müssen vom Auftraggeber bis zum Ablauf derAngebotsfrist unter Verschluss gehalten werden
Änderungen des Bieters an den Vergabe- und Vertragsunterlagensind unzulässig und führen zum Angebotsausschluss
alle in der Leistungsbeschreibung geforderten Preise müssen vollständig und mit dem Betrag angegeben werden, der für diebetreffende Leistung beansprucht wird
- Mischkalkulationen (= Verlagerung von Preisbestandteilen in eine andereLeistungsposition) sind verboten
Prof. Dr. Jürgen KühnenVorsitzender Richter am OLG
das Angebot muss alle geforderten Erklärungen und Nachweise enthalten
mit Ablauf der Angebotsfrist beginnt die Zuschlags-frist; bis zu deren Ablauf ist der Bieter an sein Angebotgebunden (Bindefrist)
•Zeitraum, in dem der Auftraggeber aus den Angeboten auswählen und den Zuschlag erteilen darf
•§ 10 EG I Nr. 11 VOB/A•maximal 30 Kalendertage nach
dem Eröffnungstermin
Zuschlagsfrist
•Bieter ist bis zum Ablauf der Zuschlagsfrist an sein Angebot gebunden
•§ 10 EG I Nr. 11 VOB/A•Angebot kann nicht zurückgezogen
werden
Bindefrist
Prof. Dr. Jürgen KühnenVorsitzender Richter am OLG
Eröffnungstermin:
bei Ausschreibung von Bauleistungen muss einEröffnungstermin stattfinden (Submission), § 14 EG I VOB/A
in dem Termin werden alle Angebote geöffnet und verlesen (Name + Anschrift des Bieters, Endbetrag des Angebots, evtl. Preisnach-lässe, Bedingungen etc.), § 14 EG III Nr. 2 VOB/A
nur die Bieter und ihre Bevollmächtigten dürfen anwesend sein,§ 14 EG I VOB/A
über die Submission muss eine Niederschrift angefertigt werden,§ 14 EG IV Nr. 1 VOB/A
bei Vergaben nach der VOL/A erfolgt die Öffnung der Angebotedurch mindestens zwei Vertreter des öffentlichen Auftraggebers;Bieter sind nicht zugelassen, § 17 EG II VOL/A
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Prüfung + Wertung der Angebotein vier Phasen:
Angebotsausschluss
Eignungsprüfung
Angebotsprüfung
Wertung der Angebote
Prüfung der Ausschlussgründedes § 16 EG I VOB/A, § 19 EGIII, IV VOL/A
Prüfung der Bietereignung,§ 16 EG II VOB/A, § 19 EG VVOL/A
rechnerische, technische +wirtschaftliche Prüfung derAngebote, § 16 EG III - V VOB/A, § 19 EG I VOL/A
Wertung der Angebote,§ 16 EG VI VOB/A, § 19 EG VI –IX VOL/A
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I. Angebotsausschluss:
Zwingende Ausschlussgründe nach § 16 EG I Nr. 1VOB/A, § 19 EG III VOL/A
- Angebote, die sofort erkennbare grobe Fehler enthalten,
- Aufzählung in § 16 EG I Nr. 1 VOB/A, § 19 EG III VOL/A ist abschließend
nicht oder nicht wirksam unterschriebennicht verschlossen bzw. verschlüsseltnicht zweifelsfreie Änderungen des Bieters an seinen Eintragungenfehlende Angabe der geforderten PreiseAngebote, denen Preisabsprachen etc. zugrunde liegenwidersprüchliche Angebote
Angebote, die nach Ermessen ausgeschlossen werden können,§ 16 EG I Nr. 2 VOB/A- Insolvenz des Bieters- Liquidation des Bieters- schwere Verfehlung des Bieters, die seine Zuverlässigkeit in Frage stellt- Verletzung der Pflicht zur Zahlung der Steuern + Sozialabgaben- fehlende Anmeldung bei der Berufsgenossenschaft
abweichend: § 19 EG IV VOL/A !
