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Page 1: Wie kommt der Stress in die Koronarien?

Psychosoziale Risikofaktoren

Wie kommt der Stress in die Koronarien?

Dass bei der Pathogenese der KHK neben den klassischen Risikofaktoren auch psychosoziale Ein� üsse eine wichtige Rolle spielen, gilt heute als unbestritten. Doch welche Mechanismen sind an diesem Herz-Stress-Teufelskreis beteiligt,und wie kann man hier präventiv eingreifen?

−Die Deutsche Gesellscha� für Kar-diologie hat in einem Positionspapier, das 2013 aktualisiert wurde, die Bedeu-tung psychosozialer Faktoren in der Kardiologie umfassend beschrieben und entsprechende Präventionsleitlinien er-arbeitet. Danach sollen psychosoziale Risikofaktoren bei der Einschätzung des individuellen KHK-Risikos immer be-rücksichtigt werden. Dazu gehören so-wohl soziale Faktoren, wie niedrige So-zialschicht, mangelnde soziale Unter-stützung, Tod des Partners und Einsam-keit, als auch psychische Faktoren wie Depression, vitale Erschöpfung, Angst, Feindseligkeit und posttraumatische Be-lastungsstörung.

Bei einem Drittel aller Infarkte spielt die Psyche eine RolleDiese Empfehlungen basieren u. a. auf den Ergebnissen der INTER-HEART-Studie, die die Relevanz der koronaren Risikofaktoren für die Infarktentste-hung analysiert hat. „Danach sind psy-chosoziale Faktoren bzw. Stress bei ei-nem Drittel aller Infarkte maßgeblich mitbeteiligt“, so Prof. Prof. Prof Christoph Herr-mann-Lingen, Göttingen. Bei Frauen spiele der emotionale Stress eine noch größere Rolle als bei Männern. Auch Kindheitsbelastungen wie Missbrauch, Vernachlässigung und körperliche Miss-handlung erhöhen das spätere Infarkt-risiko.

In� ammatorische und neuroendokrine MechanismenWie lässt sich der Zusammenhang zwi-schen Stress bzw. Depression und Ko-ronararterien erklären? „Dabei spielen sowohl Faktoren auf der Verhaltensebe-ne als auch solche auf der pathophysio-logischen Ebene eine Rolle, und beide Ebenen beein� ussen sich gegenseitig“, erklärte Herrmann-Lingen. So führt emotionaler Stress zu einem vermehr-ten Genuss von Alkohol und Nikotin, zu sozialem Rückzug, körperlicher In-aktivität und Non-Adhärenz. Patho-physiologisch kommt es zur � rombo-zytenaktivierung, zu einer vermehrten Zytokinfreisetzung, zu einer endothe-lialen Dysfunktion, einer Dysfunktion des autonomen vegetativen Nervensys-tems und der hormonellen Stressachse. Dadurch wird auch die Manifestation der klassischen Risikofaktoren wie Hy-pertonie, Diabetes, Adipositas und Dyslipidämie begünstigt. „Der Patient bewegt sich in einem Herz-Stress-Teu-felskreis, da die durch Stress induzierte

vegetative Übererregung das Herz schä-digt, was wiederum durch Schmerzen und körperliche Schwäche zu einer Ver-unsicherung mit daraus resultierendem Stress, Angst und Depression führt“, so Herrmann-Lingen. Die Herzerkran-kung interagiert mittels in� ammatori-scher und neuroendokriner Mediato-ren mit dem psychischen Be� nden.

Therapeutische KonsequenzenAngesichts dieser Zusammenhänge soll-ten KHK-Patienten mit einer a� ektiven Komorbidität psychotherapeutische Maßnahmen empfohlen werden. Eine antidepressive Pharmakotherapie, vor-rangig mit selekiven SSRIs, ist bei de-pressiven Patienten nach einem akuten Koronarsyndrom dann empfehlenswert, wenn sie an einer mindestens mittel-schweren rezidivierenden depressiven Störung leiden. „Bei Patienten mit Herz-insu� zienz sollte eine solche Pharma-kotherapie allerdings nur nach sorgfäl-tiger individueller Nutzen-Risiko-Ab-wägung erfolgen“, empfahl Herrmann-Lingen.

Dr. med. Peter Stiefelhagen ■

■ Quelle: Cardio-Refresher 2014, 17.1.2014 in Wiesbaden

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22 MMW-Fortschr. Med. 2014; 156 (5)

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