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Dynamik und Mechanismen
der heterogenen Elektronentransferprozesse
von synthetischen und natürlichen Hämproteinen
vorgelegt von
Diplom Chemiker
Tim Albrecht
aus Essen
Von der
Fakultät II - Mathematik und Naturwissenschaften
der Technischen Universität Berlin
zur Erlangung des akademischen Grades
Doktor der Naturwissenschaften
Dr. rer. nat.
genehmigte Dissertation
Promotionsausschuß:
Vorsitzender: Prof. Dr. Martin Schoen
Berichter/ Gutachter: Prof. Dr. Peter Hildebrandt
Berichter/ Gutachter: Prof. Dr. Gerhard H. Findenegg
Tag der wissenschaftlichen Aussprache: 08. September 2003
Berlin 2003
D83
II
Abstract
Tim Albrecht: „Dynamik und Mechanismen der heterogenen Elektronentransferprozesse
von synthetischen und natürlichen Hämproteinen“
Die Synthese von de novo Proteinen eröffnet eine Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten,
die die Verwendung als Modellsysteme zur Erforschung grundlegender chemischer oder bio-
chemischer Prozesse einschließt.
Im Rahmen dieser Arbeit wurden synthetische de novo Hämproteine mit einer Vier-Helix-
Bündel-Struktur verwendet, um erstmals an diesen Systemen die Dynamik und die Mecha-
nismen von heterogenen Elektronentransferreaktionen an modifizierten Metallelektroden im
Detail zu untersuchen.
Es wurden fünf verschiedene de novo Proteine synthetisiert, wobei alle fünf Proteine im
gewünschten Ligandierungszustand des Hämeisens vorlagen. Die geringe Stabilität und
Kooperativität bei chemisch induzierter Entfaltung deutete allerdings darauf hin, daß die
Qualität der Faltung der de novo Proteine im Vergleich zu natürlichen Proteinen Defizite auf-
wies.
Die Immobilisierung der Proteine gelang je nach Proteindesign über elektrostatische, hydro-
phobe oder kovalente Wechselwirkungen an entsprechend modifizierten Metalloberflächen.
Die immobilisierten de novo Proteine zeigten ein nichtideales elektrochemisches Verhalten
mit deutlich verbreiterten Redoxübergängen. Ihre Stabilität reichte für kinetische Elektronen-
transferuntersuchungen nicht aus. Zum ersten Mal gelang jedoch die Abbildung von immobi-
lisierten de novo Proteinen mit Hilfe von in situ Rastertunnelmikroskopie.
Im Gegensatz dazu eignete sich Cytochrom b562, ein strukturell sehr ähnliches, natürliches
Hämprotein, sehr gut für die Untersuchung von heterogenen Elektronentransferprozessen an
Metalloberflächen. Das immobilisierte Cytochrom b562 Wildtyp zeigte ein nahezu ideales
elektrochemisches Verhalten und einem Redoxpotential, das dem Wert des Proteins in
Lösung entspricht. Das Redoxpotential nahm mit dem Abstand dA zwischen Hämzentrum
und Metalloberfläche in H2O zu und in D2O ab und zeigt damit einen umgekehrten Trend in
den beiden Lösungsmitteln.
Die Bestimmung der Geschwindigkeitskonstanten kET ergab ein nichtmonotones Verhalten
mit zunehmendem Abstand dA zur Metalloberfläche. Auf Monoschichten von mittlerer Länge
kam es im Vergleich zu kurzen Monoschichten zunächst zu einer Zunahme der Elektronen-
transfergeschwindigkeit und erst bei längeren Monoschichten erfolgte die erwartete Ab-
nahme von kET. Ein kinetischer Isotopieeffekt konnte nicht festgestellt werden. Diese Befunde
konnten qualitativ auf der Grundlage eines einfachen Modells zur Beschreibung der
Potentialverteilung in der Grenzschicht erklärt werden.
III
Diese Arbeit wurde in der Zeit von Mai 2000 bis Oktober 2001 am Max-Planck-Institut für
Bioanorganische Chemie in Mülheim/Ruhr (vormals MPI für Strahlenchemie) und von
November 2001 bis Februar 2003 am Instituto de Tecnologia Química e Biológica (ITQB),
Universidade Nova de Lisboa in Oeiras, Portugal angefertigt.
Ich möchte mich bei allen bedanken, die mich während meiner Arbeit durch ihr Interesse,
ihre Diskussions- und Hilfsbereitschaft unterstützt haben. Im besonderen gilt mein Dank
Prof. Dr. Peter Hildebrandt für die interessante Themenstellung, seine Unterstützung und
die Betreuung der Arbeit,
Prof. Dr. Gerhard H. Findenegg für die Übernahme des Koreferats,
Prof. Dr. Karl Wieghardt, Prof. Dr. Kurt Schaffner und Prof. Dr. Wolfgang Lubitz sowie
Prof. Dr. Manuel Nunes da Ponte und Prof. Dr. Peter Lindley für die Aufnahme am Max-
Planck-Institut und am ITQB,
Prof. Dr. Wolfgang Haehnel und vor allem Prof. Dr. Jens Ulstrup für ihre Gastfreundschaft
während der Arbeit in ihren Arbeitsgruppen,
den Mitarbeitern meiner Arbeitsgruppe und ganz besonders Dr. Robert Schnepf für ihre
ständige Hilfs- und Diskussionsbereitschaft,
Dr. Daniel Murgida für die Einführung in die SERR-Spektroskopie,
Patric Hörth und Dr. Bernhard Monien für die Aufnahme der Massenspektren und ihre
Unterstützung bei der Proteinsynthese,
Dr. Jingdong Zhang und Dr. Hainer Wackerbarth für die Einführung in die in situ Raster-
tunnelmikroskopie,
Corinna Manroth, Christoph Breitenstein und Dr. Sebastian Sinnecker für ihre Korrektu-
ren und Anregungen,
Helen Kexel für ihre unermüdliche Unterstützung während dieser Zeit
und der Volkswagen-Stiftung sowie der Studienstiftung des deutschen Volkes für die
Finanzierung von Teilen der Arbeit.
IV
Kein Teil der vorliegenden Arbeit wurde bereits veröffentlicht.
V
Meinen Eltern
VI
„Erfahrung ist fast immer eine Parodie auf die Idee“
(Johann Wolfgang von Goethe)
VII
I. EINLEITUNG.......................................................................................................................................................................1
II. GRUNDLAGEN.................................................................................................................................................................5
A. PROTEINSYNTHESE .......................................................................................................................................................... 6
1. Protein de novo Design..............................................................................................................................................6
2. Die Synthese von Vier-Helix-Bündel-Proteinen nach dem TASP-Konzept.......................................................8
B. CYTOCHROM B562 ......................................................................................................................................................... 14
C. ELEKTRONENTRANSFERTHEORIE ................................................................................................................................ 16
1. Grundbegriffe .............................................................................................................................................................16
2. Elektronentransfer an der Metallelektrode ..........................................................................................................20
3. Kinetischer Isotopieeffekt und Elektronentransfer ..............................................................................................22
4. Elektronentransfer in biologischen Systemen ......................................................................................................23
D. RASTERTUNNELMIKROSKOPIE..................................................................................................................................... 24
E. CYCLOVOLTAMMETRIE UND VERWANDTE METHODEN ........................................................................................... 27
F. DIE THEORIE DES RAMAN-EFFEKTES.......................................................................................................................... 29
1. DER RAMAN-EFFEKT ..................................................................................................................................................... 29
2. DER RESONANZ-RAMAN-EFFEKT ................................................................................................................................ 30
3. DER OBERFLÄCHENVERSTÄRKTE RAMAN-EFFEKT ................................................................................................... 31
4. RESONANZ-RAMAN-SPEKTROSKOPIE AN PORPHYRINEN......................................................................................... 32
G. RELAXATIONSKINETIK.................................................................................................................................................. 34
III. MATERIAL UND METHODEN...............................................................................................................................36
A. PROTEINSYNTHESE ........................................................................................................................................................ 37
1. Manuelle Synthese im Rührkesselreaktor.............................................................................................................37
2. Automatisierte Synthese im Rohrreaktor..............................................................................................................38
3. Synthese der de novo Proteine................................................................................................................................39
B. PROTEINCHARAKTERISIERUNG.................................................................................................................................... 45
1. ESI-Massenspektrometrie........................................................................................................................................45
2. Umkehrphasen-Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (RP-HPLC) .......................................................45
3. UV-vis-Absorptionsspektroskopie..........................................................................................................................45
4. Stabilität der de novo Proteine...............................................................................................................................46
5. Bestimmung der Extinktionskoeffizienten .............................................................................................................47
6. Gelfiltrationschromatographie...............................................................................................................................48
C. CHARAKTERISIERUNG DER GRENZSCHICHT UND DER ADSORBIERTEN PROTEINE............................................... 48
1. Poly- und einkristalline Goldelektroden für elektrochemische Messungen....................................................48
2. Präparation der Silberelektroden und Oberflächenmodifikation.....................................................................49
3. Raman-Spektroskopie in Lösung und auf der Oberfläche..................................................................................56
4. Cyclovoltammetrie und verwandte elektrochemische Methoden......................................................................61
VIII
D. IN SITU RASTERTUNNELMIKROSKOPIE (IN SITU STM).............................................................................................. 62
1. Aufbau des Mikroskops............................................................................................................................................62
2. Herstellung der Spitzen ............................................................................................................................................63
3. Vorbereitung der Au(111)-Elektroden ..................................................................................................................64
4. Durchführung einer STM-Messung........................................................................................................................64
IV. ERGEBNISSE.................................................................................................................................................................65
A. CHARAKTERISIERUNG DER DE NOVO PROTEINE IN LÖSUNG.................................................................................... 66
1. Massenspektrometrische Identifizierung...............................................................................................................66
2. UV-vis-Spektroskopie...............................................................................................................................................67
3. Chemisch induzierte Entfaltung der de novo Proteine.......................................................................................70
4. Gelfiltrationschromatographie...............................................................................................................................73
5. Resonanz-Raman-Spektroskopie ............................................................................................................................74
B. CHARAKTERISIERUNG DER DE NOVO PROTEINE AN DER ELEKTRODE.................................................................... 80
1. Eigenschaften der adsorbierten Thiole .................................................................................................................80
2. Elektrochemische Charakterisierung der de novo Proteine..............................................................................84
3. Stationäre SERR-Spektroskopie .............................................................................................................................93
3.2 Das Protein MOP-P2 .............................................................................................................................................97
3.3 Das Protein MOP-P3 .......................................................................................................................................... 101
3.4 Das Protein MOP-C ............................................................................................................................................ 104
3.5 Das Protein MOP-F............................................................................................................................................. 108
C. MESSUNG DER ELEKTRONENTRANSFERKINETIK AN MOP-C: TR SERRS.........................................................112
D. IN SITU RASTERTUNNELMIKROSKOPIE AN MOP-C UND MOP-P3........................................................................115
1. Das Protein MOP-C............................................................................................................................................... 115
2. Das Protein MOP-P3............................................................................................................................................. 121
E. CHARAKTERISIERUNG VON CYTOCHROM B562 IN LÖSUNG ..................................................................................124
1. UV-vis-Spektroskopie............................................................................................................................................ 124
2. Resonanz-Raman-Spektroskopie ......................................................................................................................... 126
F. CHARAKTERISIERUNG VON CYTOCHROM B562 WT UND R98C AN DER ELEKTRODE ......................................128
1. Die Immobilisierung von Cytochrom b562........................................................................................................ 128
2. Die spektralen Parameter zur Analyse von Cyt b562 WT und R98C............................................................ 131
3. Thermodynamische Untersuchungen an Cytochrom b562............................................................................. 133
G. ELEKTRONENTRANSFERKINETIK DES CYTOCHROM B562......................................................................................141
IX
V. DISKUSSION................................................................................................................................................................. 147
A. UNTERSUCHUNG DER DE NOVO PROTEINE...............................................................................................................148
1. Proteinfaltung: Stabilität und Kooperativität ................................................................................................... 148
2. Adsorption und Redoxgleichgewichte an der Oberfläche............................................................................... 150
3. Spezifische Probleme bei der Untersuchung der de novo Proteine .............................................................. 151
B. CYTOCHROM B562 .......................................................................................................................................................155
1. Adsorptionseigenschaften..................................................................................................................................... 155
2. Cytochrom b562 in der elektrischen Doppelschicht ........................................................................................ 157
3. Das Elektronentransferverhalten von Cyt b562 WT......................................................................................... 162
VI. ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK........................................................................................................ 164
VII. ANHANG..................................................................................................................................................................... 168
A. DETAILS ZUR SYNTHESE VON MOP-P1 UND MOP-P2..........................................................................................169
1. Die Massen der Peptidfragmente ........................................................................................................................ 169
2. Daten zur Aufreinigung der Proben mittels RP-HPLC.................................................................................... 170
B. MATHCAD-PROGRAMME............................................................................................................................................171
1. Topologische Auswertung von STM-Bildern..................................................................................................... 171
2. Simulation von Cyclovoltammogrammen........................................................................................................... 177
3. Komponentenanalyse von UV-vis-Spektren....................................................................................................... 181
4. Fit von „trumpet plots“ unter Berücksichtigung der Fermi-Funktion ......................................................... 183
5. Der „m“-Parameter für die Auswertung kinetischer Daten nach Laviron ................................................. 185
X
Abkürzungsverzeichnis
(t-) Boc t-Butoxycarbonyl
5c fünffach koordiniert
6c sechsfach koordiniert
6coxLS sechsfach koordiniert oxidiert low spin Konfiguration
A-C6 6-Aminohexylmercaptan
Acm Acetamidomethyl
Alloc Allyloxycarbonyl
C12F Dodecylmercaptan
C3 3-Mercaptopropansäure
Fmoc Fluorenyloxycarbonyl
HS high spin
LS low spin
MOP modulares Protein
OtBu t-Butoxy
Pbf 2,2,4,6,7-Pentamethyldihydrobenzofuran-5-sulfonyl
rd reduziert
RR Resonanz-Raman
SAM self-assembled monolayer, selbstorganisierte Monoschicht
SER(S) surface-enhanced Raman (spectroscopy )
SERR(S) surface-enhanced resonance Raman (spectroscopy)
oberflächenverstärkte Resonanz-Raman-Spektroskopie
SIMP Succinimidylmaleinimidopropionyl
STM scanning tunnelling microscopy, Rastertunnelmikroskopie
TASP template-assembled synthetic protein
TFA Trifluoressigsäure
Trt Trityl
UV Ultraviolett
vis visible, sichtbar
WT Wildtyp
z Anzahl der übertragenen Elektronen pro Redoxereignis
„Nernst-Parameter“
XI
Drei- und Einbuchstabencode für Aminosäuren
Aminosäure Xxx-Code Y-Code
Alanin Ala A
Arginin Arg R
Asparagin Asn N
Aspartat Asp D
Cystein Cys C
Glutamat Glu E
Glutamin Gln Q
Glycin Gly G
Histidin His H
Isoleucin Ile I
Leucin Leu L
Lysin Lys K
Methionin Met M
Phenylalanin Phe F
Prolin Pro P
Serin Ser S
Threonin Thr T
Tryptophan Trp W
Tyrosin Tyr Y
Valin Val V
I. EINLEITUNG 1
I. Einleitung
I. EINLEITUNG2
Bei einem großen Teil von Redoxproteinen erfolgt der Elektronentransfer (ET) über große
Distanzen, die zum Teil in der Größenordnung von 10 Å liegen (langreichweitiger ET). Dies
schließt einen direkten Kontakt der Redoxzentren aus und erfordert die Beteiligung von da-
zwischen liegenden Aminosäuren an der ET-Reaktion. Die Mechanismen dieser Reaktionen
sind jedoch trotz einer Vielzahl von experimentellen und theoretischen Arbeiten im Detail
noch nicht vollständig verstanden, so daß mehrere theoretische Erklärungsansätze neben-
einander vorliegen. Gibt es spezifische ET-Wege oder spielt nur der Abstand der Redoxzen-
tren eine wichtige Rolle? Welchen Einfluß haben bestimmte Aminosäuren auf die ET-
Eigenschaften eines Redoxsystems?
Speziell in biologischen Systemen erfolgt ET häufig intermolekular über geladene Grenzflä-
chen und trotz der großen Bedeutung dieser Prozesse in der Natur ist die Rolle der Ladungs-
verteilung in der Grenzschicht und der dort vorherrschenden elektrischen Felder erst in
Ansätzen untersucht worden.
Die Ursache für diese Defizite im Verständnis von ET-Prozessen liegt zum Teil darin
begründet, daß es an Modellsystemen mangelt, die eine präzise Untersuchung der für den
ET relevanten Parameter zulassen. Mit Hilfe der gerichteten Mutagenese ist es zwar
möglich, an verschiedenen Stellen zusätzliche Redoxzentren in natürlichen Proteinen einzu-
führen und dann den ET zum Kofaktor des Proteins zu untersuchen. Doch werden dadurch
in der Regel gleich mehrere Parameter verändert, die den ET beeinflussen können. Dazu
zählen neben der ET-Distanz auch die Zusammensetzung des ET-Weges, die treibende
Kraft für die Reaktion und die elektronische Kopplung zwischen den Redoxzentren.
Außerdem ist der Modellcharakter solcher Untersuchungen für heterogene ET-Reaktionen
nur begrenzt, da zum Beispiel Adsorptions-/Desorptionsprozesse nicht simuliert werden
können.
Genau an diesen Punkten soll die vorliegende Arbeit anknüpfen und einen Beitrag zum
Verständnis heterogener Elektronentransferprozesse leisten.
Eine Alternative zur gerichteten Mutagenese von natürlichen Proteinen besteht in der
Herstellung von synthetischen Proteinen mit Hilfe der de novo Synthese. Die gewünschten
Aminosäuresequenzen werden dabei auf chemischem Weg hergestellt, so daß die Zusam-
mensetzung des Proteins in weiten Grenzen kontrolliert werden kann. Die im Rahmen dieser
Arbeit verwendeten templatgestützten Vier-Helix-Bündel-Proteine wurden zum Beispiel mit
jeweils zwei Histidinen zur Bindung eines Redoxzentrums wie der Hämgruppe ausgestattet.
Durch die Veränderung der Position dieser Histidine innerhalb des Vier-Helix-Bündels ist es
im Prinzip möglich, die ET-Distanz zu einem Redoxpartner zu verringern, ohne dabei
gleichzeitig die Zusammensetzung des ET-Weges zu verändern.
I. EINLEITUNG 3
Außerdem erlaubt die Protein de novo Synthese die Variation der Oberflächenzusammenset-
zung der Proteine, so daß verschieden geladene Bindungsdomänen zwischen dem Protein
und seinem Redoxpartner, wie z. B. in der vorliegenden Arbeit einer modifizierten Metall-
oberfläche, erzeugt werden können.
Modifizierte Metalloberflächen können als Modellsysteme für heterogenen ET an biologi-
schen Grenzschichten dienen, da ihre Struktur und die Ladungsverteilung in der Grenz-
schicht gewisse Ähnlichkeiten zu geladenen Doppelschichten von Membranen aufweist.
Die Modifikation der Metalloberfläche erfolgt mit Hilfe von bifunktionalen Alkylthiolen, die bei
ausreichender Kettenlänge auf Metalloberflächen homogene selbstorganisierte Monoschich-
ten mit hoch geordneter Struktur bilden (self-assembled monolayer, SAM).
Durch Variation der zweiten funktionellen Gruppe dieser Alkylthiole können so die Eigen-
schaften der Monoschicht in weiten Grenzen verändert werden. COOH-terminierte Mono-
schichten stellen in einer neutralen Meßlösung zum Beispiel eine negativ geladene SAM dar,
während aminoterminierte Monoschichten eine positive Nettoladung aufweisen.
Die Modifikation der Metalloberflächen beugt zum einen einer Denaturierung des Proteins
auf der „blanken“ Metalloberfläche vor, wie sie beispielsweise bei Cytochrom c beobachtet
wurde. Zum anderen können die Eigenschaften der modifizierten Metalloberfläche so verän-
dert werden, daß die spezifische Bindung eines Proteins mit einer bestimmten Bindungsdo-
mäne möglich wird. Über die Dicke der Monoschicht kann außerdem die ET-Distanz
zwischen Protein und Metalloberfläche in definierter Form verändert werden.
Das Verständnis von ET-Prozessen immobilisierter Proteine erfordert eine Fülle von Informa-
tionen über das untersuchte System. Konventionelle elektrochemische Methoden leisten
bereits einen wertvollen Beitrag dazu, doch liefern sie keine strukturellen Informationen über
die am ET beteiligten Spezies. Deshalb kann zum Beispiel eine Kopplung von
Konformationsänderungen mit dem eigentlichen ET-Schritt nicht unmittelbar nachgewiesen
werden.
Oberflächenverstärkte Resonanz-Raman-Spektroskopie (surface-enhanced resonance
Raman spectroscopy, SERRS) bietet demgegenüber entscheidende Vorteile. Bei dieser
Methode macht man sich zwei Effekte zunutze, die die sonst relativ schwache Raman-
Streuung verstärken. Dies sind der Oberflächenverstärkungseffekt, der beispielsweise auf
molekulare Spezies in der Nähe von Silberberflächen wirkt, und der Resonanzeffekt, der zu
einer Verstärkung bestimmter Raman-Moden führt, wenn die Frequenz des Anregungslichtes
in Resonanz mit einem elektronischen Übergang ist.
I. EINLEITUNG4
Durch die Kombination beider Effekte ist SERR-Spektroskopie so empfindlich, daß selektiv
das Verhalten von Hämproteinen auf Silberoberflächen potential- und zeitabhängig unter-
sucht werden kann. Gleichzeitig erhält man mit dem SERR-Spektrum detaillierte Informatio-
nen bezüglich des Redox- und Ligandierungszustandes der Hämgruppe, so daß die SERR-
Spektroskopie in diesem Fall ein ideales Werkzeug zur Untersuchung heterogener ET-
Prozesse darstellt.
Zusammen mit elektrochemischen Techniken und der in situ Rastertunnelmikroskopie steht
somit eine Pallette von Methoden zur Verfügung, die eine Fülle von komplementären Infor-
mationen zu dem immobilisierten Redoxsystem liefern kann.
Trotz der potentiellen Vorzüge von synthetischen de novo Proteinen im Vergleich zu natürli-
chen Proteinen, sind solch detaillierte ET-Untersuchungen an diesen Systemen noch nicht
durchgeführt worden.
Es gilt also herauszufinden, inwieweit de novo Proteine tatsächlich für die gestellte Aufgabe
geeignet sind. Dazu müssen die Proteine zunächst synthetisiert und in Lösung charakteri-
siert werden. Das Design der Proteine muß sich bereits an einer möglichen Immobili-
sierungsstrategie orientieren und eine Bindungsdomäne für die Immobilisierung an modifi-
zierten Metalloberflächen aufweisen. In diesem Zusammenhang soll die Bindung an die
Oberfläche über elektrostatische, hydrophobe und kovalente Wechselwirkungen getestet
werden.
Nach der erfolgreichen Immobilisierung an der Metalloberfläche müssen die Proteine mit
Hilfe elektrochemischer und SERR-spektroskopischer Methoden charakterisiert werden.
Unter Umständen bietet die in situ Rastertunnelmikroskopie die Möglichkeit, die adsorbierten
Spezies auch zu visualisieren.
Vor allem unter Verwendung der potential- und zeitabhängigen SERR-Spektroskopie sollen
dann die elektrochemischen Parameter wie das Redoxpotential oder die Anzahl der
transferierten Elektronen pro Redoxereignis, sowie die Kinetik des ET-Prozesses für die
adsorbierten Proteine bestimmt werden.
Als ein Kriterium zur Einschätzung der Qualität des Protein de novo Designs dient der
Vergleich mit einem natürlichen ET-Protein wie Cytochrom b562. Seine Struktur wurde im
Laufe der Evolution für ET-Reaktionen im Organismus optimiert und stellt deshalb eine
Referenz für die Evaluierung der de novo Proteine dar.
II. GRUNDLAGEN 5
II. Grundlagen
II. GRUNDLAGEN6
A. Proteinsynthese
1. Protein de novo Design
Unter Protein de novo Design versteht man im engeren Sinn die Synthese eines bestimmten
Strukturmotivs ohne direkten Bezug zu der Aminosäuresequenz einer natürlichen Vorlage1.
Der Begriff wird allerdings im weiteren Sinn auch für andere Strategien gebraucht, bei denen
die gezielte Veränderung einer natürlichen Struktur im Zentrum steht. Dazu zählen zum
Beispiel die Vereinfachung natürlich vorkommender Aminosäuresequenzen unter
Beibehaltung der nativen Funktion (minimalistischer Ansatz)2 oder die zielgerichtete
Veränderung dieser Funktion durch den Austausch einzelner Aminosäuren3.
Die Herstellung bestimmter Sequenzen kann sowohl durch biochemische Verfahren, z. B.
Display-Methoden4, als auch auf dem Weg der chemischen Synthese erfolgen, wobei im
Folgenden ausschließlich vom synthesechemischen Ansatz die Rede sein wird.
Bei der de novo Synthese von Proteinen mit bestimmten Eigenschaften steht die Auswahl
einer geeigneten Aminosäuresequenz zunächst im Mittelpunkt des Interesses. Man
unterscheidet prinzipiell zwischen rationalem und kombinatorischem Design.
Beim rationalen Design wird versucht, die Aminosäuresequenz a priori so auszuwählen, daß
das resultierende Protein gleich die gewünschten Eigenschaften aufweist. Ist dies nicht der
Fall, wird die Sequenz an bestimmten Stellen variiert, ein neues Protein hergestellt und auf
die entsprechende Eigenschaft geprüft. Die Schwierigkeit besteht hier vor allem in der
Vorhersage der Proteineigenschaften, zumal die Anzahl der erforderlichen Synthesen im
Vorhinein unbekannt ist.
Im Gegensatz dazu versucht man beim kombinatorischen Ansatz, eine Bibliothek von
unterschiedlichen Aminosäuresequenzen gleichzeitig zu synthetisieren und ihre
Eigenschaften mit einem geeigneten Screening-Verfahren zu überprüfen. In der Regel
werden manche Sequenzen der gewünschten Eigenschaft näher kommen als andere und in
einem weiteren Syntheselauf können diese "Treffer" dann durch Variation ihrer Sequenz
weiter optimiert werden. Die kombinatorische Methode hat den Vorteil, daß in einem
bestimmten Zeitraum ein größerer Teil des Sequenzraumes untersucht werden kann. Der
1 W. F. DeGrado et al., Annu. Rev. Biochem. 1999, 68:779-8192 Z. Xu et al., Protein Sci. 2000, 9: 403-4163 T. M. Penning, J. M. Jez, Chem. Rev. 2001, 101, 3027-3046; Y. Lu et al., ebd., 3047-30804 J. Hanes, A. Plückthun, Proc. Natl. Acad. Sci. USA, vol. 94, 4937-4942, 1997; R. W. Roberts, J. W.
Szostak, Proc. Natl. Acad. Sci. USA, vol. 94, 12297-12302, 1997
II. GRUNDLAGEN 7
Nachteil im Vergleich zum rationalen Ansatz besteht in einem zunächst höheren apparativen
und synthetischen Aufwand, da nur ein Bruchteil einer Sequenzbibliothek für nachfolgende
Schritte weiter verwendet wird. Auch die Suche nach einem geeigneten Screening-Verfahren
kann sich je nach gewünschter Eigenschaft schwierig gestalten.
Die Anwendungsgebiete für Protein de novo Design sind ausgesprochen groß. Durch die
große synthetische Flexibilität können Aminosäuresequenzen und deren dreidimensionale
Organisation in weiten Grenzen variiert werden, so daß im Prinzip vielfältige
Verwendungsmöglichkeiten offenstehen, die von der Erforschung von Faltungsprozessen5
über die Herstellung künstlicher Enzyme6 und dem Design von Nanostrukturen mit anti-
bakteriellen Eigenschaften7 reichen.
Die Beurteilung der Qualität eines de novo Proteins richtet sich jedoch empfindlich nach den
Kriterien, die dazu angelegt werden. Die Stabilität des Proteins gegenüber
Entfaltungsreagenzien oder Temperatur ist dazu nicht geeignet, da der Energieunterschied
zwischen gefaltetem und ungefaltetem Zustand nicht in direktem Zusammenhang mit der
Kooperativität des Entfaltungsprozesses steht. Gerade die hohe Kooperativität bei der
Entfaltung wird aber als charakteristisch für natürliche Proteine erachtet.
Auch die Kooperativität kann nicht als alleiniges Kriterium verwendet werden, da eine hohe
Kooperativität nicht zwangsläufig mit der für natürliche Proteine typischen spezifischen
Packung der Aminosäureseitenketten einher gehen muß. Detaillierte Untersuchungen an
Drei-Helix-Bündel-Proteinen haben gezeigt, daß selbst bei de novo Proteinen, für die NMR-
Strukturen vorliegen, im Unterschied zu natürlichen Proteinen eine erhöhte Mobilität der
Seitenketten vorliegen kann8.
Die Optimierung einer Struktur muß sich also sowohl an der Stabilität eines Proteins als auch
an der Spezifität der Packung orientieren. Das eine spiegelt den Engergieunterschied
zwischen gefaltetem und ungefaltetem Zustand wider, das andere vor allem die
Energiedifferenz zwischen dem globalen Energieminimum und den strukturell ähnlichen
lokalen Minima einer gefalteten Struktur (molten globule Zustände). Um gleichzeitig eine
hohe Kooperativität zu erreichen, muß zudem der Übergangszustand der Entfaltungsreaktion
bezüglich seiner relativen Energie und seiner Spezifität optimiert werden (Abb. 2.1).
5 R. B. Hill et al., Acc. Chem. Res., vol. 33, no. 11, 2000, 745-7546 D. N. Bolon et al., Curr. Op. Chem. Biol. 2002, 6:125-1297 M. R. Ghadiri et. al., Nature 2001, vol. 412,4528 S. T. Walsh et al., Biochemistry 2001, 40: 9560-9569
II. GRUNDLAGEN8
Auch bei modifizierten natürlichen Proteinen ist das
Auftreten von molten globule Zuständen jedoch nicht
gleichbedeutend mit dem Einbüßen der natürlichen
Funktion9, so daß sich die Beurteilung des Erfolges eines
Protein-Designs an pragmatischen Maßstäben orientie-
ren sollte: Das Design war erfolgreich, wenn das Protein
kann, was es soll. Die Imitation aller Eigenschaften eines
natürlichen Proteins muß nicht zwingend erforderlich
sein.
2. Die Synthese von Vier-Helix-Bündel-Proteinen nach dem TASP-Konzept
2.1 Vier-Helix-Bündel: Vorkommen, Stabilität und Struktur
Ein in natürlichen Proteinen ausgesprochen häufig vorkommendes Strukturmotiv ist das Vier-
Helix-Bündel, wobei die unterschiedlichsten Funktionen mit dem jeweiligen Protein
verbunden sein können, z. B. Elektronentransfer (Cytochrom b562), Transkriptionsregulation
(ROP), Eisenspeicherung (Ferritin), Sauerstofftransport und -speicherung (Hemerythrin) und
Katalyse (Ribonukleotid Reduktase).
Auch im Rahmen dieser Arbeit wurde das Vier-Helix-Bündel als Grundstruktur für die
untersuchten Proteine gewählt. Ein wichtiger Unterschied zu ihren natürlichen Pendants
besteht allerdings darin, daß es sich um sogenannte TASP-Proteine handelt, bei denen die
vier Helices durch ein Templat in die vordefinierte Tertiärstruktur gebracht werden (TASP:
Template Assembled Synthetic Protein)10. Als Template können eine Vielzahl von Molekülen
9 D. Booth et al., Nature 1997, 385, 787-79310 M. Mutter, S. Vuilleumier, Angew. Chem. Int. Ed. Engl., 1989:8:535-554
Abb. 2.1: Energieschema der
Faltungszustände
II. GRUNDLAGEN 9
wie Cavitanden, Cyclodextrine, Porphyrine, Zucker oder zyklische Polypeptide verwendet
werden11.
Die Auswahl der Aminosäuresequenzen für die einzelnen Helices ist kritisch für das
Gelingen des angestrebten Proteindesigns und obwohl die grundlegenden Beiträge für die
Stabilität eines Proteins bekannt sind, ist die Vorhersage einer Proteinstruktur aus der
Sequenz allein bis heute im Allgemeinen nicht möglich.
Dennoch gibt es einige Regeln, die die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Designs
erhöhen. Beispielsweise werden die Aminosäuresequenzen der Helices so ausgewählt, daß
eine Seite der Helix hydrophobe, die andere jedoch hydrophile Aminosäuren aufweisen.
Diese amphiphile Struktur der Helices führt in wäßriger Lösung zur Ausbildung eines
hydrophoben Kerns innerhalb des Vier-Helix-Bündels, der bedingt durch den hydrophoben
Effekt die Stabilität des Proteins erhöht.
Daneben tragen auch elektrostatische Effekte zu dieser Stabilität bei. Die Plazierung von
Aminosäuren mit entgegengesetzt geladenen Seitenketten wie Glutamat und Lysin genau
eine Helixdrehung voneinander entfernt ermöglicht die Ausbildung von Salzbrücken (1
Drehung ≅ 3.6 Aminosäuren).
Die antiparallele Orientierung der vier Helices im Bündel führt zum partiellen Ausgleich des
Helix-Makrodipols (N-Terminus → C-Terminus), wodurch die elektrostatische Abstoßung
zwischen den Helices verringert und die Stabilität des Vier-Helix-Bündels insgesamt erhöht
wird. Den gleichen Effekt hat das sogenannte helix capping, d. h. die Amidierung des C-
Terminus bzw. die Acetylierung des N-Terminus einer Helix.
Auch die Aminosäuren selbst zeigen unterschiedliche Neigung helikale Strukturen
auszubilden. Während Alanin und Lysin eine Helix-Struktur bevorzugen, brechen Prolin und
Glycin solche Strukturen auf.
Die Energiebeiträge der einzelnen Wechselwirkungen zur Gesamtstabilität des Proteins sind
im Allgemeinen gering und liegen im Bereich von 2-8 kJ/mol. Erst durch Summation über
eine größere Anzahl von Aminosäuren entsteht eine signifikante Stabilisierung der Struktur.
Dies wird besonders beim hydrophoben Effekt deutlich, bei dem eine kritische Helixlänge
überschritten werden muß12. Für eine detaillierte Diskussion dieser Zusammenhänge sei auf
die Literatur verwiesen13.
11 A. A. Watson et al., Inorg. Chem. 1997: 36:752-&; K. S. Akerfeldt, W. F. DeGrado, Tetrahedron Lett.
1994:35:4489-4492; K. S. Akerfeldt et al., Tetrahedron 1992:48:9217-9232; K. J. Jensen, G. Barany,
J. Pept. Res. 56 (2000) 3-1112 M. Mutter et al., J. Am. Chem. Soc. 1992, 114:1463-1470; Y. Wei et al., Prot. Sci. (2003), 12:92-10213 J. W. Bryson et al., Science, vol. 270, 1995, 935-941; L. Baltzer et al., Chem. Rev. 2001, 101, 3153-
3163 (s. Referenzen dort)
II. GRUNDLAGEN10
2.2 Peptidsynthese
Die Herstellung der TASP de novo Proteine erfolgt in einer konvergenten Synthese.
Zunächst werden die einzelnen Bausteine des Proteins nach der Merrifield-Methode
synthetisiert und dann nach einem modularen Prinzip zusammengesetzt14. Um einzelne
Aminosäuren gezielt ansteuern zu können, ist eine ausgeklügelte Schutzgruppen-Chemie
vonnöten.
Für die α-NH2-Gruppen der Aminosäuren stehen mit den Schutzgruppen 9-
Fluorenyloxycarbonyl (Fmoc) und tert-Butoxycarbonyl (tBoc oder Boc) zwei Grundstrategien
zur Verfügung (Abb. 2.2). Obwohl sich die Boc-Strategie durch weniger Nebenreaktionen
auszeichnet, hat die Verwendung von Fmoc-Schutzgruppen heute eine größere Verbreitung
gefunden15,16. Bei Verwendung der Fmoc-Methode kann Boc auch als Schutzgruppe in den
Seitenketten der Aminosäuren benutzt werden, d. h. Fmoc und Boc sind orthogonale
Schutzgruppen.
14 R. B. Merrifield, J. Am. Chem. Soc. 1963:85:2149-215415 R. H. Angeletti et al., Method. Enzymol. 289: 697-717 199716 G. B. Fields, R. L. Noble, Int. J. Pept. Protein Res. 1990:35:161-214
Abb. 2.2: Struktur einiger Schutzgruppen in der Peptidsynthese - R = Aminosäure
BocOtBu
II. GRUNDLAGEN 11
Als Templat wurde in der vorliegenden Arbeit ein zyklisches Decapeptid mit β-
Faltblattstrukturelementen verwendet, das nach den Ergebnissen von NMR-Untersuchungen
eine relativ starre Struktur aufweist (Kap. III.3.1)17. Es ist mit vier Cysteinen ausgestattet,
deren Thiol-Funktionen alternierend mit den orthogonalen Schutzgruppen Acetamidomethyl
(Acm) und Trityl (Trt) versehen sind (Abb. 2.2).
Durch diese Variation der Schutzgruppen ist es möglich, zwei verschiedene Helixtypen A
und B an das Templat zu binden und gleichzeitig ihre Position festzulegen. Es entstehen
Vier-Helix-Bündel des ABAB-Typs, bei dem sich die gleichartigen Helices diagonal
gegenüber stehen. Die Vielfalt an Cystein-Schutzgruppen ist damit allerdings bei weitem
noch nicht ausgeschöpft, Vier-Helix-Bündel ABCD mit vier verschiedenen Helices sind
prinzipiell möglich17.
Für den Schutz der übrigen funktionellen Gruppen der Aminosäureseitenketten stehen eine
Vielzahl von Substituenten zur Verfügung (Tab. 2.1). Aufgrund dessen werden hier nur die
kurz zusammengefaßt, die im Rahmen dieser Arbeit verwendet wurden (Abb. 2.2). Eine sehr
detaillierte Übersicht geben Chan und White18.
Schutzgruppe Abspaltreagenzien inert gegenüber Schutz von Lit.
Fmoc 20% Piperidin/DMF TFA, Pd(0) NH215,16
Boc TFA Piperidin, Hydrazin, Thiol,
1% TFA, Pd(0), TFMSA
NH215,16
Trt TFA, I2 Thiol SH, NH(2)19
Acm Hg2+, I2, Ag+ TFA, TFMSA, Thiol SH 20
OtBu 90% v/v TFA k. A. COOH 18
Alloc Pd(0) TFA, Piperidin, Hydrazin NH221
Pbf 95% v/v TFA k. A. NH218
Tab. 2.1: Abspaltreagenzien für die verwendeten Schutzgruppen
17 R. Schnepf, Dissertation (Bochum, 2000)18 W. C. Chan, P. D. White (eds.), "Fmoc Solid Phase Synthesis ", Oxford Univ. Press (2000)19 J. Photaki et al., J. Chem. Soc., Chem. Commun. 1970:2683.268720 D. F. Veber et al., J. Am. Chem. Soc. 1972:94:5456-546121 H. Kunz, C. Unverzagt, Angew. Chem. Int. Ed. 1984:23:436-437
II. GRUNDLAGEN12
2.3 Reaktionsmechanismen
Die Synthese der Polypeptide erfolgt vom
C- zum N-Terminus. Je nach Verknüpfung
zwischen erster Aminosäure und Harz
wird das fertige Polypeptid in
unterschiedlichen Formen freigesetzt. Im
Fall des PAL-PEG-PS-Harzes22 geschieht
dies in amidierter Form, was sich
wiederum günstig auf die Stabilität des
späteren Vier-Helix-Bündels auswirkt
(Abschn. 2.1). Abbildung 2.3 illustriert die
Anordnung anhand eines allgemein gehaltenen Pentapeptids.
Die Abspaltung des Fmoc von der α-NH2-Gruppe der Aminosäure mit Hilfe von Piperidin
beginnt mit einem nucleophilen Angriff auf den tertiären Wasserstoff des Fluorenyl-Rings an
C9. Das resultierende Carbanion wird durch Umlagerung zum Dibenzofulven stabilisiert.
Gleichzeitig bildet sich eine Carbaminsäure, die wiederum durch Decarboxylierung die α-
NH2-Gruppe des Peptids freigibt (Abb. 2.4)18.
22 PAL: (4-N-Fmoc-aminomethyl-3.5-dimethoxyphenoxy)valeryl, F. Ende, Dissertation (Hamburg 2001)
Abb. 2.3: Anordnung des Polypeptids am Harz
Abb. 2.4: Abspaltung der Fmoc-Schutzgruppe - Mechanismus
II. GRUNDLAGEN 13
Nach dem Entschützen der α-NH2-Gruppe kann die nächste Aminosäure gekoppelt werden.
Dazu wird deren COOH-Gruppe jedoch vorher mit Hilfe von TBTU23 in einen reaktiven Ester
überführt, um die Carboxylgruppe zu aktivieren (Abb. 2.5)18, 24.
Die α-NH2-Gruppe des Peptids greift nucleophil am Carboxyl-Kohlenstoff der aktivierten
COOH-Gruppe an und bildet unter Spaltung des Esters eine Peptidbindung aus. Im nächsten
Schritt beginnt mit der Abspaltung von Fmoc die Addition der nächsten Aminosäure25.
23 (2(1-H-Benzotriazol-1-yl)-1.1.3.3-tetramethyluronium)-tetrafluoroborat24 H. Rau, Dissertation (Freiburg 1998)25 Reinigungs- und Aufbereitungsschritte wurden ausgelassen, da es hier ausschließlich um die
Mechanismen der Kopplungen geht.
Abb. 2.5:
Aktivierung der COOH-
Funktion einer Aminosäure
II. GRUNDLAGEN14
B. Cytochrom b562
Cytochrom b562 (Cyt b562) ist ein strukturell einfaches, monomeres Hämprotein, das
ausschließlich im Periplasma von E. coli auftritt26. Es besteht aus 106 Aminosäuren (MW =
12 kDa), die zum großen Teil in α-helikaler Struktur vorliegen. Das Protein hat einen
Durchmesser von 25 Å und eine Länge von 50 Å.
Die natürliche Funktion von Cyt b562 ist unbekannt, aufgrund seiner hohen Löslichkeit und
seiner Struktur handelt es sich höchstwahrscheinlich um ein Elektronentransferprotein
handelt. Die axiale Ligandierung des Cofaktors erfolgt über Met7 und His102 (pdb-
Datenbank: 1QPU), wobei die Bindungsgeometrie der des Cytochrom c (Cyt c, Pferdeherz)
sehr stark ähnelt. Im Unterschied zum Cyt c liegt das Häm jedoch deutlich näher an der
Proteinoberfläche, so daß die Propionat-Gruppen des Porphyrins höchstwahrscheinlich zur
negativ geladenen Bindungsdomäne des Proteins beitragen (Abb. 2.6).