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Ausschlussmöglichkeit, wenn geforderte Erklärungenoder Nachweise fehlen, § 16 EG I Nr. 3 VOB/A, § 19 EG II VOL/A
- z.B. fehlende Nachweise zur Zuverlässigkeit, fehlendeHerstellererklärung, fehlender Nachweis, dass Steuern +Sozialabgaben ordnungsgemäß entrichtet worden sind
Auftraggeber muss die fehlenden Erklärungen und Nachweise beimBieter nachfordern
verstreicht die Frist fruchtlos, muss das Angebot ausgeschlossenwerden
Prof. Dr. Jürgen KühnenVorsitzender Richter am OLG
II. Eignungsprüfung, § 16 EG II VOB/A,§ 19 EG V VOL/A:
Fachkunde
Leistungsfähigkeit
Gesetzestreue (§ 97 IV 1 GWB)
Zuverlässigkeit
ausreichende technische +
wirtschaftliche Mittel
für die Erfüllung dervertraglichen Ver-pflichtungen
Mindestanforderungen an die Eignung gehören indie Vergabebekanntmachung, § 12 EG II Nr. 2 VOB/A,§ 15 EG I VOL/A
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Fachkunde
fachkundig ist, wer die erforderlichen Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen besitzt, um die zu vergebende Leistung vertragsgemäß ausführen zu können
Fachkundenachweise sind die Bennenungvon vergleichbaren Objekten (Referenzobjekte), die Vorlage von Mitarbeiterzeugnissen oder Referenzen
Prognoseentscheidung, für die der Auftraggeber einen Beurteilungsspielraum besitzt
Prof. Dr. Jürgen KühnenVorsitzender Richter am OLG
Leistungsfähigkeit (incl. technischen + wirtschaftlichen Mittel)
leistungsfähig ist, wer über die personellen, kaufmännischen, technischen und finanziellen Mittel verfügt, um den Auftrag fachlich einwandfrei und fristgerecht ausführen zu können
Nachweise sind die Vorlage von Bilanzen, Jahresabschlüssen und Pürfberichten der letzten Jahre, Bankauskünfte, Angaben zur technischen oder personellen Betriebsausstattung
Prognoseentscheidung, für die der Auftraggeber einen Beurteilungsspielraum besitzt
Prof. Dr. Jürgen KühnenVorsitzender Richter am OLG
Gesetzestreue (Unterfall der Zuverlässigkeit)
gesetzestreu ist, wer seine Steuern, Abgaben und Beiträge zur Sozialversicherung vollständig und ordnungsgemäß zahlt
Nachweise sind die Vorlage entsprechender Bescheinigungen der Finanzbehörde oder Sozialkassen, ggfs. auch von Eigenerklärungen
Prognoseentscheidung, für die der Auftraggeber einen Beurteilungsspielraum besitzt
Prof. Dr. Jürgen KühnenVorsitzender Richter am OLG
Zuverlässigkeit
zuverlässig ist ein Bieter, wenn er seinen allgemeinen auftragsbezogenen gesetzlichen Verpflichtungen nachgekommen ist + Gewähr dafür bietet, den Auftrag sorgfältig auszuführen
Nachweise: eigene (gute oder schlechte) Erfahrungen des Auftraggebers mit dem Bieter, polizeiliches Führungszeugnis, Nachweis der Beschäftigung von Schwarzarbeitern oder der Missachtung von Unfallverhütungsnormen
Prognoseentscheidung, für die der Auftraggeber einen Beurteilungsspielraum besitzt
auftrags-bezogen
Prof. Dr. Jürgen KühnenVorsitzender Richter am OLG
III. Angebotsprüfung, § 16 EG III - V VOB/A, § 19 EG I VOL/A:
Rechnerische Prüfung:
