ebnavi - magazin der eb zürich nr. 1

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EB NAVI Wege zur Weiterbildung September 2014 – #1 THEMA Das Kreativzeitalter kommt: Wer mithalten will, muss flexibel und vielseitig sein. Und seine grauen Zellen clever nutzen. 10 LEUTE Neue Chancen und Berufs- bilder: Diese 12 Gründer- innen und Gründer haben sich ihren Traumjob selbst geschaffen. 4 SERVICE Auf eigenen Füssen: Selbst- ständige brauchen einen langen Atem und klare Antworten auf die wich- tigsten 21 Fragen. 40 PQ NEW WORK: ARBEIT DER ZUKUNFT – ZUKUNFT DER ARBEIT ((

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New Work: Arbeit der Zukunft – Zukunft der Arbeit

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Page 1: EBNavi - Magazin der EB Zürich Nr. 1

EBNAVIWege zur Weiterbildung

September 2014 – #1

THEMADas Kreativzeitalter kommt: Wer mithalten will, muss flexibel und vielseitig sein. Und seine grauen Zellen clever nutzen. 10

LEUTENeue Chancen und Berufs­bilder: Diese 12 Gründer­innen und Gründer haben sich ihren Traumjob selbst geschaffen. 4

SERVICEAuf eigenen Füssen: Selbst­ständige brauchen einen langen Atem und klare Antworten auf die wich­tigsten 21 Fragen. 40PQ

NEW WORK: ARBEIT DER ZUKUNFT – ZUKUNFT DER ARBEITNEW WORK: ARBEIT DER ZUKUNFT – ZUKUNFT DER ARBEIT

((

Page 2: EBNavi - Magazin der EB Zürich Nr. 1

Liebe Leserin, lieber Leser

Sie halten die erste Ausgabe EB Navi in den Händen. EB Navi soll beim Navigieren helfen und Sie durch die Berufs­ und Weiter­bildungwelt lotsen. Wie ein GPS-Gerät, aber ganz anders: Unter­stützung nicht von ganz oben, von Satelliten, sondern mit beiden Füssen in der Berufswelt. EB Navi ist eher ein IPS, ein individuelles Positionierungssystem. Picken Sie sich raus, was Sie brauchen können, finden Sie Ihre ganz persönliche Route zum Ziel.

Sich immer wieder neu zu positionieren, wird auf dem Arbeits­markt der Zukunft für viele entscheidend. Denn selbstständige und unselbstständige Arbeit vermischen sich: freie Mitarbeit, Teilzeitjob, befristete Projektarbeit, selbstständige Tätigkeit – und jede denkbare Kombination davon. New Work nennt sich dieser Trend.

Im Schwerpunktthema ab Seite 10 zeigen wir die Entwicklung von New Work auf, stellen einige Hotspots der Zürcher Firmen­gründer­Szene vor, berichten darüber, wie Pioniere ihr Geld zu­sammen bringen. Über das ganze Heft verteilt porträtieren wir Absolventinnen und Absolventen der EB Zürich, die New Work bereits leben.

EB Navi will auch Unterhaltung mit Augenzwinkern und inspi­rierende Texte bieten: Sie finden bei uns ein Würfelspiel mit Fragen, die schon der französische Schriftsteller Marcel Proust beantwor­tet hat, ein Quiz mit Zitaten von Prominenten, einen Essay zum Thema Arbeiten im Jahr 2060 und einen Cartoon mit dem viel­versprechenden Titel «Wir backen uns einen Homo Creativus».

Gerne erfahren wir, wie Ihnen die erste Ausgabe EB Navi gefällt. Teilen Sie es uns mit unter eb­navi@eb­zuerich.ch.

Ich wünsche Ihnen grossen Lesespass und einen erfolgreichen Weiterbildungsherbst!

Serge Schwarzenbach, Herausgeber

Zwölf realisierte TräumeZu New Work führen viele Wege. Wir haben ein Dut-zend Kundinnen und Kunden ausgesucht, die ihren Traum leben und in zukunftsträchti-gen Geschäftsfeldern tätig sind. Als Veganladenpionie-rin, Mitmachreiseleiterin, Latino-DJane, Ritualmana-gerin, Spezialbierbrauerin, Feng-Shui-Beraterin, Liebes-bücherverlegerin. Der preis-gekrönte Fotograf Philipp Baer hat die Gründerinnen und Freischaffenden kunst-voll in Szene gesetzt. Die Bilder finden Sie ab nächster Seite übers ganze Heft verteilt. Wie zufrieden die New-Workerinnen und New-Worker mit ihren wahr gewordenen Visionen sind und was sie über ihre Moti-ve und Erfolge zu sagen haben: Das können Sie ab Seite 66 nachlesen. Dort fin-den Sie auch die Steckbriefe der mutigen Zwölf. Übri-gens: Einen Teil ihres Know-hows haben sie sich an der EB Zürich geholt.

HerausgeberEB Zürich, Kantonale Berufsschule für Weiterbildung, Serge Schwarzenbach

ProjektChristian Kaiser (Leitung) Carmen Balz-Ryser, Fritz Keller, Ursula Kindler, Guido Stalder (Inhalte) Giorgio Chiappa, Philipp Schubiger (Grafik)

RedaktionChristian Kaiser, Fritz Keller, Guido Stalder

Mitarbeit an dieser NummerMarc Bodmer, Massimiliana Pagliaro, Michael Stauffer, Rita Torcasso

BilderPhilipp Baer, Michael Egloff, Andrea Helbling, Luise Hüsler, Jonas Kuhn

IllustrationenEva Kläui, Jan Zablonier

InfografikDaniel Röttele

LayoutGiorgio Chiappa

Auflage27 000 Exemplare

DruckFO-Fotorotar, Egg

Für Abonnements des EB-Navi: [email protected]

neutralDrucksache

No. 01-14-492898 – www.myclimate.org© myclimate – The Climate Protection Partnership

PERFORMANCE

NEW WORK 3

EDITORIAL

Page 3: EBNavi - Magazin der EB Zürich Nr. 1

Thema: New Work

6 Wer hats erfunden – die Zürcher Alltags­Gegenstände aus heimischer Küche

10 Multifunktional und selbstvermarktend Wie wir in Zukunft arbeiten werden

14 Evolution der Arbeit Der Wandel ist die Konstante

20 Creative City Zürich Neue Ideen brauchen Platz

40 Ständig auf eigenen Füssen Selbstständigkeit braucht Biss

44 Die Hälfte überlebt Die wichtigsten Daten rund um Selbstständig­

keit

46 Wo die Kohle holen Wie man zum Geld für die Firmengründung

kommt

48 Idee, Markttauglichkeit und Persönlich-keit zählen

Interview mit Beni von Allmen, Kreditgeber

Leute

4 Ein Dutzend wahr gewordene Träume Zwölf innovative Ehemalige der EB Zürich im

Bild

8 Immer die Nase im Wind 3D-Kursleiterin Julia Rodriguez erfindet sich

stets neu

54 15 Minuten, die mein Leben veränderten Stefan Geiger, Game­Entwickler

66 Galerie der innovativen Zwölf Visionen, Kicks und Wünsche der Foto­Por­

traitieren

«Bei meinen Reisen machen die Leute aktiv mit. So lernen sie nicht nur eine Gegend besser kennen, sondern ein Stück weit auch sich selber.» Lisa Hübsch ➝ Seite 66

Service

18 Intelligent – aber bitte professionell Worauf es morgen im Beruf ankommt

39 Bank, Bahnhof, Vase Rund um die EB Zürich

50 Damit das Projekt gelingt Die wichtigsten Aspekte der Projektarbeit

58 Rezepte gegen «Bauchweh» Fragen aus dem Arbeitsalltag

60 Spielend selbstständig Serious Games: Probehandeln mit Spass

64 EB-Universum Angebote der EB Zürich zu New Work im

Überblick

Inspiration

31 Persönliches elektronisches Meer-schweinchen

Essay von Michael Stauffer

35 Na dann Proust Gesellschafts­Spiel zum Herausnehmen

52 Wir backen uns einen Homo Creativus Cartoon von Jan Zablonier

57 Wer hats gesagt Quiz mit Zitaten von Prominenten

NEW WORK 5

INHALT

Page 4: EBNavi - Magazin der EB Zürich Nr. 1

6 EB NAVI #1 NEW WORK 7

WC-EnteKampf dem Kalk

Die Ur-Kämpferin gegen den Kalk im WC hiess Maria Düring. Sie mischte 1951 verschiedene Chemikalien aus dem Geschäft ihres Mannes, eines Zürcher Drogisten. Ihre Lösung funktionierte bestens, das Entkalkungsmittel auf Salzsäurebasis kam als Durgol auf den Markt. Ihre ersten Hauptabnehmer waren Schulhaus-Abwarte.

Weltberühmt wurde eine Entwicklung ihres Sohnes Walter Düring: die WC-Ente. Die Flasche mit dem geschwungenen, S-förmigen Hals sorgt dafür, dass das Putzmittel auch an die schwer zugänglichen Stellen findet. Seine Frau Vera liefer-te die erste Rezeptur für den Inhalt.Inzwischen wurde die WC-Ente an die US-Firma SC Johnson verkauft. Heute füllt die Düring AG in Dällikon 30 000 Flaschen verschiedenster Entkalker ab – jeden Tag.

MaggiKult in Küche und Kunst

Der Zürcher Mühlebesitzer Julius Michael Johannes Maggi war Ende des 9. Jahr-hunderts einer der Urbegründer des Fast Food. Er experimentierte zwei Jahre lang an einem Nahrungsmittel für die Industriearbeiter: gesund, billig und schnell zu kochen. 1886 brachte er sein

Maggi-Suppenmehl auf den Markt, gleichzeitig mit der flüssi-gen Maggi-Würze. Gut zwanzig Jahre später folgte der be-rühmte Bouillonwürfel. Inzwischen gibt es Maggi in aller Welt, und selbst Gourmet-Köche gestehen, damit zu arbeiten.

Für Maggi warb anfangs der 22-jährige Frank Wedekind, mit Texten wie «Vater, mein Vater, ich werde nicht Soldat, dieweil man bei der Infanterie nicht Maggi-Suppen hat». Und Andy Warhol verfremdete nicht nur die Coca-Cola-Flasche künstlerisch, sondern eben auch das Maggi-Fläschchen.

Übrigens: Das «Maggikraut», wie die Gewürzpflanze Liebstöckel oft genannt wird, hat zwar geschmacklich durch-aus etwas von Maggi-Würze. Aber es ist ironischerweise nichts davon drin.

Micro-ScooterFaltbares Trotinett

Wim Ouboter ist gelernter Banker, und seinen Micro-Scooter hat er aus purer Bequemlichkeit entwickelt – um mög-lichst locker zu seiner Lieblingsimbiss-bude am Zürcher Bellevue zu kommen. Er traf vor zwanzig Jahren den Nerv der Zeit, das faltbare Trotinett wurde hip und verkaufte sich weltweit millionen-fach. Zwischendurch ging Ouboter mit seiner Firma beinahe pleite, konnte sich aber immer wieder retten. Seine Firma in Küsnacht beschäftigt ein Dutzend Mitarbeitende.

DoodleTermine online planen

Der Zürcher Informatiker Michael Näf wollte bloss ein Essen mit einigen Freunden organisieren und entwickelte dafür kurzerhand Doodle (auf deutsch Gekritzel). Weil es so praktisch war, stellte er sein Programm ins Internet. Heute, gut zehn Jahre später, gibt es Doodle in 31 Sprachen. Jeden Monat nutzen rund zwanzig Millionen Leute das praktische Tool.

Wer hats erfunden –

die Zürcher

ClosomatKomfort auf der Toilette

«Es sind einfache, alltägliche Dinge, welche Lebensqualität mit sich bringen», heisst es auf der Website von Closomat. Konstrukteur Hans Maurer tüftelte zwei Jahre in seinem Keller in Zollikerberg am WC mit integrierter Dusche und lan-cierte es 1957. Closomat (Closet auto-matique) verkaufte sich in den nächsten fünfzig Jahren rund 100 000-mal. Dann verspekulierte sich die Firma mit einem neuen Produkt, ging Konkurs, wurde gerettet – und bereits hat die Firma mit ihrem heutigen Hauptsitz in Embrach weitere 50 000 Stück verkauft.

StewiPraktischer

Wäschetrockner

Der Stewi heisst so, weil er von Walter Steiner (Ste)

aus Winterthur (wi) entwi-ckelt wurde. 1947 begann er mit der Produktion von Wäschespinnen aus Holz

und Hanfseilen. Steiner war nicht nur ein begnadeter Tüftler, sondern auch ein

cleverer Geshäftsmann: Er gab allen Rabatt, die einen Stewi gut sichtbar in ihrem Garten an einer vielbefahre-nen Strasse oder Bahnlinie

aufstellten.

Page 5: EBNavi - Magazin der EB Zürich Nr. 1

8 EB NAVI #1 NEW WORK 9

Julia Rodriguez steht in der Küche ihres Arbeiter­Rei­henhäuschens im Friesenberg­Quartier, daneben die beiden Söhne. Auch dabei die Zwillingsschwester mit ihren Töchtern. Bloss sind alle nur einige Zentimeter hoch, stehen auf der Ablage und sind aus Gipskeramik. 3D-Drucke natürlich, beeindruckend lebensecht – die Kids mit den obligaten verwaschenen Jeans und T-Shirts. Aus dem ersten Stock hört man leises Summen und Klicken. Da wird gerade mein Vorname als Willkommensgruss dreidimensional gedruckt.

«3D-Drucken ist meine Passion», sagt Julia Rodriguez. «Es ist genial, dass man diese Sachen in die Hände nehmen kann.» Sie meint nicht bloss die Figürchen als Partygag: «Jemanden einscannen und als kleines Männlein ausdrucken hast du nach zehn Mal gesehen.» Ihr geht es um ernsthafte Anwendun­gen. Längst werden Hörgeräte dank 3D-Technik auf den Zehntelmillimeter genau ans Ohr angepasst, und Flugzeug­Triebwerke funktionieren mit 3D­pro­duzierten Einspritzdüsen. Rodriguez hat bei einem Auftrag für den Umbau des Triemli­Spitals die ganze Überbauung dreidimensional ausgedruckt – mit ei­nem Bruchteil an Aufwand, den eine Formenbauerin hätte. Oder sie hat fünf Verpackungsingenieure von Chocolat Frey unterrichtet, wie man mit CAD zeich­net und die neue Form dreidimensional ausdruckt.

Gerade Strichli ziehenCAD ist ihr beruflicher Hintergrund: computer­aided design, Zeichnen mit Computerunterstüt­zung. Sie hat es damals bei der BBC in Baden ge­lernt. Widerwillig, weil sie lieber kreativer sein woll­te, als Goldschmiedin etwa. Technisch zeichnen, sagt sie, das sei nach einer Skizze «tagelang gerade Strichli ziehen»: ungefähr so langweilig, wie nach den Notizen des Chefs einen Brief zu schreiben.

Bald nach dem Lehrabschluss zog sie die Liebe nach Deutschland. Da erhielt sie Arbeit an einer Workstation, einem Monster aus der Computer­ Urzeit. Der Bildschirm schimmerte ungesund

grünlich­grau, die Computer­Maus war gerade erst erfunden worden. Weil die Anlage so teuer war, musste sie rund um die Uhr in Betrieb sein. Man arbeitete in drei Schichten – «eine schlim­me Zeit». Als sich dann der neue Chef als übler Cho­leriker entpuppte, der schrie und mit Ordnern um sich warf, hatte Julia Rodriguez genug und beschloss mit 21, sich selbstständig zu machen.

Ich habe Mail – und du?«Ich hatte keinen Computer, kein Programm, keinen Plan und kein Geld» – trotzdem erhielt sie einen Pri­vatkredit. Sie kaufte das Nötigste, telefonierte über hundert Firmen und bot sich als selbstständige CAD-Zeichnerin an. Eigentlich hätte sie sich ja per Mail bewerben wollen, sozusagen modern – doch sie und ihr Freund plus ein Kollege aus den USA waren die einzigen, die überhaupt eine Mail­Adresse hatten. Sie bekam CAD-Aufträge, zeichnete Brücken, Kindergärten, Heizung, Lüftung, Sanitär, alles. Manchmal war sie mit der Wohnungsmiete in Ver­zug, aber irgendwie schlug sie sich durch.

Dann unterrichtete sie aushilfsweise Arbeitslose und entdeckte ihr didaktisches Ta­lent. Sie habe eben alles einfach er­klärt, nicht auf Fach­Chinesisch. «Zehn auf zehn Millimeter, das ist so gross wie ein Würfelzucker, habe ich gesagt. Das verstehen alle.» Die Leu­te wollten sie behalten, sie blieb und holte eine didaktische Ausbildung nach. Ab jetzt war sie vor allem Er­wachsenenbildnerin und verdiente gut. Inzwischen ist sie Mutter zweier Söhne, lebt wieder in der Schweiz, arbeitet selbstständig als technische Zeichnerin und Kursleiterin an der EB Zürich. Hier unterrichtet sie CAD,

ein Mindmappping­Programm und seit einiger Zeit eben 3D­Drucken, «meine Passion».

Geniessen und denkenUnd Julia Rodriguez privat? «Ich

bin ein Faultier», sagt sie. Sie faule lieber im Garten im Liegestuhl herum, als allzu streng zu gärtnern. Und sie, die technisch immer die Nase vorn hat, macht weitgehend auf Medien abstinenz: keine Zei­tung, kein Radio, kein Fernsehen. «Die Bilder der Fernseh­Nachrichten sind mir zu heftig, das ertrage ich schlecht.» Für die Alltags­News seien ihre bei­den Söhne zuständig. Dafür holt sie sich die Welt abends ans Bett und hört sich jede Woche ein bis zwei Hörbücher an: Krimis zur Unterhaltung, Biografien aussergewöhnlicher Leute. Auch hohe Philosophie von Arthur Schopenhauer: «Ich denke gerne, und Schopenhauer sprengt dein Gehirn.»

Über die Zukunft mag sie sich wenig Gedanken machen. Vielleicht werde sie doch noch eine Art Goldschmiedin, entwerfe Eheringe zusammen mit den Kunden am Bildschirm und drucke sie gleich in lief schon immer anders, als ich dachte. Nicht schlechter, aber anders.» ■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■

Julia Rodriguez hat die Nase immer vorn bei technischen Entwicklungen. Die Kursleiterin

für 3D-Drucken hatte schon eine Mail-Adresse, als in der Schweiz noch niemand wusste,

was das ist. Die Welt lässt sich das «Faultier» aber gerne noch analog ans Bett bringen –

in Form von Hörbüchern, die von Morden, spannenden Personen und hoher Philosophie berichten.

«Vielleicht drucke ich

künftig Eheringe»

3D-DruckenWie man eine 3D-Druckvorlage erstellt und ausdruckt3D-Drucker im SelbstbauSelber einen 3D-Drucker zusammenbauen und in Betrieb nehmenAutoCAD 2DComputer-unterstütztes Konstruieren: Grund-, Aufbau- und WerkstattkurseAutoCAD: Konstruieren in 3DObjekte dreidimensional modellieren und fotorealistisch darstellen

Anmelden: eb-zuerich.ch/new-work

AUF KURS BLEIBEN

Text Guido Stalder

Page 6: EBNavi - Magazin der EB Zürich Nr. 1

10 EB NAVI #1 NEW WORK 11

«Die traditionelle Arbeit befindet sich generell auf dem Rückzug», sagt Matthi­as Horx, Leiter des renommierten Frank­furter Zukunftsinstituts. Denn in unserer Arbeitswelt bleibt kaum ein Stein mehr auf dem andern ­ alles wird digitaler, au­tomatisierter, globaler. Das bedeutet, dass immer mehr Computer Arbeiten steuern und immer mehr Roboter sie ausführen. David Bosshart, Leiter der

Denkfabrik Gottlieb­Dutt­weiler­Institut GDI, spricht von einem Kampf

mit immer intelligenteren Maschinen und mit Algorithmen, «die auch können, was der

Mensch kann – nur perfekter und ohne Migräne.»

