Ch aj im B l o c h
Hersch Os ropo er
Ein jüdischer Till-Eulenspiegeldes 1 8. Jahrhunderts
S e i n e G e s c h i c h t e n u n d S t r e i c h e
1 9 2 1
B e n jam i n H a r z V e r l a g B e r l i n W i e n
Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung,Dramatisierung oder Verfilmung auch e inzelnerTe ile und Kapitel des Buches , vorbehalten.
Copyright 1 921 be i Benjamin Harz Ver lag Berlin Wien
Gedruckt bei G. Kreysing in Le ipzig
Dem Freunde und Führer
Ad o l f S tand
gestorben in Wien am 22. Dezember
30. Kislév 5680
in wehmütiger Erinnerung
Vorbemerkung .
Daß ich Weltkriege fas t dreieinhalb Jahre des
Kaisers Rock trug, hatte für mich den einen Vorteil ,daß ich meine Volksbrüder aus Ost und Wes t, Nord
und Süd, aus Europa und teilweise auch aus Asien,
kennen lernte . Meine in vi elfacher Berührung mit Ju
den aus verschiedenen Ländern gewonnenen Eindrücke
und Erfahrungen von ihrem Füh len und Denken,
ihren Sitten und Gebräuchen , geben mir für längere
Zeit den S toff zu umfassenden Arbeiten nach vielen
Richtungen , übe r ihre Licht und Schattenseiten .
Zunächst wi ll ich vom polnischen Judén erzählen ;
er ist m ir nahe an Geist und Blut, an Lebensart und
Anschauung, und ich konnte ihn eher begreifen, in
seine Seele tiefer und klarer schauen als di es bei den
Juden anderer Länder der Fal l war .
Der polnische Jude is t heute trotz , oder besser gesagt gerade wegen, des vielen Fremdartigen an ihm ,
der Liebling des westjadischen Lesekreises gewordenf
Man wehrt sich gegen ihn . Aber dieser Abwehr ent
strömt Liebe, entspringt Achtung .
Die polnischen Juden haben nicht nur ihre Heiligen
und Gelehrten, weltabgewandte Denker und Deuter
der Schrift, sie haben sind sie j a eine Welt für
sich auch ihre eigenen Char latans, ihre Witzbo lde
und ihre Narren .1 )
Da drängt es mich aber mit echt polnisch- j üdischer
Vermessenheit, zuvor an meineW es tbrüder eine Frage
zu richten : Welcher gute Deutsche und die Juden
sind es stets kennt nicht den Namen Till Eulen
spiegels? Darstellungen seiner Geschichten.
und
Streiche sind bisher in taus enden und aber tausenden
Exemplaren verbreitet worden, in vielen j üdischen
Häusern befindet s ich „Till Eul enspiegel“
im Lieb
haberexemplar .
Kennt aber j emand von euch den Namen Hersch
Ostropolers?
Er war in seinem köstlichen und ergreifendenSpott
Till Eulenspiegel ebenbür tig, vi elleicht sogar über
legen, nur sind seine Streiche mit den Begriffen von
1 ) In Vorberei tung befinden s ich noch : 1 . Froim Greidiger ,
2. Nechemje Kul ikower , 3 . S imcbe Plachte , 4 . Schajke Fei t'
er ,
5. „Chojsek“, 6. D ie „Ghelmar
8
Wohlanständigkeit eher vereinbar . Und das ist vi el
leicht die Ursache seines Verkanntseins .
Schriftliches zu seiner Lebensgeschichte is t nicht
vorhanden . Die polnischen Juden, denen er en t
stammte und unter welchen er lebte , machen aus sol
chen persönl ichen Dingen keinen Kul tus . Man ist da
her be züglich Hersch Ostropoler au f mündl iche Über
lieferungen angewiesen .
“ Im Folgenden s telle ich di ese Lebensdaten wie auch
seine Geschichten so dar, wie ich sie von meinem Ge
währsmann Eljukim Götz Krummfuß (Krzywynogy)aus Radom überliefert bekam . Für die „Richtigk
'
eit“
übernahm derselbe die Haftung, mi t dem Hinweis ,
daß er mir das wi edergab, was er von seinem Groß
vater gesegneten Andenkens , einem Zeitgenossen
‚Hersch Ostropolers , gehört .
H er sch Ostr 0pol er .
Hersch Ostropoler war ein Urenkel des bekannten
Kabbalisten Rabbi S imson von Ostropo le‚ des Verfas
sers des seltsamen Buches „Er (Gott) werde Ge richt
halten Ihn besuchte nach einer Sage taglich e in
Engel , der ihm die Geheimnisse der Lehre mittei l te
und der im Jahre 540 8 zur Zei t der Verfolgungen des
Chmielnicky sein Name werde ausgetilgt den
von ihm vorausgesagten und mit Sehnsucht erwarteten
Märtyrertod fand . Dessen Urenkel Hersch zeigte in
seiner Jugend außerorden tl iches Talent zum Studium
und wie sein Großahne den Hang zur Kabbala . Man
setzte auf ihn Erwartungen , daß auch er ein großer
Mann in Israel sein werde . Doch die Zeit, da er zur
Welt kam ,war hi efür nicht geeignet . Auch war Hersch
früh verweist, bald au f sich selbs t angewiesen und di e
Aristokratie des Geistes die in dem von ihm ererb
ten Blute steckte, schlug einen Sei tenweg ein : Hersch
wurde ein Leez , ein Witzbold . Er muß jedenfalls eine
mystisch- rätselhafte Natur gewesen sein. Die Leute,
die ihn kannten, stellten ihm das Zeugnis aus , daß er
zwischen seinen Schädelwänden statt eines Gehirns
deren zwei hatte : ein frommes und ein schelmisches ,
doch so, daß das fromme Hirn bei ihm erhabener war
als das schelmische . Er war einMann von zwerghaftem
W uchs mit außerorden tl ich zarten schmalen Händen
und Füßen . Aber u nter dem von kohlenschwarzen ge
lockten Haar und langen Bar tumrahmten Kopf hatteeine Seele ihre Wohnung gefunden , für welche seine
1 0
Or ts leu te kein Vers tändn is hatten . Denn s ie bildeten
ihn zum rituellen Schächter heran , ein Beruf, der sei
nem Gemüte vollkommen widersprach .
Man weiß , daß der bekannte Rabbi Baruch von
Miedziborz, ein Tochtersohn des Baal—Schem-Tow , die
Seele des Königs Saul in sich schwängerte . Und als er
noch m i t der Gewal t seines Willens den Messias
herabzwingen ,die Zeit in den „Sabbat der Sabbate
“
umwandeln wollte, und dafür einen harten Verweis
von „oben erhielt, fiel er einem schrecklichen Trüb
sinn anheim . Er war ste ts traurig und kam zu seiner
eigenen Lehre : Man hüte sich vor Traurigkeit in
Gegensatz . Andere Gute Juden“
, die Zadikim des
Zeital ters, die davon erfuhren , gaben den Rat , sich
um einen tüchtigen Narren umzusehen , der durch
dumme Streiche und närrische Witze den Geist der
Traurigkeit des Rabbi vertreiben solle .
1 ) Und als des
Rabbis Anhänger von Hersch erfuhren und über ihn
Erkundigu ngen eingehol t hatten , begeiben sie sich
nach Ostropole und brachten ihn nach Miedziborz.
Neben dem ungemein strengen und ste ts melahcholi
schen Rabbi Baruch nahm Hersch durch seine Da
1 ) Verg l . 1 . Buch Samuel K ap. 1 8,Vers 1 0.
seinsf reudigkei t einen hohen Rang ein . Er wurde zum
Liebling der nach Tausenden zählenden Chassidim,
die nach Miedzibor z kamen , um des Rabbis Wort zu
hören, er neckte sie und scherzte mit ihnen , sagte
ihnen allerlei Bosheiten ins Gesicht, spottete über sie
und dies alles in angeborener Gutmütigkeit und er
erbter Volksfreundschaft, ohne daß er es einmal gar
zu böse meinte . Sehr oft war selbst der Rabbi die Ziel
scheibe seines boshaften Witzes und se iner sarkas ti
schen Bemerkungen , wodurch er seinem schmerz
über fu ll ten Herzen Lust machte, wie er s ich über
haupt j eder Handlung mit einer ironischen Bemer
kung entledigte . Hersch ging noch eine S tufe „höher“
.
Er wurde auch zum Trunkenbold . Hatte er einmal
nichts zum Trinken , so geriet er außer Rand und
Band und sein Räsonnier en war ganz fürchterlich .
Hersch von Ostropole war , ohne es selbst zu ahnen,
das Sprachrohr des tiefgekr änkten und in einem Meer
von Leid tränkenden Golusjuden, der sich sonst über
al le ihm zuteil werdende Ungerechtigkeiten durch
Gottvertrauen hinwegsetzt, nur in seltenen Fällen sei
nen Schmerz äußert und‘
seine grimmige Wehklage
erhebt
Her sch al s Dieb.
Als Hersch noch ein Knabe war, führte er einen
S treich aus , der ihn schon damal s berühm t machte .
Als einst seine Mutter „Kindlech“
, die be l ieb tes te
Mehlspeise, zubereitete, sorgte Hersch dafür, daß sie
für eine Weile vom Hause wegging . Indes plünderte
er einen großen Teil der K indlech . Die Mutter kam
nach Hause und entdeckte zu ihrem Entsetzen , daß
die Hälfte der Mehlspeise fehl te . Sie stell te Hersch
zur Rede und klagte ihn auch vor ihrem Mann an .
Aber Hersch verteidigte sich : Steht doch in der
Thom : ‚Schicke weg die Mutter und die Kinder nimm
dir‘
. Und ich hatte Eile, dieses Gebot zu erfüllen , da
ich gestern im Talmud las : ‚Kommt dir eine gute
Handlung zur Hand , lasse sie nicht sauer werden‘
.
S tünden die Kindlech längere Zeit, wär en sie sauer
geworden .
“
1 3
W i e H ersch mit seiner Mutter abrechnete.
Mit dem Gebe t s tand Hersch als Knabe auf schlech
tern Fuße und seine Mutter muß te ihn oft beschenken,
dam it er in ihr er Gegenwar t das Gebet verrichte . Da
für bekam er in der Regel ein gebratenes Fischchen ,
was eine se iner Lieblingsspeisen war .
Eines Tages hatte s ie einen größeren Fisch gekauft
und als er seinen Lohn erhal ten sollte, gab sie ihm
statt eines ganzen F isches nur den Kopf, dem sie, um
Hersch zu täuschen , den Schwanz angesetzt hatte .
Hersch stellte sich, als merke er den Betrug nicht.
Am nächsten Morgen aber sagte er nur den Anfang
des Gebe tes „Ma tobu“ und schloß gleich daran das
Schlußgebet „Olenu“
. Is t das das ganze Morgen
gebet?“ fragte ihn die Mutter befremdet . „Selbst
redend, erwiderte Hersch . „Wenn ein Kopf und ein
Schwanz ein ganzer Fisch ist, so ist ‚Ma tobu‘ und
‚Olenu‘
das ganze Morgengebetl
Der Spei chel von „Ol enu“
Ein anderes Mal , er war damals schon Bar M izwah ,
befahl ihm S eine Mutter, in das Bethaus zu gehen , um
das Gebet mi t „Minjan in der Gemeinde zu ver
richten . Hersch ging aber nicht ins Bethaus, sondern
u n terhi elt sich auf der Wiese mit seinen Kameraden .
Als er nach Hause kam und se i ne Mutter an dem
schweißigen Antlitz erkannte, daß er beim Spiel ge
wesen war, s tell te sie ihn zur Rede . Hersch beteuerte
j edoch, daß er im Bethause gewesen , und sagte
Wenn du mir nicht glaubst, dann komm mit mir ins
Bethaus, ich zeig’
di r noch den Speichel vonOlenu .
“1 )
Der wi r r g emachte Hahn.
Einst war in Ostropole großer Mangel an Geflügel .
Besonders war der Mangel an Hähnen empfindlich .
Und daes vor Jom - Kipur war , waren die Leute außer
ordentlich besorgt, wo man Hähne für die „Kapo
1) E s is t B rauch beim S chlußgebet „O lanu“ auszuspucken
als Demons tration gegen den Götzendiens t , welcher in d iesemGebet erwähnt wi rd .
1 5
r es “) bekommen werde . Am Erew- Jom-Kipur früh
morgens , da die Leute von dem Sl ichosgebe te ausd er
Synagoge heimgingen , trafen sie am Marktplatz einen
Bauer, der einen Hahn , und gar einen weißen feilbo t .
Er war bald von der ganzen Gemeinde umri ngt und
einer übet den anderen im Preise . Freilich war
auch Hersch dabe i . Er offerierte für den Hahn 1 0 0
Rubel, ohne ernstlich den Preis geben zu wollen . Der
Bauer, der erkannte , daß die Gemeinde in Verlegen
heit war, wollte die Situation ausnützen und erklärte
daher, er verkaufe den Hahn unter 1 50 Rubel nicht .
Darauf Sprach Hersch zu den Leuten : „Jeder nehme
den Hahn nochmal s in die Hand, als wolle er ihn
kaufen, schwinge ihn über den Kopf und spreche die
Formel : ,Enei Adam‘
, dann möge der Bauer das Tier
r uhi g nach Hause tragen . Der Einfal l gefiel den
R u ten sehr und alles folgte dem Rat . Die Runde
ging so, daß nur einer den andern um einen Rubel
überbot, ohne aber der Ziffer 1 50 nahe zu kommen .
Als alle Leute mit dem Hahnschwingen fertig war en,
gingen sie ihr es Weges . Zu spät wurde der Bauer
1 ) Sü hne . E s is t Si tte der Juden am Erew- Jom—K ippureinen H ahn die Frau eine H enne um den Kopf zu
schwingen , wobei man ein Gebet sprich t . Der weiße Hahnwi rd bevorzugt .
1 6
des an ihn begangenen Betruges gewahr . Nun er s t
trug er den Hah n von Haus zu Haus , aber keiner
wollte einen Überpreis zahlen . Da wurde der Bauer
wütend und schrie : Die Juden haben mir den Hahn
wirr gemacht, j etz t wollen s ie ihn nicht kaufen .