- alle Rechenschritte des Angebots werden nachvollzogen und kon-trolliert
- Einzelpositionen werden addiert- Umsatzsteuer, Nachlässe und Skonti werden überprüft- Angebotssumme wird gegebenenfalls korrigiert
Technische Prüfung:
- Kontrolle, ob das Angebot den technischen Erfordernissen der ausge-schriebenen Leistung entspricht
Wirtschaftliche Prüfung:
- Prüfung, welche Positionen sich neben dem eigentlichen Preis auf dieBeurteilung des Angebots in wirtschaftlicher Hinsicht auswirken, z.B.Haltbarkeit, Wartungsanfälligkeit, Folgekosten
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IV. Wertung der Angebote, § 16 EG VI –XI VOB/A, § 19 EG VI – IX VOL/A:
Aussonderung von Angeboten mit einem unangemessen hohem
oder niedrigem Preis
- es geht in erster Linie um den Schutz des öffentlichen Auftraggebers davor, dass der Bieter bei Auftragserteilung in wirtschaftlichen Schwierig-keiten gerät und den Auftrag nicht oder nicht ordnungsgemäß und mängelfrei zu Ende führen kann,
- zu prüfen ist das individuelle Preis-Leistungs-Verhältnis des Angebots
- maßgeblich abzustellen ist auf den Gesamtpreis und nicht auf Einzelpreise
- bei einer Preisabweichung von 20 % nach oben oder unten zum nächsten(seriös kalkulierenden) Bieter muss eine nähere Überprüfung stattfinden
Phase 1, § 16 EG VI Nr. 1 + 2 VOB/A, § 19 EGVI VOL/A:
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- der Auftraggeber muss den Bieter anhören, bevor er das Angebot wegen eines unangemessen niedrigenPreises ausschließt (Anhörungspflicht gilt nicht bei unangemessen hohem Preis, weil sie zu einer nach-träglichen Abänderung des Angebots führen würde!)
- soll der angebotene (unangemessen niedrige) Preis dazu dienen, dem Bieter erstmals Zugang zum Markt zu verschaffen oder betrifft die Aus-schreibung für ihn ein Prestigeprojekt, handelt es sich nicht um einen „un-
angemessen“ niedrigen Preis, weil er auf nicht zu beanstandenden Motiven beruht, die die ordnungsgemäße Vertragsdurchführung nicht in Frage stellen
Phase 2, § 16 VI Nr. 3 VOB/A, § 19 EG VI VOL/A:
Vergleich der – in der Wertung verbliebenen – Angebote nach Inhaltund Preis:
- Ziel des Vergleichs ist es, das wirtschaftlich günstigste Angebot zu finden- der Auftraggeber soll seine finanziellen Mittel so sparsam + effektiv wie
möglich verwenden und dabei zugleich den Bieter auswählen, dereine einwandfreie Auftragsdurchführung er-warten lässt
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Phase 3, § 16 VII VOB/A, § 19 EG VIII – IXVOL/A:
Entscheidung über das wirtschaftlichste Angebot
der Zuschlag ist auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen, § 97 V GWB
dieses Angebot ist aus den Angeboten der engeren Wahl (Angeboteder Phase 2) auszuwählen
Wirtschaftlichkeit bedeutet nicht zwingend den niedrigsten Angebots-Preis, vgl. § 16 VI Nr. 3 Satz 3 VOB/A
Wirtschaftlichkeit bedeutet vielmehr, dass der Zuschlag auf dasjenigeAngebot zu erteilen ist, das unter Berücksichtigung aller im konkretenFall wesentlichen Aspekte das beste Preis-Leistungs-Verhältnis bietet.