Computer, Roboter, NetzLetzten Herbst sorgten die Forscher Carl Benedict Frey und Michael A. Osborne von der Universität Oxford mit einem Ar­beitspapier für viel Aufregung. In «The Future of Employment» rechneten sie vor, welche Jobs es wohl schon bald nicht mehr gibt. Fast die Hälfte der Beschäftig­ten, so das brutale Resultat, könnte schon bald durch Computer und Roboter er­setzt werden. Zum Beispiel der Briefträ­ger: Immer mehr Korrespondenz läuft elektronisch, Briefe per Post werden sel­tener. Der Computer ist also der erste Job­Killer, und von oben droht ein zwei­ter: mit der Drohne, die die Postsachen ferngesteuert an die richtige Adresse lie­fert. Die Vision ist näher an der Realität, als viele glauben möchten.

Die Oxford­Forscher listen die Über­lebenschancen von 702 Berufen auf. Akut gefährdet sind beispielsweise Telefonver­käuferinnen (werden durch Sprach­Algo­rithmen ersetzt), Versicherungssach­bearbeiter, Kredit­Analystinnen oder juristische Sekretäre. Alles Repetitive und leicht Berechenbare übernehmen Computer. Dazu kommen Berufstätige wie Bauarbeiter oder Metzger, die zu ei­

Flexibel, vielseitig und clever

sollst du sein

Schluss mit gemütlich. Fest angestellt mit klaren Aufgaben, sicherem

Lohn und fixer Arbeitszeit ist schon in zehn Jahren für mehr als die Hälfte

der Arbeitenden Vergangenheit. New Work kommt: Man stellt sich die

Arbeit puzzleartig zusammen, aus Teilzeitjob, Projektarbeit und selbststän-

diger Tätigkeit. Die Kombinationen ändern laufend. Das wird spannend und

anstrengend zugleich.

nem grossen Teil durch Maschinen er­setzt werden können. Auf der anderen Seite der Skala – also ungefährdet – sind Ärztinnen, Therapeuten, Lehrerinnen und Leute mit Chef­Funktionen. Sicher fühlen dürfen sich auch Anwältinnen und Bauern. Wer im zwischenmenschli­chen Bereich arbeitet und immer wieder

neue Einzel­Situationen bewältigen muss, ist dem Computer und der Ma­schine überlegen.

Die dritte Gefahr neben Computer und Maschine lauert überall: die Globa­lisierung. Dank Internet ist die Konkur­renz auf dem Arbeitsmarkt grundsätz­lich weltweit. Dass IT-Aufgaben nach In­dien ausgelagert werden, ist schon seit Jahren Praxis – einige Klicks, und man hat den Job dorthin vergeben. Billige Ar­beitskräfte aus Schwellenländern führen so zu einem manchmal ruinösen Kon­kurrenzkampf mit den westlichen In­dustrieländern. Eine Extremform ist die Arbeit der «Clickworker»: Sie bieten Online­Dienstleistungen an, zum Beispiel Texte aller Art schreiben (auch garantiert positi­ve Rezensionen), eine Karikatur zeichnen oder ein Logo entwer­fen. Als «Five­Dollar­Job»: zu ei­nem Preis, der sich nur für Leute aus Niedriglohn­Ländern rech­net.

Jobs der ZukunftWo die grossen Herausforderungen liegen, bestehen auch die grössten Entwicklungs-chancen, etwa im Bereich Umwelt/Energie, Gesundheit, Bildung, Pflege. Aber auch im Management werden wir neue Rollen erleben. Zum Beispiel den «Corporate Teenager», der den Unternehmen hilft, den Dialog mit der Aussenwelt aufrecht zu erhalten und immer neue Impulse ins Unternehmen zu bringen. Oder den «Biografie-Designer», der ausgehend von der eigenen Uniquability bei der Gestal-tung einer ganzheitlichen Lebens- und Ar-beitsbiografie hilft, inklusive Suchmaschinen-Erscheinungsbild. Oder der «Down aging Trainer», seine Aufgabe: mentale, emotionale und physische Alterungserscheinungen zu mi-nimieren.

THEMA : NEW WORK

Text Guido Stalder Illustrationen Jan Zablonier

Page 7: EBNavi - Magazin der EB Zürich Nr. 1

12 EB NAVI #1 NEW WORK 13

Arbeiten im Premium-BereichWer auf dem neuen Arbeitsmarkt überle­ben will, muss sich neu positionieren. Gefragt sind deshalb umfassende Fähig­keiten. Trendforscher Sven Gábor Jánsz­ky prognostiziert, auch Handwerker wie den Schreiner werde es vermutlich nur noch im «Premium­Bereich» geben. Er müsse zwar wie heute mit seinen Materi­alien professionell arbeiten können – aber vor allem interpretieren, was das Möbel­stück ausdrücken soll: Stil, Umweltbe­wusstein, Reichtum? Es geht nicht mehr bloss um einen Gegenstand, den der Kunde kaufen will, sondern auch darum, was es ihm emotional bringen soll. Der Schreiner der Zukunft muss Menschen­kenntnis haben und etwas von Marketing verstehen.

Immer mehr Jobs erfordern, dass man mit Computern und Robotern sou­verän umgehen kann. Der amerikanische Ökonomieprofessor Tyler Cowen ist überzeugt, dass viele Arbeiten in Zukunft «in Partnerschaft mit Computern» erle­digt würden. Und zu den Computern ge­sellen sich die Roboter. In Japan sind Ro­boter immer öfter in der Pflege zum Ein­satz. Sie reichen Essen, wechseln Bettwä­sche, helfen im Haushalt oder sorgen so­gar als programmierte «Schmusetiere» für das Wohl von alten Leuten. Trotz aller Skepsis finden die Pflegeroboter ihren Weg schrittweise auch nach Europa. Sie erledigen Routinearbeiten, damit das Pflegepersonal mehr Zeit für die indivi­duelle Betreuung der Patientinnen und Patienten hat. Ähnlich also wie beim Schreiner: Arbeit im «Premium­Be­reich». Die «Partnerschaft» mit den Ro­botern will aber zusätzlich gelernt sein.

Patchwork-ArbeitDie Arbeit der Zukunft wird nicht nur an­spruchsvoller (und interessanter), son­dern auch anders organisiert. «Womög­lich führt das alte Wort ‹Beruf› uns hier in die Irre», schreibt der Physiker und Science­Fiction­Autor Karlheinz Stein­müller in einem Aufsatz: «Die klassi­schen Berufsbilder lösen sich auf, und immer weniger Menschen werden auf Lebenszeit in ein und der derselben Pro­fession bleiben.» Statt einen bestimmten Beruf bis zur Pensionierung auszuüben, sei lebenslanges Lernen angesagt. Das führe «zu einem individuell erworbenen Kompetenzenprofil, das man erweitert, ausbaut, an neue Herausforderungen an­passt.»

Nicht nur der Inhalt, auch die Form der Arbeit wird vielfältiger. Man arbeitet in Projekten, übernimmt Aufgaben für eine bestimmte Zeit, führt Tätigkeiten auf Honorarbasis aus. Man arbeitet ab­wechselnd im Unternehmen und im eige­nen Home Office, kombiniert eine Teil­zeitstelle mit freiberuflicher Tätigkeit.

Immer wieder wechselnde Arbeits­Kons­tellationen werden für viele Leute die Regel. Georges T. Roos, Luzerner Zu­kunftsforscher: «Fixe Arbeitszeiten kom­men aus der Industrie. Heute und in Zu­kunft ist die abgesessene Zeit aber nicht mehr entscheidend, sondern was jemand leistet.»

Dabei nimmt der Anteil der extro­vertierten Selbstvermarkter zu: Wer sich gut verkauft, hat auf dem Arbeitsmarkt die besseren Karten. Die «Digital Nati­ves», die mit dem Internet aufgewachsen sind, machen schon in gut fünf Jahren die Hälfte der Erwerbstätigen aus. Sie wer­

den ihr Training in Selbstdarstellung nutzen, das sie sich in den sozialen Netzwerken angeeignet haben. Sie wollen, sagt Roos, «eine Ar­beit, die Spass macht und gute

Teams schafft. Sie suchen Auto­nomie in der Gestaltung der Arbeit.»

Selbstverwirklichung oder SelbstausbeutungFlexiblere Arbeitsformen geben mehr Spielraum, um die persönliche Situation selber zu gestalten, also seine eigene Work Life Balance optimal zu definie­ren. Doch zur grösseren Freiheit kommt auch das grössere Risiko. Wer wechselnd arbeitet, ist eher in Gefahr, zu viel oder zu wenig zu arbeiten. Zu viel, weil Pro­jekte oder selbstständige Arbeiten manchmal kurzfristig mehr Arbeit ge­ben als geplant. Und zu wenig, weil man riskiert, zwischen den einzelnen Aufga­ben ungewollt Lücken zu haben. Weil man das unternehmerische Risiko zum Teil selber trägt, gibt es eine Versu­chung, zu viele Aufgaben anzunehmen.

Als Illustration für die zwei Seiten der Freiheit kann der aktuelle politische Kampf zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften darüber gelten, wer die Arbeitszeit genau erfassen muss. Die Arbeitgeber wollen möglichst viele An­gestellte davon befreien, die Gewerk­schaften möglichst wenige. Die einen argumentieren mit der Freiheit der Ar­beitenden, die andern mit ihrem Schutz. Eine Studie der Fachhochschule Nord­westschweiz hat gezeigt, dass heute ein Viertel der leitenden Angestellten ihre Arbeitszeit nicht erfasst – und dass rund neunzig Prozent davon mehr arbeiten als vertraglich abgemacht.

Zukunftsforscher Matthias Horx spricht davon, dass wir noch nicht die richtigen Kompetenzen für die neuen Arbeitsformen hätten, weil wir aus einer «Kultur der Abhängigkeit» kämen: fest­angestellt und sicher. «Aber wir werden das lernen. Ebenso, wie wir in einem langen historischen Übergang die Tu­genden der Industriegesellschaft gelernt haben.» ■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■

Imke Keicher / Kirsten BrühlSie bewegt sich doch!Neue Chancen und Spielregeln für die Arbeitswelt von morgenOrell Füssli, 2008, 192 Seiten

Karin Kaudelka / Gerhard Kilger (Hg)Die Arbeitswelt von morgenWie wollen wir leben und arbeiten?transcript Verlag, 2010, 252 Seiten

BUCHTIPPS

Page 8: EBNavi - Magazin der EB Zürich Nr. 1

14 EB NAVI #1 NEW WORK 15

Der Wandel hat schon eingesetzt. Was das für unsere Arbeitskultur bedeutet, umschreibt die deutsche Zukunftsfor­scherin Imke Keicher: «Wir müssen uns mitverändern! Zwar werden wir nicht alle sofort neue Qualitäten hervorbringen müssen, doch viele von uns sind gefor­dert, sich in den nächsten Jahren weiter­zuentwickeln.»

Der «Organization Man» bis ca. 1980Der Jäger und Bauer von einst wurde im Industrie­ und Dienstleistungstzeitalter zum «Organization Man». Die meisten heutigen Angestellten sind noch Vertre­ter dieser Art: Sie sind fest angestellt bei einer Organisation, die ihnen Sicherheit bietet und Geborgenheit, das Unterneh­men übernimmt «fast Vater­ oder Mut­terfunktion». Im Gegenzug kontrolliert die Organisation ihre Mitarbeitenden, die Spielräume des Einzelnen sind be­grenzt. Der «Organization Man» war bis 1980 der Normalfall, ist heute noch häufig anzutreffen, stirbt aber allmählich aus.

Bis heute: die WissensarbeiterMit der zunehmenden Verlagerung der Arbeit vom Industrie­ zum Dienstleis­tungssektor gewann Wissen als Ressource an Bedeutung. Für den Wissensarbeiter steht deshalb im Zentrum, sein Fachwis­sen à jour zu halten, um seinen Wert auf dem Arbeitsmarkt zu erhalten; seine Ar­beitsmarktfähigkeit oder «Employability» stellt er über sinnvolle Aus­ und Weiter­bildungen sicher. Die Konkurrenzfähig­keit ist ihm wichtig, denn er weiss, dass er in seinem Berufsleben für verschiede­ne Firmen arbeiten wird. Wissensarbeite­rinnen wählen ihre Arbeitgeber deshalb so, dass sie weiter lernen und wachsen

zurufen – mindestens genauso wertvoll sind seine Fähigkeiten, sich in andere hin­einzufühlen, Verbindungen herzustellen und Neues zu schaffen. Bei «Creative Work», der in Zukunft vorherrschenden Arbeitsweise, werden solche schöpferi­schen Fertigkeiten besonders gefragt sein. Das Ziel des Kreativarbeiters be­steht darin, das in ihm angelegte Poten­zial zu entdecken und so gut wie möglich für sich und andere zur Entfaltung zu bringen. Was die Kreativarbeiter (häufig sind es Kreativarbeiterinnen) beruflich tun, ist immer mit dem Anspruch verbun­den, die individuelle Einzigartigkeit, die «Uniquability», weiter auszuformen. Treiber sind Selbstverwirklichung und Sinn, aber auch Spass. Die neuen Kreati­ven arbeiten selbstständig, angestellt oder projektbezogen, oft in kreativen Be­ziehungsnetzwerken.

Neue ArbeitskulturAllerdings sind noch in vielen Firmen und öffentlichen Institutionen auch Ver­treter des Typus Organisationsarbeiter anzutreffen. Die Zukunftsforschung geht aber von einer sich beschleunigen­den Gewichtsverschiebung in Richtung Kreativarbeit aus. Die Definition von «Creative Work» geht zudem über die bekannten Kreativjobs hinaus: Imke Keicher versteht darunter «eine funda­mental neue Arbeitskultur, die auf Selbstverantwortung, Selbstkenntnis und dem Bedürfnis nach individuellen Lebens­entwürfen basiert, in denen die klassische Fragmentierung in ein Arbeits­Leben und ein Privat­Leben aufgebrochen ist.» Diese neue Arbeitskultur wird auch neue Berufsbilder hervorbringen (➝ Artikel Seiten 10 bis 13). ■■■■■■■■■■■■■■■■■■■

Die Zukunft der Arbeit – die Arbeit der Zukunft. Wie

wird die Arbeitswelt in zehn oder zwanzig Jahren aussehen?

Welche Kompetenzen werden wir dafür brauchen? Geht

es nach den Zukunftsforschern, steht uns ein tief greifender

Wandel bevor: vom Wissens- zum Kreativzeitalter.

Text Christian Kaiser

Die Evolution

der Arbeit

können. Der Wissensarbeiter war bis zir­ka 2010 der Prototyp des Arbeitenden.

Künftig: die Kreativen kommenAbgelöst wird er allmählich von den Kre­ativarbeiterinnen und Kreativarbeitern. Deren wichtigste Ressource ist grau und wiegt rund 1,3 Kilo: Ein Hirn ist nicht nur dazu da, zu speichern und bei Bedarf ab­

THEMA : NEW WORK

Page 9: EBNavi - Magazin der EB Zürich Nr. 1

«Mit dem ‹Romantik-Verlag› kann ich meine Leidenschaft für Bücher ausleben: Ich helfe, Geschichten in die Welt zu bringen.» Ariane Costantini ➝ Seite 67

«Gutes Feng Shui sieht man nicht, man spürt es.» Mirjam Candan ➝ Seite 67

Page 10: EBNavi - Magazin der EB Zürich Nr. 1

18 EB NAVI #1 NEW WORK 19

«Wer einen hohen PQ hat, schafft, dass es gelingt,» sagt Dueck. Denn die Welt um uns erfordere immer stärker, dass wir «multi­intelligent» arbeiteten. «Es ist nicht die EINE Intelligenz, die eine Rolle spielt, es geht immer um ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Intelligenzen.» Professionelle Intelli­genz versteht er als Begabung zur Schaffung von Erstklassigem, als Mass für Exzellenz im Beruf.

Die bisherige Vorstellung von Intelligenz hat für Dueck ausgedient, denn sie bezieht sich lediglich auf die «Hirnhardware» des Menschen. Professionelle Intelligenz umfasst für den ehemaligen Chief Tech­nology Officer bei IBM aber die «Gesamthardware» des Menschen. Dueck: «Für wahrhaft professionel­les Handeln braucht es auch Geist, Herz und Hand.»

Professionell intelligent ist, wer möglichst viel von den folgenden Teil­Intelligenzen besitzt und an­wenden kann:

IQ Die normale Intelligenz des Verstandes:

Struktur, Plan, Organisation

Mit ihr rechnen, analysieren, steuern, verwalten, kontrollieren und ordnen wir. Sie hilft uns, nach ob­jektiven, messbaren Kriterien zu entscheiden, Struk­turen zu bilden und Regeln zu formulieren. Sie steht für die Fähigkeit, zu erfassen und zu lernen und klar zu kommunizieren. Sie lässt sich mit IQ-Tests mes­sen: Das Resultat nimmt ab, je länger man nicht mehr in der Schule war. Dueck betont immer wieder die begrenzte Aussagekraft solcher Testresultate: «Gewisse rechtshirndominierte Individuen können unter Geschwindigkeit gar nichts leisten.»

EQ Die emotionale Intelligenz des Herzens und der

Zusammenarbeit: Verstehen, Teamgeist, Empathie

Sie steht für Kommunikationsfähigkeit, Einfüh­lungsvermögen, Teamfähigkeit, Taktgefühl, Koope­rations­ und Konfliktlösungsfähigkeit. Sie verhilft zu guten Beziehungen zu anderen Menschen, ermög­licht reibungslose Zusammenarbeit und ist wichtig für interkulturelle Kompetenz. Sie integriert bei der Arbeit auch das Herz, lässt mitfühlen und geht mit eigenen und anderen Gefühlen angemessen um.

VQ Die vitale Intelligenz des Instinktes und des

Handelns: Vitalität, Wille, Energie

Sie ist ein Zeichen für Führungskompetenz und Durchsetzungsvemögen. Sie entscheidet nach dem Bauchgefühl und nach sicherem Instinkt – auch un­ter grosser Unsicherheit. Sie scheut keine Risiken und lässt schlau und abschlussstark verhandeln. Im Wandel zeigt sie energetische Stärke. Vital Intelli­gente handeln mit Courage und Mut, wo andere zö­gern und beeindrucken durch selbstsicheres Auftre­ten. Sie ist nach Dueck die seltenste Intelligenz.

AQ Die Intelligenz der Sinnlichkeit

(Attraction), der instinktiven Lust und Freude: Talent zur Attraktion, Intropathie

Hierzu gehören Sinn für Schönheit, Ästhetik, Lust, aber auch Verführung. Sinnlich Intelligente verfü­gen über Charme und Charisma (Steve Jobs), können andere für sich einnehmen, sich selbst, Ideen und Produkte gut verkaufen. Die Intelligenz der Attrakti­on vermag in anderen Gefühle entstehen zu lassen. Dueck spricht hier von «Intropathie»: dem Einpflan­zen von Gefühlen in einen anderen («verliebt ma­chen» oder «Angst machen beim Versicherungsver­kauf»). Nach Dueck gewinnt diese Intelligenz in der Geschäftswelt laufend an Bedeutung.

CQ Die Intelligenz der Kreation (Creation) oder der

intuitiven Neugier: Kreativität, Neugier, Offenheit

Sie wird magisch angezogen vom Neuen. Sie schafft Innovationen in der Kunst und der Forschung. Zu ihr gehört das freie, entfesselte Denken; «sie ist ein biss­chen verrückt». Das lebenslange Lernen ist integra­ler Bestandteil von ihr. Sie freut sich über Wandel, ermöglicht Visionen und gebiert grosse Ideen. Zu ihr gehören auch das assoziative, vernetzte Denken und das intuitive Verstehen. «5­ bis 7­Jährige sind hyper­megakreativ, bis 15 nimmt das stark ab. CQ wird in der Schule willentlich totgemacht.»

