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15 / 123 2 Einführung in die Prinzipien der Quantenmechanik 2.1 Bedeutung von Axiomen (Postulaten) Axiome (Axiom griechisch für Grundsatz) sind Postulate, die nicht beweisbar sind, mit denen aber durch logische Folgerungen experimentell nachprüfbare Theorien aufgebaut werden können. Jede Theorie basiert auf Axiomen. Beispiele: 1. Newton’sche Axiome der Mechanik - Trägheitssatz - Beschleunigungsgesetz - Wechselwirkung: actio <-> reactio 2. Thermodynamik - Drei Hauptsätze 3. Geometrie - Winkelsumme im Dreieck Die Axiome der Quantenmechanik beschreiben Phänomene außerhalb der sinnlichen Wahrnehmung des Menschen (Mikrokosmos), sie sind daher schwer zu akzeptieren. Ihre Aussagen können aber mit physikalischen und chemischen Messmethoden überprüft werden, diese Messmethoden stellen eine Erweiterung der sinnlichen Wahrnehmung dar. Vergleiche hierzu: Spektralbereich des menschlichen Auges: 400 800 Spektralbereich der verschiedenen spektroskopischen Messmethoden. 10 1 2.2 Postulate der Quantenmechanik (Alle Postulate werden anschließend am Modell des Teilchen im Kasten verifiziert.) 1. Postulat Jeder Zustand eines Systems wird vollständig durch eine Wellenfunktion Ψ(, ) beschrieben, die vom Ort und von der Zeit abhängt. Sie enthält die gesamte Information über das System. Diese Wellenfunktion muss im gesamten Definitionsbereich - stetig, - quadratisch Integrierbar,

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2 Einführung in die Prinzipien der Quantenmechanik

2.1 Bedeutung von Axiomen (Postulaten)

Axiome (Axiom griechisch für Grundsatz) sind Postulate, die nicht beweisbar sind, mit denen

aber durch logische Folgerungen experimentell nachprüfbare Theorien aufgebaut werden

können. Jede Theorie basiert auf Axiomen.

Beispiele:

1. Newton’sche Axiome der Mechanik

- Trägheitssatz

- Beschleunigungsgesetz

- Wechselwirkung: actio <-> reactio

2. Thermodynamik

- Drei Hauptsätze

3. Geometrie

- Winkelsumme im Dreieck

Die Axiome der Quantenmechanik beschreiben Phänomene außerhalb der sinnlichen

Wahrnehmung des Menschen (Mikrokosmos), sie sind daher schwer zu akzeptieren. Ihre

Aussagen können aber mit physikalischen und chemischen Messmethoden überprüft

werden, diese Messmethoden stellen eine Erweiterung der sinnlichen Wahrnehmung dar.

Vergleiche hierzu:

Spektralbereich des menschlichen Auges: 400 − 800 𝑛𝑚

Spektralbereich der verschiedenen spektroskopischen Messmethoden. 10 𝑚 − 1 𝑛𝑚

2.2 Postulate der Quantenmechanik

(Alle Postulate werden anschließend am Modell des Teilchen im Kasten verifiziert.)

1. Postulat

Jeder Zustand eines Systems wird vollständig durch eine Wellenfunktion Ψ(𝑟, 𝑡)

beschrieben, die vom Ort 𝑟 und von der Zeit 𝑡 abhängt. Sie enthält die gesamte Information

über das System.

Diese Wellenfunktion muss im gesamten Definitionsbereich

- stetig,

- quadratisch Integrierbar,

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- differenzierbar (keine Pole) und

- umkehrbar

sein.

Die Wellenfunktion beschreibt einerseits

a) Zeitabhängige Systeme Ψ 𝑟, 𝑡

Beispielsweise Übergänge zwischen Energieniveaus in der Spektroskopie.

Hier gibt Ψ(𝑟, 𝑡) Antwort auf die Frage, wie sich das Gesamtsystem über die stationären

Zustände Ψ 𝑟 mit der Zeit entwickelt.

b) Zeitunabhängige (stationäre) Systeme Ψ 𝑡

Ψn 𝑟, 𝑡 = Ψ𝑛 𝑟 𝜙𝑛 𝑡

Ψ𝑛(𝑟): Wellenfunktion für stationären Zustand

𝜙𝑛 𝑡 : Phasenfaktor

Hier gibt Ψ𝑛 𝑟 Antwort auf die Frage, welche Zustände das System einnehmen kann bzw.

prinzipiell aufweist.