als Zuschlagskriterien kommen nur solche in Betracht, die der Aus-wahl des wirtschaftlich günstigsten Angebot dienen; ausgeschlossen sind damit Kriterien, die (ausschließlich oder im Wesentlichen) der Beurteilung der fachlichen Eignung der Bieterdienen
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§ 16 VI Nr. 3 Satz 2 VOB/A nennt beispielhaft in Betracht kommende Unterkriterien zur Bestimmung des wirtschaftlichen Angebots
die Aufzählung ist nicht abschließend und sie gibt auch keine feste Rangfolge der Kriterien vor
entscheidend ist vielmehr stets der ausgeschrieben Auftrag in seinerkonkreten Ausprägung; Art und Inhalt der nachgefragten Leistungbestimmen, welche Kriterien für die Wirtschaftlichkeit des Angebotsvon Relevanz sind und mit welchem Gewicht welches Kriterien an-zusetzen ist
einem Unternehmen darf deshalb nicht der Zu-schlag mit dem Argument erteilt werden, es ver-füge über ein „Mehr an Eignung“
hat der Auftraggeber im Rahmen der Eignungs-prüfung einen Bieter für geeignet befunden, darf er diese Entscheidung nicht auf der nächsten Wertungsstufe wiederrückgängig machen
ebenso wenig dürfen die Eignungskriterien bei der Auswahl deswirtschaftlichsten Angebots erneut herangezogen werden
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im Rahmen seines Beurteilungsspielraums kann der Auftraggeberdie relevanten Zuschlagskriterien und ihre Gewichtung in der Ver-gabebekanntmachung oder den Vergabeunterlagen festzulegen;daran ist er bei der Wertung dann aber auch gebunden
dabei besitzt der öffentliche Auftraggeber einen - gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren -Beurteilungsspielraum
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Dokumentationspflicht:
§ 20 EG I VOB/A, § 24 EG I VOL/A
Pflicht des öffentlichen Auftraggebers, das Vergabe-Verfahren fortlaufend und zeitnah schriftlich zu doku-mentieren
die Dokumentation umfasst die einzelnen Stufen des Verfahrens, die einzelnen Maßnahmen, die maßgeblichen Feststellungen sowie die Begründung der getroffenen einzelnen Entscheidungen (Wiedergabe der tragenden Erwägungen)
Zweck ist es, den Bietern und Bewerbern eine Überprüfung des Vergabeverfahrens zu ermöglichen; es dient zudem der in § 97 I GWB geforderten Transparenz
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Informationspflicht, § 101 a I 1 GWB:
Der öffentliche Auftraggeber muss unverzüglich (= ohne schuldhaftes Zögern)
die betroffenen – unterlegenen - Bieter
in Schriftform
über den Namen des für den Zuschlag vorgesehenen Bieters, die Gründe der Nichtberücksichtigung ihres Angebots + den frühesten Zeitpunkt des Vertragsschlusses informieren
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betroffener Bieter:
jeder Bieter, der noch nicht endgültig aus dem Vergabeverfahren ausgeschieden ist(etwa weil sein Nachprüfungsantrag unan-fechtbar zurückgewiesen worden ist)
frühester Zeitpunkt des Zuschlags
angesprochen ist die Wartepflicht in § 101a I 3 – 5 GWB, diezwischen der Bieterinformation und der Beauftragung desobsiegenden Bieters liegen muss:
grundsätzlich 15 Kalendertage nach Absendung der Bieter-information (das Ob und Wann des Zugangs ist unerheblich,§ 101 a I 5 GWB)
10 Kalendertage nach Absendung, wenn die Bieterinfor-mation per Fax oder E-Mail versendet wurde
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Gründe der Nichtberücksichtigung:
der bloße Hinweis, das eigene Angebot seinicht das wirtschaftlichste gewesen, ist un-zureichend
es müssen vielmehr die tragenden Erwägungen mitgeteiltwerden, die einem Zuschlag entgegen stehen
die Gründe müssen verständlich und vollständig mitgeteiltwerden;haben mehrere Gründe zur Nichtberücksichtigung des Angebots geführt, müssen sie alle angegeben werden
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Folgen einer Missachtung der Informa-tionspflicht, § 101 b GWB:
Fälle eines Verstoßes gegen § 101 a I GWB
- Zuschlagserteilung ohne eine oder ohne eine vollständige undordnungsgemäße Bieterinformation
- Zuschlagserteilung vor Ablauf der Wartefrist des § 101 a I 3 – 5GWB
Rechtsfolge des Verstoßes:
der Vertrag ist schwebend wirksam, denn die Nichtigkeit extunc tritt gemäß § 101 b I Nr. 1 GWB nur dann ein, wenn
- die Informationspflicht aus § 101 a I GWB verletzt worden ist
- und dieser Rechtsverstoß in einem Nachprüfungsverfahren nach § 101 b II GWB festgestellt worden ist
- wobei jenes Verfahren fristgebunden ist, vgl. § 101 b II GWB
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dieselbe Rechtsfolge tritt bei einerDe-facto-Vergabe ein, § 101 b I Nr. 2 GWB
De-facto-Vergabe bezeichnet den Fall, dassein öffentlicher Auftraggeber einen dem Vergaberechtunterfallenden Auftrag rechtswidrig ohne Durchführung des vorgeschriebenen Vergabeverfahrens erteilt
auch hier steht die Unwirksamkeit des Auftrags unter demVorbehalt eines rechtzeitigen Nachprüfungsverfahrens,§ 101 b II GWB
Norm will einen Ausgleich schaffen zwischen dem Inter-esse an der Durchsetzung des Vergaberechts und einemRechtsschutz für den übergangenen Bieter auf der einen Seite und der Schaffung von Rechts- und Vertragssicherheit auf der anderen Seite
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Aufhebung der Ausschreibung:
Grundsatz:
• der öffentliche Auftraggeber kann das Vergabeverfahren jederzeit aufheben; er kann nicht gezwungen werden, sich vertraglich zu binden
§ 17 VOB/A, § 17 VOL/A, § 30 I SektVO vor,
• liegen Aufhebungsgründe iSd genannten Normen vor, kann das Vergabeverfahren beendet werden, ohne den Bietern/Bewerbern ersatzpflichtig zu sein
• liegen keine Aufhebungsgründe vor, kann eine Ersatzpflicht aus §§ 311 II Nr. 1, 280 BGB bestehen
Scheinaufhebung
• Anordnung zur Fortsetzung des Vergabeverfahrens („Aufhebung der Aufhebung“)
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Rechtsschutz im Vergaberecht:
§ 97 VII GWB: Die Unternehmen haben Anspruch darauf, dass der Auftraggeberdie Bestimmungen über das Vergabever-fahren einhält
Achtung: gilt nur für die Vergabe öffentlicher Aufträge beiEU-weiter Ausschreibungspflicht nach Maßgabeder §§ 98 – 100 GWB, also z.B. nicht für Aufträgeunterhalb der maßgeblichen Schwellenwerte!