Künftig gefragt: Professionelle Intelligenz

Worauf es morgen ankommt: Exzellenz im Beruf. Nur wer über

einen hohen Professionalitätsquotienten «PQ» verfüge, sei auch

künftig in der Lage, exzellente Arbeit zu leisten. Das zumindest

behauptet der Mathematiker, Vordenker und Buchautor Gunter

Dueck. Doch wann ist man «professionell intelligent»?

Text Christian Kaiser

Gunter DueckProfessionelle Intelligenz – Worauf es morgen ankommt. Eichborn, 2011

BUCHTIPP

MQ Die Intelligenz der Sinnstiftung (Meaning) und des intuitiven Gefühls: «Sinn für Sinn»,

Sinnhaftigkeit, Ethik

Sinn, Bedeutung, Moral, Ethik, Engagement gehö­ren zu ihr. Sie geht von einem positiven Menschen­bild aus und liebt weltrettende Konzepte. Sie bewegt Menschen zur Mithilfe (NGOs wie Greenpeace) und kann oft viel für die Gemeinschaft bewegen (Wiki­pedia). Sie strebt nach der Verwirklichung von Idea­len. M-Intelligente arbeiten oft ehrenamtlich.

Der Grad der Professionalität hängt für Dueck von der Ausprägung dieser sechs Teil­Intelligenzen ab: Wer einen hohen PQ (Professionalitätsquotienten) hat, besitzt die Fähigkeit zum Erschaffen von Erst­klassigem. Dueck greift gern auf einen Begriff Platons zurück: Arete. Gemäss den alten Griechen hat etwas Arete, wenn es seinen Zweck oder seine Funktion in hervorragender Weise erfüllt. Auch Menschen können Arete haben, wenn sie all ihre Talente entfalten und einbringen, um Vortreffliches zu schaffen.

Page 11: EBNavi - Magazin der EB Zürich Nr. 1

Creative City Zürich:

Ideen brauchen Platz In Zürich erblüht die Kreativwirtschaft:

bereits sorgen Kunst, Werbung,

Design, Architektur und Co. für zehn

Prozent der Jobs. Was ist nötig,

damit der Trend anhält? Vor allem

braucht es Raum, und der ist in

Zürich hart umkämpft.

Text Fritz Keller

Es war 2001. Die Produktedesigner Dirk Fleischhut und André Lüthy standen in grossen, leer stehenden Räumen an der Hermetschloostrasse 70 in Zürich Alts­tetten und diskutierten mit dem Vermie­ter Pierre Crettaz über die Grösse des anzumietenden Ateliers. Mit gelbem Band wurde diese auf dem Boden mar­kiert. Da Fleischhut und Lüthy mit ihrer Firma «estragon» erst ganz am Anfang standen, riet ihnen Crettaz zu mindes­tens einer Nacht Bedenkzeit. Fleischhut und Lüthy aber wollten den Vertrag so­fort unterzeichnen. Sie waren sich sicher, dass sie den perfekten Ort gefunden hat­ten, wo sie ihre Designfirma produktiv vorantreiben konnten. Und tatsächlich: In der Zwischenzeit hat sich «estragon» einen guten Namen geschaffen und schon einige Preise gewonnen. Mehr denn je sind sich Fleischhut und Lüthy sicher, dass die Hermetschloostrasse 70 die optimale Adresse für ihre Firma ist.

Ein Unternehmen wie «estragon» gehört zur sogenannten Kreativwirt­schaft. Dabei geht es um Kultur­ und Kreativunternehmen, die sich mit der Schaffung, Produktion, Verteilung und medialen Verbreitung von kulturellen und kreativen Gütern und Dienstleistun­gen befassen. Dabei sind privatwirt­schaftliche Unternehmen gemeint, nicht die staatlich subventionierten Kultur­institutionen. Es geht zum Beispiel um kleine Firmen im Bereich Kunst, Design, Werbung, Architektur, auch Film und Medien. In der Stadt Zürich waren das laut Statistik im Jahr 2011 über 7500 Betriebe mit über 43 000 Beschäftigten.

Kreative brauchen RaumDamit die Branche der Kreativwirtschaft weiter wachsen kann, braucht es vor allem eines: Raum. Raum zum Arbeiten, Raum zum Experimentieren, Raum zum Produ­zieren. Aber Raum ist Mangelware in der Stadt Zürich. Darüber sind sich alle einig, welche an der Entwicklung dieses Wirt­schaftszweigs interessiert sind. So hält

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«Werkerei»Die «Werkerei» ist eine Zwischennutzung mit amtlicher Unterstützung. Mit einem vom Gemeinderat bewilligten Umbaukredit über 38 Millionen Franken konnte das von der Amag verlassene Gebäude in Schwamendingen mit 12 000 m² für mindestens fünf Jahre gemietet werden. Die Verwal-tung und Vermietung übernahm wie im «Basislager» die Firma Fischer AG Immobilienmanagement.

Durch die Lage und die Grösse der Räume entstand ein spezieller Mix an Mieterinnen und Mieter: In der Kreativwirtschaft Tätige auch hier (Architekten, Designer), speziell an der «Werkerei» ist aber, dass auch Gewerbetreibende Räume gefunden haben, breite Zufahrten erleichtern den Materialtransport. Eine Kantine fehlte anfänglich, wurde später aber auf Drängen der Mieterinnen und Mieter in Betrieb genommen und dient heute als Fixpunkt in den teilweise verwinkelten Räumlichkeiten.

Seit einem Jahr ist Urs Meier Aegler mit seiner Firma Luft&Laune in der «Werkerei». «Ich hatte noch eine andere Örtlichkeit zur Auswahl, aber ich bin sehr froh, dass ich hier eingezogen bin. Mit den hohen Räu-men haben wir hier ideale Produktionsbedingungen, dazu kommt der Austausch mit den Nachbarn, kollegial und beruflich.» Einziger Wermuts-tropfen: Noch ist unklar, ob es nach den fünf Jahren weitergeht. In der «Werkerei» zuhause ist unter anderem auch das Startzentrum (➝ www.startzentrum.ch), das jungen Unternehmen beim Eintritt auf den Markt behilflich ist.

➝ www.werkerei-schwamendingen.ch

THEMA : NEW WORK

Page 12: EBNavi - Magazin der EB Zürich Nr. 1

der Cluster­Bericht 2011–2013 des Kantons Zürich denn auch fest: «Bremsend auf das Wachstum der Kreativitätswirtschaft wirkt sich der angespannte Immobilien­markt aus. Die meist mit geringen finan­ziellen Mitteln ausgestatteten Kreativen sind auf günstige Gewerberäume ange­wiesen.» Wenn der aber fehlt oder immer mehr verschwindet, stellt sich die Frage, wer hier Lösungen anbieten kann.

In den letzten Jahren sind die Immo­bilienpreise in der Stadt Zürich wieder deutlich gestiegen, es erstaunt daher nicht, dass günstiger Büroraum je nach Marktlage zugunsten von lukrativem Wohnbau oder von höherpreisigem Büroraum weichen muss. Davon zeugt die Räumung des Labitzke­Areals in Zürich­Altstetten. Und mit einem drasti­schen Bild vorgeführt bekommt das, wer auf www.brauer60.ch klickt. An der Brauerstrasse 60 im Kreis 4 waren eine Vielzahl von kleinen Unternehmen tätig, bis auf dem Grundstück neue Wohnun­gen gebaut wurden. Als «memento mori» ragen auf dem Bild auf der Website die Ruinen in den blauen Himmel.

Der Markt wird dominiert von gro­ssen Immobilienfirmen, die sich die inte­ressanten Liegenschaften aufteilen. Für alternative Projekte auf privater Basis bleiben da nur wenige Möglichkeiten. Die Genossenschaft «Gleis 70» an der Hermetschloostrasse 70 ist ein Beispiel dafür, wie es vor gut zehn Jahren mit ein bisschen Glück gelingen konnte, günsti­gen Arbeitsraum für junge Unternehmen zu schaffen, die ansonsten mit den marktüblichen Mietzinsen in Zürich überfordert wären (➝ Kasten links).

Wirtschaftlich von BedeutungUm die Problematik des knappen Raums weiss auch Benno Seiler, Leiter der Wirt­schaftsförderung der Stadt Zürich. «Wir tun, was uns möglich ist. Aber wir können natürlich nicht auf dem Markt eingreifen, da sind uns die Hände gebunden,» sagt Seiler. Nicht nur die Kreativwirtschaft leide unter Raumnot in Zürich, sondern vor allem auch Gewerbetreibende wie

Schreiner oder Metallbauer, die für ihre Maschi­nen Platz haben sollten. Die Stadt könne politisch versuchen, mög­lichst grosse In­dustriezonen zu belassen, aber auch das sei nicht ganz einfach, weil eben auch die Nachfrage nach Wohnraum ständig steige.

Dennoch hat man in der Stadt Zürich längst begriffen, dass der Beitrag der Kreativwirtschaft zum Wohlergehen wichtig ist und tendenziell zunimmt. Denn immerhin generiert dieser Bereich Umsätze in der Höhe von 11 821 Millio­nen Franken und erwirtschaftet eine Bruttowertschöpfung von 3716 Millionen Franken. Der Anteil am Bruttoinlandpro­dukt BIP der Stadt Zürich beträgt somit

7,7 Prozent. Es sind also nicht nur die Banken, die in Zürich für eine hohe Wertschöpfung sorgen. Und bei der An­zahl der Beschäftigten ist der Anteil mit 9,9 Prozent im Verhältnis zur Gesamt­zahl noch grösser (➝ Grafik Seite 24) .

Die Stadt Zürich kann auf dem freien Immobilienmarkt höchstens vermittelnd eingreifen. Das tat sie zum Beispiel im Falle der Amag, die 2010 ihre Werk­stätten und Verkaufsräume an der Thur­gauerstrasse zugunsten von moderneren Räumlichkeiten in Dübendorf verliessen. Die Stadt konnte mit der Amag einen Vertrag abschliessen, tritt als Global­mieterin auf und garantiert so eine Zwi­schennutzung über fünf Jahre. Auch wenn die Dauer knapp ist, konnten die Räume in der neu getauften «Werkerei» ohne grössere Probleme vermietet wer­den, neben Kreativen haben hier Gewer­betreibende eine temporär befristete Bleibe gefunden (➝ Kasten Seite 21).

Zwischennutzungen als Heilmittel?Zwischennutzungen bieten immer wie­der gute Möglichkeiten, Raumsuchenden für eine bestimmte Zeit eine Lösung an­zubieten. Solche professionell zu vermie­ten, darauf spezialisiert ist die Firma Fischer AG Immobilienmanagement. Sie hat zum Beispiel das sogenannte Basis­

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Bremsend auf das Wachstum der Kreativitätswirtschaft wirkt sich der angespannte Immobilienmarkt aus.»

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«Gleis 70»Das Haus an der Hermetschloostrasse 70 hat von aussen den Charme eines klassischen Industriegebäudes. Seit gut zehn Jahren gehört es zu zwei Drit-teln der Pensionskasse Abendrot und zu einem Drittel der Genossenschaft «Gleis 70», die das Haus als Ganzes mietet und an die Genossenschafterinnen und Genossenschafter weitervermietet. «Wir haben viel Glück gehabt, einige Puzzlesteinchen mussten sich zusammenfügen, bis der Verkaufs-vertrag unter Dach und Fach war», erzählt der Immobilienfachmann Pierre Crettaz. Vielleicht gelang es auch darum, weil das ehemalige Franz-Carl-Weber-Haus in Altstetten noch mehr an der Peripherie stand als heute.

Der Metallbauer Martin Fischer hatte es entdeckt, weil er aus dem Escher-Wyss-Areal ausziehen musste und auf der Suche nach neuen Räumen war. Er bat Crettaz um Hilfe bei den Verhandlungen, bei denen sie zuerst als Mieter, später als Käufer auftraten. – Heute arbeiten in den Räumen Personen aus den verschiedensten Bereichen: Design, Illus-tration, Film, Architektur, aber auch Handwerk wie Holz- oder Metallbau ist vertreten. Zuoberst im 6. Stock gibt es eine öffentliche Kantine.

Marianne Ulmi und Madeleine Marti vom Textberatungsunternehmen «Kopfwerken GmbH» – beide auch für die EB Zürich tätig – schätzen vor allem die Möglichkeit, sich mit anderen auszutauschen, die nicht auf dem gleichen Gebiet tätig sind, und bei Bedarf direkt mit einem Grafiker oder einer Fotografin zusammenzuarbeiten. Und der Filmer Peter Volkart schwärmt: «Wunderbar, ich muss nur ein paar Stockwerke runter und habe ein Filmstudio mit allen Dienstleistungen zur Verfügung.»

➝ www.gleis70.ch

Marc Angst, Philipp Klaus, Tabea Michaelis, Rosmarie Müller, Stephan Müller, Richard Wolff (Hrsg.)zone*imaginaire – Zwischennutzugen in In-dustriearealen. Zürich, vdf-Verlag, 2010

Philipp Klaus Stadt, Kultur, Innovation. Kulturwirtschaft und kreative innovative Kleinstunternehmen in der Stadt ZürichZürich, Seismo-Verlag, 2006

BUCHTIPPS

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Gewerbe­ und Büroraum ist im Zür­cher Ober­ oder Unterland sicher um einiges günstiger zu haben als in der Stadt Zürich. Ein Blick auf die Statistik macht schnell klar, dass die grosse Mehrheit der Unternehmen der Kreativwirtschaft in den urbanen Zentren angesiedelt ist. Es braucht eben mehr als nur ein Dach über

lager in der Binz aufgebaut, und als da der Vertrag auslief, den Umzug nach Altstetten organisiert (➝ Kasten Seite 26). Dort kann das Basislager nun insgesamt 15 Jahre bleiben. Iris Vollenweider, ver­antwortliche Projektleiterin bei Fischer Immobilien, freut sich natürlich sehr über die längerfristige Sicherung, ist al­lerdings auch davon überzeugt, dass Umbrüche und Bewegung der Kreativ­szene gut tun: «Ich finde schon wichtig, dass immer mal wieder ein Aufbruch passiert, denn es kommen ja junge Leute nach, die ihre eigenen Projekte durchzie­hen wollen.» Deshalb müsse man auch laufend um neue Räume kämpfen.

Länger leerstehende Gebäude oder freie Brachen aber werden in der Stadt Zürich immer mehr zur Mangelware. Philipp Klaus, Städteforscher und Leiter des Inura Zürich Institut, beobachtet die Szene seit dreissig Jahren: «Ich finde es erstaunlich, dass sich in Zürich immer wieder neue Räume auftun. In anderen Städten, wie zum Beispiel in Berlin, scheint die Endlichkeit an günstigen Räumen viel stärker zu sein.» Trotzdem müsse aber «auf die spezifischen Produk­tionsbedingungen wie Mieten, Räume, Quartiere und Absatzmärkte der Kreati­ven geachtet werden, auch mit Raum­politik». Zurzeit leitet Philipp Klaus eine Studie mit dem Titel «Zügle oder bliibe?», die zeigen soll, wie sich die von der Krea­tivwirtschaft genutzten Räume in der Stadt Zürich und Umgebung verschie­ben. Eine Frage, die sich dabei stellt: Werden die in der Kreativwirtschaft Tä­tigen immer mehr an den Stadtrand oder gar nach Aarau gedrängt?

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24 EB NAVI #1 NEW WORK 25

Schöneggstrasse 5An der Schöneggstrasse 5 (Ecke Langstrasse) im Kreis 4 steht ein klas-sisch «normales» Bürohaus, erbaut 1964. Darin geschäftete bis vor 50 Jahren die British Petroleum BP, näher an der Gegenwart war die Swisscom für einige Jahre Hauptmieterin. Heute ist alles anders. Das einer Erbengemeinschaft gehörende Haus beheimatet eine Vielzahl an Kreativtätigen: Grafikerinnen, Fotografen, Texterinnen, Architekten, Designerinnen, Musiker, Schriftsteller, Film- und Videoproduzenten. Ein Foyer im zweiten Stock dient als Treffpunkt für gemeinsame Mittag-essen oder am Abend für Konzerte oder sonstige Performances.

Die Grafikerin Claudia Blum arbeitet schon seit dem Jahr 2000 in an der Schöneggstrasse 5 und fühlt sich nach wie vor wohl, auch wenn es ihr hin und wieder etwas zu laut ist. Und auch, dass Asbest in der Baute vermutet werde, lässt sie nicht unerwähnt. Trotzdem sagt sie: «Ich habe immer das Gefühl, in ein eigenes Universum mit eigenen Regeln zu kom-men, wenn ich hier arbeite. Befruchtend finde ich, wenn ich mit andern aus dem Haus zusammenarbeiten kann.»

Auch der Klanggestalter Martin Bezzola schätzt die gute Atmosphäre unter den Mieterinnen und Mietern und die sich daraus ergebenden Zusammenarbeiten. Dann hebt er noch den relativ günstigen Mietpreis heraus. «Aber klar, eine Toplage ist es hier nicht, dazu ist das Umfeld hier an der Langstrasse doch zu unruhig», sagt Bezzola, «je nach Kunde kann das auch ein bisschen abschreckend wirken.»

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1Wo arbeiten die Kreativen in Zürich?

Anzahl Beschäftige in der Kreativwirtschaft, unterteilt nach Stadtkreisen, Jahr 2011 (offi ziell werden zur Kreativwirtschaft die folgenden Bereiche gezählt: Musik, Buch, Kunst, Film, Rundfunk, Darstellende Kunst, Design, Architektur, Werbung, Software- bzw. Gamedesign, Kunsthandwerk, Presse/Medien, Phono)

2Arbeitsstätten:Kreis 4 an der Spitze

Arbeitsstätten der Kreativwirtschaft, unterteilt nach Stadtkreisen, Jahr 2011

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= im Text beschriebene Standorte

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3Wie wichtig ist die Kreativbranche für die Schweizer Wirtschaft?

Anteil der Kreativwirtschaft an der Gesamtwirtschaft, in Prozent, Jahr 2011

Quellen: Statistik Stadt Zürich, BFS, ESTV, eigene Berechnungen, Statistisches Amt des Kantons Zürich; Infografi k: Daniel Röttele

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Page 14: EBNavi - Magazin der EB Zürich Nr. 1

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26 EB NAVI #1 NEW WORK 27

«Basislager»Das «Basislager» entstand 2010 in der Binz und wurde als Zwischennut-zung auf einem leeren Grundstück gebaut, das der Versicherung swiss-life gehört. Um die Investitionen respektive die Nutzungskosten klein zu hal-ten, entwickelten die Initianten – Fischer AG Immobilienmanagement und das NRS-Architektenteam – eine Lösung mit gestapelten Containern, insgesamt 135, die unter Einhaltung aller Gesetzesnormen als Büro- oder Atelierräume genutzt werden konnten. Bei der Vermietung wurde auf ei-ne gute Mischung geachtet, die ganze Breite von Kreativtätigen sollte vertreten sein. Nach dem vorbestimmten Ende der Zwischennutzung nach zwei Jahren in der Binz stellte die Stadt Zürich in Altstetten ein Ersatzgrundstück zur Verfügung, die Container blieben im Besitz der Ver-sicherungsgesellschaft.

70 Prozent aller Mieterinnen und Mieter machten den Umzug im Septem-ber 2013 mit. Iris Vollenweider von der Fischer AG wertet dies als grossen Erfolg. Auch der Schmuckgestalter Urs Bühler hat den Umzug mitgemacht, trauert aber der Binz immer noch etwas nach. «Die Umge-bung hat mir da besser gefallen, hier empfinde ich sie als einiges härter», sagt er. Claudia Anushka Pabst ist mit ihrem «Plattenladen» neu dazu-gekommen in Altstetten. Sie vertreibt Boden- und Wandplatten aus Marokko, Vietnam und Spanien. «Es ist schön, Seite an Seite mit Gleich-gesinnten zu arbeiten, die auch etwas Neues auf die Beine stellen wollen.» Es ist das erklärte Ziel von Claudia Pabst, in Zukunft eigene Platten zu entwerfen.

