(ebook - german) akte x novel - bd. 13 - verseucht

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  • 5/28/2018 (eBook - German) Akte X Novel - Bd. 13 - Verseucht

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    Les Martin

    Verseucht

    Roman

    auf Basis der gleichnamigen Fernsehserievon Chris Carter, nach einem Drehbuch

    von Howard Gordon

    Aus dem Amerikanischen vonFrauke Meier

    Das Cumberland Staatsgefngnis ist der Ort, wo derBundesstaat Virginia seine Schwerverbrecher einsperrt, es istein Ort voll unterdrckter Gewalt und leise gemurmelterFlche. Doch dann erhlt einer der Gefangenen eingeheimnisvolles Pckchen, dessen Inhalt die Hlle auf Erdenbedeutet. Bald schon lodern im Verbrennungsofen der Anstalthellrote Flammen und vernichten die ersten Opfer desGrauens.

    Mulder und Scully kommen nach Cumberland. WhrendMulder gemeinsam mit Marshai Tapia zwei entflohenenHftlingen nachsetzt, versucht Scully hinter das Rtsel vonCumberland zu kommen. Es wird ein Wettlauf gegen die Zeitund gegen den lautlos schleichenden Tod, der im Gefngnisseine Kreise bald auch um Scully zieht...

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    Erstverffentlichung bei:Harper Trophy - A Division of Harper Collins Publishers, New York

    Titel der amerikanischen Originalausgabe:The X-Files - Quarantine

    The X-Files 1998 by Twentieth Century Fox Film CorporationAll rights reserved

    Die unheimlichen Fl l e des FBI

    Die Deutsche Bibliothek - CIP-EinheitsaufnahmeAkte X novels - die unheimlichen Flle des FBI.

    Bd. 13. Verseucht: Roman / Les Martin. Aus dem Amerikan. vonFrauke Meier. - 1. Aufl. - 1999

    ISBN 3-8025-2595-7I.Auflage 1999

    der deutschen bersetzungvgs Verlagsgesellschaft, Kln 1999

    Coverdesign: Steve ScottUmschlaggestaltung der deutschen Ausgabe:

    Papen Werbeagentur, Kln des ProSieben-Titel-Logos mit freundlicher Genehmigung

    der ProSieben Media AGISBN 3-8025-2595-7

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    Am strahlendblauen Himmel zogen Geier ihregemchlichen Kreise in der Hitze des Tages.Groe, dunkle Vgel mit mchtigen Schwingen,scharfen Augen und mrderischen Schnbeln.

    Dr. Torrence beobachtete sie durch das Bltter-werk der Bume im Regenwald von Costa Rica.Als Biologe war er an wildlebende Tiere gewhnt,doch diese Geier erfllten ihn mit einem wachsen-den Unbehagen, das ihn immer berkam, sobald erden Blick gen Himmel richtete. Es waren Vgelvon einer geradezu unheimlichen Raffinesse, diegenau wuten, was sie taten. Sie lebten vomFleisch der Toten, und sie witterten, da irgendwoganz in der Nhe die Essenszeit wieder einmalnherrckte.

    Der Biologe zwang sich, die Augen abzuwendenund sich wieder auf seine Arbeit zu konzentrieren.Mit einem hlzernen Zungenspatel schob er einlockeres Rindenstck zur Seite, unter dem er einengroen, schwarzen Kfer entdeckt hatte.

    Komm zu Papa", murmelte er leise. Ganz lang-sam fhrte er einen zweiten Zungenspatel an denKfer heran, um das Insekt nicht zu erschrecken,und tatschlich krabbelte der Kfer nach einem

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    kurzen Zgern auf den Spatel. Behutsam balan-cierte ihn Dr. Torrence zu einer durchsichtigenKunststoffbox in einem Metallkoffer, lie ihn hin-eingleiten und drckte, ehe der Kfer fliehenkonnte, den Deckel auf das Fach. Dann zhlte errasch und kam auf siebzehn Exemplare.

    Genug fr heute", sagte er zu sich selbst. Erverschlo den Koffer, wischte sich Schweitrpf-chen von seiner Drahtgestellbrille und rieb ener-gisch ber seinen Fnf-Tage-Bart. Was wrde erfr eine Rasur und eine heie Dusche geben. . .Doch beides war noch drei Tage und gut zweihun-dert Meilen entfernt.

    Jetzt war erst einmal die Zeit fr den Rckwegins Basislager. Dr. Torrence packte seinen ber-groen Rucksack und lud ihn sich mit einem leisenchzen auf den Rcken - als er pltzlich einohrenbetubendes Kreischen hrte.

    Er erkannte das Gerusch, noch bevor er den

    Geierschwarm durch die Baumkronen sah. Ganzin der Nhe fand offenbar ein Leichenschmaus derbesonderen Art statt.

    So mde Dr. Torrence auch war, er konnte derVersuchung, einen Blick auf das Geschehen zuwerfen, nicht widerstehen. Das Studium der wild-lebenden Tiere war nicht nur sein Beruf, sondernauch seine Passion.

    Was er suchte, war nicht schwer zu finden. Geierpflegten ein Heidenspektakel zu veranstalten, wenn

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    sie sich zum Fressen niederlieen: Auf einer kleinenLichtung waren mindestens zwanzig Vgel damitbeschftigt, einen Kadaver in Stcke zu reien.

    Schhh! Verschwindet! Schhh!" Whrend ersich nherte, wedelte der Biologe laut rufend mitden Armen.

    Mit wtenden Schreien erhoben sich die Vgelin die Lfte. Sie flogen nicht weit, sondern lieensich in der Nhe auf niedrigen Zweigen nieder undbeobachteten das Tun des Menschen gierigenBlicks und mit schrggelegten Kpfen.

    Dr. Torrence streifte seinen Rucksack ab undhockte sich neben die berreste eines groen Kei-lers. Er pfiff berrascht durch die Zhne. Whrendder Anblick blauschimmernder Eingeweide denmeisten Menschen den Magen umgestlpt htte,regte sich in Dr. Torrence lediglich Neugier.

    Wilde Eber gehrten zu den strksten Tieren,die im mittelamerikanischen Urwald lebten. Einangreifender Keiler wrde nicht einmal durcheinen Schu zwischen die Augen zu bremsen sein.Was also mochte dieses Tier gettet haben?

    Er betrachtete das zerfetzte Fleisch. Auf denersten Blick erkannte er nur, da die Geier beiihrem Mahl ganze Arbeit geleistet hatten, dochdann entdeckte er etwas, das ihn veranlate, nocheinmal genauer hinzusehen.

    Zwischen den offenen Wunden waren grellrotePusteln, die ballonartig aufgequollen waren. Sie

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    pulsierten, als htten sie ein eigenes Herz. Dieswaren nicht die ersten Pusteln, die Dr. Torrence in

    seiner Biologenkarriere zu sehen bekam, doch eswaren eindeutig die widerlichsten.

    Noch interessanter waren allerdings die groenorange-roten Kfer, die um die Beulen herumkrab-belten. Ob sie diese Farbe stets trugen oder ob dasgrelle Feuerrot das Ergebnis einer ausfhrlichenBlutschlemmerei war, wute Dr. Torrence nicht zu

    sagen - und das war nur eine von vielen Fragen,denen er auf den Grund gehen wollte.

    Immer noch am Boden hockend griff er in sei-nen Rucksack und zog einen Musterkoffer hervor.Dann entnahm er einer Seitentasche ein PaarLatexhandschuhe und streifte sie ber. Nur einenAugenblick spter war einer der Kfer sicher indem Kunststoffkstchen verstaut, und Dr. Torrencewandte sich erneut dem Kadaver zu.

    Die rot glnzenden Beulen waren gewaltig, undsie schienen immer noch grer zu werden, wh-rend er den Kadaver studierte. Bei jedem Puls-schlag spannte sich die Haut ein wenig mehr, bissie von einem durchscheinenden Rot war. Miteinem latexgeschtzten Finger tippte der Biologegegen die Beule, die ihm am nchsten war.

    Uuuhhh", grunzte er angewidert, als die Pustelaufplatzte und Eiter auf seine Brille spritzte. VollerAbscheu verzog er das Gesicht, whrend er dieGlser an seinem Hemd abwischte und die Brille

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    wieder aufsetzte. Er betrachtete die Wunde, dieunter der Beule zum Vorschein gekommen war -und beschlo, da er fr den Augenblick genuggesehen hatte. Er wrde sicher mehr erfahrenknnen, wenn er den Wald verlie und ins Laborzurckkehrte.

    Dr. Torrence sollte seine Antworten schnellererhalten, als ihm lieb sein konnte.

    Am nchsten Tag fhlte er sich zu schwach, ummehr als eine Handvoll Insekten im Wald zu fan-gen. Als er sich schlielich wieder zu seinemLager zurckschleppte, war sein Krper trotz derabendlichen Khle schweiberstrmt. Er stol-perte in sein Zelt und kroch in seinen Schlafsack,in dem er abwechselnd zitternd und schwitzendliegenblieb.

    Sein Gehirn kmpfte mit den Wogen der Fin-sternis, die sein Bewutsein berfluten wollten. Erwute, da er sich noch einmal aufraffen und denSchlafsack verlassen mute. Er mute zum Funk-gert, und wenn es das letzte war, was er in seinemLeben tun wrde.

    Im Zwielicht der heraufziehenden Dmmerungkrabbelte er aus dem Zelt und richtete den Strahlseiner Taschenlampe vor sich. Neben einem Holz-stamm in der Nhe des verlschenden Lagerfeuersentdeckte er das Funkgert. Rasch schaltete er dasGert an und regulierte die Frequenz. Dannrusperte er sich und sprach, so laut er konnte, in

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    das Mikrophon. Doch aus seiner zugeschnrtenKehle kam kaum mehr als ein heiseres Krchzen.BDP Basislager, bitte kommen. Basislager, bittemelden."

    Keine Antwort.Er beschlo, einen Augenblick zu warten und es

    dann erneut zu versuchen.Sein Gesicht schien zu glhen. Er strich mit der

    Hand ber die Haut und ertastete die brennendenPusteln, die ihn qulten.

    Geschwcht griff er erneut zum Mikrophon undatmete tief ein. Ein verzweifeltes Keuchen entrangsich ihm: Hier spricht Dr. Robert Torrence vomBiodiversity Project. Ich bitte um sofortige Evaku-ierung aus dem Sektor Z-Eins-Fnf."

    Er unterbrach sich, als ihm der Atem ausging,sog neue Luft in seine pfeifenden Lungen undprete hervor: Dies ist ein medizinischer Notfall.Ich wiederhole: ein medizinischer Notfall. Bitteantworten Sie."

    Erschpft fiel er auf den Rcken und starrte indas gleichgltige Bltterdach des Regenwalds,whrend er dem statischen Rauschen ungenutzterFunkwellen lauschte.

    Ich werde nie herausfinden... Ihm fehlte dieKraft, den Gedanken zu Ende zu fhren.

    Das letzte Bild, das sein Geist bewut wahr-nahm, war das unzhliger Geier am azurnen tropi-schen Abendhimmel.

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    Filipo Garcia, Anfhrer eines bewaffneten Kom-mandotrupps im Urwald von Costa Rica, hrte das

    Kreischen der Geier ber den Bumen.Wartet eine Sekunde", befahl er seinen

    Mnnern auf Spanisch. Habt ihr das gehrt?"Garcia war kein Biologe, doch er war im Dschun-

    gel aufgewachsen. Er kannte dieses Gerusch, under wute, was es zu bedeuten hatte.

    Das gleiche galt fr seine Mnner. Sie stellten

    keine Fragen, als er sie zur Quelle des Kreischensfhrte. Kommt, versuchen wir es dort drben."

    Als die Mnner die Lichtung betraten, gab Gar-cia einen Schu ab. Rasch erhoben sich die Vgelin die Luft, einem Schwrm dunkler Todesengelgleich.

    Zurck blieben Wolken summender Insekten.Garcia scheuchte die Insekten fort und starrte

    auf den reglosen Krper hinunter. War das derYankee-Wissenschaftler, den sie suchen und mitdem Hubschrauber ausfliegen sollten?

    Von dem Gesicht des Mannes war nicht genugbrig, um wirklich sicher sein zu knnen. Nur eineDrahtgestellbrille, deren Glser unter den unbarm-herzigen Schnabelhieben zerbrochen waren, hattendie Geier zurckgelassen.