2. Postulat

Der Ausdruck |Ψ|2 = Ψ∗Ψ entspricht einer Wahrscheinlichkeitsdichte, so dass |Ψ 𝑟 2|dv die

Wahrscheinlichkeit angibt, das System (Teilchen) im Volumenelement 𝑑𝑣 anzutreffen. Die

Wahrscheinlichkeitsinterpretation stammt von M. Born aufgrund der Analogie zur

Lichtwelle:

Die Intensität der Lichtwelle ist proportional zur Photonenzahl und zum

Amplitudenquadrat, demzufolge ist das Amplitudenquadrat ein Maß für die

Aufenthaltswahrscheinlichkeit der Teilchen.

Eindimensionaler Fall:

Die Wellenfunktion muss normiert sein:

Ψ 𝑥 ∗Ψ x dx = 1+∞

−∞

(Das Teilchen muss irgendwo sein)

Die Wahrscheinlichkeit das Teilchen zwischen den Grenzen 𝑎 und 𝑏 anzutreffen lautet also:

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Ψ 𝑥 ∗Ψ x dx = Wab

𝑏

𝑎

3. Postulat

Jeder Observable 𝑂 (beobachtbare Größe) der klassischen Mechanik ist in der

Quantenmechanik ein linearer hermite’scher Operator 𝑂 zugeordnet. (Operator =

Rechenanweisung)

Für einen hermite’schen Operator 𝑂 gilt:

Ψ x ∗O ϕdv = ϕO ∗Ψ∗dv

Einer Observablen 𝑂, die als Funktion der Orts- und Impulskoordinaten dargestellt werden

kann, entspricht ein Operator, der durch Ersetzen dieser Größen im klassischen Ausdruck

durch den entsprechenden quantenmechanischen Operator entsteht.

Klassischer Ausdruck

Quantenmechanischer Operator

Ort 𝑥

𝑥 = 𝑥

Impuls 𝑝𝑥 𝑝𝑥 =

𝑖

𝜕

𝜕𝑥

Beispiele:

Geschwindigkeit

𝑣𝑥 =𝑝𝑥

𝑚→ 𝑣𝑥 =

𝑖𝑚

𝜕

𝜕𝑥

𝐸𝐾𝑖𝑛 =1

2𝑚𝑣𝑥

2 =𝑝𝑥

2

2𝑚→ 𝐸𝐾𝑖𝑛 = 𝑇 =

1

2𝑚𝑝𝑥

2 = −ℏ2

2𝑚

𝜕2

𝜕𝑥2

𝐸𝑃𝑜𝑡 = 𝑉 𝑥 → 𝐸𝑃𝑜𝑡 = 𝑉 = 𝑉(𝑥)

Wichtiger Operator: Hamiltonoperator 𝐻 = Energieoperator (Operator für Gesamtenergie in

einer Dimension 𝑥)

Gesamtenergie: 𝐸𝐺𝑒𝑠 = 𝐸𝐾𝑖𝑛 + 𝐸𝑃𝑜𝑡 → 𝐻 = 𝑇 + 𝑉

4. Postulat

Für jede Observable 𝑂 und ihren Operator 𝑂 gibt es eine Eigenwertgleichung in der Form:

𝑂 𝜙𝑛 = 𝑜𝑛𝜙𝑛

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Wobei 𝜙𝑛Eigenfunktionen und 𝑂𝑛 Eigenwerte zu dem Operator 𝑂 sind. Eigenwerte sind alle

Werte, die die Observable einnehmen kann.

Die Schrödingergleichung ist die Eigenwertgleichung für den Energieoperator 𝐻 und ergibt

deshalb alle Energiewerte 𝐸𝑛 des Systems:

𝐻 Ψn = EnΨn

Einsetzen von 𝐻 = 𝑇 + 𝑉 für den eindimensionalen Fall ergibt:

−ℏ2

2𝑚

𝜕2

𝜕𝑥2 Ψ x + V x Ψ x = EΨ(x)

Exkurs: Zeitabhängige Schrödingergleichung

2.3 Teilchen im eindimensionalen Kasten

Für die Bereiche I und III gilt: 𝑉 𝑥 = ∞

Hamiltonoperator: 𝐻 = 𝑇 + 𝑉

Schrödingergleichung:

𝐻 ΨI,III x = EΨI,III x

→ −ℏ2

2𝑚

𝜕2

𝜕𝑥2 ΨI,III x + V x ΨI,III x = EΨI,III x

→ −ℏ2

2𝑚

𝜕2

𝜕𝑥2 ΨI,III x + V x ΨI,III x − EΨI,III x = 0

→ −ℏ2

2𝑚

𝜕2

𝜕𝑥2 ΨI,III x + ΨI,III x V x − E x = 0

→ ΨI,III x =1

ℏ2

2𝑚

𝜕2

𝜕𝑥2 ΨI,III x = 0

→ ΨI,III x 2

= 0

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Das heißt, dass in den Bereichen I und III kein Teilchen vorkommt. (klassische Vorstellung).

Ist aber 𝑉 𝑥 endlich und 𝐸 < 𝑉(𝑥), kann es zum Tunneleffekt kommen. (Widerspruch zur

klassischen Vorstellung)

Für den Bereich II gilt: 𝑉 𝑥 = 0

→ Schrödingergleichung:

−ℏ2

2𝑚

𝜕2

𝜕𝑥2 ΨII = EΨII

Die allgemeine Lösung dieser Differentialgleichung ist:

ΨII = A sinΘ + B cosΘ

𝐴 und 𝐵 stellen hierbei Konstanten dar, während 𝜃 = 2𝑚𝐸𝑥

Aus den Randbedingungen folgt:

𝑥 = 0

lim𝑥→0

ΨI = lim𝑥→0

ΨII

0 = lim𝑥→0

(A sin θ + B cos θ) → 𝐵 = 0 → ΨII = A sin θ

𝑥 = 𝐿

lim𝑥→𝐿

ΨIII = lim𝑥→𝐿

ΨII

0 = ΨII → sin θ = 0

Daraus folgt für ΨII

ΨII = A sin nπ

Lx

Normierung:

ΨII∗ ΨII dx = 1 = A2 sin2

𝑛𝜋

𝐿𝑥 𝑑𝑥

L

0

𝐿

0

Mit sin2 𝑎 =1

2−

1

2cos 2𝑎 folgt:

1 = 𝐴21

2 𝑑𝑥

𝐿

0

− 𝐴21

2 cos

2𝑛𝜋

𝐿𝑥

𝐿

0

𝑑𝑥

1 = 𝐴21

2 𝑥 0

𝐿 − 𝐴21

2

𝐿

2𝑛𝜋sin

2𝑛𝜋

𝐿𝑥

0

𝐿

=1

2𝐴2𝐿

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→ 𝐴 = 2

𝐿

→ ΨII = 2

𝐿sin

𝑛𝜋

𝐿𝑥

Für 𝑛 = 0 ist Ψn 2 = 0

Dies ist ein Widerspruch, da sich das Teilchen im Bereich II aufhalten muss, daher ist der

Wert 𝑛 = 0 verboten!

Für die Energieniveaus erhält man:

𝐸 =𝑛2𝑕2

8𝑚𝐿2 ; 𝑛 = 1,2,3 …

Der Zustand mit der niedrigsten Energie 𝑛 = 1 besitzt eine endliche Energie, 𝐸1 ≠ 0

(Nullpunktsenergie, nicht klassisch interpretierbar)

Zusammenfassung der Ergebnisse:

𝐸𝑛 =𝑛2𝑕2

8𝑚𝐿2 ; Ψn x =

2

Lsin

Lx ; n = 1,2,3 …

Die Wahrscheinlichkeitsdichte im Bereich a-b ist für verschiedene Zustände unterschiedlich.

(Widerspruch zur klassischen Vorstellung).

Korrespondenzprinzip:

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Für große Quantenzahlen nähert sich das System dem klassischen Verhalten an. Die

klassische Mechanik ist demnach ein Grenzfall der Quantenmechanik.

2.4 Orthogonalität und Normierung / Orthonormierung

a) Normierung

Das zweite Postulat schreibt vor, dass das Teilchen sich irgendwo im System befinden muss.

(Siehe hierfür 2.2) Daher muss die Zustandsfunktion normiert sein, damit sie einen Sinn

ergibt.