➝ www.basislager.ch

dem Kopf, das Umfeld ist ebenso wichtig, es soll anregend und interessant sein. «Am Stadtrand fallen die Kreativen aus ihrem Milieu, dort fehlen Anlässe und persönli­che Kontakte, die vor allem für Neuein­steiger beruflich extrem wichtig sind», sagt Stadtforscher Philipp Klaus. Es braucht also Treffpunkte wie Galerien, Offspaces, Restaurants, Bars und Ausgehmöglich­keiten wie Kinos und Theater. Es ist dieses städtische Umfeld, das anziehend wirkt

und selber wieder Kreativität freizusetzen vermag. Das sagen auch die Mieterinnen und Mieter im Geschäftshaus an der Schöneggstrasse 5 (➝ Kasten Seite 25) übereinstimmend, das Mit­ und Neben­einander sei sehr befruchtend.

So kommt es innerhalb der Stadt zu sogenannten Clustern: Quartiere oder einzelne Gebäude, in denen sich Berufs­tätige aus der Kreativwirtschaft zusam­mentun und ein Netzwerk bilden. Die Nähe und Vertrautheit erlaubt den schnel­len und unkomplizierten Austausch von Know­how und Dienstleistungen; eine Grafikerin entwickelt für den Fotografen die Website, dieser stellt ihr dafür Bilder für einen Flyer zur Verfügung. Selbstver­ständlich werden solche gegenseitigen Dienstleistungen auch mit Geld abgegol­ten. So oder so wichtig ist der Austausch untereinander.

Solche Strukturen sind verletzlich. Dem muss die Stadtentwicklung Sorge tragen. Das weiss auch der Stadtrat von Zürich. «Was bleibt zu tun?» steht als Frage auf der Website, wo die Legislatur­schwerpunkte festgeschrieben sind, um dann zu antworten: «Das Thema Produk­tionsräume für Künstlerinnen und Künstler wird weiterhin wichtig bleiben: hier gilt es aus den Erfahrungen des Le­gislaturschwerpunkts zu lernen sowie die Partnerschaften mit privaten Initiativen zu verstärken.» Was das genau heisst, wird sich im politischen und kulturellen Alltag der Stadtentwicklung zeigen müs­sen. Sicher ist: Die Nachfrage nach Räu­men, in denen Neues und Ungewöhnli­ches passieren kann, wird in Zukunft kaum abnehmen. ■■■■■■■■■■■■■■■■■■

Deutsche Sprache und Text

FremdsprachenInformatik / Publishing

WeiterbildungDigitale MedienManagementSoftwareentwicklungKommunikationSelbstorganisationBerufs-/Erwachsenenbildung

Kantonale Berufsschule für Weiterbildung wRiesbachstrasse 11, 8008 Zürichwww.eb-zuerich.ch

Page 15: EBNavi - Magazin der EB Zürich Nr. 1

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«Die Musik ist meine Flucht in den Spass und die Freude: Da werde ich zu einem anderen Menschen, ich lebe meine zweite Persönlichkeit.»» Livia de Bahia ➝ Seite 67

«Mit meinem Laden will ich ein Zeichen setzen und zeigen,dass die vegane Lebensweise in der Gesellschaft angekommen ist.» Eva Kelemen ➝ Seite 68

Page 16: EBNavi - Magazin der EB Zürich Nr. 1

«Beim Bierbrauen legen wir viel Wert auf Tradition. Es ist schön, etwas herzustellen, das die Leute gerne haben.» Ursula Tellenbach ➝ Seite 68

NEW WORK 31

Ich liege noch im Bett, wenn mein persönliches elektroni­sches Meerschweinchen ins Schlafzimmer rollt. Das per­sönliche elektronische Meerschweinchen macht zuerst leise Kaugeräusche mit seinen Zähnchen. Die Kaugeräusche werden langsam gesteigert, bis es tönt, als ob jemand alte Blechpfannen gegeneinanderschlagen würde. Dann, wenn dieser Lärm langsam wieder abklingt, lässt das persönliche elektronische Meerschweinchen einen parfümierten Furz fahren. Der Duftfurz soll mein Hirn aktivieren. Das per­sönliche elektronische Meerschweinchen, das ich im weite­ren Verlauf des Textes nun PEMS nennen werde, sieht in etwa aus wie ein echtes Meerschweinchen. Das Fell ist aus beschichtetem Lycrosyntexstoff, der die Farbe im Verlauf des Tages mehrfach ändern kann. Das PEMS fährt nach dem ersten Weckversuch in die Küche und lässt einen kleinen Sensor im Schlafzimmer zurück. Der Sensor misst meine Atemfrequenz. Wenn die Daten eher so aussehen, als ob ich gleich wieder einschlafen würde, kommt das PEMS zurück und scheppert noch einmal eine Runde.

Während des Frühstücks veranlasst das PEMS eine erste Projektion von Nachrichten an die Küchenwand. Unange­nehme Nachrichten werden mir vom PEMS erst im Verlauf des Tages gezeigt. Je nach Wochentag und je nachdem für welche Firma ich arbeite, brauche ich ein unterschiedliches Frühstück. Ich nehme je nach Arbeitsort und Tätigkeit un­terschiedliche Vitamine in unterschiedlicher Menge zu

Mein persönliches elektronisches MeerschweinchenText Michael Stauffer

EB Navi hat den Bieler Dichter und Satiriker Michael Stauffer damit beauftragt, seine ganz persönliche Vision der Arbeit im Jahr 2060 zu entwerfen. Heraus-gekommen ist ein Aufsatz eines gewis-sen Reto Sutterlüdi, den dieser angeblich im Kurs «Berufliche Lebensziele bestim-men und planen» an der EB Zürich ge-schrieben haben soll. Stauffer: «Ich habe den Aufsatz mit Reto Sutterlüdis Einver-ständnis für diese Publikation ein biss-chen aufgearbeitet.»

Page 17: EBNavi - Magazin der EB Zürich Nr. 1

32 EB NAVI #1 NEW WORK 33

geschickt. Tschilll surft für mich durchs Internet, verhält sich ähnlich wie ich, sucht nur sehr viel systematischer und ausdauernder.

Für die erwähnte Biotechfirma habe ich dann folgende Lösung erarbeitet. Der Magen der Kuh wird so umgestaltet, dass darin Mikroorganismen überleben können, die sich später per Futterzugabe zu den gewünschten Pflanzen­samen entwickeln. Der Bauer kann die Kuh mit dem Fut­terzusatz füttern, wenn sein Feld für die Aussaat bereit ist. Die Kuh spaziert über dieses Feld, düngt es und gleichzei­tig bringt sie den Samen auf die Felder. Jede Kuh kann eine Fläche von 2000 Quadratmetern bewirtschaften. Der Samen ist so verändert worden, dass er innerhalb von drei Jahren in drei verschiedenen Varianten immer wieder wächst. Für diese Idee habe ich an die Reinkarnationsidee in gewissen Religionen gedacht. Dieser Mutationssamen ist mittlerweile für die Biotechfirma, die mir den Auftrag gegeben hat, zu einem Kassenschlager geworden.

Wenn ich manchmal ein bisschen die Schnauze voll habe vom Arbeiten, gehe ich in den Rückzugsraum. Tschill er­scheint dann auf einem grossen Bildschirm an der Wand und beginnt zu schnurren. Ich kann mich im Rückzugs­raum aber auch mit meiner Freundin verbinden lassen und wir können ein bisschen flirten und uns virtuell an unseren Lieblingsorten treffen. So ungefähr werde ich im Jahr 2060 arbeiten.

Michael Stauffer lebt als Schriftsteller in Biel. Neben Prosa, Theater-stücken, Lyrik und Hörspielen (u.a. für WDR, SWR, SRF) macht er auch Perfor-mances und tritt mit improvisierenden Musikern auf. Stauffer erhielt mehrere internationale Preise und Stipendien. Letzte Veröffentlichung: Alles kann lösen, Menschenversand, Luzern, 2013; Ansichten eines alten Kamels, Voland & Quist, Dresden/Leipzig, 2014. Im Juni 2014 gastierte er an der EB Zürich mit einer Lesung und einem Workshop.

mir. Wenn ich anspruchsvolles Datenmaterial auswerten muss, nehme ich zwei Pillen Syntexid®. Wenn ich aus dem Nichts tolle Ideen haben muss und diese dann auch gleich präsentieren soll, nehme ich eine Pille Creaix® und eine Pille Prompto®. Creaix® löst ein unglaublich bildhaftes Denken aus und Prompto® hilft mir dann, diese Bilder in Sprache fassen zu können. Wenn ich keine Lust auf Prompto® habe, dann kann ich die Bilder, die mein Hirn generiert, auch ans PEMS übertragen lassen. Ich habe mir dazu vor einiger Zeit einen kleinen Chip einsetzen lassen, der mich mit dem PEMS und dem Internet verbindet.

Meine Pupillengrösse wird vom PEMS ebenfalls dauernd ge­messen und mittels eines Plasmaquarktransmitters im Auge des PEMS umgesetzt. Irgendwann habe ich mal hingeschaut und zum Spass gesagt: «Hallo, meine süsse Technomaus.» Dazu habe ich mit den Augen ein paarmal gezwinkert. Von diesem Tag an wollte das PEMS einen Namen. In der Her­stellerinformation habe ich nachgeschlagen, ob diese Funktion, dass das PEMS einen Namen will, auch ausge­schaltet werden kann.

Sie kann nicht ausgeschaltet werden. Das heisst, die Her­steller haben vorgesehen, dass man früher oder später als Nutzer das Bedürfnis hat, dem PEMS einen Namen zu ge­ben. Das PEMS heisst jetzt Tschill. Tschill ist ein schöner Name für ein Meerschweinchen. Tschill ist auch mein Gutwisser, ein Abbild meines Hirns und meiner Gedanken. Tschill zeichnet alles auf, was ich den ganzen Tag sage und denke, ordnet es den verschiedenen Projekten zu. Tschill teilt mein Gedankenmaterial übers Internet anderen Inter­essierten mit und findet so ähnlich Denkende, mit denen ich dann gut verknüpft weiterdenken kann und immer wie­der auf erstaunliche Lösungsvorschläge komme.

Für eine grosse Biotechfirma sollte ich kürzlich neue Ideen finden, wie Tiere, Pflanzen und der Boden noch produkti­ver sein könnten. Ich habe Tschill mit meinen Gedanken zu dieser Frage gefüttert, ihm einige Wünsche und grobe Lösungsvorschläge übermittelt und es damit ins Internet

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Fragebogen nach Marcel ProustWo möchten Sie leben?Was ist für Sie das vollkommene irdische Glück?Welche Fehler entschuldigen Sie am ehesten?Was ist für Sie das grösste Unglück?Ihre liebsten Romanhelden?Ihre Lieblingsgestalt in der Geschichte?Ihre Lieblingsheldinnen/-helden in der Wirklichkeit?Ihr Lieblingsmaler?Ihr Lieblingsautor?Ihr Lieblingskomponist?Welche Eigenschaften schätzen sie bei einer Frau am meisten?Welche Eigenschaften schätzen sie bei einem Mann am meisten?Ihre Lieblingstugend?Ihre Lieblingsbeschäftigung?Wer oder was hätten Sie gern sein mögen?Ihr Hauptcharakterzug?Was schätzen bei Ihren Freunden am meisten?Ihr grösster Fehler?Ihr Traum vom Glück?Was wäre für Sie das grösste Unglück?Was möchten Sie sein?Ihre Lieblingsfarbe?Ihre Lieblingsblume?Ihr Lieblingsvogel?Ihr Lieblingsschriftsteller?Ihr Lieblingslyriker?Ihre Helden der Wirklichkeit?Ihre Heldinnen in der Geschichte?Ihre Lieblingsnamen?Was verabscheuen sie am meisten?Welche geschichtlichen Gestalten verabscheuen Sie am meisten?Welche Reform bewundern Sie am meisten?Welche natürliche Gabe möchten Sie besitzen?Wie möchten Sie gern sterben?Ihre gegenwärtige Geistesverfassung?Ihr Motto?

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Spielanleitung: 36 Fragen an Sie und andereDer Fragebogen nach Marcel Proust ist ein Konversationsspiel, das wir als Leiterlispiel für beliebig viele Spieler umgesetzt haben. Alles, was Sie dafür brauchen sind ein Würfel und Spiel�guren (Münzen, Büroklammern, Kieselsteine usw.). Beantworten Sie die Fragen zu den entsprechenden Feldern möglichst ehrlich, passen gilt nicht. Bei einigen Feldern können Sie weiter vorrücken (7, 15, 19, 23), auf anderen (24, 30, 34) fallen Sie wieder zurück. Gewonnen hat, wer als erste/r mit der richtigen Augenzahl ins Ziel würfelt. Sie können das Spiel auch allein spielen als biogra�sches Fragespiel, indem Sie die an Sie gerichteten Fragen erwürfeln und die Antworten schriftlich festhalten. Natürlich können Sie auch den ganzen Fragebogen für sich ausfüllen. Mit diesem Spiel werden Sie Überraschendes über sich und andere erfahren.

«Versuche stets, ein Stückchen Himmel über deinem Leben freizuhalten.»

Marcel Proust

«Bei ‹Partitur› spiele ich auf der ganzen Notenlinie des Designs, um einen Beitrag zum Unternehmenserfolg meiner Kunden zu leisten.»» Ute Müller ➝ Seite 68

NEW WORK 35

Na dann, Proust! Ein Spiel für Gesellschaft

Eine Binsenwahrheit im Zeitalter des Speeddating: Wer sich ins rechte Licht rücken möchte, sollte sich selbst gut kennen. Über Vorlieben, Vorbilder, Vorle­ben Auskunft geben können. Über Träume und Sehnsüchte, aber auch Fehler und Abneigungen Be­scheid wissen. Nur dann kann es gelingen, anderen ein Bild von sich zu vermitteln. Indem man Antwor­ten gibt, auf Fragen, die andere interessieren: Was ist deine Lieblingsbeschäftigung, was dein grösster Fehler, was dein Traum vom Glück?

Diese Fragen stammen aus einem Fragebogen, welchen der französische Schriftsteller Marcel

Proust zweimal beantwortete. Einmal mit 14, ein­mal mit 20 Jahren. Denn in den Salons Frankreichs und Englands waren solche «Questionnaires» am Ende des ausgehenden 19. Jahrhunderts ein belieb­tes Gesellschaftsspiel – die Antworten wurden von den Gästen auf Geburtstagspartys oder anderen Anlässen in Büchern notiert, welche die Titel «Confessions» oder «Confidences» trugen. Die Fragebögen waren also eine Aufforderung, sich zu sich selbst zu bekennen.

➝ weiter auf Seite 38

New Work heisst auch: intelligentes Netzwerken. Wer sich erfolgreich mit anderen

verbinden will, sollte behände auf der Klaviatur der Konversation spielen können.

Mit unserem Fragespiel auf den nächsten zwei Seiten erfahren Sie nicht nur einiges

über sich selbst, sondern können sich auch in gescheiter Konversation üben.

Die Vorlage dafür liefert der berühmte Fragebogen (Questionnaire) des französischen

Schriftstellers Marcel Proust. Denn: Wie das gesellschaftliche Konversationsspiel

funktioniert, wusste man schon in den Salons des 19. Jahrhunderts.

Text Christian Kaiser Illustrationen Jan Zablonier

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Fragebogen nach Marcel ProustWo möchten Sie leben?Was ist für Sie das vollkommene irdische Glück?Welche Fehler entschuldigen Sie am ehesten?Was ist für Sie das grösste Unglück?Ihre liebsten Romanhelden?Ihre Lieblingsgestalt in der Geschichte?Ihre Lieblingsheldinnen/-helden in der Wirklichkeit?Ihr Lieblingsmaler?Ihr Lieblingsautor?Ihr Lieblingskomponist?Welche Eigenschaften schätzen Sie bei einer Frau am meisten?Welche Eigenschaften schätzen Sie bei einem Mann am meisten?Ihre Lieblingstugend?Ihre Lieblingsbeschäftigung?Wer oder was hätten Sie gern sein mögen?Ihr Hauptcharakterzug?Was schätzen Sie bei Ihren Freunden am meisten?Ihr grösster Fehler?Ihr Traum vom Glück?Was wäre für Sie das grösste Unglück?Was möchten Sie sein?Ihre Lieblingsfarbe?Ihre Lieblingsblume?Ihr Lieblingsvogel?Ihr Lieblingsschriftsteller?Ihr Lieblingslyriker?Ihre Helden der Wirklichkeit?Ihre Heldinnen in der Geschichte?Ihre Lieblingsnamen?Was verabscheuen Sie am meisten?Welche geschichtlichen Gestalten verabscheuen Sie am meisten?Welche Reform bewundern Sie am meisten?Welche natürliche Gabe möchten Sie besitzen?Wie möchten Sie gern sterben?Ihre gegenwärtige Geistesverfassung?Ihr Motto?

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Spielanleitung: 36 Fragen an Sie und andereDer Fragebogen nach Marcel Proust ist ein Konversationsspiel, das wir als Leiterlispiel für beliebig viele Spieler umgesetzt haben. Alles, was Sie dafür brauchen, sind ein Würfel und Spiel�guren (Münzen, Büroklammern, Kieselsteine usw.). Beantworten Sie die Fragen zu den entsprechenden Feldern möglichst ehrlich, passen gilt nicht. Bei einigen Feldern können Sie weiter vorrücken (7, 15, 19, 23), auf anderen (24, 30, 34) fallen Sie wieder zurück. Gewonnen hat, wer als erste/r mit der richtigen Augenzahl ins Ziel würfelt. Sie können das Spiel auch allein spielen als biogra�sches Fragespiel, indem Sie die an Sie gerichteten Fragen erwürfeln und die Antworten schriftlich festhalten. Natürlich können Sie auch den ganzen Fragebogen für sich ausfüllen. Mit diesem Spiel werden Sie Überraschendes über sich und andere erfahren.

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Fragebogen nach Marcel ProustWo möchten Sie leben?Was ist für Sie das vollkommene irdische Glück?Welche Fehler entschuldigen Sie am ehesten?Was ist für Sie das grösste Unglück?Ihre liebsten Romanhelden?Ihre Lieblingsgestalt in der Geschichte?Ihre Lieblingsheldinnen/-helden in der Wirklichkeit?Ihr Lieblingsmaler?Ihr Lieblingsautor?Ihr Lieblingskomponist?Welche Eigenschaften schätzen sie bei einer Frau am meisten?Welche Eigenschaften schätzen sie bei einem Mann am meisten?Ihre Lieblingstugend?Ihre Lieblingsbeschäftigung?Wer oder was hätten Sie gern sein mögen?Ihr Hauptcharakterzug?Was schätzen bei Ihren Freunden am meisten?Ihr grösster Fehler?Ihr Traum vom Glück?Was wäre für Sie das grösste Unglück?Was möchten Sie sein?Ihre Lieblingsfarbe?Ihre Lieblingsblume?Ihr Lieblingsvogel?Ihr Lieblingsschriftsteller?Ihr Lieblingslyriker?Ihre Helden der Wirklichkeit?Ihre Heldinnen in der Geschichte?Ihre Lieblingsnamen?Was verabscheuen sie am meisten?Welche geschichtlichen Gestalten verabscheuen Sie am meisten?Welche Reform bewundern Sie am meisten?Welche natürliche Gabe möchten Sie besitzen?Wie möchten Sie gern sterben?Ihre gegenwärtige Geistesverfassung?Ihr Motto?

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Spielanleitung: 36 Fragen an Sie und andereDer Fragebogen nach Marcel Proust ist ein Konversationsspiel, das wir als Leiterlispiel für beliebig viele Spieler umgesetzt haben. Alles, was Sie dafür brauchen sind ein Würfel und Spiel�guren (Münzen, Büroklammern, Kieselsteine usw.). Beantworten Sie die Fragen zu den entsprechenden Feldern möglichst ehrlich, passen gilt nicht. Bei einigen Feldern können Sie weiter vorrücken (7, 15, 19, 23), auf anderen (24, 30, 34) fallen Sie wieder zurück. Gewonnen hat, wer als erste/r mit der richtigen Augenzahl ins Ziel würfelt. Sie können das Spiel auch allein spielen als biogra�sches Fragespiel, indem Sie die an Sie gerichteten Fragen erwürfeln und die Antworten schriftlich festhalten. Natürlich können Sie auch den ganzen Fragebogen für sich ausfüllen. Mit diesem Spiel werden Sie Überraschendes über sich und andere erfahren.