Das Redoxpotential von Cyt b562 ist stark pH-abhängig mit +150 mV bei pH 8.5 und +280
mV bei pH 4.6 (gegen SHE)27. Aus diesem Befund heraus wurde auf das Vorhandensein von
drei protonierbaren Gruppen in der Nähe des Cofaktors geschlossen: eine mit einem pKa-
Wert von 9.0 im oxidierten Zustand und einem deutlich höheren Wert im reduzierten
Zustand, die dem koordinierenden His102 zugeordnet wurde (Histidin ↔ Histidinat). Die
26 F. S. Mathews, "Handbook of Metalloproteins", A. Messerschmidt, R. Huber, T. Poulos, K.
Wieghardt (eds.), vol. 1, Wiley (2001)27 P. D. Barker, persönliche Mitteilung
Abb. 2.6:
Struktur und Bindungstasche von
Cytochrom b562 WT (1QPU)
II. GRUNDLAGEN 15
zweite Gruppe mit pKa-Werten von 6.8 (oxidiert) und 7.0 - 7.6 (reduziert) entspricht ver-
mutlich einer Propionatseitenkette des Häms, während eine dritte Gruppe mit pKa-Werten
von < 5.0 (oxidiert) und 5.5 - 6.5 (reduziert) nicht zugeordnet werden konnte28.
Cytochrom b562 ist recht stabil gegenüber thermischer und chemisch induzierter Entfaltung
mit einer Entfaltungstemperatur Tm von 67°C bei pH 7.0 bzw. einer Freien
Entfaltungsenthalpie von 30.0 kJ/mol ([GuHCl] → 0 M, m = 14.2 kJ/(mol⋅M)). Der
isoelektrische Punkt liegt bei pH 5.0. Die Nettoladung des Proteins bei pH 7.0 beträgt -229.
Die Resonanz-Raman-spektroskopische Untersuchung von Cyt b562 ergab große
Ähnlichkeiten zu Cyt c, was aufgrund der gleichen Ligandierung des Häms den Erwartungen
entspricht30. Die elektrochemische Charakterisierung ergab kein Signal auf unmodifizierten
Gold- oder Graphitelektroden (EPG). Erst durch den Einsatz von Promotoren wie Neomycin
oder durch die Beschichtung der Goldoberflächen mit Polypeptiden wie KCTCCA konnte ein
reversibles elektrochemisches Signal nachgewiesen werden. Die Oberflächenmodifikation
mit Cysteamin und Cystamin ergab hingegen nur schwache und instabile Signale31.
28 G. R. Moore et al., Biochim. Biophys. Acta, 829, 83-96 (1985)29 F. Arnesano et al., Biochem. 2000, 39, 1499-151430 R. P. Srivastava et al., J. Raman Spectr., 11(1): 20-23 198131 P. D. Barker et al., Inorg. Chim. Acta 252 (1996), 71-77
II. GRUNDLAGEN16
C. Elektronentransfertheorie
Elektronentransferreaktionen oder allgemein Ladungstransferreaktionen sind in der Natur
weit verbreitet und waren deshalb seit dem Aufkommen moderner Reaktionstheorien in den
20'er und 30'er Jahren des 20. Jahrhunderts Gegenstand zahlloser experimenteller und
theoretischer Arbeiten32. Besonders kritisch für die theoretische Behandlung dieser Prozesse
war die Kopplung des Elektronentransfers (ET) mit Veränderungen in der Umgebung des
Donor/Akzeptorpaares. Bereits 1952 stellte Libby fest, daß ET nur unter Erhaltung von
Energie und Impuls möglich sein kann und führte so das Franck-Condon-Prinzip in ET-
Theorie ein33. Frühe Arbeiten von Marcus und Hush basierten zunächst auf der klassischen
Theorie des Übergangszustandes, doch wurden bald quantenmechanische Korrekturen für
nukleare Tunneleffekte u. ä. hinzugefügt34. Parallel zu diesen Arbeiten gelang Levich und
Dogonadze eine vollständige quantenmechanische Beschreibung des
Lösungsmitteleinflusses35.
1. Grundbegriffe
Ein einfaches, allgemein formuliertes Elektronentransfersystem wie in Gl. 2.1 kann mit Hilfe
von parabolischen Freie-Enthalpie-Kurven in guter Näherung beschrieben werden, da die
Anharmonizitäten im relevanten Energiebereich noch keine Rolle spielen32. Dabei stehen die
Edukte, der Elektronendonor D und der Akzeptor A, mit einem Übergangszustand im
Gleichgewicht, der mit einer Geschwindigkeitskonstante k3 zu den Produkten D+ und A-
reagiert. Dieser letzte Schritt wird als irreversibel angesehen.
(Gl. 2.1)
32 R. A. Marcus, N. Sutin, Biochim. Biophys. Acta 811, 265-322 (1985) (Übersichtsartikel)33 W. F. Libby, J. Phys. Chem., 56, 863 (1952)34 R. A. Marcus, J. Chem. Phys., 24, 966 (1956); ebd., Disc. Faraday Soc., 29, 21, 129 (1960); N. S.
Hush, Trans. Faraday Soc., 57, 557 (1961)35 R. R. Dogonadze, Dokl. Acad. Nauk. SSSR, 133, 1368 (1960); V. G. Levich, R. R. Dogonadze,
Dokl. Acad. Nauk. SSSR, 124, 123 (1959)
D + A D+ A- D+ + A-k1
k2
k3
=
II. GRUNDLAGEN 17
Die wichtigsten Parameter für den ET
sind in Abbildung 2.7 eingetragen. Die
parabelförmigen Energiefunktionen
sollen sich nur durch die
Verschiebung entlang der
Koordinatenachsen unterscheiden.
Die Reorganisationsenergie λ ist die
Energie, die aufgewendet werden
muß, um die Kernkonfiguration der
Edukte in die Gleichgewichtskon-
figuration der Produkte zu bringen.
Die Energie zum Erreichen des Über-
gangszustandes kommt aus ther-
mischen Fluktuationen des Systems
(Reaktanden und Lösungsmittel).
Bei den diabatischen Energiekurven wurde die
Kopplung zwischen den Kurven vernachlässigt
(Abb. 2.7). Das Elektron steht ständig mit den
Kernen "seines" Systems im Gleichgewicht und
kann nicht zum jeweils anderen überwechseln.
Die Einführung der elektronischen Kopplung HDA =
⟨ΨDHΨA ⟩ führt zur Aufspaltung in eine untere und
eine obere Energiekurve, wobei der Ener-
gieunterschied am Schnittpunkt der diabatischen
Ausgangskurven bei kleinem Überlappungsintegral
SDA = ⟨ΨDΨA⟩ gerade 2⋅HDA beträgt (adiabatische
Energiekurven, Abb. 2.8)36.
Die Abstandsabhängigkeit der elektronischen
Kopplung ist in etwa exponentiell und kann in den
meisten Fällen durch Gleichung 2.2 wiedergegeben
werden36:
( )( )00DADA rrexpHH −⋅β−⋅= (Gl. 2.2)
36 N. Sutin, Prog. Inorg. Chem. 30: 441-498 (1983)
Abb. 2.8: Adiabatische Energiekurven
Abb. 2.7: Energiediagramm einer ET-Reaktion
II. GRUNDLAGEN18
Der Abklingkoeffizient β liegt je nach Reaktionsmedium zwischen 0.6 und 2.5 Å-1.
Je nach Größe der Kopplung HDA variiert die Geschwindigkeit des ET vom
Übergangszustand zum Produkt. Bei kleinem HDA spricht man vom diabatischen, bei großem
HDA vom adiabatischen Limit.
Die Wahrscheinlichkeit, daß ein Elektron von einer Energiefunktion zur anderen wechselt,
hängt von der Aufspaltung 2⋅HDA ab. Sie wird in einfacher Form durch die Landau-Zener-
Gleichung ausgedrückt37:
−⋅⋅⋅π
−−=21
2DA
2
DA ssvhH4
exp1P (Gl. 2.3)
Der Parameter v ist die mittlere Geschwindigkeit, mit der das Elektron die Region des
Übergangszustandes durchquert und sk entspricht der Steigung der diabatischen
Energiekurven an deren Schnittpunkt.
Im adiabatischen Grenzfall geht PDA gegen 1 und jedes Erreichen des Übergangszustandes
führt zur Bildung des Produktes (HDA groß, v klein). Im diabatischen Limit, d. h. für kleine
Kopplungen HDA und große Geschwindigkeit v, wird PDA klein und kann durch Gl. 2.4
angenähert werden.
21
2DA
2
DA ssvh
H4P
−⋅⋅⋅π
≈ (Gl. 2.4)
In diesem Fall geht nur ein kleiner Bruchteil PDA der Übergangszustände in die Produkte
über.
Mit der Reorganisationsenergie λ, der „treibenden Kraft“ ∆G0 und der elektronischen
Kopplung HDA läßt sich ein Ausdruck für die Geschwindigkeitskonstante kET des ET angeben
(diabatisch, Hochtemperaturlimit)32:
( )
⋅⋅λ⋅λ+∆−⋅
⋅⋅λ⋅π⋅⋅π=
TR4G
expTR4
1H
h4
k20
2
DA
2
ET (Gl. 2.5)
37 L. Landau, Phys. Z. Sowjetun., 2, 46 (1932), C A 27, 224; C. Zener, Proc. R. Soc. A, 137, 696
(1932); E. C. G. Stueckelberg, Helv. Phys. Acta, 5, 369 (1932), C A 27, 2072
II. GRUNDLAGEN 19
Der Exponentialterm ist dabei nichts anderes als der Boltzmann-Faktor, da sich für
diabatische Energiekurven aus algebraischen Überlegungen ein einfacher Zusammenhang
zwischen ∆G≠, ∆G0 und λ ergibt (Gl. 2.6).
( )λ⋅
λ+∆=∆ ≠
4G
G2
0 (Gl. 2.6)
Gleichung 2.5 stellt ein Spezialfall der Fermischen Goldenen Regel dar, die sich aus der
Behandlung des diabatischen ET mit Hilfe der zeitabhängigen Störungstheorie erster
Ordnung ergibt (FC = Franck-Condon-Faktor)38.
FCHh
4k 2
DA
2
ET ⋅⋅π= (Gl. 2.7)
38 V. G. Levich, R. R. Dogonadze, Dokl. Akad. Nauk SSSR, Ser. Fiz. Khim. 124 (1959) 133
II. GRUNDLAGEN20
2. Elektronentransfer an der Metallelektrode
Im Vergleich zu molekularen Redoxpartnern stellen Metallelektroden aufgrund ihrer
elektronischen Struktur einen Sonderfall dar. Dort stehen nicht einzelne Molekülorbitale für
den ET zur Verfügung, sondern eine quasi-kontinuierliche Verteilung von Energiezuständen,
die mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit erreicht werden können. Dementsprechend
muß das Energieschema aus Abbildung 2.7 modifiziert werden (Abb. 2.9)39.
Das Vorhandensein einer Vielzahl von
erreichbaren elektronischen Niveaus
verursacht unter bestimmten
Bedingungen einige signifikante
Abweichungen vom ET-Verhalten eines
molekularen Systems. Selbst bei sehr
hoher „treibenden Kraft“, entsprechend
einer Überspannung η, wird
beispielsweise nie der invertierte
Bereich erreicht, weil im
Reaktionsprodukt grundsätzlich höhere
Energiezustände zur Verfügung
stehen, die die Eduktkurve im Minimum
schneiden. Dadurch bleibt der ET vom
Grundzustand zum hochangeregten
Niveau des Produktzustandes aktivierungslos, so daß die Geschwindigkeitskonstante bei
steigender Triebkraft nicht wieder sinkt, sondern in ein Plateau übergeht.
Ferner sind vor allem die Energiezustände des Metalls um das Fermi-Niveau εF herum am
ET beteiligt40. Das liegt daran, daß die gefüllten Zustände unterhalb von εF eine höhere
Aktivierungsenthalpie und damit eine niedrigere Geschwindigkeitskonstante besitzen,
während die Niveaus oberhalb eine geringere Besetzung gemäß der Fermi-Dirac-Statistik
aufweisen (Gl. 2.8). µe ist das elektrochemische Potential der Elektrode.
( )1
e
Tkexp1f
−
⋅µ−ε
+=ε (Gl. 2.8)
39 In Abb. 2.9 sind zur Veranschaulichung nur einige Energieniveaus eingezeichnet, deren Energie-
unterschiede zudem stark vergrößert wurden.40 R. A. Marcus, J. Chem. Phys., 43, 679-701 (1965)
Abb. 2.9: ET-Reaktion an einer Metallelektrode
II. GRUNDLAGEN 21
Die makroskopische Geschwindigkeitskonstante kET ergibt sich analog zu Gleichung 2.7 aus
dem Produkt von Franck-Condon-Faktor FC und dem Quadrat der elektronischen Kopplung
HεA integriert über die beteiligten Energiezustände ε (Gl. 2.9)41.
( ) ( ) ( )∫ ε⋅ε⋅
⋅⋅λ⋅ε+η⋅−λ
−⋅⋅⋅λ⋅π
επ
= fVTk4
eexp
Tk4
1d
h4
k2
22
ET (Gl. 2.9)
( )
⋅⋅λ⋅ε+η⋅−λ
−⋅⋅⋅λ⋅π
=Tk4
eexp
Tk4
1FC
2
(Gl. 2.10)
V(ε) ist das elektronische Kopplungselement und ergibt sich aus dem Integral von HDA über
die Wellenvektoren k des Metalls (Gl. 2.11)41:
( ) ( )( )∫ ε−εδ⋅=ε kHkdV2
DA32
(Gl. 2.11)
Die Lösung des Integrals in Gl. 2.9 kann auf unterschiedliche Weise erfolgen, z. B. auf
numerischem Weg oder mit Hilfe der Trapezregel. Hale hat jedoch gezeigt, daß die Fermi-
Funktion auch durch die Fehlerfunktion erf(x) angenähert werden kann, was die Berechnung
von Gl. 2.9 erleichtert42. Mit dieser Näherung ergibt sich folgende einfache Gleichung für
kET43:
⋅⋅λ⋅⋅
λη⋅±⋅⋅⋅λ⋅π⋅= ηTR22
Ferf1
FTR
kk s,dRe/Ox
ET
m(Gl. 2.12)
kη,s ist eine Konstante, die u. a. die elektronische Kopplung enthält.
Für viele praktische Anwendungen liefert Gl. 2.12 bereits zufriedenstellende Ergebnisse44.
41 S. Gosavi, R. A. Marcus, J. Phys. Chem. B 2000, 104, 2067-207242 J. M. Hale, J. Electroanal. Chem., 19 (1968), 315-31843 T. M. Nahir, E. F. Bowden, J. Electroanal. Chem. 410 (1996) 9-1344 Die Anpassung von Meßdaten kET vs. η gemäß den Gln. 2.8 und 2.11 für Cyt c (D. H. Murgida, P.
Hildebrandt, J. Phys. Chem. B 2002, 106, 12814-12819) ergab eine Abweichung < 5% für λ und HDA.
II. GRUNDLAGEN22
3. Kinetischer Isotopieeffekt und Elektronentransfer
Die Betrachtungen in den vorhergehenden Abschnitten 1 und 2 beziehen sich ausschließlich
auf den Elektronentransfer zwischen zwei Reaktionspartnern. Dieser ET kann jedoch mit
weiteren Prozessen wie zum Beispiel Protonentransfer gekoppelt sein, die die
Geschwindigkeit des Gesamtprozesses beeinflussen können.
Die Rolle des Protonentransfers kann mit Hilfe von Isotopenaustauschexperimenten
beleuchtet werden, indem man die ET-Geschwindigkeit sowohl in H2O als auch in D2O
vermißt.
Die Nullpunktsenergie E0 einer Schwingung R-H bzw. R-D hängt von deren Frequenz ν ab,
wobei diese näherungsweise durch die Kraftkonstante f und die reduzierte Masse µ
beschrieben werden kann (harmonischer Oszillator).
ν⋅⋅= h21
E0 (Gl. 2.13)
µ⋅
π=ν f
21
(Gl. 2.14)
Unter der Annahme, daß die Masse von R groß gegenüber den Massen von H und D ist,
erhält man für das Verhältnis der Schwingungsfrequenzen νRH und νRD:
( )( ) 2
mm
mmmmmmmm
H
D
HRDR
HRDR
RD
RH ==⋅⋅+
+⋅⋅=νν
(Gl. 2.15)
Dadurch ergibt sich auch eine Differenz in den Nullpunktsenergien E0,RH und E0,RD, die im
Übergangszustand kleiner ausfällt, wenn dort die R-H- bzw. R-D-Bindung gelockert wird.
Da die Aktivierungsenergie aber dem Energieunterschied zwischen Edukt und
Übergangszustand entspricht, resultieren daraus unterschiedliche Aktivierungsenergien für
den Protonen- und den Deuteronentransfer (Abb. 2.10)45.
Eine quantenmechanische Betrachtung des Isotopieeffektes unter Einbeziehung des
Tunneleffektes findet sich bei Kuznetsov und Ulstrup46.
45 M. J. Pilling, P. W. Seakins, "Reaction Kinetics", Oxford University Press, 2. korr. Nachdruck (1999)46 A. M. Kuznetsov, J. Ulstrup, "Electron Transfer in Chemistry and Biology", Wiley (1999)
II. GRUNDLAGEN 23
Die Höhe des Isotopeneffektes ist system-
abhängig, er kann aber für das Verhältnis
kH/kD Werte von bis zu 50 annehmen47.
Daneben treten in besonderen Fällen auch
inverse Isotopieeffekte auf, die jedoch
spezfische Erklärungsansätze erfordern.
Farver et al. führten beispielsweise einen
"Schrumpfungsprozeß" des Proteins beim
Übergang von H2O in D2O als Erklärung für
einen beschleunigten ET in D2O an48. Dies
würde zu einer Verkürzung der ET-Distanz
und somit durch die größere elektronische
Kopplung zu einer Beschleunigung der
Reaktion führen.
4. Elektronentransfer in biologischen Systemen
In biologischen Systemen ist Elektronentransfer häufig verbunden mit Proteinen, die große
Vielfalt von (Übergangsmetall-) Cofaktoren enthalten können. Diese Cofaktoren befinden
sich also nicht in unmittelbaren Kontakt mit dem Lösungsmittel, sondern sind vielmehr in
einem Medium mit niedriger Dielektrizitätskonstante eingebettet. Dies hat zahlreiche
Konsequenzen für die Redoxeigenschaften der Cofaktoren, u. a. ist die
Reorganisationsenergie λ deshalb verhältnismäßig niedrig32. Gleichzeitig ist der Abstand der
Redoxpartner in der Regel im Bereich von mehreren Ångstrom, so daß biologischer ET mit
diabatischen Formalismus behandelt wird.
47 D. H. Murgida, P. Hildebrandt, J. Am. Chem. Soc. 2001, 123, 4062-406848 O. Farver et al., Proc. Natl. Acad. Sci. USA, 2001, vol. 98, 4426-4430
Abb. 2.10: Isotopieeffekt und Aktivierungsenergie
II. GRUNDLAGEN24
D. Rastertunnelmikroskopie
Das Rastertunnelmikroskop (STM) wurde 1982 von Binnig und Rohrer entwickelt und war
der erste Vertreter der Familie der Rastersondenmikroskope49. Das Prinzip beruht auf der
Messung des Tunnelstroms zwischen einer leitfähigen Spitze und einer ebenfalls leitfähigen
Oberfläche, die durch einen Abstand d voneinander getrennt sind. Dadurch entsteht eine
Potentialbarriere φ(x), die näherungsweise durch die sogenannte Gamov-Gleichung
beschrieben werden kann50:
( )( )( )
−φ⋅⋅⋅
π−=Γ ∫
d
0
Exm2dxh4
exp (Gl. 2.16)
Γ ist die Wahrscheinlichkeit, daß ein Elektron mit der Energie E die Barriere φ(x) mit der
Breite d durchdringt. In dieser Gleichung zeigt sich die exponentielle Abstandsabhängigkeit
des Tunnelstroms, die bereits im Rahmen der Elektronentransfertheorie bei der
elektronischen Kopplung H0DA aufgetaucht war (Kap. II C).
Ähnlich wie in der konventionellen ET-Theorie kann auch in der theoretischen Beschreibung
des Tunnelstroms die Wechselwirkung zwischen Meßspitze und Oberfläche durch die
Überlappung des s-Orbitals des äußersten Atoms der Spitze mit den Orbitalen des Metalls
beschrieben werden (Hamann-Tersoffsche Näherung). Für den Tunnelstrom ergibt sich51:
( )dAexpUI maxbiasT ⋅φ⋅−⋅∝ (Gl. 2.17)
Die Konstante A hat den Wert 1.025 eV-0.5Å-1, typische Barrierenhöhen φmax sind 3-4 eV im
Vakuum und 1-2 eV in wäßrigen Elektrolyten52. Die Tunnelspannung Ubias ist die
Potentialdifferenz zwischen Spitze und Oberfläche.
Damit hängt die Höhe des Tunnelstroms neben der Tunnelspannung Ubias vom Abstand d
zwischen Spitze und Oberfläche, der elektronischen Kopplung und der Gestalt der Barriere
φ(x) ab, wobei letztere offenbar von den physikalischen Eigenschaften des Mediums
zwischen Oberfläche und Spitze beeinflußt wird.
49 G. Binnig, H. Rohrer, Helv. Phys. Acta 1982, 55, 72650 G. Gamov, Z. Phys. 51 (1928) 20451 J. Tersoff, D. R. Hamann, Phys. Rev. Lett. 1983, B 50, 1998; alternativer Ansatz: J. G. Simmons, J.
Appl. Physics 1963, 34, 1793, 2581 (scattering approach)52 M. A. Schneeweiss, D. M. Kolb, Chem. unserer Zeit, 34 (2): 72-84 2000
II. GRUNDLAGEN 25
Das bedeutet, daß aus dem Tunnelstrom IT nicht unmittelbar auf die topologische Gestalt der
Oberfläche geschlossen werden kann, da selbst bei konstantem Abstand d
Oberflächenbereiche mit unterschiedlich starker Kopplung oder unterschiedlichen
Tunnelbarrieren verschiedene Tunnelströme IT ergeben würden.
Im STM-Experiment wird in der Regel ein bestimmter Tunnelstrom Iset festgelegt und dann
die Position der Spitze über der Oberfläche in der x, y-Ebene verändert (constant current
mode)53. Da die Veränderung der Ortskoordinaten x, y sowie z nur Bruchteile von
Nanometern groß ist, sind konventionelle mechanische Positioniersysteme überfordert. Die
Positionierung der Spitze geschieht deshalb mit Hilfe von Piezokristallen, deren Ausdehnung
proportional zur angelegten Spannung Upiezo ist54,55.
Unter der Annahme, daß Kopplung und Barriere in der x,y-Ebene ortsunabhängig sind, hängt
die Höhe von IT(x, y) nur vom Abstand d ab. Weicht der Tunnelstrom IT von Iset ab, wird durch
einen Rückkopplungsmechanismus der Abstand d über die Variation von Upiezo in z-Richtung
wieder so korrigiert, daß IT wieder Iset entspricht. Wegen der Proportionalität zwischen Upiezo
und ∆z kann dann auf die "Höhenänderung" der Oberfläche zurück geschlossen werden.
STM-Experimente können sowohl in Vakuum oder Luft (ex situ) als auch in Lösung
durchgeführt werden (in situ). Der Aufbau eines in situ Experimentes ist in Abbildung 3.13
(Kap. III D) dargestellt.
Der wichtigste Unterschied besteht darin, daß die Apparatur in einem bipotentiostatischen
Aufbau betrieben werden kann. Die Potentiale der Oberfläche und der Spitze werden
bezüglich einer Referenzelektrode unabhängig voneinander festgelegt, so daß die
Tunnelspannung Ubias als drittem Parameter eindeutig bestimmt ist. Dadurch ist es möglich,
den Einfluß der Elektrodenpotentiale (Spitze und Oberfläche) auf den Tunnelstrom IT bei
konstantem Ubias zu untersuchen. Dies ist besonders dann interessant, wenn in dem
Zwischenraum von Spitze und Oberfläche redoxaktive Zentren lokalisiert sind, die je nach
energetischer Lage ihres Redoxzentrums zum Tunnelstrom beitragen (Abb. 2.11)56.
53 Die z-Koordinate sei die Höhe über der Oberfläche.54 Die Anordnung der Piezokristalle kann sich von Instrument zu Instrument unterscheiden. Die früher
verwendeten Dreibeinscanner werden heutzutage meist von sogenannten Röhrenscannern ersetzt.
Die verschiedene Bauarten diskutieren zum Beispiel Binnig und Smith55.55 G. Binnig, D. P. E. Smith, Rev. Sci. Instrum. 1986, 57, 168856 G. Iversen et al. J. Biol. Inorg. Chem. (1998) 3:229-235; H. Sumi, Chem. Phys. 222(1997) 269-280;
N. J. Tao et al., J. Electroanal. Chem. 492 (2000) 81-93
II. GRUNDLAGEN26
Abb. 2.11:
Energien u. Potentiale im in situ STM-Experiment
II. GRUNDLAGEN 27
E. Cyclovoltammetrie und verwandte Methoden
Die Cyclovoltammetrie (CV) ist eine der traditionellen Methoden der Elektrochemie. Der
experimentelle Aufbau besteht in der Regel aus drei Elektroden: der Arbeitselektrode, der
Referenzelektrode und der Gegenelektrode. Das zu untersuchende System befindet sich
entweder in Lösung oder auf der Oberfläche der Arbeitselektrode, deren Potential über einen
Potentiostaten konstant gehalten wird.
Durch das Aufprägen einer zeitabhängigen Potentialfunktion wird das Potential der
Arbeitselektrode relativ zur Probe variiert, so daß unter bestimmten Bedingungen
Elektronentransfer zwischen Probe und Arbeitselektrode erfolgen kann.
Die Gestalt dieser Potentialfunktion kann variieren: Handelt es sich um eine lineare Funktion,
dann spricht man von analoger Cyclovoltammetrie. Aus technischen Gründen ist es jedoch
einfacher, ein treppenförmiges Signal zu erzeugen, so daß die sogenannte staircase
Cyclovoltammetrie große Verbreitung gefunden hat. Abbildung 2.12 zeigt die
Potentialfunktionen für beide CV-Methoden und die nah verwandte differentielle
Pulsvoltammetrie (DPV)57.
Auch wenn die Potentialfunktion der staircase CV (SCV) im Mittel bei kleinen
Potentialschritten ESchritt ebenfalls durch eine lineare Funktion angenähert werden kann,
können sich die elektrochemischen Signale von denen der analogen CV unterscheiden. Die
Messung des Stroms I erfolgt bei der SCV nach der relativen Meßzeit τ = tMeß/tSchritt. Ist die zu
untersuchende Redoxreaktion schnell, dann kann der exponentiell abfallende Meßstrom I(t)
der Redoxreaktion nach dem Potentialsprung ESchritt bereits weitgehend abgeklungen sein,
57 J. Osteryoung, Acc. Chem. Res., vol. 26, no. 3, 77-83 (1993); H. A. Heering et al., Anal. Chem.
1999, 71, 174-182
Abb. 2.12: Potentialfunktionen verschiedener voltammetrischer Methoden
II. GRUNDLAGEN28
bevor die Messung von I(t) erfolgt. Das elektrochemische Signal I(E)SCV ist also unter
bestimmten Bedingungen von τ abhängig, so daß sich I(E)SCV vom Signal aus der analogen
CV unterscheidet. Erst bei kleinen Potentialschritten ESchritt und einer im Vergleich zur
Geschwindigkeitskonstante k0 des Redoxprozesses großen Vorschubgeschwindigkeit ν
gehen die Signale von analoger CV und SCV ineinander über (k0⋅ESchritt/ν < 0.01, I(E)SCV ≠
f(τ))58. Dann gelten auch für SCV die mathematischen Zusammenhänge der einzelnen
Meßgrößen aus der analogen CV, wie zum Beispiel zwischen Signalhöhe Ip und
Vorschubgeschwindigkeit ν für den Fall eines immobilisierten und eines gelösten
Redoxsystems (Gl. 2.18 und 2.19).
ν⋅Γ⋅⋅⋅⋅
⋅= O
22
p ATR4
FzI ν∝PI (Gl. 2.18)
ν⋅⋅⋅⋅⋅⋅⋅= OO
33
p cDATRFz
4463.0I ν∝PI (Gl. 2.19)
A ist die Elektrodenoberfläche, ΓO und cO sind die Oberflächen- bzw. Lösungskonzentration
der Redoxspezies im vollständig oxidierten oder reduzierten Zustand und DO ist der
Diffusionskoeffizient59.
SCV weist im Vergleich zur analogen CV einige Vorteile auf. Die Empfindlichkeit der
Methode ist deutlich höher, da durch die Wahl eines geeigneten τ störende
Hintergrundströme wie die Aufladung der Doppelschicht gar nicht erst erfaßt werden. Die
Abhängigkeit des Meßsignal I(E)SCV von τ kann außerdem dazu benutzt werden, ET-
Kinetiken bei konstanter Vorschubgeschwindigkeit ν zu messen. Dadurch kann der ET-
Schritt unter Umständen von anderen Grenzschichtprozessen entkoppelt werden58.
Die differentielle Pulsvoltammetrie (DPV) besitzt eine noch höhere Empfindlichkeit als die
SCV. Dabei wird zu zwei Zeitpunkten t1 und t2 der anliegende Strom I gemessen und
voneinander subtrahiert. Durch die relativ komplizierte Potentialfunktion sind die
Zusammenhänge zwischen den experimentellen Parametern und den dahinter stehenden
physikalischen Größen allerdings weniger transparent als bei der Cyclovoltammetrie. Eine
Einführung in die Theorie der DPV gibt Osteryoung57.
58 H. A. Heering et al., Anal. Chem. 1999, 71, 174-18259 A. J. Bard, L. R. Faulkner, "Electrochemical Methods", 2. Aufl., Wiley (2001)
II. GRUNDLAGEN 29
F. Die Theorie des Raman-Effektes
1. Der Raman-Effekt
Der sogenannte Raman-Effekt wurde bereits 1923 von Smekal vorhergesagt und wenige
Jahre später von Raman und Krishan in Flüssigkeiten bzw. von Landsberg und Mandelstam
in Quartz experimentell bestätigt60. Es handelt sich um ein inelastisches Streuphänomen,
dem die Wechselwirkung des elektrischen Feldes E(t) des Anregungslichtes mit den
Elektronen des Grundzustandes des anzuregenden Moleküls zugrundeliegt (IRaman ∝ E).
Es handelt sich in der quantenmechanischen Betrachtung um einen Zwei-Photonen-Prozeß,
bei dem gleichzeitig ein Photon ausgelöscht und ein neues gebildet wird. Die Frequenz des
neugebildeten Photons kann entweder der Anregungsfrequenz entsprechen (νStreu = ν0,
Rayleigh-Streuung) oder sich von dieser unterscheiden (νStreu = ν0 ± νk, Raman-Streuung).
Die Frequenz der Raman-Strah-
lung kann sowohl kleiner als auch
größer als die Anregungsfrequenz
ν0 sein. Im ersten Fall findet die
Anregung vom Schwingungsgrund-
zustand statt, während das Mole-
kül nach der Emission des Photons
auf einen angeregten Schwin-
gungszustand zurückfällt (Stokes-
Streuung). Im zweiten Fall geht die
Anregung von einem angeregten
Schwingungszustand aus, das
Molekül fällt nach dem Streupro-
zeß allerdings auf den Schwingungsgrundzustand zurück (Anti-Stokes-Streuung) (Abb.
2.13).
60 C. V. Raman, K. S. Krishnan, Nature 1928, 121, 501; G. S. Landsberg, L. J. Mandelstam,
Naturwissenschaften 1928, 16, 557
Abb. 2.13: Rayleigh- und Raman-Streuung
II. GRUNDLAGEN30
2. Der Resonanz-Raman-Effekt
Die Intensität des Raman-Effektes ist im Vergleich zur Fluoreszenz sehr schwach. Eine
substantielle Verstärkung erfolgt jedoch, wenn die Frequenz ν0 des Anregungslichtes in der
Nähe eines elektronischen Übergangs νabs liegt (Resonanz-Raman-Effekt).
Generell gilt für die Intensität IR der Raman-Strahlung
[ ]2 'v,vRI α∝ (Gl. 2.20)
wobei [α]v,v ' ist der Polarisierbarkeitstensor zur Kopplung der Schwingungszustände v und v'
des elektronischen Grundzustandes ist.
[α]v,v' läßt sich mit Hilfe der Kramers-Heisenbergsche Dispersionsgleichung herleiten:
[ ] ( ) ∑
Γ+ν+ν−ν
⋅+
Γ+ν−ν−ν
⋅⋅=α=α
ρσσρσρσρ
r r0grr0grk,k, i
gMrrMf
i
gMrrMf
h1
gf (Gl. 2.21)
Die Integrale ⟨fMρg⟩ usw. sind die elektronischen Übergangsdipolmomente, wobei „g" und
„f“ jeweils den Ausgangs- und den Endzustand bezeichnen. Γr ist der Dämpfungsfaktor der
Wellenfunktion im angeregten Zustand r und hängt unter anderem von der Lebensdauer
dieses Zustandes ab. Die Indizes ρ und σ stehen für die Raumkoordinaten x, y und z.
In Gleichung 2.21 lassen sich bereits wichtige Grenzfälle herauslesen. Weit entfernt von der
Resonanzbedingung (νr - νg >> ν0) ist [α]k unabhängig von ν0 und eine große Zahl von
Zuständen trägt zur Raman-Intensität bei.
Zudem können in der Summation die elektronischen Übergänge vernachlässigt werden, für
die sich die Übergangsfrequenz deutlich von ν0 unterscheidet. Deshalb wird die RR-Intensität
letztlich nur von einem (oder nur von wenigen) elektronischen Übergang (Übergängen)
bestimmt, da nur für diesen der Nenner in Gl. 2.21 klein und der Beitrag zu [α]k damit groß
wird. Folglich erfahren auch nur die Schwingungsbanden des Chromophors eine
Resonanzverstärkung, in dem der elektronische Übergang lokalisiert ist.
II. GRUNDLAGEN 31
Unter der Annahme der Born-Oppenheimer-Näherung können in Gleichung 2.21
elektronische und vibronische Komponenten getrennt und das elektronische Übergangsmo-
ment in einer Taylor-Reihe nach den Kernkoordinaten entwicklelt werden.
Der erste Term der resultierenden Summe, der sog. A-Term, wird bestimmt durch die Größe
des Übergangsdipolmomentes und der Franck-Condon-Faktoren und dominiert bei starken
(erlaubten) elektronischen Übergängen. Der A-Term ist beispielsweise entscheidend für die
Resonanzverstärkung der Raman-Banden von Porphyrinen bei Anregung in Resonanz mit
der Soret-Bande.
Der zweite Term hängt von der vibronischen Kopplung zweier elektronischer Übergänge ab
(B-Term, Herzberg-Teller-Kopplung) und spielt bei schwachen Übergängen eine Rolle (Q-
Banden-Anregung bei Porphyrinen).
3. Der oberflächenverstärkte Raman-Effekt
Neben dem Resonanzeffekt existiert noch ein zweiter Verstärkungseffekt, der die Intensität
der Raman-Streuung unter speziellen Bedingungen erhöhen kann: der
Oberflächenverstärkungseffekt. Er kann dann auftreten, wenn die zu untersuchenden
Moleküle auf submikroskopisch rauhen Metalloberflächen wie Cu-, Ag- oder Au-Oberflächen
adsorbiert sind.
Zur Erklärung des Effektes, der zuerst von Fleischmann et al. an Pyridin/Ag nachgewiesen
werden konnte61, wird heute in erster Linie ein Mechanismus diskutiert, den man als
„elektromagnetische Theorie“ bezeichnet.
Dieser Ansatz basiert auf der Dipol-Dipol-Kopplung des Strahlungsfeldes und der
delokalisierten Elektronen des Metalls (Oberflächenplasmonen). Ist die Frequenz der
anregenden Strahlung in Resonanz mit den Eigenschwingungen dieser
Oberflächenplasmonen, kommt es zu einer Verstärkung des mit der Frequenz ν0
oszillierenden elektrischen Feldes.
Auf die gleiche Weise kann auch das elektrische Feld an einem Molekül verstärkt werden,
das sich im Nahfeld des Metalls befindet. Da die Strahlungsintensität proportional zum
Quadrat der elektrischen Feldstärke ist, geht der Feldverstärkungsfaktor näherungsweise in
der vierten Potenz in die Raman-Intensität ein. Dadurch lassen sich Oberflächen-
verstärkungen der Raman-Intensität von 104 ohne weiteres erklären.
61 M. Fleischmann et al., Chem. Phys. Lett. 26, 163 (1974)
II. GRUNDLAGEN32
4. Resonanz-Raman-Spektroskopie an Porphyrinen
Die Absorptionsspektren von Porphyrinen weisen im
Allgemeinen drei wichtige Banden auf, deren Herkunft sich
aus dem Vier-Orbital-Modell von Gouterman verstehen
läßt62. Es beschreibt die elektronische Struktur eines
Porphyrins mit idealisierter D4h-Symmetrie durch zwei
energetisch sehr ähnliche a1u- und a2u-Orbitale, die im
Grundzustand besetzt sind (HOMO). Das LUMO besteht
aus zwei entarteten π*-Orbitalen mit eg-Symmetrie. Beide
elektronischen Übergänge, a1u → eg und a2u → eg, stehen
in Wechselwirkung miteinander, wobei sich die
Übergangsdipolmomente für die starke Soret-Bande (γ- oder B-Bande) bei etwa 400 nm
addieren und sich für die deutlich schwächere Q0-Bande (α-Bande) bei ca. 550 nm fast
aufheben. Die Vermischung von B- und Q-Übergangen führt ferner zur Anregung zu
vibronischen angeregten Zuständen, deren Umhüllende ein Absorptionssignal bei etwa 520
nm liefert (Qv - oder β-Bande)63.
Bedingt durch das komplizierte Interaktionsschema der elektronischen Zustände ist auch das
Resonanz-Raman-Spektrum stark von der Wellenlänge des Anregungslichtes abhängig. Je
nach Symmetrie der Mode sind sowohl Franck-Condon-Streuung als auch Herzberg-Teller-
Kopplungen als Verstärkungsmechanismen wirksam 63.
Bei Anregung im Bereich der Soret-Bande (B-Band) werden vor allem Schwingungen der
Symmetriegruppe A1g angeregt, zu der auch die Banden ν2, ν3 und ν4 gehören64. Zusammen
mit weiteren Banden der Symmetriegruppe B1g wie ν10 sind sie die wichtigsten Moden im
sogenannten Markerbanden-Bereich zwischen 1300 cm-1 und 1700 cm-1. Sie sind bezüglich
ihrer Lage und Intensität charakteristisch für den Ligandierungs- und Redoxzustand des
zentralen Metallkations (Ni, Fe usw.)65.
62 M. Gouterman, in D. Dolphin (ed.), „The Porphyrins“, vol III, part A, Academic Press, 1979, 1-15663 T. G. Spiro et al., Coord. Chem. Rev. 100 (1990) 541-57164 Die Bezeichnung der Banden mit νi stammt von Kitagawa et al., die die Schwingungsmoden für
NiOEP beginnend mit der Symmetriegruppe A1g in absteigender Reihenfolge numerierten. Diese
Ordnung gerät jedoch für andere Porphyrine durcheinander, weil die Bandenlagen sich teilweise
deutlich unterscheiden66.65 P. Hildebrandt in R. A. Scott, A. G. Mauk (eds.), „Cytochrome c“, Kap. 6, „Resonance Raman
Spectroscopy of Cytochrome c“, University Science Books (1996)
Abb. 2.14: Porphyrin-Gerüst
II. GRUNDLAGEN 33
Auch wenn diese Banden von Normalmoden herrühren, die den gesamten Porphyrin-Ring
betreffen, tragen manche Koordinaten in besonderem Maße bei. So geht die ν4-Bande
hauptsächlich auf die Cα-N-Streckschwingung zurück, während ν3 und ν10 vor allem Anteile
der Cα-Cm-Streckschwingung beinhalten (Abb. 2.14)66.
Besonders an ν4 wird der Einfluß des Redoxzustandes des Zentralions deutlich. Bei
Hämproteinen im oxidierten Zustand liegt die Bande bei etwa 1370 cm-1. Durch die
Reduktion des Eisens wird die Rückbindung in das π*-Orbital verstärkt, was wiederum in
erster Linie die Cα-N-Bindung schwächt. Dementsprechend verschiebt sich ν4-Bande um
etwa 10 cm-1 zu niedrigeren Wellenzahlen, so daß die Bande bei reduzierten Hämproteinen
im Bereich von 1360 cm-1 liegt.
Bei den anderen Moden ist der Einfluß weniger direkt. Veränderungen des π-
Elektronensystems und/oder geometrische Verzerrungen des Ringes können aber dennoch
zu signifikanten Verschiebungen der Banden führen. Dies wird vor allem bei der ν3-Mode
deutlich, die sich bei reduzierten Hämproteinen im sechsfach koordinierten low spin Zustand
bei ca. 1490 cm-1 befindet und somit etwa 20 cm-1 höher liegt als bei der fünffach
koordinierten high spin Form (∼ 1470 cm-1).
66 M. Abe et al., J. Chem. Phys. 69 (10), 4526-4534 (1978)
II. GRUNDLAGEN34
G. Relaxationskinetik
Die Kinetik komplexer Gleichgewichtssysteme kann mit der sogenannten
Relaxationsmethode untersucht werden. Dazu wird ein bestehender Gleichgewichtszustand
zwischen den Komponenten D und A durch die sprunghafte Veränderung eines Parameters
gestört und dann die Geschwindigkeit der Neueinstellung des Gleichgewichtszustandes
gemessen (Relaxation).
mit [ ][ ]DA
kk
K2
1 == (Gl. 2.23)
Bei der Auswertung der Relaxationsexperimente verwendet man nicht unmittelbar die
absoluten Konzentrationen der beteiligten Spezies, sondern deren Abweichung y vom
Gleichgewicht zum Zeitpunkt t mit y = [A] Gl - [A]t. Die Abweichung vom
Gleichgewichtszustand für die Komponente D sei x.