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    Das Cumberland Staatsgefngnis war kein behag-liches Bauwerk. Doppelte Lagen Stacheldraht be-grenzten die hohen Mauern und die Wachtrme. ImInneren fhrten kahle Flure an langen Reihen sthler-ner Tren vorbei, und hinter diesen Tren befandensich winzige Zellen, von denen mehr als Einzelzellendienten als in den meisten anderen Gefngnissen.Der Staat Virginia schickte seine gewaltttigsten Ver-brecher nach Cumberland, damit sie ihre Schuldgegenber der Gesellschaft in langen Jahren der Ein-samkeit mit Zins und Zinseszins bezahlten.

    Darnell Winston war bereits seit einem JahrWrter in Cumberland. Lang genug, um die Ge-fangenen kennenzulernen, aber nicht lang genug,um sein Mitgefhl zur Gnze zu verlieren. Beson-ders ein Bursche namens Bobby Torrence tat ihmleid. Auch fr einen bsartigen Menschen wieBobby war es hart, Tag fr Tag und Nacht frNacht allein in einer Zelle zu hocken und nichts vorsich zu haben auer dem Rest seines Lebens.

    Winston strte die zustzliche Arbeit nicht, alser Bobby ein Pckchen zu bringen hatte. Mg-licherweise wrde es dem Gefangenen ein wenigFreude bereiten.

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    Doch Bobby machte sich nicht einmal dieMhe, von seiner Pritsche aufzustehen, als sichWinston vor die Klappe der Zellentr stellte undrief: Hey, Bobby, du hast Post bekommen. Viel-leicht schickt dir jemand ein Geschenk."

    Stiehl mir nicht meine Zeit, Winston", knurrteBobby und starrte weiter mit finsterem Blick vorsich hin. Wir wissen doch beide, da ich nieman-den habe."

    Aber vielleicht ist es von dieser religisenWohlfahrtseinrichtung, unten in Annandale. Ichhabe gehrt, da sie manchmal Kuchen schicken."

    Als Bobby nicht antwortete, schob Winston dasPckchen durch die Klappe und ging achselzuk-kend davon.

    Manche Leute wollen sich einfach nicht helfenlassen, dachte er. Allmhlich begann er zu begrei-fen, warum die anderen Wrter hmische Gesich-ter zogen, wenn er sich ihrer Meinung nach wiedereinmal vllig unntig um die Gefangenen sorgte.

    Teilahmslos starrte Bobby auf das Pckchen amZellenboden, bis er sich endlich aufraffen konnte,es aufzuheben.

    Ungeffnet sagte es ihm nicht viel. Der Absen-der war zu stark verwischt, als da er ihn bei derschwachen Beleuchtung htte entziffern knnen.Das Pckchen war zuerst an andere Adressengeliefert worden, bis der Lieferservice ihn hiergefunden hatte, und die vorherigen Eintragungen

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    waren alle durchgestrichen. Nur sein Name wardeutlich zu lesen:Robert Torrence.

    Wenigstens wei irgend jemand, da ich nocham Leben bin - falls man das hier Leben nennenkann", maulte er leise vor sich hin. Aber waskann man mir schon schicken wollen?"

    Bobby ri das Pckchen auf und zog einenGegenstand von der Gre eines mnnlichenUnterarms hervor, der in Zeitungspapier gewickeltwar. Er versuchte, die Zeitungsfetzen zu lesen,doch sie waren in spanischer Sprache geschrieben.Verwundert schttelte er den Kopf.

    Da hat bestimmt jemand Mist gebaut." Er ridas Zeitungspapier ab und schnappte berraschtnach Luft.

    Uuuuhhh!"Er hielt das Bein eines Schweins in der Hand,

    das in Hhe der Hfte abgetrennt wordjen war.Wie eine glhende Kohle lie er es fallen und

    trat mit dem Fu danach. Das Bein prallte gegendie Zellenwand und blieb kaum eineinhalb Metervon ihm entfernt liegen. '

    Bobby prete das Gesicht an die Zellentr undbrllte: Hey, Winston, findest du das etwa witzig?Was fr einen Dreck ziehst du hier ab?"

    Er wartete, doch er erhielt keine Antwort. Keinehallenden Schritte nherten sich seiner Zelle. Erholte tief Luft und brllte noch lauter: ,Jlolt diesesDing aus meiner Zellel"

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    Wieder keine Antwort.Winston wrde vor dem Frhstck nicht wieder-

    kommen, und bis dahin dauerte es noch zehn Stun-den.

    Bobby ging zu seiner Pritsche zurck, legte sichhin und schlo die Augen. Schlaf war fr ihn dieeinzige Mglichkeit, die Zeit zu vergessen.

    Aber der Schlaf wollte sich nicht einstellen.Bobbys Augenlider flatterten und hrten nicht auf,sich wieder und wieder zu ffnen, so sehr er sichauch bemhte, sie geschlossen zu halten. Er wolltedieses scheuliche Schweinebein nicht ansehen -doch er konnte nicht anders. Wie frher, wenn ichZahnschmerzen hatte, dachte er wtend. Als Kindwar es ihm auch nie gelungen, seine Zunge vondem kranken Zahn fernzuhalten.

    Als er schlielich aufgab und das Bein betrach-tete, weiteten sich seine Augen.

    Mit angehaltenem Atem sah er genauer hin.Teile der Haut waren rot und fleckig geworden,und innerhalb dieser Flecken wuchsen ekelerre-gende Beulen heran.

    Er stand auf, um sich die Sache aus der Nheanzuschauen - und tatschlich: Es sah aus, alswrden sich die Beulen bewegen. Sie pulsiertenwie kleine bloliegende Herzen.

    Unglubig ging Bobby in die Hocke, um mehrerkennen zu knnen.

    Und das war ein Fehler - ein Fehler, dessen

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    Tragweite Bobby Torrence nicht mehr begreifenwrde.

    Die beiden Mnner, die ihn am nchsten Taguntersuchten, waren besser im Bilde.

    Osborne und Auerbach trugen schtzendeDekontaminationsanzge, die sie von Kopf bisFu einhllten. Durchsichtige Kunststoffmaskenbedeckten ihre Gesichter. Als sie sich am Unter-suchungstisch ber Bobby Torrence lehnten, erin-nerten sie an ein Paar schwitzender Astronauten.Eine starke Lampe beleuchtete die roten Beulen anBobbys Krper, deren schimmernde Oberflchedas helle Licht in einem hlichen Rot reflektier-ten.

    Wann wurde er infiziert?" fragte Osborne.Vor ungefhr achtzehn Stunden", entgegnete

    Auerbach.Verblfft schttelte Osborne den Kopf. Ich

    habe noch nie gehrt, da sich irgend etwas soschnell entwickelt. Nicht einmal das hier."

    Bobby sthnte, als er in das schmerzhaft grelleLicht blinzelte.

    Verschwommen erkannte er zwei Mnner, diesich ber ihn beugten. Was ging hier vor? Wasstimmte nicht mit ihm?

    Mhevoll keuchte er: Wo ist der Gefngnis-arzt?"

    Doch die beiden Mnner ignorierten seine Worte,whrend einer von ihnen die Gre der Beulen ma.

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    Bobbys Zunge fhlte sich an, als wre sie ton-nenschwer, trotzdem versuchte er es noch einmal.,Jch will den Gefngnisarzt sprechend

    Keine Sorge", besnftigte ihn Auerbach. Wirsind Spezialisten, Mr. Torrence."

    Osborne beendete seine Messung. NeunzehnZentimeter", erklrte er Auerbach, der die Zahlsogleich notierte. Die Beulen scheinen ungefhrgleich gro zu sein."

    Wie ist seine Temperatur?" fragte Auerbach,wobei er den Stift weiter geschftig ber dasPapier hielt.

    Neununddreiig-komma-sieben."Ein halbes Grad mehr als noch vor einer Stun-

    de", bemerkte Auerbach. Wir werden sie in zehnMinuten noch einmal prfen, falls..."

    Ja, falls - aber das ist eher unwahrscheinlich",brummte Osborne. Er kontrollierte ein Megert,das mit einer Sonde in Bobbys Nase verbundenwar. Die Sauerstoffsttigung liegt bei zweiund-achtzig Prozent."

    ,Jesus! Was stimmt nicht mit mir?" schrie Bob-by. Verzweifelt stemmte er sich gegen die Gurte,die ihn auf dem Tisch festhielten.

    Beruhigen Sie sich, Mr. Torrence", erwiderteAuerbach. Wir sind hier, um Ihnen zu helfen."

    Wir sind Ihre Freunde", fgte Osborne hinzu,whrend er eine Injektionsnadel in Bobbys Armstach.

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    Bobby sah das schwammige Lcheln auf denGesichtern der beiden Mnner - ein Lcheln, sodurchsichtig wie die Plastikmasken, die sie trugen.

    Mit Freunden wie euch brauche ich keine..."begann Bobby.

    Doch er kam nicht mehr dazu, den Satz zu been-den.

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    Winston bedauerte, was Bobby Torrence widerfah-ren war. Es wre ihm egal gewesen, wenn so etwas

    Paul Zimmer oder Steve Tyson zugestoen wre.Soweit es Winston betraf, gab es nichts, wasschlimm genug war, um es Paul oder Steve nichtvon Herzen zu gnnen.

    Paul war ein hnenhafter Schlger, dessen Mus-keln zu wahren Bergen anschwellen konnten. Mitseinen langen Haaren und dem ungepflegten Bart

    sah er aus wie ein Desperado. Seine stets spttischverzogenen Lippen verliehen ihm das Aussehengenau des brutalen Gewaltverbrechers, der er auchwar.

    Steve war dnn und drahtig. Ein dunkler Bart-schatten bedeckte sein Gesicht. Er war Pauls Kum-pel, und er war nicht minder bsartig. Allerdings

    war Paul ein wenig gerissener als die anderenStrflinge - was ausreichte, um Paul in StevesAugen zum Helden zu machen. Wohin ihn Paul auchfhrte, der Dnne folgte ihm, und zumeist schlitter-ten die beiden von einer Gewalttat zur nchsten.

    Sie hatten einen Ruf in Cumberland, und selbsthartgesottene Verbrecher gingen ihnen aus dem

    Weg. Als Winston sie in Bobbys alte Zelle

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    schickte, hielt er einen sicheren Abstand und ach-tete darauf, die Hand stets in der Hhe seinerPistole zu haben.

    Doch es lag nicht nur an den beiden Mnnern,da Winston es vermied, die Zelle zu betreten. Erselbst hatte Bobby gefunden, whrend sich derGefangene vor Schmerzen auf dem Boden wand,und er wollte nicht nher an das heran, was hiernoch zurckgeblieben sein mochte. Nur zu gutkonnte er sich an Bobbys entstellten Krper, Armeund Beine berst von abscheulich pulsierendenBlasen, erinnern. Winston wute, da ihn dieseBeulen noch in seinen Trumen verfolgen wrden.

    Durch die geffnete Zellentr bellte er den bei-den Strflingen Befehle zu. Packt jedes Teil vonseinem Bettzeug und alle seine Kleider in denWschereibehlter", ordnete er an. Und vergetnichts. Kein Kissen und kein Taschentuch. Und

    sorgt dafr, da der Behlter fest verschlossen ist,ehe ihr ihn aus der Zelle rollt. Ich werde in zehnMinuten zurck sein. Ich erwarte, da ihr bis dahinfertig seid."

    Ja, Sir", suselte Paul ironisch. Sonst noch

    was?"Riskier hier keine groe Lippe! Tu einfach,was ich dir sage!"

    Mit diesen Worten warf Winston die Tr insSchlo, drehte den Schlssel herum und stiefelteden Korridor hinunter.

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    Paul wandte sich zu Steve um, der ein Laken ineinen groen gelben Kunststoff behlter auf Rdernstopfte.

    Hast du gesehen?" bemerkte er. Der konntegar nicht schnell genug wegkommen."

    Steve runzelte die Stirn. Der ganze Zellenblockist leer."

    Paul nickte. Ja, und McGuire sagt, da dieKrankenstation voll ist. Sie stellen sogar nochneue Betten auf."

    Steve dachte einen Augenblick nach. Vielleichtgeht ja irgendwas rum."

    Paul musterte Steve aus verengten Lidern. Stevewar okay, ein guter Kumpel, und im Knastbrauchte man einen Kumpel, jemanden, der einemden Rcken deckte. Doch es verblffte Paul immerwieder, mit wie wenig Grips der Dnne gesegnetwar.