Anspruch aus § 97 VII GWB wird im Nachprüfungsver-fahren durchgesetzt, § 104 II GWB
1. Instanz: Vergabekammern des Bundes + der Länder,§ 104 II GWB
2. Instanz: Vergabesenat des Oberlandesgericht,§§ 104 II, 116 I, III GWB
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es gibt im Nachprüfungsverfahrenkeinen vorbeugenden Rechtsschutz
§ 114 I 1 GWB: „Die Vergabekammer ent-scheidet, ob der Antragsteller in seinenRechten verletzt ist und trifft die nötigen Maßnahmen, umeine Rechtsverletzung zu beseitigen ....“
ein bloß bevorstehender Vergaberechtsverstoß kann folg-lich im Nachprüfungsverfahren nicht verhindert werden
der nachträgliche Rechtsschutz steht als Primär- und Sekundärrechtsschutz zur Verfügung, §§ 114 I, 123,126 GWB
Primärrechtsschutz: Durchsetzung des Anspruchs auf Ein-haltung der Vergabebestimmungen,§ 97 VII GWB, durch Beseitigung derRechtsverletzung
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Sekundärrechtsschutz: Beseitigung der Aus-wirkungen einer irre-
versiblen Rechtsver-letzung durch SchE
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Verfahren vor der Vergabekammer,§§ 107 – 115 a GWB:
Vergabekammern des Bundesderzeit 3 Vergabekammern, angesiedelt beim Bundes-kartellamt, § 106 I 1 GWB
Vergabekammern der Länder
in NRW angesiedelt bei den Bezirksregierungen
Vergabekammern entscheiden:
in der Besetzung mit einem Vorsitzenden und zwei Beisitzern,§ 105 II GWB
es gilt der Untersuchungsgrundsatz, also Pflicht zur Amtser-mittlung, § 110 GWB
keinen Weisungen unterworfen, § 105 I GWB
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Ablauf des Nachprüfungsverfahrens:
nur auf (schriftlichen) Antrag, § 107 I, 108 I GWB
Vorliegen eines Vergabeverfahrens,
- durch einen öffentlichen Auftraggeber iSv § 98 GWB
- zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags iSv § 99 GWB
- mit einem Auftragswert, der den maßgeblichenSchwellenwert erreicht oder übersteigt, § 100 I GWB,§§ 2, 3 VgV,
- ohne dass einer der Ausschlussgründe der §§ 100 II – VIII,100 a – 100 c GWB vorliegt
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da jedes Nachprüfungsverfahren geeignet ist,die Auftragsvergabe zu verzögern und damitzu verteuern, ist der Zugang zu den Vergabe-kammern in dreifacher Hinsicht beschränkt:
subjektiv: Erfordernis einer Antragsbefugnis nach§ 107 II GWB
objektiv: Beachtung der Rügeobliegenheit nach § 107 III Nr. 1 – 3 GWB
zeitlich: Beachtung der Antragsfrist des § 107 III Nr. 4 GWB
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Antragsbefugnis, § 107 II GWB
(fortbestehendes) Interesse am Auftrag
schlüssige Darlegung, dass die Möglichkeit
einer aktuellen Verletzung eigener subjektiver Rechte (§ 97VII GWB) im Vergabeverfahren besteht
unzureichend also die Verletzung fremder Rechte (z.B.eines Konzernunternehmens) oder die Missachtung vonRechten außerhalb des Vergabeverfahrens (z.B. von Urheberrechten, Markenrechten etc.)
behauptete Rechtsverletzung muss geeignet sein, dieChance des Antragstellers auf den Zuschlag zumindestzu vermindern
daran fehlt es z.B., wenn das Angebot des Antrags-stellers auszuschließen war, weil geforderte Eignungs-nachweise fehlen oder das Angebot verspäteteingereicht worden ist
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Rügeobliegenheit, § 107 III Nr. 1 GWB
§ 107 III Nr. 1 GWB bürdet dem Bieter die Obliegenheit auf, einen im Vergabeverfahrenerkannten Vergaberechtsfehler unverzüglichder Vergabestelle gegenüber zu rügen
der öffentliche Auftraggeber soll dadurch die Möglich-keit einer Selbstkorrektur erhalten !