Seither wur de Hersch als Witzbold weit und breit be
kannt .
Die „K aschje“und der „Ti raz
“.
Als Hersch in der Jeschiba lernte, beklagte sich ein
Genosse, daß die Hausfrauen , bei denen er „Tage 1 )aß , ihn immer nur mit bloßer „Kasche
“2) bewirteten .
Hersch erwiderte : „Mir geht's abe r noch schlimmer .
Dich bewirtet man wenigstens mi t ,Kasche‘
, mich
aber bewirtet man stets nur mit ‚Tiru zim‘
.3) Komme
ich zum Frühstück, so sagt die Hausfrau : ‚Heute war
1 ) D ie armen Jeschiba- (Talmudhochschu le) Junger bekommenin de n H äusern der Gemeindemi i g l ieder Tage zu essen.
2) E in Bräu aus Buchweizen, im H ebrä ischen aber „FrageAntwor t , Erklä rung einer schwier igen S tel le, das Gegen
s tück von Kaschef‘
rage , hier im Sinne von Ausrede.
2 B loc h , Hersch Ostr0poler
ich krank und habe nichts gekocht‘
, beim Mittagessen
sagt sie einen anderen Tiruz und so fort .“
Hersch foppt einen Weinhändler .
Al s Herschs Weib den ersten Knaben gebar , war
Her sch außerordentli ch freudig gestimmt und trotz
seiner Armut bereitete er zum Beschneidungsf est ein
schönes Mahl vor . Er lud die vornehmsten Männer der
S tadt, die auch erschienen, weil sie mit Hersch auf
gu tem Fuß stehen woll ten . Bei Tisch sprachen die
Leute zu Hersch : „Du has t eine großartige Mahlzei t
vorbereitet, warum hast du es da an Wein fehlen
lassen?“ Hersch erklärte sich nun bereit, wenn sie
eine Weil e warten wollten , auch Wein zu bringen .
Außerhalb Ostropole wohnte ein W einhändler, der
erst vor kurzer Zeit dorthi n gekommen war, daher
Hersch noch nicht kannte . Hersch lief schnell außer
halb der Stadt, stellte sich vor das Haus des Wein
händl ers hin und machte eine Miene al s war te er auf
j emanden .
Der Weinhändler lud ihn in die Schankstube und
erkundigte sich wer und von wo er sei .
1 8
H erschs Sorgen.
Hersch kam einmal nach Berdytschew . Er ging
durch die Gassen und stell te sich zu j eder Auslage
hi n, betrachtete sie und seufz te bitter . Ein Vorüber
gehender fragte ihn : „Vetter, was seufzt Ihr?“ Hersch
erwiderte : „ Ich habe mit diesen Geschäftsleuten
großes Mitleid ; ich berechne : ich habe zu Hause ein
kleines G%chäf tchen, das m ir furchtbar viel Sorgen
macht, wieviel Sorgen müssen nun diese .Geschäfts
leute haben? Und darum seufze ich !
W i e Chelm 1) abbrannte.
Hersch erhiel t Kunde, daß die Chelmer Juden
schrecklich an der Mäuseplage zu leiden hatten . Nun
fand er einen ausgezeichneten Anlaß, sich dorthin zu
begeben und durch einen S treich zu Geld zu kommen .
Als er in Chelm eintraf, begab er sich zum Ge
meindeäl testen und sprach : „ Ich habe vernommen,
daß ihr hier von den Mäus en schrecklich zu leiden
1 ) Chelm, Gouvernement Che lm os t lich Lublin , bekanntals die Chelmer Narren.
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habt, daher brachte ich euch ein kleines Wundertier,
vor dem die Mäuse, sobald sie es erblicken , sich in
ihre Löcher verkriechen .
Sprach’
s und ließ dabe i hinter dem Rock eine Katze
springen . Da sie hungrig war, heulte sie furchtbar .
Der Gemeindeäl teste erschrak heftig be im Anblick
des Tieres , hatte doch Chelm bis dahin keine Katze
gesehen doch als ihn Hersch beruhigte, daß das
harml ose Tierchen keinem Menschen Boses tue,
dankte er Hersch für seine Freundlichkeit . Er ver
ständig te im geheimen den Rabbiner und die Ge
meindevorsteher , ein unbekannter Mann habe einTier
gebracht, vor dem di e Mäuse sich verkriechen und
lud die Leute zu Ehren des Mannes zu sich ein .
Die Katze begann gleich ihres Amtes zu wal ten und
machte sich auf di e Jagd .
Schon am nächsten Tage war Hans und Hof des
Gememdeältesten mäuser ein . Die Katze wander te von
Haus zu Haus . Kein Wunder, daß Hersch von allen
Chelmer Juden wie ein Heiliger verehrt wurde, und
es muß nicht ers t gesag t werden , daß er genug zu
essen und zu trinken hatte .
Schließlich kam die Katze zum Rabbiner . Als die
Rebezin 1 ) an einem Freitag den für Sabbat bestimm
1) Die Gattin des R abbiners , Rabbiner in.
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ten KugeP) in den Ofen bringen wollte, ertappte sie
die Katze , wie sie aus dem Topf naschte und bereits
einen ansehnlichen Teil verzehrt hatte . Sie schlug
Lärm ; es erschien der Rabbiner in der Küche, und
als er hörte, was da geschehen war , war er voll Ent
setzen : „Solche Frechheit e ines unreinen Tieres,
schrie der Rabbi, „den Kugel anzurühren , der für
den Sabbat bestimmt ist .
Nun war es in der Chelmer Gemeinde Gepflogen
heit, daß bei j edem wichtigen Vorfal l gleich eine Be
ratung der Notabeln abgehal ten wurde . Daher l ieß
der Rabbiner unversäumt eine Sitzung einberufen,
um über di e Katze wegen Entweihung des Sabbats
Ger ich t zu halten . Das Urtei l lautete : „Tod durch
Steinigung“ . Der Gemeindeälteste stell te den Antrag,
die Katze noch am selben Tage zu steinigen , und an
der Exeku tion wollte sich j edes Gerheindemitglied be
teil igen . Nun „klopfte der Gemeindedi ener aus, daß
das ganze Volk sich um die Synagoge versammle, um
die Katze zu steinigen . Und sie kamen alle, Männer,
Frauen und Kinder . Freilich fehlte auch Hersch
nicht . Er verteidigte sich vergeblich damit, daß in
die Katze ein Teufel gefahren sei , und der, nicht die
Katze. habe eigentlich vom Kugel genascht . Bald
1 ) Die beliebte Sabbat-Mehlspeise der Os tjuden.
22
j agte man die Katze au s der Stube und die Steinigung
begann . Doch sie sprang aufs Dach und vom Dach
auf den Schornstein, um so der heiligen Chalmer Ge
meinde zu entrinnen . Nun erst glaubten die Leute,
daß ein Teufel im Spiele sei . Die ganze Gemeindewar
darüber sehr verlegen . Hersch aber wußte, daß seines
Bleibens hier nicht länger sein könne und gab den
Rat : „Zündet das Haus an , damit die Katze hinunter
spr_inge . Schnell wurde das Haus angezündet, kein
Mensch blieb untä tig, und sie legten alle das Feuer
an . Doch die Katze kam nich t hinun ter, sondern
Sprang von Dach zu Dach , von Schornstein zu Schorn
s tein, und die Chelmer zündeten nacheinander alle
Häuser an , damit an der Katze das Urteil voll zogen
werden könnte . W enn nicht durch Steinigung, so
durch Verbrennen . Erst als es Sabbat wurde, ward
die Verfolgung eingestell t . Die Katze entkam ihrer
Verfolgung, indessen war ganz Chelm abgebrannt .
H er sch al s Richter .
Im Laufe der Zeit, da Hersch in Chelm war , trug
sich dort ein schrecklicher Vorfall zu . An einem Frei
tag , als der Gemeindevorsteher wie s tets einen leben
digen Karpfen eingehandel t hatte und froh nach
Hause trug , gab ihm der Fisch m i t dem Schwanze
einen Schlag ins Gesicht, daß er erschrak und den
Fisch aus der Hand ließ . Und da er ihn fangen wollte ,
und der Fisch fortab wei terspr ang und sich den Hän
den des Gemeindevorstehers entzog ‚ wurde er bald
von allen Leuten verfolgt . Und als er endlich er
griffen war, l ieß der Vorsteher gle ich alle Gemeinde
tglieder versammeln, um über d en Fisch Gericht
zu hal ten . Die Beleidigung eines Gemeindevorstehers
wu rde dazumal streng bestraft . Da die Leute nicht
ei n i g werden konnten, welche Strafe der Fisch ver
di ene, wurde Hersch zur Beratung zugezogen . Er ent
schi ed : „Da der F isch den Gemeindevors teher schlug,
muß er ertränkt werden, und zwar sei das Urteil
gleich zu voll ziehen . So wurde der Fisch in Beglei
tung der ganzen Gemeinde zum Fluß getragen, wo
man ihn elendiglich ertränkte
H ersch al s Engel .
Die Gattin eines Dorfjuden hörte von ihrem Gatten,
daß bald Sabbatnachmu “) kommen werde . Sie
glaubte , Sabbatnachmu ser i rgendein Heiliger. von der
„ anderen Wel t“
, der Prophet Elijahu oder gar der
Messias . Sie erwartete ihn daher mit großer Sel m
sucht .
Nach einigen Tagen passierte Hersch Ostropole
dieses Dorf: Er trat in die Schankstube ein , um sich
durch einen Schluck Branntwein zu leben . Die Wirts
frau , der nun einmal Sabbatnachmu im Kopfe lag,
gab ihm einen starken Branntwein und fragte ihn
„Freund ! Man sagt, Sabbatnachmu is t au f demW eg ;
war er schon be i Euch?
Hersch begriff gleich , daß er ein törichtes Weib
vor sich habe . Er erwiderte daher : Was für eine
Frage? Bin ich doch selbst Sabbatnachmu ?
„ Ihr seid Sabbatnachmu?“
sprach das Weib f as
sungslos, „dann seid Ihr j a von der anderen Welt,
und Ihr werdet doch wissen , wie es meinen E l tern
dort ergeht?“
„Schöne Frage ! erwiderte Hersch , „ob ich weiß ,
1 ) „Trostsabbat“an dem man den Abschnit t 40 aus J esaja
Trös te t , trös tet mein Volk vor lies t.
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wie es Euren E ltern geht? Sie sind sehr arm , gehen
ganz nackt und sind ganz heruntergekommen
Nun bitte ich Euch , Rabbi Sabbatnachmu , sprach
die Dor fjüdin ganz traurig, „hab t die Güte und nehmt
für meine Eltern einige Kleider und etwas Geld mi t .
“
„Sehr gern , sprach Hersch .
Nun packte das W eib ein Bündel Kleider, s teckte
Hersch einige Rubel f ür seine Mühe in die Hand und
bat ihn, j edesmal , wenn er hinüberkomme , sich bei
ihr sehen zu lassen , damit sie ihm etwas für ihre El
tern mitgeben könnte .
Selbstredend machte sich Hersch gleich auf den
Als er sich e inige Schritte vom Hause entfernt hatte,
fiel ihm ein, daß der Dorfjude , wenn er bei seiner
Heimkunft von dem Betrug erführe, ihn verfolgen
werde . Hersch begab sich daher in den nah eliegenden
W ald, versteckte dort das Kleiderbündel , entkleidete
sich , kehrte dann zurück und stell te sich am Rande
des W aldes zu einem dicken Baum, den er fes t um
faßte .
W irkl ich kam der Mann bald nach Hause, und als
ihm seine Gattin von dem wunderbaren Gast und se i
ner Auskunft übe r die traurige Lage ihrer Eltern er
zähl te, begri ff er, daß ein Betrüger sich di e Dumm
26
zuliebe tun, ihm nachzul aufen , ich werde ihn be-4
stimmt einholen und zurückbringen . Ihr müßt mir
nur Euer Pferd und Eure Gewänder geben und hi er
an meine S telle treten , um den Baum festzuhal ten .
Aber bedenkt ! Kaum lasset Ihr ihn einen Augenblick
los , so stürzt die Welt zusammen .
Der Dorfjude zog schnel l seine Gewänder aus , die
Hersch gleich anlegte . Nun eilte er davon , ging von
der anderen Seite aus in den Wal d, holte seine Sachen
und ri tt davon auf Nimmerwiedersehen .
Ein Racheakt.
Au f seinen Wanderungen kam Hersch einem
Freitagnachm ittag zu einemDorfjuden , einem großen
Knicker . Dieser lud Hersch ein , trotzdem den Sabbat
bei ihm zu bleiben . Bei der Abendmahlzei t brachte di e
Hausfrau eine große Schüssel mit Suppe und stell te
sie vor ihren Mann, damit er die Tischgenossen be
te ile . Der Mann nahm sich die obere Suppe undsprach
dabei das talmudi sche W ort : „Jeder ist sich selbst
28
der Nächste .1 ) Er schüttete seiner Fran ihren Teil
in den Tel ler und sprach : „Mann und Weib sind ein
Le ib .2) Nun teilte er von der Suppe auch seinen
Kindern zu und murmel te : „Ein Vater hat Erbarmen
mit seinen Kindern .
“3) Schl ießlich gab er Hersch den
schalen Rest der Suppe , ohne dazu ein Wort zu
Sprechen .
Al s Hersch die Suppe gekos tet hatte , die wie bloßes
Wasser war , fragte er : „Und fürmich habt Ihr keinen
Vers in der Heiligen Schrift gefunden?“ Nahm die
Suppe , schüttete sie dem Hausherrn über den Kopf
und sprach : „ Ich werde Euch mit reinem Wasser
b%prengen .
4)
H ersch al s Tauf kand idat .
Hersch war einmal in großer Geldnot . Es waren
Tage vergangen, da er mit Weib und Kindern nichts
zu essen gehabt . Da hörte er, daß ein reicher Guts
1 ) Trak tat Sanhedrin F. 9a.
2) 1 . Buch Moses Kap . 2, Vers 24.