    Ja, etwas geht rum", echote Paul schlielich.Schtze, so kann man es ausdrcken."

    Hey, weit du etwa was darber? Ich meine,was hier vorgeht?" fragte Steven. berla das nurPaul, dachte er im gleichen Moment. Paul warimmer derjenige, der Bescheid wute.

    Ich wei, da diese Laken und das ganze Zeughier nicht in die Wscherei kommen", entgegnetePaul.

    Verdutzt zog Steve die Augenbrauen hoch.Was meinst du damit?"

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    Paul htte warten knnen, bis Steve von alleindarauf kam, doch so viel Zeit hatten sie nicht.McGuire sagte, sie kommen in eine Art Verbren-nungsanlage."

    Keine Wscherei?" wiederholte Steve mitbesorgter Stimme.

    Keine Sorge, sie verbrennen nur das Zeugaus diesem Zellenblock hier", versicherte ihmPaul.Der Wschewagen kommt trotzdem wie immer."

    Bist du sicher?"McGuire hat's mir gesagt. . ."Na ja, er mu es ja wissen", kommentierte

    Steve.Er ist ja schon seit dreiig Jahren hier drin."

    Ja, ist fast schon ein Zuhause fr ihn... Nicht,da ich ihn dabeihaben wollte, aber er wrde esnicht einmal versuchen, wenn er die Gelegenheitdazu bekme. Er hat vergessen, wie es drauenist."

    Ich nicht", erwiderte Steve versonnen.Ich auch nicht", stimmte Paul zu. Besonders,

    wenn ich daran denke, was mich da drauen erwar-tet. Warte nur, bis du sie kennenlernst, sie und denKleinen."

    Ich kann's kaum erwarten."Hey, du bist mein Mann", lobte Paul und

    schlug Steve freundschaftlich auf die Schultern.Steve grinste, obwohl selbst diese wohlwollendenPuffer schmerzten. Du wirst nicht mehr langewarten mssen."

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    Special Agent Dana Scully erkannte stets, wennihr Partner, Special Agent Fox Mulder, mige-

    stimmt war.Mulder mute nichts sagen, und meistens tat erdas auch nicht. Seine Augen wurden einfach einbichen dunkler, und er prete auf unnachahm-liche Weise die Kiefer aufeinander.

    Und momentan kochte Mulder geradezu vorWut. Dieser Auftrag war, gelinde gesagt, nicht

    sein Fall. Es gab eine Menge wichtigere Dinge inder Welt - und jenseits der Welt -, die Mulder lie-ber untersuchen wollte. Doch Befehl war nun ein-mal Befehl, und Mulder war ebenso sehr Profi wieScully.

    Als sie das Tor des Cumberland Staatsge-fngnisses erreichten, zckten sie ihre FBI-Mar-

    ken. Ohne eine Miene zu verziehen, berprfte derdiensthabende Wachmann ihre Ausweise und tele-fonierte dann. Er sprach einige Minuten lang,wobei er sorgsam darauf achtete, da Mulder undScully sein Gesprch nicht mithren konnten.

    Die beiden Agenten wechselten vielsagendeBlicke. Dies war ein erster Hinweis darauf, da

    irgend etwas an diesem Fall anders war - norma-

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    lerweise reichten ihre Dienstmarken aus, um pro-blemlosen Zutritt zu einem Gefngnis zu erhalten.Doch die Wache am Tor war auch kein typischerGefngniswrter. Dieser Mann trug die Uniformder Nationalgarde, und seine halbautomatischeWaffe lag in Griffweite.

    Zwei weitere bewaffnete Soldaten erschienenauf der Bildflche.

    Der Wachmann gab Scully und Mulder ihreAusweise zurck. Diese Mnner werden Sie hin-einbegleiten", erklrte er dann unmiverstndlich.

    Whrend einer der beiden Soldaten vorangingund die Agenten in das Gefngnis fhrte, folgteder andere erst hinter Mulder und Scully. IhreSchritte hallten durch die leeren Korridore undber eiserne Treppen. Eine krachende Stahltrnach der anderen brachten sie hinter sich, ohneauch nur einer Menschenseele zu begegnen. Trotz-dem hielten die beiden Soldaten ihre Waffenschubereit.

    Ich dachte, es geht um einen einfachenGefngnisausbruch und nicht um den dritten Welt-krieg", flsterte Scully Mulder zu.

    Das habe ich auch geglaubt", entgegnete Mul-der, mehr im Selbstgesprch. Scully bemerkte, dasein Zorn allmhlich verraucht und einem wach-senden Interesse gewichen war.

    Wann sind Sie angerufen worden?" fragteScully.

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    Um fnf Uhr heute morgen. Ich war gerade soweit, eine Runde zu laufen, und wollte mich dannin aller Ruhe meinen Nachforschungen widmen."

    Bei mir war es hnlich, abgesehen vom Laufennatrlich..."

    Was haben Sie fr Informationen bekommen?Ich habe nicht viel erfahren, nur da ich Sie hiertreffen sollte. Man hat mir gesagt, Sie wrden mirdie Einzelheiten erklren."

    Ich habe auch nur drftige Fakten." Scullyschttelte bedauernd den Kopf. Laut meinerArbeitsanweisung sind die beiden Gefangenen ineinem Wschereiwagen entkommen."

    Besser, als einen Tunnel mit dem Teelffel zugraben", witzelte Mulder. Die Wachen habenanscheinend nicht genug Gefngnisfilme gesehen."

    Scullys Miene blieb ernst. Beide Mnner hat-ten lebenslange Haftstrafen zu verben. Sie sindMrder und extrem gewaltttig."

    Sie brachen ihr Gesprch abrupt ab, als der Sol-dat vor ihnen mit erhobener Hand stehenblieb. Ernahm den Telefonhrer neben einer verschlosse-nen Tr ab und whlte eine Nummer.

    Die FBI-Agenten", meldete er. Sind beidehier."

    Er lauschte einen Augenblick und sagte dann:Ja, Sir."

    Der Soldat ffnete die Tr und trat zur Seite.Sie drfen hineingehen."

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    Der Raum, den Scully und Mulder betraten, wargro, langgestreckt und leer. Auf jeder Seitebefand sich eine Stahltr mit einem Sichtfenster,die auf einen Korridor hinausfhrte.

    Mulder blickte durch eine der Luken. Imnchsten Augenblick winkte er Scully, sich zu ihmzu gesellen.

    Was sie auf der anderen Seite der Tr zu Gesichtbekamen, waren zwei Mnner in Schutzanzgenund Masken, die einen Tisch auf Rdern, vollge-stellt mit allerlei medizinischen Ausrstungsge-genstnden, in einen Raum auf der anderen Seitedes Gangs schoben.

    Ich dachte, dies sei ein Hochsicherheitsgefng-nis", murmelte Mulder.

    Das ist es auch", entgegnete Scully.Was haben dann die Leute in den komischen

    Anzgen hier zu suchen?"Schwer zu sagen..." Scully zuckte die Ach-

    seln. Sieht aus, als wren sie mit einer Art Ent-seuchung beschftigt. Freigesetzte Chemikalienvielleicht. Oder ein Asbestproblem oder mg-licherweise eine ansteckende Krankheit. Mehrkann ich von hier aus . .."

    Sie unterbrach sich, als die Tr auf der anderenSeite des Raums aufflog und mehrere Mnner ein-traten.

    Es waren mindestens fnfzehn, und alle trugenmarineblauen Windjacken, auf denen vorn und

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    hinten in goldenen Lettern der Schriftzug U.S.MARSHAL prangte.

    Einer der Mnner bedachte Scully und Muldermit besonders eisigen Blicken, und als er sprach,klang seine Stimme sogar noch klter. FBI?"

    Das ist richtig", entgegnete Mulder ruhig.Was ist los? Habt ihr nicht mehr genug kor-

    rupte Politiker, um euch zu beschftigen?" blaffteder Marshai.

    Wie meinen?" Mit einem Ausdruck spttelnderberraschung zog Mulder die Augenbrauen hoch.Er wute aus Erfahrung, da das FBI oftmalszwiespltige Gefhle bei den Leuten hervorrief -Gefhle, die nicht eben herzlich waren.

    Einer der Soldaten bergab dem Marshal einBlatt Papier. Er berflog es, ehe er die beidenAgenten erneut fixierte. Mulder und Scullyalso?"

    So ist es", besttigte Scully uerst khl. Undwer sind Sie?"

    Tapia", schnarrte er. Er schien kein Freund vie-ler Worte zu sein.

    Wir haben die offizielle Anordnung erhalten,bei dieser Menschenjagd mit Ihnen zusammenzu-arbeiten", informierte ihn Scully.

    Hat einer von Ihnen schon einmal an der Ver-folgung eines entflohenen Strafgefangenen teilge-nommen?" verlangte Tapia zu erfahren.

    Nein.. ."

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    Dann werden Sie uns eine groe Hilfe sein,wenn Sie einfach versuchen, uns nicht im Weg zustehen." Tapia machte aus seiner Verachtung kei-nen Hehl. Er wandte sich ab, und seine Krper-sprache machte mehr als deutlich, da dasGesprch fr ihn beendet war.

    Als Mulder das Wort ergriff, klang seine Stim-me schneidend: Wir werden tun, was Sie verlan-gen, doch zuerst wollen wir mit der fr diesen Ein-satz zustndigen Person sprechen."

    Tapia versteifte sich. Dann wirbelte er herumund starrte Mulder an. ,Jchbin fr diesen Einsatzzustndig", schnappte er.

    Offensichtlich nicht", konterte Mulder. Sonstwten Sie ja, warum wir zu dieser Sache hinzu-gezogen worden sind."

    In diesem Augenblick mischte sich Scully einund versuchte, die Situation zu entschrfen. Wirwissen wirklich nicht, warum wir herbeordert wur-den", erklrte sie etwas freundlicher. Vielleichtwre es das Beste, wenn wir mit dem Gefngnis-direktor sprechen oder mit jemandem, der. . ."

    Tapia unterbrach sie. Es ist niemand hier. DieNationalgarde hat das Gefngnis bernommen,und die haben die meisten Abteilungen geschlos-sen."

    Und warum?"Warum! Ich wei nicht, warum!" antwortete

    Tapia mit sichtlichem Unbehagen. Unsere Arbeit

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    als Bundesmarshals findet nicht hier drinnen statt,sondern dort drauen, wo wir versuchen werden,die beiden Schwerverbrecher wieder einzufan-gen."

    Damit wandte er sich erneut ab und gingraschen Schritts davon.

    Leicht ratlos sahen Scully und Mulder zu, wieTapia seine Marshals zur Tr hinausfhrte. Diebeiden Soldaten der Nationalgarde folgten ihnenauf dem Fue und berlieen die beiden Agentensich selbst.

    Von wem kam diese Anweisung, Scully?"Sie kam aus Skinners Bro."Hat er irgend etwas darber gesagt, warum er

    uns hierhaben will?"Nein." Scully machte eine vage Geste. War-

    um?"Das ist keiner der Flle, zu denen das FBI b-

    licherweise hinzugezogen wird."Whrend er sich wieder der Tr zuwandte,

    stellte sich Scully hinter ihn und schaute ihm berdie Schulter.

    Erneut konnten sie die Dekontaminationsmann-schaft bei der Arbeit beobachten. Die Mnnerschoben einen weiteren Tisch in einen Raum hin-ein. Mulder war sich nicht sicher - doch erglaubte, auf dem Tisch einen Krper erkannt zuhaben.

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    Ich glaube, man hat uns nicht die ganzeGeschichte erzhlt", stellte er mit Nachdruck fest.

    Da mu ich Ihnen zustimmen."Mulder drehte sich zu seiner Partnerin herum.

    Denken Sie, Sie knnten...", er reckte den Dau-men ber die Schulter, . . . dort hinein und her-ausfinden, was da vor sich geht?"

    Mit einem erneuten Blick durch das Sichtfensteranalysierte Scully noch einmal die Lage. Ichkann es versuchen."

    Mulder lchelte ihr aufmunternd zu und machtedann Anstalten, den Raum zu verlassen.

    Aber. . . wo wollen Sie denn hin?"Ich werde versuchen, Tapia im Weg zu stehen."

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    Mulder holte Tapia und seine Mnner ein, als siegerade das Gefngnis verlieen.

    Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich Siebegleite?" fragte Mulder den Marshai mit der ver-steinerten Miene.