«Die Wahrheit wandelt sich in uns so stark, dass die anderen Mühe haben, sich darin auszukennen.»

Marcel Proust

38 EB NAVI #1 NEW WORK 39

Ein echter «Pipilotti»Sie hat es geschafft – die Frau aus dem Rheintal ist der grösste Kunstexportschlager der Schweiz; seit 2012 belegt Pipilotti Rist jährlich den 10. Platz in der Rangliste der gefragtesten Künstler der Gegenwart. In der weltweiten Top Ten liegen nur ein paar lebende Kunstgiganten vor ihr: Gerhard Richter (1), Georg Baselitz (4), Cindy Sherman (5) oder Richard Serra (9) etwa. Die Ruhmeskriterien für das Top-Ranking gemäss «Kunstkom-pass»: Ausstellungen in den renommiertesten Museen und Kunstfestivals weltweit, Ankäufe von Museen und Galerien sowie Rezensionen und Kritiken angesehener Kunstmagazine.

Ihre Videokunst kann seit über 15 Jahren auch an der EB Zürich bewundert werden. Im Empfang befindet sich ihre Videoinstallation «Stuckarbeit», ein Frühwerk von 1998. Sie besteht aus einem Projektor, der in ein Keramikgefäss ver-senkt ist, einer künstlichen Orchidee und einer Gipsplastik des Zürcher Locherguts an der Decke. Der auf das Deckenrelief projizierte Videofilm zeigt eine rasante sechsminütige Kame-rafahrt durch eine Wohnung im Lochergut.

➝ kommt von Seite 35

Marcel Prousts Salon­Geständnisse von 1890 sind überliefert, das Manuskript kam 2003 bei einer Versteigerung für 103 000 Euro unter den Hammer. Auf die Frage nach seiner Vorstellung vom gröss­ten Unglück etwa antwortete er als Zwan­zigjähriger: «Meine Mutter oder meine Grossmutter nicht gekannt zu haben.» Seine Lieblingsbeschäftigung war «zu lieben». Zum Talent, das er sich am meis­ten wünsche, schrieb er: «Willens­ und Verführungskraft.» Und wenn er etwas anderes hätte sein können als sich selbst, wäre er gern «ich selbst, so wie die Leute, die ich bewundere, mich gern hätten».

Die gleichen Fragen sind im 20. Jahrhundert Prominenten vorgelegt worden. Der Proust­Frage­bogen diente als Vorlage für Fragespiele der Medien auf der ganzen Welt; im Radio, am Fernsehen, in Zeitungen und Zeitschriften. Das amerikanische «Vanity Fair» oder die deutsche «F.A.Z.» etwa haben die Fragen jahrelang Prominenten vorgelegt und deren Antworten veröffentlicht. Bestsellerautor

Der Schriftsteller Marcel Proust …… war Romanautor, Essayist und Kritiker. Er lebte von 1871 bis 1922. Einen grossen Teil seines Lebens (14 Jahre) wid-mete er dem Schreiben seines Romans «À la recherche du temps perdu». Das zentrale Thema darin: Das Wiederent-decken der verloren gegangenen eigenen Vergangenheit, um die in ihr schlummernden kreativen Energien zu nutzen. Als Mittel dazu dient die Stimulation des unbewussten Ge-dächtnisses.

Bistrot des languesFranzösische Konversation in der KleingruppeGespräche führen – verstehen und verstanden werdenSich in einer Konversation wirkungsvoll einbringenLiteraturwerkstattSchreibanstösse aus der LiteraturgeschichteModul-Bildungsgang «Kommunikation»Kommunikationskompetenz als Schlüsselqualifikation in der ArbeitsweltSchreiben zur SelbsterkenntnisSich selber lesen mit biografischen SchreibtechnikenInneres Team: sich selber coachenDie Klärung der inneren Situation als Basis zur Aktion

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AUF KURS BLEIBEN

J. M. Simmel beispielsweise wäre laut «F.A.Z» gern «ein alter Baum» gewesen. Schriftstellerkollege Enzensberger beschrieb seine Vorstellung vom voll­kommenen irdischen Glück mit den Worten «das unvollkommene irdische Glück», seine Lieblings­farbe war «die Farbe des Regenbogens». Der Verle­ger Siegfried Unseld bezeichnete die «Cattleya» als seine Lieblingsblume – diese Orchidee spielte bei Proust eine besondere Rolle; sie war ein privates Codewort für Sex.

Apropos Schriftsteller: Viele Autoren benutzen den Proust­Fragebogen, um sich ein Bild von den Figuren in ihren Geschichten zu machen: «Was würde mein Romanheld auf diese oder jene Fragen antworten?» Sie interviewen sozusagen ihre Figuren anhand der Proust­Fragen, um sie kennenzulernen. Aber am besten probieren Sie das Fragespiel auf der Rückeite doch einfach einmal selbst aus. Allein oder in Gesellschaft realer oder fiktiver Personen.

Next Stop: EB ZürichDer Bahnhof Stadelhofen von Santiago Callatrava ist nicht nur ein Vorzeigebau für moderne Architektur, sondern auch der Bahnhof mit der dritthöchsten Frequenz der Schweiz (hinter Zürich HB und Bern): 32 bis 40 Züge pro Stunde befördern täglich 135 000 Passagiere. Auch viele Kundinnen und Kunden der EB Zürich reisen mit dem Zug an. Das Einzugsgebiet be-schränkt sich dabei längst nicht nur auf die Stadt und den Kanton Zürich – für einige Kurse reisen die Klugen auch aus Basel, der Innerschweiz oder sogar aus dem Wallis an und nehmen die zehn Minuten Gehweg vom Stadelhofen unter die Füsse. Oder steigen beim Opernhaus ins Tram: Linien 2 und 4 bis Feldeggstrasse.

Die längste BankMan kann eine Weiterbildung ewig auf die lange Bank schieben. Oder sich auf einer langen Bank autodidaktisch (mit Buch oder Laptop) weiterbilden. Oder sich mit anderen Lerninteressierten unter kundiger Leitung in einem Kurs schlau machen. Und sich dann in den Pausen gemeinsam auf die lange Bank setzen; 38 Meter Sitzfläche aus Eschen-holz warten seit kurzem auf dem Sech-seläutenplatz vor dem Opernhaus – und bis da sind es von der EB Zürich aus nur rund 850 Schritte.

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40 EB NAVI #1 NEW WORK 41

Sind die Angestellten bald in der Minder­zahl? Firmen lagern ihr unternehmeri­sches Risiko zunehmend aus, indem sie Arbeiten an freischaffende Zulieferer de­legieren. Immer mehr Personen arbeiten an zeitlich begrenzten Projekten auf Auf­tragsbasis. Solche Entwicklungen führen dazu, dass sich das klassische Angestell­tenverhältnis allmählich aufweicht, und die Grenzen zwischen selbstständiger und unselbstständiger Arbeit verschwinden: Freie Mitarbeitende, befristete Arbeits­verhältnisse, mehrere Kleinpensen, Kombinationen von Teilzeit und Selbst­ständigkeit, Arbeit auf Abruf, selbststän­dige Auftragnehmende, Projektmanage­rinnen für wechselnde Kunden, ein Heer von externen Beraterinnen, Coachs,

Keinen Chef mehr haben, die Arbeitszeit selber einteilen, eigene Ideen verwirklichen:

Selbstständigkeit ist für viele ein Traum. Doch sie eignet sich längst nicht für alle, und der Schritt

will wohl überlegt sein. Hier drum die wichtigsten 21 Fragen rund um die Selbstständigkeit im

21. Jahrhundert. Worauf es auf dem Weg von der Idee zur Gründung sonst noch ankommt, erklärt

ein erfahrener Kursleiter. Christian Kaiser hat an der EB Zürich in den letzten zehn Jahren rund

zweihundert Kursteilnehmende auf ihre Firmengründung vorbereitet und zeigt, worauf es ankommt.

Ständig auf eigenen Füssen

Kommunikatoren und sonstigen Dienst­leistungszulieferern – all das gehört im Wirtschsaftsleben des 21. Jahrhunderts längst zum Alltag.

Und doch machen die Angestellten immer noch rund 80 Prozent aller Er­werbstätigen aus. Allerdings sind davon längst nicht alle glücklich. Der Schritt in die Selbstständigkeit ist für viele schlicht der Ausweg aus der Unzufriedenheit mit dem Angestelltendasein: Frust und Druck am Arbeitsplatz, drohende Ar­beitslosigkeit, fehlende Aufstiegsmög­lichkeiten sind häufige Triebfedern für Selbstständige. Das erfolgsversprechen­dere Motiv für eine Veränderung als ein «weg von» ist aber das «hin zu»: zu Selbstverwirklichung, zum Durchsetzen

einen eisernen Willen und eine gehörige Portion körperliche und geistige Fitness. Auch das mit dem «frei» trügt: Der Kun­de ist König und wer zahlt befiehlt – und so finden sich viele Freischaffende in einer Situation wieder, in der sie gleich mehrere Chefs haben, die sich noch we­niger von guten Ideen überzeugen lassen als der Ex­Boss.

Die Selbstständigkeit erfordert auch Stehvermögen und einen langen Schnauf: Drei von zehn Jungunternehmen sind bereits nach zwei Jahren wieder weg vom Markt, nur knapp die Hälfte überlebt die ersten fünf Jahre. Denn die Selbststän­digkeit ist zumindest in den Anfangsjah­ren auch finanziell kein Zuckerschlecken. Besonders die Zahlen zur finanziellen Absicherung der Selbstständigen sind schockierend: Jeder fünfte Vollzeit­Selbstständige hat keine Krankentag­geldversicherung, jede vierte zahlt weder in die zweite noch in die dritte Säule ein und ist ergo weder für Invalidität noch fürs Alter ausreichend abgesichert. Viele erfüllen sogar Sozialhilfe­ oder Armuts­kriterien: Ein Viertel der Selbstständigen hat Anspruch auf Prämienverbilligung für die Krankenkasse, elf Prozent gelten gar offiziell als «Working Poor».

No risk no glory?Selbstständigkeit ist ein finanzielles Risi­ko – und nichts für Leute mit hohem Sicherheitsbedürfnis. Besonders in der Anfangsphase sollte man auch deutliche Einkommenseinbussen verkraften kön­nen. Und über Quellen verfügen, die ei­nem über ein paar Monate Durststrecke hinweghelfen. Schwankende Einkommen

Neun Fragen zur Eignung für die Selbstständigkeit1. Kann ich alleine arbeiten?2. Habe ich genügend Ausdauer, Durchstehvermögen und eine robuste

Gesundheit?3. Wie viel Risiko ertrage ich?4. Gehe ich offen, kommunikativ und neugierig auf Menschen zu?5. Bringe ich den nötigen Ehrgeiz und Fleiss mit?6. Unterstützt mich mein Umfeld bei meinem Vorhaben?7. Reicht mein finanzielles Polster aus?8. Bin ich ausreichend versichert?9. Bin ich bereit, die volle Verantwortung für mein Leben zu über-

nehmen?

eigener (statt fremder) Ideen und zu Unabhän­gigkeit und mehr Freiheit. In einer Befragung der Fachhochschule Nordwestschweiz waren das die häufigs­ten Gründe, welche für eine Selbststän­digkeit sprechen (➝ Grafik Seite 44/45).

Freischaffende sind mehr schaffend als freiSo oder so – wer sich mit dem Gedanken trägt, beruflich seine eigenen Wege zu gehen, sollte sich über seine Motive im Klaren sein. «Wieso will ich mich selbst­ständig machen?» muss die erste Frage im Rahmen eines Klärungsprozesses sein. Und erfordert eine ehrliche Ant­wort. Resignation und Frustration sind keine guten Motoren, und einen starken Antrieb brauchen alle, die als Selbst­ständige erfolgreich sein wollen. Denn bei den Freischaffenden liegt die Beto­nung auf «schaffend»: Sie arbeiten rund 10 Stunden pro Woche länger als ihre angestellten Kollegen, viel häufiger auch nachts und am Wochenende und gönnen sich weniger Ferien. Dafür braucht es

SERVICE

THEMA : NEW WORK

Die Selbstständigkeit erfordert Stehvermögen und einen langen Schnauf.

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42 EB NAVI #1 NEW WORK 43

zu kommen, schneiden sich über kurz oder lang ins eigene Fleisch. Man muss voll und ganz zu seinen Honorarsätzen stehen können und darf dabei nicht zu billig sein. Den richtigen Tarif für sich zu kalkulieren geht so: alle fixen und variablen Kosten bestimmen, den ge­wünschten Jahresgewinn festlegen und aufaddieren und das Total auf die an die Kunden verrechenbaren Stunden umle­gen. Wer damit Mühe bekundet, sollte sich unbedingt helfen lassen.

Mit Visionen dealenVor allem aber müssen Dienstleistende hundertprozentig vom Wert ihrer Dienst­leistung überzeugt sein: Sie sollten sich sicher sein, dass sie selbst das Angebot annähmen, wenn sie in der Haut des

Fünf Fragen für eine erfolgreiche GeschäftsideeGeschäftsideen sind gut, wenn man sich voll mit ihnen identifizieren kann und wenn sie das Potenzial haben, sich finanziell auszuzahlen:1. Identifikation: Bin ich bereit für meine Geschäftsidee in den ersten

zwei bis drei Jahren sechs Tage pro Woche und mehr als 55 Stunden zu arbeiten? Habe ich Lust auf diese Tätigkeit, kann ich voll und ganz dahinter stehen?

2. Qualifikation: Verfüge ich über ausreichend Fach-Know-how, Berufs-erfahrung, Kontakte in meinem Markt sowie unternehmerisches Den-ken? Welche Qualifikationen muss ich mir zusätzlich aneignen?

3. Marktsituation: Welche und wie viele Kunden wären bereit, einen fai-ren Preis für meine Leistungen zu bezahlen? Gibt es genug davon?

4. Konkurrenzsituation: Wie viele Konkurrenten gibt es in diesem Ge-schäft? Worin sind sie mir allenfalls fachlich oder organisatorisch überlegen?

5. Finanzsituation: Ist meine Geschäftsidee finanziell tragfähig? Bin ich in der Lage, mit meiner Geschäftsidee genügend Einkommen zu erzie-len, so dass ich meinen Lebensunterhalt bestreiten und mich und mei-ne Familie auch für Krankheit und Alter ausreichend absichern kann?

Käufers stecken würden. In der Praxis ist das eher selten der Fall – mit fatalen Fol­gen: Das Gegenüber nimmt die Unsicher­heit wahr und der Deal platzt. Das Mar­keting in eigener Sache ist für alle Selbst­ständigen der wesentliche Erfolgsfaktor; man muss sich und seine Dienstleistung konsequent in den Mittelpunkt stellen können. Das ist nichts für wortkarge, in­trovertierte Typen, die gern die graue Maus spielen. Viele scheitern zudem als Verkäufer, weil ihnen die klare Vision hinter ihrer Geschäftsidee fehlt: Denn seine Kernkompetenz den Traumkunden verkaufen, kann nur, wer eine glasklare Vision hat und seine Begeisterung dafür auch rüberbringen kann.

Genau diese klare Vision für das eigene Unternehmen fehlt aber vielen Neugründerinnen und ­gründern. Ent­weder ist die Geschäftsidee zu unklar, grenzt sich zu wenig gut ab von den An­geboten der Konkurrenz, oder sie hätte zwar Potenzial, wird aber zu schlecht ver­kauft. Und wenn sie nicht zum Kunden durchdringt, ist auch die beste Geschäft­sidee zum Scheitern verurteilt. Stimmen die persönlichen Voraussetzungen, so liegen die Ursachen für einen Misserfolg meist bei einer mangelnden Vision: Wer das Ziel nicht kennt, kann weder über­zeugen noch richtig entscheiden. Darum gilt es zuallererst, die persönliche Vision zu klären und sich vor jedem Akquisiti­onsgespräch in Erinnerung zu rufen. Und diese Vision dann stetig weiterzu­entwickeln. ■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■

SERVICE

Christian Kaiser hat zehn Jahre lang den Kurs «Selbstständigkeit – von der Idee zur Gründung» geleitet und rund 200 angehende Firmengründerin-nen und -gründer auf ihrem Weg begleitet. Er gibt weiterhin Kurse im Be-reich biografisches Schreiben. In seiner Freizeit streift er als Geh-Dichter durch Wälder und Felder. Den Selbstständigkeitskurs wird Boris Widmer, ein erfahrener Coach für Startups, weiterführen.

und mehrmonatige Dürrephasen dürfen einem nicht auf die Moral schlagen; sie gehören schlicht dazu. Was dabei gern vergessen geht: Auch die Partnerin oder der Partner müssen damit klarkommen. Sonst geht früher oder später entweder die Beziehung oder die mühsam aufge­baute Firma in die Brüche. Auch ist schon manche gute Geschäftsidee den Bach runter gegangen, nur weil im entschei­denden Moment das nötige Flüssige ge­fehlt hat, um die offenen Rechnungen zu bezahlen! Der Schlüssel heisst hier vor­ausschauende Liquiditätsplanung: Wie viel muss wann auf dem Konto liegen, um die fälligen Forderungen zu beglei­chen?

Freischaffende müssen rechnen kön­nen. Etliche verkalkulieren sich schlicht: Die «unproduktive» Zeit, die sie mit Werbung, Akquisition, Kaffeetrinken, Buchhaltung, Lesen von Fachliteratur usw. verbringen und keinem Kunden ver­rechnen können, muss doch irgendwie abgegolten sein. Im Gegensatz zu ihren angestellten Kolleginnen und Kollegen haben sie keine bezahlten Ferien, müssen

sich um die Alters­ und die Krankenvor­sorge selbst kümmern, Rechnungen für Büromiete, Telefon, Internet und Computersupport selbst berappen. Die Faustregel lautet, dass Selbstständige von einem verdienten Franken 50 Rap­pen für Versicherungen, Betriebs­ und Gewinnungskosten ausgeben.

Wer also als Angestellter einen Stun­denlohn von 40 Franken verdient, muss als Selbstständiger mindestens 80 Fran­ken verlangen und wöchentlich 40 Stun­den verrechnen können, um nicht schlechter zu fahren. Jene, die bei den of­ferierten Stundensätzen das Branchenüb­liche unterbieten, um rasch an Aufträge

Selbstständigkeit: von der Idee zur GründungChancen und Risiken der Selbstständigkeit richtig einschätzenDas perfekte Mac-BüroNotwendiges und Wissenswertes für das digitale BüroBuchführungDoppelte Buchhaltung für KleinbetriebeEinstieg in Marketing und WerbungBasiswissen für Werbung, Marketing, PREinstieg ins Online-MarketingNeue Möglichkeiten der Kundenbindung und -gewinnung

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Sieben Fragen für eine klare VisionVision, Fokussierung, Positionierung im Markt: Stellen Sie sich die zentralen Fragen: 1. Wer: Wer bin ich? Was ist mein Background? Was mache ich gern? Worin bin ich besser als die

anderen? Warum will ich selbstständig sein?2. Worin: Wie sieht das Geschäftsfeld aus, in dem ich tätig bin? Wie wird es sich künftig entwi-

ckeln?3. Für wen: Welchen Menschen will ich Nutzen stiften? Wer sind meine Traumkunden?4. Was: Welche Bedürfnisse haben die Menschen, denen ich dienen will? Wie löse ich ihre Proble-

me? Wie haben sie es bisher gemacht?5. Gegen wen: Wer sind die Konkurrenten? Was und wie machen sie es?6. Womit: Was mache ich anders, besser? Was ist mein nichtaustauschbares Schlüsselangebot?7. Wohin: Welchen einzigartigen Nutzen will ich meinen Kunden künftig stiften? Wo will ich in fünf

bis zehn Jahren stehen?

Wer keine Antworten auf solche Fragen geben kann, droht in der Masse unterzugehen.

