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Page 1: EIN GESPRÄCH MIT DEM AUTOR CHRISTOPH … · Sie an Kinder und Jugendliche als Adressaten gedacht haben, obwohl der Verlag es nicht als Jugendbuch ... die Welt retten, und gerade

Quelle: Bildungsserver Sachsen-Anhalt (http://www.bildung-lsa.de) | Lizenz: Creative Commons (CC BY-SA 3.0)

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Eva Scherf

MEHR ZEIT FÜR TRÄUME? EIN GESPRÄCH MIT DEM AUTOR CHRISTOPH WERNER ZU DESSEN ROMAN „MARIE MARNE UND DAS TOR ZUR NACHT“

Für wen haben Sie das Buch geschrieben? Titelheldin und der Fantasy-Charakter deuten darauf hin, dass Sie an Kinder und Jugendliche als Adressaten gedacht haben, obwohl der Verlag es nicht als Jugendbuch ausweist.

C.W. Ganz konkret habe ich es für meine Tochter geschrieben, die damals so um die 10 war (ihr habe ich das Buch ja schließlich auch gewidmet). Natür-lich war sie Harry-Potter-Fan und mit ihr zusammen habe ich dann die Filme angeguckt, die ich toll fand. Mein Roman ist also – gerade in seinen Fantasy-Elementen – schon ganz bewusst als Jugendbuch konzipiert, obwohl ich natürlich auch unabhängig davon, allein schon als Puppentheater-Mann, ein Faible fürs Phantastische habe.

Micheal Ende hat nicht im Kopf rumgespukt beim Schreiben? Sowohl in der „Unendlichen Geschichte“ als auch in „Momo“ sind es ja ebenfalls Kinder, die die Welt retten, und gerade in „Momo“ spielt die Zeit ebenfalls eine zentrale Rolle.

C. W. Komischerweise war mir dieser Bezug beim Schreiben selbst gar nicht bewusst, erst später bin ich darauf hingewiesen worden. Da wird jedoch den Menschen die Zeit gestohlen, während man in meinem Buch zusätzliche Zeit kaufen kann. Und dann ist ja auch „Marie Marne“, keine High-Fantasy-Geschichte wie „Momo“ oder „Herr der Ringe“, die komplett in einer Phantasie-Welt angesiedelt ist, sondern bei mir ergibt sich das Phantastische aus der Realität, die immer präsent bleibt. So ist das ja

schon beim Erfinder dieses Geschichten-Typs, bei E. T. A. Hoffmann.

Da sind wir bei den beiden Ebenen des Romans. In der Realebene wird eine ganz normale Teenie-Geschichte erzählt: Eine 13-Jährige, die gern mehr Zeit verbringen würde mit ihrem Vater, der immerzu telefoniert; ihr Alltag in der Schule und ihre Freundin-nen; die sich anbahnende Liebe mit einem Jungen. Entscheidend auf dieser Ebene ist aber die Vater-Tochter-Beziehung: Marie setzt alles daran, ihn zu retten. Nachdem ihr dies gelungen ist, spielt der Vater plötzlich keine Rolle mehr im Roman, das ist etwas schade.

C. W. Aber folgerichtig. Schließlich geht es dann um die Errettung der Welt, da haben Eltern, auch Väter, nichts mehr zu suchen. Die Weltrettung ist immer eine Sache der Jungen, nicht der Alten!

In der zweiten Ebene des Buches, den Träumen, wim-melt es nur so von phantastischen Figuren und Moti-ven: mythischen, wie Mr. Phisto, Zyklop oder Zentaur, aber auch ganz eigenen: das Tor zur Nacht z. B., die Schlafenergie, die im ADI-Wert gemessen wird, Schlafbarrieren, die zum Schutz der Träumenden er-richtet werden können oder die Benandanti, eine Art Wächter über das Gleichgewicht zwischen realer und Traumwelt. Woher nehmen Sie solche Einfälle?

C. W. Teils auch aus eigenen Träumen, mit denen ich mich – lange vor dem Buch – eine Zeitlang intensiv auseinandergesetzt habe, weil mich das einfach

(Eine Rezension des Buches finden Sie hier im Lesefutter auf S. 139!)

Page 2: EIN GESPRÄCH MIT DEM AUTOR CHRISTOPH … · Sie an Kinder und Jugendliche als Adressaten gedacht haben, obwohl der Verlag es nicht als Jugendbuch ... die Welt retten, und gerade

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interessierte. Da habe ich nicht nur die Klassiker der Traumtheorie gelesen, sondern auch selbst Traum-tagebuch geführt und festgestellt, dass man seine Träume durchaus auch steuern, d. h. auf bestimmte Dinge ansetzen kann. Das tut ja auch Marie, die sozusagen zielgerichtet träumt: erst, um das Tor zur Nacht zu öffnen, später, um es wieder zu schließen.

Und die Botschaft des Buches? Dass man seine Träu-me nicht einfach wie Müll wegwerfen soll (dies tun ja alle, die sich im Roman Zeit kaufen), sonst droht letztlich der Untergang der Welt?

C. W. So kann man das natürlich formulieren. Für mich war auch die Ambivalenz des Zeitproblems wichtig: Wir leben in einer Gesellschaft, in der wir immer effizienter mit unserer Zeit umgehen müs-sen. Manager oder auch junge Mütter leiden unter mangelnder Zeit wie Maries Vater, der sich Zeit wie eine Art Party-Droge kauft. Das Problem ist, dass er und Marie damit in die Hand eines weltweit agie-renden Unternehmens geraten, welches maximalen Profit erstrebt und das Leben zu beherrschen droht.

Solche weltumspannenden Unternehmen, denen wir uns mehr oder weniger freiwillig ausliefern, gibt es ja schon.

Als Unterrichtslektüre ist das Buch ab 6./7. Klasse zu empfehlen. Haben Sie einen Tipp für die Unterrichts-gestaltung?

C. W. Ja. Mich und meine Frau kann man nämlich buchen – kostenlos. Wir kommen dann für zwei Stunden in den Unterricht, um aus dem Roman zu lesen und im Anschluss daran mit den Schülern kre-ativ zu arbeiten. Das hat bisher immer großen Spaß gemacht – nur in Sachsen-Anhalt sind wir bisher nur einmal eingeladen worden. Aber das kann sich nun ja ändern.

Angefragt werden kann Christoph Werner unter Tel. 0345 / 5110 544 oder per Mail: [email protected]