    Ich wte nicht, wie ich Sie aufhalten knnte",entgegnete Tapia. Offenbar sind Sie ja dazu auto-risiert."

    Ich wrde es zu schtzen wissen, wenn Sie mir

    alle mglichen Informationen ber diese Art derOperation geben knnten. . ." Mulders Tonfallwar so hflich, als wre er mit offenen Armenempfangen worden.

    Ich habe keine Zeit, Ihnen beizubringen, wieman einen Job erledigt", entgegnete Tapia scharf.Diese beiden Mnner sind die geborenen

    Mrder. Wandelnde Zeitbomben. Jede Minute, inder sie frei sind, kann es zu einem neuen Mordkommen."

    Doch pltzlich besann er sich eines Besseren.Okay, Agent Mulder.. . ich werde Ihnen einekurze Einweisung geben. Aber danach werden Sieganz einfach Ihren Mund zu- und Ihre Augen

    offenhalten."

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    In Ordnung", nickte Mulder gehorsam. Ichbin ganz Ohr."

    Bei einer Menschenjagd wie dieser", begannTapia, knnen wir nichts anderes tun, als dieGegend rund um das Gefngnis in immer grerenKreisen zu durchkmmen. Aber wir knnen nichtdamit rechnen, die Flchtigen tatschlich auf dieseWeise zu schnappen - es sei denn, wir httenunverschmtes Glck. Bei Typen wie diesen bei-den werden wir vermutlich abwarten mssen, bisdie ersten Berichte der rtlichen Polizei eintreffen,die uns auf ihre Spur bringen."

    Berichte worber?" fragte Mulder mit gespiel-ter Unschuld.

    Na, raten Sie mal", erwiderte Tapia rde. Dannwandte er sich ab und eilte davon, whrend sichMulder an seine Fersen heftete.

    Ich mu aber!" jammerte die siebenjhrige EllenTracy.

    Ich auch", verkndete ihre fnfjhrige Schwe-ster Alice.

    Robert Tracy, der am Steuer des Wohnmobils sa,sprach streng mit seinen Tchtern. Kinder, ich habeeuch doch erst vor zwanzig Minuten gefragt, direktbevor wir den Campingplatz verlassen haben."

    Doch die Mdchen lieen sich nicht beeindruk-ken. Sie wuten, da ihr Vater unter seiner rauhenSchale einen beraus weichen Kern besa.

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    Aber ich mu", tat Ellen erneut kund.Ich auch", wiederholte Alice.Liebling, la uns das Ende einer wundervollen

    Woche nicht mit einem Familienstreit verderben",warf Roberts Frau Anne ein. Sieh mal, dort ist einRastplatz. Wir knnen eine Minute Pause machen,und dann sind wir gleich wieder unterwegs."

    Okay, du hast gewonnen", grummelte Robert.Er lenkte das groe Wohnmobil vom Highwayherunter und parkte es direkt vor einem niedri-gen Backsteingebude mit der Aufschrift ,BEARCREEK STATE PARK TOURIST CENTER'.

    Kaum stand das Fahrzeug, da sprangen dieMdchen auch schon hinaus. Ihre Mutter folgteihnen rasch, ehe auch Robert den Wagen verlie.

    Dann kann ich ja auch gehen", rief er ihnennach. Wir haben noch eine lange Fahrt vor uns,wenn wir vor Einbruch der Dunkelheit zu Hausesein wollen. Also lat uns keine Zeit verschwen-den. Okay, Mdchen?"

    Robert sah zu, wie seine Frau und seine Kinderin der Damentoilette auf der rechten Seite desGebudes verschwanden, dann suchte er selbst dieHerrentoilette auf der linken Seite auf.

    Dort steuerte er direkt auf das Urinalbecken ander Wand zu. Als er sich umblickte, registrierte er,da der Raum sauber und ordentlich war. Es wargut zu wissen, da seine Steuergelder zu etwasntze waren.

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    Htte Robert Tracy genauer hingesehen, wrenihm vielleicht ein paar bestiefelte Fe aufgefal-len, die in einer der Kabinen auf den Boden herab-sanken. Jemand hatte auf dem Becken gestanden,um nicht gesehen zu werden.

    Robert hrte nicht, wie die Kabinentr hinterihm geffnet wurde - und er sollte auch nie erfah-ren, wer ihm mit einem einzigen gezielten Schlagdas Leben nahm.

    Mehr als diesen einen Hieb brauchte Paul Zimmernicht. Steve Tyson, der sich in einer anderen Kabineversteckt hatte, kam zu spt, um an dem Spa teilzu-haben. Er fing die Brieftasche auf, die Paul ihmgrinsend zuwarf, whrend er gleichzeitig triumphie-rend mit einem Satz Autoschlssel winkte.

    Anne Tracy sollte ein wenig mehr von den bei-den Mnnern zu sehen bekommen als Robert.

    Als sie ihre Tchter aus der Damentoilettescheuchte, bemerkte sie zu ihrem Schreck, da dasWohnmobil an ihnen vorbei in Richtung Highwaydavonbrauste. Am Steuer sa ein groer Mann mitBart und langem Haar, das offen im Wind flatterte.Neben ihm beugte sich ein zweiter Mann aus demFenster und schrie: Juch'hu!"

    Die kleinen Mdchen starrten dem Wagen mitoffenstehenden Mndern nach.

    Robert", keuchte Anne.Sie spurtete los, um nachzusehen, ob er noch

    immer in der Herrentoilette war.

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    Er war dort.Irgendwie fand sie die Kraft, von einem

    Mnztelefon aus die Polizei zu alarmieren, bevorsie ihre Kinder in die Arme schlo.

    Nicht weinen, nicht weinen", wisperte sieihnen zu, whrend ihr die Trnen ber das Gesichtrannen.

    Das Handy in Chief Marshai Tapias Tasche klin-gelte.

    Mulder beobachtete, wie Tapia es hervorzogund etwa eine Minute lang zuhrte, ehe er es wie-der abschaltete.

    Noch bevor er den Mund aufmachte, konnteMulder dem Marshai am Gesicht ablesen, was ersagen wrde.

    Das erste Opfer", verkndete Tapia in grimmi-gem Ton.

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    Mulder betrachtete den reglosen Krper am Bodender Herrentoilette. Der Hinterkopf des toten Man-nes war eingedrckt, und auf dem weien Fliesen-boden hatte sich eine Pftze Blut angesammelt,die bald zu einem hlichen Rostbraun geronnensein wrde.

    Vermutlich war die Tatwaffe ein Stein",erklrte Tapia. Schtze, den werden wir ganz inder Nhe finden."

    Ein Stein und jede Menge Muskeln", bemerkteMulder. Aber ich bezweifle, da sich die Muskelnebenfalls noch in der Nhe aufhalten."

    Genug gesehen?" fragte Tapia.Mulder warf noch einen Blick auf die Leiche

    und nickte.Dann wird es Zeit, die Witwe zu verhren",

    befand Tapia und marschierte nach drauen.Mulder versprte nur wenig Lust, an dieser

    Befragung teilzunehmen. Als er mit den Marshalsund ihrer Streifenwagenarmada angekommen war,hatte er die weinende Frau und die beiden verng-stigten Mdchen vor dem Toilettenhuschen gese-hen - und das reichte ihm. Die schluchzende Frauhatte am ganzen Leib gezittert und war kaum

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    fhig gewesen, auch nur mit dem Finger auf dielinke Seite zu deuten.

    Es gab Momente, in denen sich Mulderwnschte, kein Special Agent zu sein: Anne Tracydarum zu bitten, den Alptraum, der ihr Lebenzerstrt hatte, noch einmal zu durchleben, wareiner davon.

    Er konnte nur hoffen, da Scully sich in eineretwas angenehmeren Lage befand.

    Im Gefngnis starrte Scully noch immer durch dasFenster in der Tr und berdachte ihre nchstenSchritte.

    Das Dekontaminationsteam war in einem ande-ren Raum verschwunden, der Korridor lag beklem-mend ruhig und verdet da, doch endlich bemerkteScully einen Mann, der den Gang herunterkam. Ertrug einen Arztkittel, unter dem sie dunkelblaueHosenbeine erkennen konnte.

    Scully schlug an die Tr.Erschrocken hob der Mann den Blick und wollte

    sogleich auf der Achse kehrtmachen. Doch Scullyhmmerte noch lauter gegen die Tr - der Arztkonnte einfach nicht so tun, als wrde er sie nichthren.

    Widerstrebend nherte er sich der Tr undstarrte sie mit blassem Gesicht durch das Sichtfen-ster an. Scully hielt ihren Ausweis vor seine was-serblauen Augen.

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    Es tut mir leid", sagte er durch die Glasschei-be. Das hier ist Sperrgebiet."

    Wer sind Sie?" verlangte Scully zu erfahren.Dr. Osborne", erwiderte er zgernd, und nach

    seinem Tonfall zu urteilen wollte er berall auf derWelt sein, nur nicht an dieser Tr.

    Sind Sie der Gefngnisarzt?"Nein."Fr wen arbeiten Sie?"Wieder zgerte Osborne, antwortete dann aber

    doch: Fr den CDC."Sie sind vom staatlichen Seuchenkontroll-

    dienst?" Scully war aufrichtig berrascht. Wasum alles in der Welt tun Sie hier?"

    Als der Arzt nur vage die Schultern hob undsich statt einer Antwort zum Gehen wandte, schlugScully erneut gegen die Tr, dieses Mal mit allihrer Kraft. Osborne erstarrte mitten in der Bewe-gung.

    Ich bin Medizinerin!" erklrte sie in einemTonfall, der ihr selbst unangenehm harsch in denOhren klang. Und ich will wissen, was hier losist."

    Osborne rhrte sich noch immer nicht.Sir", erklrte Scully, entweder lassen Sie mich

    jetzt da rein, oder eine Menge Leute in Washing-ton werden erfahren, da Sie hier eine Art vonQuarantne verhngt haben. Eine geheime Qua-rantne. Eine Quarantne, mit der Sie sich mg-

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    licherweise ber das Gesetz stellen. Oder vielleichtsogar gegen das Gesetz."

    Osborne bi sich auf die Lippen. Scully starrteihm direkt in die Augen, und es war Osborne, derzuerst blinzelte.

    Endlich schlo der Arzt die Tr auf und ffnete,doch er blieb im Trrahmen stehen und versperrteScully noch immer den Weg.

    Ich habe strikte Anweisungen", haspelte er.Die habe ich auch", konterte sie, wobei sie auf

    ihn zutrat, bis ihre Gesichter nur noch wenige Zen-timeter voneinander entfernt waren.

    Aber.. ." setzte er an, doch es war schon zuspt. Scully hatte sich bereits an ihm vorbeige-schoben.

    Ihm blieb nichts weiter zu tun, als die Tr wie-der zu schlieen. Alles, was ich Ihnen sagenkann, ist, da sich unter den Gefangenen eine grip-pehnliche Krankheit ausgebreitet hat."

    Wie viele sind infiziert?"Vierzehn Mnner", erwiderte Osborne, dem

    die Worte offensichtlich nur schwer ber die Lip-pen kamen. Dann fgte er mit noch mehr Mhehinzu: Bis jetzt."

    Irgendwelche Todesflle?"Osborne schluckte hastig. Er sah aus wie ein

    Mann, dem gerade die 100.000-Mark-Frage ge-stellt worden war.

    Ja", antwortete er widerwillig

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    Mehr als einer?" Scully musterte ihr Gegen-ber mit wachsendem Entsetzen.

    Ja", kam die Antwort beinah unhrbar.Wie viele?"Der Mann murmelte etwas Unverstndliches.Wie viele?" wiederholte Scully.Zehn von vierzehn", wrgte Osborne schlie-

    lich hervor.Nun war es an Scully, hastig zu schlucken.

    Dann atmete sie tief durch und fragte: Wie hochist die Gefahr, da die beiden entflohenen Mnnerebenfalls infiziert sind?"

    Doch Dr. Osborne konnte nur den Kopfschtteln. Wer wute das schon? Er nicht. Nie-mand wute das. Sie konnten nur warten undbeten, da die Entflohenen gesund waren.

    Diese Antwort reichte Scully vollkommen.Sie zog ihr Handy aus der Tasche und whlte

    Mulders Nummer.Ihr blieb nur zu hoffen, da sie ihn noch recht-

    zeitig erreichte.