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44 EB NAVI #1 NEW WORK 45

SelbstständigeAngestellte

51,8 h41,9 h

SelbstständigeAngestellte

3,4 Wochen4 Wochen*

SelbstständigeAngestellte

45,1%18,4%

SelbstständigeAngestellte

10,9%3%

Selbstverwirklichung

Durchsetzen eigener Ideen

Unabhängigkeit

höheres Ansehen/Anerkennung

familiäre Gründe

Weiterführen der Familientradition

unbefriedigende Arbeitssituation

besseres Einkommen

flexiblere Zeiteinteilung

fehlende finanzielle Rücklagen

zunehmende Verschuldung

Ablehnung von Krediten

Entlöhnung blieb hinter den Erwartungen zurück

Mangel an Beteiligungskapital

familiäre Gründe

zu hoher Stress

gesundheitliche Gründe

persönliche Haftung wurde als zu gross empfunden

92% 65%

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33%

1 Das sind die wichtigsten Motive, warum man sich selbstständig machen will …

Die Fachhochschule Nordwestschweiz hat 2009 nach den Motiven gefragt, die für den Schritt in die Selbstständigkeit sprechen. Die Grafi k zeigt den Anteil der Befragten, die ein Motiv als wichtig eingestuft haben (Mehrfachnennungen möglich).

5 Selbstständigkeit ist kein Zuckerschlecken: Ein paar Vergleiche 6 Frauen im Aufwind:

Wichtige Facts and Figures

50% der neu gegründeten Unternehmen sind nach fünf

Jahren wieder vom Markt verschwunden.

28,5% der selbstständig erwer-benden Frauen arbeiten

zu Hause. Bei den Männern sind es 13,2%.

25% der Firmengründer im Jahr 2013 waren Frauen.

20% der selbstständig Erwebenden haben keine Krankentag -

geld-Versicherung abgeschlossen.

… und das sind die wichtigsten Gründe, warum junge Unternehmen geschlossen wurden.Das Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung untersuchte 2009 die Gründe, die zum Marktaustritt eines Unternehmens in den ersten fünf Jahren geführt hatten. Die Grafi k zeigt den Anteil an Unternehmen, die folgende Gründe genannt haben (Mehrfachnennungen möglich).

* gemäss OR haben Angestellte Anrecht auf mindestens vier Wochen bezahlte Ferien pro Jahr** z.B. Genossenschaften oder Zweigniederlassungen

Quellen: «Die neuen Selbständigen 2009» (Fachhochschule Nordwest-schweiz; «Ursachen für das Scheitern junger Unternehmen in den ersten fünf Jahren ihres Bestehens» (ZEW) (1), Bisnode (2), Bundesamt für Statistik (3, 5, 6), startups.ch (4, 6)

Erwerbstätige, die als Working Poor gelten, in Prozent, Jahr 2011

Erwerbstätige, die werktags wie auch am Wochenende arbeiten, in Prozent, Jahr 2005

Ferienwochen pro Jahr (Vollzeitstellen), Jahr 2013

Durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit in Stunden (Vollzeitstellen), Jahr 2013

0

10 000

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30 000

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25 000

15 000

5000

2006

2007

2008

2009

2011

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2012

2013

40 509

Mitarbeitende Familienmitglieder:94 000 (2,1%)

Lernende:222 000

(5%)

Selbstständige:587 000 (13,2%)

Angestellte:3 558 000 (79,7%)

441192

KommanditgesellschaftKollektivgesellschaft

AktiengesellschaftEinzelfirmen

GmbHübrige Rechtsformen**

12 79714 689

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Selbstverwirklichung

Durchsetzen eigener Ideen

Unabhängigkeit

höheres Ansehen/Anerkennung

familiäre Gründe

Weiterführen der Familientradition

unbefriedigende Arbeitssituation

besseres Einkommen

flexiblere Zeiteinteilung

fehlende finanzielle Rücklagen

zunehmende Verschuldung

Ablehnung von Krediten

Entlöhnung blieb hinter den Erwartungen zurück

Mangel an Beteiligungskapital

familiäre Gründe

zu hoher Stress

gesundheitliche Gründe

persönliche Haftung wurde als zu gross empfunden

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Im Trend: selbstständig statt angestelltFirmengründungen eilen von Rekord zu Rekord. Obwohl das Erwerbsleben für viele Selbstständige deutlich härter ist als für Angestellte.

Infografi k Daniel Röttele

2 Neugründungen: Rekord im Jahr 2013

Neuein tragungen ins Handelsregister

3 Gut jeder achte Berufstätige ist selbstständigErwerbstätige nach Status und Anteil an allen Erwerbstätigen, 2013

4 GmbH und Einzelfi rma sind bei Neugründern beliebt im Handelsregister neu eingetragene Gesellschaften im Jahr 2013

Page 24: EBNavi - Magazin der EB Zürich Nr. 1

46 EB NAVI #1 NEW WORK 47

«Die 40 000 Franken Mikrokredit reich­ten nicht für alles, doch konnten wir damit die Einrichtung bezahlen», sagt Thomas von Matt. Er gründete «The Bite» im Kreis 4. In diesem gemütlichen Lokal isst man fantasievolle Hamburger, die frisch mit lokalen Zutaten hergestellt werden. Bei Banken erhielt der Jungunternehmer kein Geld , doch sein Vater stieg als stiller Teilhaber ins Geschäft ein. Das Lokal boomt. Neun Monate nach dem Start sind bei «The Bite» acht Personen mit rund 650 Stellenprozenten angestellt.

Finanzierung als KnacknussDas Hamburger­Restaurant ist eine von 109 Geschäftsideen, die vom Verein Go! Ziel selbständig! mit Mikrokrediten un­terstützt wurden (➝ Interview Seite 48). Denn der Traum der Selbstständigkeit scheitert oft am Geld.

Wo die Kohle holen? Bankkredite sind schwer zu bekommen. Da helfen oft nur die vier F:

Funds, Friends, Family und Fools: Was aber, wenn kein Erspartes da ist,

man das Risiko nicht auf Freunde oder Familie abwälzen will und sich nicht

genügend Verrückte finden lassen, welche die eigene Geschäftsidee

unterstützen? Es gibt Alternativen.

Text Rita Torcasso

In der Studie «Erfolgsfaktoren jun­ger Unternehmen» unter der Leitung von Rolf Meyer und Urs Adrian Sidler von der Fachhochschule Nordwestschweiz wurden 326 Jungunternehmer drei Jahren nach der Gründung ihres Unternehmens inter­viewt. Für die Hälfte von ihnen war die Finanzierung das Hauptproblem (➝ Grafik Seite 45). Und das, obwohl 60 Prozent der Startups weniger als 50 000 Franken Startkapital brauchten. Banken wollen Si­cherheiten, die Jungunternehmer nur sel­ten bieten können. Hier kommt Go! zum Zug: Nach der Abklärung durch den Ver­ein bezahlen Kreditnehmer der ZKB 6,5 Prozent Zins – für Direktkredite durch die Bank müssten sie wegen geringer Bonität mit Zinsen zwischen 8 bis 12 Pro­zent rechnen.

Gute Ideen werden prämiertWer Startup­Fördermittel bekommen will, die nicht zurückbezahlt werden müssen, muss ein wirklich innovatives Projekt vorweisen. Michael Berli und Andreas Guggenbühl erhielten für ihr im Herbst 2013 gegründetes Unternehmen RealLook AG Selfnation kürzlich den Idée­Suisse­Preis «Golden Creativity Award». Sie produzieren mit 3 D-Model­len Jeans nach Mass.

«Ein solcher Preis hilft bei der Geld­beschaffung», erklärt Michael Berli. Die beiden Gründer starteten mit 50 000 Franken Eigenkapital, zwei «Business Angels» steuerten 50 000 Franken gegen Firmenanteile bei. «Um auch den Ausbau zu sichern, haben wir uns beim Startup­Supporter Venture Kick beworben.» Monatlich können dort acht Startups ihre Idee vorstellen, ein Unternehmen gewinnt nach einem gestuften Auswahlverfahren von neun Monaten. «Die Auflagen von Venture Kick erzeugen Druck, davon haben wir profitiert, und man erhält eine ausgezeichnete Beratung», erklärt Berli. Selfnation schaffte Anfang Juli die letzte Hürde und erhielt insgesamt 130 000 Franken. Für das Startup arbeiten in Zürich und Berlin insgesamt sechs Personen, und für die Produktion entstanden in Deutschland bis heute rund zehn Stellen.

InvestititonenIm Zeitalter der Social Media sind auch virtuelle «Friends and Fools» potenzielle Geldgeber. Crowdfunding funktioniert zuerst einmal über das Interesse an einer Idee. 47 000 Franken sammelte das Star­tup Rotavis AG, um die Serienproduktion ihres neuartigen flexiblen Bürostuhls zu starten. Als Gegenleistung erhalten die «Booster» einen Stuhl. Der Co­Gründer Daniel Baumgartner erklärt: «Das Crowd­funding half uns, die Produktion zu star­ten, ohne dafür Fremdkapital aufnehmen oder Firmenanteile abgeben zu müssen.»

Einige Plattformen suchen über Crowdfunding Investoren, die sich am Startup mit Aktienkapital beteiligen wollen, zum Beispiel «investiere.ch». Ein «Kura­tor» aus der Branche schätzt ein, ob die Idee Potenzial hat. Bei mehreren Treffen muss das Startup­Team dann interessierte Investoren überzeugen. 2013 erhielten 22 Startups über solche Finanzierungs­runden im Durchschnitt 630 000 Franken Venture­Kapital. ■■■■■■■■■■■■■■■■■■

Finanzierungsmöglichkeiten für StartupsMikrokredite: Mikrokredite sind auf die Person und das Selbständigkeits-projekt zugeschnittene Kredite zwischen 5000 bis 40 000 Franken. Zur Zeit vergeben der Verein Go! Ziel selbständig! (➝ Interview Seite 48), www.mikrokredite.ch und Mikrokredit Solidarität Schweiz (MSS) www.solidaritaetschweiz.ch Mikrokredite.

Crowdfunding: Crowdfunding bringt Kapitalsuchende mit Geldgebern zu-sammen. 2013 waren knapp zwei Drittel bzw. 720 Sammelprojekte er-folgreich, investiert wurden 12 Millionen Franken. Kultur: www.kickstarter.com; projektstarter.ch, wemakeit.ch; Projekte: www.100-days.net; Gutes tun: www.impact.sosense.org; Crowdfunding mit Firmentbeteiligung der Investoren: investiere.ch, 7crowd.ch, c-crowd.ch.

Business Angels: Business Angels bieten Jungunternehmern Unterstüt-zung bei der Gründung und vermitteln Finanzierungen. Eine gute Über-sicht über Organisationen, die Business Angels vermitteln, findet sich hier: www.startwerk.ch > Suche > Business Angels

Finanzierung für Frauen: Nur ein Viertel der Gründer sind Frauen. Spezielle Unterstützung für Frauen bietet die Bürgschaftsgenossen-schaft: www.saffa.ch; Vernetzung und Beratung: www.gruenden.ch > FAQs nach Themen > weibliches Unternehmertum

Jungunternehmer-Preise: Die Palette geht von Beratungsprogrammen mit Finanzierung bis zu reinen Prestige-Preisen. Liste der Preise: www.jungunternehmerpreise.ch

Erste Orientierung: Die Plattform gruenden.ch ist die wichtigste Informa-tionsplattform rund um Selbstständigkeit. www.gruenden.ch > FAQs nach Themen > Finanzierung

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48 EB NAVI #1

Wieviele Kredite hat Go! bis jetzt vergeben?In knapp fünf Jahren sind es 109 Kredite. In den letzten zwei Jahren erhielt runde jede vierte Person, die sich beworben hat, einen Kre­dit.

Wer erhält einen Mikrokredit?Antragsstellende, die uns als Per­son überzeugen. Und wir müssen überzeugt sein, dass die Markt­leistung Erfolgschancen hat und wirtschaftlich ist. Bewerben kann man sich mit einer konkreten Ge­schäftsidee, zwingend sind Wohn­sitz oder Firmendomizil im Kan­ton Zürich oder einem Nachbar­kanton und ein Nachweis, dass keine hohen Schulden bestehen.

Was passiert nach der Bewer-bung?Gemeinsam analysieren und hin­terfragen wir die Geschäftsidee und den Businessplan. Wenn die Markttauglichkeit und die Wirt­schaftlichkeit gegeben sind, er­stellen wir ein Budget und einen Liquiditätsplan, auch um sicherzugehen, dass der Kredit finanziell tragbar ist. Je nach Situation und Investionskosten gibt es zwischen 5000 bis 40 000 Franken Kredit.

Welches sind die grössten Hürden?Viele hören von sich aus während der Abklärung auf, weil das Projekt zu wenig ausgereift ist, Fachwissen

fehlt, die Planungszeit unter­schätzt wird. Entscheidend ist neben der Markttauglichkeit der Idee die Persönlichkeit.

Gibt es typische Merkmale der Bewerber?Die meisten bringen eine gute Ge­schäftsidee und fundiertes Fach­wissen mit, aber haben auch im persönlichen Umfeld nur bedingt Möglichkeiten für eine Finanzie­rung. Bei den Banken erhalten sie nichts, weil sie keine Sicherheiten bieten können. Im letzten Jahr ging ein Viertel der Kredite an Jungunternehmer, die vorher er­werbslos waren.

Wie werden die Kredite finan-ziert?Über die ZKB als Partnerbank, doch die Entscheidung, wer kre­dittauglich ist, läuft über uns. Der jährliche Einheitszins für die Kredite beträgt 6,5 Prozent. Der Kredit muss ab dem viertem Monat zurückbezahlt werden.

Wer haftet bei Ausfällen?Die ZKB hat einen Sicherungsfonds von 250 000 Franken eingerichtet. Bisher gab es fünf Kreditaus­fälle. Die Hälfte aller Gründungen in der Schweiz scheitert in den ersten fünf Jahren. Bei Go! liegt die Rückzahlungsquote der Kreditnehmenden bei hohen 95 Prozent. ■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■

Mikrokredite sind eine

niederschwellige

Finanzierungs möglichkeit

für JungunternehmerInnen.

Das Vorgehen erklärt Beni

von Allmen, Co-Leiter beim

Verein Go! Ziel selbständig!

Interview Rita Torcasso

«Idee, Markttauglichkeit und Persönlichkeit zählen»

«In ‹boule rouge› kann ich meine Kreativität ungebremst einfliessen lassen und ein Schweizer Produkt in 100 Prozent Handarbeit herstellen – ohne Kompromisse.» Beatrice Graf ➝ Seite 69

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50 EB NAVI #1 NEW WORK 51

SERVICE

Projekte erfolgreich durchführenDer Bau der Pyramiden und die Landung auf dem Mond waren Gross-Projekte, aber selbst

Vorbereitung und Durchführung eines Kindergeburtstages verlangt nach Projekt-Know-how.

Die Arbeit in Projekten hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen, Kenntnisse

und Erfahrungen im Projektmanagement werden wichtiger. Wichtige Aspekte der Projektarbeit.

1. Ganzheitliche BetrachtungDas Projektmanagement spielt sich gleichzeitig auf drei Ebenen ab:

2. ProjektauftragBevor man ein Projekt startet, ist die Erteilung des Projektauftrages die wichtige Grundvoraussetzung. Der Projektauftrag (der schriftlich erteilt werden sollte) enthält folgende Komponenten:

– Das Projektziel (die Projektziele) – Den Termin, bis zu dem die Ziele umgesetzt sein

müssen – Das Projektbudget, in dem Sachmittel und finanzi­

elle Ausstattung des Projektes definiert sind – Bestimmung des Projektleiters (PL), evtl. Organi­

gramm des Projektes

3. Aufgaben des ProjektleitersDer Projektleiter ist verantwortlich für den kontinu­ierlichen Fortschritt des Projekts:

– Erstellen von Projektplänen – Aufbauen eines Projektteams – Einzelne Rollen definieren, Ziele setzen – Informationsfluss innerhalb der Projektgruppe si­

cher stellen – Kontrollpunkte und Meilensteine festlegen – Projekt auf den planmässigen Fortschritt hin beur­

teilen, Status­/Fortschrittsberichte erstellen – Auftraggeber/Sponsor zu jedem Zeitpunkt und in

angemessener Weise informieren – Projektbedürfnisse gegenüber Auftrag­/Geldgeber

vertreten – Sämtliche Veränderungen dokumentieren – Geeignete Problemlösung durchführen

4. Projektphasen Einzelne Projektphasen sind in sich abgeschlossene Zeiträume im Projekt, die mit einem Meilenstein en­den und ein wichtiges Zwischenergebnis liefern.

HAND KOPF HERZ

Dinge rationell erledigen

Abläufe vereinfachen

Mit Informatio-nen umgehen

Organisation

Instrumente

Kreativität

Überblick

Ziele

Prioritäten

Planung

Was will ich?… wollen ande-

re?

Was macht für mich Sinn?… für andere?

Wie motiviere ich mich?

… wie andere?

Erfahrung IQ EQ

Die Checkliste

Projektidee, Projektauftrag ■ Gibt es eine(n) eindeutige(n) Auftraggeber/in?

Kann personifiziert werden? ■ Ist AuftraggeberIn von der Realisierung der Pro­

jektziele betroffen? Ist er/sie Teil des Problems? ■ Steht AuftraggeberIn hinter dem Projekt? ■ Hast du genügend Zeit, das Projekt zu überneh­

men? ■ Reichen deine methodischen und sozialen

Kompetenzen aus? ■ Wie ist deine Einstellung zum Projekt? ■ Sind die Projektziele klar? ■ Nächster Meilenstein? ■ Ist die Priorität des Projektes klar? ■ Gibt es Erfolgskriterien? ■ Sind der Zeitrahmen und die Verfügbarkeit der

Mitarbeitenden geklärt? ■ Hast du Mitsprache bei der Bestimmung der

Mitarbeitenden? ■ Gibt es einen schriftlichen Projektauftrag?

Wenn nicht, formuliere diesen selbst. ■ Weiss der/die Auftraggeber/in, dass im Laufe

des Projektes Zielkorrekturen nötig sein könn­ten?

■ Wer ist indirekt betroffen und könnte die Pro­jektarbeit erschweren?

Projektkonzept, Projektplanung ■ Ist der Ist­Zustand erfasst worden (beschrieben

worden)? ■ Ist das Projekt klar eingegrenzt? Projektgren­

zen bestimmt? ■ Wie wird das Projekt organisiert? ■ Sind Methoden, Standards und Tools festgelegt? ■ Leitung von Teilprojekten? ■ Kennst du die Risiken, Widerstände? ■ Genereller Strukturplan? ■ Sind die Milestones bestimmt? ■ Genereller Zeitplan? ■ Wie wird im Projekt kommuniziert? Wie wird

das Projekt dokumentiert?

Projektbegleitung, Kontrolle ■ Gibt es Qualitätssicherungsmassnahmen? ■ Ist die kontinuierliche Kontrolle (quantitativ,

qualitativ) sichergestellt? ■ Werden Arbeitsergebnisse überprüft? Werden

Arbeitsergebnisse abgenommen (durch wen)? ■ Werden die Anforderungen (Qualität, Quantität)

erfüllt? ■ Können die Projektziele erreicht werden?

Terminsteuerung ■ Wie werden Termine geplant? ■ Wie aktuell sind die «gültigen» Pläne? ■ Wie und wann werden die Pläne gepflegt? ■ Wie werden «verbrauchte» Zeiten erfasst? ■ Wer schätzt die notwendigen Aufwände? ■ Werden Abweichungen analysiert und begründet? ■ Kann der vorgesehene Termin eingehalten werden?

Budgetsteuerung ■ Gibt es ein detailliertes Budget? ■ Wie werden Kosten erfasst? ■ Werden Soll­ und Ist­Werte verglichen? ■ Werden Abweichungen analysiert und begrün­

det? ■ Bleibt das Projekt im Budgetrahmen?