Damit ergibt sich für das zeitabhängige Verhalten der Abweichung y:
[ ]( ) [ ]( ) [ ]( )yAkxDkdt
yAdGl2Gl1
Gl −⋅−−⋅=−(Gl. 2.24)
Aus stöchiometrischen Gründen gilt x = -y:
[ ] [ ] [ ] ( ) ykkAkDkdtdy
dtAd
21Gl2Gl1Gl ⋅++⋅−⋅=− (Gl. 2.25)
Im Gleichgewicht ändern sich die Konzentrationsverhältnisse nicht, so daß sich Gleichung
2.25 weiter vereinfachen läßt.
[ ] [ ] [ ] 0AkDkdtAd
Gl2Gl1Gl =⋅−⋅= (Gl. 2.26)
( ) ykkdtdy
21 ⋅+=− (Gl. 2.27)
Dk1
k2
A(Gl. 2.22)
II. GRUNDLAGEN 35
Gleichung 2.27 ist eine lineare Differentialgleichung erster Ordnung, deren Lösung eine
einfache Exponentialfunktion mit der Abklingkonstante (k1+k2) ist.
( )( )tkkexpyy
210
⋅+−= (Gl. 2.28)
y0 ist die maximale Abweichung vom Gleichgewichtszustand [A]Gl. Die inverse
Abklingkonstante (k1+k2)-1 bezeichnet man als Relaxationszeit τ (Zeitkonstante).
Aus Gleichung 2.28 ist bereits ersichtlich, daß die Steigung einer logarithmischen Auftragung
von y/y0 gegen die Zeit t die Summe der Geschwindigkeitskonstanten k1 und k2 ergibt67.
Diese stehen wiederum über Gleichung 2.23 im Zusammenhang, so daß bei der Kenntnis
der Gleichgewichtskonstante K und einer Geschwindigkeitskonstante auch die zweite
festgelegt ist.
Bei der Untersuchung von Redoxprozessen für die Relaxation zum Redoxpotential E0 ist die
treibende Kraft gleich null und beide Geschwindigkeitskonstanten sind gleich groß. Damit
vereinfacht sich der Ausdruck für τ und die Geschwindigkeitskonstanten lassen sich direkt
aus der Steigung der logarithmischen Auftragung berechnen.
121 k21
kk1
⋅=
+=τ (Gl. 2.29)
67 Die Zeit t ist hier relativ zum Beginn des Relaxationsprozesses (t = 0), wo die Abweichung von der
Gleichgewichtskonzentration y maximal ist (y0).
III. MATERIAL UND METHODEN36
III. Material und Methoden
III. MATERIAL UND METHODEN 37
A. Proteinsynthese
1. Manuelle Synthese im Rührkesselreaktor
Die Synthese des Templats T wurde manuell in einem
Rührkesselreaktor durchgeführt.
Wie in Abbildung 3.1 zu sehen ist, besteht der Reaktor
aus einem Glasrohr mit einer Zuleitung im oberen und
einer weiteren im unteren Bereich. Je nach Reaktions-
schritt können beide zur Einleitung von Argon benutzt
werden. Die Glasfritte trägt das Harz, auf dem das Poly-
peptid synthetisiert wird. Die Durchmischung der Reakti-
onsmasse sowie das Entleeren des Reaktors erfolgt
durch die Zuleitung von Argon.
Das Standardprotokoll für die Synthese des Templats T ist in Tab. 3.1 aufgeführt:
Schritt Aminosäure Reagenzien Dauer [min] Wdh.
Aktivierung
(Veresterung der
AS-COOH-Gruppe)
alle außer Cys
Cys
3 Äq. Fmoc-AS,
3 Äq. TBTU +
6 Äq. DIPEA (DMF)
6 Äq. Cys + 3 Äq.
DIC (DMF)
5-10
20-30
0
0
Kopplung
(Zugabe zum Harz)
alle außer Cys
(Pro)
Cys
30
(30)
60
0
(1)
0
Waschen 20 mL DMF 5-10 2
Fmoc-Abspaltung
(Entschützen d. AS)
20 mL 20% Piperidin
in DMF
15 2
Tab. 3.1: Standardprotokoll der manuellen Peptidsynthese
Abb. 3.1: Rührkesselreaktor zur
manuellen Peptidsynthese
III. MATERIAL UND METHODEN38
2. Automatisierte Synthese im Rohrreaktor
Für die Synthese von längeren Polypeptidketten (~ 20-25 Aminosäuren) ist die automati-
sierte Synthese besser geeignet, weil sich durch die Automatisierung ein erheblicher Zeit-
vorteil ergibt. Die Reaktionszyklen für die verschiedenen Aminosäuren unterscheiden sich in
der Regel nur sehr geringfügig und zudem lassen sich die einzelnen Reaktionsschritte leicht
in einen Prozeß integrieren. Dadurch konnten Polypeptidketten mit etwa 20 Aminosäuren
Länge innerhalb von 24 Stunden synthetisiert werden, während bei der manuellen Synthese
in 12 Stunden nur etwa fünf bis sechs Aminosäuren (AS) gekoppelt werden können. Die ma-
nuelle Synthese einer längeren Kette erstreckt sich deshalb auf mehrere Tage, so daß zu-
sätzliche Zeitverluste durch die Lagerung oder durch die Wiederaufnahme der Synthese
(Quellzeit des Harzes usw.) entstehen.
Für die automatisierte Synthese wurde ein Syntheseautomat der Firma Perseptive Biosy-
stems (Modell 9050) verwendet. Das Standardsyntheseprotokoll ähnelt sehr stark dem der
manuellen Synthese, doch entstehen Unterschiede unter anderem dadurch, daß ein anderes
Harz verwendet wurde (s. Anhang A).
Schritt Aminosäure Reagenzien Dauer [min]
Aktivierung
(Veresterung der
AS-COOH-Gruppe)
alle außer Cys
Cys
4 Äq. Fmoc-AS,
4 Äq. TBTU +
8 Äq. DIPEA (DMF)
manuell
7
Kopplung
(Zugabe zum Harz)
alle außer Cys
Cys manuell
30
Waschen DMF 4
Fmoc-Abspaltung
(Entschützen d. AS)
20% Piperidin
in DMF
7
Tab. 3.2: Standardprotokoll der automatisierten Peptidsynthese
III. MATERIAL UND METHODEN 39
3. Synthese der de novo Proteine
Die Herstellung der synthetischen Proteine erfolgt nach einem modularen System, d. h. in
einer konvergenten Synthese (Kap II).
Alle Proteinsynthesen wurden im Arbeitskreis von Professor W. Haehnel an der Universität
Freiburg durchgeführt, wobei die Proteine MOP-P1 und MOP-P2 vom Autor selbst, die Pro-
teine MOP-P3, MOP-C und MOP-F von Dr. W. Li synthetisiert wurden.
3.1 Sequenzen der verwendeten Peptidmodule
3.1.1 Das Templat
Als Templat der hier untersuchten Vier-Helix-Bündel-Proteine diente ein zyklisches Deca-
peptid, das manuell hergestellt wurde.
Die Aminosäuresequenz lautet:
H2N-C(Acm)-A-C(Trt)-P-G-Cys(Acm)-A-C(Trt)-P-G-COOH
Seine Struktur nach der Cyclisierung ist in Abbildung 3.2 dargestellt. Der Übersicht halber
wurden die orthogonalen Schutzgruppen Acetamidomethyl (Acm) und Trityl (Trt) nicht be-
rücksichtigt.
Durch die Position der verschiedenen Cysteine in der Aminosäuresequenz und die Art ihrer
Schutzgruppen ist der Vier-Helix-Bündel-Typ bereits festgelegt, da ein bestimmter Helixtyp
nur dort addiert werden kann, wo eine Schutzgruppe selektiv abgespalten wurde. Im
Höchstfall könnte mit dieser Art von Templat ein Vier-Helix-Bündel (4HB) mit vier verschie-
denen Helixtypen hergestellt werden. Dazu wären allerdings Cysteine mit vier verschiede-
nen, zueinander orthogonalen Schutzgruppen notwendig. Die vorliegende Aminosäurese-
quenz erlaubt lediglich ein 4HB mit zwei unterschiedlichen Helices (Typ ABAB, vide infra).
Die Synthese des Polypeptids erfolgte auf einem mit Glycin vorbeladenen Chlortritylharz mit
einer Beladungsdichte von 0.54 mmol/g („high-load") nach dem in Tabelle 3.1 dargestellten
Protokoll.
Zur Abspaltung des Polypeptids am Ende der Synthese wurde das mit Peptid beladene
Harz für 2 h in 25 mL Essigsäure//MeOH/DCM (5:1:4) gerührt, filtriert und dreimal mit dem
Cys
Pro
Gly
Gly
ProCys
Ala Cys
Ala
Cys
Abb. 3.2: Das Templat T
III. MATERIAL UND METHODEN40
Lösungsmittelgemisch gewaschen. Das Lösungsmittel wurde dann bei 20 °C Badtemperatur
im Rotationsverdampfer destilliert und eventuelle Rückstände an Essigsäure mit Hexan her-
ausgelöst. Nach Aufnahme des Rückstandes in Acetonitril, Lyophilisierung und der anschlie-
ßenden HPLC-Reinigung (s. Anhang A) erfolgte die Cyclisierung der Polypeptidkette. Dazu
wurde das Peptid in DMF gelöst und nach Zugabe von 2 Äq. TBTU und 4 Äq. DIPEA etwa
8h gerührt. Nach der Abtrennung des Lösungsmittels im Hochvakuum bei einer
Badtemperatur von 40 °C wurde das Produkt erneut mittels HPLC gereinigt und lyophilisiert.
Die Identität der Produkte wurde durch ESI-Massenspektrometrie überprüft.
3.1.2 Die Aminosäuresequenzen der verwendeten Helices
Zur Herstellung der fünf verschiedenen de novo Proteine MOP-P1, MOP-P2, MOP-P3, MOP-
F und MOP-C wurden sechs verschiedene Helices verwendet, deren Sequenzen im Folgen-
den in der sogenannten „Netzdarstellung" aufgeführt sind. Die Helices sind dabei so orien-
tiert worden, wie sie in den entsprechenden Vier-Helix-Bündeln zu finden sind. Die Numerie-
rung der Aminosäuren ist relativ zum Templat (Mp = Maleinimidopropyl-Linker), nicht in der
Synthesereihenfolge (C-Terminal → N-Terminal).
Helix H1a Helix H1b Helix H2a Helix H2b Helix H3 Helix H4
Bevor die fertigen Aminosäuresequenzen zu einem Vier-Helix-Bündel-Protein zusammenge-
fügt werden können, müssen die Helices noch chemisch modifiziert werden. Dies kann unter
Abb. 3.3: Aminosäuresequenzen der verwendeten Helices
III. MATERIAL UND METHODEN 41
anderem das sogenannte „helix-capping" einschließen, das die Stabilität des Proteins
erhöhen soll. Darunter versteht man die Acetylierung des N- bzw. die Amidierung des C-
Terminus. Da das zur Helixsynthese verwendete PAL-PEG-PS-Harz die Polypeptidketten bei
der Abspaltung bereits als Amid freisetzt, wird für die Amidierung in diesem Fall kein
zusätzlicher Syntheseschritt benötigt.
Für die Acetylierung der dafür vorgesehenen Helices (z.B. Helix H1a, H2a und H2b) wurde
das polypeptidbeladene Harz in DMF in einen SPPS-Reaktor überführt und dort zweimal 30
Minuten in 30 mL Essigsäureanhydrid/DIPEA/DMF-Lösung (1.5 mL (AcO)2O + 150 µL
DIPEA + 28.5 mL DMF) gerührt. Nach dreimaligem Waschen mit 10 mL DMF und 10 mL
DCM wurde das Harz getrocknet und nach einer Probeabspaltung mit TFA/Anisol/DTT
(23:1:1, v/v/w) mittels ESI-MS charakterisiert.
Die Helices H1a, H2a und H2b sollten über die Aloc-geschützte ε-Aminogruppe der Lysin-
seitenkette an das Templat gebunden werden.
Zur Abspaltung der Aloc-Schutzgruppe wurden zunächst unter einer Argonatmosphäre
587 mg (0.51 mmol) Pd(P(C6H5)3)4 in 20 mL Chloroform/Essigsäure/N-Methylmorpholin
(37:2:1) gelöst, zu dem in Chloroform suspendierten Harz gegeben und für 4 h unter Ar ge-
rührt.
Das Waschen des Harzes erfolgte dreimal mit 5mL Chloroform, dann abwechselnd je zwei-
mal mit 25 mL 0.5%iger DIPEA-Lösung in DMF und je zweimal mit 25 mL 0.5%iger Natrium-
diethyldithiocarbamat-Lösung in DMF und schließlich dreimal mit 25 mL DMF. Nach einer
weiteren dreimaligen Reinigung mit DCM wurde das Harz getrocknet und die Identität des
gebundenen Peptids nach einer Probeabspaltung mit TFA/Anisol/DTT (23:1:1, v/v/w) mit
Hilfe von ESI-MS überprüft.
Ein weiterer Modifikationsschritt besteht in der Addition eines
geeigneten Linker-Moleküls, das die Anbindung der fertigen He-
lix an die Thiolgruppen des Templats erlaubt. Dazu wurde in
dieser Arbeit die Maleinimidopropionyl-Gruppe (Mp) verwendet,
die bereits in den Netzdarstellungen der Helices zu sehen ist
(Abb. 3.3).
Die Addition der Mp-Gruppe an eine freie Aminogruppe des
Peptids geschah in Form des symmetrischen Anhydrids, das
zunächst in einem Voraktivierungsschritt gebildet wird.
Dazu wurden 6 Äq. Maleinimidopropansäure in etwa 10 mL DMF
gelöst und 3 Äq. DIC hinzugegeben. Nach einer Reaktionsdauer
von mindestens 10 Minuten wurde die Lösung direkt auf das in DMF gequollene Harz gege-
ben und für zwei Stunden unter Ar gerührt. Danach wurde das Harz viermal mit je 10 mL
DMF und dreimal mit je 20 mL DCM gewaschen und getrocknet. Mit einer Probeabspaltung
N
OR
O
O
Helix
Templat
Maleinimido-
propyl (Mp)
III. MATERIAL UND METHODEN42
und einer nachfolgenden ESI-MS Analyse wurde die Vollständigkeit der Mp-Addition über-
prüft.
Die Abspaltung der Polypeptidkette vom Harz erfolgte weitgehend analog zu den Probeab-
spaltungen. Dazu wurden 24 mL TFA/Anisol/DTT (23:1:1, v/v/w) zu dem trockenen Harz ge-
geben und drei Stunden bei Raumtemperatur gerührt. Durch die Überführung der Reakti-
onslösung in 250 mL eines kalten Diethylether/Hexan-Gemisches (1:1) konnte das Peptid
ausgefällt werden. Dieses Präzipitat wurde dann durch Zentrifugieren und Dekantieren vom
Lösungsmittel abgetrennt (5000 rpm, 5 Min., 4 °C), mit etwa 60 mL Diethylether gewaschen
und erneut zentrifugiert. Nach der Trocknung im Exsikkator für ca. eine Stunde wurde das
Peptid mittels HPLC gereinigt und lyophilisiert bzw. anhand seines Massenspektrums cha-
rakterisiert.
3.2 Synthese der Vier-Helix-Bündel-Proteine
Die Assemblierung der Vier-Helix-Bündel-Proteine beginnt zunächst mit der Abspaltung der
Trityl-Schutzgruppe vom Templat.
Dazu wurde das Templat in 15 mL TFA/DTT (19:1) gelöst und 30 Minuten bei Raumtempe-
ratur gerührt. Das teilentschützte Peptid wurde dann in eiskaltem Diethylether ausgefällt,
abzentrifugiert und mehrere Male mit eiskaltem Ether gewaschen. Nach der HPLC-Reini-
gung wurde mittels ESI-MS die Vollständigkeit der Trityl-Abspaltung überprüft und das fertige
Produkt lyophilisiert.
Für die Kupplung der ersten beiden Helices wurden jeweils etwa 5-10 µmol Templat und 2.2
Äq. Helix (1.1 Äq. pro entschütztem Cys) in einem 0.15 M Natriumphosphat/Acetonitril-Puffer
(3:2, pH 7.0, 1.25 mL pro 100 mg Peptid) gelöst. Die Retentionszeiten der Ausgangsstoffe
wurden mit Hilfe von analytischer HPLC gemessen, so daß nach der Vereinigung der beiden
Lösungen der Fortgang der Kupplungsreaktion über die Retentionszeiten und Signalintensi-
täten der Edukte und Produkte kontrolliert werden konnte68.
Nach der vollständigen Umsetzung des Templats wurden noch vorhandene freie Mp-Grup-
pen durch Zugabe von 10 µL Mercaptoethanol abgesättigt. Die Reinigung des fertigen Zwei-
Helix-Bündels erfolgte mittels präparativer HPLC.
Zur Addition des zweiten Helixpaares mußte zunächst die Acetamidomethyl-Schutzgruppe
vom Templat abgespalten werden. Dazu wurden 0.05 mmol des Acm-geschützten Zwei-
Helix-Bündels in Ammoniumacetat-Puffer (pH 4.0) gelöst und 10 Äq. Quecksilber(II)acetat
68 Es ist wichtig, bei der Einwaage der Peptide die Salzbildung der basischen Aminosäuren (Lys, Arg
und His) mit dem TFA-Anion zu berücksichtigen, da dadurch das effektive Molekulargewicht steigt und
- bei gegebener Einwaage - die effektive Stoffmenge an Peptid sinkt.
III. MATERIAL UND METHODEN 43
hinzugegeben. Nach ca. 30 Minuten erfolgte die Zugabe von 100 Äq. DTT und nach einer
weiteren Reaktionszeit von etwa drei Stunden konnte der verbliebene Feststoff abzentrifu-
giert, mit H2O/Acetonitril/Essigsäure (5:4:1, v/v/v) gewaschen und die vereinigten Peptidlö-
sungen durch präparative HPLC gereinigt werden.
Die Bindung des zweiten Helixpaares erfolgte nach der gleichen Vorschrift wie die Addition
der ersten beiden Helices.
Durch die Kombination der obengenannten sechs Helices konnten fünf verschiedene Vier-
Helix-Bündel-Proteine synthetisiert werden.
Name Orientierung Helices Aufsicht* Bindungsdomäne
MOP-P1 parallel H1a + H2a elektrostatisch?
MOP-P2 parallel H1a + H2b+
+elektrostatisch
MOP-P3 antiparallel H1b + H2b++
++elektrostatisch
MOP-C antiparallel H1b + H3SH
SHkovalent
MOP-F antiparallel H1b + H4F
Fhydrophob
Modell in der
Seitenansicht inkl.
Hämgruppe
Tab. 3.3: Design der Vier-Helix-Bündel, Vier-Helix-Bündel-Modell
* Blick von „oben" auf die Bindungsdomäne (entlang der 4-HB-Achse zum Templat)
Legende:
grün = N-Terminus, rot = C-Terminus an der Bindungsdomäne
dick umrandeter Kreis = Histidin-tragende Bindehelix H1a/b
„+"/„++" = Lysin mit einer bzw. zwei nicht-acetylierten NH2/NH3+-Gruppe(n)
„SH" = freies Thiol (Cystein)
„F" = hydrophobe Alkylkette (Dodecylsäurerest)
III. MATERIAL UND METHODEN44
Der obere Teil des Proteinmodells in Tabelle 3.3 (rechts) dient zur Immobilisierung des Pro-
teins auf einer modifizierten Metalloberfläche. Je nach Art der Kräfte, die zu dieser Immobili-
sierung führen, wurden die verschiedenen Typen von Bindungsdomänen in „elektrostatisch",
„kovalent" und „hydrophob" eingeteilt. Details zur Modifikation der Metalloberfläche und zur
Immobilisierung der jeweiligen Proteine finden sich im Abschnitt C.2.2.
3.3 Einbau der Hämgruppe in die Vier-Helix-Bündel-Proteine
3.3.1 Die de novo Proteine MOP-P1, MOP-P2, MOP-P3 und MOP-C
Das Protein wurde entweder in einer 100 mM NaCl-Lösung (pH 7.5 mit 50 mM Tris/HCl-
Puffer eingestellt) oder in einem 10 mM Phosphatpuffer (pH 8.0, 12.5 mM K2SO4) gelöst. Die
Proteinkonzentration betrug etwa 50 µM. Dann wurde gerade soviel einer ca. 2 mM Hämin/
DMSO-Lösung hinzugefügt, daß ein eineinhalb- bis zweifacher Überschuß an Hämin gegen-
über den Hämbindestellen vorlag (MOP-C: 1.1:1), und sofort umgeschwenkt. Nach etwa
zwei Stunden Reaktionszeit wurde die Reaktionslösung über eine Gelfiltrationssäule (PD-10,
Sephadex G-25 M, Amersham Biosciences) von überschüssigem Hämin befreit. Die Säulen
wurden mit dem jeweils verwendeten Ausgangspuffer äquilibriert.
3.3.2 Das de novo Protein MOP-F
Der Hämeinbau in MOP-F erwies sich als bedeutend schwieriger als bei den anderen Protei-
nen. Möglicherweise interferiert der lange hydrophobe Alkylrest an der Bindungsdomäne des
Proteins mit der Hämbindungsstelle in dessen Inneren. Ausgehend von dieser Hypothese
wurde dem obengenannten 10 mM Phosphatpuffer soviel Guanidiniumhydrochlorid (GuHCl)
hinzugefügt, daß eine etwa 1 M Lösung entstand. Danach wurde wie bei den anderen Pro-
teinen verfahren. Die Proteinlösung zeigte schon sehr bald nach Zugabe des Hämins die für
Hämproteine typische, tiefrote Färbung.
III. MATERIAL UND METHODEN 45
B. Proteincharakterisierung
1. ESI-Massenspektrometrie
Die massenspektrometrische Analyse der Proteine und Proteinbausteine erfolgte im Arbeits-
kreis Haehnel (Universität Freiburg) mit einem Tandem-Quadrupol Massenspektrometer
(Finnigan, Modell TSQ 700). Zur Kalibrierung wurde apo-Myoglobin der mittleren Molekül-
masse MW = 16950.5 Da verwendet.
Die Spektrenanalyse geschah mit den Programmen „Biomass Calculation" und „Biomass
Deconvolution" der Firma Finnigan.
Die Massen der relevanten Zwischen- und Endprodukte der Synthesen von MOP-P1 und
MOP-P2 finden sich in Anhang A.
2. Umkehrphasen-Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (RP-HPLC)
Die RP-HPLC-Experimente wurden in der Arbeitsgruppe Haehnel (Universität Freiburg)
durchgeführt.
Für die analytischen HPLC-Experimente wurde das System „Waters Model 600E" benutzt.
Es war mit einem Photodiodenarray-Detektor („Model 996") und einem automatischen Pro-
bensammler („Waters 717plus") ausgestattet.
Die präparativen Läufe wurden mit dem „Waters Model 4000"-System mit einem gekoppel-
ten, regelbaren UVvis-Absorptionsdetektor („Model 486") durchgeführt, das über das Soft-
ware-Paket „Waters Millenium 32 chromatography manager" angesteuert werden konnte.
Details zu den jeweiligen HPLC-Experimenten finden sich in Anhang A.
3. UV-vis-Absorptionsspektroskopie
Alle UV-vis-spektroskopischen Untersuchungen wurden in der Arbeitsgruppe Melo (Universi-
dade Nova de Lisboa, ITQB) an einem Doppelstrahlspektrometer (Varian, Cary 3E) mit
Deuterium- und Wolframlampe durchgeführt.
Für alle Messungen wurden entweder eine Mikroküvette oder eine Halbmikroküvette für
anaerobes Arbeiten (HELLMA) mit einer optischen Dicke von 1 cm verwendet.
III. MATERIAL UND METHODEN46
Die UV-vis-Spektroskopie diente in allen Fällen zur Konzentrationsbestimmung der apo-
Formen der de novo Proteine, da jedes dieser Proteine zwei Tryptophane in seiner Amino-
säuresequenz aufweist (ε(Trp, 280 nm) = 5700 mM-1cm-1). Zur Bestimmung der Konzentra-
tionen der holo-Proteine diente die Soret-Absorption der oxidierten Form des Hämproteins
(vide infra).
4. Stabilität der de novo Proteine
Die Stabilität der Vier-Helix-Bündel-Proteine wurde durch GuHCl-induzierte Entfaltung UV-
vis-spektroskopisch im Bereich der Soret-Absorption der Hämgruppe charakterisiert. Dabei
ergab sich nicht nur die Entfaltungsenthalpie des Proteins, sondern auch ein Maß für die
Kooperativität des Entfaltungsprozesses. Die Analyse basiert auf der Annahme eines Zwei-
Zustand-Modells der Entfaltung.
Die hochkonzentrierte GuHCl-Lösung (GERBU Biotechnik) wurde zunächst mit konzentrier-
ter Natronlauge auf pH 7.5 eingestellt. Die Bestimmung der GuHCl-Konzentration erfolgte
refraktometrisch gemäß69:
32 60.9118.3615.57]GuHCl[ ∆⋅−∆⋅+∆⋅= (Gl. 3.1)
Die Temperatur betrug bei den Bestimmungen 20 °C, die Konzentration der GuHCl-Stamm-
lösung betrug 6.24 M.
Dann wurde eine Konzentrationsreihe aus Proteinstammlösung (c ≈ 20 mM Protein in Ka-
liumphosphatpuffer pH 7.5, 12.5 mM K2SO4), Kaliumphosphatpuffer pH 7.5 (12.5 mM K2SO4)
und GuHCl-Stammlösung erstellt, wobei die Lösungen in der genannten Reihenfolge unter
Umschwenken gemischt wurden, um v. a. GuHCl-Konzentrationsgradienten zu vermeiden.
Nach einer Inkubationszeit von zwei Stunden wurden die Proben UV-vis-spektroskopisch
gemessen. Das Erreichen des Gleichgewichtszustandes konnte durch die Wiederholung
dieser Messungen nach einigen Stunden überprüft werden.
Unter der Annahme, daß das Spektrum unter Abwesenheit von GuHCl dem des vollständig
gefaltenen Proteins und das Spektrum bei der höchsten GuHCl-Konzentration dem des voll-
ständig entfaltenen Protein entspricht, wurde auf der Basis dieser beiden Einzelspektren eine
69 C. N. Pace, Method. Enzymol., vol. 131 (1986), 266-281
)OH(n)GuHCl(n mit 2DD −=∆
III. MATERIAL UND METHODEN 47
Komponentenanalyse der übrigen UV-vis-Spektren im Bereich von 350-490 nm durchge-
führt. Dazu diente das MathCad-Programm „fit_unfoldingUVvis" (Anhang C).
In keinem Fall konnte eine systematische Abweichung zwischen den angepaßten und den
experimentellen Spektren festgestellt werden, was UV-vis-spektroskopisch unterscheidbare
Zwischenprodukte ausschließt und die Annahme eines Zwei-Zustand-Prozesses stützt.
Da bei jedem de novo Protein das Ende des Entfaltungsprozesses bereits vor der höchsten
GuHCl-Konzentration erreicht war, kann außerdem davon ausgegangen werden, daß das
Spektrum bei der höchsten GuHCl-Konzentration bereits den vollständig entfalteten Zustand
repräsentiert.
5. Bestimmung der Extinktionskoeffizienten
Die Bestimmung der Extinktionskoeffizienten der Hämgruppe wurde nach der Hämochrom-
Methode durchgeführt70.
Dazu wurde zunächst ein Spektrum der Stammlösung des (oxidierten) holo-Proteins in 10
mM Kaliumphosphat-Puffer pH 7.0 (12.5 mM K2SO4) aufgenommen. Zu 250 µL dieser
Stammlösung wurden 3 µL einer 0.1 M K3[Fe(III)(CN)3]-Lösung und 250 µL 0.2 M Natron-
lauge (40% Pyridin) hinzu gegeben und 30 Minuten inkubiert. Nach der Aufnahme eines UV-
vis-Spektrums des oxidierten Hämochroms erfolgte die Zugabe von wenig festem Na2S2O4
unter leichtem Umschwenken. Nach weiteren zwei Minuten wurde das UVvis-Spektrum des
reduzierten Hämochroms aufgenommen und die Vollständigkeit der Reduktion durch die
erneute Zugabe von etwas Na2S2O4 geprüft.
Die Konzentration an Hämochrom errechnet sich aus der Differenz der Hämochrom-Spek-
tren bei 556 nm und 540 nm (ε556-540 = 23.98 mM-1cm-1). Da der Verdünnungsgrad V der Hä-
mochrom-Lösung im Vergleich zur Proteinstammlösung bekannt ist, kann die Konzentration
an Hämprotein und damit der Extinktionskoeffizient der Hämgruppe berechnet werden.
cm 1cmmM 98.23
EE]Hämochrom[
11
540ox
556red
⋅−
=−−
(Gl. 3.2)
[ ] cm 1VHämochromAStamm
⋅⋅=ε
λλ (Gl. 3.3)
Die angegebenen Werte für ε sind die Mittelwerte aus mindestens drei Bestimmungen.
70 E. A. Berry, B. L. Trumpower, Anal. Biochem. 161, 1-15 (1987)
III. MATERIAL UND METHODEN48
6. Gelfiltrationschromatographie
Die Gelfiltrationsexperimente zur Bestimmung des Aggregierungszustandes der de novo
Proteine wurden von Michael Reuß (MPI f. Strahlenchemie, Mülheim) durchgeführt.
Die Kalibrierung der Säule (Superdex 75 HR 10/30) erfolgte mit Hilfe von fünf Standards
(Vitamin B12 (1.3 kDa), Aprotinin (6.5 kDa), α-Lactalbumin (14.2 kDa), Kohlenstoffanhydrase
(29.0 kDa) und Albumin (45.0 kDa)), als Elutionsmittel diente 150 mM Natriumphosphatpuffer
pH 7.0, der Volumenstrom betrug 0.7 mL/min (T = 278 K). Die UV-vis-spektroskopische De-
tektion erfolgte entweder bei 280 nm oder gleichzeitig bei 280 nm und 412 nm.
C. Charakterisierung der Grenzschicht und der adsorbierten Proteine
1. Poly- und einkristalline Goldelektroden für elektrochemische Messungen
Alle elektrochemischen Messungen sind in der Arbeitsgruppe von Prof. Ulstrup (Technical
University of Denmark, Lyngby) durchgeführt worden. Die Goldelektroden wurden von Dr. J.
U. Nielsen und Dr. J. Zhang zur Verfügung gestellt und waren aus eigener Herstellung. Als
Einkristallelektroden wurden ausschließlich Au(111)-Elektroden verwendet, deren Identität
durch ihr charakteristisches Cyclovoltamogramm in 0.01 M H2SO4 sichergestellt wurde71.
Zur Vorbereitung auf jedes Experiment wurden die Elektroden zunächst in 0.1 M H2SO4 bei
einer Spannung von 10 V für ca. 30 Sekunden anodisch elektropoliert und dann mit H2O, 1 M
Salzsäure und wieder mit H2O abgespült. Gegebenenfalls wurde dieser Prozeß ein- bis
zweimal wiederholt. Zu beachten ist, daß die Einkristalloberflächen nach der „hanging meni-
scus"-Methode gereinigt worden sind, so daß eine unnötige Abnutzung der Elektrode ver-
mieden werden konnte. Nach der Elektropolierung wurden die Elektroden vorsichtig von
Wassertropfen befreit und in einem Ofen (Nabertherm, Buch&Holm) bei etwa 900 °C für min-
destens zwei Stunden geglüht. Nach einer langsamen Auskühlung wurden die Elektroden bis
zum nächsten Experiment gelagert.
Unmittelbar vor jedem Experiment wurden die Elektroden vorsichtig in einer Wasserstoff-
flamme geglüht, dann in einer mit Wasser gesättigten Atmosphäre gekühlt und zur Auftra-
gung der Monoschicht in die Lösung mit den entsprechenden Thiolderivaten getaucht (Ab-
schn. C 2.2).
71 A. Hamelin, J. Electroanal. Chem., 407 (1-2), 1-11 (1996)
III. MATERIAL UND METHODEN 49
2. Präparation der Silberelektroden und Oberflächenmodifikation
Im Gegensatz zu den in der Elektrochemie verwendeten Goldelektroden müssen die Sil-
berelektroden für die SERR-Spektroskopie eine bestimmte Rauhigkeit als Voraussetzung für
die Oberflächenverstärkung der Raman-Streuung aufweisen (s. Abschn. II F.1). In der Regel
wurden nicht blanke, sondern modifizierte Elektroden verwendet.
2.1 Präparation der Ag-Oberfläche für die SERR-Spektroskopie
Das elektrochemische Aufrauhen der Silberelektroden erfolgte in einer Glaszelle mit einer
ringförmigen Platin-Gegenelektrode, in deren Zentrum sich eine drehbare Achse mit der Sil-
berelektrode befand. Als Referenzelektrode diente eine gesättigte Kalomelelektrode (E0 =
+241.2 mV bzgl. SHE 72), die durch eine Kapillare mit dem Hauptraum der Zelle in
Verbindung stand. Als Elektrolyt diente 0.1 M KCl-Lösung.
Schritt Beschreibung Wdh.
1. manuelles Aufrauhen
2. Reinigung durch naszie-
renden Wasserstoff
3. Oberflächenpräparation
Entfernung der oberen Ag-Schichten mit
Schmirgelpapier, Abspülen mit H2O, EtOH
und H2O
mit rotierender Achse:
-2.0 V für ca. 10 s, 5 s o. c. p.
mit ruhender Achse:
+0.3 V für 60 s, -0.3 V für 60 s
+0.3 V für 20 s, -0.3 V für 20 s
Abspülen mit H2O oder H2O und EtOH
-
2
-
2
Tab. 3.4: Protokoll zum Aufrauhen der Ag-Elektroden für die SERR-Spektroskopie
72 A. J. Bard, L. R. Faulkner, „Electrochemical Methods“, 2. Auflage Wiley (2001)
III. MATERIAL UND METHODEN50
Abbildung 3.4 zeigt ein mit einem Rasterkraft-
mikroskop (NanoScope, Digital Instruments) in
der Arbeitsgruppe von D. A. Smith (University
of Leeds) aufgenommes Bild von einer nach
dem Protokoll in Tabelle 3.4 aufgerauhten
Elektrode. Es zeigt Oberflächenstrukturen in
der Größenordnung von etwa 100 nm, die
vermutlich für das Auftreten der Oberflächen-
verstärkung des Raman-Effektes verantwort-
lich sind. Eine Aufnahme im Größenbereich
von 400 nm zeigte keine weiteren Substrukturen (hier nicht dargestellt). Die „Silberinseln"
sind somit ausreichend groß, daß adsorbierte Proteine effektiv auf einer planaren Oberfläche
binden und der Einfluß der Rauhheit auf den Adsorptionsprozeß wahrscheinlich ver-
nachläßigbar ist.
2.2 Modifikation der Gold- und Silberoberflächen
Die Adsorption von Proteinen auf blanken Metalloberflächen kann zu unerwünschten
Denaturierungseffekten führen. Es konnte jedoch gezeigt werden, daß durch eine chemische
Veränderung der Oberfläche diese Effekte weitestgehend ausgeschaltet werden können.
Deshalb wurden die Metalloberflächen je nach Protein mit verschiedenen organischen
Thiolen bedeckt, die homogene, selbstorganisierte Monoschichten (SAM) bilden73.
2.2.1 Elektrostatische Immobilisierung von MOP-P1, MOP-P2 und MOP-P3:
Die Aminosäuresequenzen der Proteine P1, P2 und P3 sind so gewählt worden, daß im Be-
reich der Bindungsdomäne bei neutralem pH-Wert ein Überschuß an positiver Ladung vor-
handen ist. Für eine elektrostatische Immobilisierung der Proteine ist demzufolge eine SAM
notwendig, die ihrerseits mit negativen Kopfgruppen ausgestattet ist. Im Rahmen dieser Ar-
beit wurden dazu ω-Mercaptocarbonsäuren verwendet, da diese in der Regel dicht gepackte,
homogene Schichten bilden, die zudem bereits sehr gut charakterisiert sind74.
73 A. Ulman, "Introduction to Ultrathin Organic Films. From Langmuir-Blodgett to Self-Assembly",
Academic Press (1991), 279-29674 H. O. Finklea, "Self-assembled Monolayers on Electrodes", Encycl. of Anal. Chem., Wiley (2000)
Abb. 3.4: AFM-Bild der SERRS-Elektrode
III. MATERIAL UND METHODEN 51
Die Elektrodenvorbereitung erfolgte nach den unter C.1 und C.2 beschriebenen Vorgehens-
weisen; alle Lösungen wurden erst unmittelbar vor Gebrauch hergestellt.
SAM Abk. Vorschrift
2-Mercaptoethansäure/
3-Mercaptopropansäure
11-Mercaptoundecansäure
„C2“
„C3“
„C11“
1-5 mM Lösung in H2O zu je 3.5 mL aliquotiert
und frisch präparierte Elektrode hineingeben
1-5 mM Lösung in Ethanol oder Ethanol/H2O
(1:1, v/v) zu je 3.5 mL aliquotiert und frisch
präparierte Elektrode hineingeben
Tab. 3.5: Herstellung der COOH-terminierten Monoschichten
Alle zur Oberflächenmodifizierung verwendeten Chemikalien waren von höchstem Rein-
heitsgrad (Sigma/Aldrich/Fluka) und wurden ohne weitere Reinigung verwendet.
Nach einer Reaktionszeit von 12 Stunden für C2 und C3 und 24 Stunden für C11 wurden die
Elektroden mit H2O bzw. Ethanol abgespült, vorsichtig im Luftstrom getrocknet und in die
Apparatur eingebaut. Die langen Reaktionszeiten sind nötig, weil Ordnungsprozesse in der
SAM im Vergleich zur Chemisorption der Thiolgruppe relativ langsam ablaufen. Eine zu
lange Reaktionszeit kann jedoch ebenfalls kontraproduktiv sein, weil die Bildung von Fehl-
stellen zunimmt7.
Abb. 3.5: Adsorption von holo-MOP-P
III. MATERIAL UND METHODEN52
2.2.2 Kovalente Immobilisierung von MOP-C:
Über die Abschirmhelices H3 ist die Bindungsdomäne von MOP-C mit insgesamt zwei Cy-
steinen ausgestattet, die es im Prinzip erlauben, das Protein direkt auf der Metalloberfläche
zu binden. Allerdings konnte bei Arbeiten an ähnlichen Proteinen bei direkter Anbindung an
die Elektrode keine elektrochemische Aktivität, bei Verwendung eines Cysteamin/
Maleinimidopropionyl-Linkers ("SIMP") jedoch ein reversibles elektrochemisches Signal
gemessen werden. Aus diesem Grund wurde diese Immobilisationstechnik auch hier ge-
wählt75. Die Elektrodenvorbereitung erfolgte wie unter C.1 und C.2 beschrieben, alle Lösun-
gen wurden erst unmittelbar vor Gebrauch hergestellt.
Schritt Vorschrift
Addition von Cysteamin
Addition des SIMP-Linkers
Addition von apo-MOP-C
frisch präparierte Elektrode für 2 h in 3.5 mL einer 1-5
mM Lösung (H2O), dann mit H2O und EtOH abgespü-
len und im Luftstrom trocknen
Elektrode für 4 h in frisch bereitete 1-5 mM Lösung von
3-Maleimidopropionsäure-N-succinimidylester
(DMSO); mit DMSO, EtOH und H2O abgespülen u.
vorsichtig im Luftstrom trocknen
Elektrode für 2 h in frisch bereitete apo-MOP-C Lösung
([MOP-C] ≈ 10 µM) geben und mit 10 mM Kalium-
phosphat-Puffer pH 7.0 (12.5 mM K2SO4) reinigen (2-3
Wdh.)
75 T. Kitagawa et al., Chem. Pharm. Bull. 29 (4), 1130-1135 (1981) ; Haehnel, persönl. Mitteilung;
I. Willner et al., Angew. Chem. Int. Ed. 1998, 37, no. 23, 3253-3256
Abb. 3.6: Chemisorption von holo-MOP-C
III. MATERIAL UND METHODEN 53
Einbau der Hämgruppe Elektrode in 3.5 mL 10 mM Kaliumphosphat-Puffer
pH 8.0 (12.5 mM K2SO4) überführen, 1 µL 2 mM
Hämin/ DMSO-Lsg. hinzu geben und sofort ver-
mischen; Reaktionszeit: 30-120 Minuten
danach Elektrode mit 1% Triton-X100-Lsg. und meh-
rere Male mit dem o. g. Phosphatpuffer pH 7.0 spülen
und sofort in die Meßapparatur überführen
Tab. 3.6: Herstellung der MOP-C-bedeckten Elektroden
Alle zur Oberflächenmodifizierung verwendeten Chemikalien waren von höchstem Rein-
heitsgrad (Sigma/Aldrich/Fluka) und wurden ohne weitere Reinigung verwendet.
Anstatt des apo-Proteins kann auch sofort das holo-Protein addiert werden, so daß der letzte
Schritt wegfällt. Die experimentellen Ergebnisse waren jedoch die gleichen und da sich der
Hämeinbau in dieses Protein in Lösung als schwierig darstellte, wurde in der Regel das in
Tabelle 3.6 dargestellte Protokoll befolgt.
2.2.3 Immobilisierung von MOP-F über hydrophobe Wechselwirkungen
Wie aus der Netzdarstellung von Helix 4 zu entnehmen ist, enthält das Protein MOP-F ins-
gesamt zwei Dodecylsäurereste, die die hydrophobe Bindung des Proteins an eine entspre-
chende SAM ermöglichen sollten. Dazu wurde sowohl 11-Mercaptoundecansäure (C11) als
auch 12-Dodecanthiol (C12F) getestet. Abbildung 3.7 verdeutlicht den Bindungsmechanis-
mus am Beispiel des C12F.
Die Herstellung der modifizierten Elektroden ist im Fall von C11 und C12F identisch (Abschn.
2.2.1). C12F war wie C11 vom höchsten erhältlichen Reinheitsgrad (Sigma/Aldrich/Fluka)
und wurde ohne weitere Reinigung verwendet.
Abb. 3.7: Immobilisierung von holo-MOP-F (schematisch)
III. MATERIAL UND METHODEN54
2.2.4 Elektrostatische Immobilisierung von Cytochrom b562
Wie auch die de novo Proteine des P-Typs kann Cytochrom b562 elektrostatisch auf modifi-
zierten Metalloberflächen gebunden werden. Der Unterschied besteht lediglich darin, daß
Cyt b562 eine negativ geladene Bindungsdomäne besitzt, die höchstwahrscheinlich auch die
Propionat-Gruppen des Häms einschließt. Die Oberflächenmodifizierung erfolgte daher in
diesem Fall mit ω-Aminoalkylthiolen, deren NH2-Gruppen in neutraler wäßriger Lösung zum
Teil protoniert sind und so eine positiv geladene Monoschicht darstellen.