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    Das Telefon in Mulders Tasche klingelte, whrender neben Tapia stand und einen blutverkrustetenStein betrachtete. Sie hatten ihn in der Nhe derStelle gefunden, an der Tracys Wohnmobil gestan-den hatte. Auf der Suche nach weiteren Spurenschwrmten die Marshals in alle Richtungen aus.

    Tapia bezweifelte zwar, da sie noch etwas findenwrden, doch er wollte nichts dem Zufall berlas-sen. Mulder mute sich eingestehen, da der ChiefMarshal zwar nicht gerade ein liebenswerter Zeit-genosse war, dafr aber um so mehr von seinerArbeit verstand.

    Mulder hier", meldete er sich.

    Gleich darauf hrte er Scullys aufgeregte Stim-me. Mulder, ich bin's. Ich kann mir allmhlichein Bild davon machen, was hier vorgeht."

    Und das heit?"Unter den Insassen des Gefngnisses ist eine

    hochinfektise Krankheit ausgebrochen - einetdliche Krankheit."

    Tdlich?" Alarmiert zog Mulder die Augen-brauen hoch. Wie tdlich?"Es trat eine kurze Pause ein, whrend derer

    Mulder hrte, wie Scully mit jemandem sprach,

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    doch er konnte ihre Worte nicht verstehen. Dannwar Scully wieder am Telefon. Zwischen vierund-zwanzig und sechsunddreiig Stunden nach derInfektion tdlich."

    Knnten die Entflohenen infiziert sein?" fragteMulder mit zunehmender Unruhe.

    Deshalb rufe ich an. . . Ich glaube, da dasdurchaus mglich ist. Mulder, ich warne Sie, seienSie vorsichtig und meiden Sie den Kontakt mit die-sen Mnnern. Und mit allem und jedem, mit denensie in Berhrung gekommen sind."

    Mulder dachte an den Leichnam auf dem Bodender Herrentoilette. Das Blut auf den Fliesen. DenStein, den er und Tapia gerade jetzt betrachteten.Er rusperte sich. Danke fr die Warnung, ichwerde sie weitergeben. Haben Sie irgendwelcheInformationen darber, wie sich die Krankheit ver-breitet?"

    Wieder hrte Mulder, wie Scully jemandem Fra-gen stellte, schlielich sagte sie: Noch nicht, aberich habe vor, das noch genauer zu untersuchen. Ichwerde Sie sofort informieren, wenn ich etwas Neu-es habe."

    Scully schaltete ihr Telefon ab und steckte esweg. Dann wandte sie sich wieder an Dr. Osborne,der immer noch nervs und fahrig wirkte.

    Ich wrde jetzt gern das Gefngniskrankenhausbesichtigen."

    Aber. . ." versuchte Osborne einzuwenden.

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    Kein ,Aber' bitte", unterbrach ihn Scully aufder Stelle. Wie ich Ihnen bereits gesagt habe, binich Medizinerin und als Bundesagentin dazu auto-risiert."

    Resignierend hob Osborne die Schultern.Hier entlang", sagte er dann matt und fhrte

    sie durch den Gang bis zu einem groen Fenster.Scully blickte hindurch - und sah etwas, das nur

    entfernt an ein Krankenhaus erinnerte.Es war ein groer Raum, angefllt mit Betten-

    reihen, und in jedem der Betten lag ein Patient.Mnner in Schutzanzgen kmmerten sich um dieKranken; ihre medizinische Ausrstung war allemAnschein nach auf dem neuesten Stand der Technik.

    Bitte verstehen Sie, da ich Ihnen nicht ge-statten kann, dort hineinzugehen", erklrte Dr.Osborne. Das wre ohne ausreichenden Schutzviel zu gefhrlich."

    Scully nickte. Als sie ihn fragen wollte, wo siedie passende Kleidung erhalten knnte, wurden siegestrt. Zwei Mnner in Schutzanzgen schobeneine rollbare Krankentrage ber den Korridor, aufder, vollstndig eingehllt in einen luftgeflltenPlastiksack, ein Patient lag. Neben der Trage gingein weiterer Mann, der ebenfalls einen Schutzan-zug trug, den Kopfschutz jedoch abgenommenhatte.

    Der glatzkpfige Mann versteifte sich, als erScully erblickte.

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    Er winkte den Mnnern an der Trage zu, sich in dieKrankenabteilung zu begeben. Dann marschierte ermit zorngertetem Gesicht direkt auf Dr. Osbornezu. Wer ist das?" verlangte er zu erfahren. Washat das zu bedeuten?"Sie ist vom FBI", erwiderte Osborne mit leichtzittriger Stimme.Das interessiert mich nicht, und wenn sie dieLeiterin der Behrde wre", schnappte der Mann.Sie kennen Ihre Befehle."Aber. . ." Osborne warf die Hnde in die Luft.Ohne weiter auf ihn zu achten, wandte sich derMann an Scully. Ich bin Dr. Auerbach, der Leiterdieser Operation. Ich mu Sie bitten, unsunverzglich zu verlassen."Wie Dr. Osborne schon gesagt hat, bin ichBundesagentin. Falls Sie meinen Ausweis sehenwollen. . ."Es ist mir egal, wer Sie sind oder was Sie tun. Ichwill, da Sie von hier verschwinden und zwarsofort!" Auerbachs Stimme schwoll zu einemBrllen an.Nicht, ehe ich nicht ein paar Antworten bekomme",entgegnete Scully gleichmtig.Auerbach wurde immer wtender. Wenn Sienicht tun, was ich Ihnen sage, dann verstoen Siegegen Bundesgesetze."Ich bin Bundesagentin", erinnerte sie ihn. MeinPartner verfolgt zwei entflohene Strafgefan-

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    gene aus diesem Gefngnis, und ich mu wissen, obdie Mnner, hinter denen er her ist, infiziert sind.Nicht nur um seinetwillen, sondern auch wegen derGesundheit aller Personen, mit denen die Flchtigenin Kontakt kommen. Ich denke, das fllt unter dierechtlichen Bestimmungen z\im Schutz derAllgemeinheit. Wenn Sie also jetzt meine Fragenbeantworten wrden."Diese Informationen stehen Ihnen nicht zurVerfgung", erklrte Auerbach kategorisch. Er hattesich wieder beruhigt, war jedoch noch immer nichtgewillt, auch nur um einen Millimeter nachzugeben.Dann mchte ich jetzt die Krankenakten sehen",beharrte Scully. Und ich will Zugang zurKrankenstation."Sie werden genau das sehen, was ich Sie sehenlasse - falls ich beschliee, da Sie berhaupt etwaszu sehen bekommen sollten", knurrte Auerbach,wobei er seinen Zeigefinger zweimal drohendvorschnellen lie.Dann wandte er sich wieder Osborne zu. Siekommen mit mir. Ich mchte mit Ihnen einigeRegeln besprechen, die Sie offenbar vergessenhaben."Mit diesen Worten fhrte er seinen Mitarbeiter denKorridor hinunter und durch eine Tr am anderenEnde des Flurs.Scully sah zu, wie sich die Tr hinter den beiden

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    Mnnern schlo. Dann konzentrierte sie ihre Auf-merksamkeit wieder auf das Fenster zur Kranken-station - bis einer der Angestellten sie bemerkteund ein Rouleau herabzog, das ihr endgltig dieSicht raubte.

    Scully blickte sich um. Schlielich entdeckte sieauf dem Gang einen Instmmentenwagen und ginghinber, um ihn nher in Augenschein zu nehmen.

    Auf dem Wagen fand sie Latexhandschuhe undChirurgenmasken.

    Ein Leuchten trat in ihre Augen.

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    Elizabeth Zimmers Gesicht war zu verhrtet freine Frau in den Zwanzigern. Schwere Zeiten hat-ten ihre Spuren hinterlassen, doch als sie die Stim-me am Telefon erkannte, gltteten sich ihre Zge,und ein Ausdruck des Glcks erschien auf ihremGesicht.

    Paul!" rief sie verzckt. Nun war sie pltzlicheine hbsche junge Frau, und das Baby auf ihremArm gluckste so zufrieden, als knnte es Eliza-beths Freude ebenfalls spren.

    Ich bin frei, Baby", sagte Paul.Aber wie . ..?" fragte Elizabeth verblfft. Stell jetzt keine Fragen, hr nur zu", unter-

    brach Paul. Ich komme nach Hause."Wovon sprichst du berhaupt, Liebling?" Fr

    Elizabeth klang das zu gut, um wahr zu sein.Ich hab' dir doch immer gesagt, ich wrde

    rauskommen und dich holen", entgegnete Paultriumphierend. Ich hab' dir gesagt, du sollst mirvertrauen."

    Ich habe dir vertraut, Ser, das habe ichimmer", versicherte sie ihm.

    Es war die reine Wahrheit. Viele Menschensprachen schlecht ber Paul, doch soweit es sie

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    betraf, war er der liebenswerteste und nettesteMann, der ihr je begegnet war. Die anderen kann-ten Paul ganz einfach nicht so gut, wie sie es tat.

    Back einen Kuchen, Baby", jubelte Paul. Ichbin zu Hause, ehe er kalt ist."

    Paul hngte den Hrer auf und verlie die Telefon-zelle. Er berquerte den groen Parkplatz derTankstelle, an der er und Steve gehalten hatten,um den Wohnwagen aufzutanken. Das gestohleneFahrzeug soff Unmengen Sprit - nicht da sie vor-gehabt htten, ihn zu bezahlen. Der einsame Ange-stellte vom Dienst wrde schon bald Besuch vonihnen bekommen. Paul vermutete, da die Tages-einnahmen noch in der Registrierkasse lagen.

    Pauls Augen zogen sich zu Schlitzen zusam-men, als er sich dem groen, weien Fahrzeugnherte, das noch immer dort stand, wo er es ver-lassen hatte.

    Komisch, dachte Paul. Steve sollte den Wagenlngst weggefahren haben. Anderenfalls bestanddie Gefahr, da der Tankwart doch noch von derZeitschrift aufsah, hinter der er sich versteckthatte. Mglicherweise wrde er sogar neugieriggenug sein, um nachzusehen, was hier los war. DerBursche mit dem ligen Haar mute sich zu Todelangweilen.

    Als Paul den Wohnwagen erreicht hatte,bemerkte er, da der Zapfhahn noch immer im

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    Tankstutzen steckte. Doch Steve war nirgends zusehen.

    Paul nahm sich eine Sekunde Zeit zum Nach-denken. Er erinnerte sich, da sich sein Kumpelnicht allzu wohl gefhlt hatte. Unterwegs hattensie sogar einmal angehalten, weil Steve das Essen,das sie im Wagen gefunden und gleich verschlun-gen hatten, wieder erbrechen mute. Vermutlichwar Steve zur Toilette gegangen.

    Paul wartete noch einige Minuten, weil er Steveetwas Zeit geben wollte, von seinem Boxenstoppzurckzukehren. Dann ging er zur Herrentoilettehinber, um dem Dnnen Beine zu machen.

    Er verspannte sich, als er das hellerleuchteteBro der Tankstelle passierte - der Tankwart hatteseinen Platz verlassen. Neben einem Auto ent-deckte Paul einen Universalschraubenschlssel,den er an sich nahm.

    Die Tr zur Herrentoilette stand einen Spaltbreit offen. Paul stie sie auf und schob sich in denRaum. Der Tankwart kniete mit dem Rcken zuPaul am Boden, und sein Krper versperrte Pauldie Sicht auf Steve, der vor dem Jungen lag. Alsder Hne einen weiteren Schritt tat, mute ihn derTankwart gehrt haben.

    Der junge Mann drehte sich um. Hey, Mister,irgend etwas stimmt mit dem Burschen hier nicht.Vielleicht knnten Sie..."

    Von vorn konnte Paul den Schriftzug lesen, der

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    auf seine Brusttasche gestickt war: ,Angelo'. Ererfuhr nie, um was ihn der Tankwart hatte bittenwollen. Der Universalschlssel krachte gegenAngelos Schdel.

    Kleiner Punk", murmelte Paul verchtlich.Dann warf er einen Blick auf Steve, und im glei-chen Augenblick war der Tankwart vergessen.

    Steve lag zusammengekrmmt vor dem Toilet-tenbecken, und Paul erkannte eine groe schwel-lende Beule auf seiner Wange.

    Fhl' mich nich' gut", sthnte Steve, als er zuseinem Kumpel aufsah. Paul, du mut mir helfen.Ich fhl' mich, als mte ich sterben. Was glaubstdu, was mit mir los ist?"