Teamführung ■ Angemessene räumliche Unterbringung? ■ Angemessene Ausstattung mit Material/Res­

sourcen? ■ Gibt es eine klare Aufgaben­ und Kompetenz­

zuordnung? ■ Gibt es Spannungen? ■ Sind Spannungen zu erwarten?

Kommunikation ■ Wurde ein Kick­Off­Meeting organisiert? ■ Ist die Kommunikation im Team geregelt? ■ Finden regelmässige Teamsitzungen statt? ■ Sind die Sitzungen effizient? ■ Gibt es Protokolle? ■ Werden die Protokolle gelesen? ■ Gibt es Statusberichte über das Projekt? ■ Bist du für meine Präsentationen und Vorträge

gut vorbereitet? ■ Ist eine Projektdokumentation geplant? Kann

diese bereits parallel zum Projekt erstellt werden?

Projekte erfolgreich druchführenDie Grundlagen der Projektarbeit in der Praxis anwendenKompetenzorientiertes ProjektmanagementÜber die Erfolgsfaktoren eines Projekts Bescheid wissen

Anmelden: eb-zuerich.ch/new-work

AUF KURS BLEIBEN

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EBINSERAT

52 EB NAVI #1

1 PRISE Naivität

1 EL Weltoffenheit Entspanntheit2 TROPFEN Konzentration

1 GROSSE PORTION Phantasie ETWAS Neugierde

WIR VERMENGEN IGNORANZ UND

objektivität

mit talenten spicken

EIN GUTER SCHUSSIrrsinn

arbeiten Realität ein

anschliessend mit Kontakten verknüpfen

Unter stetem Druck in die gewünschte form zwingen

Wir backen uns einen homo creativus «Ich vermittle die Kultur, die nicht auf der Strasse liegt, aber am Weg, wenn man die Augen offen hat. Dahin führen meine Touren.» Karl Wüst ➝ Seite 69

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54 EB NAVI #1 NEW WORK 55

Wir wollen nur mit Leuten zusammenarbeiten, die zu uns passen. Wir sind lieber wenige, dafür effizient.

«Es war ein Skype­Anruf von Martin Bärwolf, einem Kollegen aus Deutschland. Er hätte da eine Idee, sagte er, allein komme er nicht weiter, ob ich nicht Lust hätte mitzumachen. Es gehe um ein Computer­spiel mit Landwirtschaftsmaschinen. Das war für mich der Startschuss für die Erfolgsgeschichte, die der ‹Landwirtschaftssimulator› auslöste.

Ich war damals um die zwanzig, etwa seit drei­zehn war ich ein passionierter Gamer, Spielentwick­ler war mein Traumberuf. Nach der Matura widmete ich mich diesem Thema und machte mich so in der Szene ein wenig bekannt. Mit Landwirtschaft hatte ich nichts am Hut. Als Martin aber begeistert von seiner Idee mit Traktoren und Dreschmaschinen erzählte, konnte er mich doch relativ schnell von der Idee überzeugen. Ich hatte das Gefühl, da liegt Potenzial drin, und so sagte ich zu. Um diese Zeit hatte ich gerade mein Studium in Informatik an der ETH Zürich begonnen. Am Anfang war die Abma­chung, dass ich beim Entwickeln helfen soll; falls Martin einen Partner für den Vertrieb finden würde, könnte ich als Partner mitmachen. Tatsächlich kam er ein paar Monate später mit einem Ver­trag an. Von Vorsummen für die Ent­wicklung stand da zwar nichts drin, aber die Vertriebsfirma Astragon verpflichtete sich, das fertige Spiel ihren Kundinnen und Kunden anzubieten. Das genügte für mich, dass ich voll an die Sache zu glau­ben begann, und gab mir Sicherheit. Das ist ja oft die Schwierigkeit: Man hat eine supercoole Idee, aber wenn man nieman­

Stefan Geiger, Game-Designer mit

riesen Erfolg

essierten auszutauschen. Schon nach ein paar Monaten waren das rund 10 000, welche die Ent­wicklung des Spiels mitverfolg­ten, mitdiskutierten und ihre Wünsche einbrachten. Das zeigte uns, das Interesse war da. Gegen Schluss arbeiteten Christian und ich ‹wie wild›, das war schon ein bisschen stressig, aber es sollte sich lohnen.

Die erste Version des Landwirtschaftssimula­tors kam Anfang 2008 auf den Markt. Wir kannten von Astragon die Verkaufszahlen anderer Spiele, aber unser Spiel toppte nochmals alles. Bisher ist es weit über eine Million mal verkauft worden. Mit diesem grossen Erfolg hatten wir nicht gerechnet. Als Ent­wickler erhält man pro verkaufte Kopie eine be­stimmte Summe. Mit dem Landwirtschaftssimula­tor haben wir sicher gut verdient, reich sind wir nicht unbedingt geworden. Mit dem Geld konnten wir un­sere Firma Giants Software vorantreiben. Dadurch, dass wir in der Schweiz produzieren und entwickeln, haben wir hohe Lohnkosten. Hier in Schlieren arbei­ten zurzeit zehn Personen für Giants Software, je zwei weitere sind in Deutschland und England tätig. Inzwischen arbeiten wir auch mit Freelancern im Ausland, zum einen wegen der Kosten, zum andern, weil das Angebot an Fachkräften zu klein ist in der Schweiz. Da braucht es wohl noch einige Zeit, bis genügend Interessierte in die Spielentwicklung ein­steigen wollen, mit Business­Applikationen können sie halt immer noch mehr Geld verdienen.

Stefan Geiger, 27, studierte Informatik an der ETH Zürich. Heute ist er

CTO bei Giants Software, die ihren Sitz in Schlieren hat.

den hat, der auch daran glaubt und einen unter­stützt, dann nützt die beste Idee nichts.

Am Anfang ging es mit der Entwicklung des Spiels nur langsam vorwärts. Nach ein paar Monaten kam dann noch Christian Ammann – heute CEO von Giants Software – dazu. Ich kannte ihn von früher her, mit ihm ging es dann deutlich schneller. Wir entwickelten das Spiel nach unseren Vorstellungen. Zum Glück half manchmal auch noch jemand mit, der eine Ausbildung als Bauer gemacht hatte, und uns so sagen konnte, worauf es in der Landwirt­schaft ankommt. Weiteres Wissen holten wir uns in Wikipedia und aus anderen Quellen im Internet. Dann mussten wir natürlich auch den Kontakt zu den Landwirtschaftsmaschinen­Herstellern suchen, weil wir deren Maschinen nachbauten. Bei kleineren Firmen hatten wir kaum Probleme, die grösseren zierten sich teilweise, weil im Spiel nicht nur ihre Produkte zu sehen waren. Ich habe das als eine span­nende Zeit in Erinnerung. Wir hatten eigentlich nie ein Tief. Ein erster Höhepunkt war auch, als wir im Netz ein Forum aufgebaut hatten, um uns mit Inter­

Wie sich unsere Arbeit in Zukunft verändern wird, weiss ich nicht. Wir wollen mit Giants Soft­ware schon noch ein bisschen wachsen, aber nicht zu schnell. Wir wollen nur mit Leuten zusammenar­beiten, die zu uns passen. Wir sind lieber wenige, dafür effizient. Meine Arbeit begeistert mich immer noch. Natürlich verbringe ich viel Zeit vor dem Computer. Aber das Programmieren ist eigentlich der kleinste Teil. Es gibt immer wieder Probleme zu lösen, dafür diskutieren wir immer wieder im Team. Das kann dann schon mal einen halben Tag brau­chen. Einzelgänger finden vielleicht auch eine Lö­sung, aber die besseren werden wohl im Team ge­funden. Im Moment sind wir daran, unser Spiel an die Möglichkeiten der neusten Konsolen anzupas­sen, das erlaubt uns, auch im Ausland noch stärker zu werden, in England und den Vereinigten Staaten ist noch viel Potenzial. Dann ist natürlich auch bei den Spielen ein Trend in Richtung Mobile, da müs­sen wir Anpassungen vornehmen. Daneben habe ich schon noch ein paar Projekte für Spiele, die nichts mit Landwirtschaft zu tun haben. Mal sehen, was daraus wird.» ■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■

15 MINUTEN, DIE MEIN LEBEN VERÄNDERTEN

Aufgezeichnet von Fritz KellerBild Philipp Baer

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56 EB NAVI #1 NEW WORK 57

Albert EinsteinPhysiker

Astrid LindgrenSchrift­stellerin

Neil ArmstrongAstronaut

Woody Allen

Filme macher

Michail Gorbat-schow

Staatschef

Willhelm IIKaiser

Marie Curie

Chemikerin

Angela MerkelBundes­kanzlerin

KonfuziusPhilosoph

Mutter TheresaOrdens­

schwester

Marie von Ebner-

EschenbachSchrift­stellerin

QUIZ

Wer hat das gesagt?Ordnen Sie den Prominenten die Aussagen zu und tragen Sie den entsprechenden Buchstaben in die Kreise ein.

Schicken Sie das Lösungwort an [email protected]. Einsendeschluss ist 30. September 2014. Die Lösung findet sich ab dem 3. Oktober 2014 auf www.eb-zuerich.ch/blog. Unter den richtigen Einsendungen werden drei

Bildungsgutscheine im Wert von je 100 Franken verlost.

Man muss die Dinge so einfach wie möglich machen.

Aber nicht einfacher.

Ich beschäftige mich nicht mit dem, was getan worden ist.

Mich interessiert, was getan werden muss.

Wie die Welt von morgen aussehen wird, hängt in grossem Mass von der Einbildungskraft jener ab, die gerade jetzt lesen lernen.

Das Internet ist für uns alle Neuland.

Das ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein gewaltiger Sprung für die Menschheit.

Wer nicht an die Zukunft denkt,

wird bald Sorgen haben.

Ich denke viel an die Zukunft, weil das der Ort ist, wo ich den Rest meines Lebens verbringen werde.

Was du in jahrelanger Arbeit aufgebaut hast,

kann über Nacht zerstört werden. Baue trotzdem.

Wer zu spät kommt,

den bestraft das Leben.

Wer aufhört, besser werden zu wollen,

hört auf, gut zu sein.

Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist nur

eine vorübergehende Erscheinung.

«Mir ist es wichtig, dass der Computer Werkzeug bleibt und ich mich nicht von ihm steuern lasse.» Michaela Brunner ➝ Seite 70

Page 30: EBNavi - Magazin der EB Zürich Nr. 1

BERATUNG

58 EB NAVI #1 NEW WORK 59

Ich bin Anfang April in die Team­leitung aufgestiegen. Nun merke ich, dass es mir schwer fällt, mich von meinem Team abzugrenzen. Irgendwie gehöre ich noch dazu und eben doch nicht. Wenn ich zu meinen Mitarbeitenden stosse, verstummt das Gespräch. Ich fühle mich nicht wohl in dieser Position – es fällt mir auch schwer, mich bei meinen ehemaligen Kollegen durchzusetzen. Wie soll ich mich verhalten?

Peter S., Uznach

Lieber Herr S.

Die Meinungen gehen auseinander, ob für die frei gewordene Position als Vorgesetzte interne Mitarbeitende oder Externe gesucht werden sollen. Bekannt ist, dass ein Aufstieg aus den eigenen Reihen sehr an­spruchsvoll ist. Erfahrungsgemäss braucht es eine geduldig ertragene Durststrecke – nicht zuletzt der Ablösung – bis man gut im einsamen Sattel sitzt. Nachträglich bemerkte Stolpersteine, eigene Verführungen säumen diesen Weg und können Gefühle von Verunsicherung und Ver­sagen hervorrufen. Es gibt viel zu lernen, nicht zuletzt über sich selber, was Abgrenzung und Durchsetzungsvermögen angeht.

Unterstützend hierbei ist ein genaues, nach allen Seiten kommuni­ziertes Pflichtenheft (Kompetenzregelung), woran man sich innerlich anlehnen kann, und eine stets offene Türe zum eigenen – Sie in Ihrer neuen Position unterstützenden – Vorgesetzten. Das müssen Sie allen­falls einfordern.

Was in der Übergangsphase sehr ermutigend und bestärkend sein kann, ist ein persönliches Rollencoaching. Mit Abstand zur Arbeit und fachkundig begleitet, kann die neu ernannte Führungskraft Situatio­nen aus der eigenen Führungspraxis reflektieren und das eigene Füh­rungsrepertoire ausdehnen und üben.

Massimiliana Pagliaro, Arbeitspsychologin, gibt Antworten

auf dringende Fragen rund um den Arbeitsalltag.

Rezepte gegen «Bauchweh»

Ich bekomme von meinem Arbeit­geber die Möglichkeit, zwei Tage in der Woche zuhause zu arbeiten. Da ich einen langen Arbeitsweg habe, freut mich das sehr. Tech­nisch sehe ich keine Probleme. Etwas «Bauchweh» macht mir allerdings, ob ich es schaffe, jeweils einen disziplinierten Arbeitstag hinzulegen. Gibt es da Tipps, wie man das hinkriegt?

Stefania G., Zürich

Liebe Frau G.

Wie schön, an zwei Tagen drei Stunden Arbeitsweg zu sparen. Aber Sie haben recht, es braucht schon auch etwas Disziplin, um bei «work at home» Arbeit und Freizeit klar voneinander zu trennen. Darauf würde ich achten, auch wenn heute viele sagen, diese Trennung sei eh nicht mehr einzuhalten.

Raumwahl: Wer längere Zeit zu Hause arbeitet, sollte dafür einen eigenen Raum zur Verfügung haben. Den Arbeitsplatz zum Beispiel im Schlafzimmer einzurichten ist ein absolutes No­go.

Arbeitszeit: Am besten hält man sich zu Hause immer an eine vor­gegebene, selbst gewählte Arbeitszeit. Diese ist vom eigenen Biorhyth­mus abgeleitet. Kommunizieren Sie Ihre Arbeitszeiten nach innen und aussen. Mit innen sind Freunde, Angehörige usw. gemeint. Experimen­tieren Sie mit den Arbeits­ und Freizeiten! Homeoffice ist Neuland und in den meisten Fällen ist man in der Umstellphase auf das übliche Zeitkor­sett fixiert.

Dokumentieren Sie Ihre Tätigkeiten: So ein Homeoffice­Tag ist schnell vorbei und man fragt sich, wo die Zeit geblieben ist. Notieren Sie sich alle Tätigkeiten, auch die privaten. Verschaffen Sie sich damit einen Überblick, nicht zuletzt zu Ihrer Arbeitsorganisation. Überprüfen Sie diese anhand Ihres Zeitblattes: Habe ich gut geplant, welches sind meine Zeitverführer, was lässt sich anders planen?

Erholung planen: Die Zeitautonomie, die mit Homeoffice einher­geht, erlaubt das Ausschöpfen eigener Wünsche an den Tag. Nutzen Sie diese bewusst! Planen Sie Erholungs­ und Begegnungsmöglichkeiten. Das kann ein Spaziergang mit der Nachbarin ein, gemeinsames Mittag­essen oder eine Jogging­Einheit sein. Sie arbeiten nachher zufriedener!

Wichtig! Sobald Sie über mehr als ein paar Tage bei der Heimar­beit nicht auf Ihre Leistung kommen, buchen Sie eine Beratung (allen­falls bei der Personalstelle Ihres Arbeitgebers), damit Sie schnell eine Lösung des Problems finden.

Karrieresprung: Erste FührungsaufgabeDie Probleme gezielt angehenDie Führungsperson im SandwichRollenverständnis klärenFührung smart – Team- und GruppenleitungSein eigenes Führungsverhalten klärenBildungsgang «Führungsfachfrau/-mann (SVF)» mit eidgenössischem FachausweisSich ein breites Wissen in Führungsfragen aneignen und zertifizieren lassenEin Mehr an Zeit – mit ZeitmanagementDen Umgang mit einer kostbaren Ressource lernen

Anmelden: eb-zuerich.ch/new-work

Massimiliana Pagliaro ist ausgebildete Arbeits- und Organisations-psychologin. Neben ihrer Arbeit an der EB Zürich ist sie als systemische Beraterin in ihrer eigenen Praxis tätig. In ihrer Freizeit ist sie passionierte Tangotänzerin.

AUF KURS BLEIBEN

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60 EB NAVI #1 NEW WORK 61

Trecker fahrenEin Bubentraum ist es, einen Traktor zu fahren. Diesen Urwunsch bedient der «Landwirtschaftssimulator 2013» des Zürcher Software­Entwicklers Giants (➝ Seite 54) mit grossem Erfolg. Das hat bereits zahlreiche Nachahmer­Produkte auf den Markt gerufen. Wie der Name verrät, steht hier weniger das Spieleri­sche als die möglichst realistische Re­konstruktion eines bäuerlichen Alltags im Vordergrund. Schnell wird klar, dass die Dinge manchmal eine zenmässige Geduld erfordern. ➝ Landwirtschaftssimulator, PC/Mac

Von den Grossen lernen«Recrutainment» nennt sich die spieleri­sche Auswahl von Personal. Dazu gehört oft der Bereich des Self­Assessments, wo sich Quiz­artige Ansätze online fin­den, um sich ein Eigenbild zu machen. So bietet zum Beispiel der deutsche Ver­lag Gruner + Jahr unter der Bezeichnung «CyPress» Einblicke in verschiedene Aufgabenbereiche. Wer seine Stärken und Schwächen analysieren will, dem bietet www.practiceaptitudetests.com eine gan­ze Palette von IQ­ und Logik­Tests, die Aufschluss geben über abstraktes Vor­stellungsvermögen, Kompetenzen und dergleichen. Was für Firmen gut ist, kann in der Selbstständigkeit nicht schaden.➝ www.recruitingportal.guj.de/selfAC/

preloader.html

Spielendin die Selbstständigkeit

Zuerst am Computer durchspielen, wie man sich als Selbstständige oder Selbstständiger

machen würde: Das ist mit Serious Games und cleveren Online-Tools möglich. Marc Bodmer,

Experte für digitale Medienkompetenz und Kursleiter an der EB Zürich, stellt eine Auswahl vor.

Ich mach dann mal einen EventDie Vorstellung, einen Event oder gar ein Open Air steigen zu lassen, ist verlo­ckend. Diese Idee bietet die Grundlage der zugänglich gehaltenen Wirtschaftssi­mulation «Event Manager» von Post Fi­nance. Auf spielerische Weise werden hier das Basis wissen des Budgetierens vermittelt, die Unterscheidung von Kon­totypen und anderes Nützliches in Zu­sammenhang mit Organisation. Wer ei­nen Refresher in Sachen Buchhaltung sucht, kann online ein Open Air aufbau­en. Rock on. ➝ www.postfinance-eventmanager.ch

Programmieren ist ein KinderspielLego? – Kinderkram. Mit den Klötzchen habe ich in meiner Kindheit gespielt, aber heute . . . Heute lernt man die Grund­lagen fürs Programmieren mit «Lego: Fix the Factory». Im Gratis­App fürs iOS­Geräte gilt es, mit vordefinierten Befeh­len, dargestellt in einfachen Piktogram­men, einem Roboter den Weg zu weisen: eben zu programmieren. Geschult wer­den räumliches Vorstellungsvermögen und die kompromisslose Sprache des Programmierens. ➝ Lego Fix the Factory, iOS

Games – virtuelle Welten, fremde WeltenWie nützlich oder gefährlich Video-Games sindRound Table: Gamen – Spass oder SuchtErfahrungsaustausch für BerufsbildendeMobiles Lernen in der ErwachsenenbildungMit Smartphones und Tablets unterrichtenSoziale Medien gezielt nutzenIndividuelles Lernen mit Social Media

Anmelden: eb-zuerich.ch/new-work

AUF KURS BLEIBEN

Marc Bodmer ist Jurist, Journalist und Experte für digitale Medienkompetenz. Unter anderem berät er Schulen, Eltern und Behörden im Umgang mit digitalen Medien. An der EB Zürich zeigt er im Kurs «Games – virtuelle Welten, fremde Welten» die Chancen und Gefahren für Ausbildende und Erziehende. Bodmer ist verheiratet und Vater eines zehnjährigen Sohnes.