Cysteamin (A-C2) wurde von Sigma/Aldrich/Fluka, die anderen Aminoalkylthiole (A-C6, A-C8
und A-C11) von Dojindo Inc. bezogen. Alle Chemikalien waren von höchster Reinheitsstufe
und wurden ohne weitere Reinigung verwendet.
Die Modifikation der Elektroden verläuft ganz analog zu den carboxylterminierten Thiolen:
SAM Abk. Vorschrift
2-Aminoethylthiol
6-Aminohexylthiol
8-Aminooctylthiol
11-Aminoundecylthiol
„A-C2“
„A-C6“
„A-C8“
„A-C11“
frisch präparierte Elektrode für 12 h in 3.5 mL
1-5 mM Lösung in H2O geben
frisch präparierte Elektrode für 24 h in 3.5 mL
1-5 mM Lösung in Ethanol oder Ethanol/H2O
(1:1, v/v) geben
Tab. 3.7: Herstellung der aminoterminierten SAM
Eine Komplikation bei den aminoterminierten Thiolen ist jedoch, daß nicht nur der Thiol-
Schwefel, sondern auch nichtprotonierte Aminogruppen relativ starke Bindungen mit dem
darunterliegenden Metall eingehen können76. Dadurch sind diese Monoschichten weniger
76 W. Hill et al., Langmuir, 15, 3162-3168 (1999)
Abb. 3.8: Adsorption von Cyt b562 (1QPU)
III. MATERIAL UND METHODEN 55
homogen und bezüglich ihrer Dicke weniger gut definiert als die COOH-terminierten Mono-
schichten.
Ferner können freie, über die NH2-Gruppe an die Elektrode gebundene Thiole leichter zur
Sulfonsäure oxidiert werden als in Lösung, so daß Bereiche der Monoschicht möglicherweise
negativ geladene Kopfgruppen aufweisen77.
Im Laufe der Untersuchungen konnte jedoch gezeigt werden, daß Cytochrom b562 spezi-
fisch an aminoterminierte Monoschichten adsorbiert. Charakteristische Schwingungsbanden
der Sulfonylgruppe im Bereich von 1370 cm-1 wurden im SERR-Spektrum unter typischen
Meßbedingungen nicht nachgewiesen, so daß die oben genannten Probleme bei den hier
durchgeführten Experimenten vermutlich vernachlässigbar sind77.
77 Wallwork et al., Langmuir, vol. 17, 1126-1131 (2001)
III. MATERIAL UND METHODEN56
3. Raman-Spektroskopie in Lösung und auf der Oberfläche
3.1 Der optische Aufbau
Die Aufnahme der Resonanz-Raman-Spektren in Lösung und der SERR-Spektren von der
Silberoberfläche erfolgte durch Anregung bei 413 nm mit einem Kryptonionen-Laser (Co-
herent Innova 302 oder Innova 400). Der optische Strahlengang unterschied sich bei beiden
Techniken nicht (Abb. 3.9).
Der Interferenzfilter L diente dazu, störende Plasmalinien des Lasers zu entfernen. Die Meß-
zelle bestand entweder aus einer Quarzrotationsküvette (RRS) oder aus einer elektrochemi-
schen Zelle (SERRS).
Das gestreute Licht wurde im 90°-Winkel zur Strahlrichtung von der Probe auf den Spektro-
meterspalt fokussiert (d = 200-300 µm). Unmittelbar davor befand sich ein Depolarisator, um
die Polarisationsabhängigkeit der Gitterempfindlichkeit zu kompensieren.
Als Spektrometer diente ein Doppelmonochromator (U-1000, Jobin Yvon), der als Spektro-
graph betrieben wurde. Das auftreffende Licht wurde mit Hilfe der beiden optischen Gitter
dispergiert (1200 Linien/mm) und auf eine stickstoffgekühlte CCD-Kamera (Jobin Yvon)
abgebildet.
Bei einer spektralen Auflösung von 4 cm-1 mit 0.53 cm-1 pro CCD-Element konnte in dieser
Konfiguration ein Bereich von 350 cm-1 (λexc = 413 nm) detektiert werden.
Der typische Meßbereich lag zwischen 1250 und 1720 cm-1, also im sogenannten „Marker-
Banden-Bereich“ der Hämgruppe (s. Kap. II F.2). Die Kalibrierung des Spektrometers er-
folgte mit Hilfe der Quecksilberlinie bei λ = 435.834 nm.
„IF“: Interferenzfilter 415 nm
„(TR)“: Pockels-Zelle (opt., s. 3.2.2)
„L“: Linse
„SCR“: „scrambler“
„CCD“: Detektor
Abb. 3.9: Aufbau der Raman-Experimente
III. MATERIAL UND METHODEN 57
3.2 Besonderheiten der SERR-Spektroskopie
3.2.1 Potentialabhängige Messungen
Bei der SERR-Spektroskopie wird eine elektrochemische Zelle als Meßzelle verwendet, die
in Abb. 3.10 schematisch dargestellt ist.
Die Arbeitselektrode, bestehend aus einem Silberring mit einer äußeren Mantelfläche von
1 cm2, wurde auf eine im Inneren leitfähige Achse montiert, die während des Experimentes
zur Minimierung der Belastung der Probe durch das Laserlicht rotiert wurde.
Als Referenzelektrode diente eine Ag/AgCl-Elektrode (∅ = 2 mm, World Precision Instru-
ments, E0 = +194 mV vs. SHE), als Gegenelektrode fungierte ein Platindraht (∅ = 0.5 mm,
Goodfellow). Drei weitere Zugänge auf der Seite der Platin- bzw. der Referenzelektrode sind
in Abb. 3.10 der Übersichtlichkeit halber nicht eingezeichnet. Sie wurden für die Zuleitung
von deoxygeniertem Argon (Chrompack, 5N) verwendet. Die Entgasungszeit betrug minde-
stens 30 Minuten für alle Proben.
Durch den hier beschriebenen Aufbau war es möglich, stationäre SERR-Spektren der ad-
sorbierten Hämproteine in Abhängigkeit vom angelegten Potential zu messen. Durch eine
zusätzliche Erweiterung kann dieser Aufbau jedoch so modifiziert werden, daß auch zeitliche
Veränderungen in der Zusammensetzung der adsorbierten Spezies untersucht werden kön-
nen.
Abb. 3.10:
Aufbau der elektrochemischen Zelle
(Aufsicht)
III. MATERIAL UND METHODEN58
3.2.2 Messung von Elektronentransferkinetiken: TR SERR-Spektroskopie
Zur Störung der potentialabhängigen Gleichgewichte der auf der Silberoberfläche adsor-
bierten Spezies wurde das Potential der Arbeitselektrode über einen Vierkanal-Pulsgenerator
moduliert, der gleichzeitig auch der Steuerung eines optoelektronischen Intensitätsmodula-
tors (Linos Photonics, LM0202, 5W) diente (Abb. 3.9). Der Modulator besteht aus einem
elektrooptischen Kristall (hier KD2PO4, „KD*P“), der die Polarisationsrichtung des Laser-
strahls je nach angelegter Spannung verändert. Im Idealfall läßt ein nachgeschalteter exter-
ner Polarisator den Strahl je nach Polarisationsrichtung entweder ungehindert passieren
(„an“) oder er lenkt ihn in 90°-Richtung ab („aus“). Das Verhältnis zwischen Ian und Iaus wird
als Extinktion E der Pockels-Zelle bezeichnet und kann als Güteparameter für die Einstellung
der Optik verstanden werden. In den hier durchgeführten Experimenten war die Extinktion
stets größer 300.
In einem typischen SERR-Experiment zur Bestimmung von ET-Kinetiken wird das beste-
hende Redox- und Konformationsgleichgewicht K(Ei) auf der Silberoberfläche durch einen
Sprung vom Startpotential Ei zum Endpotential Ef zur Zeit t0 gestört und strebt einer neuen
Gleichgewichtszusammensetzung K(Ef) entgegen. Die Geschwindigkeit der Gleichgewichts-
einstellung hängt von den Geschwindigkeitskonstanten der Einzelschritte ab (s. Kap. II G),
so daß die Zusammensetzung nach einer Zeit δ einen Wert zwischen K(Ei) und K(Ef) erreicht
hat. Für den Zeitraum ∆t passiert nun der Anregungslaser die Pockels-Zelle („an“) und er-
laubt die Akkumulation der SERR-Signale auf der CCD-Kamera. Da das gemessene Spek-
trum über ∆t gemittelt wird, entspricht es dem Zustand der Probe zum Zeitpunkt t = δ + ∆t/2.
Typischerweise liegt die Zeit δ im Millisekunden-Bereich, so daß mit einer Akkumulationszeit
von ∆t (≈ 1/5⋅δ) kein ausreichendes Signal/Hintergrund-Verhältnis erreicht werden kann.
Wiederholt man diesen Potentialsprung jedoch N-mal, so beträgt die Gesamtakkumulations-
Abb. 3.11:
Signalsequenz im TR-Experiment
III. MATERIAL UND METHODEN 59
zeit N⋅∆t (N ≤ 1⋅105, N⋅∆t = 20 s). Wichtig ist hierbei, daß die Gleichgewichtszusammenset-
zung K(Ei) vor einem erneuten Potentialsprung zu Ef vollständig regeneriert wird. Deshalb
wird unmittelbar nach dem Meßintervall ∆t das Potential Ei wieder eingestellt und für die Re-
laxationszeit trelax bis zum nächsten Potentialsprung beibehalten (s. Kap. II G). Eine typische
Konzentration-Zeit-Entwicklung ist ebenfalls in Abb. 3.11 dargestellt.
trelax sollte jedoch nicht zu lang gewählt werden, da auch während des „aus“-Zustandes die
Leistung P des Anregungslasers an der Probe gemäß der Extinktion der elektrooptischen
Zelle nicht gleich null ist. Die Akkumulationszeit während Paus beträgt (trelax + δ) und ist dem-
nach um ein Vielfaches größer als ∆t. Dadurch steigt der Beitrag des während Paus
gemessenen Spektrums zum Gesamtspektrum. Das Verhältnis
( ) ( )( ) ausrelaxan
ausrelax
PtPtPt
alGesamtsignaus""Signal
⋅+δ+⋅∆⋅+δ= , (Gl. 3.4)
das als Maß für den Meßfehler gewertet werden kann, lag in der Regel unter 0.1 (trelax/δ ≈ 5).
3.2.3 Auswertung der RR- und der SERR-Spektren
Die Analyse der Raman-Spektren erfolgte mit dem am MPI für Strahlenchemie (Mülheim a.
d. Ruhr) entwickelten Programm „Xm-PIPSI“.
Die Meßspektren wurden dazu zunächst auf den interessanten Spektralbereich zugeschnit-
ten (1250 cm-1 bis 1520 cm-1/1720 cm-1). Der strukturlose Hintergrund wurde durch ein Poly-
nom simuliert und vom Meßspektrum abgezogen.
Die Anpassung der Raman-Banden erfolgte durch Lorentz-Profile Lz mit der Intensität Iz, der
Frequenz νz und der Halbwertsbreite dz.
Liegen in einem Meßspektrum mehrere Spezies vor, wie z. B. verschiedene Redoxzustände,
so ist es sinnvoll, die Anzahl der Freiheitsgrade zu reduzieren. Jede Spezies weist ein cha-
rakteristisches RR- oder SERR-Spektrum auf, das durch Gruppen von simulierten Einzel-
banden repräsentiert werden kann.
In diesen Gruppen oder Komponenten Enj ändern sich die Parameter νz, Iz und dz der einzel-
nen Banden relativ zueinander nicht, so daß für die Anpassung eines Mehrkomponenten-
Spektrums nur die Gewichtung der einzelnen Komponenten variiert wird. Dadurch verringert
sich die Anzahl der Freiheitsgrade bei der Anpassung deutlich und deren Verläßlichkeit wird
erhöht (P = Anzahl der Komponenten).
III. MATERIAL UND METHODEN60
Das simulierte Spektrum Mn entspricht damit:
∑ ⋅=j
njnn EaM (Gl. 3.5)
Der Faktor an ist der Anteil einer Komponente am Gesamtspektrum. Normiert man die Inten-
sitäten aller Komponentenspektren bezüglich einer gemeinsamen Bande und gibt die Pro-
portionalitätsfaktoren fn relativ zu einer Referenzkomponente an, dann lassen sich aus den
Gewichtungsfaktoren an die relativen Konzentrationen cn der beteiligten Spezies n berech-
nen:
norm,nrel,nn afc ⋅= (Gl. 3.6)
In der vorliegenden Arbeit wurde die oxidierte Form des sechsfach koordinierten Hämpro-
teins als Referenzkomponente verwendet. Die ν4-Bande war unter den gewählten experi-
mentellen Bedingungen die intensivste und diente deshalb zur Intensitätsnormierung.
Zur Bestimmung der Proportionalitätsfaktoren fn,rel muß die Konzentration der Spezies be-
kannt sein. Da die Oberflächenkonzentration im SERR-Experiment jedoch unbekannt ist
bzw. stark von den experimentellen Parametern abhängen kann, wurden die hier verwende-
ten Proportionalitätsfaktoren in RR-Experimenten entweder selbst bestimmt oder von sehr
ähnlichen Systemen übernommen (s. Kap. IV). Dabei wurde vorausgesetzt, daß die Propor-
tionalitätsfaktoren der adsorbierten Spezies denen der gelösten Proteine entsprechen.
III. MATERIAL UND METHODEN 61
4. Cyclovoltammetrie und verwandte elektrochemische Methoden
Alle elektrochemischen Untersuchungen wurden in der Arbeitsgruppe von Prof. Ulstrup
(DTU, Kopenhagen) an einem „Autolab“-Potentiostaten (Eco Chemie, Niederlande) durch-
geführt.
Die Reinigung der verwendeten Glasgeräte erfolgte in ko-
chender 15%iger HNO3 und anschließend durch mehrma-
lige Behandlung im Ultraschallbad. Die Glasgeräte wurden
über Nacht in Wasser gelagert (18.2 MΩ, Millipore) und
nach einigen weiteren Spüldurchgängen am nächsten Tag
sofort verwendet.
Unmittelbar vor der Messung wurden die vorbereiteten
Einkristall-Elektroden zunächst etwa 2-3 mm tief in die
Elektrolytlösung eingetaucht und dann so weit zurückge-
zogen, daß der Kontakt mit der Lösung nur noch über die
Einkristall-Oberfläche bestand (Abb. 3.12). Nach einer Wartezeit von ca. 5-10 Minuten zur
Trocknung des polykristallinen Teils der Elektrode konnte mit der Messung begonnen wer-
den. Alle Lösungen wurden für mindestens 30 Minuten mit deoxygeniertem Argon (Chrom-
pack, 5N) entgast.
Abb. 3.12:
hanging meniscus-Methode
III. MATERIAL UND METHODEN62
D. in situ Rastertunnelmikroskopie (in situ STM)
1. Aufbau des Mikroskops
Alle in situ STM-Experimente wurden in der Arbeitsgruppe von Prof. Ulstrup (DTU, Kopen-
hagen) an einem kommerziellen Rastertunnelmikroskop durchgeführt (PicoSPM, Molecular
Imaging und Rasterscope3000, DME). Zwei Platindrähte dienten als Gegen- bzw. Referenz-
elektrode (+(480 ± 50) mV vs. SHE bei pH 7.0), die Arbeitselektrode bestand aus einem
scheibenförmigen Au(111)-Kristall (MaTeck, ∅ = 11 mm, d = 1 mm), der über ein metalli-
sches Kontaktplättchen mit dem elektrischen Schaltkreis verbunden war. Die STM-Spitze
stellte die vierte Elektrode des Systems dar. Die Elektrodenpotentiale wurden über einen bi-
potentiostatischen Aufbau gesteuert, so daß zwei der drei Potentiale unabhängig voneinan-
der kontrolliert werden konnten (Potential der Arbeitselektrode EAu, Potential der W-Spitze
Etip und die Potentialdifferenz Ebias zwischen Spitze und Arbeitselektrode).
biastipAu EEE =−
Abb. 3.13: Aufbau des in situ Rastertunnelmikroskops
III. MATERIAL UND METHODEN 63
2. Herstellung der Spitzen
Alle im Rahmen dieser Arbeit verwendeten STM-Spitzen wurden aus Wolframdraht herge-
stellt (∅ = 0.25 mm). Dazu wurde ein etwa 2 cm langes Stück so fixiert, daß ein Ende etwa
1 mm in die darunterstehende 2 M KOH-Lösung hineinragte. Durch das Anlegen einer 12 V-
Wechselspannung wurde dieses Ende elektrochemisch so weit abgetragen bis der Kontakt
zwischen Wolframdraht und KOH-Lösung abriß und der Stromfluß zum Erliegen kam.
Im Idealfall bleibt nach dieser Prozedur eine Spitze zurück, die an ihrem äußersten Ende
lediglich aus einem einzelnen Atom besteht.
Da das Rastertunnelmikroskop im in situ Modus betrieben wurde, mußte der Wolframdraht
zur Minimierung von Faradayischen Leitungsprozessen gegen die Elektrolyt-Lösung isoliert
werden. Gleichzeitig durfte die Spitze selbst nicht vollständig bedeckt werden, damit nicht
auch der Tunnelstrom unterbunden wird.
Die Isolierung erfolgte mit Apiezon-Wachs (Schmelzpunkt 140 °C), der zunächst in einem
kleinen Reservoir mit Hilfe einer Heizvorrichtung zum Schmelzen gebracht wurde. Der
Wolframdraht wurde dann mit der stumpfen Unterseite zuerst in das heiße Wachs getaucht
und über ein Loch in der Unterseite des Heizreservoirs auf eine vertikal verstellbare Halte-
rung aufgebracht. Die Spitze des Wolframdrahtes tauchte dabei noch nicht in den Wachs
ein.
Dann wurde die Heizung des Reservoirs abgeschaltet und der Draht so weit nach unten be-
wegt, daß die Spitze gerade unter der Oberfläche des erkaltenden Wachses verschwand.
Nach einigen Minuten konnte der Draht nach oben aus dem Wachs herausgedrückt und
überschüssiger Wachs manuell entfernt werden. Etwa 4-5 mm des Drahtes sollten mit
Wachs bedeckt bleiben.
Abb. 3.14:
Herstellung der STM-Spitzen
III. MATERIAL UND METHODEN64
3. Vorbereitung der Au(111)-Elektroden
Die für die STM-Experimente verwendete Au(111)-Elektrode (MaTeck, ∅ = 11 mm, d = 1
mm) wurde in der gleichen Weise auf die Messung vorbereitet wie die Elektroden für die
elektrochemischen Versuche. Dies bezieht sich sowohl auf die Vorbereitung der Einkristall-
Oberfläche selbst als auch auf deren Modifikation (Abschn. C 1, C 2.2.1 und C 2.2.2).
4. Durchführung einer STM-Messung
Alle Bestandteile der Meßzelle wurden vor jedem Experiment in 15%iger HNO3 gekocht, im
Ultraschallbad mit H2O (Millipore) gereinigt und mehrere Male abgespült. Erst unmittelbar vor
dem Beginn des Experimentes erfolgte die Trocknung der Bauteile im Argonstrom, die Mon-
tage der Zelle und der Einbau der Meßspitze (Abb. 3.13). Danach wurden die Elektroden mit
den Potentiostaten verbunden und ca. 100 µL Meßpuffer in die STM-Zelle gegeben. Nach
dem Einsetzen der Meßspitze sollte der Abstand zwischen Spitze und Au-Oberfläche nicht
zu groß sein, damit die Höhenregulierung des Piezo-Motors den fehlenden Abstand noch
überbrücken kann.
Nach der Annäherung der Meßspitze an die Oberfläche mit Hilfe des Piezo-Motors konnte
sofort mit der Messung begonnen werden, obwohl die aufgenommenen Bilder in der Regel
erst nach der Äquilibrierung des Systems eine akzeptable Qualität erreichten (z. B. durch
Ausgleich von Temperaturgradienten).
Alle Messungen wurden im constant current-Modus durchgeführt.
IV. ERGEBNISSE 65
IV. Ergebnisse
IV. ERGEBNISSE66
A. Charakterisierung der de novo Proteine in Lösung
1. Massenspektrometrische Identifizierung
Ein unverzichtbarer Schritt zur Verifizierung der Aminosäuresequenz der de novo Proteine ist
die Bestimmung der Molekülmasse mittels Massenspektrometrie. In Tabelle 4.1 sind die be-
rechneten und die über ESI-MS bestimmten Massen der Proteine gegenübergestellt.
Protein MWav [g/mol], berechnet MW [g/mol], exp.
MOP-P1 12166.8 12167.2 ± 0.6
MOP-P2 12537.3 12538.1 ± 0.6
MOP-P3 12140.3 12140.2 ± 0.6
MOP-C 12288.3 12287.8 ± 0.6
MOP-F 12504.9 12504.3 ± 1.9
Tab. 4.1: Molekülmassen der de novo Proteine (apo-Form)
Obwohl die berechnete Molekülmasse von MOP-P2 leicht außerhalb der Fehlertoleranz des
experimentellen Wertes liegt, kann dennoch davon ausgegangen werden, daß alle de novo
Proteine gemäß der vorgesehenen Aminosäuresequenz synthetisiert wurden. Für die Pro-
teine MOP-P1 und MOP-P2, die vom Autor selbst hergestellt worden sind, können die
Massen der Proteinmodule ferner in Anhang A eingesehen werden.
IV. ERGEBNISSE 67
2. UV-vis-Spektroskopie
Nach dem Einbau der Hämgruppe in die de novo Proteine bietet sich zunächst eine UV-vis-
spektroskopische Charakterisierung des Hämproteins an. Durch die Anzahl der auftretenden
Banden sowie deren Lage und Intensität können Rückschlüsse auf den Ligandierungszu-
stand des Hämeisens gezogen werden.
Bis-Histidin-koordinierte Fe(III)-Hämine befinden sich im low-spin (LS) Zustand und weisen
charakteristische α- und β-Banden bei etwa 560 nm und 530 nm, sowie eine Soret-Absorp-
tion bei ca. 413 nm auf78. Liegt der Hämkomplex im high-spin (HS) Zustand vor, weil das
Hämeisen nur fünffach oder mit einem schwachen sechsten Liganden koordiniert ist, dann
taucht eine Absorptionsbande bei ca. 635 nm auf, die als ein Indikator für den HS-Zustand
betrachtet werden kann.
Ähnliches gilt bei reduzierten Fe(II)-Häminkomplexen. Auch hier tritt im HS-Zustand eine
Bande im Bereich von 630 nm auf, die damit deutlich höher liegt als die entsprechenden
Banden der LS-Konfiguration. Charakteristisch für das Spektrum der reduzierten bis-His-
koor-dinierten Hämine ist die Verschiebung der Soret-Bande auf etwa 426 nm und die In-
vertierung des Intensitätsverhältnisses zwischen α- und β-Bande. Im Gegensatz zum Spek-
trum der oxidierten Form taucht die α-Bande hier als scharf definierte Bande im Spektrum
auf79.
oxidierte Form (Fe III) reduzierte Form (Fe II)
Protein Soret β α Soret β α
MOP-P1 412 533 ≈ 560 426 530 559
MOP-P2 412 533 ≈ 560 426 530 559
MOP-P3 413 532 ≈ 560 427 530 559
MOP-C 412 533 ≈ 560 426 529 559
MOP-F 413 533 ≈ 560 426 530 560
Tab. 4.2: Absorptionsspektroskopische Daten der de novo Proteine (in nm)
78 A. Debois et al., Eur. Biophys. J. (1992), 20:321-335; M. Rivera et al., Biochem., 31, 12233 (1992)79 J. W. Owens, C. J. O’Connor, Coord. Chem. Rev., 84, 1-45 (1988)
IV. ERGEBNISSE68
In Abbildung 4.1 ist das Absorptionsspektrum von MOP-P1 dargestellt, das als typisches
Spektrum der hier untersuchten de novo Proteine gelten kann. Die Bandenpositionen liegen
in einem für bis-His-koordinierte Hämine typischen Bereich (Tab. 4.2). Das ASoret/A280-Ver-
hältnis beträgt 4.5 und spricht für einen hohen Anteil an holo-Protein. Generell wurden in
dieser Arbeit nur Proben verwendet, bei denen dieses Verhältnis größer als drei war. Die mit
„*“ gekennzeichnete Bande geht auf das verwendete Reduktionsmittel zurück (Na2S4O6).
Bemerkenswerterweise geht die Reduktion mit einer signifikanten Verringerung der Intensität
der Soret-Bande einher, obwohl die Oszillatorstärke dieses Übergangs zunehmen sollte80.
Die Absorptionsabnahme war auch dann zu beobachten, wenn nur sehr wenig Dithionit zur
Reduktion verwendet wurde.
Zudem konnte gezeigt werden, daß das Ausmaß des Effektes von der Sauerstoffkonzen-
tration in Lösung vor der Zugabe des Dithionits abhängt. Im Fall von MOP-C konnte die re-
duzierte Form nur unter striktem Sauerstoffausschluß überhaupt hergestellt werden. Wie
später gezeigt wird (Kap. V A.5), resultiert die Reduktion in Gegenwart von O2 in einem
Abbau des Häms, was die UV-vis-spektroskopischen Befunde erklärt. Diese unerwünschte
Nebenreaktion trat - wenn auch in unterschiedlichem Maße - bei allen de novo Proteinen auf.
Der zweite Punkt, auf den hier hingewiesen werden soll, ist das Auftreten von zusätzlichen
Absorptionsbanden nach der Reduktion.
Bei etwa 630 nm tritt eine weitere schwache Bande auf (Abb. 4.1), die darauf hindeutet, daß
für einen Teil der Proteine bei der Reduktion ein Histidin-Ligand vom Hämeisen abgespalten
oder gegen einen schwachen sechsten Liganden ausgetauscht wird und eine high spin Spe-
80 Rau, H.K., Haehnel, W., J. Am. Chem. Soc., 120, 468-476 (1998)
Abb. 4.1:
UV-vis-Spektrum von MOP-P1
schwarz: oxidiert, rot: reduziert
„*“: Absorption durch Dithionit
IV. ERGEBNISSE 69
zies entsteht. In der oxidierten Form konnte ausschließlich die bis-His-koordinierte LS-Form
nachgewiesen werden.
Aufgrund des Hämabbaus während der Reduktion wurden ausschließlich die Extinktions-
koeffizienten des oxidierten Zustands bestimmt und zur Konzentrationsbestimmung verwen-
det (Kap. III B.5). Die folgende Tabelle enthält den mittleren Extinktionskoeffizienten der
Soret-Absorption, dessen Standardabweichung und die Anzahl der zugrundeliegenden
Bestimmungen.
Protein mittelSoretε [mM -1cm-1] mittel
Soretε∆ [mM -1cm-1] n
MOP-P1 108 2 2
MOP-P2 100 - 1
MOP-P3 90 6 4
MOP-C 115 3 2
MOP-F 101 3 2
Tab. 4.3: Extinktionskoeffizienten der de novo Proteine (Soret)
Diese Werte stimmen gut mit denen vergleichbarer Hämproteine überein, wie zum Beispiel
Cytochrom b5 (ε412 = 117 mM-1cm-1)81 und MOP1 (ε412 = 106 mM-1cm-1)3. Bemerkenswert ist
dennoch der relativ niedrige Wert für MOP-P3.
81 J. Ozols, P. J. Strittmacher, J. Biol. Chem. 1964, 239, 1018
IV. ERGEBNISSE70
3. Chemisch induzierte Entfaltung der de novo Proteine
Die Charakterisierung des Entfaltungsprozesses mit Hilfe von Denaturierungsreagienzien
wie Guanidiniumhydrochlorid (GuHCl) oder Harnstoff liefert wichtige Informationen, die Ein-
blicke in die Qualität des Proteindesigns gewähren2.
Die Freie Gibbs-Enthalpie der Entfaltung ∆GNU gibt den Energieunterschied zwischen gefal-
tetem und denaturiertem Zustand wieder, während die Änderung von ∆GNU mit der Konzen-
tration des Denaturierungsreagenzes ein Maß für die Kooperativität des Entfaltungsprozes-
ses ist. Die mikroskopische Bedeutung dieser beiden Parameter ist allerdings kontrovers
diskutiert worden82.
Bei ∆GNU ist zu beachten, daß sich die Zusammensetzung des Lösungsmittels durchaus si-
gnifikant verändert, von GuHCl-freier Lösung für den nativen zu hochkonzentrierten GuHCl-
Lösungen für den entfalteten Zustand. Im letzteren Fall werden die hydrophoben Aminosäu-
ren des Proteins also eher GuHCl ausgesetzt als Wasser83. Bei der thermischen oder pH-
induzierten Denaturierung tritt dieser Effekt nicht auf.
Der Kooperativitätsparameter m = ∂∆GNU/∂[GuHCl] kann als Differenz zwischen der dem
Lösungsmittel zugänglichen Proteinoberfläche im entfalteten Zustand und im gefalteten Zu-
stand aufgefaßt werden15.
Unter der Annahme eines Zwei-Zustand-Modells wurden die relativen Anteile an nativem und
denaturiertem Protein in Abhängigkeit von der GuHCl-Konzentration ermittelt (Durchführung
der Entfaltungsexperimente, s. Kap. III B.4).
Die Gleichgewichtskonstante kann unter Verwendung von Gleichung 4.1 mit der GuHCl-
Konzentration verknüpft werden.
[ ]GuHClmGG 0NU ⋅−∆=∆ (Gl. 4.1)
zungsreagenDenaturier ohne senthalpieEntfaltung Freie :G0∆
Durch die Auftragung von ln(KNU) gegen [GuHCl] ergibt sich ∆G0 aus der Extrapolation der
Geraden zu [GuHCl] = 0 M und m aus deren Steigung.
82 Shortle, D., J. Biol. Chem., vol. 264, no. 10, 5315-18 (1989) (Übersichtsartikel)83 Betz, S.F. et al., Curr. Op. Struct. Biol., 3: 601-610 (1993)
IV. ERGEBNISSE 71
[ ]GuHClTR
mTR
G)Kln( 0
NU ⋅⋅
+⋅
∆−= (Gl. 4.2)
Die auf diese Weise erhaltenen Daten sind in Tabelle 4.4 zusammengefaßt84:
Protein ∆∆G0 [kJ/mol] m [kJ/(mol⋅⋅M)
MOP-P1 30.4 -7.8
MOP-P2 15.6 -4.5
MOP-P3 11.4 -3.4
MOP-C 11.1 -3.6
MOP-F 13.5 -3.9
Tab. 4.4: Stabilität und Kooperativität der de novo Proteine
Abgesehen von MOP-P1 liegen die Werte von ∆G0 und m damit deutlich außerhalb des Be-
reiches natürlicher Proteine. Lediglich MOP-P1 kommt an die Kooperativität und Stabilität
der natürlichen Proteine heran (Abb. 4.3).
Der deutliche Unterschied zwischen den de novo Proteinen untereinander wird ferner durch
Abbildung 4.2 am Beispiel von MOP-P1 und MOP-C verdeutlicht. Die Kurve von MOP-C
(schwarz) ist bedeutend breiter und zu niedrigeren GuHCl-Konzentrationen verschoben.
Bemerkenswert ist, daß selbst unter sehr milden Denaturierungsbedingungen bereits Ent-
faltung stattfindet. Dies läßt darauf schließen, daß MOP-C selbst in Abwesenheit von GuHCl
keine spezifische Faltung aufweist und eher in einem „molten globule“-Zustand vorliegt.
84 Alternativ können auch die Stoffmengenanteile als Funktion von [GuHCl] angepaßt werden. Die
Ergebnisse waren in diesem Fall allerdings sehr ähnlich und ergaben den gleichen Trend.
IV. ERGEBNISSE72
Folgende Abbildung verdeutlicht den Unterschied zwischen den hier untersuchten de novo
Proteinen und verschiedenen natürlichen Hämproteinen. Außerdem ist das de novo Protein
MOP1, ein Cytochrom b-ähnliches bis-Hämprotein, dargestellt.
Abb. 4.3:
Stabilität und Kooperativität
verschiedener Hämproteine85
Während es bei den hier dargestellten natürlichen Proteinen keinen erkennbaren
Zusammenhang zwischen ∆G0 und m gibt, scheinen die de novo Proteine einem linearen
Trend zu folgen. Diese Abhängigkeit ist a priori nicht zu erwarten und soll - bei aller Vorsicht
aufgrund des kleinen Datensatzes - in Kapitel V diskutiert werden.
85 Cyt b562 WT und R98C: Barker, P.D. et al., Biochem., 39, 1499-1514 (2000); Cyt c551, c553,
c(Pferdeherz) u. c(Hefe): Wittung-Stafshede, P., Prot. Science (1999), 8:1523-1529; Cyt c C102A:
McLendon, G. et al., Biochem., 33, 10556-10560 (1994); Cyt b5: Arnesano, F., Biochem., 39, 7117-
7130 (2000); MOP1: Rau, H., Haehnel, W., J. Am. Chem. Soc., 120, 468-476 (1998)
Abb. 4.2:
Entfaltung von MOP-C
(schwarz) u. MOP-P1 (rot)
¡: denaturierte Form
l : native Form
IV. ERGEBNISSE 73
4. Gelfiltrationschromatographie
Mit Hilfe der Gelfiltrationschromatographie konnte geprüft werden, inwieweit die untersuchten
de novo Proteine in Lösung aggregieren. Während die Proteine des P-Typs als Monomere
vorliegen, ergibt sich für MOP-C ein Dimer-Anteil von etwa 10%. Lediglich MOP-F scheint
vollständig in Form des Dimers vorzuliegen, hier konnte kein Monomer nachgewiesen
werden (Tab. 4.5, Abb. 4.4).
Protein Form MW [kDa], ber. MW [kDa], exp. ∆∆MW% Anmerkung
MOP-P1 holo 12.8 15.4 (1.0) +20 Monomer
MOP-P2 apo 12.5 13.3 (1.0) +6 Monomer
MOP-P3 holo 12.8 14.1 (1.0) +10 Monomer
MOP-C apo 12.3 12.7 (0.9) +3 Monomer
24.6 28.2 (0.1) +15 Dimer
MOP-F apo 12.5 - - Monomer
25.0 24.6 (1.0) -2 Dimer
Tab. 4.5: Ergebnisse der Gelfiltrationschromatographie, in Klammern: relative Konzentration
0t
0Pav VV
VVK
−−=
Vp: Elutionsvolumen Protein
V0: Elutionsvol. Dextran Blau
Vt: Säulenvolumen leer
Abb. 4.4:
Ergebnisse der Gelfiltrations-
chromatographie inklusive der
Kalibrierungsdaten
IV. ERGEBNISSE74
5. Resonanz-Raman-Spektroskopie
5.1 Die de novo Proteine im oxidierten Zustand
Die Resonanz-Raman-Spektren der de novo Proteine im oxidierten Zustand bestätigen die
Ergebnisse der Absorptionsspektroskopie in bezug auf die Koordination und den Spinzu-
stand des Hämeisens. In allen Fällen lagen die Markerbanden in einem Bereich, der für ein
bis-His-koordiniertes low spin Hämzentrum typisch ist86.
Bande MOP-P1 MOP-P2 MOP-P3 MOP-C MOP-F
νν4 1374 / 11 (1.00) 1375 / 12 (1.00) 1374 / 13 (1.00) 1374 / 12 (1.00) 1374 / 12 (1.00)
νν3 1504 / 12 (0.15) 1505 / 13 (0.17) 1504 / 13 (0.15) 1505 / 13 (0.14) 1504 / 12 (0.16)
νν2 1580 / 18 (0.18) 1581 / 19 (0.19) 1580 / 15 (0.29) 1579 / 13 (0.20) 1580 / 16 (0.23)
νν37 1599 / 11 (0.07) 1600 / 13 (0.07) 1599 / 12 (0.04) 1599 / 10 (0.05) 1599 / 12 (0.06)
ννC=C (I) 1621 / 8 (0.05) 1623 / 10 (0.06) 1621 / 10 (0.10) 1621 / 8 (0.11) 1622 / 10 (0.07)
ννC=C (II) 1631 / 12 (0.12) 1632 / 10 (0.12) 1631 / 10 (0.07) 1631 / 12 (0.09) 1631 / 13 (0.10)
νν10 1639 / 8 (0.08) 1641 / 9 (0.10) 1639 / 9 (0.09) 1640 / 9 (0.13) 1639 / 13 (0.10)
Tab. 4.6: Lage, Halbwertsbreite und rel. Intensität der RR-Banden der ox. de novo Proteine
Trotzdem weisen die Resonanz-Raman-Spektren einige Unterschiede auf. Bemerkenswert
sind die relativ große Intensität der ν2-Bande bei MOP-P3 und Variationen im Vinyl- bzw. ν10-
Bereich (1620 cm-1 - 1640 cm-1). Die beiden Vinyl-Banden bei etwa 1622 cm-1 und 1631 cm-1
sind νC=C-Streckschwingungen und gehen wahrscheinlich auf unterschiedliche
Konformationen der beiden Vinylgruppen zurück, die sich in ihrer Orientierung relativ zur
Hämebene unterscheiden. Ihre relativen Intensitäten sind deshalb auch von der
unmittelbaren Proteinumgebung des Häms abhängig87. Abbildung 4.5 zeigt die Resonanz-
Raman-Spektren der oxidierten de novo Proteine im Vergleich.
86 a) Abe, M. et al., J. Chem. Phys. 69(10), 1978 b) Spiro, T. G. et al., J. Am. Chem. Soc. 1993, 115,
12446-12458 c) Spiro, T. G. et al., J. Am. Chem. Soc. 1996, 118, 12638-12646 d) Spiro, T. G., J. Am.
Chem. Soc. 1982, 104, 4345-4351 e) Desbois, A., Lutz, M., Eur. Biophys. J. (1992) 20: 321-33587 D. F. Bocian, J. Am. Chem. Soc. 1995, 117, 10959-10968
IV. ERGEBNISSE 75
Abb. 4.5: RR-Spektren der oxidierten de novo Proteine
IV. ERGEBNISSE76
5.2 Die de novo Proteine im reduzierten Zustand
Nach der Reduktion mit Natriumdithionit treten selbst unter striktem Sauerstoffausschluß
Banden auf, die einer fünffach koordinierten high spin Spezies zugeordnet werden können
(Abb. 4.7). Dies ist vor allem an der ν3-Bande (HS) bei 1470 cm-1 zu erkennen, die im
Vergleich zur ν3-Bande des LS-Zustandes bei 1490 cm-1 recht intensiv ist. Damit werden die
Ergebnisse der Absorptionsspektroskopie bestätigt.
Im Fall von MOP-C geht die sechsfach koordinierte LS-Spezies offenbar fast quantitativ in
die fünffach koordinierte HS-Form über (Abb. 4.6). Durch Spektrensubtraktion „MOP-F“
minus „MOP-C“ kann der restliche Anteil an LS-Spezies entfernt werden und man erhält
näherungsweise das reine Spektrum der HS-Form. Dies wiederum kann benutzt werden, um
auf analoge Weise das Spektrum der LS-Spezies zu bestimmen (Abb. 4.6).
Überraschenderweise sind die Unterschiede zwischen den Spektren nicht sehr groß. Zwar
gibt es deutliche Differenzen im ν3-Bereich und oberhalb von 1600 cm-1, doch die Position
der ν4-Bande bei 1360 cm-1 ist im Rahmen der Meßgenauigkeit identisch. Aus diesem Grund
konnten auch die Spektren der Proteine MOP-P1, MOP-P2, MOP-P3 und MOP-F im ν4-
Bereich mit nur einer Hauptbande angepaßt werden (dort liegen auch einige weitere Banden
mit geringerer Intensität86b).
Abb. 4.6:
Spektren der reduzierten
high und low spin Spezies
IV. ERGEBNISSE 77
Bande 6crdLS 5crdHS Protein LS:HS
ν4 1359 / 12 (1.00) 1359 / 12 (1.00) MOP-P1 0.4 : 0.6
ν3 1492 / 13 (0.05) 1470 / 13 (0.06) MOP-P2 0.5 : 0.5
ν11?86b 1553 / 14 (0.06) 1553 / 14 (0.08) MOP-P3 0.4 : 0.6
ν2 1582 / 14 (0.09) 1560 / 8 (0.02) MOP-C 0.1 : 0.9
ν37 1601 / 10 (0.03) 1582 / 14 (0.10) MOP-F 0.6 : 0.4
ν10 1617 / 15 (0.08) 1606 / 10 (0.05)
νC=C? 1617 / 15 (0.09)
νC=C? 1628 / 15 (0.03) 1628 / 15 (0.05)
Die starke Ähnlichkeit der Spektren der LS- und HS-Zustände der reduzierten Proteine im
Bereich von 1500 cm-1 bis 1600 cm-1 schlägt sich in der Bandenanalyse nieder. Die Banden
bei 1553 cm-1, 1582 cm-1, 1617 cm-1 und 1628 cm-1 tauchen jeweils in beiden Spektren auf.
Möglicherweise handelt es sich dabei um ein Artefakt der Spektrensubtraktion, doch
entsprechen zumindest die Banden bei 1553 cm-1, 1582 cm-1 und 1617 cm-1 denen von
Modellkomplexen86e oder ähnlichen Hämproteinen86b.
Im Fall der high spin Spezies sollte die Vinyl-Streckschwingung bei etwa 1622 cm-1 lie-
gen86b,c. Man beobachtet allerdings zwei Banden bei 1617 cm-1 und 1628 cm-1, was auf eine
Aufspaltung der Vinylmoden ähnlich wie im oxidierten Zustand hinweist.
Die in Tabelle 4.7 b) dargestellten relativen Konzentrationsverhältnisse wurden mit einer
Bandenanpassung im Bereich von 1450 cm-1 bis 1520 cm-1 ermittelt; als
Proportionalitätsfaktoren fi dienten die von Oellerich bestimmten Werte für Cytochrom c88.
Demnach liegen die beiden Spinzustände bei den Proteinen des P-Typs etwa in gleichen
Anteilen vor, während im Fall von MOP-F das Gewicht leicht auf der Seite der low spin Form
liegt. Bei MOP-C war diese Spezies kaum noch nachzuweisen, das Protein geht fast voll-
ständig in die fünffach koordinierte high spin Form über.
88 Oellerich, S., Dissertation (UGH Essen, 2001). Die Verwendung dieser Werte ist hier nicht
unproblematisch, da Cytochrom c eine andere Ligandierung aufweist. Dennoch wurden die Werte von
Oellerich als Näherung verwendet. Sofern die Proportionalitätsfaktoren der einzelnen Spezies für alle
de novo Proteine gleich sind, wirkt sich dieser systematische Fehler bei vergleichenden
Untersuchungen nicht aus.