Ψ∗ x Ψ x dx = 1+∞

−∞

b) Orthogonalität

Zwei Größen wie z.B. Vektoren oder FUnktionen sind zu einander orthogonal, wenn eine

durch die andere nicht darstellbar ist, z.B. die Achsen x, y, z im kartesischen

Koordinatensystem.

So wie man einen n-dimensionalen abstrakten Vektorraum mit n orthogonalen Vektoren

aufbauen kann, kann genauso ein n-dimensionaler abstrakter Funktionenraum aus n

orthogonalen Funktionen aufgebaut werden.

(vergleiche hierzu lineare Unabhöngigkeit <-> Orthogonalität)

c) Orthonormierung

Für orthonormierte Funktionen gilt:

Ψi∗(x)Ψj(x)dx = δij

+∞

−∞

mit 𝛿𝑖𝑗 = 0 𝑓ü𝑟 𝑖 ≠ 𝑗1 𝑓ü𝑟 𝑖 = 𝑗

Ψi x : Wellenfunktion für den i-ten Zustand

𝛿𝑖𝑗 : Kronecker-Delta

Die Funktion ist sowohl normiert als auch orthogonal, Eigenfunktionen für nicht entartete

Zustände zu einem hermiteschen Operator sind immer orthogonal zueinander. Bei

entarteten Zuständen führen erst Linearkombinationen zu orthogonalen Eigenfunktionen

(siehe Schmnidt-Orthogonalisierung).

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2.5 Eigenfunktionen

Dioe im vierten Postulat vorgestellte Schrödingergleichung

𝐻 Ψn = EnΨn

ist eine spezielle Eigenwertgleichung für dioe Observable Energie mit Energieoperator 𝐻

(Hamilton-Operator). Ψn somd doe Eigenfunktionen, die zu den Energieeigenwerten 𝐸𝑛

führen. Im allgemeinen gilt für jede physikalische Observable 𝑂 eine Eigenwertgleichung:

𝑂 𝜙𝑛 = 𝑜𝑛𝜙𝑛

𝑂 : Operator für die Observable 𝑂

𝜙𝑛 : Eigenfunktionen

𝑜𝑛 : Eigenwerte für die Observable 𝑂

Mit Hilfe des dritten Postulats stellt man den Operator 𝑂 für die Observable 𝑂 auf und

formuliert dann die Eigenwertgleichung. Die Berechnung der Eigenfunktionen 𝜙𝑛 unter

Berücksichtigung der Randbedingungen führt automatisch zu den Eigenwerten 𝑜𝑛 . Beispiele

für 𝑂 sind Impuls, Dipolmoment, Energie und andere.

2.6 Erwartungswerte

Das 5. Postulat besagt, dass für eine Observable 𝑂 der Erwartungswert sich aus der

Zustandsfunktion Ψ(𝑥, 𝑡) durch:

< 𝑂 > = Ψ∗(x, t) O Ψ(x, t)dx+∞

−∞

ergibt, und für den stationären Fall gilt:

Ψ(𝑥, 𝑡) = 𝑒−𝑖𝐸𝑡ℏ Ψ(𝑥)

𝑒−𝑖𝐸𝑡ℏ = 𝜙(𝑡)

< 𝑂 > = Ψ∗(x) O Ψ(x)dx+∞

−∞

𝜙(𝑡) : Phasenfaktor

Der Erwartungswert ist der quantenmechanische Mittelwert. Zum Beispiel stellte man sich 𝑁

Teilchen in 𝑁 Kästen im gleichen Zustand Ψx(x) mit

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Ψn(x) = 2

Lsin

Lx

𝐿 : Länge des Kastens

vor. In jedem der Kästen wird der Ort des Teilchens zur selben Zeit gemessen. Wenn man

alle Messwerte 𝑥𝑖 summiert und durch 𝑁 dividiert, ergibt sich der Mittelwert 𝑋 . Das 5.