3 ) Psalmen K ap. 1 03,Vers 1 3.
J echeskiel , Kap, 36, Vers 28 .
29
besitzer j edem Juden, der sich tarifen lasse , 1 00 Rube l
adszahle . Hersch dachte, er werde sich zum Scheine
taufen lassen , um die Prämie herauszuschwindeln .
Er kam zum Geistlichen , und dieser fing an , ihn in
dem neuen Glauben zu unterrichten . Er zählte Hersch
jeden Heiligen mit Namen auf . Uni ihm aber die
vielen Namen der Heiligen ins Gedächtnis gut einzu
prägen, gab er ihm j edesmal einen Hieb mit einer
Peitsche . Da schrie Hersch seinem W eihe , die in der
Nähe war, zu : „0 weh t die Familie ist zu groß,es is t
zum Zugrundegehen .
H ersch al s Bräut igam.
Hersch kam in ein Dorf . Als er Hunger spürte,
begab er sich ins W irtshaus und bat den Juden, ihn
über Sabbat zu Gas t zu nehmen . Jener hiel t Hersch
für einen Junggesellen, und weil er eine heiratsfähige
Tochter hatte, nahm er ihn freundlich auf . AmSabbat
ausgang, da Hersch sich verabschieden wollte, rückte
der Gastgeber mit seinem Antrage heraus, Hersch
möge seine Tochter heiraten . Hersch willigte ein und
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bald darauf, nachdem die übrigen Dorfjuden geladen
waren, wurde Verlobung gefeiert . Man beschloß,
schon in drei Wochen Hochzeit zu machen und hat
den Bräutigam , dem man ohnehin „ewige Kost“ ver
Sprach, zu bleiben . Er verbrachte einige sorgenlose
Wochen und aß und trank wie nie zuvor . Endl ich
rück te der Hochzeits tag heran, für den schon al le
Vorbereitungen getroffen waren . Vor der Trauung
sagte Hersch zu seinem Gastgeber, er habe mit ihm
Geheimes zu sprechen . Al s dieser mit ihm al lein war,
sagte Hersch : Mein Vater sel igen Andenkens hat mir
befohlen , wenn ich eins t heirate, so solle ich dem
Brautvater al le meine Fehler vorher mitteilen , damit
man mir später nicht Vorwürfe mache, daß ich auf
i rgendeine Weise ihn gefoppt habe . Daher sage ich
Euch : Mein Vater hat te vier Brüder, di e sich taufen
l ießen .
Diese Mitteilung machte den Brautvater sehr be
trübt . Er ließ auch sein Weib hereintreten , daß sie
davon Kunde haben solle . Aber nachdem er mit seiner
Frau kurz beraten hatte, sprach er zu Hersch :
Macht nichts, du bis t doch daran unschu ldig .
Höret nur weiter : Auch meine eigenen drei Brü
der und drei Schwestern haben sich taufen lassen .
“
Man kann sich nun die Trostlosigkeit der Brau t
31
eltern vorstellen . Doch was konnten sie j etz t im letz
ten Augenblick tun?
Sie Sprachen daher : Auch das tut nichts ; man
nimm t den Ochs heraus und der S tall kann verbrannt
werden .
„Nun habe ich euch, sprach Hersch , „noch eine
Mitteilung zu machen : ich haha auch ein W eib und
elf Kinder !
Kaum daß die Brauteltern dies hörten, schlugen
sie Lärm , die Hochzeitsgäste stürmten herein , hörten
von der Bescherung, fielen übe r Hersch her und
wollten ihn erschlagen . Mit zerbrochenen Gliedern
kam er davon .
Seither pflegte er seinem W eihe , j edesmal wenn sie
ihn ärgerte, zu sagen : „Geh , du bis t mir gefährlicher
al s zehn Getaufte .“
H er sch auf dem Marktplatz.
In großer Geldverlegenheit, s tell te Hersch einmal
ein Tischchen au f dem Marktplatz auf und rief laut :
Ein großartiges Mi ttel gegen Flöhe ! “ Das Mitte l be
32
s tand aus gemahlenem Kalk . In ihrer Hast kauften
die vorbe igehenden Kaufleute die Pulver, ohne den
Inhal t zu prüfen oder nach der Gehrauchsanweisungsich zu erkundigen . Hersch hatte schon se ine Taschen
mit Geld vollgefüll t, als ein Dorfjude vorüberging,
ein Pulver kaufte und Hersch fragte, wie er denn mit
dem Mittel umzugehen habe . „Wenn Euch ein Floh
heißt, so soll t Ihr ihn schnell am Leib packen und ihn
kitzeln . Natürlich wird der Floh anfangen zu lachen
und den Mund öffnen , dann schüttel t gleich die Pul
ver in se i nen Mund und er wird sofort hin
Ei ne Abr echnunm
Hersch kam einmal zu Le ib, dem Mostverkäu f er ,
und hat ihn um einen Liter Most für den Sabbat ; die
sechs Groschen werde er ihm im Laufe der Woche
bezahlen .
Der Mostverkäu f er , ein alter zahnlose r Knicker,
wollte auf das Geschäft nicht eingehen . Darauf
1) H ierzu wird als For tsetzung erzti hl t : „W enn ich den
Floh gepackt habe , kann ich ihn doch gleich zerdr ixcken
Na fr ei lich , so geht es auch .
“
3 B l 0 c h Hersch Ostropoler 33
machte Hersch di e Bemerkung : „Nicht umsonst heißt
Ihr Leib , welcher Name denselben Zahlenwert hat wie
das Wort Keleb , Hund .
“ Dieser wendete ein , daß dies
nicht stimme, da doch der Zahlenwert des Wortes
Keleb 52 sei, der Zahlenwert des Wortes Leib aber
nur mithin zehn fehl en . Darauf Hersch schlag
fertig : „Darum bist du doch ein Keleb ohne Zähn (e)
E in Geschäf t.
Hersch ging auf den Markt . Da rief ihm ein Krä
mer zu z „Kauft mir den Schrank ab , Rabbi Hersch ,
ganz billig ! “
Was soll ich hinein tun?
Eure Kleider doch !
Und i c h soll nackt umheflau fen? fragte Hersch
zornig .
34
Schnorrer, um die Almosensammlung m ich bemuhen
werde, dann würden die Leute nur zu Kopeken geben ,
und es würde nicht ausreichen, um dir zu bezahlen ,
daher folge du meinem Rate , komme du mit mir . Da
du ein achtbarer angesehener Mensch bis t, werden die
Leute viel geben , so daß noch für ein zweites Mittag
mahl übrig bleiben Wird .
Di e Sintflut.
Hersch wurde einmal gefragt, ob er an eine zweite
Sin tflut glaube . „Sie ist schon längst da, an twortete
er . „Als Noah nach der ers ten Sintflut am Leben
blieb , pflanz te er einen Weingarten und hat au f diese
Weise den Wein entdeckt . Und durch diese Sintflut
durch den Wein sind schon viel mehr Menschen
umgekommen als durch die erste Sin tflut .
36
H er sch und der Dieb.
Einmal verirrte sich em Dieb nachts zu Hersch ,
denn er wußte nicht, daß Hersch ein armer Mann
sei . Hersch lag auf dem Bett, und obwohl er nich t
schlief und auch in der Fins ternis sah , wie der Dieb
Schrank und Kas ten durchsuch te , rührte er sich nicht
und atmete stil l . Der Dieb mußte sich bald zu seinem
tiefsten Leidwesen übe rzeugen , daß diesmal seine
Mühe zwecklos sei . Im Schmerze ob seiner Enttäu
schung nahm er sei ne Schnupftabakdose au s der
Tasche , um durch e ine Prise seinen ! rger zu stil len .
Da entstieg Hersch leise seiner Sch lafstätte , ging au f
den Dieb zu und streckte gleichfalls die Hand aus , um
eine Prise an sich zu nehmen . Als de r Dieb spür te ,
daß j emand neben ihm s tehe, erschrak er sehr und
woll te entweichen . Doch Hersch ergriff seine Hand
und sprach : „Lieber Freund, bleib ruhig hier und
suche nur angstlos weiter . Am besten suchen wir
beide, vielleicht finden wir doch was und teilen mit
einander . Aber für al le Fälle bitte ich dich , erzähle
keinem Menschen , daß du bei m ir nichts fandes t . Die
Leute sollen nicht wissen , daß ich ein armer Mann
bin .
37
W i e si ch ein Menseli veränder n kann.
Hersch ging einmal in Gedanken versunken auf der
Gasse . Da begegnete er einem Menschen , stieß ihn an
und rief ihm freudig zu : „Ah , was macht Ihr, Reh .
Todres? Wie lange hab ’ ich Euch nicht gesehen ! Ihr
hab t Euch aber so verändert, daß ich Euch kaum er
kannt hätte .
Ihr seid im Irrtum, mein Lieber , ich heiße nicht
Todr es , sondern Jankel . Ach , wunderte sich
Hersch, „wi e der Mensch sich verändern kann ! Sogar
Eue'
r Name hat sich schon verändert .
H er sch ladet einen Gast zu si ch .
EinesAbends kamHer schinBeg lei tung einesMannes
nach Hause , dem er Nachtmahl und Nacht! uartier
versprochen hatte . Er s tellte den Mann seiner Fran
vor und sagte ihr auch den Zweck seines Kommens .
Die Frau wur de zornig , fluchte und schrie : Um
Gottes W i llen, du elender Schnorrer, nicht genug,
daß wir selber nichts zu essen haben, bringst du noch
einen Gast mit?“ Der Fremde fühl te sich beschämt
38
und schaute Hersch verlegen an . Hersch aber sprach
zu ihm : „Freund, macht Euch nichts aus dem Gerade
dieser bösen Frau . Wisset Ihr j a das Wort der Wei
sen : ‚Das Weib duldet keine Gaste‘
, daher tut Ihr
das Eurige . „W as sol l ich denn tun?“ fragte der
Gast verwu ndert . „Nehmet Euren Sack und Mantel
und legt Euch schlafen ! “ erwiderte Hersch .
Her sch und der Gei zhal s.
Einst ging Hersch eine Wette ein , er werde von
einem als Geizhal s bekannten Reichen , der niemal s
ein Almosen gab, eine Unterstützung bekommen .
Er begab sich zu dem Manne und trug sein Ver
langen vor . Der Reiche sprach verdrießlich : „Hast
du nicht gehört, daß ich keine Almosen gebe , weshalb
bist du dennoch gekommen?“
Hersch erwiderte : „Weil die Almosen , die ich von
Euch jetz t verlange, zu Eurem Vorteil sind .
“
Wieso?“ fragte der Geizhals .
Da hört mich an ! Ihr habt sicher gehört, daß die
Hölle durch eine Lawine zerstört worden ist . Und
39
nun bin ich dam i t betraut worden, unter j enen Per
sonen ,welche für die Hölle in Be tracht kommen ; für
den Wiederaufbau Geld zu sammeln . Da Ihr als e in
Kandidat für die Hölle in den Büchern verzeichnet
seid, l ieg t es in Eurem Interesse, den Wiederaufbau
zu fordern .
„Wenn die Holle zer stor t is t, wo werden jetzt die
Bosewichte gestraft?“ fragte der Geizhals ganz ver
legen .
Vorlä ufig hat man bei einem Bauer einen großen
Schweinestal l gemietet und hat den als Sammelstelle
für di e neu hinzukommenden Bösewich te eingerichtet .
Und nun frage ich Euch , wi rd es schön sein , wenn so
ein Reicher wie Ihr in einem Schwei nes tal l un ter
gebrach t werden sol l?“
Der Ge izhals mußte diesmal von seinem Grundsatz
abweichen, gab Hersch einen namhaften Betrag zum
Wiederaufbau der Hölle und erhiel t von Hersch die
Zusage , einen Ehrenplatz zu erhal ten .
Hersch und der Dorfjude.
Ein al ter Dorfmann r ichtete einmal an Hersch die
Frage, was denn die Leute am Jom—Kipur be i „Ko
rem“1 ) tun .
Habt Ihr denn nich t gesehen ,“ erwiderte Hersch ,
daß die meisten Leute Kinder mit in die Synagoge
nehmen und jedes Kind ein Päckchen in der Hand
trägt? Wisset Ihr, die Leute nehmen Palatschinken
mit sich und die werden gegessen , während sie nieder
knien und sich bücken .
“
Der Dorfjude war mit dieser An twort sehr zu f r ie
den . Er fuhr nach Hause und erzählte seinem W e ihe ,
daß er nunmehr das Geheimnis vom Korem kenne
und befahl ihr , für den herannahenden Jom-Kipur
Palatschinken zu bereiten , um sie in di e Synagoge
mitzunehmen . Als es zu Korem kam , aß er die Pal at
schi nken .
Der gute Geru ch der fetten , frisch gebackenen Pa
latschinken wurde in der ganzen Synagoge fühlbar ,
aber kein Mensch ahnte , woher dieser an einem Fast
tage doppe l t wohl tuende Geruch kam .
1) Bei der „Ahoda einer Beschreibung des D iens tes des
Hohepr ies te rs im Tempe l zu J erusalem, kniet man bei dem
W or te „Kor im“ mehrmals nieder .
41
Als sie sich schon erhoben h atten , sahen sie den
al ten Dorfmann noch immer zu Boden liegen , uhd
daß er was im Munde habe .
„Reh Todres,“
schrien sie ihn an , „ ist ja heute
Jom- Kipur?“
Räuberbande, schrie der Dorfmann aus voll
gestopftem Munde, „hab t Ihr denn gar kein Einsehen,
daß ich ein al ter Mann bin und daher keinen Zahn
mehr im Munde habe? Freilich, ihr j üngeren Leute
vermag t mit den Palatschinken schnell fertig zu wer
den nun geduldet eine Weile, bis ich auch den Bissen
bi nunter schlucke .
Man kann sich vors tellen , welche Heiterkeit der
Vorfall erregte . Doch fandensich ernste und fromme
Leute , die den Mann belehrten , was man be i Korem
tut . Und da wußte der Alte erst, daß Hersch seine Un
wi ssenheit zu seinen Witzen benützt hatte .