Tab. 4.7:
a) Lage, Halbwertsbreite und rel. Intensität der
RR-Banden der reduzierten de novo Proteine
b) LS/HS-Verhältnis in der reduzierten Form
IV. ERGEBNISSE78
Dieser Trend korreliert damit nicht mit der Stabilität der de novo Proteine. Danach wäre zu
erwarten, daß MOP-P1 den höchsten low spin Anteil hätte, während bei den anderen Protei-
nen deutlich mehr high spin Form vorkommen sollte.
IV. ERGEBNISSE 79
Abb. 4.7: RR-Spektren der reduzierten de novo Proteine
IV. ERGEBNISSE80
B. Charakterisierung der de novo Proteine an der Elektrode
1. Eigenschaften der adsorbierten Thiole
1.1 Der Stabilitätsbereich: reduktive Desorption und Kapazität
Für die Durchführung von potential- und zeitabhängigen SERR-Experimenten ist es essenti-
ell, zunächst den Stabilitätsbereich der SAM zu bestimmen, da die Zerstörung der SAM und
die damit verbundenen strukturellen Veränderungen in der Grenzschicht das experimentelle
Ergebnis verfälschen können (u. a. Denaturierung, Änderung der ET-Distanz). Deshalb sollte
die SAM in dem Potentialbereich, in dem der Elektronentransfer des adsorbierten Proteins
stattfindet, elektrochemisch inaktiv sein.
Da das Potential für die reduktive Desorption von Thiolen mit abnehmender Kettenlänge
zunimmt, stellen die im Folgenden dargestellten Daten der kürzeren Alkylthiole einen
Grenzwert dar, der auch für längerkettige Thiole Bestand haben sollte89. Alle im Folgenden
zitierten Potentiale beziehen sich auf die Ag/AgCl-Elektrode (3 M NaCl).
1.1.1 3-Mercaptopropionsäure
Das Cyclovoltammogramm in Ab-
bildung 4.8 zeigt deutliche elektro-
chemische Signale bei Potentialen
unterhalb von -400 mV, die auf die
Veränderung der SAM in diesem
Potentialbereich hindeuten. Ver-
mutlich rühren die Signale im er-
sten Potentialdurchlauf (rot) so-
wohl von der Sauerstoffreduktion
als auch von der reduktiven
Desorption des Thiols her. Der
Einfluß des Sauerstoffs sollte beim
dritten Durchlauf (schwarz) jedoch
minmal geworden sein, so daß das
89 T. Kakiuchi et al., Langmuir, 16, 5397-5401 (2000)
Abb. 4.8: Reduktive Desorption einer C3-SAM
1. und 3. Potentialdurchlauf (rot bzw. schwarz)
C3 auf Au(111)
Vorschub: 0.05 V/s
10 mM Phosphatpuffer
pH 7.0 + 12.5 mM K2SO4
IV. ERGEBNISSE 81
Signal hauptsächlich von der SAM herrührt. Wichtig für ET-Untersuchungen an dieser
Monoschicht ist jedoch, daß unter aeroben und anaeroben Bedingungen ein Potential von
etwa -400 mV (vs. Ag/AgCl, 3 M NaCl) nicht unterschritten werden sollte, um
unvorhergesehene Veränderungen in der Struktur der Grenzschicht zu vermeiden.
Dieser Befund wird ferner durch Kapazitätsmessungen unterstützt. In einem Potentialbereich
von +0.05 V bis -0.350 V war die Kapazität unter den o. g. Meßbedingungen konstant bei 9
µF/cm2 (Vorschub: 0.02 V/s). Dieser Wert entspricht damit den Literaturdaten für diese Art
von Monoschichten90.
1.1.2 Cysteamin
Der Stabilitätsbereich der Cysteamin-Monolagen liegt in etwa bei dem der carboxyltermi-
nierten SAMs. Das Cyclovoltammogramm von Cysteamin (hier nicht dargestellt) zeigt im
Potentialbereich zwischen -0.400 V und +0.05 V kein elektrochemisches Signal (Au(111), 10
mM Kaliumphosphatpuffer pH 7.0 (12.5 mM K2SO4)) und auch die Kapazität ist konstant bei
13 µF/cm2. Dieser Wert liegt etwas höher als der der 3-Mercaptopropionsäure (C3). Dies ist
jedoch zu erwarten, da einerseits die Kapazität mit abnehmender Kettenlänge zunimmt und
andererseits die Ordnung der aminoterminierten Monoschichten durch die mögliche
kompetitive Adsorption der Aminogruppe an die Metalloberfläche zusätzlich gestört wird.
1.1.3 Synthesestufen bei der Immobilisierung von MOP-C
Die Immobilisierung von MOP-C
erfolgte in einer mehrstufigen
Synthese, die mit der Chemi-
sorption von Cysteamin auf
Au(111)- oder Silberelektroden
begann. Da sowohl das Reduk-
tionspotential der Thiolgruppe als
auch die Kapazität der Grenz-
schicht von der Art des Adsor-
bates abhängen, sollte der Fort-
gang der Oberflächensynthese
90 Savinell, R. F. et al., J. Electroanal. Chem. 430, 205-214 (1997)
Abb. 4.9: Reduktive Desorption einer A-C2-SAM
A-C2 auf Au(111)
Vorschub: 0.01 V/s
pH 13 (konz. NaOH)
IV. ERGEBNISSE82
mit beiden Methoden beobachtbar sein.
In Abbildung 4.9 ist das Cyclovoltammogramm einer Cysteamin-Monoschicht im Potential-
bereich von +0.05 V bis -1.15 V dargestellt. Als Meßlösung diente wie auch bei C3 ein 10
mM Kaliumphosphatpuffer (12.5 mM K2SO4), der diesmal jedoch durch einige Tropfen
konzentrierter Natronlauge auf einen pH-Wert von 13.4 eingestellt wurde. Dadurch wird die
Reduktion von Wasserstoffionen vermieden, die Reduktionssignale werden deutlich schärfer
und der Meßbereich kann auf sehr negative Potentiale ausgedehnt werden.
Der erste Potentialdurchgang (rot) zeigt ein scharfes elektrochemisches Signal bei -0.847 V
sowie eine Schulter bei niedrigerem Potential von etwa -0.958 V. Interessanterweise zeigt
sich im dritten Potentialdurchlauf (schwarz), daß diese Schulter kaum an Intensität einbüßt,
während das Hauptsignal mehr und mehr verschwindet.
Nach der Addition des SIMP-Linkers, dem zweiten Schritt der Synthese, sollte sich eine Ver-
änderung in der Position des Reduktionssignals zeigen, wenn die Stärke der
Metall/Schwefel-Bindung dadurch verändert wird. Bei COOH-terminierten Thiolen wurde ein
Absinken des Reduktionspotentials und damit ein Ansteigen der Stärke der Metall/Thiol-
Bindung mit zunehmender Kettenlänge beobachtet.
In Abb. 4.10 ist das Cyclovol-
tammogramm einer Cysteamin/
SIMP-Monoschicht (rot) und zum
Vergleich das von Cysteamin
(schwarz) dargestellt.
Beide Cyclovoltammogramme wur-
den unter gleichen Meßbedin-
gungen erhalten. Das Reduktions-
signal ist zum einen zu niedrigeren
Potentialen verschoben (-0.862 V,
∆Ep = -0.015 V), zum anderen ist
es aber auch schmaler als das des
Cysteamins. Dies könnte auf eine
höhere Ordnung der adsorbierten
Thiole hindeuten. Die Schulter bei niedrigerem Potential ist nahezu unverändert geblieben.
Die Kapazität des Cysteamin/SIMP-Systems sank auf etwa 11 µF/cm2 (pH 7.0) und ist damit
erwartungsgemäß niedriger als bei der Cysteamin-Monoschicht (13 µF/cm2, vide supra).
Abb. 4.10: Reduktive Desorption von Cysteamin-
und Cysteamin/SIMP-Monoschicht
A-C2/SIMP auf Au(111)
Vorschub: 0.01V/s
pH 13 (konz. NaOH)
IV. ERGEBNISSE 83
Die Adsorption von apo-MOP-C führt zu einer weiteren Erniedrigung der Kapazität der
Grenzschicht auf ca. 8 µF/cm2 (pH 7.0). Das Reduktionssignal für dieses komplexe System
(rot) ist deutlich breiter als in den vorhergehenden beiden Fällen (jeweils schwarz) und deu-
tet auf eine Verteilung von
verschiedenen Thiol-Spezies auf
der Oberfläche hin (Abb. 4.11).
Das Minimum dieses Signals be-
findet sich bei einem etwas höhe-
ren Potential von -0.852 V (pH 13).
Die Vermessung von holo-MOP-C
war bei solch hohen pH-Werten
nicht möglich, da das Protein unter
diesen Bedingungen nicht mehr
stabil war.
Nach dem Hämeinbau steigt die
Kapazität zu niedrigeren
Potentialen scheinbar an. Dies ist
jedoch darauf zurückzuführen, daß eine Reaktion zwischen der Hämgruppe und
verbliebenem Restsauerstoff einsetzt, die zu einem signifikanten (nicht-kapazitiven)
Stromfluß führt. Der gleiche Effekt konnte in aufeinanderfolgenden Cyclovoltammogrammen
beobachtet werden, in denen das Elektroreduktionssignal von O2 mit der Anzahl der
Potentialdurchläufe abnahm.
Das leichte Ansteigen der Kapazitätskurven bei den anderen Monoschichten ist einerseits
auf beginnende Wasserstoffentwicklung (bei niedrigen Potentialen), andererseits auf die Ad-
sorption von Anionen wie Sulfat und Phosphat (bei hohen Potentialen) zurückzuführen.
Abb. 4.11: Reduktive Desorption des Cysteamin/
SIMP/apo-MOP-C-Systems
A-C2/SIMP/apo-MOP-C
Vorschub: 0.01 V/s
pH 13 (konz. NaOH)
Meßbedingungen:
10 mM Kaliumphosphatpuffer
pH 7.0 (12.5 mM K2SO4)
Potentialschritt: 0.005 V
Amplitude: 0.005 V
Frequenz: 100 Hz
Abb. 4.12:
Kapazitätsmessungen der vier
Syntheseschritte
Cysteamin
Cysteamin/SIMP
Cysteamin/SIMP/apo-MOP-C
Cyst./SIMP/holo-MOP-C
IV. ERGEBNISSE84
2. Elektrochemische Charakterisierung der de novo Proteine
Ergänzend zu den SERR-spektroskopischen Untersuchungen an den de novo Proteinen
wurden auch elektrochemische Experimente an den immobilisierten Proteinen durchgeführt.
2.1 Das Protein MOP-P1
Für das Protein MOP-P1 konnte im Stabilitätsbereich der C3-Monoschicht kein
elektrochemisches Signal gemessen werden. Das in Abbildung 4.13 dargestellte
Cyclovoltammogramm wurde in 10 mM Kaliumphosphatpuffer pH 7.0 (12.5 mM K2SO4) an
einer C3-modifizierten polykristallinen Goldelektrode aufgenommen.
Im Vergleich zur Desorption der C3-
Monoschicht (Abb. 4.8, Abschn. 1.1.1)
zeigen sich zwar leichte Verände-
rungen in Bezug auf die Position des
elektrochemischen Signals, doch ba-
sierend auf den vorliegenden Daten
kann nicht entschieden werden, ob
diese Veränderung durch einen Elek-
tronentransferprozeß des Proteins
oder durch einen anderen Effekt zu-
stande kommt (z. B. durch die Elek-
troreduktion von O2).
In jedem Fall würde der ET-Prozeß
mit der Desorption der Monoschicht
zusammenfallen, so daß weitere Un-
tersuchungen hier nicht möglich sind.
Abb. 4.13:
Cyclovoltammogramm von MOP-P1 auf einer C3-
modifizierten polykristallinen Goldelektrode
kein Protein in Lsg.
Vorschub: 0.05 V/s
IV. ERGEBNISSE 85
2.2 Das Protein MOP-P2
Im Gegensatz zu MOP-P1 konnte das elektrochemische Verhalten von MOP-P2 auf einer
C3-Monoschicht durchaus charakterisiert werden. Das Cyclovoltammogramm zeigt ein re-
versibles Elektronentransfersignal mit einem Mittelpunktspotential E0 von etwa -0.200 V (E0 =
(Ep,a + Ep,k)/2). Die Potential-
differenz zwischen anodischem
und kathodischem Peak, ∆Ep, be-
trägt 0.12 V bei einer Vorschub-
geschwindigkeit von 0.15 V/s (Abb.
4.14). Die Breite des kathodischen
Signals beträgt in diesem Fall 0.08
V (FWHM) und liegt damit sehr
nahe an dem theoretisch erwarte-
ten Wert von 0.09 V (T = 293 K)91.
Die Fläche unter den Signalen
beträgt etwa 1.4⋅10-7 C, was bei
einer Elektrodenoberfläche von 0.3
cm2 einer Oberflächenkonzentra-
tion von 6.7 pmol/cm2 entspricht.
Bei einem Basisdurchmesser des
Proteins von 25Å ergibt sich damit ein Bedeckungsgrad von 20%92.
Die Variation der Vorschubgeschwindigkeit ν führte zu einer Veränderung von ∆Ep bei kon-
stantem E0. Bei der Erhöhung von ν kam es jedoch zu einer deutlichen Verbreiterung des
Signals, so daß auf diesem Weg keine ET-Geschwindigkeitskonstanten bestimmt werden
konnten (Abb. 4.15). Zur besseren Vergleichbarkeit wurde ein Untergrund erster Ordnung
abgezogen und die resultierenden Signale auf eins normiert.
91 A. J. Bard, L.R. Faulkner, „ELECTROCHEMICAL METHODS“, Wiley &Sons, 2nd ed. (2001), S. 59192 E. Katz et al., Angew. Chem. Int. Ed., 37, no. 23, 3253-3256 (1998)
kein Protein in Lsg.
Vorschub: 0.15V/s
Abb. 4.14:
Cyclovoltammogramm von MOP-P2 auf einer C3-
modifizierten polykristallinen Goldelektrode
IV. ERGEBNISSE86
Die Verbreiterung des elektrochemi-
schen Signals deutet darauf hin, daß
nicht etwa ein „ideales“ Zwei-
Zustand-System, sondern eher eine
Verteilung von Redoxzuständen mit
leicht unterschiedlichen Redoxpo-
tentialen und/oder -kinetiken vor-
liegt. Dieser Befund wird von Chro-
noamperometrie-Experimenten ge-
stützt, die jeweils multi-exponentielle
Strom-Zeit-Kurven lieferten (nicht
dargestellt).
2.3 Das Protein MOP-P3
Auch MOP-P3 zeigte ein reprodu-
zierbares elektrochemisches Si-
gnal. Das Cyclovoltammogramm
wurde in einem 10 mM Kalium-
phosphatpuffer pH 7.0 (12.5 mM
K2SO4) bei einer Vorschubge-
schwindigkeit von 0.05 V/s aufge-
nommen (Abb. 4.16). Als Elektrode
diente eine mit C3 modifizierte
Au(111)-Elektrode.
Ausgehend von einem positiven
Startpotential konnten bei dem
ersten Potentialdurchlauf Signale
bei -0.27 V und -0.12 V gemessen
werden (Abb. 4.16, schwarz). Bei den darauffolgenden Potentialdurchläufen verschwand
jedoch der Peak bei -0.27 V und ein neues, asymmetrisches Signal bei -0.18 V tauchte auf93
(rot).
93 Die Angabe des Potentials ist bei diesem Signal aufgrund der starken Asymmetrie problematisch.
Abb. 4.15: Normalisierte Reduktionssignale für
ν = 0.010 V/s (schwarz), ν = 0.025 V/s (rot) und
ν = 0.050 V/s (blau)
Abb. 4.16: Cyclovoltammogramm von MOP-P3
1. und 3. Potentialdurchlauf (schwarz bzw. rot)
IV. ERGEBNISSE 87
Der Grund für dieses Verhalten konnte nicht abschließend geklärt werden. Mit einem Poten-
tial von -0.272 V liegt das Signal zu hoch für die Reduktion von Sauerstoff. Möglicherweise
ist die Reduktion von MOP-P3 mit einer irreversiblen Veränderung der Struktur der SAM
und/oder der adsorbierten Proteine verbunden. Auch nach längerer Äqulibrierungszeit bei
positiven Potentialen konnte der Übergang bei -0.272 V nicht regeneriert werden.
Mit Hilfe der differentiellen Pulsvoltammetrie konnte zumindest das Potential des anodischen
Signals mit Ep = -0.129 V reproduziert werden (Abb. 4.17, rot). Das kathodische Signal da-
gegen ist deutlich schwächer und noch weiter zu positiven Potentialen verschoben als das
anodische (Ep = -0.084 V, schwarz). Als Mittelwert ergibt sich E0 = -0.107 V. Die Mes-sung
erfolgte in der gleichen Meßlösung wie die Cyclovoltammogramme in Abb. 4.16.
Auch diese Beobachtung entspricht nicht den Erwartungen für ein ideales Elektronentrans-
fersystem und deutet auf die Beteiligung nicht-Faradayscher Prozesse hin.
Die Halbwertsbreite des anodischen CV-Signals beträgt 0.09 V und liegt damit im erwarteten
Bereich14. Die Integration ergibt für die transferierte Ladung einen Wert von 3⋅10-8 C und ei-
nen Oberflächenbedeckungsgrad von ca. 20% (AElektr. = 0.11 cm2, Proteindurchmesser: 25 Å
(Basis)).
Die Variation der Signalhöhe Ip in Abhängigkeit von der Vorschubgeschwindigkeit ν kann
dazu verwendet werden, die Art des Elektronentransfers näher zu bestimmen. Ist die Ad-
sorption bzw. Desorption der am Elektronentransfer beteiligten Spezies langsam im Ver-
gleich zum Elektronentransfer, dann ist Ip proportional zu ν (Gl. 2.18).
Modulationszeit: 0.007 s
Integrationszeit: 0.4 s
Schrittweite: 0.00405 V
Modulationsampl.: 0.02505 V
Abb. 4.17: DPV von MOP-P3
anodischer Scan: rot
kathodischer Scan: schwarz
IV. ERGEBNISSE88
Bei nichtimmobilisierten Redoxsystemen spielt auch der Stofftransport an der Elektro-
denoberfläche eine Rolle, so daß Ip proportional zur Quadratwurzel der Vorschubgeschwin-
digkeit ν wird (Gl. 2.19).
Im Fall von MOP-P3 entsteht eine weitere Komplikation dadurch, daß die Signalintensität mit
zunehmender Meßzeit recht deutlich abnimmt, wie bereits der Vergleich zwischen dem er-
sten und dem dritten Potentialdurchlauf in Abbildung 4.16 zeigt. Diese Signalabnahme ist mit
der Oberflächenkonzentration der Redoxpartner korreliert, die ihrerseits proportional zur
übertragenen Gesamtladung Qp ist. Es sollte deshalb möglich sein, die Verringerung des
Meßsignals durch die Normalisierung auf Qp zu korrigieren.
Aus Gleichung 2.18 wird:
ν⋅⋅⋅
⋅=⋅⋅Γ⋅ TR4
Fz
FzA
I*0
p (Gl. 4.3)
Die Proportionalität zwischen Ip und ν wird dabei nicht verändert94.
Trotzdem sind in Abbildung 4.18 beide Auftragungen dargestellt und mit einer Potenzfunktion
angepaßt worden (Gl. 4.4).
( ) b0p aII ν⋅+=ν (Gl. 4.4)
Für die Auftragung Ip vs. ν ergibt sich ein Exponent b von 0.8 (schwarze Kurve). Dieser Wert
läßt keine Entscheidung bezüglich des vorherrschenden Elektronentransferprozesses zu,
doch berücksichtigt die Auftragung auch die Signalabnahme nicht.
Durch die Normalisierung auf die übertragene Gesamtladung Qp wird dieser Effekt jedoch
berücksichtigt (rote Kurve). Die Streuung der Auftragung nimmt deutlich ab und der Wert für
b beträgt nun 1.0, was genau dem erwarteten Idealwert für ein immobilisiertes Redoxpaar
entspricht.
Der Achsenabschnitt beträgt 0.05 A/C95 und ist damit vernachlässigbar klein. Der Parameter
a entspricht im Idealfall dem konstanten Faktor auf der rechten Seite von Gl. 4.3.
94 Der Divisor auf der linken Seite in Gl. 4.3 hat eine physikalisch anschauliche Bedeutung. Er ist das
Produkt aus der Stoffmenge auf der Oberfläche (A ⋅Γ0) und der Ladung pro Mengeneinheit (z ⋅F) und
damit gleich Qp.
IV. ERGEBNISSE 89
Für z = 1 und T = 293 K ergibt sich dafür ein theoretischer Wert von 9.9 V-1, während man
bei der Anpassung der Meßdaten einen Wert von a = 10.8 V-1 erhält. Auch hier zeigt sich
also eine recht gute Übereinstimmung.
Diese Ergebnisse sprechen demnach dafür, daß der beobachtete Elektronentransfer von
MOP-P3 auf das immobilisierte Protein zurückgeht. Die Gründe für das nicht-ideale
Verhalten können auf der Basis der elektrochemischen Daten nicht geklärt werden.
95 Die Vereinfachung des Ausdrucks A/C auf 1/s könnte irreführend sein und wird hier deshalb
unterlassen.
Abb. 4.18:
Signalintensität Ip und nomierte
Signalintensität Ip/Qp in Abhängig-
keit von der Vorschubgeschwindig-
keit ν für MOP-P3
IV. ERGEBNISSE90
2.4 Das Protein MOP-C
Im Fall von MOP-C bestehen im Prinzip zwei Möglichkeiten, das Protein an die Oberfläche
zu binden. Entweder werden die Cysteine in der Bindungsdomäne des Proteins unmittelbar
an die blanke Metalloberfläche gebunden oder die Immobilisierung erfolgt an einer geeigne-
ten SAM über eine spezifische Additionsreaktion (Kap. III).
Das Ergebnis unterscheidet sich allerdings deutlich (Abb. 4.19): Während das elektrochemi-
sche Signal nach der direkten Immobilisierung nur sehr schwach zu erkennen ist (schwarz),
liefert das über die SAM gebundene MOP-C ein intensives Cyclovoltammogramm (rot) mit
Signalen bei -0.303 V und -0.389 V (E0 = -0.346 V) bei einer Vorschubgeschwindigkeit von
0.050 V/s (Au(111), pH 7.0, 10 mM Kaliumphosphatpuffer + 12.5 mM K2SO4). Der Wert für
E0 unterscheidet sich im Rahmen der Meßgenauigkeit nicht von dem für die direkte Immobi-
lisierung des Proteins mit Signalen bei Ean = -0.307 V und Ekath = -0.374 V (E0 = -0.340 V).
Die differentielle Pulsvoltammetrie liefert sehr ähnliche Werte und bestätigt damit die cyclo-
voltammetrischen Daten. Für die direkte Immobilisierung ergab sich Ean = -0.348 V und Ekath
= -0.354 V mit einem Mittelwert E0 = -0.351 V und für die Anbindung an die modifizierte Me-
talloberfläche Ean = -0.352 V und Ekath = -0.367 V mit E0 = -0.359 V (Modulationszeit: 0.007 s,
Integrationszeit: 0.4 s, Potentialschritt: 0.00405 V, Modulationsamplitude: 0.02505 V).
Aufgrund der höheren Signalqualität wurde MOP-C für weitere Untersuchungen in allen Fäl-
len auf der beschichteten Metalloberfläche immobilisiert. Der durch Integration des elektro-
chemischen Signals erhaltene Bedeckungsgrad betrug unter der Annahme eines Protein-
basisdurchmessers von 25 Å etwa 98% und entspricht damit einer vollständigen Bedeckung
der Elektrodenoberfläche (Abb. 4.19, rot).
Abb. 4.19:
Cyclovoltammogramm von MOP-C
direkte Immobilisierung: schwarz
linkergestützte Immobilisierung: rot
IV. ERGEBNISSE 91
Offenbar ist die Oberflächenbedeckung im Fall der direkten Immobilisierung ausgesprochen
gering, da auch die reduktive Desorption des Proteins nur sehr schwache Signale ergibt
(nicht dargestellt).
Wie auch im Fall von MOP-P3 konnte gezeigt werden, daß die redoxaktive Spezies auf ein
immobilisiertes Redoxpaar zurückgeht (Abb. 4.20). Die Auftragung der normalisierten
Signalhöhe Ip/Qp gegen die
Vorschubgeschwindigkeit ν kann
durch eine Potenzfunktion mit sehr
guter Näherung angepaßt werden
(Gl 4.4).
Es ergibt sich ein Exponent b von
0.93 und ein Achsenabschnitt I0 von
0.004 A/C, der in Anbetracht der
Variation von Ip/Qp vernachlässigbar
klein ist.
Die Faktor a weicht mit 5.9 V-1 je-
doch deutlich von dem theoretisch
erwarteten Wert von 9.9 V-1 ab (z =
1, T = 293 K). Geht man davon aus,
daß dieser Unterschied ausschließ-
lich auf den Faktor z zurückgeht, dann ergibt sich mit a = 5.9 V-1 für zapp ein Wert von 0.6. Für
diese Abweichung vom Idealwert kommen mehrere Erklärungen in Frage, die jedoch erst
unter Hinzunahme der SERR-Ergebnisse eingehend diskutiert werden sollen. Eine Möglich-
keit besteht jedoch darin, daß nicht etwa ein ideales Zwei-Zustand-Redoxsystem vorliegt,
sondern eine Verteilung von mehreren redoxaktiven Spezies.
Im Gegensatz zu MOP-P2 trat jedoch keine Verbreiterung des elektrochemischen Signals
bei höheren Vorschubgeschwindigkeiten auf (ν < 0.5 V/s), so daß die Veränderung der Si-
gnalpositionen in Abhängigkeit von ν zur Bestimmung der Geschwindigkeitskonstanten des
Redoxprozesses genutzt werden kann. Die Auswertung der Daten erfolgte nach der Me-
thode nach Laviron96 mit Hilfe eines selbst geschriebenen MathCad-Programms97.
Zur Berechnung des Parameters m wurden zunächst die theoretischen Strom-Spannung-
Kurven berechnet (α = 0.5) und die Maxima bzw. Minima der elektrochemischen Signale
96 E. Laviron, J. Electroanal. Chem., 101, 19-28 (1979)97 Der Programmcode befindet sich im Anhang.
Abb. 4.20: Normierte Signalintensität in Abhängig-
keit von der Vorschubgeschwindigkeit ν für MOP-C
IV. ERGEBNISSE92
ermittelt. Aus deren Differenz ∆E läßt sich dann m bestimmen, das wiederum mit der hetero-
genen Geschwindigkeitskonstante k0 zusammenhängt.
ν⋅
⋅⋅⋅= 1FzkTR
m 0 (Gl. 4.5)
νν [V/s] Ean [V] Ekath [V] E0 [V] m
0.010 -0.263 -0.326 -0.295 0.447
0.020 -0.258 -0.337 -0.298 0.332
0.050 -0.254 -0.343 -0.299 0.286
0.070 -0.251 -0.346 -0.299 0.259
0.100 -0.251 -0.348 -0.300 0.251
0.150 -0.249 -0.348 -0.299 0.245
Die lineare Regression der Daten
ergibt eine Steigung von 0.0022
V/s, was einer Geschwindigkeits-
konstante k0 von 0.1 s-1 entspricht.
Der Achsenabschnitt ist allerdings
deutlich von null verschieden und
entspricht damit nicht den Vorher-
sagen eines einfachen Elektronen-
transfermodells.
In Anbetracht dieses nichtidealen
Verhaltens muß der erhaltene Wert
für k0 mit Vorbehalt betrachtet
werden.
Die Chronoamperometrie war nicht geeignet, den Redoxprozeß zu charakterisieren, da die
Relaxationszeiten von apo- und holo-Protein in der gleichen Größenordnung wie der ET
liegen. Deshalb kann der Redoxprozeß nicht unabhängig von anderen, nicht-Faradayischen
Grenzschichtprozessen beobachtet werden. Die resultierenden Strom-Zeit-Kurven sind multi-
exponentiell.
Abb. 4.21: Bestimmung der Geschwindigkeits-
konstante nach der Methode von Laviron
Tab. 4.8:
Cyclovoltammetrische Daten von MOP-C
bei versch. Vorschubgeschwindigkeiten ν
IV. ERGEBNISSE 93
3. Stationäre SERR-Spektroskopie
3.1 Das Protein MOP-P1
Die SERR-spektroskopische Untersuchung des Proteins MOP-P1 gestaltete sich schwierig,
da die Signalintensitäten nur sehr gering waren.
In Abbildung 4.22 ist ein typisches SERR-Spektrum von MOP-P1 auf einer mit C3 modifi-
zierten Ag-Elektrode bei einem Potential von +0.100 V im Bereich von 1280 cm-1 bis 1630
cm-1 zu sehen. Die Gesamtintegrationszeit betrug 60 s, die Proteinkonzentration in der Lö-
sung war etwa 0.3 µM (10 mM Kaliumphosphatpuffer pH 7.0 (12.5 mM K2SO4)).
Das Signal/Hintergrund-Verhältnis
beträgt etwa 1:2.5 und der Rausch-
pegel ist recht hoch. Außerdem
zeigt sich neben den Markerban-
den des Häms vor allem ab 1500
cm-1 ein stark ansteigender Hinter-
grund, der typisch ist für SERR-
Spektren mit schwachen Signalen.
Da oberhalb von 1500 cm-1 eine
reproduzierbare Hintergrundkorrek-
tur nur sehr eingeschränkt möglich
ist, konzentrierte sich die Analyse
der MOP-P1 Spektren auf den
Spektralbereich von 1280 cm-1 bis
1520 cm-1.
Abb. 4.22: Unbearbeitetes SERR-Spektrum von
MOP-P1 auf einer C3/Ag-Elektrode
+ 0.100 V
IV. ERGEBNISSE94
Abbildung 4.23 zeigt eine exemplarische Übersicht über SERR-Spektren von MOP-P1 auf
einer C3-modifizierten Ag-Elektrode bei verschiedenen Potentialen.
Bei hohen Potentialen von +0.100 V ist das Protein offenbar vollständig oxidiert (Spektrum
1). Die ν4- und die ν3-Bande liegen bei 1373 cm-1 und 1503 cm-1 und deuten darauf hin, daß
das oxidierte MOP-P1 auch in der adsorbierten Form eine sechsfach koordinierte Häm-
gruppe in der low spin Konfiguration besitzt (bis-His).
Die Erniedrigung des Potentials auf -0.100 V führt zur Bildung einer neuen Spezies mit einer
ν4-Bande bei 1360 cm-1 und einer ν3-Bande bei 1490 cm-1 (Spektrum 2). Offenbar handelt es
sich um eine sechsfach koordinierte reduzierte low spin Form, die mit der oxidierten Form im
Gleichgewicht steht98.
Dennoch gelingt die vollständige Reduktion des Proteins nicht. Selbst bei sehr niedrigen
Potentialen sind noch deutliche Anteile der oxidierten Form erkennbar (Spektren 3 und 4).
98 Durch Rückkehr zu höheren Potentialen konnte der Ausgangszustand wieder hergestellt werden.
Abb. 4.23: Potentialabhängige SERR-Spektren von MOP-P1 (abs. Intensitäten)
IV. ERGEBNISSE 95
Offenbar treten im Gegensatz zur Reduktion des Proteins in Lösung keine fünffach koordi-
nierten high spin Spezies, was darauf hindeutet, daß ihre Entstehung aus unerwünschten
Nebenreaktionen der Reduktion mit Dithionit resultieren könnte. Zur Illustration dieses
Befundes wurde der ν3-Bereich in Spektrum 4 in einem Einschub noch einmal vergrößert
dargestellt. Im Bereich von 1470 cm-1, wo die ν3-Bande einer reduzierten fünffach koordi-
nierten high spin Spezies zu erwarten wäre, befindet sich keine weitere Bande mit signifi-
kanter Intensität. Damit wird die high spin Komponente entweder gar nicht erst gebildet oder
sie geht in einem schnellen Konformationsübergang in die sechsfach koordinierte low spin
Form über.
Bemerkenswert ist ferner die Abnahme der Gesamtintensität der Spektren bei Reduktion. Im
Fall von Hämproteinen wäre ein Ansteigen der Intensität zu erwarten, da die
Proportionalitätsfaktoren f zwischen Konzentration und Intensität kleiner sind als im
oxidierten Zustand21. Der hier beobachtete gegenteilige Effekt geht offenbar auf die
Zerstörung des adsorbierten Hämproteins zurück. Deren Ursache konnte nicht eindeutig
identifiziert werden. Offenbar handelt es sich aber um ein potentialabhängiges Phänomen,
da die stärkste Abnahme der SERR-Intensität bei allen de novo Proteinen im Bereich von -
0.350 V registriert wurde (s. Kap. V 5).
Trotz der geringen Qualität können die erhaltenen Spektren einer Komponentenanalyse un-
terzogen werden. Dabei zeigt sich, daß zwei offenbar voneinander unabhängige Redox-
gleichgewichte a und b vorliegen, wobei die zugrundeliegenden Formen Oxa und Oxb
einerseits und Reda und Redb andererseits spektroskopisch nicht unterschieden werden
konnten. Somit wurden die gemessenen Spektren auf der Basis zweier
Komponentenspektren Ox (= Oxa + Oxb) und Red (Reda und Redb) angepaßt.
Spezies νν4 / ∆ν∆ν1/2 [cm-1] Irel νν3 / ∆ν∆ν1/2 [cm-1] Irel
1 6coxLS 1373 / 12 1.00 1503 / 14 0.23
2 6crdLS 1360 / 12 1.00 1490 / 9 0.17
Tab. 4.9: Komponentenspektren zur Analyse von MOP-P1 - Hauptbanden
Abbildung 4.24 enthält die relativen Anteile der beiden Komponenten 1 (Ox, schwarz) und 2
(Red, rot) im Potentialbereich von +0.100 V bis -0.550 V. Die Anpassung der Meßdaten
erfolgte unter der Annahme von zwei unabhängigen Redoxgleichgewichten, wobei die
IV. ERGEBNISSE96
Redoxpotentiale Ea und Eb, die relativen Ausgangskonzentrationen [Oxa] und [Oxb], sowie
der Nernst-Parameter z als anzupassende Größen verwendet wurden.
Unter der Annahme, daß sich die Streuquerschnitte der zwei oxidierten bzw. der zwei redu-
zierten Spezies untereinander nicht unterscheiden, liegen die beiden Redoxsysteme a und b
etwa in einem Verhältnis von etwa 20:80 vor.
Der Nernst-Parameter z liegt mit 0.34 deutlich unter dem theoretisch erwarteten Wert von
eins, möglicherweise liegt hier eine Verteilung von Redoxzuständen mit leicht verschiedenen
Redoxpotentialen um Ea vor.
Die analoge Auswertung des
Potentialübergangs a mit Hilfe
einer Nernst-Auftragung liefert
sehr ähnliche Ergebnisse (Abb.
4.25).
Für das Redoxpotential Ea ergibt
sich ein Wert von -0.02 ± 0.02 V
mit z = 0.4 (R2 = 0.9), wobei die
Streuung der Meßwerte einen
Eindruck von der tatsächlichen
Unsicherheit der Parameter ver-
mittelt.
Parameter: (Standardfehler)
[Oxa] = 0.22 (0.05)
[Oxb] = 0.78 (0.01)
z = 0.34 (0.09)
Ea = -0.01 (0.04) V
Eb = -0.73 (0.06) V
Abb. 4.24: Bestandteile von MOP-P1
in Abhängigkeit vom Potential E
oxidiert: schwarz, reduziert: rot
Abb. 4.25:
Nernst-Auftragung für den Potentialübergang a von MOP-P1
IV. ERGEBNISSE 97
Der Redoxübergang b bei niedrigem Potential konnte nicht weiter charakterisiert werden, da
das Redoxpotential Eb unterhalb der Stabilitätsgrenze der Monoschicht liegt.
Eb ist deutlich niedriger als -0.550 V, jedoch noch in einem für bis-His koordinierte Hämkom-
plexe typischen Bereich11.
3.2 Das Protein MOP-P2
Dieses Protein liefert in bezug auf seine SERR-spektroskopische Untersuchung sehr ähnli-
che Ergebnisse wie MOP-P1.
Die in Abbildung 4.26 dargestellten Spektren wurden in 10 mM Kaliumphosphatpuffer pH 7.0
(12.5 mM K2SO4) bei einer Akkumulationszeit von 60 s aufgenommen. Die Konzentration des
Proteins betrug 0.5 µM.
Die Intensität der Spektren von MOP-P2 war deutlich höher als bei MOP-P1, offenbar haben
die zusätzlichen Lysine in der Bindungsdomäne den gewünschten Effekt auf die Adsorbier-
barkeit des Proteins.
Im vollständig oxidierten Zustand tritt praktisch ausschließlich eine sechsfach koordinierte
low spin Spezies auf ("6coxLS", Spektrum 1). Zu einem kleinen Anteil kommt auch eine
fünffach koordinierte oxidierte high spin Komponente vor ("5coxHS"), die allerdings nicht im
Detail untersucht wurde99.
Die Erniedrigung des Potentials führt wie bei MOP-P1 zu einer deutlichen Verringerung der
Intensität, höchstwahrscheinlich auch hier aufgrund der Zerstörung des Hämproteins
(Spektren 2, 3 und 4).
Trotzdem bleibt auch der reduzierte Zustand hauptsächlich in der bis-His-koordinierten low
spin Form mit kleineren Anteilen einer fünffach koordinierten high spin Komponente. Die
spektralen Parameter der einzelnen Komponenten sind in Tabelle 4.10 zusammengefaßt.
Die Bandenpositionen sind typisch für die jeweiligen Redox- und Spinspezies. Auffällig sind
jedoch die großen Halbwertsbreiten der ν4-Banden. Sie deuten darauf hin, daß die hier defi-
nierten Gruppen eher Verteilungen von Subkomponenten darstellen, die leicht unterschiedli-
che spektrale Eigenschaften haben. Dadurch kommt es zur Verbreiterung der Banden.
99 5coxHS und 5crdHS wurden trotzdem in die Komponentenanalyse einbezogen, weil sie sich aus der
Spektrensubtraktion ergeben. Ihr Gesamtanteil liegt jedoch im Bereich der Genauigkeit der Analyse.
IV. ERGEBNISSE98
Spezies νν4 / ∆ν∆ν1/2 [cm-1] Irel νν3 / ∆ν∆ν1/2 [cm-1] Irel
1 6coxLS 1373 / 13 1.00 1503 / 13 0.16
2 5coxHS 1372 / 14 1.00 1491 / 14 0.60
3 6crdLS 1360 / 13 1.00 1492 / 11 0.06
4 5crdHS 1358 / 16 1.00 1470 / 13 0.15
Tab. 4.10: Komponentenspektren zur Analyse von MOP-P2 - Hauptbanden
Abbildung 4.27 verdeutlicht, daß dieser Zerstörungsprozeß mit einer Präferenz für den redu-
zierten Zustand abläuft. Die drei Spektren 1, 2 und 3 sind nacheinander aufgenommen wor-
den, jeweils mit einer Äquilibrierungszeit von drei Minuten vom Zeitpunkt der Potentialein-
stellung bis zum Beginn der eigentlichen Messung. Das Verhältnis zwischen oxidiertem und
reduziertem Protein ist über die Streuquerschnitte proportional zu dem Intensitätsverhältnis
der ν4-Banden. Die tatsächlichen Konzentrationsverhältnisse sind für den Vergleich der
Spektren 1 bis 3 nicht relevant.
Abb. 4.26: Potentialabhängige SERR-Spektren von MOP-P2
IV. ERGEBNISSE 99
In Spektrum 1 ist die ν4-Bande der reduzierten Form bereits etwas intensiver als die der oxi-
dierten und nach der Verringerung des Potentials auf -0.600 V nimmt das Verhältnis von
reduzierter zu oxidierter Form erwartungsgemäß noch leicht zu (Spektrum 2).
Nach der erneuten Erhö-
hung des Potentials auf -
0.500 V hat sich dieses
Verhältnis jedoch umge-
kehrt. Wenn der Zerstö-
rungsmechanismus bei
niedrigen Potentialen auf
beide Redoxzustände glei-
chermaßen wirken würde,
dann wäre es nicht zu einer
Umkehrung der Intensitäts-
verhältnisse der ν4-Banden
gekommen. Auf mögliche
Mechanismen soll in Kapitel
V A.5 eingegangen werden.
Dieser Befund ist von au-
ßerordentlicher Bedeutung
für die Redoxchemie von MOP-P2 und möglicherweise auch der anderen de novo Proteine,
da er die partielle Irreversibilität des Redoxprozesses verdeutlicht. Bereits im Fall von MOP-
P1 war eine signifikante Intensitätsverringerung bei niedrigen Potentialen beobachtet worden
und auch die anderen de novo Proteine zeigten das gleiche Verhalten (vide infra). Die
Übertragbarkeit dieses Befundes ist also naheliegend.
Die Komponentenanalyse an MOP-P2 spiegelt die partielle Irreversibilität des Redoxprozes-
ses ebenfalls wider (Abb. 4.28).
Das Potential wurde zunächst schrittweise verringert und danach wieder bis zum Ausgangs-
wert erhöht. Dabei tritt eine systematische Verschiebung der Kurven zu höheren oxidierten
Anteilen auf wie in Abbildung 4.28 durch die Pfeile angedeutet wurde. Die Richtung der
Pfeile gibt die Richtung der Potentialänderung an.
Offenbar nimmt die Differenz zwischen zwei Spektren bei gleichem Potential mit höherem
Potential wieder ab. Dies bedeutet einerseits, daß die Beobachtung nicht etwa durch die
Verringerung der Spektrenqualität erklärt werden kann. Andererseits ist es auch ein Hinweis
darauf, daß die Geschwindigkeit der Zerstörung vom Potential abhängt. Bei ausreichend
Abb.4.27:
Zerstörung von MOP-P2 bei niedrigen Potentialen
IV. ERGEBNISSE100
hohem Potential ist die Gleichgewichtseinstellung durch den Redoxprozeß schneller als die
Zerstörung des Proteins, so daß letztere zunehmend an Bedeutung verliert. Da das
adsorbierte Protein in einem dynamischen Adsorptions-/Desorptionsgleichgewicht mit der
Lösung steht, kann die Oberflächenzusammensetzung im Prinzip regeneriert werden100.