Postulat fordert, dass 𝑋 gleich < 𝑥𝑛 > ist:

𝑋 = 𝑥𝑖

𝑁𝑖=1

𝑁=< 𝑥𝑛 >= Ψn

∗(x) x Ψn(x)dx+∞

−∞

Die Berechnung von < 𝑥 > für den niedrigsten Zustand 𝑛 = 1 des Teilchens im eindimensionalen Kasten:

< 𝑥 >= 2

Lsin

π

Lx

𝑥=𝐿

𝑥=0

𝑥 2

Lsin

π

Lx dx

→ < 𝑥 >=2

𝐿 𝑥 sin2

π

Lx

𝑥=𝐿

𝑥=0

𝑑𝑥 sin2 𝑡 =1

2−

1

2 𝑐𝑜𝑠 2𝑡

→ < 𝑥 >=2

𝐿

𝑥

2𝑑𝑥 −

2

𝐿

𝑥

2

𝑥=𝐿

𝑥=0

𝑐𝑜𝑠(2𝜋

𝐿𝑥)𝑑𝑥

𝑥=𝐿

𝑥=0

und mit

𝑥 𝑐𝑜𝑠 𝑎𝑥 𝑑𝑥 = 1

𝑎² 𝑐𝑜𝑠 𝑎𝑥 +

1

𝑎 𝑠𝑖𝑛 𝑎𝑥

kann das Integral berechnet werden:

< 𝑥 >=2

𝐿 𝑥2

4 𝑥=0

𝑥=𝐿

−1

𝐿

𝐿2

4𝜋2𝑐𝑜𝑠

2𝜋

𝐿𝑥 +

𝐿

2𝜋𝑠𝑖𝑛

2𝜋

𝐿𝑥

𝑥=0

𝑥=𝐿

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< 𝑥 >= 𝐿²

2𝐿− 0 −

1

𝐿

𝐿²

4𝜋²+ 0 −

𝐿²

4𝜋² =

𝐿

2

Als Mittelwert unendlich vieler Messungen ergibt sich für den Zustand 𝑛 = 1 also

< 𝑋 >=𝐿

2

was angesichts von Ψ 2 sehr vernünftig ist.

Dirac-Notation:

In der Quantenmechanik benutzt man für die Darstellung der Integrale günstigerweise die

Dirac-Schreibweise (sogenannte Bra-Ket-Notation):

Ψi Ψj = Ψi∗(x) Ψj(x)dx

+∞

−∞

Ψi 𝐻 Ψj = Ψi∗ x x Ψj x dx

+∞

−∞

= 𝐻𝑖𝑗

𝐻𝑖𝑗 : Matrixelemente

Dabei ist die erste Funktion immer komplex-konjugiert zu nehmen.

2.7 Teilchen im dreidimensionalen Kasten

Da das Modell des Teilchens im eindimensionalen Kasten nicht realistisch ist, ist die

Erweriterung des Modells auf drei Dimensionen notwendig. Dafür muss die

Schrödingergleichung auf drei Dimensionen erweitert werden.

a) Schrödingergleichung für das Teilchen im dreidimensionalen Kasten

Für ein Teilchen mit den Koordinaten 𝑞 = (𝑥, 𝑦, 𝑧) und Impuls 𝑝𝑞 = 𝑝𝑞(𝑝𝑥 , 𝑝𝑦 , 𝑝𝑧) lautet der

Impulsoperator:

𝑝 𝑞 =ℏ

𝑖

𝜕

𝜕𝑞

Einsetzen in den Hamilton-Operator führt zu

𝐻 = 𝑇 (𝑞) + 𝑉 (𝑞)

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𝐻 =1

2𝑚 𝑝 𝑥

2 + 𝑝 𝑦2 + 𝑝 𝑧

2 + 𝑉 𝑥, 𝑦, 𝑧

𝐻 = −ℏ²

2𝑚

𝜕²

𝜕𝑥²+

𝜕²

𝜕𝑦²+

𝜕²

𝜕𝑧² + 𝑉(𝑥, 𝑦, 𝑧)

und mit

∆= ∇² =𝜕²

𝜕𝑥²+

𝜕²

𝜕𝑦²+

𝜕²

𝜕𝑧²

erhält man

𝐻 = −ℏ²

2𝑚∆ + 𝑉(𝑥, 𝑦, 𝑧)

Die Schrödingergleichung lautet dann:

𝐻 Ψ 𝑥, 𝑦, 𝑧 = 𝐸 Ψ 𝑥, 𝑦, 𝑧

−ℏ2

2𝑚∆ Ψ 𝑥, 𝑦, 𝑧 + 𝑉 Ψ 𝑥, 𝑦, 𝑧 = 𝐸 Ψ 𝑥, 𝑦, 𝑧

b) Lösung der Schrödingergleichung für das Teilchen im dreidimensionalen Kasten

Der Kasten sei ein Würfel mit der Kantenlänge 𝐿, wobei

𝑉 𝑥, 𝑦, 𝑧 = 0 für 0 ≤ 𝑥𝑦𝑧 ≤ 𝐿

𝑉(𝑥, 𝑦, 𝑧) = ∞ außerhalb des Kastens

Ψ(𝑥, 𝑦, 𝑧) ≠ 0 𝑖𝑚 𝐾𝑎𝑠𝑡𝑒𝑛

= 0 𝑎𝑢ß𝑒𝑟𝑕𝑎𝑙𝑏 𝑑𝑒𝑠 𝐾𝑎𝑠𝑡𝑒𝑛𝑠

𝑚 : Masse des Teilchens

Die Schrödingergleichung lautet:

−ℏ2

2𝑚∆ Ψ 𝑥, 𝑦, 𝑧 = 𝐸 Ψ 𝑥, 𝑦, 𝑧

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Man verwendet zur Lösung einen Produktansatz (mathematische Vereinfachung des

Problems), dieser ist physikalisch richtig im feldfreien Raum, d.h. wenn x, y, z

gleichberechtigt sind:

Ψ 𝑥, 𝑦, 𝑧 = Ψ 𝑥 Ψ 𝑦 Ψ 𝑧

−ℏ2

2𝑚 ∂²Ψ 𝑥

∂x²Ψ 𝑦 Ψ 𝑧 + Ψ 𝑥

∂²Ψ 𝑦

∂y²Ψ 𝑧 + Ψ 𝑥 Ψ 𝑦

∂²Ψ 𝑧

∂z² = 𝐸 Ψ 𝑥 Ψ 𝑦 Ψ 𝑧

Teilt man diese Gleichung durch Ψ 𝑥 Ψ 𝑦 Ψ 𝑧 , erhält man

−ℏ2

2𝑚

1

Ψ 𝑥

∂²

∂x²Ψ 𝑥 +

1

Ψ 𝑦

∂²

∂y²Ψ 𝑦 +

1

Ψ 𝑧

∂²

∂z²Ψ 𝑧 = 𝐸

𝐸 ist eine konstante Energie, d.h. beim Variieren von 𝑥, 𝑦, 𝑧 muss jeder Summand gleich

einer Konstanten sein, d.h. sie entsprechen den Energiewerten 𝐸𝑥 , 𝐸𝑦 , 𝐸𝑧 in 𝑥, 𝑦, 𝑧 Richtung.

Sie sind unabhängig von einander, daher kann diese Gleichung in drei voneinander

unabhängige Gleichungen separiert werden. Die Gleichungen und die dazu gehörigen

Zustandsfunktionen und Eigenwerte lauten:

−ℏ2

2𝑚 ∂²Ψ 𝑥

∂x² = 𝐸𝑥 Ψ 𝑥 Ψ 𝑥 =

2

Lxsin

nxπ

Lxx 𝐸𝑥 =

𝑛𝑥2𝑕²

8𝑚𝐿𝑥2

−ℏ2

2𝑚 ∂²Ψ 𝑦

∂y² = 𝐸𝑦 Ψ 𝑦 Ψ 𝑦 =

2

Lysin

nyπ

Lyy 𝐸𝑦 =

𝑛𝑦2𝑕²

8𝑚𝐿𝑦2

−ℏ2

2𝑚 ∂²Ψ 𝑧

∂z² = 𝐸𝑧 Ψ 𝑧 Ψ 𝑧 =

2

Lzsin

nzπ

Lzz 𝐸𝑧 =

𝑛𝑧2𝑕²

8𝑚𝐿𝑧2

Diese Gleichungen sind jeweils analog zum eindimensionalen Problem, so dass die Lösungen für Energie und Eigenfunktionen von dort übernommen werden können. Für die gesamte Wellenfunktion gilt so:

Ψ 𝑥, 𝑦, 𝑧 = 8

L3sin

nxπ

Lx sin

nyπ

Ly sin

nzπ

Lz

Für die Gesamtenergie gilt:

𝐸𝐺𝑒𝑠 = 𝐸𝑥 + 𝐸𝑦 + 𝐸𝑧 = (𝑛𝑥2 + 𝑛𝑦

2 + 𝑛𝑧2)

𝑕2

8𝑚𝐿2

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mit

nx , ny , nz = 1, 2, 3, … 𝑛𝑖 : 𝑄𝑢𝑎𝑛𝑡𝑒𝑛𝑧𝑎𝑕𝑙

Man erhält in der Lösung immer genau so viele Quantenzahlen, wie das System

Freiheitsgrade besitzt, in diesem Fall drei: nx , ny , nz . Da es sich hier ferner um einen Würfel

handelt (Lx = Ly = Lz = L) handelt, tritt Entartung auf. So gibt es mehrere Eigenfunktionen

zum gleichem Eigenwert.