H er sch und die H ändler in.
An einem Wintertag mußte Hersch be i großem
Schneegestöber und knarrendem Frost auf die Straße
hinaus , weil se in W eib ihn drängte, Brot für die Kin
42
war es entsetzlich kalt . Bald darauf kam der Haus
herr aus der S tadt und seine Gattin drang in ihn, \in
versäum t das Mittagmahl zu s ich zu nehmen . Sie
stell te vor ihn ein hübsches frisches Brot und eine
volle Schüssel heißer Milch auf den Tisch . Hersch
verdr oß es sehr, daß die Frau mit seinem knurrenden
Magen kein Erbarmen hatte . Was ta t Hersch? Als
der Hausherr sich die Hände wusch und den ersten
Segen sprach, stell te sich Hersch zum Tisch und
rüttel te ihn , so , daß sich etwas von der Milch ver
schüttete . Der Hausherr schrie Hersch zu : Nu, nu“
durfte er doch zwischen dem Brotsegen und dem
Essen nichts reden damit sich Hersch in acht
nehme und die Milch nicht ausschütte . Hersch abe r
legte d ieses „Nu, nu“ so aus , als hätte ihn der Haus
herr zum Essen e i ngeladen . Er setz te s ich gleich zu
Tisch und aß vom Brot und trank die Milch . Die
Hausfrau konnte doch nich t so unverschäm t sein, ihn
dar in zu s tören und gab ihrem Menue anderes Essen .
Hersch bedankte sich sehr bei dem Hausherrn für
seine freundl iche Einladung . Als aber Hersch noch
mals durch das Dorf und in dieses Haus kam , gab
ihm die Haus frau das Mittagmahl , ohne die Ankunft
ihres Gatten abzuwar ten .
Di e Gräfin und die Komtessen.
Als Hersch den Ruf nach Miedziborz erhalten hatte ,
übe rlegte er nicht lange, lud se ine „sieben Sachen“
wie auch seinWeib undKinder er hatte unbeschr ien
deren elf auf einen Wagen und trat die Reise an .
Draußen war ein graus ig kal tes Wetter, denn es war
mitten im tiefen Winter, ein Dezembertag .
Der Weg von Ostropole nach Miedzibor z is t ziem
lich weit, so, daß , wenn man auch früh am Morgen
aufbricht,man e ine Nacht unterwegs sein muß .
Als es Nacht wurde, die Kinder den Hunger und
die Kälte nicht ertragen konnten , und durch Weinen
Konzert gaben , entschloß sich Hersch , in einemDor f
gasthause über Nacht zu bleiben und am folgenden
Tage die Reise fortzusetzen .
Als er vor das Gasthaus kam , fand er Tur und Tor
bereits geschlossen . Hersch mußte lange Zeit an die
Fenster pochen , bis die Eigentürher in seine Stimme
hörte und ihn nach seinem Verlangen fragte .
Hersch erwi derte au f ihre Fr ege in polnischer
Sprache
Es is t meine durchlauchtigs te Frau Graf in mi t
ihren durchlauchtigsten Komtessen öffnet sogleich
und geht ihnen Einlaß , denn das We tter draußen ist
furchtbar öffnet, oder daß Euch der Teufel hole !“
45
Kaum hörte die Jüdin das Wor t Graf in als sie
schnel l auf den Beinen war , das Tor öffnete ui i d
Hersch, den s ie freilich für einen gräflichen Lakaien
hielt, ein warmes Z immer zuwies . Da sie nur dürftig
gekleidet war, zog sie sich gleich in das Schlafzimmer
zurück .
Nun brachte Hersch Weib und Kinder in das warme
Zimmer und machte es ihnen dar in ganz be! u em . Sich
selbst gönnte er keine Ruhe . Wieder pochte er an die
Tür der Eigentümerin . Die hochgnädige Gräfin‘
wünscht für sich und für die durchlauchtigsten Kin
der ein Nachtmahl . “
Mit einer Gräfin war dazumal nicht zu spaßen .
Schließlich , dachte die Frau, wurde sie j a auch auf
ihre Kosten kommen . Sie stand auf, richtete den nun
glu tlosen Herd w eder auf und bereitete e in gutes
Nachtmahl zu . Sie l ieß es an nichts fehlen , auch Wein
holte sie vom Keller . Hersch , der in des Gewand eines
gräflichen Kutschers gekleidet war, erregte kein Miß
trauen , und er bediente seine „gräfliche Herrin“
So verbrachte er die ganze Nacht be i Sans und
Breus
Als der Morgen kam, bereitete die Jüdin ein gutes
Frühstück zu und trug es aufs Z immer .
Man kann sich ihr Ents etzen vors tellen , al s sre der
häßlichen schäbig angezogenen Gräfin und der in
Lumpen gehüllten Komtessen ansichtig wurde . Sie
sah, daß sie einem Betrüger zum Opfer gefallen, und
fing an zu schirnpf en undzu schelten . Sie schrie : „Das
sind die durchlauchtigste Gräfin und die Komtessen?“
Doch Hersch schrie noch lauter : „Mein Weib ist bei
mir so würdig wie eine Gräfin und meine Kinder wie
Komtessen .
Die Gastgeberin sah nun ein , daß j edes wei tere
Wort unnütz sein würde . Zumindest hat s ie um Be
zahlung für das kostspielige Nachtmahl .
Hersch wendete j edoch kal tblütig ein : „ Ich habe
keine Kopeken .
“
Da geriet die Gastgeberin in schrecklichen Zorn ,
gebärdete sich wie eine Wahnsinnige und erklärte,
die nette Sippe nicht au s dem Hause zu lassen , ehe ih r
die Rechnung bezahl t werde .
Als Hersch diese Drohung hörte , wu rde er sehr
froh . „Habe ich dir nicht gesagt, sagte er zu seinem
Weib , „Go tt wird uns nicht verlassen? Schau, da
haben wir für längere Zeit ! uartier und Kos t und
sind von jeder Nahrungssorge befreit . Oder war s t du
etwa mit der Kost unzufrieden?“
‚ Da überzeugte sich die Gastgeberin, daß sie dies
mal sehr schlecht hineingefal len war und hat Hersch,
47
sich ihrer, einer unglü cklichen Witwe, zu erbarmen
und so rasch als möglich von ihr wegzuziehen . Frei
lich verlangte sie von ihm keineBe zahlung mehr .
Wenn Ihr so redet, sprach Hersch , „dann bin ich
e in Edelmann ich fahre sogleich von hier for t .
Er brach te nun seine Gattin und die Kinder auf den
Wagen und traf die Vorbereitung zur Wei terreise .
H er sch und der polni sche Edelmann.
Noch war Hersch im Vorhause des Gasthauses mit
den Vorbereitungen zur Abreise beschäftigt, als ein
polnischer Edelmann an dem Gasthaus vorbeifuhr .
Er blieb eine Weile stehen , um Futter für di e Pferde
zu kaufen . Hersch scherte sich um ihn nicht, freilich
un terließ er es auch, vor ihm die Mütze zu ziehen und
ihm durch den Knix die Ehre zu erweisen . Der Edel
mann wur de über die Unverschämtheit des Juden un
gehal ten und f r eg te_Her sch in barschem Tone : Wo
her bist du denn, Jude?“ Hersch erwiderte ruhig : „Aus
Ostropole ! Darauf der Edelmann : „A czapka?“1 )
1) „Und die Mu tze ! Der herrschende Ade l gewöhnte
die in seiner Sklaverei lebende Bauernschaf t angesichts eines
48
Ebenso aus Ostropole ! erwiderte Hersch gelassen .
Da muß te der Edelmann über den dummen Juden
lachen . Hersch eher bes tieg den Wagen , und indem er
au f den Edelmann noch einen verächtlichen Blick
warf, fuhr er davon .
H ersch sucht des Rabbi s Nase.
Als Hersch am Abend in Mi edziborz ein traf, wu rde
er gewahr, daß Rabbi Baruch gerade an diesem Tage
außerordentlich traurig war . Er wollte den ganzen
E de lmanns rasch die Mu tze vom Kop i e zu nehmen und d ieseunter dem l inken A rm haltend , niederzuknien . Allmäh licheigneten s ich auch die Dorfjuden, die Pächter der Or enden
d iese Un terwii ri igkei t an. Sei ther sehen es die Ed el leu te füreine Frechhei t an ,
wenn ein Jude vor ihnen die Mütze nich thob und er pflegte angesch r ien zu werden „A czapka l
“Das
W ort is t auch sp'
r ichwört lich bekannt . Im Jahre 1 848 zur
Zei t der Bauernerhebung in Polen haben Ede l leute bei J udenSchu tz gesuch t und gefunden. E in Graf saß bei einem Ju denmehrere W ochen in „ Spodek und falschen Pejes , s ich uneut
h0rlich über einem Talmudfolianten schaukelnd. D er Judeaber mußte vor ihm entb lößten Haup tes s tehen. E in anderer
E delmann‘
v ers teckte sich bei einem armen Juden auf dem
Backofen . Und als er einmal erb l ickte , daß der Jude seine
Mütze auf dem Kopi e hatte, ermahnte er ihn barsch : Zyda,
czapka ! „ J ud’
, die Mütze !“
4 B l oc h , Hersch Ostropoler 49
Tag , außer seinen Meschamschim keinen Menschen
empfangen und keine Nahrung zu sich nehmen,‘
son
dern ging stundenlang in Gedanken vertieft, den Kopf
hi nabgebeugt, im Zimmer hin und her und gab auf
keine Frage eine Antwort .
Hersch erschien mi t seiner Reiselaterne im Hause
des Rabbi, und ohne von j emand die Erlaubnis zum
Betreten des heiligen Gemachs erhalten zu haben ,
ging er hinein . Jedem Fußtri tt des Rabbi folgend ,
schi en er etwas Verlorenes zu suchen . Da fragte einer
der Meschamschim den fremden Eindringling : „Was
hast du denn hier zu suchen?“ Hersch erwiderte : „ Ich
habe vernommen, daß der heilige Rabbi die Nas e
hi nun terl ieß , und da kam ich mit meiner Laterne, um
nach ihr zu suchen . Darauf lachten nicht nur die
Diener, die sofort begriffen , daß es der bestell te Hof
narr sein dürfte, sondern der Rabbi selbst hob den
Kopf höher, sah sich Hersch gründlich an und lachte
leise . Er sprach : „ Ich wünsche , daß der Man n in
meiner Nahe bleibe, denn er hat mich jetzt mit seinem
klugen Witz er! uickt .
Der Rabbi lachte , denn er begriff, daß ihn Hersch
durch seine Frage aufmerksam machen wollte , daßer
kein Geld habe , Lebensm i ttel zu kaufen . Er gab ihm
daher fünf Rube l und sprach : „Nun hoffe ich , dir
au f deine Keschje einen guten Tir uz gegeben zu
haben .
Einige Tage nachher kam Hersch wieder mit der
selben „Kaschje“
. Da sprach der Rabbi : „Habe ich
dir doch ers t vor paar Tage auf die Keschje einen
Tiru z gegeben ? “
Hersch erwiderte : Vers teh t doch Rabbi—Leben !
Als ich nach Hause kam und Euren Tir u z gründlich
zerkaute, da blieb von ihm nichts und daher tauch te
die alte Keschje w ieder au f .
Eine Lüge an r i cht ig er Stel l e.
Ilersch kam e i nmal in das Gemach des Rabbi und
fand ihn in sehr düsterer S timmung . Hersch stellte
sich weinend . Da sprach der Rabbi : „Hersch , höre
au f zu weinen , denn ich kann das nicht ertragen .
Hersch stellte sich aber, als hätte er des Rabbis Worte
52
nich t vernommen . Wieder sprach derRabhr : Hersch ,
du weißt, daß ich den Schmerz e i nes j eden Juden von
einem Weltende bis zum anderen Wel tende mitleide ,
daher me ine ewige Traurigke it . Nun stehst du in
meiner Nähe und weins t, um meine Traurigkei t noch
zu vergrößern? Sage mir, warum du weins t , und ich
gebe dir dafür zehn Rubel . Da erwiderte Hersch mit
weinender S timme : Hab t Ihr m ir doch vor einer
Weile zwanzig Rubel zugesagt, j etz t heiß t es bloß
zehn darum weine ich . Dem Rabbi gefiel der
Lüge Witz sehr und er gab Hersch zwanzig Rubel .
H ersch al s Teu fel .
Rabbi Baruch fuhr einmal nach Kozience , um sei
nem Freund, dem „Magid ‚ e inen Besuch abzustatten .
Wie s tets , begleitete ihn seine ganze Gefolgschaft .
Auch Hersch schloß sich ihr an . Als sie am Abend in
ein Dorf kamen, stell ten sich die Bauern des Dorfes ,
die em wenig angeheiter t waren , auf die Straße und
ließen die Wagen nicht passieren . Da es regnete, war
es höchst unangenehm , dort lange zu stehen . Als j edes
53
Bitten und auch Geldangebo te vergehens war en , trat
Hersch vor den Rabbi und sprach : „Rabbi, gebt m ir
die Erlaubnis , e twas anzus tellen , und Ihr sollt nach
her ungehindert durchfahren können . Natürlich ver
sagte ihm der Rabbi die erbetene Bewilligung nicht .
Nun , was tat Hersch? Er entkleidete sich , beschm ier te
sich von Kopf bis Fuß mi t Kot und begab sich an die
S telle , wo die Bauern standen . Kaum hatten ihn die
Bauern erblickt, schrien sie Gitko“
, „ein Teufel“
und l iefen Kopf über Hals davon . Und da konnte der
Rabbi die Reise ungestört fortsetzen .
H ersch ver tr i tt di e Stel l e des Rabbi .