erforderlich ist die Kenntnis vom Vergabefehler, d.h. das Wissen um die den Vergabeverstoß begründenden Tatsachen + zumindest die laienhafte rechtliche Wertung und Vorstellung von der Vergaberechtswidrigkeit
Rüge muss unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern,erfolgen
ein Vergabefehler, der entgegen § 107 III Nr. 1 – 3 GWB nicht gerügt wurde, kann im Nachprüfungsver-fahren nicht zur Überprüfung gestellt werden„.... ist unzulässig, soweit ...“)
Rügeobliegenheit, § 107 III Nr. 2 + 3 GWB
aus der Vergabebekanntmachung erkennbare
Vergaberechtsverstöße müssen spätestensbis zum Ablauf der bekannt gemachten Fristzur Angebotsabgabe oder zur Bewerbung gerügt werden
(erstmals) aus den Vergabeunterlagen erkennbare Vergabe-rechtsfehler müssen ebenfalls spätestens bis zu dem vorge-nannten Zeitpunkt gerügt werden
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Antragsfrist, § 107 III Nr. 4 GWB
sobald der öffentliche Auftraggeber dem Antragsteller mitgeteilt hat, seiner Rüge nichtabhelfen zu wollen, verbleiben 15 Kalendertage,um den Nachprüfungsantrag einzureichen;die Frist beginnt mit dem Eingang der Nichtabhilfenachrichtbeim Antragsteller
Wirkung des Nachprüfungsantrags:
sobald die Vergabekammer den öffentlichen Auftraggeberschriftlich Über den Nachprüfungsantrag unterrichtet hat,tritt ein gesetzliches Zuschlagsverbot in Kraft, § 115 I 1 GWB
es gilt für die gesamte Dauer des Vergabekammerverfahrensund darüber hinaus bis zum Ablauf der Beschwerdefrist
Zweck: Sicherstellung eines Primär-rechtsschutzes
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Auf Antrag des öffentlichen Auftraggebersoder des für den Zuschlag vorgesehenenBieters kann die Vergabekammer (und das Beschwerdegericht) den vorzeitigen Zuschlag gestatten, vgl. dazu im Einzelnen § 115 II GWB
§ 115 I 1 GWB ist ein Verbot iSv § 134 BGB
Entscheidung der Vergabekammer
Nachprüfungsantrag unzulässig: „... wird verworfen“
Nachprüfungsantrag unbegründet: „... wird zurückgewiesen“
Nachprüfungsantrag (ganz oder z.T.) begründet: § 114 I GWB
Vergabekammer ordnet die geeigneten Maßnahmen an,um die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens wiederherzustellen
Entscheidungsfrist von grundsätzlich 5 Wochen, § 113 I GWB
denkbar sind beispielsweise die fol-genden Anordnungen:
- Wiederholung einer Wertungsstufe,- Wiederholung des gesamten
Wertungsvorgangs,- Wiedereintritt in die Verhandlungen
beim Verhandlungsverfahren ab einer bestimmtenVerhandlungsphase,
- Änderung der Vergabeunterlagen,- Ausschluss eines bestimmten Bieters oder Bewerbers,- Wiederholung des Vergabeverfahrens ab einem
bestimmten Stadium,- Fortsetzung des Vergabeverfahrens bei rechts-
widriger Aufhebung der Ausschreibung
ein wirksam erteilter Zuschlag ist von der Vergabe-kammer zu beachten und schließt Anordnungennach § 114 I GWB strikt aus, § 114 II 1 GWB
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Rechtsschutz gegen de-facto-Vergabe
§§ 102 ff. GWB knüpfen an ein formelles Ver-gabeverfahren als Normalfall an
andererseits kann der größtmögliche Vergaberechtsverstoß,nämlich das gänzliche Absehen von dem Vergabeverfahren, nicht zur Folge haben, dass dagegen ein Rechtsschutz nichtbesteht
§§ 102 ff. GWB gelten auch bei der de-facto-Vergabe
ein Nachprüfungsantrag kann eingereicht werden, so-bald sich die Absicht einer ausschreibungspflichtigenBeschaffung nach außen richtet (z.B. Aufnahme vonVertragsverhandlungen mit einem Unternehmen)
der Zugang zu den Nachprüfungsinstanzen hängt nichtvon der subjektiven Beurteilung des Auftraggebers, sondern von der objektivenRechtslage ab