Die Anpassung der experimentellen Daten für den LS/LS-Übergang unter der Annahme
eines Zwei-Zustand-Elektronentransfermodells lieferte ein Redoxpotential E0 = -0.61 V mit
z = 0.3, eine entsprechende Nernst-Analyse ergibt E0 = -0.57 V und z = 0.4. Wie bei MOP-P1
ist die Auswertung der Nernst-Auftragung mit einem sehr großen Fehler behaftet, da ausrei-
chend Meßwerte in der Nähe des Redoxpotentials fehlen und sich dadurch auch kleine
Fehler in der Konzentrationsbestimmung drastisch auswirken können.
Als gesichert kann jedoch auch hier angesehen werden, daß das Redoxpotential des intak-
ten Proteins außerhalb des Stabilitätsbereiches der Monoschicht liegt und der Parameter z
deutlich vom Idealwert von eins abweicht.
100 Dies gilt nur, wenn Adsorption und Desorption ausreichend schnell ablaufen können.
Abb. 4.28:
Bestandteile von MOP-P2 in
Abhängigkeit vom Potential
IV. ERGEBNISSE 101
3.3 Das Protein MOP-P3
Die Oberflächenzusammensetzung von MOP-P3 ist der der anderen beiden Proteine des P-
Typs sehr ähnlich. Die Anpassung der gemessenen Spektren gelang mit den gleichen spek-
tralen Parametern wie bei MOP-P2 (Tab. 4.11).
Spezies νν4 / ∆ν∆ν1/2 [cm-1] Irel νν3 / ∆ν∆ν1/2 [cm-1] Irel
1 6coxLS 1373 / 13 1.00 1503 / 13 0.16
2 5coxHS 1372 / 14 1.00 1491 / 14 0.60
3 6crdLS 1360 / 13 1.00 1492 / 11 0.06
4 5crdHS 1358 / 16 1.00 1470 / 13 0.15
Tab. 4.11: Komponentenspektren von MOP-P3 - Hauptbanden, Gruppennummern
Abb. 4.29: Potentialabhängige SERR-Spektren von MOP-P3
Man beachte die unterschiedliche Skalierung von Spektrum 4
IV. ERGEBNISSE102
Die Immobilisierung des Proteins erfolgte auf einer C3-SAM. Als Meßlösung diente ein
10 mM Kaliumphosphatpuffer bei pH 7.0 (12.5 mM K2SO4) mit einer Proteinkonzentration
von 0.3 µM.
Die Spektren 1 bis 3 sind durch Summation von jeweils drei Einzelspektren entstanden,
Spektrum 4 ist ein hintergrundkorrigiertes Originalspektrum (Abb. 4.29). Die Akkumulati-
onszeiten betragen 60 s bzw. 20 s.
Im oxidierten Zustand liegt das Protein fast ausschließlich in einer sechsfach koordinierten
low spin Form vor (Gruppe 1) und wie eine detaillierte Komponentenanalyse gezeigt hat (s.
u.), ist der Anteil der fünffach koordinierten high spin Komponente kleiner als 5% (Gr. 2).
Im Gegensatz zu den Proteinen MOP-P1 und MOP-P2 kommen low spin und high spin Spe-
zies im reduzierten Zustand zu vergleichbaren Anteilen vor (Gr. 3 und 4).
Die Intensitätsabnahme bei niedrigen Potentialen ist bei MOP-P3 offenbar weniger ausge-
prägt als bei MOP-P1 und MOP-P2.
Auch MOP-P3 konnte auf der C3-Monoschicht nicht vollständig reduziert werden, obwohl
das Redoxpotential für den LS/LS-Übergang deutlich höher liegt als bei MOP-P1 und MOP-
P2. Die Analyse der Meßspektren zeigt jedoch, daß das Redoxpotential für den LS/LS-Über-
gang innerhalb des Stabilitätsbereiches der Monoschicht liegt. Dadurch können die Konzen-
trationsverhältnisse in dessen Nähe mit einem verhältnismäßig kleinen relativen Fehler be-
stimmt werden und die darauffolgende Nernst-Analyse gewinnt an Genauigkeit.
Möglicherweise liegen die beiden reduzierten Kom-
ponenten 5crdHS und 6crdLS in einem Gleichge-
wicht miteinander vor, da ihr Verhältnis im Rahmen
der Meßgenauigkeit konstant bleibt.
Unter Vernachlässigung des Wertes bei -0.275 V
ergibt sich ein mittleres Verhältnis und damit eine
Gleichgewichtskonstante von 0.6, die einer Differenz
in der Freien Enthalpie ∆G° von 1.4 kJ/mol
entspricht. Abb. 4.30: Verhältnis der red. Kompo-
nenten v. MOP-P3 (Konzentrationen)
IV. ERGEBNISSE 103
Mit Hilfe beider Resultate läßt sich ein Modell für die vorliegenden Redoxgleichgewichte von
MOP-P3 aufstellen, das sich im Wesentlichen durch das signifikante Auftreten der 5crdHS
Form von denen der bisher behandelten Proteine MOP-P1 und MOP-P2 unterscheidet (Abb.
4.31, rechts).
Die Nernst-Analyse liefert ein Redox-
potential E0 von -0.43 V für den LS/LS-
Übergang mit z = 0.4 (R2 = 0.99). Damit
liegt das SERR-spektroskopisch be-
stimmte Redoxpotential von MOP-P3
um mindestens 100 mV höher als bei
den anderen Proteinen des P-Typs. Der
niedrige Nernst-Parameter z deutet je-
doch auch hier darauf hin, daß der
Elektronentransferprozeß höchstwahr-
scheinlich mit anderen Vorgängen
gekoppelt ist (Kap. V B.5).
Die Immobilisierung von MOP-P3 gelang ebenfalls auf einer Monoschicht von 11-Mercapto-
undecansäure (C11). Die SERR-Spektren waren jedoch von noch geringerer Intensität, so
daß dieses System nicht zur detaillierten Charakterisierung geeignet war.
Die in Abbildung 4.33 dargestellten Spektren sind unter identischen Meßbedingungen auf-
genommen worden wie die Spektren von MOP-P3 auf der C3-Monoschicht, die zum Ver-
gleich noch einmal zu sehen sind. Die Spektren auf der C11-Schicht sind die Summen aus
drei Einzelspektren mit einer Akkumulationszeit von je 20 s.
Abb. 4.31:
Bestandteile von MOP-P3 in
Abhängigkeit vom Potential E
6coxLSET
6crdLS
5crdHS
Konformations-
übergang
Abb. 4.32: Nernst-Auftragung für MOP-P3 (LS ↔ LS)
IV. ERGEBNISSE104
Auf der C11-SAM treten weitere
Spezies auf, die entweder auf der
C3-Schicht erst gar nicht gebildet
werden oder aus anderen Gründen
wie zum Beispiel aufgrund unter-
schiedlicher Adsorptionsenthalpien
auf der C11-Monoschicht einen
höheren Anteil am Gesamtspektrum
ausmachen (Abb. 4.33, oben).
Die Spektrensubtraktion ergibt, daß
eine dieser neuen Komponenten
Banden bei 1362 cm-1 und 1489
cm-1 besitzt. Offenbar handelt es
sich also um eine sechsfach
koordinierte reduzierte low spin
Spezies, die zu einem auf der C3-
Schicht nicht detektierten
Redoxübergang gehört. Aufgrund
der geringen Intensität des Differenzspektrums (∼ 600 cts/60 s) ist eine genauere
Charakterisierung nicht vorgenommen worden. Anhand des Intensitätsverhältnisses von
Gesamt- und Differenzspektrum läßt sich ein Anteil von etwa 10-30 % für diesen neuen
Redoxübergang abschätzen. In diesem Zusammenhang ist interessant, daß auf elek-
trochemischem Weg ein Redoxprozeß bei etwa -0.1 V nachgewiesen wurde (C3-SAM).
3.4 Das Protein MOP-C
Im Gegensatz zu den anderen de novo Proteinen bildet MOP-C unabhängig von der Immo-
bilisierungsmethode ein komplexes Redoxgleichgewicht auf der Elektrodenoberfläche aus
(Kap. III C.2.2.2).
Der oxidierte Zustand setzt sich aus einer fünffach koordinierten high spin und einer sechs-
fach koordinierten low spin Spezies mit einem ungefähren Konzentrationsverhältnis von
40:60 zusammen (bei 0 V). Im reduzierten Zustand konnte analog zum Resonanz-Raman-
Spektrum nur eine fünffach koordinierte high spin Komponente nachgewiesen werden. Mög-
licherweise ist die reduzierte sechsfach koordinierte low spin Form so gering vertreten, daß
sie in der Analyse der Spektren nicht nachweisbar war (< 10 %).
Abb. 4.33: SERR-Spektren von MOP-P3
auf C3- und C11-Monoschichten
IV. ERGEBNISSE 105
Spezies νν4 / ∆ν∆ν1/2 [cm-1] Irel νν3 / ∆ν∆ν1/2 [cm-1] Irel fi
1 6coxLS 1373 / 14 1.00 1504 / 9 0.15 1.00
2 5coxHS 1371 / 14 1.00 1489 / 17 0.68 1.46
3 5crdHS 1357 / 16 1.00 1470 / 13 0.09 0.37
Tab. 4.12: Komponentenspektren von MOP-C - Hauptbanden und Proportionalitätsfaktoren
Alle gemessenen Spektren konnten mit diesen drei Komponenten repräsentiert werden. Die
Parameter der 6coxLS-Komponente decken sich mit denen der RR-Untersuchungen und
sind typisch für ein bis-Histidin-koordiniertes Häm.
Die Identifizierung der Spezies 2 und 3 gestaltet sich jedoch schwieriger, da mehrere plau-
sible Ligandierungsschemata dafür in Frage kommen. Sowohl ein einfach-Histidin-koordi-
niertes Hämeisen als auch koadsorbiertes freies Hämin mit H2O als fünftem Liganden erge-
ben in der oxidierten Form einen high spin Zustand. Obwohl auch bei der Immobilisierung
des holo-Proteins ein vergleichbar hoher Anteil high spin Komponente auftrat, kann nicht
ausgeschlossen werden, daß ein Teil des ursprünglich gebundenen Häms während des Im-
mobilisierungsprozesses verloren geht und unspezifisch gebunden auf der Metalloberfläche
zurückbleibt.
Die Adsorption von Hämin auf einer Cysteamin/SIMP-modifizierten Elektrode ergab unter
sonst identisch Meßbedingungen ein SERR-Spektrum mit einer high spin Spezies und einer
Intensität, die der der MOP-C-Spektren vergleichbar war (E = 0 V).
Spezies νν4 / ∆ν∆ν1/2 [cm-1] Irel νν3 / ∆ν∆ν1/2 [cm-1] Irel
Hämin 1372 / 13 1.00 1490 / 11 0.93
5coxHS 1371 / 14 1.00 1489 / 17 0.68
Tab. 4.13: Vergleich von freiem und proteingebundenem Hämin
Die spektralen Parameter des adsorbierten Hämins sind etwas von denen der 5coxHS-Spe-
zies verschieden (Tab. 4.13). Neben den leichten Verschiebungen in den Bandenpositionen
fällt vor allem das deutlich größere ν3/ν4-Verhältnis auf. Dies könnte darauf hindeuten, daß
die high spin Form in den SERR-Spektren von MOP-C auf eine mono-His-koordinierte Kom-
ponente zurückgeht.
IV. ERGEBNISSE106
Dennoch kann auf der Basis dieser Ergebnisse keine endgültige Entscheidung über die
Identität der Komponente 2 getroffen werden, da der Einfluß der Proteinumgebung, d. h.
durch eine unspezifische Anlagerung, auf das SERR-Spektrum des Hämins nicht getrennt
von der His-Ligandierung untersucht werden konnte. Möglicherweise liegt eher ein Gemisch
aus mehreren Spezies vor, da die Halbwertsbreiten der ν3- und ν4-Banden relativ groß
ausfallen. Außerdem hatten die elektrochemischen Untersuchungen bereits ein nichtideales
Verhalten angedeutet (Kap. B 2.4)
Abbildung 4.34 zeigt eine Auswahl von SERR-Spektren von MOP-C bei verschiedenen Po-
tentialen. Als Meßlösung diente ein 10 mM Kaliumphosphatpuffer pH 7.0 (12.5 mM K2SO4),
die Laserleistung an der Probe betrug 60 mW. Wie auch bei den anderen de novo Proteinen
war die vollständige Reduktion des Proteins auf der Elektrode nicht möglich.
Der besseren Übersicht halber sind die Spektren bereits auf maximale Intensität skaliert
worden, so daß deren Intensitäten untereinander nicht mehr verglichen werden können.
Wie die Komponentenanalyse des Systems deutlich macht, liegt in den Spektren von MOP-C
tatsächlich ein komplexes Gemisch vor, das mehr als drei Komponenten aufweist (Abb.
4.34).
Auch wenn nur 6coxLS-, 5coxHS- und 5crdHS-Spezies in nachweisbaren Konzentrationen
vorkommen, dann muß mindestens noch eine weitere sechsfach koordinier-te low spin
Komponente im oxidierten Zustand vorhanden sein, die durch die Plateaubildung im Bereich
um -0.5 V klar zu erkennen ist (schwarze Kurve).
Außerdem stellt sich die Fra-
ge, warum keine sechsfach
koordinierte reduzierte low
spin Spezies nachgewiesen
werden konnte. Es ist denk-
bar, daß dieser Zustand ther-
modynamisch nicht stabil ist
und unter Ligandendissozia-
tion in die 5crdHS Form über-
führt wird. Liegt die relative
Gleichgewichtskonzentration
der 6crdLS Form unter 10%,
ist sie in diesen Experimenten
nicht mehr nachweisbar. Auch
bei den Resonanz-Raman-
Abb. 4.34: Potentialabhängige SERR-Spektren von MOP-C
IV. ERGEBNISSE 107
Untersuchungen war allerdings keine 6crdLS-Form gefunden worden, was auf eine
intrinsische Instabilität des bis-His-ligandierten reduzierten MOP-C und nicht auf eine
adsorptionsabhängige Destabilisierung hinweist.
Unter diesen Annahmen läßt sich ein Gleichgewichtssystem formulieren, das aus
mindestens sechs verschiedenen Komponenten bestehen muß (Abb. 4.35). Angenommene
Reaktionspartner und Gleichgewichte sind mit Fragezeichen bzw. gepunkteten
Reaktionspfeilen gekennzeichnet.
Eine Nernst-Auftragung für den 5crdHS/5coxHS-Übergang liefert ein Redoxpotential E0 =
-0.30 ± 0.02 V und z = 0.8 (Abb. 4.36). Diese Ergebnisse unterscheiden sich leicht von
denen der Elektrochemie (E0 = -0.35 V, zapp = 0.6 (CV); E0 = -0.36 V (DPV)), auch wenn man
davon ausgeht, daß die Fehler der Meßgrößen in etwa so groß sind wie bei der SERR-
Untersuchung.
Abb. 4.35: Bestandteile von MOP-C in Abhängigkeit vom Potential (links)
Postuliertes Reaktionssystem (rechts)
6coxLSET
6crdLS
5crdHS5coxHSET
?
6coxLSb
ET
6crdLSb?
Abb. 4.36:
Nernst-Auftragung des 5crdHS/
5coxHS-Überganges bei MOP-C
IV. ERGEBNISSE108
3.5 Das Protein MOP-F
Für die Untersuchungen an MOP-F mußte zunächst eine geeignete Monoschicht zur Immo-
bilisierung gefunden werden, da im Prinzip zwei verschiedene Mechanismen zur Verfügung
stehen (Kap. III C.2.2.3): die Immobilisierung über rein hydrophobe Wechselwirkungen
(C12F-SAM) oder über eine Kombination von elektrostatischen und hydrophoben Kräften
(C3- oder C11-SAM).
Offenbar führt die Immobilisierung auf einer hydrophoben Monoschicht aus
Dodecylmercaptan jedoch zu einer fast vollständigen Denaturierung von MOP-F (Abb. 4.37,
rechts). Während auf der C3-SAM im oxidierten Zustand die "native" bis-Histidin-Ligandie-
rung des Häms mit RR-Banden bei 1374 cm-1 (ν4) und 1504 cm-1 (ν3) erhalten bleibt, geht
das Häm bei der Immobilisierung auf C12F in eine fünffach koordinierte high spin Form mit
einer intensiven ν3-Bande bei ca. 1490 cm-1 über. Das ν3/ν4-Intensitätsverhältnis liegt bei 0.8
und damit zwischen den Werten für die 5coxHS-Spezies von MOP-C und adsorbiertem Hä-
min. Möglicherweise treten im Spektrum auch hier verschiedene Komponenten auf.
Im reduzierten Zustand kommt es auf der C12F-SAM offenbar zu einer Zerstörung des
Häms, da die ν4-Bande stark verbreitert ist und wahrscheinlich durch Überlappung mehrerer
Banden zustande kommt.
Auch bei der Immobilisierung auf C3 verringert sich die Intensität der SERR-Spektren unter
reduzierenden Bedingungen deutlich, die Stabilität des adsorbierten Proteins war bei weitem
nicht so hoch wie bei den anderen de novo Proteinen. Trotzdem kommt es offenbar nicht zur
Bildung weiterer Komponenten wie auf der C12F-Monoschicht.
Die in Abb. 4.37 dargestellten Spektren wurden in 10 mM Kaliumphosphatpuffer bei pH 7.0
(12.5 mM K2SO4) mit einer Akkumulationszeit von 60 s (C3) bzw. 300 s (C12F) aufgenom-
men.
IV. ERGEBNISSE 109
Das Spektrum von MOP-F bei -0.4 V (C3) ähnelt stark dem von MOP-P3 bei -0.55 V (Abb.
4.33), dessen Redoxpotential für den LS/LS-Übergang zu -0.43 V bestimmt wurde (Abb.
4.32). Das entsprechende Redoxpotential von MOP-F liegt offensichtlich noch etwas höher,
was auf eine größere Hydrophobizität der Hämbindetasche hindeutet. Dies ist im Zusam-
menhang mit der Frage nach dem Immobilisierungsmechanismus interessant, da mit den
hier zur Verfügung stehenden Mitteln nicht geklärt werden konnte, ob der Fettsäurerest von
MOP-F in die SAM eindringt und so
einen hydrophoben Anteil an der
Adsorptionsenthalpie liefert, oder ob
er in der Proteinstruktur selbst
verbleibt. Das höhere Redoxpoten-
tial von MOP-F im Vergleich zu
MOP-P3 deutet möglicherweise dar-
auf hin, daß letzteres der Fall ist,
zumal die Sequenzen der beiden
Proteinen außerhalb der Bindungs-
domäne weitestgehend gleich sind.
Gleichzeitig ist die Länge der C3-
SAM im Vergleich zum Fettsäurerest
relativ gering.
Abb. 4.37: SERR-Spektren von MOP-F auf C3- und C12F-SAM
Abb. 4.38: Vergleich der SERR-Spektren von MOP-F,
MOP-P3 und adsorbiertem Hämin
IV. ERGEBNISSE110
Das SERR-Spektrum von adsorbiertem Hämin zeigt, daß es sich bei den Spektren von
MOP-F und MOP-P3 nicht etwa um ausgefallenes, nicht-ligandiertes Hämin handelt (Abb.
4.38). Abgesehen von einer leichten Verschiebung der ν4-Bande liegen zwischen 1450 cm-1
und 1500 cm-1 deutlich andere Intensitätsverhältnisse vor.
Ein anderes Bild bezüglich des Redoxpotentials von MOP-F ergibt sich bei der Immobilisie-
rung des Proteins auf einer C11-Monoschicht (Abb. 4.39). Während das SERR-Spektrum
des Proteins im oxidierten Zustand (0 V) weitgehend mit dem auf der C3-Schicht überein-
stimmt101, zeigen sich bei -0.4 V signifikante Unterschiede.
Da die Ergebnisse unabhängig von der Verweildauer beim Potential waren (t > 3 min), kann
ausgeschlossen werden, daß der geringere Anteil an reduziertem Protein auf C11F aus einer
unvollständigen Gleichgewichtseinstellung resultiert. Offenbar hat MOP-F auf C11 ein
deutlich niedrigeres Redoxpotential als auf C3. Geht man davon aus, daß das hohe
Redoxpotential im letzteren Fall auf die Wechselwirkung mit dem im Protein eingebauten
Fettsäurerest zurückgeht, dann kann man den Befund von der C11-Monoschicht auch so
deuten, daß auf der dickeren C11-Schicht dieser Fettsäurerest in die SAM eingebaut wird.
Dadurch würde die Hämtasche an Hydrophobizität verlieren und das Redoxpotential sinken.
101 Die Subtraktion der Spektren der C3- u. der C11-Monoschicht bei 0 V zeigt, daß zu einem geringen
Anteil auch eine fünffach koordinierte high spin Spezies vorkommt: ν4 = 1368 cm-1, ν3 = 1490 cm-1.
Abb. 4.39: SERR-Spektren von MOP-F auf einer C3- und einer C11-SAM
(schwarz bzw. rot) bei verschiedenen Potentialen E
IV. ERGEBNISSE 111
Diese Hypothese ist allerdings nicht die einzig mögliche Erklärung für die Ergebnisse der
SERR-Untersuchungen. Dazu müßte gezeigt werden, daß auf beiden Monoschichten exakt
die gleichen Spezies vorliegen. Dies wäre nur mit qualitativ hochwertigen SERR-Spektren
möglich.
Diese Voraussetzung besteht auch für die Überprüfung des Adsorptionsmechanismus mit
HIlfe von SERR-Spektroskopie. Mit zunehmender Ionenstärke des Meßpuffers werden
elektrostatische Wechselwirkungen geschwächt und hydrophobe gestärkt, so daß über die
Veränderung der Oberflächenkonzentration in Abhängigkeit von der Ionenstärke geklärt
werden kann, welche Wechselwirkungen für die Immobilisierung des Proteins verantwortlich
sind.
IV. ERGEBNISSE112
C. Messung der Elektronentransferkinetik an MOP-C: TR SERRS
Der Redoxübergang von MOP-C bei ca. -0.300 V eignet sich im Prinzip sehr gut für eine
Untersuchung der Elektronentransferkinetik, da das Redoxpotential im Stabilitätsbereich der
Monoschicht liegt.
Leider war die Stabilität des Proteins unter den Bedingungen der zeitaufgelösten Messungen
deutlich geringer als bei den stationären Experimenten, vermutlich aufgrund der vielen Oxi-
dations- und Reduktionszyklen während der Datenerfassung. Um Veränderungen in der
Oberflächenzusammensetzung berücksichtigen zu können, wurden vor und nach jeder zeit-
aufgelösten Messung die stationären Spektren beim Start- und Endpotential gemessen. Die
mittlere Zusammensetzung dieser Spektrenpaare diente als Bezugspunkt für die zeitaufge-
lösten Messungen.
Abbildung 4.40 zeigt ein Beispiel für
einen solchen Spektrensatz. Die
beiden stationären Spektren beim
Startpotential Ei = -0.200 V und dem
Endpotential Ef = E0HS/HS wurden mit
einer Akkumulationszeit von 20 s
aufgenommen (schwarz und rot).
Das zeitaufgelöste Spektrum (blau)
ist die Summe aus fünf Einzelspek-
tren mit einer effektiven Gesamt-
akkumulationszeit von 5 s (Verzöge-
rungszeit δ' = 0.525 s).
Alle drei Spektren wurden bezüglich
der ν3-Bande der 5coxHS-Spezies
bei 1490 cm-1 normalisiert, um die Vergleichbarkeit der Spektren zu verbessern. Als
Meßpuffer diente in allen Fällen 10 mM Kaliumphosphatpuffer bei pH 7.0 (12.5 mM K2SO4),
die Laserleistung an der Probe betrug 44 mW.
Die relative Intensität nimmt im Bereich von 1470 cm-1 deutlich zu, was auf die Bildung einer
5crdHS-Spezies hindeutet (Abb. 4.40). Einen genauen Aufschluß über die zeitliche Entwick-
lung der Konzentrationsverläufe gibt jedoch erst die Komponentenanalyse von Spektren bei
verschiedenen Verzögerungszeiten δ' (Abb. 4.41).
Abb. 4.40: TR SERR-Spektrum von MOP-C
IV. ERGEBNISSE 113
Die detaillierte Auswertung der Meßdaten ergibt, daß nicht etwa die oxidierte fünffach koor-
dinierte high spin Spezies zuerst reduziert wird, sondern die sechsfach koordinierte low spin
Komponente. Dies ist überraschend, da deren Redoxpotential nach den Ergebnissen der
stationären SERR-Messungen etwa 50 mV niedriger liegt und deshalb auch die Triebkraft
der Reduktion am Potential E0HS/HS kleiner sein sollte. Dagegen kann der Anteil der 5coxHS-
Komponente im Rahmen der Meßgenauigkeit als konstant angesehen werden. Vermutlich
kommt es erst außerhalb des vermessenen Zeitfensters zur Reduktion dieser Spezies.
Dieses Resultat könnte erklären, warum in den elektrochemischen Untersuchungen an
MOP-C ein etwas negativeres Redoxpotential gemessen wurde (E0CV = -0.35 V). Es ist denk-
bar, daß das elektrochemische Signal dort zumindest zum Teil auf die 6coxLS-Spezies zu-
rückgeht.
Eine Überlappung von mehreren Redoxprozessen könnte ferner eine Erklärung für das nicht-
ideale Verhalten bei der elektrochemischen Bestimmung der ET-Kinetik liefern102, da ein
Überlagern von mehreren Signalen die tatsächliche Signalaufspaltung verdecken kann.
Die Berechnung der Geschwindigkeitskonstante ist auf der Basis der vorliegenden Daten
jedoch nur sehr schwer möglich, da zum einen noch zu wenig Daten über den vollständigen
Verlauf der Elektronentransferreaktion vorliegen und zum anderen das tatsächliche
Reaktionssystem deutlich mehr als drei Reaktionspartner enthält (Abb. 4.35).
Trotzdem läßt sich die Geschwindigkeit des Vorganges abschätzen. Mit Hilfe der monoex-
ponentiellen Regressionskurven in Abbildung 4.41 berechnet sich die Halbwertszeit τ1/2 der
Reaktion zu 0.05 s, was einer effektiven Geschwindigkeitskonstante erster Ordnung von ca.
13 s-1 entspricht. Dieser Wert ist etwa um den Faktor 100 größer als die Geschwin-
102 Der Achsenabschnitt in der Auftragung m vs. 1/ν ist deutlich von null verschieden.
Abb. 4.41:
Konzentration-Zeit-Verlauf der
Reduktion von MOP-C
IV. ERGEBNISSE114
digkeitskonstante, die durch cyclovoltammetrische Messungen bestimmt wurde. Aufgrund
der Existenz mehrerer Redoxprozesse im untersuchten Potentialbereich resultiert die
Veränderung des elektrochemischen Signals mit der Vorschubgeschwindigkeit aus einer
Überlagerung von mehreren Effekten, so daß die individuellen Geschwindigkeitskonstanten
auf diesem Weg nicht bestimmt werden können.
IV. ERGEBNISSE 115
D. in situ Rastertunnelmikroskopie an MOP-C und MOP-P3
Die Rastertunnelmikroskopischen Untersuchungen an MOP-C und MOP-P3 fanden aus-
schließlich im Arbeitskreis von Prof. Ulstrup (DTU, Lyngby/ Kopenhagen) statt.
1. Das Protein MOP-C
Mit den zwei bestcharakterisierten de novo Proteinen MOP-C und MOP-P3 wurden in Ergän-
zung zu den elektrochemischen und spektroskopischen Untersuchungen auch in situ STM-
Experimente durchgeführt. Die Schwierigkeit bei dieser Methode besteht jedoch im allge-
meinen darin, die abgebildeten Objekte eindeutig zu identifizieren, da als direkte Information
lediglich die horizontale und - mit Einschränkungen - die vertikale Ausdehnung zur Verfü-
gung stehen. Deshalb müssen die Ergebnisse aus in situ STM-Untersuchungen in der Regel
mit komplementären experimentellen Methoden ergänzt werden, die das Verhalten des
Proteins auf der Oberfläche charakterisieren.
Im Rahmen dieser Arbeit dienten dazu sowohl elektrochemische Experimente als auch
SERR-Spektroskopie, so daß die Effektivität der Proteinimmobilisierung und der Stabilittäts-
bereich der Probe mit verschiedenen experimentellen Ansätzen überprüft werden konnten
(Kap. IV B). Die in situ STM-Experimente wurden unter den exakt gleichen Bedingungen wie
die elektrochemischen Versuche durchgeführt, was die Verwendung des Meßpuffers, die
Probenpräparation und die angelegten Potentiale betrifft.
Die Bilder in Abbildung 4.42 wurden mit einem Rasterscope3000-Mikroskop (DME) aufge-
nommen. Der weiße Pfeil deutet auf einen Referenzpunkt und dient zur Orientierung. An der
Änderung seiner relativen Position auf den Bildern erkennt man einen leichten Drift, alle Bil-
der sind in der dargestellten Reihenfolge unmittelbar nacheinander gemessen worden.
Bild 5 zeigt einen Überblick über einen anderen Bereich der Elektrodenoberfläche. Bei allen
STM Experimenten diente Platin als Referenzelektrode: E(Pt, pH 7.0) = +0.480 ± 0.05 V (vs.
SHE).
Zeichenerklärung:
Es = Potential der Au(111)-Elektrode (Arbeitselektrode)
Et = Potential der STM-Spitze (Pt/Ir 80/20 oder W)
Iset = Meßstrom
IV. ERGEBNISSE116
Bild 1-4:
Es = -0.450 V, Et = -0.250 V, Iset = 0.45 nA
Bild 5:
Es = -0.450 V, Et = -0.250 V, Iset = 0.40 nA
Abb. 4.42:
in situ STM-Aufnahmen von holo MOP-C
auf Au(111), STM-Spitze: Pt/Ir 80/20
IV. ERGEBNISSE 117
Auf den Bildern 1-4 ist der sog. „tip“-Effekt zu sehen, den es in STM-Experimenten
normalerweise zu vermeiden gilt. Dabei nimmt die Meßspitze sichtbaren Einfluß auf die
Oberflächenstruktur der Probe, zum Beispiel aufgrund eines zu geringen Abstandes
zwischen Spitze und Oberfläche. Ein größerer Abstand war mit dem verwendeten Gerät aus
technischen Gründen jedoch nicht möglich. Die Folge von unmittelbar nacheinander
aufgenommen Bildern zeigt, daß es sich bei den abgebildeten Strukturen um recht große
bzw. hohe Objekte handeln muß, die außerdem unter den vorherrschenden
Meßbedingungen eine erhöhte Mobilität zeigen. Bestünden die Strukturen aus Gold, wäre
eine so große Mobilität unter den vorherrschenden Bedingungen nicht zu erwarten. Die
darunterliegenden Strukturen zeigen keine Veränderungen.
Ferner ist die Oberflächenbedeckung groß, was in Antracht der thiolbasierten Immobilisati-
onsstrategie auch zu erwarten war.
Wie in Bild 5 zu sehen ist, wurde die Änderung der Oberflächenstruktur auf den Bildern 1-4
tatsächlich durch die Spitze induziert und nicht etwa durch das angelegte Potential.
Das PicoSPM-Gerät (Molecular Imaging) ermöglicht die Aufnahme von STM-Bildern bei ei-
nem niedrigeren Meßstrom, so daß der Abstand zwischen Spitze und Oberfläche vergrößert
und damit die Wahrscheinlichkeit von spitzeninduzierten Veränderungen der Probenstruktur
vermindert wird. Unter geeigneten Bedingungen konnten so Bildfolgen aufgenommen wer-
den, die, abgesehen von Drifteffekten, identische Bilder lieferten.
Auf diese Weise konnte gezeigt werden, daß (apo) MOP-C unter bestimmten Bedingungen
lokal geordnete Strukturen bilden kann, wie in Abbildung 4.43 gut zu sehen ist. Leider konn-
ten keine Bedingungen gefunden werden, unter denen diese Ordnung auf größere Bereiche
der Oberfläche ausgedehnt war.
Auch bei dem Experiment mit dem PicoSPM-Gerät ist der Bedeckungsgrad hoch (Bild 1).
Die reihenartige Anordnung der Oberflächenstrukturen zeigt sich besonders in den
vergrößerten Aufnahmen des rechten oberen Bereiches von Bild 1 (Bild 2 und 3). In dem
vergrößerten Ausschnitt von Bild 3 erkennt man besonders gut die kreisförmige Ausdehnung
der meisten Objekte. Nicht kreisförmige Strukturen stellen möglicherweise Aggregate dar
("zoom" unten rechts).
Gelfiltrationsexperimente mit (apo) MOP-C haben gezeigt, daß es in geringem Maße zur
Dimerisierung des Proteins in Lösung kommt (~ 10%), was in Anbetracht der Aminosäurese-
quenz, die zwei Cysteine enthält, nicht ganz überraschend ist.
IV. ERGEBNISSE118
Das mit dem Pfeil gekennzeichnete, isoliert stehende Objekt bietet sich trotz der eher gerin-
gen Qualität der Aufnahme zu einer detaillierteren Analyse an. Ein vertikaler Schnitt liefert
das Profil der Struktur, das mit Hilfe einer Gaußschen Kurve mit guter Näherung angepaßt
werden kann (Abb. 4.44).
Abb. 4.43: in situ STM-Aufnahmen von apo MOP-C auf Au(111), STM-Spitze: W
Bild 1-3: Es = -0.700 V, Et = -0.480 V, Iset = 0.2 nA
IV. ERGEBNISSE 119
Die Halbwertsbreite der Kurve beträgt 3.9
nm (FWHM), der Mittelwert aus diesem
und der Halbwertsbreite des horizontalen
Schnittes (nicht dargestellt) liegt bei 4.0
nm. Dies ist nur etwas größer als der
Wert, der sich bei einem Computermodell
von MOP-C ergeben hatte (INSIGHT
2000). Dort war eine Kantenlänge der
Basis des Vier-Helix-Bündels von ca. 2.5
nm bestimmt worden. Die Länge der
Diagonalen beträgt damit unter der
Annahme einer quadratischen Grund-
fläche etwa 3.5 nm.
Die Angaben haben allerdings nur ungefähren Charakter, da die Bestimmung der Abmes-
sungen einige willkürliche Annahmen beinhaltet. Definiert man den Durchmesser zum Bei-
spiel als den Abstand, in dem das Höhenprofil auf beiden Seiten des Objektes wieder auf
den Umgebungswert abfällt, dann ergeben sich deutlich andere Werte für die Größe der
Oberflächenstrukturen. Diese Methode würde allerdings nicht berücksichtigen, daß die STM-
Spitze das Objekt auf der Oberfläche nicht etwa „ausschneidet", sondern eher mit einer Art
Umhüllenden beschreibt. Allein dadurch werden scheinbar größere Dimensionen gemessen.
Auch die nicht zu klärende Frage nach dem Elektronentransferweg des Tunnelstroms trägt
zur Unsicherheit der Größenbestimmung bei. Ist nur das Amidgerüst und nicht auch die
Seitenketten beteiligt, bildet STM nur einen kleineren Teil des Proteins ab.
Um die Größe der abgebildeten Objekte auf einer statistischen Basis zu ermitteln, wurde der
Durchmesser der Strukturen 1-18 in Abbildung 4.45 durch einen vertikalen und einen hori-
zontalen Schnitt bestimmt und gemittelt (FWHM). Die Vermessung erfolgte mit dem Pro-
gramm SPIP (Image Metrology ApS). Randobjekte wurden dabei nicht in die Berechnung
einbezogen.
Abb. 4.44: Profil eines Oberflächenobjektes
IV. ERGEBNISSE120
Für die 18 Objekte ergaben sich
Mittelwerte für die Durchmesser
von 2.9 nm (horizontal) und 4.0
nm (vertikal) mit Standardabwei-
chungen von je 17%. Der mittlere
Durchmesser beträgt damit 3.4 nm
und stimmt gut mit dem geo-
metrischen Durchmesser des
MOP-C-Modells und der Halb-
wertsbreite im Profil des Ein-
zelobjektes überein (Abb. 4.44).
Auffällig ist die leichte Elliptizität
der Objekte. Das Verhältnis zwi-
schen Horizontal- und Vertikal-
durchmesser beträgt 0.7 bei einer
Standardabweichung von 13%.
Ein "tip effect" kann auch hier nicht
ausgeschlossen werden, obwohl mehrere aufeinanderfolgende Bilder keine Veränderung in
der Oberflächenstruktur zeigten. Möglicherweise steht MOP-C nicht senkrecht zur
Oberfläche, was in der Projektion ebenfalls einen elliptischen Querschnitt erzeugen würde.
Letztlich könnte ein leichter Drift diesen Effekt hervorrufen und wie ein Vergleich der vorher-
gehenden und nachfolgenden Bilder von Abbildung 4.45 zeigt, beträgt der Drift in diesem
Fall tatsächlich 20 - 40 Å pro Bild in vertikaler Richtung.
Da die Strukturen jedoch die gleiche Größe aufweisen wie in Abbildung 4.43, handelt es sich
höchstwahrscheinlich auch hier nicht um Goldinseln, sondern tatsächlich um das Protein
MOP-C.
Abb. 4.45: Stat. Größenbestimmung an holo MOP-C
IV. ERGEBNISSE 121
2. Das Protein MOP-P3
Die Untersuchung von MOP-P3 mit Hilfe von in situ STM wird im Vergleich zu MOP-C da-
durch verkompliziert, daß dieses Protein nicht kovalent, sondern durch elektrostatische
Wechselwirkungen an die Elektrode gebunden wird. Zwar sind Untersuchungen an elek-
trostatisch immobilisierten Proteinen durchaus möglich, doch sollte wie beim Cytochrom c
ein deutlicher Ladungsüberschuß auf der Proteinoberfläche vorhanden sein103. Dies ist beim
MOP-P3 nur eingeschränkt der Fall und demzufolge ist die Bindung zwischen Protein und
modifizierter Oberfläche höchstwahrscheinlich schwach (vgl. dazu den geringen Bedek-
kungsgrad, Kap. B.2.3).
103 J. E. T. Andersen et al., Surface Science 325, 193-205 (1995)
Bild 1: (Bild 2: Vergrößerung aus Bild 1)
Es = -0.500 V, Et = -0.700 V, Iset = 0.5 nA
Bild 3:
Es = -0.450 V, Et = -0.550 V, Iset = 0.5 nA
Abb. 4.46: in situ STM-Bilder von
3-Mercaptopropionsäure (C3)
und MOP-P3 auf Au(111)
IV. ERGEBNISSE122
Abbildung 4.46 zeigt in situ STM-Aufnahmen einer C3-Monoschicht vor und nach der Zu-
gabe von MOP-P3 (c ≈ 0.1 µM). In Bild 1 und im vergrößerten Ausschnitt (Bild 2) sind ver-
schiedene Domänen der SAM zu sehen, die in etwa in einem Winkel von 115° zueinander
stehen, sowie eine Goldterrasse und Regionen lokaler Unordnung. Der Abstand der Linien in
den Domänen beträgt je nach Orientierung der Domäne 19 bzw. 24 Å. Diese Werte liegen in
einem für C3-Monoschichten typischen Bereich104, obwohl die Variation des Abstandes in
Abhängigkeit von der Domänenorientierung auf einen leichten Drift in den Aufnahmen
hindeutet. Aufgrunddessen und wegen der mangelnden Auflösung sind die Aufnahmen nicht
geeignet, die Struktur der C3-SAM im Detail zu untersuchen.
Nach der Zugabe von holo MOP-P3 bilden sich auf der Oberfläche Strukturen aus, wie sie in
Bild 3 zu sehen sind. Ihr Durchmesser ist im Mittel deutlich größer als der von MOP-C (> 50
Å) und zudem sind die abgebildeten Objekte unter den Meßbedingungen recht mobil (nicht
dargestellt). Lediglich die mit dem weißen Pfeil gekennzeichneten Objekte weisen die Größe
auf, wie sie laut dem Computermodell von MOP-P3 zu erwarten wären. Der Anteil der unre-
gelmäßig geformten Strukturen nimmt mit zunehmender Meßzeit in einem Oberflächenbe-
reich deutlich zu. Sollte es sich bei den abgebildeten Strukturen um MOP-P3 handeln, dann
könnten diese Strukturen möglicherweise Aggregaten von mehreren Proteinen entsprechen.
Auf der Basis der vorliegenden Daten kann dies jedoch nicht entschieden werden.
104 N. J. Tao et al., J. Electroanal. Chem. 465, 72-79 (1999); für hochauflösende Bilder: T. Sawaguchi,
Phys. Chem. Chem. Phys., 3, 3399-3404 (2001)
Abb. 4.47: in situ STM-Bilder von MOP-P3 (?), aufeinanderfolgende Aufnahmen
Bild 1: Es = -0.450 V, Et = -0.550 V, Iset = 0.6 nA; Bild 2+3: Iset = 0.5 nA
IV. ERGEBNISSE 123
Auffällig ist das paarweise Auftreten von Oberflächenobjekten, das vor allem in Bild 1 (Abb.
4.47) zu sehen ist. Dieser Effekt könnte durch eine defekte STM-Spitze entstehen, doch
dann müßten alle Strukturen doppelt abgebildet werden.
Der Abstand zwischen hellerem und dunklerem Objekt beträgt bei den kleineren, nicht-ag-
gregierten Objekten etwa 5 nm. Diese Länge entspricht ungefähr der geometrischen Höhe
des Computermodells von MOP-P3.
Dennoch läßt sich auf der Basis der vorhandenen Daten nicht entscheiden, ob es sich bei
den abgebildeten Objekten tatsächlich um MOP-P3 handelt. Um dies zu entscheiden, müßte
die Qualität der Aufnahmen deutlich erhöht werden.
IV. ERGEBNISSE124
E. Charakterisierung von Cytochrom b562 in Lösung
Die Proben von Cytochrom b562 Wildtyp (WT) und der Mutante R98C wurden von P. D.
Barker, Cambridge University, zur Verfügung gestellt und ohne weitere Aufreinigung
verwendet.
1. UV-vis-Spektroskopie
Die Charakterisierung von Cytochrom b562 in Lösung erfolgte mittels UV-vis- und RR-Spek-
troskopie und ergab eine hohe Übereinstimmung mit bereits publizierten Daten zu diesem
Protein105 (Tab. 4.14).
Cyt b562 WT Cyt b562 R98C
oxidiert, λmax [nm] reduziert, λmax [nm] oxidiert, λmax [nm] reduziert, λmax [nm]
418 (418) 427 (426.5) 416 (415.5) 422 (421.5)
531 (531) 531 (531) 529 (529.5) 528 (527.5)
562 (k. A.) 561 (561.5) 557 (k. A.) 557 (556)
Tab. 4.14: UV-vis-Absorptionen von Cytochrom b562, Literaturangaben in Klammern
Die Reduktion des Proteins erfolgte mit einigen Körnchen Natriumdithionit in 10 mM Kalium-
phosphatpuffer pH 7.0 (12.5 mM K2SO4).