Eines Tages , de der Rabbi in der „Mikweh war ,
kam eine Frau in des Gemach des Rabbi und trug
Hersch,den sie für den „Heiligen
“
hielt, weinend die
Bitte vor,für ihre Tochte r zu Go tt zu beten , die sich
se i t einigen Tagen in Gebur tsnöten befände . Hersch
setzte sich au f des Rabbis S tuhl und gab der Frau den
Rat, ihrer Tochte r an den Nebel einen Kreuzer zu
legen,dann werde s ie bald das Kind gebären . Er ver
54
langte,daß man ihn gleich davon verstä ndigen solle ,
sobald das Kind komme . Die Frau ging nach Hause ,
befolgte den Rat , den ihr Hersch gegeben , meinte sie
doch , daß es der Rabbiner gewesen war . Der Zufall
wollte es , daß das junge Weib in der Tat bald nach
dem man ihr den Kreuz er auf den Nebe l gelegt hatte,
das Kind gebar . Da schickte ihre Mutter ihre Nichte,
um dem Rabbi davon Mitteilung zu bringen . Als sie
kam , hatte der Rabbi wieder seinen Sitz eingenommen .
Die Bo tin sag te : „Rabbi , ich wünsche Euch ,Masel
tow‘
, Euer Rat war gut, und das Weib hat gleich der
au f , al s ihr der Kreuzer aufgelegt wurde , das Kind
zurWelt gebracht .“ Da begriff der Rabbi , daß Hersch
in seiner Abwesenheit die Rabbi-Rolle gespiel t hatte .
Er fragte ihn lächelnd : Wie kamst du zu dem Ein
fal l, einen Kreuzer auf den Nebel zu legen?“
Hersch
antworte te : Ich habe ein Sprichwort gehört : ‚sobal d
man einem Juden einen Kreu zer zeig t, springt er aus
der Haut ‘ , nun empfahl ich der Frau, ihrer Tochter
einen Kreuzer auf den Nebel zu legen und wußte, daß
dann der Jud aus der Haut springen wird .
“
55
H ersch 10ppt einen Für sten.
In Lu zk wohn te ein m äch tiger Fürst, ein kränk
l icher Mann von finsterer und schlechter Laune . Je
dermann für ch tete ihn
Einmal erfuhr der Furs t, daß in M iedziborz ein
Rabbi seinen Sitz habe,der ebenso wie er kränklich ,
j ähzornig und immer trau rig war . Da sprach er zu
seinen Leuten : Gewiß tut er es , um meiner zu
spotten ; ich will i hn eines Besseren belehren .
Er ließ seinen Wagen anspannen und reiste mi t
seinem ganzen Hofstaat nach Miedziborz, um sich an
Ort und Stelle zu überzeugen , ob die Kunde von des
Rabbis Führung wahr sei .
Al s er in Miedzibor z einlang te‚ l ieß er den Rabbi zu
sich rufen . Glücklicherweise war Rabbi Baruch seit
einigen Tagen abwesend und der Verwal ter des Rabbi
konn te sein Nichterscheinen entschuldigen .
Der Fürst aber l ieß dem Verwalter des Rabbi se
gen : „Wenn dein Herr von der Reise zurückkommen
wird, hat er innerhalb drei Tagen nach Luck zu rei
sen , um mir folgende Fragen zu beantworten : wie
groß ist der Boden , den ich mein eigen nennen darf?
Wieviel wieg t der Mond? Wieviel bin ich wert? W as
glaube ich? Wenn ich binnen dr ei Wochen keine
56
Antwort au f meine Fragen haben werde , werde ich
eur en Rabbi und se in ganzes Ges inde in den Kerker
Man kann sich denken, wie be3 turzt die Leute wur
den . Aber sie beschl ossen , dem Rabbi darüber keine
Mitteilung zu machen . Gottes Hilfe werde schon
kommen .
Am folgenden Tage kehrte Rabbi Baruch heim .
Wieder beriet man , was da zu tun sei . Da sagte
Hersch : Ich werde nach Lu zk fahren und mich an
S telle des Rabbi dem Fürsten vorstellen ; ich werde
ihm Rede und Antwort s tehen .
Wie willst du es anstellen? fragten die Leute
ganz erstaun t .
Ganz einfach, geht m ir einen ,Chalat‘
und einen
Spodek‘
, ich s telle mich dem Fürs ten als der Rabbi
vor , und wenn es mir nicht gelingt , ihm zufrieden
s tehende An tworten zu geben , werde ich an S telle des
Rabbi in den Kerker kommen , dem Rabbi aber wird
kein Haar gekrümm t werden .
“
Man kannte Hersch und wußte, daß es ihm ge
lingen werde, dem Fürs ten treffende Antworten zu
geben .
Hersch tat einen Chal et und einen Spodek an und
reiste nach Luzk .
57
Als er vor dem Fürsten erschien , l ieß er sich die
Fragen vorlegen .
Auf die Fr age , „wie groß ist der Boden , den ich
mein eigen nennen darf“
, antwor tete Hersch : „ Ich
könnte das leicht sagen , wenn ich wüßte, wieviel an
Wasserfläche dem Fürsten gehört : ich bitte daher,
mir genau anzugeben , wie groß di e Teiche und Bäche
in Eur en Ländere ien sind , ich werde dann die Frage
genau be antworten können .
Da sprach der Fürs t : Das ist ein judischer Kniff,
Ihr wollt Euch , Rabbi , der Bean twortung dieser Frage
entziehen . Nun , diese Frage sei Euch geschenkt . Nun
die zweite Frage : ‚Wie schwer is t der
Er wiegt genau ein Pfund, erwidert e Hersch,
wenn Ihr ’s aber nich t glaubt, dann geruht gnaden
voll, nachwiegen zu lassen .
Der Fürst lachte . „Nun, sprach er, „die dritte
Frege : Wieviel bin ich wert?
„Soviel ,“
antwortete Hersch, „als unser Erzvater
Ab raham .
“
Der Fürst fühlte sich darob sehr gehoben , doch
sprach er : Und das wäre?“
Hersch darauf : „Es steht in der heil igen"
Schrift,
daß Abraham zu Go tt sprach, er se i Erde und Asche ;
es steht zwar nicht wieviel Erde und wievi el Asche,
58
sprecht , da hab t Ihr an viele Dinge zu denken , an
Hof und Haus , Pferde und Wagen und dergleichen ,
ich hingegen bin ein armer Teufel , habe nichts an
Vermögen , als ein\Veib und eine Katze, da sinne ich :
‚Weib Katze , Katze Weib ‘ und schon bin ich
mi t dem Achtzehngebet fertig .
H ersch al s Einkäufer .
Rabbi Baruchs Gat tin geb Hersch einmal den Auf
trag , für die Kappores“ zehn Hähne und zehn Hüh
ner zu kaufen und übe rgab ihm das dazu nötige Geld .
Hersch verwendete das Geld für sich und brachte nur
e in mageres Hähnchen un d ein ebensolches Hühnchen .
Die Gattin des Rabbi stel lte ihn zur Rede indem s ie
sprach : „Sind denn das zwanzig Kappores?“
„ Selbst
redend, antwortete Hersch, „dies taugt auf zehn
Kappores und dies taugt au f zehn Kappores , nun sind
zusammen zwanzig .
W i e sich H ersch Geld ver schatf te.
Hersch wußte sich einmal auf folgende Weise aus
großer Verlegenhei t zu helfen . Er begab sich zum
Vorstande der „heiligen Bruderschaft“ und meldete
ihm , seine Frau sei gestorben , und erhiel t von diesem
das nötige Geld zur Anschaffung der Totenkleider
und Leichenkosten . DerVorstand verständigte darauf
hin die Bruderschaft daß sie die Beerdigung vor
nehmen solle . Doch wre erstaun t waren die Leute , als
sie zu Hersch kamen und dessen Weib gesund an
trafen . Sie stellten Hersch zur Rede und sprachen
‚Du has t doch gesag t, deine Frau sei ges torben , nun
is t sie doch am Leben? Hersch erwiderte : „Beruhig t
euch, meine Freunde , ob heute oder nach 1 2 0 Jahren
sie is t euer ! “
Das „Chorbon“
.
Eine Jüdin ging sehr hastig in einem Gaßchen
herum , gebärdete sich wie eine Verzweifel te und
schrie wieder und wieder : 0 weh , ein Chorbon
(Ruin) is t auf mir ! Sie hatte bedauerlicherweise ihr
letztes Geld verloren und ging wehklagend h in und
61
her und suchte das Geld . Hersch ging hinter ihr und
hal f ihr das verlorene Geld suchen . Als die Frau sich
umdrehte und Hersch vor sich sah , fragte sie ihn :
Reh Hersch, geht Ihr schon lange hier herum ?“
Schon sehr lang , erwiderte Hersch , „noch vom
ersten Chorbon l ) an !
„Schneidet in die r echte Sei te.
“
Ein al ter Jude starb!‘ und ließ ein j unges Weib zu
ruck . Beim Leichenbegängnis fand sich auch Hersch
ein . Er hörte , wie die Frau wehklag te und begriff,
daß ihr nicht ernst damit sei . Er trat an sie heran
und sagte : „Verzeiht, an welcher Seite soll ich Euch
,K’riab ‘ schneiden?“ Die Frau erwiderte in ihrer Ver
zweif lung : „Schneidet, wo Ihr woll t !“ Hersch hier
auf : Ich sage Euch aber, wenn ich au f der linken
Seite den Schnitt machen sollte dürft Ihr nie mehr
einen Mann heiraten . Nun , sprach die Frau tief
verschämt, „dann schnei det in die rechte Seite !
1 ) Man sprich t vom ersten und zweiten Chorbon (Zer
s törung) des Tempe ls in Jerusalem.
H er sch und noch einmal H er sch .
Rabbi Baruch traf einmal Hersch . Er ermahn te
ihn : „Hersch , Hersch , warum trinkst du soviel
Branntwein?
Hersch : „Versteh t Ihr, heiliger Rebbe , wenn ich
Branntwein tr inke ,werde ich ein ganz andererMensch .
Und nun will auch der andere Mensch ein bißchen
Branntwein . Was sagt Ihr , Rebbe , soll ich ihm denn
nicht geben? Heißt es doch leben und leben lassen?
Und wie heiß t der andere Mensch?“
fragte Rabbi
Baruch lächelnd .
Er h eiß t Hersch nach m ir ! erwiderte Hersch .
Di e Totenbahre und der Trauhimmel .
Hersch, sprach einmal Chajkel , „du bis t doch
ein kluger Mann und wirs t mir auf eine al te ,Kaschje‘
antworten können : Warum hat eine Totenbahre zwei
Füße , ein Trauhimmel j edoch vier?“
Hersch erwiderte : Tor , kannst du es selber nicht
verstehen? Bei der Totenbahre wird e i n Mensch be
graben, be i demTrauzelt aber z we i Menschen . Bin
ich mit meinem W eihe nicht lebendig in der Erde?
H erschs Rache.
Hersch kam au f ein Beschneidungsf est , zuwelchem
di e vornehms ten Leute der Geme inde versammelt
w aren . Se lbstredend fehlte auch der Raw (Rabbiner)nicht .
Bei der Mahlzeit wurde der Raw beehrt, die zu Tisch
gebrachten Gerichte unter die Anwesenden zu ver
te ilen . Da er mit Hersch nicht auf gutem Fuße s tand,
verkürz te er ihn , und Hersch bekam vom Fische den
Schwanz . Hersch verdroß das und er beschloß , an
demRabbiner Rache zu nehmen . Bald wurde ein
fetter Indi en auf den Tisch gestell t . Hersch kam der
Saft in den Mund , aber er wußte , daß ihm nur der
schlech tes te Teil zufallen würde . Er klopfte an den
Tisch und sprach : „Raw, ei , ich habe Euch ein wich
tiges Ereignis zu erzählen . Gestern g ing ich au f eine
Hochzeit . Ich hat te übe r ein Was ser zu gehen . Bald
kam auch ein Indi an , der fur das Hochzeitsmahl be
s timm t war . Schließlich kam auch der Raw, und wir
standen alle drei , ich, der Indien und der Raw . Ich
woll te über den Steg gehen , aber der Indien und der
Raw hatten Angs t, übe r den S ieg zu gehen, weil sie,
be ide fettleibig , f urchteten, ins Wasser zu s türzen .
Endlich kam auch der Teufel dazu . Er packte den
64
Raw und trug ihn übers Wasser hinü ber , ich aber er
gri ff den Indien und machte mich davon !“
Sprach’
s, efg rif f den Indien und nahm Reißaus .
Das ver tauschte K ind.
HerschsWeib sagte einmal ärgerlich zu ihm : Wenn
l Ch dich nich t genommen hätte, wer hätte e i nen so
häßlichen Mann geheiratet?“ Hersch darauf Glaube
mir, Ester l ‚ ich war ein sehr hübsches Kind gewesen ,
was kann ich dafür, daß mich eine Hexe mit einem
häßlichen Kinde vertauschte?
H ersch foppt eine K rämer in.
Die Tu chkrämer in Berdytschew hatten vereinbart ,
ihre Läden erst um acht Uhr zu öffnen , damit sie Zei t
hätten, das Morgengebe t innerhalb der Gemeinschaft
zu verrichten . Eine Krämerin widersetz te sich dieser
Abmachung und öffnete ihre Bude schon um sechs
Uhr .
5 B l 0 c h Hersch Ostropoler 65
Als Hersch einmal in Berdytschew war, sagte er zu
den Tuchhändlern : Wenn ihr mir Seide auf einen
Sabbatrock geht, so will ich der widerspens tigen Krä
merin eine Lehre geben , daß sie künftighin ihre Bude
vor acht Uhr ni cht öffnen soll . Selbs tredend er
klär ten di e Händler sich bereit, Hersch di e verlangte
Prämie zu gehen .
Am folgenden Morgen g ing Hersch an der Bude
vorbei . Die Krämerin stand au f der Schwelle und
frag te Hersch, ob er etwas kaufen möchte . Hersch
sagte, er sei nach Berdytschew gekommen, um für
seine Tochter Hochzeitskleider einzukaufen . Doch
habe er gehört, daß di e Krämer ers t um acht Uhr ihre
Läden öffnen , was ihm sehr ungelegen sei, da ermög
lichst rasch nach Hause fah ren müsse . Natürlich lud
ihn di e Krämerin e in, bei ihr die Kleider einzukaufen .