    Paul blinzelte auf seinen Freund hinunter undkratzte sich am Kopf. Er wnschte, er htte eineAntwort auf diese Frage.

    Doch immerhin wute er, was er nun zu tunhatte.

    Sie brauchten einen schnelleren Wagen.

    Sogar unter ihrer Chirurgenmaske roch Scully, dairgend etwas brannte.

    Sie hatte festgestellt, da die Sicherheitseinrich-tungen auf der Krankenstation zu umfassendwaren, als da sie sie umgehen konnte. Statt alsoweiter vor der verriegelten Tr zu warten, ging sieeinfach einem der Rollwagen nach, den ein Mannin Schutzkleidung aus der Station schob.

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    Sie folgte dem Wagen bis zu einem Kellerraum.Der Mann ffnete eine schwere Metalltr undschob den Wagen hinein; dann schlo er die Trwieder und eilte davon.

    Kaum war er auer Sichtweite, als Scully schonzur Tr schlich. Sie hielt den Atem an, drckte dieKlinke - und die Tr schwang auf.

    Sofort schlug ihr der Geruch von brennendemFleisch entgegen. Sie betrat den Raum und ent-deckte einen gewaltigen Verbrennungsofen, dervoll unter Feuer stand.

    Vor dem Ofen standen Wschekisten, vollge-stopft mit Gefngniskleidung und Bettwsche;gleich neben ihnen waren in Folie verpackteGestalten aufgestapelt.

    Leichen.Scully zog krftig an ihren Latexhandschuhen,

    um sicherzustellen, da sie fest an der Haut lagen.Dann wickelte sie uerst vorsichtig einen derKrper aus.

    Mit einiger Mhe gelang es ihr, den Toten zuidentifizieren. Sie hatte ein Foto von Bobby Tor-rence gesehen, nachdem sie den Auftrag zu diesemEinsatz erhalten hatte - doch das Bild war aufge-nommen worden, als der Mann noch gesund gewe-sen war. Damals hatte es noch keinerlei Anzeichenvon jenen groen, pulsierenden Beulen gegeben,die Bobbys Krper nun von Kopf bis Fu bedeck-ten.

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    Trotz ihrer medizinischen Ausbildung mutesich Scully zusammenreien, um bei diesemAnblick nicht zu wrgen - als pltzlich hinter ihreine Stimme erklang. Ruckartig wandte sie sichum.

    Sie drfen sich hier unten nicht aufhalten",schnappte Dr. Osborne. Das hier geht Sie absolutnichts an."

    Ich mu wissen, woran diese Mnner gestorbensind", erklrte Scully nachdrcklich. Sie habenbehauptet, es wre eine grippehnliche Erkran-kung, aber so eine Grippe habe ich noch nie gese-hen. Was sind das fr..."

    Bitte!" bettelte Dr. Osborne nun, statt zudrohen. Diese Leichen drfen nicht freigelegtwerden."

    Haben alle Opfer diese Geschwre?" verlangteScully zu wissen.

    Aber Osborne beachtete sie nicht. Seine Gedan-ken kreisten um dringlichere Dinge, und er machtesich daran, die Kunststoffolie wieder um denenstellten Krper von Bobby Torrence zu wickeln.

    Scully war nicht gewillt, sich so einfach ab-kanzeln zu lassen. Whrend Osborne mit demLeichnam beschftigt war, lehnte sie sich vor undraunte ihm ins Ohr: Sie verbrennen die Leichen.Warum!"

    Erneut verweigerte Osborne die Antwort undkonzentrierte sich darauf, die letzte freie Stelle des

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    von Geschwren bersten Gesichts mit Plastikfo-lie zu bedecken.

    Als er sich tiefer ber die Leiche beugte, explo-dierte die grte der Beulen im Gesicht des totenMannes.

    Gelber Eiter scho hervor und spritzte aufOsbornes Stirn.

    Im ersten Moment begriff Osborne noch nichteinmal, was geschehen war.

    Dann wurde es ihm klar.Aaahhh!" Es war ein Wrgen, das zu einem

    Schrei anwuchs.Mit vor Entsetzen geweiteten Augen hastete der

    Arzt davon.Dr. Osborne! Warten Sie!" rief Scully.Doch sie htte ebensogut mit der Wand reden

    knnen - oder mit einer der Leichen, die denKellerraum anfllten.

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    Bingo!" rief Tapia und trat das Gaspedal durch.Sieht so aus", besttigte Mulder, der neben

    ihmauf dem Beifahrersitz sa.

    Im Licht des frhen Morgens konnten sie dasgroe, weie Wohnmobil sehen, das an einer Tank-stelle weiter vorn am Highway stand.

    Tapia griff nach dem Mikrophon seines Funk-gertes. Macht euch bereit", wies er die Mnnerin den nachfolgenden Wagen an. Das Fahrzeugsteht direkt vor uns an der Tankstelle. Die Flchti-gen knnten ebenfalls dort sein. Wir werdenschnell und hart zugreifen. Zeit fr einen SWAT-Angriff."

    Tapia fhrte die Kolonne und raste als ersterauf den Parkplatz der Tankstelle, wo er denWagen schlingernd zum Stehen brachte. Kaumhatte er angehalten, da war er auch schon ausdem Auto gesprungen und spurtete mit gezogenerWaffe auf das Wohnmobil zu.

    Rundherum sprangen weitere Marshals ausihren Wagen und verteilten sich mitschubereiten Waffen ber das Gelnde derTankstelle.

    Tapia trat die Tr des Wohnmobils auf und rich-tete seine Waffe in den Innenraum.

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    Keine Bewegung", bellte er. Hnde hoch."Stille.Den Finger am Abzug stieg er in das Fahrzeug.Niemand da.Im gleichen Augenblick brach einer seiner

    Mnner die Tr zum Bro der Tankstelle auf. DasLicht brannte, doch das Bro war verlassen. Ineiner Ecke des Raumes hing ein geffneter Tresor,der offensichtlich geplndert worden war.

    Mulder hingegen hatte sich sein eigenes Zielausgesucht und lief mit erhobener Waffe zur Her-rentoilette. Die Flchtigen hatten schon einmalsanitre Anlagen genutzt, um einen Mord zu bege-hen, und nach Mulders Erfahrung hatten Verbre-cher selten viel Phantasie. Sie zogen immer undimmer wieder die gleiche Nummer ab.

    Mulder schubste die Tr zur Herrentoilette aufund bemerkte sofort den zusammengekrmmtenKrper am Boden.

    Hier liegt ein Mann", rief er ber seine Schul-ter. Dann betrat er den Raum und ging in die Knie,um den jungen Burschen, dessen Haar voller Blutwar, nher zu betrachten.

    Das Opfer bewegte sich sthnend.Er lebt", informierte Mulder Tapia, als sich der

    Marshai neben ihn hockte.Benommen versuchte der Junge, sich aufzusetzen.Ganz ruhig", sagte Mulder sanft. Sie sollten

    sich jetzt besser nicht bewegen."

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    Vielleicht sollten Sie ihn befragen", meinteTapia.

    Mulder mute ihn nicht erst fragen, warum.Das Opfer war in einem geschwchten Zustandund mute mglichst mit Samthandschuhen ange-fat werden - doch Tapia neigte eher zum Faust-angriff.

    Nach zwanzig Minuten vorsichtigem Verhrhatte ihnen der Verwundete alles erzhlt, was er zuberichten wute.

    Mulder und Tapia gingen hinaus, um die Faktenzu besprechen. Inzwischen war es Tag geworden,und der Himmel strahlte in hellem Blau.

    Also, wir wissen nun, da er Angelo Garzaheit", fate Mulder zusammen. Er hat eine bleKopfverletzung, aber sein Gedchtnis funktionierteinwandfrei."

    Er hat Glck gehabt, da sie ihn nicht umge-bracht haben", brummte Tapia.

    Glck fr den Jungen, da er so dichtes Haarhat", stimmte Mulder zu. Das mu den Schlagabgefangen haben."

    In einem Anflug von Humor rieb sich Tapia deneigenen kahlen Kopf.

    Mulder schmunzelte. Er sagte, er htte einenMann auf dem Boden der Herrentoilette gefun-den", fuhr er dann fort. Nach Angelos Beschrei-bung war der Mann Steve Tyson, und er war ernst-haft krank. Offensichtlich war er vor Schmerzen

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    kaum noch bei Sinnen, und er hatte eine groe,hliche Beule im Gesicht."

    Mulder hielt inne, die Augen zu Schlitzen ver-engt.

    Eine Beule?" Tapia sah ihn fragend an. Hatdas etwas zu bedeuten?"

    Im Gefngnis ist eine Art Epidemie ausgebro-chen", erklrte Mulder. Die Flchtigen knntenebenfalls infiziert sein."

    Tapia drehte sich zu einem seiner Mnner um.Eames!" brllte er. Setz dich ans Mikro! Findeheraus, ob irgend jemand etwas ber eine Krank-heit wei, die unter den Gefangenen umgeht."

    Oder wenigstens, was sie bereit sind, uns dar-ber zu erzhlen", mischte sich Mulder ein. Diezustndigen Stellen scheinen nicht daran interes-siert zu sein, mit uns zu kooperieren."

    Was auch immer das fr eine Krankheit seinmag, ich hoffe, sie behindert ihre Flucht", sagteTapia grimmig. Anderenfalls sind wir in Schwie-rigkeiten. Mit den Schlsseln des Jungen haben sieden Tresor geffnet. Sie haben Geld, sie haben denWagen von dem Jungen und die Pistole, die er inseinem Schreibtisch aufbewahrt hat. Und sie habeneinige Stunden Vorsprung."

    Irgendeine Vermutung, wo sie hinwollen?"Tapia verzog das Gesicht. Es gibt dreiundzwan-

    zig Straen und Highways, die sie benutzenknnen."

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    Hat denn keiner der beiden eine Familie in derNhe?" fragte Mulder weiter. Oder vielleicht eineFreundin?"

    Ich wnschte, ich wte es." Tapia machteeine wegwerfende Geste. Aber die Akten liegensicher verwahrt im Gefngnis. Solange wir daraufkeinen Zugriff haben, sind wir auf uns alleingestellt. Fr den Augenblick spielen wir Ruberund Gendarm."

    Wenn die Flchtigen jemanden haben, zu demsie fahren wollen, dann werden sie vermutlich ver-suchen, dort anzurufen . .." Mulder nagte an sei-ner Unterlippe. Haben Sie daran gedacht?"

    Tapia zuckte die Schultern.Mulder deutete auf eine Telefonzelle am Rand des

    Tankstellenparkplatzes. Als Tapia verstehend nickte,war Mulder bereits unterwegs zu dem Mnzfern-sprecher. In der Telefonzelle zog er Notizbuch undStift hervor und whlte eine bestimmte Nummer.

    Atlantic Bell, Zentrale, wie kann ich Ihnen hel-fen?" fragte eine frhliche weibliche Stimme.

    Ich bin Special Agent und verfolge zwei ent-flohene Strflinge. Meine Dienstnummer istJTT0111471. Ich brauche die letzte Nummer, dievon diesem Apparat aus gewhlt worden ist."

    In diesem Augenblick erstickte ohrenbetuben-der Lrm die Antwort der Telefonistin. Mulder riden Kopf herum und sah zur offenen Telefonzel-lentr hinaus.

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    Ein groer gelber Helikopter nherte sichschnell, und seine Rotorbltter wirbelten denSchmutz auf dem Tankstellengelnde auf. berden donnernden Lrm hinweg brllte Mulder indie Sprechmuschel: Knnen Sie bitte Telefon-nummer und Adresse wiederholen?"

    Den Hrer zwischen Kopf und Schultergeklemmt, mhte er sich, die Antwort zu verste-hen, und whrend er sie hinkritzelte, wandte erden Blick nicht von den Vorgngen vor der Tank-stelle ab.

    Er sah vier Mnner in Schutzanzgen, die hastigaus dem Hubschrauber sprangen. Mit einergeschlossenen Krankentrage rannten sie direkt zurHerrentoilette hinber. Nach nicht einmal einerMinute tauchten sie wieder auf, und nun lag eineGestalt unter der Plastikabdeckung. Tapia schriesie an, sie sollten stehenbleiben, doch sie beachte-ten ihn gar nicht.

    Nachdem er die Nummer notiert hatte, warfMulder den Hrer auf die Gabel und lief los, umden Mnnern den Weg abzuschneiden.