Zwar wurden die Extinktionskoeffizienten für die vorliegenden Proben nicht bestimmt, doch
auch die relativen Verhältnisse der Extinktionskoeffizienten stimmten weitgehend mit den
Literaturdaten überein105.
Lediglich für die reduzierte Form von R98C ergeben sich Abweichungen in der relativen In-
tensität der Soret-Bande: 7.0:1.0:1.6 zu 9.9:1.0:1.528 (ε(Soret)/ε(β)/ε(α)).
Der Grund für diese Abweichung ist unbekannt. Beim WT von Cyt b562 tritt dieser Effekt
nicht auf.
105 P. D. Barker et al., Biochem. 34 (46), 15191, 1995; P. A. Bullock , Y. P. Myer, Biochem. 17 (15),
3078, 1978; Y. P. Myer, P. A. Bullock, Biochem. 17 (18), 3723, 1978
IV. ERGEBNISSE 125
WT
R98C
Abb. 4.48: UV-vis-Spektren von Cyt b562
IV. ERGEBNISSE126
2. Resonanz-Raman-Spektroskopie
Alle dargestellten Spektren wurden mit einer Anregungswellenlänge von 413 nm und einer
Laserleistung an der Probe von 60 mW erhalten. Drei Spektren mit je 20 s Akkumulationszeit
wurden summiert und die resultierenden Gesamtspektren mit Lorentz-Profilen angepaßt
(Abb. 4.49, Tab. 4.15 und 4.16).
Bande oxidiert, exp. Lit.28 Bande reduziert, exp. Lit.28
ν4 1370 (1.00) 1370 ν4 1360 (1.00) 1362
ν3 1504 (0.09) 1507 ν3 1491 (0.04) 1493
ν2 1580 (0.18) 1588 ν2 1582 (0.15) 1586
νC=C 1621 (0.16) k. A. νC=C/ν10 1617 (0.09) 1621
ν10 1639 (0.06) 1639
Bande oxidiert, exp. Bande reduziert, exp.
ν4 1370 (1.00) ν4 1361 (1.00)
ν3 1504 (0.12) ν3 1492 (0.05)
ν2 1581 (0.27) ν2 1586 (0.15)
νC=C 1621 (0.11) νC=C/ν10 1618 (0.06)
ν10 1640 (0.07)
Die einzig signifikante Abweichung zwischen den Daten aus dieser Arbeit und den Literatur-
angaben treten bei der ν2-Bande der oxidierten Form des WT auf, im allgemeinen sind die
Übereinstimmungen jedoch gut. SERR-Spektren der Mutante R98C wurden erstmals in die-
ser Arbeit gemessen.
Tab. 4.15: Position und relative Intensitäten der wichtigsten RR-Banden von Cyt b562 WT
Tab. 4.16: Position und relative Intensitäten der wichtigsten RR-Banden von Cyt b562 R98C
IV. ERGEBNISSE 127
Die RR-Spektren des Wildtyps und der Mutante sind typisch für Hämproteine mit His/Met-
Koordinierung106.
Interessant ist ferner ein Vergleich zwischen den Spektren des Wildtyps und der Mutante
R98C (oxidierte Form, 1 und 3), da sich an der RR-Intensität der Vinyl-Streckschwingung der
wichtigste strukturelle Unterschied zwischen den beiden Proteinen ablesen läßt: die
Verknüpfung zwischen Hämgruppe und Proteingerüst über eine Vinylgruppe des
Porphyrinrings. Die Hämgruppe von R98C enthält nur noch eine von zwei Vinylgruppen, so
daß sich die Intensität der Vinylbande im Vergleich zum Spektrum des Wildtyps
näherungsweise halbieren sollte.
Tatsächlich ist das Intensitätsverhältnis R98C/WT der νC=C-Banden gleich 0.6, was
tatsächlich näherungsweise beobachtet wird.
106 T. G, Spiro, X.-Y. Li, "Resonance Raman spectroscopy of metalloporphyrins" In: Biological
Applications of Raman Spectroscopy. T. G. Spiro, ed. (Wiley, 1988)
Abb. 4.49: RR-Spektren von Cyt b562 WT und R98C
IV. ERGEBNISSE128
F. Charakterisierung von Cytochrom b562 WT und R98C an der Elektrode
1. Die Immobilisierung von Cytochrom b562
Zur Immobilisierung von Cytochrom b562 wurden ausschließlich aminoterminierte Mono-
schichten verwendet, da nur auf Monoschichten mit positiv geladenen Kopfgruppen eine
hohe Oberflächenkonzentration des Proteins unter Beibehaltung der nativen Struktur erzielt
werden konnte. Alle in diesem Kapitel F dargestellten Versuche wurden in 10 mM Kalium-
phosphatpuffer bei pH 7.0 (12.5 mM K2SO4) durchgeführt. Für die Messungen in D2O wurde
der apparente pH-Wert der in H2O kalibrierten pH-Elektrode um 0.46 korrigiert107.
Die Art der Adsorption von Cyt b562 R98C kann anhand der SERR-Spektren bei 0 V
dokumentiert werden (Abb. 4.50). Die Intensität des Spektrums auf der aminoterminierten
SAM ist signifikant höher als bei den anderen Monoschichten. Außerdem bleibt nur dort die
sechsfach koordinierte oxidierte low spin Form des Proteins erhalten, wie besonders der
Vergrößerung des Spektrums im ν3-Bereich zu entnehmen ist. Auf der hydrophoben C5F-
SAM tritt neben der sechsfach koordinierten low spin Form auch noch eine nicht-native fünf-
fach koordinierte high spin Komponente auf (vide infra).
107 F. G. K. Baucke, J. Phys. Chem. B 102 (24): 4835-4841 (1998)
Abb. 4.50: SERR-Spektren von Cyt b562 R98C auf ver-
schiedenen Monoschichten bei einem Potential von 0 V
IV. ERGEBNISSE 129
Das Adsorptionsverhalten des Proteins zeigt außerdem eine interessante Anomalie, wenn
man die Oberflächenkonzentrationen auf aminoterminierten Monoschichten verschiedener
Länge vergleicht.
Unter der Annahme, daß die Eigenschaften der SAM, wie zum Beispiel der Protonierungs-
grad der Kopfgruppen, unabhängig von der Kettenlänge sind, müßte die Intensität der
SERR-Spektren mit zunehmender Kettenlänge abnehmen, da der Oberflächenverstärkungs-
effekt der Metalloberfläche immer geringer wird.
Dieser Effekt tritt jedoch erst bei Kettenlängen größer als sechs auf. Die Spektrenintensität
auf der A-C6-SAM lag dagegen deutlich höher als auf der A-C2-Monoschicht, was vermutlich
mit einer höheren (positiven) Ladungsdichte auf der SAM zu tun hat.
SERR-spektroskopische Untersuchungen an A-C2-Monoschichten haben gezeigt, daß die
Struktur der SAM nur eine geringe Ordnung aufweist und daß auch der Amino-Stickstoff
direkt an die Silberoberfläche binden kann (Kap III C.2.2.4). Dadurch wird die Ladungsdichte
auf der SAM und folglich auch die Oberflächenkonzentration des Proteins verringert.
Wahrscheinlich sind die längeren Aminoalkylthiole auf der Metalloberfläche stärker geordnet
und die Adsorption des Amino-Stickstoffs zurückgedrängt, so daß damit mehr kationische
Bindungsstellen für das Protein zur Verfügung stehen.
Erst bei den längeren Monoschichten A-C6, A-C8 und A-C11 zeigt sich eine exponentielle
Abnahme der Spektrenintensität mit der Kettenlänge der SAM (Abb. 4.51, Cyt b562 WT), die
auf die Abstandsabhängigkeit der SER-Verstärkung zurückzuführen ist.
Aufgetragen ist die relative Oberflächenkonzentration an Cyt b562 WT als Summe aller
Gruppen der Komponentenanalyse unter Berücksichtigung der Streuquerschnitte bei einem
Potential von +0.1 V. Die Laserleistung an der Probe betrug 60 mW bei einer Akkumula-
tionszeit von 20 s. Zur Konzentrationsbestimmung diente die dritte oder vierte Messung der
Meßreihe, um Äquilibrierungseinflüsse auf die Konzentrationsbestimmung auszuschließen.
Abb. 4.51:
SERR-Intensitäten auf verschie-
denen NH2-terminierten SAM
IV. ERGEBNISSE130
Neben dieser anomalen Abstandsabhängigkeit weist das System Cyt b562 WT/A-Cx-SAM
(x = 2, 6, 8, 11) ein deutlich potentialabhängiges Adsorptions-/Desorptionsgleichgewicht auf
(Abb. 4.52).
Mit abnehmendem Potential nahm die Intensität der SERR-Spektren stark zu. Mögliche
Erklärungen können eine Änderung des Protonierungsgrades der SAM oder eine Erhöhung
der Adsorptionsfähigkeit des Proteins einschließen.
Zum einen ist eine leichte Abnahme der Oberflächenkonzentration mit der Meßdauer zu er-
kennen, wie es generell in SER/SERR-Experimenten beobachtet wird. Zum anderen zeigt
sich der bereits angesprochene deutliche Anstieg von [b562 WT]Oberfl.,rel mit abnehmendem
Potential. Die leichte Verschiebung des Konzentrationsmaximums zum Potentialminimum
(Messung Nr. 13) deutet möglicherweise auf eine unvollständige Einstellung des
Adsorptions-/Desorptionsgleichgewichtes hin. Die Äquilibrierungszeit betrug bei allen
Messungen etwa eine Minute.
Abb. 4.52:
Relative Oberflächenkonzen-
tration von Cyt b562 WT auf
A-C6 in Abhängigkeit von der
Meßdauer (•, linke Größen-
achse) mit dem jeweils ange-
legten Potential E (Balken,
rechte Größenachse)
IV. ERGEBNISSE 131
2. Die spektralen Parameter zur Analyse von Cyt b562 WT und R98C
Die SERR-Spektren sowohl des Wildtyps als auch der Mutante R98C konnten nach der
Adsorption auf aminoterminierten Monoschichten mit Hilfe von drei Komponentenspektren
beschrieben werden. Neben den bereits mittels RR-Spektroskopie identifizierten sechsfach
koordinierten low spin Spezies 6coxLS und 6crdLS wurde noch eine weitere, fünffach
koordinierte oxidierte high spin Spezies 5coxHS gefunden, die bei Immobilisierung des
Proteins auf der unmodifizierten Silberoberfläche mit einem sehr hohen Anteil nachgewiesen
werden konnte (Spektrum nicht gezeigt). Die Bestimmung der Ligandierung dieser high spin
Komponente gestaltet sich schwierig, da die Unterschiede im untersuchten Spektralbereich
zum Teil nur minimal sind. Höchstwahrscheinlich handelt es sich aber um eine Hämgruppe
mit Histidin als fünftem Liganden, da die fünffach und die sechsfach koordinierten oxidierten
Spezies im Gleichgewicht stehen und bei Erniedrigung des Potentials in eine sechsfach
koordinierte reduzierte low spin Komponente übergehen.
Spezies νν4 / ∆ν∆ν1/2 [cm-1] Irel νν3 / ∆ν∆ν1/2 [cm-1] Irel fi
1 6coxLS 1371 / 13 1.00 1504 / 10 0.11 1.00
2 5coxHS 1370 / 11 1.00 1490 / 12 0.70 1.46
3 6crdLS 1360 / 10 1.00 1491 / 11 0.04 0.28
Tab. 4.17: Spektrale Parameter der Komponenten von Cyt b562 WT
Spezies νν4 / ∆ν∆ν1/2 [cm-1] Irel νν3 / ∆ν∆ν1/2 [cm-1] Irel fi
1 6coxLS 1372 / 14.2 1.00 1505 / 13.1 0.17 1.00
2 5coxHS 1370 / 15.7 1.00 1490 / 11.9 0.67 1.46
3 6crdLS 1360 / 11.3 1.00 1492 / 13.2 0.05 0.28
Tab. 4.18: Spektrale Parameter der Komponenten von Cyt b562 R98C
Diese Daten stimmen gut mit den RR-Daten der Proteine in Lösung überein (Kap. IV E), so
daß von einem weitgehenden Erhalt der nativen Struktur auf der Elektrodenoberfläche aus-
gegangen werden kann. Dies zeigt auch eine Überlagerung von SERR- und RR-Spektrum
im Spektralbereich von 1250 cm-1 - 1720 cm-1 für die reduzierte Form von Cyt b562 WT (Abb.
4.53).
IV. ERGEBNISSE132
Ein bemerkenswerter Unterschied zum WT ist allerdings die generell größere
Halbwertsbreite der Markerbanden bei allen Komponenten der SERR-Spektren der Mutante.
Dies deutet möglicherweise auf eine größere strukturelle Heterogenität hin.
Mit Hilfe der in den Tabellen 4.17 und 4.18 aufgeführten spektralen Parameter konnten die
Meßspektren aus allen im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Experimente an Cyt b562
WT und R98C mit hoher Genauigkeit simuliert werden. Deshalb kann davon ausgegangen
werden, daß es auf den verschiedenen Monoschichten nicht zur nennenswerten Bildung von
weiteren, hier nicht aufgeführten spektralen Komponenten kommt.
Abb. 4.53:
RR- und SERR-Spektrum von red. Cyt
b562 WT (Na2S4O6 bzw. E = -0.200 V)
IV. ERGEBNISSE 133
3. Thermodynamische Untersuchungen an Cytochrom b562
3.1 Cytochrom b562 R98C
Die thermodynamische Charakterisierung von Cyt b562 R98C bezüglich des Redoxpoten-
tials und des Nernst-Parameters z erfolgte auf A-C2-Monoschichten sowohl in H2O als auch
in D2O durch potentialabhängige SERR-Spektroskopie. Als Parameter für die Anpassung an
die Meßspektren dienten die in Tab. 4.16 aufgeführten Werte.
Bei hohen Potentialen besteht das System hauptsächlich aus einer 6coxLS-Komponente mit
geringen Anteilen einer 5coxHS-Spezies, die möglicherweise mit der sechsfach koordinierten
Form im Gleichgewicht steht (Abb. 4.54). Durch die Erniedrigung des Potentials entsteht eine
sechsfach koordinierte reduzierte low spin Spezies, die das Redoxsystem ab etwa -0.05 V
dominiert.
Interessanterweise zeigt das System einen Hystereseeffekt, da die Mengenverhältnisse zwi-
schen oxidierter und reduzierter Form vom vorhergehenden Potentialverlauf abhängen. Dies
wird im Potentialbereich bei ca. -0.05 V sichtbar und ist durch die beiden Pfeile in Abbildung
4.54 gekennzeichnet.
Bei hohem Startpotential und negativem Potentialgradienten ist der Redoxübergang bedeu-
tend steiler als wenn nach Erreichen des Minimums das Potential wieder erhöht wird (Pfeil
nach rechts unten). Die Äquilibrierungszeit für jede Einzelmessung betrug etwa eine Minute.
Abb. 4.54:
Potentialabh. Zusammensetzung
von Cyt b562 R98C (A-C2, H2O)
IV. ERGEBNISSE134
Dieser Effekt zeigt sich stärker in der Nernst-Auftragung des Übergangs (Abb. 4.55).
Offenbar ist der Elektronentransferprozeß mit einem weiteren Vorgang gekoppelt, der die
Einstellung des elektrochemischen Gleichgewichtes verlangsamt. Möglicherweise besteht
ein potentialabhängiges Adsorptions-/Desorptionsgleichgewicht, wie es bereits in Abschnitt
F.1 für Cyt b562 WT auf einer A-C6-SAM gezeigt wurde.
Da die Oberflächenkonzentration mit steigendem Potential abnimmt, muß es sich bei dem
hier auftretenden langsamen Reaktionsschritt um einen Desorptionsprozeß handeln. Wäre
dieser Vorgang deutlich langsamer als die Elektronentransferreaktion, dann hätte er keinen
Einfluß auf das Verhältnis von reduzierter und oxidierter Spezies. Er muß also im gleichen
oder ähnlichen zeitlichen Rahmen ablaufen.
Außerdem muß der Effekt stärker auf einen der beiden Redoxpartner wirken, da andernfalls
die Desorption bei beiden Komponenten gleich schnell abliefe und so ebenfalls keinen Ein-
fluß auf das vorherrschende Red/Ox-Verhältnis hätte. Da die Abweichung bezüglich der Re-
gressionsgeraden in Abbildung 4.55 einem zu kleinen Verhältnis von reduzierter zu oxidierter
Form entspricht, müßte nach dieser Interpretation die reduzierte Form schneller desorbieren
als die oxidierte, um die Ergebnisse der potentialabhängigen SERR-Untersuchungen an Cyt
b562 R98C zu erklären. Da das Häm gerade in dem Bereich des Proteins liegt, der
wahrscheinlich auch an der Adsorption des Proteins auf positiv geladene Monoschichten
beteiligt ist, erscheint ein Zusammenhang zwischen Redoxzustand der Hämgruppe und der
Adsorptionsfähigkeit des Proteins durchaus denkbar.
Abb. 4.55:
Nernst-Auftragung des LS/LS-
Überganges von Cyt b562 R98C
(O): Datenpunkt für die Regressi-
onsgerade berücksichtigt
IV. ERGEBNISSE 135
Bei einer Veränderung des Potentials in umgekehrter Richtung, also von hohen Potentialen
zu niedrigen, ergibt sich in Übereinstimmung mit den Vorhersagen der Nernst-Gleichung ein
linearer Zusammenhang zwischen Potential E und ln(RedLS/OxLS).
Man erhält ein Redoxpotential E0 = -0.033 V und einen Wert für z von 0.8 für den LS/LS-
Übergang von Cytochrom b562 R98C (R2 = 0.99). Der Fehler des Redoxpotentials läßt sich
aus der Streuung der Meßwerte zu ca. ± 0.02 V abschätzen. Damit liegt der Wert etwas nied-
riger als das Redoxpotential in Lösung, für das bei pH 7.0 ein Wert von 0.00 ± 0.01 V be-
stimmt wurde108.
Im Gegensatz dazu wurde eine Absenkung des Redoxpotentials beim Wildtyp nicht beob-
achtet. Dort liegt das Redoxpotential sogar leicht über dem Wert in Lösung (Abschnitt 3.2).
Die Wiederholung des Experimentes in D2O ergab im Rahmen der Meßgenauigkeit die glei-
chen Ergebnisse (pHapp = 7.46). Die Nernst-Auftragung lieferte ein Redoxpotential E0 von
-0.023 ± 0.01 V mit z = 0.8. Die Streuung der Meßwerte war in diesem Fall etwas geringer.
Cytochrom b562 R98C
Lsgs.mittel SAM E0 (LS ↔ LS) [V] z
H2O A-C2 -0.03 ± 0.02 0.8
D2O A-C2 -0.02 ± 0.01 0.8
Tab. 4.19: Elektrochemische Daten von Cyt b562 R98C
108 P. D. Barker, persönliche Mitteilung
IV. ERGEBNISSE136
3.2 Cytochrom b562 WT
Zur detaillierten Charakterisierung der elektrochemischen Eigenschaften von Cytochrom
b562 wurde der Wildtyp des Proteins verwendet. Dabei standen besonders systematische
Veränderungen der elektrochemischen Parameter als Funktion der Dicke der Monoschicht
und des Lösungsmittels (H2O, D2O) im Mittelpunkt.
Alle Experimente wurden in 10 mM Kaliumphosphatpuffer bei pH 7.00 ± 0.05 (12.5 mM
K2SO4) durchgeführt (T = 295 ± 1 K). Als Korrektur für den Isotopieeffekt der pH-Meßelek-
trode diente wie auch bei Cyt b562 R98C ein Wert von 0.46.
Die Ergebnisse der Experimente auf der A-C6-Monoschicht sind repräsentativ für alle
verwendeten aminoterminierten Monoschichten, was die Zusammensetzung der
Oberflächengleichgewichte betrifft. In keinem Fall traten zusätzliche Spin- oder Redoxspe-
zies auf, so daß das Reaktionsschema in Abbildung 4.56 (rechts) als Modell für alle unter-
suchten Systeme gelten kann.
Die fünffach koordinierte reduzierte high spin Spezies 5crdHS konnte nicht in nennenswerter
Konzentration nachgewiesen werden, da das Protein bei Potentialen < -0.2 V vollständig in
den sechsfach koordinierten reduzierten low spin Zustand 6crdLS übergeht. Somit liegt das
Konformationsgleichgewicht zwischen fünffach und sechsfach koordinierter Form weit auf
der Seite der 6crdLS-Komponente.
Von zentraler Bedeutung für die Untersuchung der Elektronentransfereigenschaften von Cyt
b562 WT war jedoch der Übergang zwischen den nativen low spin Komponenten 6coxLS
und 6crdLS.
6coxLSET
6crdLS
5crdHS5coxHSET ?
Abb. 4.56:
Konformations- und Redoxgleichge-
wichte von Cyt b562 WT (A-C6, H2O)
?
IV. ERGEBNISSE 137
Abbildung 4.57 zeigt eine Zusammenstellung der Nernst-Auftragungen für die vier
untersuchten Monoschichten A-C2, A-C6, A-C8 und A-C11 in H2O.
Trotz der zunehmenden Streuung der Datenpunkte bei den längeren Monoschichten
aufgrund der geringeren Signalintensität ist eine systematische Zunahme des
Redoxpotentials mit der Kettenlänge der SAM zu erkennen (Tab. 4.18).
SAM E0 ±± ∆∆E0 [mV] z
A-C2 7 ± 5 0.7
A-C6 27 ± 5 0.8
A-C8 38 ± 10 0.8
A-C11 42 ± 10 0.7
A-C2
A-C8 A-C11
A-C6
Abb. 4.57: Nernst-Auftragungen für Cyt b562 WT auf verschiedenen SAM (in H2O)
Tab. 4.20:
Elektrochemische Parameter von Cyt b562 WT (H2O)
IV. ERGEBNISSE138
Damit liegen die Redoxpotentiale deutlich über dem des Proteins in Lösung (E0Lsg = 0 mV30).
Der Nernst-Parameter z ist etwas kleiner als der Idealwert von eins, der zugehörige Fehler
∆z beträgt etwa ±0.1. Der Fehler des Redoxpotentials, ∆E0, wurde aus der Streuung der
Meßwerte im Bereich des Achsenabschnitts abgeschätzt.
Bei der Durchführung der Experimente in D2O unter sonst gleichen Bedingungen ergab sich
unerwarteterweise der umgekehrte Trend: Das Redoxpotential nimmt nach den hier erhal-
tenen Ergebnissen mit zunehmender Kettenlänge ab (Abb. 4.58).
Abb. 4.58: Nernst-Auftragungen für Cyt b562 WT auf verschiedenen SAM (in D2O)
A-C2
A-C11A-C8
A-C6
IV. ERGEBNISSE 139
SAM E0 ±± ∆∆E0 [mV] z
A-C2 22 ± 10 0.9
A-C6 18 ± 5 0.9
A-C8 7 ± 10 0.7
A-C11 10 ± 10 0.6
Auch in diesem Fall liegen die Redoxpotentiale des adsorbierten Proteins über dem des
Proteins in Lösung108; der Nernst-Parameter z ist ebenfalls etwas kleiner als eins.
Abbildung 4.59 faßt die Daten aus den Tabellen 4.20 und 4.21 zusammen. Die Regressions-
kurven sollen nur als Orientierungshilfen dienen und haben hier zunächst keine physikali-
sche Bedeutung.
Während die Zunahme des Redoxpotentials mit der SAM-Kettenlänge bei den Messungen in
H2O deutlich zu sehen ist, weisen die Ergebnisse in D2O noch große Unsicherheiten auf, wie
an den im Vergleich recht großen Fehlerbalken zu sehen ist. Die vorliegenden Daten lassen
in Anbetracht der Streuung der Meßwerte ebenfalls die Deutung zu, daß das Redoxpotential
E0D2O über den betrachteten Distanzbereich konstant bleibt.
Der Isotopeneffekt auf das Redoxpotential steht jedoch außer Frage, da die Differenz der
Redoxpotentiale auf einer bestimmten Monoschicht größer ist als die Streuung der Meßda-
ten.
Tab. 4.21:
Elektrochemische Parameter von Cyt b562 WT (D2O)
Abb. 4.59:
Redoxpotential von Cyt b562 WT
auf versch. SAM in H2O und D2O
IV. ERGEBNISSE140
Eine weitere Beobachtung bezieht sich auf das Konzentrationsverhältnis der beiden
oxidierten Komponenten, 5coxHS und 6coxLS, in Abhängigkeit von der Dicke der SAM.
Ähnlich wie beim Redoxpotential entwickeln sich die Daten für H2O und D2O gegenläufig
(Abb. 4.60). Während das 5coxHS/6coxLS-Verhältnis in H2O mit zunehmender Kettenlänge
der Monoschicht steigt, beobachtet man in D2O genau den umgekehrten Effekt.
Die Messung erfolgte bei einem Potential von 0.1 V nach einer Äquilibrierungszeit von 30
Minuten, die Akkumulationszeit betrug in allen Fällen 20 Sekunden. Die Regressionskurven
dienen ausschließlich der Orientierung und haben hier keine physikalische Bedeutung.
Abb. 4.60: Verhältnis der beiden
oxidierten Komponenten von Cyt b562
WT auf versch. SAM in H2O und D2O
IV. ERGEBNISSE 141
G. Elektronentransferkinetik des Cytochrom b562
Die Bestimmung der Elektronentransferparameter des immobilisierten Cytochrom b562 WT
erfolgte mit Hilfe der Potentialsprung-Methode (Kap. II G).
Um die Störung der Grenzschichtstruktur durch den Potentialsprung gering zu halten, wur-
den grundsätzlich nur kleine Sprungweiten von 60 mV verwendet, obwohl punktuell durch-
geführte Testversuche mit etwas größeren Potentialsprüngen von 80 mV oder 100 mV das
gleiche Ergebnis ergaben.
Als Meßpuffer diente in jedem Fall 10 mM Kaliumphosphatpuffer bei pH 7.00 ± 0.05 (12.5
mM K2SO4), als Korrekturwert für den pH-Wert in D2O-haltigen Lösungen wurde 0.46 ver-
wendet29.
Die am Redoxprozeß beteiligten Spezies sind die beiden sechsfach koordinierten low spin
Komponenten 6coxLS und 6crdLS (Abb. 4.61 und 4.62).
Die Spektren in Abbildung 4.61 wurden bei einer Anregungsleistung von 60 mW an der
Probe gemessen, die effektive Akkumulationszeit betrug 20 s (stationär) bzw. 10 s (zeit-
aufgelöst). Zur besseren Vergleichbarkeit wurden die Spektren bezüglich ihres jeweiligen
Maximums der ν4-Bande normiert.
Abb. 4.61:
(TR) SERR-Spektren von Cyt b562 WT
(A-C8, H2O), Meßbedingungen s. Text
IV. ERGEBNISSE142
Zur Auswertung der Kinetik wurde die Relaxationsmethode verwendet. Die logarithmische
Auftragung der Abweichung vom Gleichgewichtszustand am Potential Ef gegen die Verzöge-
rungszeit δ' liefert einen linearen Zusammenhang mit einem Achsenabschnitt y0 von null und
einer Steigung, die der negativen inversen Zeitkonstante -1/τ des Prozesses entspricht.
Für Potentialsprünge zum Redoxpotential Ef = E0, d. h. bei einer Überspannung η von null,
steht τ mit der Geschwindigkeitskonstante des Prozesses k(E0) = k0 in einem einfachen
Zusammenhang (Kap. II G):
τ⋅−=
21
k0 (Gl. 4.6)
Abbildung 4.63 zeigt die Auswertungen der kinetischen Daten für alle untersuchten Mono-
schichten in H2O und D2O, Tabelle 4.22 enthält die daraus abgeleiteten
Geschwindigkeitskonstanten des Elektronentransferprozesses.
Abb. 4.62:
Konzentration-Zeit-Kurven für die
verschiedenen Komponenten von
Cyt b562 WT (A-C8, H2O)
IV. ERGEBNISSE 143
SAM −1/τ−1/τ [s-1] y0 Medium k0 [s-1]
A-C2 -43.1 -0.02 H2O 22
-52.0 -0.09 D2O 26
A-C6 -108.1 -0.17 H2O 54
-103.6 -0.05 D2O 52
A-C8 -108.4 -0.09 H2O 54
-101.7 -0.14 D2O 51
A-C11 -63.4
-71.2
+0.67
+0.39
H2O 34
(Mittelwert)
-67.7 +0.12 D2O 34
Tab. 4.22: Zusammenfassung der kinetischen Daten von Cyt b562 WT
Bemerkenswert sind die teilweise signifikanten Abweichungen von y0 vom theoretisch
erwarteten Wert (null). Zwar sind die Werte für y0 auf den Monoschichten A-C2, A-C6 und A-
C8 in der Regel klein gegenüber der Gesamtveränderung auf der Ordinatenachse, doch
besonders die Achsenabschnitte der Experimente auf A-C11 (H2O) weichen deutlich nach
oben ab. Trotzdem gibt es reproduzierbare Veränderungen der relativen Konzentrationen in
Abhängigkeit von der Verzögerungszeit δ'.
Aufgrund des limitierten Datensatzes müssen die Resultate für A-C11 als vorläufig betrachtet
werden.
IV. ERGEBNISSE144
Abb. 4.63: Auswertung der kinetischen Daten für Cyt b562 WT - Übersicht
IV. ERGEBNISSE 145
Die Geschwindigkeitskonstanten des Elektronentransferprozesses als Funktion des
Abstandes von der Elektrode zeigen ein nichtmonotones Verhalten, das den Vorhersagen
der Theorie für ein einfaches Zwei-Zustand-System widerspricht (Abb. 4.64). Danach müßte
die Geschwindigkeitskonstante exponentiell mit dem Abstand zwischen Redoxzentrum und
Metalloberfläche abnehmen.
Im Gegensatz dazu steigt die Geschwindigkeitskonstante k0(A-C6) im Vergleich zu k0(A-C2)
an und bildet mit k0(A-C8) ein Plateau bei etwa 50 s-1. Bei der A-C11-SAM hat k0
abgenommen, wie man es aufgrund der Vergrößerung des Abstandes erwarten würde.
Offenbar ist die Elektronentransferreaktion Teil eines komplexeren Prozesses, in dem zu-
mindest bei den kürzeren Monoschichten nicht der Elektronentransfer geschwindigkeitsbe-
stimmend ist. Aufgrund des fehlenden kinetischen Isotopieeffektes kann Protonentransfer als
Ursache dafür ausgeschlossen werden. Möglicherweise sind Reorientierungsvorgänge oder
Adsorptions-/Desorptionsprozesse für das Verhalten verantwortlich (Kap. V).
Die Bestimmung der Fehlerbalken in Abbildung 4.65 ist nicht trivial, da die aufwendige Ana-
lyseprozedur von der Bearbeitung der Rohdaten bis zur Anpassung dieser durch die Kom-
ponentenspektren nicht in eine streng mathematische Form gebracht werden kann. Zudem
muß zwischen absoluten und relativen Fehlern unterschieden werden. Ein fehlerhaftes Kom-
ponentenspektrum wird sich möglicherweise deutlich auf die Bestimmung der absoluten
Konzentrationsverhältnisse in einem Meßspektrum auswirken, während sein Einfluß auf die
Geschwindigkeitskonstante gleichzeitig klein bleiben kann, da die Geschwindigkeitskon-
stante aus der Änderung der Zusammensetzung des Systems bestimmt wird.
Abb. 4.64:
Geschwindigkeitskonstanten der
Elektronentransferreaktion in H2O
und D2O auf verschiedenen SAM
IV. ERGEBNISSE146
Erfahrungsgemäß liegt die Streuung der Meßwerte für k0 in gut charakterisierten Systemen
wie Cyt c bei 10-15%109. Bei Cyt b562 WT ist der Bestand an experimentellen Daten zur Zeit
geringer, so daß der mit k0 assozierte relative Fehler wahrscheinlich etwas höher liegt und zu
etwa 20% abgeschätzt wird.
109 D. H. Murgida, persönliche Mitteilung
V. DISKUSSION 147
V. Diskussion
V. DISKUSSION148
A. Untersuchung der de novo Proteine
1. Proteinfaltung: Stabilität und Kooperativität
Die Stabilität der de novo Proteine gegenüber chemisch induzierter Entfaltung war
abgesehen von MOP-P1 deutlich niedriger als bei vergleichbaren natürlichen Proteinen
(Kap. IV A 3). Außerdem scheint ein Zusammenhang zwischen Freier Entfaltungsenthalpie
∆GNU und der Kooperativität m des Prozesses zu bestehen, der a priori nicht zu erwarten ist
(Abb. 5.1). So können Proteine von ähnlicher Stabilität durchaus ganz verschiedene
Kooperativitäten aufweisen, wie sich am Beispiel von Cyt c (Hefe) und Cyt b5 (Rind, A-Typ)
zeigt (Abb. 4.3).
Bei aller Vorsicht aufgrund des limitierten Datensatzes kann der Befund durch eine
mangelhafte Faltung der Proteine erklärt werden.
Die Freie Entfaltungenthalpie ∆GNU gibt im Rahmen des Zwei-Zustand-Modells die Differenz
der Freien Enthalpien von denaturiertem und gefaltetem Zustand an. Diese Differenz wird
maßgeblich durch die Zerstörung bzw. Bildung des hydrophoben Kerns beeinflußt. Im
Idealfall sind im gefalteten Zustand alle hydrophoben Aminosäurereste von der wäßrigen
Lösung abgewandt und liefern durch hydrophobe Wechselwirkungen einen Beitrag zur
Stabilität des Proteins. Im entfalteten Zustand dagegen ist dieser hydrophobe Kern
weitgehend zerstört, so daß die Stabilisierung durch den hydrophoben Effekt entfällt.
Wenn die de novo Proteine allerdings im gefalteten Zustand eine hohe Dynamik aufweisen,
dann werden die hydrophoben Seitenketten im zeitlichen Mittel stärker dem wäßrigen
Abb. 5.1:
Stabilität und Kooperativität
der de novo Proteine
V. DISKUSSION 149
Lösungsmittel ausgesetzt. Dadurch verringert sich die Differenz der Freien Enthalpien
zwischen gefaltetem und ungefaltetem Zustand und ∆GNU nimmt ab.
Der Parameter m für die Kooperativität des Entfaltungsprozesses hängt wiederum von
dessen Mechanismus ab. Eine Abnahme von m wird entweder mit dem Auftreten mehrerer
Übergangszustände oder mit einem kompakteren entfalteten Zustand in Verbindung
gebracht110.
Wenn nun schon der „native“ Zustand keine eindeutige Faltung aufweist, dann liegt es nahe,
auch für den Übergangszustand des Entfaltungsprozesses ein Ensemble von Strukturen
anzunehmen, was den Zusammenhang zwischen ∆GNU und m erklären kann. Die Dynamik
des gefalteten Zustandes führt zu einer Verringerung von ∆GNU und wegen der Bildung eines
Strukturensembles gleichzeitig zur Erniedrigung von m. MOP-P1 weist unter den de novo
Proteinen die höchste Stabilität und Kooperativität auf, was folglich auf eine höhere Qualität
der Packung im gefalteten Zustand zurückgehen kann.
Dies bedeutet allerdings nicht, daß die Differenz zwischen den Freien Enthalpien des
Übergangszustandes und des gefalteten Zustandes ∆GA klein sein muß. Außer bei MOP-C
war eine GuHCl-Konzentration c > 1.5 M nötig,
um den Entfaltungsprozeß zu induzieren (Abb.
4.2). Dies entspräche bei m = -5 kJ/(mol⋅M)
einer Freien Enthalpie von ∆G = 15 kJ/mol.
Aus diesen Überlegungen heraus läßt sich das
Energieschema in Abb. 5.2 aufstellen, das mit
den experimentellen Befunden im Einklang
steht. Aus einem Ensemble von gefalteten
Zuständen geht das Protein unter
denaturierenden Bedingungen über eine
Verteilung von Übergangszuständen in den
vollständig entfalteten Zustand über, der
wiederum durch eine Vielzahl energetisch
ähnlicher Unterstrukturen gekennzeichnet ist.
110 B. Hammack et al., Protein Sci. (1998), 7: 1789-1795
Abb. 5.2:
Entfaltungsprozeß bei einem de novo Protein
unter denaturierenden Bedingungen (Modell)
V. DISKUSSION150
2. Adsorption und Redoxgleichgewichte an der Oberfläche
Ein zentraler Bestandteil des Designs der de novo Proteine war die Schaffung einer
spezifischen Bindungsdomäne für die Adsorption an modifizierte Metalloberflächen. Dies ist
bei allen Proteinen gelungen, da anhand (spektro-) elektrochemischer Methoden die
Adsorption nachgewiesen und teilweise auch quantifiziert werden konnte. Für die Proteine
MOP-P2 und MOP-P3 ergaben sich aus der Integration des elektrochemischen Signals
Bedeckungsgrade von etwa 20%, für MOP-C sogar ein Wert von fast 100%. Die Orientierung
der Proteine auf der Oberfläche ist allerdings unbekannt, so daß der effektive Raumbedarf
und damit die Berechnung des Bedeckungsgrades mit einer gewissen Unsicherheit behaftet
ist.
Für MOP-F konnte der Immobilisierungsmechanismus im Gegensatz zu den anderen
Proteinen nicht geklärt werden. Vorgesehen war die Bindung über eine hydrophobe
Bindungsdomäne mit einem Fettsäurerest, doch die Immobilisierung auf der Oberfläche
gelang unter Erhaltung der nativen Struktur nur auf negativ geladenen, COOH-terminierten
SAM. Auf rein hydrophoben Schichten kam es dagegen zur Denaturierung des Proteins. Es
ist deshalb unklar, ob die Immobilisierung von MOP-F auf negativ geladenen SAM unter
Einbeziehung des Fettsäurerestes verläuft oder ob dessen Alkylkette dabei ins Proteininnere
zeigt und die Bindung über benachbarte positiv geladene Lysinreste zustande kommt.
Möglicherweise liegt MOP-F an der Oberfläche wie in Lösung als Dimer vor (Kap. IV A 4).
Nach der Immobilisierung behalten alle Proteine des P-Typs sowie MOP-F im oxidierten
Zustand weitgehend ihre native Struktur, wie ein Vergleich zwischen RR- und SERR-
Spektren gezeigt hat. Lediglich im MOP-C wurde neben der nativen Struktur ein erheblicher
Anteil eines 5coxHS Zustandes nachgewiesen, wobei der fünfte Ligand entweder ein Histidin
oder ein H2O Molekül ist.
Das Intensitätsverhältnis zwischen ν4- und ν3-Bande liefert in der Regel einen Hinweis auf
den Ligandierungszustand: Ein niedriger Wert nahe bei eins deutet auf H2O als fünften
Liganden hin, während ein höheres Verhältnis eher für eine His-Ligandierung spricht111. Im
vorliegenden Fall liegt dieses Verhältnis bei etwa 1:0.7 und ähnelt damit dem RR-Spektrum
von 1,2-Dimetylimidazol-Hämin111, was auf die Ligandierung durch ein Histidin hinweist.
Die Reduktion der de novo Proteine an der Oberfläche ist nicht vollständig reversibel und
geht mit der Zerstörung des Hämkomplexes einher. Daneben ist bei allen de novo Proteinen
111 A. Boffi et al., Biophys. J., vol. 77, 1143-49 (1999)
V. DISKUSSION 151
das Auftreten einer fünffach koordinierten Spezies zu beobachten, bei der ein His-Ligand
abgespalten wurde, wie ein Vergleich mit RR-Daten natürlicher Proteine gezeigt hat112.
Möglicherweise ist die Bildung dieser Spezies mit dem Abbau des Hämkomplexes verknüpft,
da beide Phänomene von der Sauerstoffkonzentration in der Proteinlösung abhängen (Kap.
V. A 3).
3. Spezifische Probleme bei der Untersuchung der de novo Proteine
3.1 Redoxpotential und Stabilität der Monoschicht
Die Redoxpotentiale der bis-His-koordinierten de novo Proteine liegen in der Regel unterhalb
von -0.4 V (Tab. 5.1) und damit außerhalb des Stabilitätsbereiches der C3-Monoschicht
(Kap. IV B). Die Redoxpotentiale von MOP-C und MOP-F sind zwar höher, aber diese
Proteine weisen eine geringere Stabilität auf.
Für die Lage des Redoxpotentials spielt die
unmittelbare Umgebung der Hämgruppe
eine entscheidende Rolle. Während ein bis-
His-Komplex von Fe-Protoporphyrin-IX in
wäßriger Lösung ein Redoxpotential von -
0.43 V aufweist, erreicht Cyt b5 mit dem
gleichen Ligandierungsschema einen Wert
von -0.20 V113. Zu den wichtigsten
Einflußgrößen gehört die Hydrophobizität
der Hämtasche, die eine Verschiebung des
Redoxpotentials um bis zu 0.14 V bewirken
kann. Die spezifische Wechselwirkung des
Häms mit einer hydrophoben oder einer
hydrophilen Aminosäureseitenkette können
jeweils weitere 0.05 V beitragen114.
112 R. G. Alden, M. R. Ondrias, J. Biol. Chem., vol. 260, 12194-12197 (1985); C. R. Andrew et al.,
Biochem. 40 (13): 4115-4122 (2001)113 L.-L. Xue et al., Biochem., vol. 38, no. 37, 11961-11972 (1999)114 M. L. Kennedy, B. R. Gibney, Curr. Op. Struct. Biol., 11: 485-490 (2001)
Protein E0 [V] Übergang
MOP-P1 -0.01
< -0.60
(SERRS)
(SERRS)
LS/LS
LS/LS
MOP-P2 < -0.55 (SERRS) LS/LS
MOP-P3 -0.43 (SERRS) LS/LS
MOP-C -0.30
∼ -0.40
-0.35
(SERRS)
(SERRS)
(CV)
HS/HS
LS/ ?
?
MOP-F ∼ -0.30 (SERRS) LS/ ?
Tab. 5.1: Redoxpotentiale der de novo Proteine
V. DISKUSSION152
Das Redoxpotential der de novo Proteine liegt im Bereich von bis-His-koordinierten Häminen
in Lösung (E0(bis-His-Fe-Protoporphyrin-IX) = -0.429 V115), was auf eine schlechte Packung
der Aminosäuren und eine geringe Hydrophobizität der Hämbindetasche hinweist.
Möglicherweise kommen bei MOP-P1 und MOP-P2 noch weitere Effekte hinzu, da ihre
Redoxpotentiale noch deutlich unter dem Wert für bis-His-Fe-Protoporphyrin-IX liegen.