Hersch wählte für die Tochter um einige hundertHü
bel Stoffe und ließ sie einpacken . Nun fragte er, ob
er auch für sich und seine Gattin bessere S toffe für
Kleider bekommen könne und ließ nach längerer
Wahl auch solche abschneiden und einpacken . Als er
fertig war, sagte er, man müsse ihm di e Kleider aufs
Gasthaus bringen, wo er au ch das Geld bezahlen
werde . Die Frau nahm den gan zen Bund der ein
gekauften Sachen auf die Schu l tern , sperrte das Ge
66
ihm,der Rabbi habe befohlen , die Spreu tief einzu
treten .
Als Fedor den Befehl vollzog, sank er bis zum
Halse ins Wasser und rief in seiner Verzweiflung
Hersch zu Hilfe . Hersch lachte und sprach : „Nun
hast du des Nassen genug und wirst dich künftighin
hüten , überal l deine Nase hineinzustecken .
H er sch Inppt einen Gei zhal s .
In einem Dorfe bei Ostropole wohn te ein großer
Geizhals , der keinen Armen 1n sem Haus ließ . Hersch
beschloß , ihm eine Lektion zu geben . Als der Ge iz
hals eines Tages mit seinem Sohne in Berdytschew
war, kam ihm Hersch entgegen und begrüß te ihn wie
einen Al tbekannten freudig : „Schalom Ale ichen !“
Der Geizige fragte ärgerlich : „Wer bist du , der m ich
so freundl ich beg rußt?“ Hersch erwiderte : Gewiß
se id Ihr ein Kohen , daß Ihr gleich böse werdet !“Zu
fällig war der Mann wirklich ein Kohen und er sagte :
Nun , ich hin' ein Kohen , was willst du abe r von
mir?“
Hersch darauf : „Es is t heute ein ,Pidjen He
68
hen‘
be i einem reichen Menue, komm t mi t mir, Ihr
und der Knabe werde t essen und trinken , und viel
leicht werde t Ihr auch das ,Lösegeld‘
erhal ten . Der
Geizhals wurde versöhnlich u nd erklärte sich bereit,
Hersch zu folgen . Hersch fü hrte ihn in ein Gasthaus
und ließ den Wirt die besten Spe isen und Getränke
geben . Als er sich satt gegessen hatte, l ieß er den
Kohen und seinen Sohn unter einem Vorwande allein
und entfern te sich auf Nimmerwiedersehen . Als nun
der Ge i zhals und sein Sohn s ich entfernen woll ten ,
pack te sie der Wir t an den Schultern und sprach
Bezahle zuerst für die Speisen und Getränke ! “ Der
Kohen sagte : „ Ist doch hier ein ,Pidjen Haben‘
, und
wir wurden hierher geladen , an dem Festmah l teilzu
nehmen?“ Der Wir t sag te : Hier war kein Pidjen
Haben , hi er ist ein Gas thaus , wo di e Speise n gegen
Bezahlung verabreich t werden . Nun ers t verstand
der Geizhals , daß er einem Be truger zum Opfer ge
fallen war und mußte nicht nur für sein , sondern
auch für Herschs Mi ttagmahl be zahlen .
69
W ie H ersch sich ein Nachtmah l verschafite.
Bei grimmiger Käl te kam Hersch einmal abends
ermüdet und hungrig in ein Dorfwirtshaus . DerWirt
war nicht zu Hause und se i ne Frau beteuerte, sie
habe kein Nachtmahl zu gehen . H ersch hat s ie wenig
stens um ein Nachtlager, und siewies ihm in der Küche
neben dem Ofen einen Platz zur Nachtruhe an . Hersch
legte sich schlafen und s tell te sich bald so, als wäre
er im tiefs ten Schlummer . Indessen hörte er , w1e die
Kinder Essen verlangten , worauf i hnen die Mutter
be ruhigend ins Ohr flüs terte : Wartet eine Weile ,
bis der Gast fes t eingeschlafen ist , werde ich euch zu
essen gehen, indes werden die ,Krepl ich‘1 ) am Ofen
fertig sein .
“ Hersch wälz te sich unruhig auf seinem
Lager, öffnete die Augen und versicherte , er könne
vor Hunger nicht schlafen . Er hat die Wirtin , s ich
doch seiner zu erbarmen und ihm etwas Essen zu
geben , der Ofen sei ja noch warm und gewiß werde
etwas gekocht . Doch die Wirtin schwur bei aller
Treue, nichts gekoch t zu haben , nur Wasser für
Wäsche zum Auskochen .
Um Hersch zu täuschen, loschte sie di e Lampe
aus, gab vor , daß sie schon schlafen wolle und ging ,
die Türe hinter s ich schließend, ins Schlafzimmer .1) Tats chker l
“.
70
Hersch wartete nich t lange , sprang vom Lager,
of fnete den Ofen , nahm den Topf mit die Kreplich
heraus , l eerte ihn und legte an dessen S telle seine Un
terhose . Zum Schein leg te er von oben einige Krep
lich und stell te gleich den Topf auf seinen Platz . In
dessen kam der Wir t heim . Er klopfte an di e Tür .
Die Frau, die doch nicht schlief, öffnete ihm gleich
und sagte : Sprich ni cht laut, irgendein armer
Schlucker schläft beim Ofen . Sie machte Tisch ,
nahm aus dem Ofen den Topf und kehrt ihn übe r die
Schüssel . Da fiel anstatt der Krepl ich eine schmutzige
Unterhose in die Schüssel .
Der Mann lärmte und schal t die Frau : Was be
deute t das?
Hersch erwachte , sprang vom Lager, um zu sehen ,
was da los sei und erkann te seine Unterhose
Warum habt Ihr das ge tan?“ fragte der Orender .
Euer Weib sagte,“ erwiderte Hersch , „daß sie
Wasser koche , so habe ich meine schmutzige Unter
hose auch dazu gegeben , dam i t dieselbe sich ebenfalls
auskoch t . Vielleicht würde Eure F ran di e Güte haben ,
mir noch ein Hemd rein zu kochen?“
Man kann sich denken , welches Gesich t derOrender
dabei gemacht hat, ein vergnügtes war es nicht !
7 1
H er sch weckt den Rabbi auf .
Erew Pessach in der Früh . Es war höchste Zeit,
den Chumez zu verbrennen . Rabbi Baruch aber saß in
Gedanken versunken , und die Chassidim hatten nicht
die Dreis tigkeit, ihren Meister zu erinnern , daß die
Zei t des Betens gekommen sei . Indessen kam Hersch
ins Bet—Hamidrasch . Die Chassidim erzähl ten ihm ,
daß der Rabbi noch nich t gebe tet habe und die Zeit
bald vorüber sei . Hersch vers icherte sie, er werde das
schon machen ; man möge ihm das nur anvertrauen .
Er begab sich sogleich zum Rabb i und sagte : „Rebbi
ich will Euch eine Schaile 1 ) fragen : Ich ordn ete heute
pessachhalber den Schrank und fand die Ketuba2)unterklebt mit Sauerteig , und es ist schon die höchste
Zei t zu be ten und den Chumez zu verbrennen . Was
wäre da zu tun?“
Da erinnerte sich der Rabbi, daß er noch nicht ge
bete t und auch den Chumez nicht verbrannt habe .
Hersch kam in das Bet-Ham idrasch zurück und
berichtete, daß es ihm gelungen sei , den Rabbi aus
seinen Gedanken aufzurütteln ; schon bereitet er sich
zum Beten vor . Nun fragten ihn die Chassidim : Reh
Hersch, habt Ihr schon auf Pessach?“
1) Frage r i tuel ler Natur.2) H ebrä ischer T rauungsschein, Ehevertrag .
„Einen halben Pessach , erwiderte Hersch , „hebe
ich schon fertig und für die zweite Hälfte wird Gott
auch helfen . Und er erläuterte seine Antwort in fol
gender Weise : Der Pessach besteht in der Haupt
sache aus zwei Dingen , in der W egräumung des
Bro tes und dem Hereinnehmen der Mazes . Nun , Brot
habe ich schon längst nicht im Hause die Mazes
aber wird Gott noch bescheren müssen , befahl er
doch : ‚Sieben Tage sol let ihr Mazes
Die Chassidim erbarmten sich seiner und gaben
ihm Geld für Mazes .
Her sch wi rd bestohlen.
In einer Nacht schlichen Diebe in Herschs Woh
nung . Sie suchten am Fußboden , sie tappten an den
Wänden , sie fanden aber nichts . Seine Frau hörte das
Geräus ch und weckte ihn leise : Hersch ! Hörs t du,
Diebe sind im Zimmer .
Hersch dar auf : Bleib stil l, mir flammt das Ge
sicht vor Scham, weil sie nichts be i mir finden und
du machs t dir nichts daraus ?“
73
H er sch nimmt ein Brot ins Bett .
Seine Frau überhä ufte ihn stets mi t Vorwüf fen,
weil er ein Müßiggänger sei und für Fr an und Kin
der nicht sorge . Bei einem solchen S trei te sagte s ie
Einen Mann ohne Brot brauche ich nicht .
Abends, da sich Hersch schlafen legte , nahm er ein
Brot mit sich .
W as bedeutet das? frag te ihn die Frau , „wozu
nimmst du ein Brot ins Be tt?
Hersch darauf : „Sagtes t du doch heute , einenMann
ohne Brot brauchst du nicht ! “
Die Enkel kinder .
Rabbi Baruch befahl Hersch oft und oft und
schärfte es ihm ein , daß er ihn , wenn sie sich auf
Reisen befänden , nur in eine ruhi ge Herberge bringe .
Zuweilen tat Hersch gerade das Gegenteil , was ihm
der Rabbi befahl , und das war stets ein Anlaß , daß
der Rabbi lachen mußte . So brachte er ihn einmal in
ein ! uartier, wo ein kleines Kind war . Dasselbe wein te
die ganze Nacht hindurch . Natürl ich war der Rabbi
74
Mose Chune gab ihm die zwei Silberscheine , hat
Hersch aber , ihm den Plan mitzuteilen .
Hersch sagte darauf : Komm mit mir !
Er führ te ihn au f denMarktplatz,undHer sch kaufte
fü nf Hühner .
Siehst du, Mose Chune, sprach Hersch , „diese
f unf Hühner eine j ede legt dreißig Eier, da hast
du zusammen 1 50 Eier . Auf diese Eier werden 1 50
Junge gebrütet , und sie werden ebenfalls zu dreißig
Eier l egen . Auch sie werden Junge brüten . Und so
weiter . E ines Tages werde ich ein reicher Mann sein
und dir die f unf zig Scheine bezahlen können .
Mose Chun e fing an zu lachen .
Hersch dar auf : Dich belustig t mein Plan , er ge
fal lt di r , und du wiegs t dich schon in der Hoffnung ,
ich werde dir dein Geld be zahlen . Eines hast du aber
verge ssen : wo nehm e ich das Geld, um so viele Hüh
ner zu füttern?“
H ersch al s Schemes.
Hersch kam einmal nach Uman , da wol lte man ihn
als Schemes anstellen , eine S telle, die Hersch sehr
1) Gemeindediener .
76
verachtete . Er erkundig te sich be im Vorstä nde, was
er als Schem es zu tun hätte . Dieser erwiderte : Eure
Arbeit w ird sein, täglich am frühen Morgen ‚m die
Schul ‘ zu klopfen .
Hersch sagte : „Wo zu jeden Tag ein wenig klopfen?
Wäre es doch besser, wenn ich einmal der Woche
einen ganzen Tag hindurch klopfe?“
Nein,will ihm der Vorstand zu verstehen geben ,
„Eure Aufgabe wi rd es sein , täglich früh bei j edem
Juden drei Klapp in die Fm ster laden zu geben , dami t
er eu f stünde und be ten gehe .
Bei Juden , denen man ers t dr ei Klapp geben muß,
daß sie zum Dienste Gotte s aufstehen , nehme ich
keine S telle an,
‘
sprach Hersch und ging bös seines
Weges . 1 )
1 ) E s war ein hei liger B rauch in Polen, daß der Gemeinded iener vor
'
l‘
agesanbruch durch die Gassen zog und mi t einereigenen anziehenden melancholischen Melod ie sang : „ l srael ,
du hei li ges Volk , s tehe auf zum D ienste des H errn !“ BeimGehen tat er mi t dem Gemeindeklop l
’en in jedes zwei te oder
dr itte Haus am Tor oder Fens t er laden d rei wenn ein
Toter in der Gemeinde war nur zwei K lapp . Bei Aus
bruch des Krieges mußte d ieser B rauch , welche r den T ruppenverdächt ig vorkommen konnte , abgeschetl t
'
werden.
E in Geschäf t .
Hersch kam einmal nach Berdytschew, und da er
zählten ihm seine Freunde, daß dort ein großer
Reicher mit Namen Eisig Kafka wohne, welcher
nie einen armen Menschen unterstü tze . Auch seine
Gattin Buchele gehe keinem Juden auch nur eine
Mahlzeit .
Da sprach Hersch : „ Ihr werdet sehen , daß ich al les
erwirken werde, Geld undSpeisen und ! uartier dazu .
Er erkundigte sich über Kafka und war nicht wenig
erfreut zu erfahr en , daß derselbe noch am selben
Tage fur eine ganze Woche abreise . Am folgenden
Tage borgte Hersch sich schöne Kleider aus , kleidete
sich wie ein vornehmer Kaufmann und begab sich zu
Eisig Kafka.
Au f die Frege des Dieners , was er eigentlich
wü nsche, erwiderte er : „ Ich habe in einer dringen
den geschäftlichen Angelegenheit mit Reh Eisig zu
sprechen .
Der Diener meldete di es seiner Herrin , und s ie ließ
den vornehmeh Kaufmann eintreten .
Sie fragte ihn : W as habt Ihr mit meinem Manne
zu sprechen?“
Darauf Hersch : Es handel t sich um ein sehr
78
großes Ge schä ft, be i welchem wir sehr viel verdi enen
können .