Page 32: EBNavi - Magazin der EB Zürich Nr. 1

«Ich liebe meine Arbeit. Sich der Herausforderung als Jungunternehmer zu stellen, ist sehr erfüllend.» Patrick Baumann ➝ Seite 70

«Ich bin eine Art Fährtenleserin meiner Kundinnen und Kunden. So kann ich für sie persönliche Rituale und Zeremonien gestalten.» LuciAnna Braendle ➝ Seite 70

Page 33: EBNavi - Magazin der EB Zürich Nr. 1

64 EB NAVI #1 NEW WORK 65

EB UniversumAusschnitt New Work

eb-zuerich.ch/new-work

neue Kurse 2014

Diplomkurse

Deutsche Sprache und Text

Deutsch als Zweitsprache

Fremdsprachen

Informatik-Grundlagen

Publishing, Digitale Medien

Softwareentwicklung und IT-Infrastruktur

Management, Kommunikation

Selbstorganisation, Gesellschaft

Berufs- und Erwachsenenbildung

Page 34: EBNavi - Magazin der EB Zürich Nr. 1

Lisa Hübsch (➝ Seite 4)Alter 48Wohnort ZürichFirma/Geschäftsfeld reisenswert – reisen, die alle sinne berührenZufriedenheitsfaktor (1–100) 88 (inhaltlich top, Nachfrage darf durchaus noch wachsen)Grösster Erfolg Dreitages-Touren mit Wandern und Käsen im Schanfigg (von Anfang an unser Renner)Besuchte Kurse an der EB Zürich Bildungsgang Management in Nonprofit-Organisationen

«Wenn ich reise, will ich nicht nur die Gegend, sondern auch die Leute und die Kultur besser kennen lernen. Das biete ich bei reisenswert zusammen mit meiner Geschäftspartnerin an. Da ma-chen die Leute selber mit – je nach Tour beim Käsen, Imken, Jodeln, Töpfern und vielem mehr. Die Leute sehen dann die Schweiz mit anderen Augen. Auch ich entdecke immer wieder Neues, sogar in Gegenden, die ich eigentlich gut kenne. Den Bildungsgang Management in Non-profit-Organisagionen an der EB Zürich habe ich noch als Angestellte besucht. Ich konnte die Management-Tools dann perfekt für das eigene Unterneh-men brauchen und habe auch meine Abschlussarbeit über reisenswert geschrieben. Ein Traum wäre es für mich, ein kleines Bed and Breakfast in den Bergen zu betreiben und von dort aus das Reisebüro zu führen.»

Ariane Costantini (➝ Seite 16)Alter 41 Wohnort KollbrunnFirma/Geschäftsfeld Romantik-Verlag: Was romantische Frauen gerne lesenZufriedenheitsfaktor (1–100) 100 (ein Traum ist in Erfüllung gegangen)Grösster Erfolg Die ersten zwei Bücher ab Herbst im Programm, 2015 bereits vier zusätzlicheBesuchte Kurse an der EB Zürich Bildungsgang Journalismus, Deutsch-diplom der Zürcher Handelskammer, Schreiben zwischen Leben und Fiktion, Bilderbuchtexte schreiben

«Ich verstehe mich als Bücher-Hebam-me: Ich schreibe Texte nicht selber, aber sorge dafür, dass Geschichten ihren Weg in die Welt finden. Dies sind vor allem romantische Romane, natürlich inklusive Happy End – aber niveauvoll geschrieben für die Frau von heute. Mit der Kinderbuchreihe Zauberblume möchte ich ausserdem Kinder zum Le-sen animieren. Es war ein unglaubliches Gefühl, die Probedrucke des ersten Buches in den Händen zu halten. Heute kann ich kaum noch verstehen, dass ich so lange im Finanz- und Rechnungs-wesen arbeitete. Die Deutsch- und Schreibkurse an der EB Zürich haben mir geholfen, mich optimal auf meine neue Tätigkeit vorzubereiten. Jetzt be-suche ich noch einen Stimmtrainings-kurs, um meinen Autorinnen Tipps für Lesungen zu geben. Ich habe die Be-schäftigung meiner Träume gefunden.»

Mirjam Candan (➝ Seite 17)Alter 47 Wohnort Thayngen am Schweizer NordkapFirma/Geschäftsfeld Feng Shui Raum-kunst und SupervisionenZufriedenheitsfaktor (1–100) 99 (denn zu viel Zufriedenheit macht träge)Grösster Erfolg Projektierung eines EFH an extremer Hanglage in Eglisau in Zusammenarbeit mit dem Architekten: Das Resultat macht mein Herz hüpfen.Besuchte Kurse an der EB Zürich Bildungsgang Literarisches Schreiben, Grundzüge der Betriebswirtschaft, Adobe Photoshop und InDesign

«Mit Feng Shui Raumkunst widme ich mich ganz der Interaktion zwischen Mensch, Raum, Natur und Architektur. Ich habe mich immer für Architektur und Gestaltung im Zusammenspiel mit dem Menschen interessiert. Feng Shui bietet dafür wunderbare Möglichkeiten: Ich bin immer wieder aufs Neue überrascht, wie viel schon z.B. ein Wandanstrich in einer auf den Kunden und das Objekt abgestimmten Farbe bewirken kann. Dank dem Betriebswirtschaftskurs an der EB Zürich kann ich mich ohne fremde Hilfe auch um die betriebswirtschaftli-che Seite meiner Firma kümmern. Mein ‹altes› Leben als angestellte Beraterin kann ich mir nicht mehr vorstellen! Meine Vision: dem taoistischen Kon-zept ‹Wu Wei› noch weit konsequenter zu folgen; Nicht-Tun, im Sinne von un-angestrengtem, mühelosem Tun …»

66 EB NAVI #1 NEW WORK 67

Livia de Bahia Stöckli (➝ Seite 28)Alter 40 Wohnort ZürichFirma/Geschäftsfeld DJane, Party-veranstalterin und Musikproduzentin, Sozial pädagogin (in Ausbildung) für BehindertenbetreuungZufriedenheitsfaktor (1–100) 90 Grösster Erfolg Dass wir in Montreux jetzt mit dem «El Mundo» eine richtige Arena mit entsprechendem Komfort und Ambiente präsentieren können; eine Vision von vor 15 Jahren ist wahr gewordenBesuchte Kurse an der EB Zürich Bildungsgang Projektmanagement, Deutsch C2 (Goethe-Diplom)

«Musik ist mein Leben. Schon mit sieben habe ich die Plattensammlung meines Onkels sortiert und die ersten eigenen Schallplatten geschenkt bekommen. Ich komme aus einer Familie von Radio-Leuten, mit 22 hatte ich meine eigene Radio-Show bei Radio Tropical. Bald folgten Sets als DJane im Mascotte und im Kaufleuten. Heute noch lege ich Partytunes und Latino-Sound auf, bin aber auch Eventmanagerin für Salsa-Events und bin Teil des Projekts «El Mundo», einer Latino-Arena am Montreux Jazz Festival. Dafür hat mir der Bildungsgang in Projekt-Manage-ment sehr geholfen: Ich habe gelernt, strukturiert zu arbeiten. Künstler sind chaotisch, haben zu viele Ideen im Kopf. Um Ideen zu Papier zu bringen und zu entwickeln, braucht es eine klare Struk-tur. Mein Traum: Ein Internet-Radio für Latino-World-Music und eine Latino-Parade in Zürich.»

Galerie der

innovativenZwölfRituale, Bier und Velokultour.

New Work bietet auch Chancen,

sich in neuen Berufsfeldern zu

positionieren: Ein Dutzend Gründerinnen

und Gründer aus dem Kundenstamm

der EB Zürich präsentiert sich

mit Steckbrief und Geschäftsidee.

Page 35: EBNavi - Magazin der EB Zürich Nr. 1

Eva Kelemen (➝ Seite 29) Alter nicht erwähnenswert ;-)Wohnort ZürichFirma/Geschäftsfeld Geschäftsführe-rin / Inhaberin Eva’s Apples, erster veganer Laden in ZürichZufriedenheitsfaktor (1–100)Sind die Kunden zufrieden, bin ich es auch Grösster Erfolg Gelernt zu haben, dass es trotz scheinbar unüberwindbarer Hürden immer irgendwie gut kommtBesuchte Kurse an der EB Zürich Selbstständigkeit – von der Idee zur Gründung

«Ich lebe seit einiger Zeit vegan und fand, dass die Schweiz einfach einen veganen Laden braucht. Mit Eva’s Apples möchte ich mithelfen, Vorurteile gegen-über der veganen Ernährung abzubauen und die Menschen an eine gesündere und bewusstere Lebensweise heran-führen. Viele Menschen schliessen sich ja einer Idee erst an, wenn sie Main-stream geworden ist. Für die vegane Bewegung sind wir also Wegbereiter und leisten Pionierarbeit. Die Gründung hat mein Leben total auf den Kopf ge-stellt: Ich hatte mich auf viel Arbeit ein-gestellt, aber wenn ich gewusst hätte, was ein Ladengeschäft an Aufwand mit sich bringt, hätte ich den Schritt wohl nicht gewagt. Jetzt bin ich aber sehr stolz auf das, was ich alles gemeinsam mit meinem Team gemeistert habe.»

Beatrice Graf (➝ Seite 49)Alter 53 Wohnort ZürichFirma/Geschäftsfeld boule rouge, Her-stellung von Taschen und AccesoiresZufriedenheitsfaktor (1–100) 100!Grösster Erfolg immer wiederkehrende, begeisterte Kunden, die die Funktionali-tät und die eigenwilligen Farbkombina-tionen lieben und vom «Suchtfaktor» sprechen – sowie die tolle Zusammen-arbeit mit der sozialen Institution «Fein-schliff»!Besuchte Kurse an der EB Zürich Selbstständigkeit – von der Idee zur Gründung

«In boule rouge kann ich meine Kreativi-tät und Energie ungebremst einfliessen lassen. Ich setze mich bewusst und konsequent mit hochwertigen, schönen und funktionalen Materialien auseinan-der, um daraus ein Produkt herzustellen, das zu 100 Prozent in der Schweiz ent-steht! Dabei geniesse ich den spannen-den Austausch mit Kundinnen und an-deren künstlerisch Arbeitenden sehr. Ich wollte selbstständig leben und der Selbständigkeitskurs an der EB Zürich hat mich darin bestätigt, dass das reali-sierbar ist. Jetzt kann die ‹Quelle› so richtig sprudeln, das Herzblut und mei-ne Eigenwilligkeit dürfen leben! Meine Vision? Ich möchte einfach weiterhin ein Schweizer Produkt in 100 Prozent Handarbeit herstellen – ohne dabei Kompromisse machen zu müssen.»

Karl Wüest (➝ Seite 53)Alter 59 Wohnort ZürichFirma/Geschäftsfeld Velokultouren (seit 2010); bewegte Kulturevents abseits bekannter Routen, Redaktor Schweizer Feuilleton-DienstZufriedenheitsfaktor (1–100) 80Grösster Erfolg Ein ganztägiger Jahres-ausflug für die Bildungsdirektion des Kantons ZürichBesuchte Kurse an der EB Zürich Selbstständigkeit von der Idee zur Grün-dung, Geschichte des Schweizer Films

«Mit dem Velo durch die Landschaft zu kurven, ist ein grosser Genuss, und mit Velokultouren bringe ich den Menschen die Kultur näher, die nicht Mainstream ist. Mit Velokultouren habe ich erstmals unternehmerische Luft geschnuppert, und davon hätte ich gern mehr. Es wäre hervorragend, wenn ich mich nur noch in die Entwicklung einbringen könnte, mich um die konzeptionelle Aufbauar-beit kümmern könnte – die Vermark-tung würde ich gern abgeben in eine gute Partnerschaft. Ich hoffe, dass die Velokultouren sich zu einem Full-time-Job entwickeln. Dank dem Selbst-ständigkeitskurs an der EB Zürich wusste ich, dass es schwer wird, sich zu etab-lieren, und dass Firmengründer einen langen Schnauf brauchen. Gute Ideen sind wichtig, aber gleichzeitig muss man sie auch vermarkten und verkaufen können.»

Ute Müller (➝ Seite 34)Alter 43 Wohnort ZürichFirma/Geschäftsfeld Partitur GmbH: Werbung, Dialog, Design Zufriedenheitsfaktor (1–100) 120Grösster Erfolg glückliche, zufriedene Kunden Besuchte Kurse an der EB Zürich Selbstständigkeit – von der Idee zur Gründung

«Partitur steht für die Vielstimmigkeit meiner Arbeit: Je nach dem, was der Kunde sich wünscht, kann ich die Kom-position und die Instrumente individuell anpassen: klassische Werbung, Bran-ding, Dialog-Marketing usw. In die Selbstständigkeit trieb mich meine Neugier. Ich wollte neue Erfahrungen sammeln, mich neuen Herausforderun-gen stellen. Der Kurs an der EB Zürich brachte die dafür nötige Klarheit über mich, meine Situation und den zu be-schreitenden Weg. Mit dem Schritt in die Selbstständigkeit habe ich Freiheit und Lebensqualität gewonnen; Ent-scheidungen liegen bei mir, ich bin näher an den Kunden, und ihr Feedback motiviert unglaublich. Ich liebe meinen Beruf und möchte ihn ausüben, so lange es mir möglich ist. Meine neue Vision: Ich möchte ein ganz neues Pro-dukt auf den Markt bringen.»

Ursula Tellenbach (➝ Seite 30)Alter 49 Wohnort Rheinau Firma/Geschäftsfeld Benedix Kloster-bräu Rheinau: eine helle und eine dunkle Biersorte Zufriedenheitsfaktor (1–100) 80 (die Logistik könnte noch besser werden)Grösster Erfolg Dass wir seit Beginn an der Antrinkete auf dem Klosterplatz ausschenken dürfenBesuchte Kurse an der EB Zürich Einstieg in Marketing und Werbung

«Vor vierzehn Jahren probierten mein Mann und ich nach einem Buch aus, wie man Bier braut. Am Anfang mach-ten wir das noch in der Küche, bis wir uns vor Dampf kaum mehr sahen. Dann haben wir nach und nach die Einrichtun-gen professionalisiert. Heute schenken wir regelmässig bei den Rheinauer Festen aus und gehen mit unserem Ausschanktisch auch an Privatpartys. Ich mache die körperliche Arbeit beim Bierbrauen gerne, und bei den Ausliefe-rungen erhält man viele schöne Reakti-onen. Der Kurs in Marketing und Wer-bung an der EB Zürich hat mir gezeigt, wie wir uns vermarkten können. Auf nächsten Winter planen wir den Ver-kauf ab Rampe und die Flaschenabfül-lung, dann wird das noch wichtiger. Super wäre es, wenn wir später einmal Bars und Restaurants regelmässig mit unserem Bier beliefern könnten.»

68 EB NAVI #1 NEW WORK 69

Page 36: EBNavi - Magazin der EB Zürich Nr. 1

LuciAnna Braendle (➝ Seite 63)Alter 51 Wohnort Elsau ZHFirma/Geschäftsfeld Private Praxis ceremony.ch: Beratungen, Seminare, Gestaltung von Ritualen und ZeremonienZufriedenheitsfaktor (1–100) 92 (weil es noch Erweiterungspotenzial gibt)Grösste Freude Mitzuerleben, wie bei der Abschiedszeremonie einer Frau, die sich das Leben genommen hat, bei den Angehörigen eine Versöhnung mit der Geschichte stattfinden konnteBesuchte Kurse an der EB Zürich Erwachsenenbildung SVEB 1, Bildungs-gang Management in Nonprofit-Organi-sationen

«Ich bin überzeugt, dass alle Leute das Wissen in sich tragen, welcher Weg für sie am besten ist. Ich begleite sie dabei, dieses Wissen freizulegen – deshalb bezeichne ich mich gerne als Fährtenleserin. Mit meiner Praxis cere-mony.ch biete ich unter anderem indivi-duelle Rituale und Zeremonien an, bei-spielsweise für die Hochzeit, den Tod einer nahen Person oder ein wichtiges Lebensthema. Rituale mit der Kraft ihrer Bilder und Symbole helfen, etwas Altes abzuschliessen und etwas Neues zu beginnen. Ich selber habe schon als Kind gerne Rituale durchgeführt. Jetzt kann ich mit meinem Wissen und meiner Erfahrung Menschen in wichtigen Mo-menten begleiten, das ist sehr schön. Der Management-Bildungsgang an der EB Zürich hat mir für meine Arbeit mehr Sicherheit gegeben, unter anderem auch im Auftreten.»

Patrick Baumann (➝ Seite 62)Alter 27 Wohnort OberhallauFirma/Geschäftsfeld Visual Effects und Postproduction für Film und Werbung, Cloudscape GmbHZufriedenheitsfaktor (1–100) 98 Grösster Erfolg Jedes neue Projekt ist ein Erfolg für sich und unterstreicht den Erfolg all unserer bisherigen ArbeitenBesuchte Kurse an der EB Zürich Bildungsgang 3D-Visualisierung und -Animation 2008

«3D-Grafik und -Animation war lange mein Hobby. Nach meiner Ausbildung als Mediamatiker wollte ich professio-nell in dieser Branche Fuss fassen. Dazu absolvierte ich den berufsbeglei-tenden Vorkurs an der ZHdK sowie den 3D-Bildungsgang an der EB Zürich. So konnte ich mein bisheriges Wissen in Cinema 4D vertiefen und wichtige Kon-takte knüpfen. Zusammen mit zwei Mit-arbeitern aus dem Team, in dem ich ein Praktikum machen konnte, gründete ich später das Unternehmen Cloudscape. Selbstständigkeit bedeutet auch Selbstverantwortung, alle müssen Voll-gas geben, damit es funktioniert. Wir hatten jedoch Glück und konnten uns gut im Markt positionieren, und trotz einiger Schwierigkeiten sind wir jetzt schon fünf Jahre dabei. Für die Zukunft hoffe ich, weiterhin an spannenden Projekten teilnehmen zu können.»

Michaela Brunner (➝ Seite 56)Alter 38 Wohnort ZürichFirma/Geschäftsfeld Industriedesign / ErlebnisszenographieZufriedenheitsfaktor (1–100) 86 Grösster Erfolg Eintritt in die Selbst-ständigkeitBesuchte Kurse an der EB Zürich Bildungsgang 3D-Visualisierung und -Animation, InDesign, Illustrator 2008

«Ich studierte ursprünglich Industrie-design. Der Übertritt in die Berufswelt gestaltete sich nicht ganz einfach. Ich musste meinen Weg finden. Visualisie-rung war dabei immer ein Thema. 2007 machte ich mich selbstständig. Mit dem Besuch des Bildungsgangs 3D-Visualisierung und -Animation wollte ich mich handwerklich verbessern, damit ich einfacher und schneller kommunizie-ren konnte. Mir ist es wichtig, dass der Computer Werkzeug bleibt und ich mich nicht von ihm steuern lasse. Wenn ich dieses Vertrauen habe, kann ich mich bei einem Auftrag voll auf die Gestaltung konzentrieren. Gerne würde ich mich in Zukunft etwas weniger von Zeit- und Gelddruck leiten lassen, ich würde auch gerne mal wieder etwas mit den Händen machen. Weiterbildungsmöglichkeiten sehe ich vor allem in der Fotografie oder der Grafik.»

VORSCHAU

70 EB NAVI #1

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ühlebachstassse.

Zollikerstrasse

Fröhlich

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Pfauen KunsthausTram 3, 5, 8, 9,Bus 31

Kreuzplatz Klusplatz

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EB Zürich Wege zur WeiterbildungDie EB Zürich ist die grösste Weiterbildungs-Institution

der Schweiz, die von der öffentlichen Hand getragen wird.

Digitalisierung: Schöne, neue WeltUnsere Arbeitskraft wird immer mehr durch Algorithmen oder computerge-steuerte Geräte ersetzt. Wie verändert die digitale Ära unseren Alltag, lernen wir zum Beispiel immer leichter und werden dadurch gescheiter oder führt der Weg in die «digitale Demenz», so wie es der deutsche Professor Manfred Spitzer voraussagt?

EBNavi #2 schaut genauer hin.

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