    Doch er kam zu spt. Sie waren bereits dabei,die Trage in den offenen Rumpf des Helikopterszu schieben, und Mulder blieb gerade noch genugZeit, um durch die Kunststoffabdeckung einenBlick auf Angelos verngstigtes Gesicht zu erh-schen.

    Dann kamen die Rotorbltter wieder in

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    Schwung und hoben den Helikopter in die Lfte.Die Luftverwirbelungen hieben mit der Gewaltvon Faustschlgen auf ihn ein. Zurckweichendbeobachtete Mulder, wie der Helikopter zgig auf-stieg und am strahlendblauen Himmel schnell klei-ner wurde.

    Tapia und seine Mnner waren nicht weit, undsie waren ebenso hilflos und verblfft wie Mulderangesichts der Geschwindigkeit und Przision, mitder die Aktion durchgefhrt worden war.

    Mit einigen groen Stzen war Tapia an der Sei-te des FBI-Agenten. Haben Sie das angeordnet?"

    Nein", entgegnete Mulder mrrisch.Wer zum Teufel dann?"Ich - wei - es - nicht." Mulder betonte jede

    Silbe.Wie auch immer", meinte Tapia achselzuckend

    und schlug einen vershnlicheren Ton an. Esmacht so oder so nichts aus. Wir haben von Angeloalles erfahren, was er uns sagen konnte - unsereFreunde mit den komischen Anzgen drfen sichgern um den Rest kmmern... Wichtiger ist, dadie Flchtigen berall und nirgends sein knnen.Und wir, wir haben nicht den geringsten Hinweis,dem wir nachgehen knnten."

    Nicht ganz", korrigierte Mulder voller Genug-tuung und zog sein Notizbuch hervor. Ich habeherausgefunden, da aus dieser Telefonzelle vorzwei Stunden jemand angerufen wurde. Und ich

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    habe die Nummer und die Adresse in DinwiddieCounty."

    Tapia ri ihm das Notizbuch aus der Hand. 925August Street. 555-6936."

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    Das niedrige Ziegelgebude in der August StreetNummer 925 war nichts Besonderes, doch Eliza-beth Zimmer hatte sich bemht, es so hbsch wiemglich zu gestalten. Sie wollte ihrem Kind eineheitere Umgebung schaffen - und Paul Zimmerein angenehmes Zuhause, in das er zurckkehren

    konnte.Als sie den Wagen vor dem Haus hrte, war siegerade damit beschftigt, im Wohnzimmer Staubzu wischen.

    Sie mute nicht warten, bis die Trklingelschellte.

    Sie berprfte kurz, ob es dem Kind gut ging, ehe

    sie zur Vordertr hinauslief und in Pauls Armen lan-dete: Zum ersten Mal, seit er verurteilt worden war,fhlte sie wieder Wrme und Geborgenheit.

    Jedesmal, wenn sie ihn besucht hatte, hatte erihr versprochen, er wrde wiederkommen. Erwrde kommen, und sie und das Baby hier heraus-holen. Er hatte schon alles geplant: Sie wrden in

    ein anderes Land ziehen, denn im Gefngnis hatteer einen Burschen kennengelernt, der falschePsse verkaufte. Mehr wrden sie nicht brauchen,um glcklich und in Freiheit zu leben.

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    Elizabeth hatte seinen Worten nie wirklich ver-traut, obwohl sie stets so getan hatte. Tatschlichhatte sie Paul sogar bei seinem Anruf in der letztenNacht kaum glauben knnen - doch jetzt, jetztglaubte sie ihm, jetzt, da er sie fest in seinenArmen hielt und flsterte: Ich habe dir dochgesagt, da ich komme, Baby."

    Ich dachte, du nimmst mich auf den Arm!" riefsie atemlos vor Freude. Um mich aufzumuntern,weit du?"

    Ich bin da weggegangen, Lizzy", versicherte ihrPaul. Und sie werden mich nie mehr zurckholen."

    Ich wrde dich auch gar nicht gehenlassen",versprach Elizabeth und hob den Kopf zu einemweiteren Ku.

    In diesem Moment begann das Baby im Hausleise zu wimmern.

    Ich komme schon, mein Kleiner", rief Eliza-beth durch die Fliegentr. Daddy ist wieder zuHause." Zu Paul gewandt sagte sie: La uns rein-gehen, Liebling. Warte nur, bis du gesehen hast,wie Paul Junior gewachsen ist. Auerdem solltenwir nicht zu lange hier drauen stehen, sonst siehtuns noch jemand. Du hast ja keine Ahnung, wieneugierig die Leute in dieser Gegend sind. Habennichts Besseres zu tun, als ihren Nachbarn hinter-her zu spionieren."

    Paul rhrte sich nicht. Statt dessen rusperte ersich.

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    Was ist los, Paul? Stimmt irgend etwas nicht?"Ich habe noch jemanden dabei, Lizzy", gestand

    Paul mit einem Ausdruck des Unbehagens. Erfhrte Elizabeth zum Wagen, einem zerbeulten,aber frisierten Datsun B210, den er an der Tank-stelle gestohlen hatte.

    Auf dem Schalensitz der Beifahrerseite hockteein Mann, dessen Kopf vor Schmerz bestndig hinund her pendelte. Seine Augen waren verschleiertund nahmen nichts mehr wahr. Und auf einer sei-ner Wangen wlbte sich eine groe, purpurnePustel.

    Das ist Steve", sagte Paul. Er ist mein Kum-pel, und er hat mir geholfen auszubrechen. Jetztmssen wir ihm helfen."

    Was stimmt denn nicht mit ihm?"Ich wei es nicht. . . Und er kann's mir nicht

    sagen. Er ist nicht mehr bei sich."Elizabeth streckte die Hand aus und betastete

    Steves rotangelaufene Stirn. Er verbrennt."La uns ihn ins Haus bringen", befand Paul,

    whrend er seinen Freund unter den Achselnpackte und aus dem Wagen zerrte.

    Aber Liebling. . . das Baby. . . was ist, wenndas ansteckend ist. . .?"

    Ich habe dir doch gesagt, da er mein Kumpelist", erklrte Paul in einem Tonfall, den Elizabethnur allzu gut kannte. Paul konnte der aufmerksam-ste Mann der Welt sein, doch wenn er diesen Ton

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    anschlug, war es besser, ihm nicht in die Quere zukommen.

    Elizabeth blieb nichts weiter brig, als voranzu-laufen und das Baby in Sicherheit zu bringen. Siepackte Paul jr. samt seiner Wiege in den Raum,der am weitesten von dem Zimmer entfernt lag, indas Paul den todkranken Mann schleifte.

    Achte auf Steve", rief Paul ihr zu. Ich muein paar Anrufe erledigen und mich um die Bus-fahrplne kmmern. Wir werden hier so schnellwir mglich verschwinden."

    Elizabeth gab dem Baby einen Schnuller. Dumut jetzt ein paar Minuten lang still sein, Kleiner.Mami mu einem Freund helfen."

    Vielleicht kannst du ihm Aspirin geben oderirgendwas", sagte Paul ber die Schulter, als sie dasSchlafzimmer betrat. Noch whrend er sprach, ver-lie er den Raum - er wollte nicht mehr Zeit bei sei-nem Freund verbringen, als unbedingt notwendig.

    Mnner, dachte Elizabeth einen Moment langerbost. Immer erwarteten sie, da eine Frau hinterihnen herrumte. Na ja, es hilft ja nichts. So sindsie nun mal.

    Sie setzte sich auf das Bett, auf dem Steve leisevor sich hin sthnte. Erneut legte sie die Hand aufseine Stirn. Er war glhend hei. Sie beschlo,Pauls Vorschlag zu befolgen, obwohl sie nichtglaubte, da Aspirin dem Fiebernden helfenwrde. Dafr war er einfach zu krank.

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    Als sie aufstehen wollte, packte Steve ihrenArm.

    Mit brennendem Blick starrte er sie an.Mssen in Bewegung bleiben." Er sprach im Fie-berwahn. Mssen schnell... schneller. . .schneller..."

    In diesem Moment begann Paul jr. erneut zuweinen.

    Elizabeth versuchte, sich aus dem Griff desMannes zu befreien, doch er hielt sie eisernumklammert.

    Paul, dein Freund ist wach!" rief sie. KeineAntwort. Wahrscheinlich war Paul mit einem Tele-fongesprch beschftigt. Paul.. . nun kommschon . . . ich mu mich um das Baby kmmern!"rief sie noch lauter.

    Helfen Sie mir, bitte!" chzte Steve. Ich ver-brenne... brenne... bitte..."

    Elizabeth wandte sich ihm wieder zu*und beugtesich leicht vor. Sie wollte irgend etwas sagen,etwas, das ihn beruhigen wrde. Sie dachte ange-strengt nach und ffnete den Mund, in der Hoff-nung, sie wrde die passenden Worte schon fin-den.

    In diesem Augenblick platzte die Beule in StevesGesicht.

    Das Zeug, das aus dem Geschwr hervorscho,spritzte auf Elizabeths Gesicht und ihre nacktenArme.

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    Widerliches, scheuliches, ekeliges Zeug.liihhh!" keuchte Elisabeth. Wrgend kmpfte

    sie darum, ihr Mittagessen bei sich zu behalten,whrend sie sich hochrappelte und ins Badezim-mer flchtete.

    Dort griff sie nach der Seife und begann mitfliegenden Bewegungen, ihr Gesicht und ihreArme zu schrubben. Wieder und wieder seifte sieihre Haut ein und splte mit reichlich Wassernach.

    Und whrend der ganzen Zeit starrte sie in denSpiegel. Aber es war nicht ihr Gesicht, das sie dasah, es war die aufplatzende, schwrende Beuleauf Steves Wange - und die Angst, die sie in ihrerSeele zurckgelassen hatte.

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    11Das Gesicht des toten Gefangenen starrte Scullyentgegen. Noch immer lag er in dem Heizungs-raum des Gefngnisses in seinem offenen Plastik-sack. Scully knirschte hinter ihrer Chirurgenmaskemit den Zhnen und betrachtete noch einmal dieWunden auf dem Leib des Mannes. Dann bcktesie sich, um das Etikett an dem Leichensack zuentziffern.

    Robert Torrence. 001. Also war Robert Torrenceder Krankheit als erster zum Opfer gefallen, ber-legte sie.

    Ein anderer Gedanke kam ihr in den Sinn. Sieging zu dem Haufen Plastikscke hinber, die diepersnliche Habe der toten Strflinge enthieltenund ebenfalls verbrannt werden sollten.

    Durch ihre Latexhandschuhe geschtzt, whltesie in den Scken, bis sie den entdeckte, auf demRobert Torrences Name stand. Im Inneren befan-den sich die blichen Gegenstnde. Eine Zahnbr-ste, ein Rasierer, Seife, ein paar Bcher, Unter-wsche, Socken, Schuhe. Doch dann fand sie,wonach sie gesucht hatte - etwas, das nicht zu dengewhnlichen Habseligkeiten eines Gefangenenzhlte.

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    Einen Expreumschlag. Er war leer, aber derName des Lieferservice war deutlich zu entziffern.

    Scully zog ihr Handy hervor. Von der Auskunfterhielt sie die Telefonnummer des Expredienstes.Sie tippte die Zahlen ein und nannte der Frau amanderen Ende der Leitung ihre Dienstnummer.

    Ich versuche herauszufinden, wer ein Pckchenan Robert Torrence im Cumberland Staatsgefng-nis in Virginia geschickt hat", erklrte Scully. DiePaketnummer lautet: DDP112148."

    Wollen Sie warten, whrend ich mich erkun-dige, oder soll ich Sie zurckrufen?"

    Ich warte..."Whrend sie auf das Rauschen in der Leitung

    lauschte, suchte sich Scully einen Platz, so weitwie mglich von Bobby Torrences Leiche entfernt.Er mochte tot sein, trotzdem konnte jeden Momenteine andere von diesen Beulen platzen. Er wareine tickende Zeitbombe - wie alles in diesemFall.

    Dann meldete die Frau sich wieder. Das frag-liche Pckchen wurde in Wichita, Kansas, aufge-geben."

    Haben Sie den Namen des Absenders?"Als sie den Namen erfuhr, sank Scullys Kinn-

    lade abrupt hinunter. Wrden Sie das bitte nocheinmal berprfen?" fragte sie verdattert.