Die Frau sagte j edoch : Mein Mann ist ni cht da
heim und dürfte ers t Ende derW oche zurückkommen ,
wenn Ihr aber wollt, sagt mi r , um was es sich handel t,
dann werde ich Euch wenigstens sagen können, ob
Ihr auf meinen Mann war ten soll t oder nicht, viel
leicht gar werde ich ohne meinen Mann das Geschäft
mi t Euch abschheßen
Mit Euch selbst, erwider te Hersch , „werde ich
das Geschäft keinesfall s abmachen . Um was es sich
handelt, will ich Euch wohl erzählen , aber nur unter
der Bedingung, daß es s treng verschwiegen bleiben
soll .
Die Frau entschuldig te sich f ur einen Augenblick ,
ging ins Speisezimmer, brachte feinen Schnaps und
Backwerk und hat Hersch sich zu be dienen .
Hersch leiste te der Einladung reichlich Folge, aß
und trank mit vornehmen Allüren und ließ sich
Schnaps und Backwerk sehr gut schm ecken .
Endlich rückte er mit seinem Geheimnis heraus
Habt Ihr schon einen Diamanten , so groß wie dieses
Gläschen , gesehen?“ Dabei ergriff er das Gläs
chen , aus dem er den Schnaps trank „was wäre
ein solcher Diamant wer t? Wohl empfahl man mir
79
noch einen anderen Händler und dabei nannte er
den Namen ihres g roßten Konkurrenten ich wollte
j edoch nur Euren Mann , den man mir als großen
Fachmann und vollkommen ehrlichen Menschen
rühmte , das Geheimnis vertrauen . Gewiß ist es aber
vom Himmel be schieden , daß ich ihn nich t zu Hause
treffe, und daß ich zu dem andern gehen so l l .
Als die Fran dies hörte , glaubte sie, er habe den
Diaman t in der Tasche, nur fürchtete er, ihn zu zeigen ,
und sie senn nach, ob es nicht besser wäre , Hersch
nicht aus dem Hause zu lassen , bis ihr Mann aus Kiew
zurückkommen werde, er würde doch sonst das Ge
schäf t mit ihrem Konkurrenten machen . Hersch be
griff dies und gerade darum erhob er sich und machte
Miene zum Gehen . Mit zitternde r Stimme sprach die
Frau : Folgt meinem Rate, war tet, bis mein Mann
von der Reise zurückkehrt, und ich wil l Euch gerne
Speise und Trank und ein behagliches Zimmergeben .
“
Alles wäre ganz recht, entgegnete Hersch , „ aber
ich muß zu Eurem Konkurrenten gehen , weil m ir das
Geld zu Ende geht und ich noch meiner Familie einige
hundert Rubel zu schicken habe .
“
Er sprach dies mi t so ernster Miene, daß die Frau
zu ihm noch größeres Vertrauen faßte . Sie bot ihm
das nötige Geld an, welches Hersch sogleich seinem
80
W eihe uber sandte . Er blieb also in dem behaglichen
Zimmer, aß und trank , und seine ganze Tagesarbe i t
be stand darin , daß er fortwä hrend ans Fenster ging
und sprach : Wie hilft mir der Ewige, daß Reh
Eisig schon nach Hause käme ; m ir fehl t es hier wohl
an nichts , doch die Zeit is t zu teuer . Endlich half
der Em ge : Am Freitag nachm ittag, knapp vor Sabbat
eingang, kam Reh Eisig nach Hause .
Kaum daß er aus dem Wagen getreten war, eil te
ihm seine Frau entgegen und erzähl te ihm von dem
großen Glücke , das seiner harre . Eisig abe r Sprach :
Bleibe nur ruhig, es wird schon alles in Ordnung
kommen .
“
Er lud bald darauf Hersch in das Be t-Ham idrasch
zum Gottesdiens t, wo er ihm einen Platz an der Ost
wand zuwies . Bei Tisch lud er Hersch ein , neben sich
Platz zu nehmen und gab ihm viel al ten und starken
Wein , so daß Hersch ganz fröhlich wur de und die
Sabbathymnen nach sehr schönen Weisen sang . Das
selbe wiederholte sich am Sabbatmittag und auch bei
der „dri tten Mahlzeit“
. Eisig und seine Frau war teten
gespannt au f Ausgang des Sabbat , daman den Werk
tagssegen sprechen werde . Endlich kam der ersehn te
Zeitpunkt, wo das W erktagsleben wieder begann und
Eisig über geschäftl iche Dinge sprechen durfte . Er
6 B l o c h Hersch Ost ropoler 81
begann nun mit Hersch uber den Diamant zu Sprechen
und gab demWunsche Ausdruck , den Edelstein sehen
zu wollen .
Hersch antwortete darauf schlicht undm it frommer
Miene : „Einen Diamant habe zwar ich nicht . Ich
wandere j edoch durch die Dörfer und kaufe alles zu
sammeh , und es kann mir vielleicht ein Diam ant so
groß wie ein Gläschen zur Hand kommen wie
werde ich dann wissen , was derselbe wert ist? Daher
bitte ich Euch , Reh Eisig, mir zu sagen , wieviel ich
für ihn geben soll und welche Summe ich von Euch
bekommen könnte . Ihr seid doch ein rechtschaffener
Jude und werdet mir doch die Wahrheit nicht vor
enthalten .
Oh dieser Worte sahen sich Eisig und seine Fr au
scharf an, sie ließen ihre Nasen hängen und sprachen :
Daß Euch be i diesen Worten die Seele aus dem Leib
gegangen wäre, heraus aus meinem Hause !
Am folgenden Morgen war in der ganzen S tadt be
kannt, wie Hersch Ostropole den Eisig Kafka und
seine Frau gefoppt hatte, und sie hatten zu ihremVer
lus te noch des schadenfrohen Spottes zu ertragen .
Schock . Der Bauer gab aber vor, seine Eier seien von
be sserer Gattung, und darum verlange er sechzig Gro
schen für ein Schock . Als die Leute Hersch au f dem
Markte erblickten , winkten sie ihm zu und be ten ihn ,
dem Bauer einen Denkze ttel zu geben , dam it er künf
tighin keine übermäßigen Preise verlange . Hersch
erklärte sich dazu unter der Bedingung bereit, daß
sie eine Stunde später zu ihm kommen und ihm in
russischer Sprache zurufen sollten : Hersch , schnell ,
deine Mutter is t gestorben ! “ Nun zerstreuten sich die
Leute , u nd Hersch trat an ihre S telle . Er bot dem
Bauer dreißig Kopeken für das Schock an und stei
gerte j edesmal den Preis um fü nf Kopeken . Als er
die Leute , die ihm die Trauerbotschaf t zu überbringen
hatten , von der Ferne erblickte, w illigte er in den
Preis von sechzig Kopeken für ein Schock ein , hob
seinen Rockschoß und ließ dem Bauer die Eier hinein
zählen . Die Leute kamen herbeigeeil t und schrien
Hersch,schnell
,deine Mutter is t ges torben ! Er
schrocken l ieß Hersch den Rockschoß fal len und
l ief eiligst davon . Der Bauer aber bl ieb vor den zer
brochenen Eiern fassungslos stehen und weinte : O
meine Dummheit, dreißig für ein Schock wollte i ch
nicht nehmen
Noch eine Abr echnung .
Ein andermal , be i ahn lichem Anlasse , ging Hersch
eine Wette ein , er werde dem Bauer eine Ohrfeige
geben , die dieser annehmen werde, ohne sie zu er
widern . Er ging au f den Bauer zu , machte wegen des
Preises keine großen Faxen , l ieß aber diesmal dem
Bauer se inen Rockschoß hoch halten , und er begann
die Eier hineinzuzählen . Als der Baue r denRockschoß
berei ts voll hatte, versetz te er ihm eine schal lende0hr
feige und ging seines Weges . Der Bauer aber blieb
verwirrt stehen u nd biß die Zähne zusammen .
H er sch l äßt si ch besteh len .
Ein bekannter Bauer kam zu Hersch und bot ihm
Honig an : zwanzig Kopeken der Liter . Um sich im
Zählen der Gläser nicht zu verrechnen , schlug ihm
Hersch vor, er werde für jeden Liter eine Kopeke in
eine Schüssel geben die Anzahl der Münzen werde die
Anzahl der Liter ergeben . Nachdem der Bauermehrere
Liter eingeschütte t hatte , entfernte sich Hersch unter
einem Vorwä nde für eine Weile . Der Bauer konnte
85
Herschs Abwesenheit nicht nutzlos vorübergehen
lassen und s tahl einige Kopeken . Bal d kam Hersch
zurück und man setz te das Zählen fort . Hersch ent
fern ie sich nochmals , und der Bauer stahl abermal s
von den Münzen . Das wiederholte s ich einige Mal e .
Ers t beim Zählen der Münzen wurde der Bauer ge
wahr, daß er sich selbst bestah l . Aber er durfte von
seinem unglücklichen Irrtum keine Erwähnung tun
und ging beschämt und herzbrechend davon .
W i e es bei H er sch g emal en i st.
Hersch kam einmal zu einem reichen Juden , sah
sich dessen schön gemaltes Haus an u nd sagte : „Bei
Euch is t es wirklich außerordentlich schön gemalt,
doch bei mir ist es noch schöner gemalt . Dem Rei
chen verdroß es , daß ein so armer Mann das behauptete und zeigte ihm daher noch andere Wohnräume,
welche von Künstlerhand gemal t waren . Doch Hersch
blieb bei seiner Behauptung . Zornig fragte ihn der
Reiche : Und was ist es , was bei Euch so schön ge
mal t is t? Wisset Ihr es n icht?“ erwiderte Hersch,
86
bei m ir ist es gemal t, daß ich kein Brot im Haus ehabe .
“1 ) Der Reiche lachte und gab Hersch einen
großen Almosen .
H er sch al s Ratgeber .
Ein Dorfjude kam zu Hersch und beklagte sich ,
daß in seinem Hause so sehr die Mäuse zur Plage
würden , daß sie ihm al les auffressen , und er hat
Hersch um Rat, wie er diesem Übe l abhelfen könne .
„ Ich werde dir e in bewährtes Mittel geben , erwiderte
Hersch, „du legst vor j edem Mäuseloch ein Stückchen
Apikomen, das werden die Mäuse auffressen , und nun
weiß t du doch, daß man nach dem Apikomen nichts
mehr essen darf .
“
Und woher wissen es die Mäuse,
fragte der schlichte Dorfmann , „daß man nach dem
Apikomen nichts essen darf?“
Hersch darauf : „Sie
haben meinen Schu lchan-Aruch 2) aufgefressen , da
werden sie doch den Sinn von Apikomen gründlich
zerkaut haben .
1) „Gemal t“ ,
im J iddischen zuwei len, möglich ; es kommtv on Mal zu Mal vor .
2) R i tual -Kodex .
87
Große Laden große Schu l den.
Hersch kam einmal nach Berdytschew . Vor einem
großen Laden blieb er s i eben , öffnete die Türe, guckte
hi nein und ging schweigend hinaus . Das wiederhol te
er fas t zehn Mal . Und j edesmal schüttel te er m i tleids
voll den Kopf . Der Geschäftsinhaber und seine Die
ner wähnten vore'rst, daß der Mann verrück t sei .
Schließlich fragten sie ihn : Vetter, wollt Ihr viel
leicht was kaufen? Wir geben unsere Ware zu ganz
billigen Preisen ab . Hersch darauf : „Kaufen will
ich nicht, nur staune ich ein so großer Laden und
unbeschri en so viel Ware .
„Ah ,
“ erwiderte der Inhaber , „ Ihr seid gewiß von
einem kleinen Städtchen , wo nur kle ine Läden s ind .
In größeren S tädten sind noch größere Geschäfte als
das meinige .
Das ist ganz richtig, erwiderte Hersch , „ ich bin
wi rklich aus einem kleinen S tädtchen und habe ein
kleines Lädchen ‚ das kaum fünfzig Rubel wert ist,
schuldig bin ich aber darauf vielleicht hundert Rubel .
Nun frage ich mich; wieviel könn t Ihr schuldig sein
au f einen so großen Laden?
Die W elt -Sprache.
Hersch wollte einmal eine Wette eingehen , er kenne
eine Sprache , die bei al len Völkern der Welt Umgang
habe . Die Leute geben ihm einige Groschen und beten
ihn , in dieser Sprache ein ige Worte zu sprechen .
Darauf stellte sich Hersch eine gute Weile stumm
und fragte nachher : „Und nun sagt ihr selbs t, hat
diese Sprache in der ganzen Wel t keinen Umgang?“
H er schs Seg en.
An einem kal ten Wintertag bei klirrendem Frost
kam Hersch ganz ermüdet in das Bet-Hamidrasch ,
worauf ihm einer der Jünger m i t einem Tee bewirtete .
Er segnete ihn : Gott möge dir eine Braut mi t drei
Vorzügen bescheren : sie sol l schön, reich und ver
rückt sein . Erstaunt fragte ihn der Jünger : Und
warum soll sie verrückt sein?“ Hersch erwiderte :
„Tepp , wenn sie schön und reich ist, muß sie doch
vorerst verrückt sein, dich zu nehmen !“
89
H erschs T raum.
In Ostropole war eine reiche Witwe mit Namen
Sosobe , die sehr wohlgenährt war , aber keinem Juden
einen Groschen oder auch nur ei nen Schluck Wasser
gab .
Eines Tages kam Hersch tiefatmend zu ihr und
sprach : „ Ich habe Euch Neues zu erzählen, aber ich
bitte Euch, sich nicht zu erschrecken .
Die Frau lud ihn ein , Platz zu nehmen , bewirtete
ihn m it Essen und hat ihn , ihr die Neuigkei t zu er
zäh len .
Hersch : „Mir träumte vergangene Nacht, daß i ch
und Ihr gestorben seid, und man hatuns beide in eine
Gruft gelegt, und Ihr wißt doch gut , daß ein Traum
ein sechzigs tel Wahrheit enthält . 1 ) Nun , was mich
betrifft, ich bin ein armer Mann und gleiche ohnehin
einem Toten? ) so macht es nichts au s, wenn ich
früher ges torben bin . Ihr hingegen , wirklich ein ge
sundes, reiches Weib , glaubt mir, wie ich Euch im
Grab liegen sah, erfaßte mich ein Schauer, den ich
lieber nicht schildern wil l .