3.2 Die Sauerstoffempfindlichkeit der de novo Proteine
Bei allen de novo Proteinen führte die Reduktion mit Natriumdithionit unter aeroben
Bedingungen zu einem signifikanten Hämabbau, wobei im Fall von MOP-C das Hämzentrum
sogar vollständig zerstört wurde. Der Reaktionsweg ist im Detail nicht bekannt, doch offenbar
wird der Porphyrinring selbst angegriffen. Im Extremfall konnte überhaupt keine Absorption
im Soret-Bereich des Absorptionsspektrums und demzufolge auch kein RR-Spektrum mehr
gemessen werden, was auf die Zerstörung des π-Elektronensystems hindeutet.
An der Elektrode war der gleiche Effekt zu beobachten, wobei der größte SERR-
Signalverlust bei jedem de novo Protein im Potentialbereich von -0.3 V bis -0.35 V erfolgte.
Abbildung 5.3 zeigt dieses Verhalten exemplarisch für MOP-P2 (Kap. IV A.3.2).
Während der ersten beiden
Messungen wurde das Po-
tential nicht verändert. Die
relative Oberflächenkonzen-
tration cOberfl.,rel an SERR-
aktivem Protein sinkt leicht
aufgrund von Äquilibrie-
rungseffekten, wie sie auch
bei natürlichen Proteinen
auftreten. Eine Potential-
erniedrigung führt jedoch zu
einer drastischen Verringe-
rung von cOberfl.,rel, obwohl die
Reduktion des Proteins noch
nicht einsetzt. Dieser Prozeß
beginnt erst ab etwa -0.4 V (Abb. 4.28).
115 J. M. Shifman et al., Biochem., 39. 14813-14821 (2000)
Abb. 5.3: Stabilität von MOP-P2 auf einer C3-SAM
Punkte: [MOP-P2]Oberfl.,rel (linke Größenachse)
Balken: Potential (rechte Größenachse)
V. DISKUSSION 153
Diese Ergebnisse deuten darauf hin, daß die Abbaureaktion zwar erst unter reduzierenden
Bedingungen beginnt, aber dennoch vom Redoxzustand des Hämeisens unabhängig ist. Es
handelt sich also wahrscheinlich nicht um einen gezielten oxidativen Hämabbau wie in der
Hämoxygenase116, sondern eher um eine unspezifische Zerstörung der Hämgruppe. Dafür
kommen hochreaktive Sauerstoffradikale in Frage, die bei der Reduktion von gelöstem O2
sowohl auf chemischem Weg durch Na2S2O4 als auch auf elektrochemischem Weg durch
Elektroreduktion gebildet werden. Damit würde sich auch die erhöhte Stabilität der Proteine
unter strikt anaeroben Bedingungen erklären.
Gleichzeitig scheint aber die reduzierte Form des Hämkomplexes gegenüber der
sauerstoffinduzierten Zerstörung empfindlicher zu sein, wie am Beispiel von MOP-P2 gezeigt
wurde (Abb. 4.27).
In der hohen Empfindlichkeit gegenüber O2 unterscheiden sich die de novo Proteine deutlich
von natürlichen Elektronentransferproteinen wie Cytochrom c oder Cytochrom b562, die
unter ähnlichen experimentellen Bedingungen kaum Hämabbau zeigten.
Höchstwahrscheinlich spielt auch hier die nichtoptimale Faltung der de novo Proteine eine
Rolle. Natürliche Proteine weisen in der Regel eine gute Packung und eine niedrige Mobilität
der Aminosäureseitenketten auf, so daß die Hämtasche gegen reaktive Spezies aus der
Lösung gut abgeschirmt ist. Bei synthetischen Proteinen ist die Faltung und somit auch der
Schutz der Hämtasche schlechter. Folglich kann die Hämgruppe leichter zerstört werden, da
sie zugänglicher für Sauerstoffradikale ist.
Wie wichtig eine optimierte Packung ist, sieht man zum Beispiel daran, daß selbst leicht
modifizierte natürliche Elektronentransfer- oder O2-Transportproteine eine erhöhte
Empfindlichkeit gegenüber Nebenreaktionen zeigen können117.
116 L. Avila et al., J. Am. Chem. Soc., 125, 4103-4110 (2003)117 T. Murakami et al., J. Am. Chem. Soc., 121, 2007-2011 (1999); M. Ihara et al., J. Am. Chem. Soc.,
122, 11535-11536 (2000); s. a. 116
V. DISKUSSION154
3.3 Nichtidealität der Redoxchemie
Die spektroelektrochemische Charakterisierung der de novo Proteine brachte eine weitere
Eigenschaft zutage, die vom erwarteten Verhalten abweicht. Während der Nernst-Parameter
z gemäß der Stöchiometrie der Redoxreaktion gleich eins sein sollte, ergaben die
Untersuchungen im Rahmen dieser Arbeit Werte, die in der Regel um 0.4 lagen. Lediglich in
einem Fall, dem HS/HS-Übergang von MOP-C, lag z bei 0.8 und damit relativ nahe am
theoretisch erwarteten Wert. Die Redoxübergänge erfolgen im Vergleich zum Idealfall über
einen zu breiten Potentialbereich.
Dieser Befund kann durch die Überlagerung von mehreren Redoxgleichgewichten mit leicht
unterschiedlichen Redoxpotentialen verursacht werden, die experimentell nicht individuell
aufgelöst werden können. Eine solche Modulation des Redoxpotentials kann entstehen,
wenn die Hämtasche eine wenig definierte Struktur besitzt. Die für jede Hämgruppe leicht
unterschiedliche Proteinumgebung verändert das Redoxpotential, was effektiv zu einem
verbreiterten Redoxübergang führt.
Die niedrige Stabilität und Kooperativität der de novo Proteine bei chemisch induzierter
Entfaltung unterstützt diese Erklärung, da vor allem die geringe Kooperativität auf eine
schlechte Faltung der Proteinstruktur hinweist.
Eine zweite Erklärung, die ebenfalls durch experimentelle Daten unterstützt wird, ist das
Auftreten von Nebenreaktionen. Wenn beispielsweise die reduzierte Komponente durch eine
Abbaureaktion, deren Geschwindigkeit mit der des ET-Prozesses vergleichbar ist, aus dem
Gleichgewicht entfernt wird, dann stellt sich das Redoxgleichgewicht nicht ein. Im Verhältnis
liegt mehr oxidierte als reduzierte Form vor als aufgrund des angelegten Potentials und der
Nernst-Gleichung zu erwarten wäre. Dies führt zu einer Verbreiterung des Redoxüberganges
und zu Nernst-Parametern z < 1.
Gleichzeitig verursacht diese Nebenreaktion ein Absinken des gemessenen Redoxpotentials,
da oxidierte und reduzierte Form erst bei niedrigeren Potentialen in gleichem Verhältnis
vorkommen. Die Geschwindigkeit der Reduktionsreaktion steigt mit sinkendem Potential.
Bei allen de novo Proteine konnten sauerstoffinduzierte Abbaureaktionen nachgewiesen
werden und im Fall von MOP-P2 zeigte sich, daß diese Reaktionen für die reduzierte Form
effizienter ablaufen als für die oxidierte (Abb. 4.27).
Aus diesem Grund ist auch der zweite Erklärungsansatz plausibel, zumal er außerdem eine
Begründung für die sehr niedrigen Redoxpotentiale von MOP-P1 und MOP-P2 liefert.
V. DISKUSSION 155
B. Cytochrom b562
1. Adsorptionseigenschaften
1.1 Cyt b562 auf aminoterminierten Monoschichten verschiedener Länge
Wie in Kap. IV F.1 bereits diskutiert wurde, zeigt Cyt b562 WT ein unerwartetes Verhalten
bei der Adsorption auf die verschiedenen aminoterminierten Monoschichten (Abb. 4.51). Bei
gleicher Oberflächenkonzentration des Proteins müßte die SERR-Intensität monoton mit
dem Abstand zur Metalloberfläche abnehmen. Hier dagegen liegt die Intensität für A-C8 nur
knapp unterhalb von A-C2, obwohl der Abstand zur Metalloberfläche um etwa 8 Å größer ist.
Daraus folgt, daß die Konzentration bei A-C2 kleiner ist als bei A-C8.
Geht man davon aus, daß die Adsorptionseigenschaften des Proteins nicht per se von der
SAM-Kettenlänge abhängen, dann kommt dafür nur die Veränderung der Oberflächen-
ladungsdichte der Monoschicht in Frage.
Zumindest A-C2 kann zusätzlich zur Thiolgruppe auch über die Aminogruppe auf die
Silberoberfläche adsorbieren, so daß bei einer A-C2-SAM die Oberflächenladungsdichte
effektiv verringert wird (Kap. III C.2.2.4). SERR-spektroskopische Arbeiten ergaben, daß das
Verhältnis zwischen trans-Konformer (NH2-Gruppe zeigt in die Lösung) und gauche-
Konformer (NH2-Gruppe ist adsorbiert) unter bestimmten Präparationsbedingungen für die A-
C2-Monoschicht im Bereich von 1:10 liegen kann118. Dies würde in der Tat zu einer
signifikanten Erniedrigung der Oberflächenladungsdichte führen und die Adsorption von Cyt
b562 WT verringern.
Für aminoterminierte Alkylthiole mit größeren Kettenlängen liegen entsprechende Daten
nicht vor. Vermutlich ist die Adsorption der NH2-Gruppe aber weniger stark ausgeprägt, weil
mit steigender Kettenlänge der hydrophobe Effekt größer wird und für eine zunehmende
Ordnung der Monoschichten sorgt.
Gleichzeitig unterscheiden sich auch die pK1/2-Werte der verschiedenen SAM. Während für
A-C2 mit Hilfe von chemical force AFM (CF-AFM) der pK1/2-Wert zu 8.5 bestimmt
wurde118,119, ergab sich für A-C11 ein Wert von 9.7 (CF-AFM) 119. Für die anderen SAM A-C6
und A-C8 liegen keine Daten vor.
118 A. Kudelski, W. Hill, Langmuir, vol. 15, 3162-3168 (1999)119 M. L. Wallwork et al., Langmuir, vol. 17, 1126-1131 (2001)
V. DISKUSSION156
Somit kann gefolgert werden, daß beide Faktoren, die fakultative Adsorption über die NH2-
und die Thiolfunktion, sowie die unterschiedlichen pK1/2-Werte der Aminogruppe, die
Abstandsabhängigkeit der Oberflächenladungsdichte der SAM und damit das Adsorptions-
gleichgewicht des Proteins begründen.
1.2 Potentialabhängigkeit der Adsorption
Das Adsorptionsgleichgewicht des Proteins wies außerdem eine deutliche
Potentialabhängigkeit auf (Abb. 4.52) und verschob sich mit abnehmendem Potential immer
weiter zur adsorbierten Form. Eine redoxabhängige Änderung der Adsorptionseigenschaften
des Proteins kommt als Ursache nicht in Betracht, da sich die Zunahme an SERR-Intensität
auch deutlich unterhalb des Redoxpotentials fortsetzt. Dagegen läßt sich dieser Befund
ebenfalls über die Eigenschaften der Monoschicht erklären.
Bei potentialabhängigen SERR-Untersuchungen an A-C2 fanden Kudelski und Hill, daß der
Anteil an trans-Konformer mit abnehmendem Potential zunimmt (Abschn. 1.1)118. Die
Autoren führen diesen Effekt auf die zunehmende negative Aufladung der Metalloberfläche
zurück. Dadurch würde die Abstoßung zwischen der Metalloberfläche und den Elektronen
der Aminogruppe verstärkt, bis die Aminogruppe sich von dort löst und A-C2 von der
gauche- in die trans-Konformation übergeht. Dadurch erhöht sich die Anzahl an Pro-
teinbindungsstellen und die Oberflächenkonzentration des Proteins steigt.
Den gleichen Effekt erzeugt die Feldabhängigkeit des Protonierungsgleichgewichtes der
SAM. Durch die positive Ladung der Metalloberfläche bei Potentialen, die deutlich oberhalb
des Potentials der Nulladung liegen, werden die protonierte Aminogruppen destabilisiert.
Eine Erniedrigung des Potentials führt zu einer Abnahme dieser Destabilisierung, so daß der
Protonierungsgrad der Monoschicht und damit die Adsorption des Proteins steigt.
V. DISKUSSION 157
2. Cytochrom b562 in der elektrischen Doppelschicht
Die Charakterisierung des immobilisierten Cyt b562 WT bezüglich seiner elektrochemischen
Eigenschaften ergab eine Abhängigkeit des Redoxpotentials und des Verhältnisses
[5coxHS]/[6coxLS] von der Dicke der Monoschicht dA (Abb. 4.59 und Abb. 4.60). Während in
H2O sowohl E0 als auch [5coxHS]/[6coxLS] mit steigendem Abstand dA zur Metalloberfläche
ansteigen, ergibt sich in D2O genau die umgekehrte Abhängigkeit.
Abb. 4.59:
Redoxpotential von Cyt b562 WT
auf versch. SAM in H2O und D2O
Abb. 4.60: Verhältnis der beiden
oxidierten Komponenten von Cyt b562
WT auf versch. SAM in H2O und D2O
V. DISKUSSION158
Bei Cytochrom c auf COOH-terminierten Monoschichten beobachtet man eine Verringerung
des Redoxpotentials und eine Abnahme nichtnativer Spezies mit zunehmender Dicke der
Monoschicht, was von Murgida und Hildebrandt mit Hilfe eines modifizierten
Grenzschichtmodells nach Smith und White erklärt wurde120,121. Das Auftreten nichtnativer
Konformationszustände wurde dabei mit der zunehmenden elektrischen Feldstärke in der
Nähe der Metalloberfläche in Verbindung gebracht.
Nach dem Modell von Smith und White wird die Grenzschicht in Bereiche mit linearem
Potentialverlauf (zwischen Metall M und den Kopfgruppen A der SAM bzw. zwischen diesen
Kopfgruppen A und der Ebene der Redoxzentren RC) und einen Bereich mit exponentiellem
Potentialverlauf nach Gouy-Chapman eingeteilt (von RC in die Lösung, Abb. 5.4).
Für die Auswertung der Ergebnisse von Cyt b562 WT auf aminoterminierten Monoschichten
kann das Modell in der modifizierten Form von Murgida und Hildebrandt jedoch nicht
verwendet werden, da einige wichtige Voraussetzungen bei Cyt b562 WT nicht erfüllt sind.
So wurde bei der Auswertung der Daten für Cyt c im Rahmen des Modells davon
ausgegangen, daß die Oberflächenladungsdichten σSAM und σRC für alle SAM konstant sind.
Dies ist für immobilisiertes Cyt c auf COOH-terminierten Monoschichten mit guter Näherung
der Fall, da die Intensität des SERR-Signals mit zunehmendem Abstand zwischen
Redoxzentrum und Metalloberfläche exponentiell abnimmt.
120 C. P. Smith, H. S. White, Anal. Chem., 64, 2398 (1992)121 D. H. Murgida, P. Hildebrandt, J. Phys. Chem. B, 105, 1578-1586 (1999)
Abb. 5.4:
Schematische Darstellung der
Potentialverteilung in der elektro-
chemischen Doppelschicht
V. DISKUSSION 159
Bei Cyt b562 WT auf aminoterminierten Monoschichten nehmen sowohl die Ladungsdichte
der Monoschicht (σA) als auch die Oberflächenkonzentration des Proteins (und damit σRC)
mit steigender Kettenlänge zu (Abschn. B.1.1). Aus den SERR-Intensitäten läßt sich
abschätzen, daß dieser Effekt beim Übergang von A-C2 nach A-C8 etwa eine
Größenordnung umfassen kann.
Außerdem kann σRC nicht wie bei Cyt c über die Ladung der Redoxzentren definiert werden,
da σRC sonst zwangsläufig größer null wäre (Gl. 5.1).
( ) ( )( )redredredredotPrRC czc11ze ⋅+−⋅+⋅Γ⋅=σ (Gl. 5.1)
ΓProt ist dabei die Oberflächenkonzentration des Proteins, zred die formale Ladung des
reduzierten Häms und cred der relative Anteil der reduzierten Form.
Während in Cyt c nicht nur das eigentliche Redoxzentrum, d. h. das Häm, sondern auch die
Proteinhülle positiv geladen ist, trägt letztere bei Cyt b562 eine negative Ladung122. Deshalb
ist die Nettoladung des Proteins unabhängig vom Redoxzustand negativ, was wesentlich für
die elektrostatische Bindung an die kationischen Monoschichten ist. Im Sinne des
vorliegenden Modells muß man somit davon ausgehen, daß die Ladungsdichte σRC < 0 ist.
Obwohl die Voraussetzungen für eine quantitative Auswertung der Meßdaten für Cyt b562
WT fehlen, kann das modifizierte Modell nach Smith und White dennoch helfen, die
experimentellen Befunde für Cyt b562 WT zumindest qualitativ zu verstehen. Dies sind
insbesondere die Abstandsabhängigkeit des Redoxpotentials und des [5coxHS]/[6coxLS]-
Verhältnisses sowie der Isotopieeffekt auf E0(dA).
Für den Potentialabfall ERC = E0 - E0s gilt:
( ) ( )( )( )κ⋅ε⋅ε⋅+ε⋅+ε⋅ε⋅ε
σ⋅ε⋅+ε⋅+−⋅ε⋅ε⋅ε+⋅ε⋅σ=
sARCPAPA0
RCARCPApzcAP0APARC dd
ddEEdE (Gl. 5.2)
E0 ist das Redoxpotential des immobilisierten Proteins und E0s das Redoxpotential in Lösung.
εA, εP und εs sind die Dielektrizitätskonstanten der Monoschicht, des Proteins bzw. des
Lösungsmittels (εA = 2.26, εP = 2, ε s = 78)121. Epzc = -0.97 V ist das Potential der Nulladung
122 P. D. Barker et al., Inorg. Chim. Acta, 252, 71-77 (1996)
V. DISKUSSION160
von polykristallinem Ag 123 und κ die inverse Debye-Länge (hier: 1/κ = 1.3⋅10-9 m). dRC ist der
Abstand zwischen dem Redoxzentrum und der Proteinoberfläche, an der die Adsorption
stattfindet. Er wurde mit Hilfe der Proteinstruktur (1QPU) als mittlerer Abstand zwischen dem
zentralen Eisenion und den COOH-Gruppen des Häms bestimmt, da die Carboxylatgruppen
höchstwahrscheinlich Teil der negativen Bindungsdomäne des Proteins sind (dRC = 8.5 Å).
Da εA << εs ist, läßt sich Gl. 5.2 vereinfachen:
( )( )ARCpAs0
pzcAp0AApRCRCARCApRC dd
EEdddE
ε⋅+ε⋅⋅κ⋅ε⋅ε−⋅ε⋅ε⋅ε+σ⋅⋅ε+σ⋅⋅ε+σ⋅⋅ε
≈ (Gl. 5.3)
ERC hängt sowohl in H2O als auch in D2O vom Abstand dA ab. Während ERC in H2O jedoch
mit dA steigt, kehrt sich die Proportionalität in D2O um. Das bedeutet, daß die Ableitung von
ERC nach dA einen Vorzeichenwechsel erfährt.
( ) ( ) ( ) ( )
σ⋅+σ⋅++σ⋅⋅
ε⋅+ε⋅⋅κ⋅ε⋅ε=
4342143421321
d
A
A4
c
A
RC3
b
2
a
A12ARCpAs0A
RC
ddd
Kdd
dKKK
dd
1dd
dE(Gl. 5.4)
mit
( )( )
RCApA2A
2p4
2ARCpA3
pzc2pA02
RCpA1
dddK
ddK
EEK
dK
⋅⋅ε⋅ε+⋅ε=
ε⋅+ε⋅=
−⋅ε⋅ε⋅ε−=
⋅ε⋅ε=
Die Terme a bis d in Gl. 5.4 können in der gleichen Größenordnung liegen, sie haben aber
unterschiedliche Vorzeichen. Die Terme a und b sind unabhängig von dA positiv bzw. negativ
(a > 0, b < 0).
σRC ist negativ, wie eine Abschätzung der Oberflächenkonzentration zeigt. Sein Betrag steigt
mit zunehmendem dA zunächst an, um sich schließlich einem konstanten Wert anzunähern
(c < 0).
123 G. Valette, A. J. Hamelin, J. Electroanal. Chem. Interface Sci., 45, 301 (1973)
V. DISKUSSION 161
σA zeigt - wie die pK1/2-Werte der Monoschichten nahelegen - vermutlich ein entgegenge-
setztes Verhalten (d > 0). Man kann zudem davon ausgehen, daß σA ∝ -σRC ist.
Dadurch wird ersichtlich, daß Betrag, Vorzeichen und Abstandsabhängigkeit von ERC im
wesentlichen von der Größe und Abstandsabhängigkeit von σA abhängen.
Ist σA hinreichend groß gegenüber σRC resultiert ein positives ERC, das mit dA ansteigt, wie
es für Cyt b562 WT in H2O beobachtet wurde. Der umgekehrte Fall, der für Cyt b562 WT in
D2O gefunden wurde, bedeutet demnach einen relativ kleinen Wert für σA und ggf. eine
schwache Abstandsabhängigkeit.
Dies kann zum einen daran liegen, daß das Ionisierungsgleichgewicht der Monoschicht stär-
ker auf Seiten der ungeladenen Form liegt, was zudem die Bindung der NH2-Gruppe an die
Ag-Oberfläche begünstigen kann. Zum anderen können auch stärkere D-Brückenbindungen
zwischen den Aminogruppen der Monoschicht oder zwischen Monoschicht und Protein zu
einer Erhöhung des σRC/σA-Verhältnisses führen124.
Da im Rahmen des Modells nach Smith und White der Potentialabfall ERC und die lokale
elektrische Feldstärke EF in der Monoschicht korreliert sind (Gl. 5.5), kann das Modell helfen,
auch die Befunde bezüglich des [5coxHS]/[6coxLS]-Verhältnisses in Abhängigkeit von dA
zumindest qualitativ über die Variation von ERC(dA) in H2O und D2O zu verstehen.
( )A0
RCARCs0AF
EdE
ε⋅εσ−σ−⋅κ⋅ε⋅ε= (Gl. 5.5)
Wenn man annimmt, daß die Größe und Abstandsabhängigkeit von σA und σRC klein
gegenüber der des Termes ε0⋅εs⋅κ⋅ERC ist, dann verhält sich EF proportional zum
Potentialabfall ERC. ERC ist bei Cyt b562 WT in H2O und D2O wiederum proportional zu
[5coxHS]/[6coxLS], so daß wie bei Cyt c ein Zusammenhang zwischen der lokalen Feld-
stärke in der Monoschicht und dem Auftreten von nichtnativen Proteinspezies hergestellt ist.
124 G. Nemethy, H. A. Scheraga, J. Chem. Phys. 41, 680 (1964), G. Held, D. Menzel, Surf. Sc. 327,
301-320 (1995)
V. DISKUSSION162
3. Das Elektronentransferverhalten von Cyt b562 WT
Die Geschwindigkeitskonstante des Elektronentransfers von immobilisiertem Cyt b562 WT
wies einige Besonderheiten auf, die in Abb. 4.64 zusammengefaßt sind. Wie bereits in Kap.
IV G angedeutet wurde, muß die ET-Reaktion Teil eines komplexeren Reaktionssystems
sein, da sonst ein exponentieller Abfall von kET mit zunehmendem Abstand dA zu erwarten
wäre.
In diesem Fall kommt es aber auf
der A-C6-SAM zu einer Erhöhung
der Geschwindigkeitskonstante kET
im Vergleich zu A-C2. Für A-C8
ergibt sich im Rahmen der Meßge-
nauigkeit der gleiche Wert wie auf A-
C6 und erst bei noch größeren
Schichtdicken dA kommt es zur
Verlangsamung des Prozesses.
Für Cyt c auf COOH-terminierten
Monoschichten wurde ein ähnliches
Abstandsverhalten von k0 beob-
achtet125. Allerdings wies das
System vor allem bei kurzen Abstän-
den zur Metalloberfläche signifikante kinetische Isotopieeffekte von bis zu vier auf, die bei
Cyt b562 WT fehlen. Aufgrund des Isotopieeffektes schlossen Murgida und Hildebrandt, daß
bei kurzen Monoschichten Protonentransfer geschwindigkeitsbestimmend ist, der durch das
lokale elektrische Feld in der Monoschicht kontrolliert wird (feldabhängige Reorganisation
von Wasserstoffbrückenbindungen). Erst bei längeren Monoschichten wird die Reaktions-
geschwindigkeit offenbar durch den ET-Schritt selbst kontrolliert, da einerseits kein Isotopie-
effekt mehr auftritt und andererseits die Geschwindigkeitskonstanten die erwartete Abstands-
abhängigkeit zeigen. Eine feldabhängige Verlangsamung intramolekularer Protonentransfer-
schritte wurden auch als Erklärung für die Modulation der Kinetik des immobilisierten
Photorezeptors Sensory Rhodopsin II durch das Elektrodenpotential angegeben126.
Es ist zudem nicht auszuschließen, daß die geschwindigkeitsbestimmenden Protonen-
transferschritte auch in der Reorganisation von Wasserstoffbrückenbindungen in der
Grenzschicht von Protein und SAM bestehen.
125 D. H. Murgida, P. Hildebrandt, J. Am. Chem. Soc. 123 (17): 4062-4068 (2001)126 L. Rivas et al., Biophys. J., 84 (6), 3864-3873 (2003)
Abb. 4.64:
kET in Abhängigkeit von der Länge der SAM
V. DISKUSSION 163
Kinetische Isotopieeffekte können bei Cyt b562 WT hingegen nicht nachgewiesen werden,
was nicht per se ausschließt, daß intramolekularer Protonentransfer auch bei diesem Protein
für die Abnahme der ET-Geschwindigkeit (mit) verantwortlich ist.
Die Größe des kinetischen Isotopieeffektes hängt nicht nur von der Differenz der Akti-
vierungsenthalpien, sondern auch von den Aktivierungsentropien ab, die im Fall des Cyt c in
H2O und D2O gleich und unabhängig von der Feldstärke sind.
Dies ist nicht notwendigerweise der Fall bei Cyt b562 WT, zumal es Hinweise auf unter-
schiedlich starke Wasserstoffbrückenbindungen zwischen Protein und Monoschicht in H2O
und D2O gibt (s. o.).
Insofern ist es auf der Grundlage der vorliegenden Daten verfrüht, auf einen qualitativ
anderen ET-Mechanismus zu schließen als im Fall von Cyt c.
VI. ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK164
VI. Zusammenfassung und Ausblick
VI. ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK 165
Im Rahmen dieser Arbeit wurden die de novo Hämproteine MOP-P1 und MOP-P2
synthetisiert und zusammen mit drei weiteren synthetischen Hämproteinen sowohl in Lösung
als auch in immobilisierter Form bezüglich ihrer spektroskopischen und elektrochemischen
Eigenschaften charakterisiert. Für die Untersuchungen in Lösung standen dabei die UV-vis-
und die Resonanz-Raman-Spektroskopie im Mittelpunkt, während die Charakterisierung der
oberflächengebundenen Proteine vor allem mit Hilfe von elektrochemischen Methoden auf
Goldeinkristallen, stationärer und zeitaufgelöster SERR-Spektroskopie, sowie in situ
Rastertunnelmikroskopie erfolgte. Dabei wurden erstmals strukturelle Details über immobi-
lisierte de novo Proteine offengelegt. Gleichzeitig gelang mit der Abbildung von MOP-C und
möglicherweise auch von MOP-P3 die ersten in situ rastertunnelmikroskopischen
Aufnahmen von de novo Proteinen überhaupt, wobei die Größe der abgebildeten Proteine
mit guter Näherung den Dimensionen entspricht, die aus einem Computermodell der de novo
Proteine abgeleitet wurden.
Neben den synthetischen Proteinen wurde Cytochrom b562 in Lösung und zum ersten Mal
auch SERR-spektroskopisch in immobilisierter Form untersucht. Dabei wurde eine Vielfalt an
Informationen über das immobilisierte Protein zusammengetragen, die in vergleichbaren Sy-
stemen sonst nur bei Cytochrom c übertroffen wird. Neben der strukturellen Charakterisie-
rung von Cyt b562 standen die Untersuchung der Adsorptionseigenschaften, der Mechanis-
mus und die Dynamik des ET im Mittelpunkt des Interesses.
Um einen hohen Oberflächenbedeckungsgrad als Voraussetzung für die Untersuchung von
immobilisierten Systemen zu gewährleisten, mußten zunächst spezifische Immobilisierungs-
strategien sowohl für die synthetischen Proteine als auch für Cyt b562 entwickelt werden.
Selbstorganisierte Monoschichten aus bifunktionalen Alkylthiolen erwiesen sich als tauglich
dafür, wobei die Lösungsseite der SAM an das jeweilige Protein angepaßt wurde. Aus
diesem Grund erfolgte beispielsweise die Immobilisierung der P-Typ de novo Proteine über
carboxylterminierte Monoschichten, während Cytochrom b562 über aminoterminierte SAM
und MOP-C kovalent an die Oberfläche gebunden wurde.
Alle de novo Proteine wiesen in ihrer oxidierten Form entsprechend dem gewünschten
Design eine bis-His-Ligandierung des Hämeisens auf. Unter reduzierenden Bedingungen
kam es allerdings zu einem je nach Protein unterschiedlich stark ausgeprägten Hämabbau
und zur Bildung neuer Spezies. Die Stabilität und Kooperativität bei chemisch induzierter
Entfaltung war im Vergleich zu natürlichen Proteinen verhältnismäßig gering. In der
immobilisierten Form wiesen die de novo Proteine ein nichtideales elektrochemisches Ver-
halten auf mit Nernst-Parametern kleiner als eins.
VI. ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK166
Aufgrund der geringen Stabilität konnte die Elektronentransferkinetik der adsorbierten de
novo Proteine nur in begrenztem Maß bestimmt werden, so daß die SERR-
spektroskopischen Untersuchungen hier auf die thermodynamische Charakterisierung be-
schränkt blieb. Die vorhandenen SERR-spektroskopisch erhaltenen Werte für die ET-
Geschwindigkeitskonstanten entsprechen aber in etwa denen aus den elektrochemischen
Experimenten auf Goldeinkristallen.
Dagegen erwies sich Cyt b562 als ausgesprochen gut geeignet für stationäre und zeitauf-
gelöste SERR-Experimente, so daß sein elektrochemisches Verhalten im Detail untersucht
werden konnte.
Die Untersuchungen am Wildtyp auf den Monoschichten A-C2, A-C6, A-C8 und A-C11
ergaben ein atypisches Adsorptionsverhalten des Proteins, da die SERR-Intensität der Probe
entgegen den Erwartungen von A-C2- nach A-C6-Monoschichten zunächst zunimmt. Dies
wurde mit einem höheren Oberflächenbedeckungsgrad an Cyt b562 auf der A-C6-SAM in
Verbindung gebracht, da erst bei längeren Monoschichten gemäß dem abnehmenden
Oberflächenverstärkungseffekt die Intensität der Meßspektren abnahm.
Die deutliche Zunahme der SERR-Intensität mit abnehmendem elektrochemischen Potential
wurde ebenfalls über die Eigenschaften der SAM erklärt, da einerseits A-C2 teilweise über
die Aminofunktion auf der Elektrode bindet und andererseits der Protonierungsgrad der SAM
feldabhängig ist. Dadurch steigt die effektive Oberflächenladungsdichte der SAM und damit
auch der Bedeckungsgrad des Proteins.
Potentialabhängige SERR-Experimente mit Cyt b562 WT zeigten zudem eine Veränderung
des Redoxpotentials E0 der Hämgruppe in Abhängigkeit von der Dicke dA der SAM. Während
E0 in H2O allerdings mit steigendem dA größer wurde, kehrte sich dieser Trend in D2O um: E0
nahm mit steigendem dA ab.
Dieser Befund konnte zumindest qualitativ mit Hilfe des Grenzschichtmodells nach Smith
und White erklärt werden.
Bei kinetischen Messungen wurde festgestellt, daß die Geschwindigkeitskonstante des ET
zunächst mit zunehmendem Abstand dA zunimmt und erst bei großen Kettenlängen dA
kleiner wird. Bei einfachen ET-Reaktionen wäre eine exponentielle Abnahme von kET mit
zunehmendem Abstand dA zu erwarten.
Die Ergebnisse legen deshalb nahe, daß bei kurzen ET-Distanzen andere Prozesse wie
Protonentransfer geschwindigkeitsbestimmend sein könnten. Diese Prozesse wurden noch
nicht identifiziert, das Fehlen eines kinetischen Isotopieeffektes schließt die Beteiligung von
Protonentransferschritten, wie sie bei Cyt c nachgewiesen wurden, allerdings nicht aus.
VI. ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK 167
Auf der Grundlage der in dieser Arbeit erzielten Ergebnisse an synthetischen und natürlichen
Hämproteinen lassen sich wichtige Schlußfolgerungen für die künftige Anlage systemati-
scher Untersuchungen von biologischen ET-Prozessen ziehen.
Die prinzipiellen Vorzüge, die mit dem Einsatz synthetischer Hämproteine verbunden sind,
lassen sich nur dann in vollem Maße ausschöpfen, wenn es gelingt, ihre Stabilität signifikant
zu erhöhen. Dies gilt vor allem dann, wenn diese Proteine zur Untersuchung des
heterogenen ET auf Elektrodenoberflächen immobilisiert werden sollen. Insbesondere muß
eine Verbesserung der Proteinfaltung erreicht werden. Dazu ist die kombinatorische Syn-
these eine effiziente Alternative zum rationalen Ansatz, mit dem die Optimierung der
Proteinstruktur ausgesprochen langwierig sein kann.
Eine für die Untersuchung der ET-Prozesse erforderliche Stabilitätsverbesserung der synthe-
tischen Hämproteine ist ohne Zweifel wünschenswert, da es so in der Tat möglich wäre,
entscheidend zum Verständnis des ET-Mechanismus an Grenzschichten beizutragen.
Gerade die in dieser Arbeit durchgeführten vergleichenden Untersuchungen am natürlichen
Vier-Helix-Bündelprotein Cytochrom b562 haben gezeigt, daß die Kontrolle des ET durch
das elektrische Feld keineswegs ein Spezifikum dieses Proteins ist, sondern von genereller
Bedeutung für Redoxprozesse an Grenzschichten sein könnte.
Allerdings zeichnet sich dieser Effekt im Fall des Cytochrom b562 durch einige
Besonderheiten aus, wie zum Beispiel das Fehlen eines kinetischen H/D-Isotopieeffektes.
Insofern ist die Identifizierung des bei hohen Feldstärken wirksamen geschwindigkeits-
bestimmenden Schrittes eine zentrale Aufgabe bei künftigen Untersuchungen des ET-
Mechanismus. Dazu müssen auch die Ladungsverteilungen in den Elektrode/SAM/Protein-
Grenzschichten experimentell bestimmt werden als Voraussetzung für eine fundierte
Beschreibung der Feldverteilung in der Grenzschicht.
Die Ergebnisse dieser Arbeit haben gezeigt, daß das bisher verwendete einfache
elektrostatische Modell ohne eine umfassende Charakterisierung z. B. der verschiedenen
SAM, wie sie in Zukunft mit Hilfe der oberflächenverstärkten Infrarot-Absorptionsspektrosko-
pie möglich ist, nur begrenzt hilfreich ist.
VII. ANHANG168
VII. Anhang
VII. ANHANG 169
A. Details zur Synthese von MOP-P1 und MOP-P2
1. Die Massen der Peptidfragmente
Fragment MWist [g/mol] (Soll) Anmerkungen
Templat T 1507.0 (1507)
1489.1 (1489)
1005.3 (1005)
vor Zyklisierung, mit Trt und Acm
nach Zyklisierung, mit Trt und Acm
ohne Trt, mit Acm
Helix H1 2844.4 (2844)
2760.8 (2760)
2911.5 (2912)
nach Acetylierung, mit Alloc
ohne Alloc
mit Mp
Helix H2a 2589.2 (2589)
2740.2 (2740)
nach Acetylierung, ohne Alloc
mit Mp
Helix H2b 2858.0 (2859)
2774.5 (2774)
2925.8 (2925)
nach Acetylierung, mit Alloc
ohne Alloc
mit Mp
2-H-B (MOP-P1) 6343.0 (6343) T + 2⋅H2a - 2⋅Acm
2-H-B (MOP-P2) 6828.3 (6828)
6686.1 (6686)
T + 2⋅H1 + 2⋅Acm
T + 2⋅H1 - 2⋅Acm
MOP-P1 (apo) 12167.2 (12167) T + 2⋅H2a + 2⋅H1
MOP-P2 (apo) 12538.1 (12537) T + 2⋅H1 + 2⋅H2b
Tab. 7.1: Die Massen der Peptidfragmente (ESI-MS)
VII. ANHANG170
2. Daten zur Aufreinigung der Proben mittels RP-HPLC
Die Aufreinigung der Reaktionsprodukte erfolgte mittels präparativer reverse phase HPLC
mit folgendem Zeitprogramm:
Flußmittel Zeit Anmerkungen
80% A / 20% B → 20% A / 80% B
100% B
80% C / 20% D
80% A / 20% B → 20% A / 80% B
100% B
80% C / 20% D
30 Min.
6 Min.
6 Min.
25 Min.
35 Min.
6 Min.
für Helices und Bündel
für das Templat
Tab. 7.2: Zeitprogramm für die präparative RP HPLC-Reinigung der Reaktionsprodukte
A: H2O (bidest.), 0.1% TFA
B: 80% Acetonitril, 20% H2O (bidest.), 0.1% TFA
C: Methanol
D: H2O (bidest.)
Die Kopplung der Helices an das Templat bzw. an das Zwei-Helix-Bündel wurde mit Hilfe
von analytischer RP HPLC überwacht, da der Umsatz der Reaktion über die bekannten
Retentionszeiten der Edukte beobachtet werden konnte. Die Zusammensetzung des
Flußmittels für die Trennung betrug dabei konstant 50:50 (A:B).
VII. ANHANG 171
B. MathCad-Programme
1. Topologische Auswertung von STM-Bildern
VII. ANHANG172
VII. ANHANG 173
VII. ANHANG174
VII. ANHANG 175
VII. ANHANG176
VII. ANHANG 177
2. Simulation von Cyclovoltammogrammen
VII. ANHANG178
VII. ANHANG 179
VII. ANHANG180
VII. ANHANG 181
3. Komponentenanalyse von UV-vis-Spektren
VII. ANHANG182
Vergleich zwischen gemessener und angepaßter Funktion:
Icalc 0⟨ ⟩Mfit 0⟨ ⟩
:= Icalc 1⟨ ⟩P
0Ment 1⟨ ⟩
⋅ P1
Mnat 1⟨ ⟩⋅+ P
2Mback 1⟨ ⟩
⋅+:=
340 360 380 400 420 440 460 480 5000.01
0
0.01
0.02
0.03
0.04
0.05
Mfit1⟨ ⟩
Icalc1⟨ ⟩
P0 Ment1⟨ ⟩
⋅
P1 Mnat1⟨ ⟩
⋅
P2 Mback1⟨ ⟩
⋅
Mfit0⟨ ⟩
Icalc0⟨ ⟩
,
340 360 380 400 420 440 460 480 5000.003
0.002
0.001
0
0.001
0.002
Mfit1⟨ ⟩
Icalc1⟨ ⟩
−
Mfit0⟨ ⟩
VII. ANHANG 183
4. Fit von „trumpet plots“ unter Berücksichtigung der Fermi-Funktion
VII. ANHANG184
VII. ANHANG 185
5. Der „m“-Parameter für die Auswertung kinetischer Daten nach Laviron
Ψc E( ) mc expn F⋅R T⋅
E E0−( )⋅
α−
⋅ 1 mc 1 expn F⋅R T⋅
E E0−( )⋅
+
⋅ expmc
α 1 α−( )⋅exp
n F⋅R T⋅
E E0−( )⋅
α−
⋅ 1 α 1 expn F⋅R T⋅
E E0−( )⋅
+
⋅−
⋅
⋅
∞
expn F⋅
R T⋅E E0−( )⋅
zz1 α+( )−
expmc
α 1 α−( )⋅z
α−⋅ 1 α 1 z+( )⋅− ⋅
−
⋅
⌠⌡
d⋅−
⋅:=
Ψap ma− expn F⋅R T⋅
Ep E0−( )⋅
α−
⋅ expn F⋅R T⋅
Ep E0−( )⋅
ma 1 expn F⋅R T⋅
Ep E0−( )⋅
+
⋅ expma
α 1 α−( )⋅exp
n F⋅R T⋅
Ep E0−( )⋅
α−
⋅ 1 α 1 expn F⋅R T⋅
Ep E0−( )⋅
+
⋅−
⋅
⋅
0
expn F⋅
R T⋅E p E0−( )⋅
zzα−
expma
α 1 α−( )⋅z
α−⋅ 1 α 1 z+( )⋅− ⋅
−
⋅
⌠⌡
d⋅−
⋅:=
VII. ANHANG186
Lebenslauf
seit Mai 2000 Doktorarbeit unter der Leitung von Prof. Dr. Peter Hildebrandt
am MPI für Bioanorganische Chemie (vormals MPI für
Strahlenchemie)
Januar 2001 - April 2003 Promotionsstipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes
Oktober 2001 - März 2003 Forschungsaufenthalt am Instituto de Tecnologia Química e
Biológica (ITQB), Universidade Nova de Lisboa (Portugal)
März - Juni 2002 Forschungsaufenthalt bei Prof. Dr. Jens Ulstrup, Technical
und Juni - Juli 2001 University of Denmark (DTU), Lyngby (Dänemark)
Juni - Juli 2000 Forschungsaufenthalt bei Prof. Dr. Wolfgang Haehnel, Albert-
Ludwigs-Universität Freiburg
Januar 1998 - März 2000 Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes
Oktober 1995 - März 2000 Chemiestudium an der Universität/ GH Essen
März 2000 Diplom mit der Gesamtnote „sehr gut“
Sept. 1999 - März 2000 Diplomarbeit: „Improved laser-based detection of NO3 radicals
in the gas phase“ unter der Leitung Prof. Dr. Reinhard Zellner,
Universität/ GH Essen
Sept. 1999 - Dez. 1999 Forschungsaufenthalt bei Prof. Ron C. Cohen, University of
California at Berkeley, Berkeley (USA)
Nov. 1998 - Februar 1999 Forschungsaufenthalt bei Prof. Dr. Nicolo Omenetto, Joint
Research Centre, Environment Institute, Ispra (Italien)
1995 Abitur am Gymnasium Essen-Borbeck, Gesamtnote 1.3