    Die Frau besttigte die Information.Danke." Scully unterbrach die Verbindung und

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    drckte sofort die Taste, unter der Mulders Num-mer gespeichert war.

    Als sein Handy zu klingeln begann, sa Mulderzusammen mit drei Bundesmarshals in einemWagen, der den Highway hinunterdonnerte. Erschaffte es kaum, sich mit Namen zu melden, alsauch schon Scullys besorgte Stimme zu hren war.

    Was wissen Sie ber Pinck Pharmazeutika?"begann sie das Gesprch.

    Das ist einer der grten Medikamentenherstel-ler des Landes. Vermutlich der grte. Warum?"

    Sie haben einem der Gefangenen hier einPckchen geschickt, und zwar demjenigen, dervermutlich als erster an der Krankheit gestorbenist", berichtete Scully atemlos.

    Pinck Pharmazeutika?" fragte Mulder mitgerunzelter Stirn. Was war in dem Pckchen?"

    Keine Ahnung... Der Umschlag" war leer.Und hier scheint niemand besonders daran interes-siert zu sein, offene Fragen zu beantworten."

    Bei mir sieht es auch nicht besser aus", seufzteMulder und sah sich um. Tapia sa im fhrendenWagen und raste zu der Adresse, die Mulder ermit-telt hatte, doch niemand hatte es fr ntig befunden,Mulder ber die weiteren Schritte ins Bild zu setzen.

    Tja", meinte Scully. Dann sind wir auf unsallein gestellt. Aber das ist ja nicht gerade eineneue Erfahrung ..."

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    Das ist wahr", entgegnete Mulder leise undsetzte dann hinzu: Scully, nach unseren Informa-tionen hat einer der entflohenen Strflinge einegroe entzndete Beule im Gesicht."

    Verdammt. Das klingt nach der gleichen Sache,die ich auch bei den Opfern hier drin festgestellthabe..." Scully klang jetzt unberhrbar alar-miert. Wissen Sie, was das bedeutet, Mulder?"

    Ja..." Erholte tief Luft. Die Epidemie knntesich ausbreiten. Sie knnte aus dem Gefngnis hin-ausgelangen, und hier drauen gibt es eine MengeMenschen." Er machte eine Pause und zupftenervs an seiner Nasenspitze. Wir mssen mehrber diese Krankheit in Erfahrung bringen, Scully.Vor allem, wie sie bertragen wird."

    Mulder wollte noch etwas hinzufgen, doch dabemerkte er, da der Wagen langsamer wurde. Alser nach vorn blickte, sah er, da Tapias Fahrzeug voreinem niedrigen Ziegelgebude angehalten hatte.

    Ich mu auflegen", murmelte er ins Telefon.Kein Problem", antwortete Scully. Ich werde

    sehen, ob ich hier weiterkomme."

    Scully trennte die Verbindung. Sie wute, was siezu tun hatte - sie hatte nur kein besonderes Verlan-gen danach.

    Erneut ging sie zu Bobby Torrences Leichnam. Sie vergewisserte sich, da ihre Chirurgenmaskerichtig sa, ehe sie sich bckte, um das schleimige,

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    ungleichmige Loch zu untersuchen, das nunanstelle der Beule in der Haut klaffte.In der Mitte regte sich etwas.Etwas Kleines, Schwarzes.Sie holte ihr Schweizer Offiziersmesser hervorund klappte die Pinzette auf.Langsam und vorsichtig hob sie das kleineObjekt aus der offenen Wunde.

    Es war ein Kfer.Zuerst bewegte er sich nicht. Dann aber began-

    nen seine Fhler durch die Luft zu schwingen.Er lebte.

    Noch immer starrte Elizabeth Zimmer in den Spie-gel, als stnde sie dem leibhaftigen Tod gegenber,als pltzlich die Tr zu ihrem Haus aufgebrochenwurde.

    Bla vor Angst verlie sie das Badezimmer -und stand einem ganzen Trupp fremder Mnnergegenber. Ihre dunklen Windjacken kennzeichne-ten sie als Gesetzeshter, und die schubereitenWaffen in ihren Hnden signalisierten, da sieohne Einschrnkung bereit waren, diesem GesetzGeltung zu verschaffen.

    Ein krftig gebauter Mann fhrte sie an. Runterauf den Boden!"

    Elizabeth lie sich rcklings auf den Boden fal-len und blieb zitternd liegen.

    Hnde hinter den Kopf, bellte der Mann.

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    Elizabeth gehorchte sofort. Sie pflegte nicht zudiskutieren, wenn die Lufe von Schuwaffen auf

    sie gerichtet wurden. Es gelang ihr jedoch, denKopf weit genug zu heben, um einen weiterenMann in ziviler Kleidung zu sehen, der in das Zim-mer ging, in dem Steve lag.

    Na, was fr ein Glck, dachte sie.Im nchsten Augenblick rief Mulder vom

    Schlafzimmer aus: Hier liegt ein toter Strfling!"

    Und der andere?" brllte Tapia zurck.Keine Spur von ihm", antwortete Mulder. Er

    ist weg."

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    Hinter den meisten Fenstern des J. EdgarHoover-Gebudes in Washington D.C. brannteschon seit Stunden kein Licht mehr, als Mulderdort ankam. Der Wachmann erkannte Mulderund winkte ihn durch. Es war nicht das ersteMal, da der Agent auerhalb der Dienstzeiten

    in der FBI-Zentrale auftauchte. Unter seinenKollegen waren Mulders sonderbareArbeitszeiten, die er in seinem Kellerbrozubrachte, bereits legendr.

    In dieser Nacht fuhr Mulder mit demFahrstuhl allerdings nicht in den Keller, sondernaufwrts - zum Bro von Assistant Director

    Walter S. Skinner.Das Vorzimmer von Skinners Bro war unbe-leuchtet. Seine Sekretrin war lngst nach Hausegegangen, doch die Tr zu seinem persnlichenBro stand einen Spalt weit offen, und eingedmpfter Lichtstrahl fiel durch die ffnung.Mulder stie die Tr auf.

    Im Licht der Schreibtischlampe erhob sichSkinner, um ihn zu begren. Kommen Sierein", brummte er. Und schlieen Sie bitte dieTr hinter sich."

    Danke, da Sie so spt noch Zeit fr mich

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    haben", entgegnete Mulder hflich, doch sein Ton-fall war ausnehmend khl.

    Worum geht es denn, Agent Mulder?" fragteSkinner mde.

    Der Fall, den Sie Agent Scully und mir gege-ben haben", begann Mulder. Ich glaube, wir sindirregefhrt worden. Getuscht. Und vielleichtnicht nur wir, sondern auch Sie selbst."

    Getuscht?" Skinner hob die Augenbrauen.Von wem?"

    Wer auch immer uns diesen Fall zugewiesenhat. . . Aber das wissen Sie ja besser als ich."

    Was werfen Sie dieser unbekannten Person dennvor, Agent Mulder?" fragte in diesem Augenblickeine Stimme aus einer dunklen Ecke des Bros.

    Mulder blickte hinber und sah einen Mann, derauf dem Sofa Platz genommen hatte. Sein Gesichtlag im Schatten, doch Mulder erkannte ihn an derGlut der unvermeidbaren Zigarette zwischen sei-nen Fingern und an der Rauchwolke, die ihnstndig umgab.

    Mulder war es nie gelungen, den Namen diesesMannes herauszufinden - fr ihn war er ganz ein-fach der ,Krebskandidat'.

    Mhsam hielt Mulder seine Selbstbeherrschungaufrecht. Er mute sich stets zusammennehmen,wenn er dem Krebskandidaten begegnete: DieserMann schien genau zu wissen, welche Knpfe erdrcken mute, damit Mulder die Fassung verlor.

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    Mein Vorwurf ist ganz einfach", erwiderteMulder mit betont ruhiger Stimme. Agent Scullyund ich wurden auf diesen Fall angesetzt, ohnedarber informiert zu werden, da dabei einehochinfektise Krankheit im Spiel ist."

    Welcher Art ist diese Krankheit genau?" DerKrebskandidat nahm einen weiteren tiefen Zugvon seiner Zigarette.

    Sie ist tdlich", erklrte Mulder gepret. Siettet innerhalb von sechsunddreiig Stunden. Einerder beiden Entflohenen, die wir suchen sollten,war infiziert. Er ist inzwischen gestorben."

    Also nur noch einer", kommentierte der Krebs-kandidat. Dann ist Ihre Aufgabe bereits halb erle-digt. Meinen Glckwunsch, Agent Mulder."

    Mulder ignorierte die Bemerkung. Der andereMann knnte ebenfalls infiziert sein", fuhr er fort,wobei er jedes Wort betonte. Er ist jetzt da drau-en und bewegt sich frei in der Bevlkerung."

    Das klingt ja furchtbar ernst", hstelte derKrebskandidat in gelangweiltem Ton. Aber sagenSie mir, Agent Mulder, sind Sie wirklich davonberzeugt, da diese Sache so gefhrlich ist? WissenSie, wie die sogenannte Krankheit bertragen wird?Ist es ein Virus oder eine bakterielle Infektion?"

    Wir wissen, da sie bereits mehr als ein Dut-zend Mnner gettet hat", entgegnete Mulderscharf. Und sie scheint sich sehr schnell auszu-breiten."

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    Dann wissen Sie nicht viel, nicht wahr, AgentMulder?" Die Geringschtzung des Krebskandida-ten war so deutlich wahrnehmbar wie der Rauch,der ihn umgab.

    Warum hat man uns nicht die Wahrheit berdiesen Fall gesagt?"

    Vielleicht kannten wir selbst nicht die ganzeWahrheit." Der Krebskandidat hob die Schultern.Und das, was wir wuten, htte Sie nur in IhrerArbeit behindert."

    Unschuldige Menschen knnten sich infizie-ren", schnappte Mulder. Durch Ihr Wissen httedas verhindert werden knnen."

    Meinen Sie? 1988 gab es in Sacramento, Kali-fornien, einen Ausbruch des HmorrhagischenFiebers. Die Wahrheit htte eine Panik zur Folgegehabt, und Panik fordert Menschenleben. Wirhaben die Situation unter Kontrolle gebracht, indemwir den Informationsflu kontrolliert haben."

    Sie knnen die Bevlkerung nicht schtzen,wenn Sie sie belgen", widersprach Mulder.

    Ehe er antwortete, zndete sich der Krebskandi-dat am Stummel seiner Zigarette eine neue an.Das geschieht jeden Tag."

    Schn, aber ich will damit nichts zu tunhaben", begehrte Mulder auf. Es ist mein Job, dieWahrheit herauszufinden, und nicht, Lgen zu ver-breiten." Er wandte sich an Skinner. Was ist mitIhnen? Auf welcher Seite stehen Sie?"

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    Auf der Seite der Behrde", antwortete Skinnerausdruckslos und vermied Mulders Blick.

    Bevor Mulder nachhaken konnte, unterbrach ihndie herablassende Stimme des Krebskandidaten.Sie sind bereits ein Teil dieser Operation, AgentMulder. Sie knnen sie nicht einfach hinter sichlassen. Sie knnen nur weitermachen. Wie vieleMenschen infizieren sich gerade jetzt, whrendSie hier herumstehen, statt ihre Arbeit zu tun?Zehn? Zwanzig? Was ist die Wahrheit, Agent Mul-der?"

    Was immer die Wahrheit ist, ich werde sie her-ausfinden", war alles, was Mulder noch erwidernkonnte.

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    Scully hoffte, da Mulder der Wahrheit etwasnher war als sie selbst. Noch immer trennten siedicke Stahltren von den Vorgngen im Staats-gefngnis Cumberland.

    Durch das Fenster einer dieser Tren konnte siebeobachten, wie Mnner in Schutzanzgen einen

    kranken Gefangenen auf einem Untersuchungs-tisch festschnallten. Sie beugte sich vor unddrckte ihre Nase gegen das Glas, in der Hoffnung,weitere Aufschlsse ber die rtselhafte Epidemiezu erhalten.

    In diesem Augenblick schlo sich von hinteneine Hand um ihre Schulter. Sie wirbelte herum

    und starrte in das geisterhaft fahle Gesicht von Dr.Osborne.Kommen Sie mit", sagte er entschlossen.Warum?" Scully lehnte sich so weit zurck,

    wie es die Tr in ihrem Rcken zulie.Kommen Sie einfach mit", wiederholte Osborne

    mit einer Stimme, so fest und unbeugsam wie

    seine Hand auf Scullys Schulter.S