Die ersten Energieniveaus des Würfels:

c) Entartung

Aus dem Energie-Schema sieht man, daß zum Beispiel der Zustand (2,1,1) dreifach entartet

ist. Es existieren also drei Eigenfunktionen Ψ2,1,1, Ψ1,2,1 und Ψ1,1,2 zum gleichen Energiewert

E2,1,1 = E1,2,1 = E1,1,2.

d) Aufhebung der Entartung

i) Wenn die Längen des Würfels verändert werden, spalten die entarteten Energieniveaus

auf, so dass die Entartung aufgehoben wird.

Wenn 𝐿𝑥 = 𝐿𝑦 < 𝐿𝑧 ergibt sich mit

𝐸 = 𝑛𝑥

2

𝐿𝑥2

+𝑛𝑦

2

𝐿𝑦2

+𝑛𝑧

2

𝐿𝑧2

𝑕2

8𝑚

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eine Absenkung für 𝐸1,1,2 aber eine Anhebung für 𝐸2,1,1 und 𝐸1,2,1. Ferner erhält man für

𝐿𝑥 ≠ 𝐿𝑦 ≠ 𝐿𝑧 drei verschiedene Energieniveaus. Die Symmetrie des Kastens beeinflusst also

die Lage der Energieniveaus. Durch Deformation des Würfels wird die Entartung

aufgehoben.

ii) Aufhebung der Entartung bei Metallionen als Zentralatom bei anorganischen Komplexen

Anorganische Komplexe entstehen durch die bindende Wechselwirkung von Liganden mit

einem Zentralatom. Dabei wird die Kugelsymmetrie des Elektronensystems und des

Zentralatoms gestört. Das widerum führt zur Aufhebung der Entartung, z.B. die 3d-Niveaus

des freien Fe3+-Ions sind fünffach entartet, aber im oktaedrischen [Fe(CN)6] 3--Komplex ist die

Entartung folgendermaßen aufgehoben. (Siehe Kristallfeldtheorie)

Exkurs: Ergänzende Vorstellung zur Unschärferelation.

Die Heisenberg'sche Unschärferelation lautet:

Δ𝑥Δ𝑝 ≥1

2ℏ

Da Teilchen Wellencharakter haben, kann man Δ𝑥 mit Hilfe der

Aufenthaltswahrscheinlichkeit Ψ∗Ψ darstellen. Diese Funktion kann durch Überlagerung von

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mehreren Wellen unterschiedlicher Wellenlänge 𝜆𝑖 dargestellt werden. (Sinus- und Cosinus-

Funktionen mit Maximum der Amplitude bei L)

𝑓 𝑥 = 𝐴𝑚 cos 𝑚𝑥

𝑚=0

+ 𝐵𝑛

𝑛=0

sin 𝑛𝑥

𝑚 = 𝑘𝑚 =2𝜋

𝜆𝑚 𝑛 = 𝑘𝑛 =

2𝜋

𝜆𝑛

Je genauer die Ortsangabe ist, also je kleiner Δ𝑥, desto mehr Wellen mit unterschiedlicher

Wellenlänge 𝜆𝑖 müssen überlagert werden. Da nach De Broglie 𝜆 =𝑕

𝑝 gilt, kann man

schreiben 𝑝𝑛 ,𝑚 =𝑕

𝜆𝑚 ,𝑛. Demzufolge gibt es eine große Impulsunschärfe:

Δ𝑝 = 0; 𝜆 = 𝑐𝑜𝑛𝑠𝑡. (nur eine Wellenlänge); Δ𝑥 = ∞

Δx = 0; unendlich viele Wellenlängen; Δp = ∞ (d.h. Ψ∗Ψ entspricht einer Dirac-

Deltafunktion)