unterfällt der Beschaffungsgegenstandder de-facto-Vergabe objektiv demVergaberecht, ist ein Nachprüfungsan-trag zulässig
unterfällt der Beschaffungsgegenstandder de-facto-Vergabe objektiv nicht dem Vergabe-recht, ist ein Nachprüfungsantrag nicht zulässig;
generell gilt: der Zugang zu den Nachprüfungsinstanzenwird nicht dadurch eröffnet, dass der Auf-traggeber den Beschaffungsvorgang irr-tümlich für vergaberechtsrelevant hältund in der Vergabebekanntmachung aufdie Möglichkeit hinweist, die Vergabe-kammer anzurufen
Prof. Dr. Jürgen KühnenVorsitzender Richter am OLG
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Verfahren vor dem Vergabesenat,§§ 116 ff. GWB:
Beschwerdegericht zur Überprüfung derEntscheidungen der Vergabekammer, § 116 I, III GWB
OLG, das örtlich für den Sitz der Vergabekammer zu-ständig ist, § 116 III GWB
(sofortige) Beschwerde kann jeder einlegen, der amVerfahren vor der Vergabekammer beteiligt war (§ 116 I 2 GWB) und durch die Vergabekammerent-scheidung(formell + materiell) beschwert ist
Antragsteller des Nachprüfungsverfahrens bei (vollständigeroder vollständiger) Zurückweisung seines Antrags
öffentlicher Auftraggeber, soweit dem Nachprüfungsantrag (ganz oder zum Teil) stattgegeben worden ist
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beigeladenes Unternehmen (Unter-nehmen, die in der Wertung bislang vor dem Antragsteller liegen), wenn dem Nachprüfungsantrag zu ihrem Nachteil (ganz oder teilweise) stattgegeben worden ist
Wirkung der Beschwerdeeinlegung
Die Einlegung der sofortigen Beschwerde kann aufschiebendeWirkung haben:
- wendet sich der öffentliche Auftraggeber mit der Beschwerdegegen ein Zuschlagsverbot der Vergabekammer, tritt keineaufschiebende Wirkung ein, d.h. das Zuschlagsverbot gilttrotz Beschwerdeeinlegung fort, § 118 III GWB
- möglich aber ein Antrag auf Vorabentscheidung über denZuschlag, § 121 GWB
Gleiches gilt, wenn der für den Zu-schlag vorgesehene Bieter Beschwerde eingelegt hat
- wendet sich der unterlegene Antragstellermit der Beschwerde gegen die (vollständigeoder teilweise) Zurückweisung seines Nach-prüfungsantrags, verlängert sich das gesetz-liche Zuschlagsverbot des § 115 I GWB (dasbis zum Ablauf der Beschwerdefrist gilt) um zwei Wochen,§ 118 I 1 + 2 GWB
auf Antrag kann das Beschwerdegericht die auf-schiebende Wirkung bis zum Erlass der Beschwerde-entscheidung verlängern, § 118 I 3, II GWB
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verlängern bedeutet, dass vor Ablauf der Zwei-Wochen-Frist der Antrag nach § 118 I 3 GWB ge-Stellt und positiv beschieden sein muss
ist die Zeit zu knapp, kann durch Eilanordnungdie aufschiebende Wirkung bis zur Entscheidungnach § 118 II GWB verlängert werden (Gewähr-Leistung eines effektiven Rechtsschutzes)
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bei der Entscheidung nach § 118 II GWBist das Interesse des Antragstellers an einem effektiven Primärrechtsschutz (Be-seitigung des Vergaberechtsverstoßes)und das Interesse an einer zügigen Auf-tragsvergabe gegeneinander abzuwägen, § 118 II 1 + 2GWB
Beschwerdeentscheidung
sofortige Beschwerde unzulässig: „... wird verworfen“
sofortige Beschwerde unbegründet: „... wird zurückgewiesen“
sofortige Beschwerde (ganz oder teilweise) begründet: - (vollständige oder teilweise) Aufhebung der Entscheidung
der Vergabekammer - Ausspruch der Anordnungen, um die Rechtmäßigkeit des
Vergabeverfahrens wieder herzustellen, §§ 123 II, 114 I GWB
Zurückverweisung nach § 123 I 2GWB äußerst selten