Die Er inrier ung an den Tod erschu tter te die Frai1 ,
1) Nach einer Aussprache im Talmud .
2) Nach e iner Aussprache im Talmud .
90
nach seinem Vater, und al s der Tag sich neigte und
die Dämmerung eingetreten war , wollte Hersch Min
che beten und Kadisch sagen , konn te aber ke inMinjen
zusammenhr ingen , weil j eder in seinem Gesc häft zu
tun hatte .
Was tat Hersch? Er ging in ein Haus , öffnete die
Fenster und schrie : Gewalt ! Gewal t ! “ Da kamen
viele Leute gelaufen , die geglaubt hatten , daß irgend
ein Unglück geschehen sei . Als be reits zehn Männer
be isammen waren , stell te s ich Hersch in ihre Mi tte
und sprach : „J isgadel w’
jiskadosch schme rabbo !“
Der gute und der hose Tr i eb.
An einem Donnerstag , an welchem Hersch kein
Geld für die Sabbatvorbereitung hatte, kam er zu
Rabbi Baruch und erzählte ihm folgende Geschichte :
„Hört, Rabbi ! Vor zwei Wochen hatte ich kein
Geld, um den Sabbat vorbereiten zu konnen . Ich ging
verstört umher und senn nach, wo ich das nötige Geld
hernehmen sol l te . Da begegnete mi r der ‚böse Trieh‘
,
‚Jezer Hora‘
, und er sprach zu mir : ‚Hersch, weshalb
92
bist du so in Gedanken versunken ?‘
Ich erwiderte
‚ Ich spekuliere , wo ich das nötige Geld für den Sabbat
hernehmen sol l .‘ Darauf sprach der Jezer Hora, einen
verachtenden Blick au f m ich werfend : ‚Du Tor , der
aus machs t du dir Sorgen? Wenn du kein Geld für
den Sabbat hast , so geh' zum Rabbi , er ist reich ge
nug , nimm einen S ilber lof f el und verkaufe ihn , so
wi rs t du einen vergnügten Sabbat haben .
‘
Ich be
folgte seinen Rat und hatte tatsächlich einen sehr
guten Sabbat . Vorige Woche hatte ich wieder kein
Geld, und ich machte mich daran , nochmals in die
Küche zum Rabbi zu gehen , um einen Löffel zu neh
men . Auf dem Wege begegne te mir der ‚gute Trieb‘
,
,Jezer Tob‘
, und fragte mich : ‚Wohin gehs t du ,
Hersch?‘
Darauf erzähl te ich ihm das Ziel meines
Weges . ‚Ein Dieb wil ls t du sein?‘ sprach der Jezer
Tob zu m ir , ‚es steht doch in der Thora : ‚Du sollst
nicht stehlen !‘
‚Was soll ich tun?‘
wendete ich ein ,
‚wenn ich kein Geld für den Sabbat habe, bleibt mi r
doch nichts anderes übrig?‘
Darauf en tgegnete der
Jezer Toh : ‚Folge meinem Rat, stehle nicht, und Gott
wi rd dir helfen , du wirs t den Sabbat, ohne zum Diebe
zu werden , durchhal ten .
‘ Ich folgte seinem Rate und
habe den Sabbat wirklich du rchgehelten, nur hatte
ich nichts zu essen . Heute habe ich wieder kein Geld
93
fur den Sabbat und wandle so in Gedanken versunken ,
wessen Rat ich befolgen solle : ob j enen des Jezer
Hora oder den des Jezer Tob . Ich entschloß mich ,
dem Rate des Jezer Hora zu folgen . Schon war ich
auf dem Weg zum Rabbi , um noch einen Löffel zu
s tehlen , als mich wieder der Jezer Tob anpackte :
‚Nicht wahr, Hersch , du has t den vergangenen Sabbat
auch ohne Diebstahl überlebt? ‘
,Je ,‘
erwiderte ich ,
‚aber wie hat dieser Sabbat ausgesehen? Ich habemi t
W eib und Kindern gehungert . Heute werde ich den
Rat des Jezer Hora befolgen .
‘ Darauf ergriff er m ich
bei der Hand und fuhr mich an : ‚ Ich sage dir, es ist
verbo ten zu stehlen ! ‘ Ich wendete ein : ‚Wenn du so
fromm und redlich bist, dann bemühe dich zumRabbi
und rede ihm zu , daß er mir das Geld für Sabbat
geben soll .‘
Der Jezer Tob erwiderte : ‚Glaub mir,
Hersch, ich möchte gern deine Bitte erfüllen , doch
schwöre ich dir, d aß i ch n o ch n i e d i e S chw e l l e
d e s R ab b i b e t r e t e n h ab e .
94
H ersch Pessach -Gäst e.
An einem Erew—Pessach kam Hersch zu Rabbi Ba
ruch und klagte , er habe kein Gebe tbuch , um daraus
die Geschichte des Auszuges der Juden aus ! gyp ten ,
Hagada, zu lesen , worauf ihm der Rabbi sein Gebe t
buch gab . Am zweiten Tag kam er wieder mi t der
selben Klage . Der Rabbi fragte : „ Ich habe dir doch
erst gestern mein Gebetbuch gegeben , warum sagst
du nun , du hast nichts, woraus die Hagada zu lesen
ist?“ Hersch erwiderte : Vers teht Ihr, Rabbi , der
Sachverhalt ist folgender : ‚Als ich ges tern nachts die
Hagada las und vor m ir die großen Weisen Rabbi
E lieser , Rabbi Akiba und Rabbi Tarfan erblickte,
nehm ich sie sehr schön au f , und wir tranken Wein,
bis der Morgen anbrach . Als der Wein zur Neige
ging, lud ich die vornehme Gesellschaft ins Schank
haus , wo wir dem Freiheitsfest angemessen Wein
tranken . Nun, ich, der das Trinken gewöhnt ist, kam
heil davon und konn te mich nach Hause begeben .
Meine Begleiter hingegen scheinen keine Trinker zu
sein , denn sie wurden vom Weine berauscht und blie
ben im Schankheuse,wo s ie sich jetz t noch befinden .
‘
Rabbi Baruch begriff, daß Hersch das Gebetbuch
verpfändet hatte, er ließ es daher auslösen und gab
es ihm wieder .
95
H er sch mi t der zerkratzten Nase.
Hersch kam einmal auf die Gasse mi t einer ‘
zer
kratzten Nase . Er schämte sich zu gestehen ; daß dies
von seinem W eihe herrüh rte und er gab auf viele
Fragen zur Antwort : „ Ich habe mich selbs t in die
Nase gebissen .
“
Man wendete ein : Das ist doch un
möglich? Du kanns t sie j a mi t dem Mund gar nicht
erreichen?“ Hersch erwiderte : Hat denn meine
zwei te Hälfte keine Zahne?“
H er sch und der Edelmann.
Als Hersch se inen Schächterposten in Ostropole
noch inne hatte, pflegte er oftmals in die naheliegen
den Dörfer zu gehen, um ein Kalb für den Sabbat zu
kaufen . Einmal , es war an einem Donnerstag , führte
er ein Kalb, welches für den Sabbat bestimmt war,
nach Hause . ‘ Ein Edelmann , der soeben von einem
lustigen Ball heimreiste, l ieß , als er Hersch ansichtig
wur de, seine Karosse halten, um sich wie gewöhnlich
an dem Judlein zu be lustigen . Selbstverständlich
wuß te er nicht, wem er vor sich habe ; er hätte es sich
96
vielleicht überlegt, mit Hersch von Ostropole anzu
fangen . Er fragte Hersch : „Judlein, was führst du
hier?“ Hochgeborner Herr,“ erwiderte Hersch , sich
tief verneigend, „ ich führe ein Kalb, ich wil l solches
schächten, um vielleicht einige Rube l zu verdienen .
Darauf wu rde der trunkene hochgeborne Herr zornig
und fuhr Hersch an : „Jüdischer Betrüger, Schwind
ler, ist das ein Kalb? Das ist doch ein Hund?“
Hersch
verneigte sich abermal s und erwiderte ruhig : „Ver
zeiht, hochgeborener Herr , des ist kein Hund, es ist
ein Kalb DerGraf rief mi t noch wütenderer Stimme
Du verfluchtes Jndlein‚ wie unterstehst du dich,
mi ch zum Lügner zu machen?“ Zu seinen beiden La
kaien schrie er : „Wal ek, Jenek, beginnt die Arbeit !“
Nun waren die be iden Lakai en genügend unterrichtet,
was sie, besonders beim Anblick eines Juden , unter
Arbeit“
zu verstehen hätten . Sie sprengen von derKa
rosse, warfen sich wie Wölfe auf Hersch und zerrten
ihn auf den Boden . Schließlich kommandierte der
Graf : Walek auf den Hals , Janek auf die Füße l“
Er selbst nahm eine Hundepeitsche und ließ sie auf
den wehrlosen Hersch niedersausen . Und bei j edem
Hieb wiederholte er : „ Ist das ein Kal b? Das ist doch
ein Hund ! Hersch wurde vom Blute überströmt und
er konnte kein Wort mehr sprechen , er mochte sonst
7 B lo c h , Hersch Ostr 0poler 97
den Grafen durch einen Witz zur Gnade umstimmen .
Nun ließ der hochgeborene Herr Hersch den Kaftan
entkleiden und dem Kalbe anziehen, Bart und Locken
abschneiden und demKalbe,welches ernun Moschko
benann te, an die Ohren hängen . Selbst ein Spodek
wurde am Kopfe des Kalbes angebunden . Während
der Mensch—Moschko, unser Hersch , in einer Blut
lache liegen blieb , hoben die Lakai en das Kalb
Moschko in die Karosse, und nun fuhr der Graf im
schnellsten Tempo belustigt nach Hause . Er veran
staltete einen Bal l, zu dem er viele seiner Freunde lud,
damit sich dieselben an dem Kalbe ergötzen könnten .
Natürlich wurden be i dieser Gelegenheit gegen alle
Moschkos Beschimpfungen ausgestoßen .
Hersch lagmehrere S tundenbewuß tlos ,bis ihn einige
durchreisende Juden zum Bewußtsein brachten . Ererzählte ihnen
,von welchem Unglück er soeben heim
gesucht wurde,versprach ihnen j edoch , mit dem Gra
fen gründl ich abzurechnen , sie könnten sich schon
au f ihn verlassen .
Eines Tages erschien im gräflichen Palas t ein vor
nehmer Mann . Er gab sich als Holzhändler aus und
ersuchte um eine Unterredung mit dem Grafen . Die
sem gegenüber erklärte er, das ganze für die laufen
den zehn Jahre zur Abstockung bestimm te Holz der
98
ihm , aber er hörte nur den Widerhall seiner eigenen
Stimme . Er begriff, daß das keine einfache Seches ei ,
kehrte um , und die beiden Lakaien reisten eiligst
nach Hause, wo sie dem Verwal ter den Sachverhalt
melde ten . Im gräflichen Hofe entstand ein Tumult .
Es wurden gleich alle Lakaien mobil gemacht und mit
Fackeln in den W ald gesandt . Sie mußten lange su
chen, bis sie ihren Herrn hinter einem Baume nackt
und bewußtlos gefunden hatten . Sie brachten ihn
nach Hause , doch er konnte vor Angst nichts er'
zählen , was geschehen war . Er wurde ernstlich krank
und lief den ganzen Tag schreiend umher : „So ein
verfluchter Jud ! Die bedeutendsten ! rzte, welche zu
ihm berufen wurden , fanden kein Heilmittel für ihn
sie erklärten , es sei ein schweres , unheilbares Nerven
leiden .
Es vergingen einige Monate, der Zus tand des Gra
fen hatte sich indes ein wenig gebessert, da fuhr
durch das Dorf ein vornehmer Mann, der vorgab , ein
großer Professor aus W ien zu sein und zu einem
schwer erkrankten Fürsten zu fahren . Der W irt, bei
dem der Professor einkehrte, l ief gleich ins gräfliche
Schl oß und meldete, daß ein berühmter W iener Pro
f essor im Orte sich befände . Die Gräfin ließ dur ch
ihren Verwal ter den Professor zu sich laden ; auf die
1 00
Höhe des Honorars käme_es ihr nicht an . Doch der
Professor weigerte sich und sagte , er wolle hier ruhen ,
da er noch sehr weit zu reisen habe und könne daher
keine Ordination vornehmen . Es erschien nun die
Gräfin und flehte weinend, er möge sich ihrer er
barmen und zu ihr em Manne kommen . Der Bitte
einer Frau konnte der Professor nicht widerstehen ,
und er ging zu dem Grafen . Als er dessen ansichtig
wurde, wendete er sich zur Gräfin m it der Bitte , man
möge ihn und seinen Gehilfen allein im Kranken
zimmer lassen , damit er den Kranken ruhig unter
suchen könne ; wenn sie aber Schmerzensschrei des
Kranken vernehmen würden , so solle sie das nicht
erschrecken . Als der Professor und se in Gehilfe mit
dem Grafen allein waren , begrüßte ihn der Professor
mit einem Schlag ins Gesicht, wobe i er sprach : Euer
Hochwohlgeboren , das ist kein Hund, es is t ein Kalb
Er gab ihm Prügel auf Prügel und wiederholte j edes
mal seinen Vers . Der Graf schr ie aus Leibeskräften
Du verfluchter Jud,“ aber seine Leute kamen nicht
hinein , weil sie doch dieses Schreien gewöhnt waren .
Schl ießlich stellte ihm derProfessorGläser am ganzen
Rücken , gab ihm ein Schlafgetränk und verließ mit
seinem Gehilfen das Krankenzimmer . Mit tränen
vollen Augen wer tete die Gräfin , um aus dem Munde
1 01
des Professors ein Wort über den Zustand des Grafen
zu hören . Er trös tete sie, daß der Zustand des Kranken
nicht hoffnungslos sei ; man solle ihn bis morgen früh
nicht aus dem Schlafe wecken , damit die Arzneien
ihre Wirkung nicht verfehlen . Erst am folgenden
Morgen begriffen die Leute , wer denn der Professor
gewesen war .
Ein guter Rat.
Eines Tages , da der Rabbi sich fur eine W eile ent
fern ie, setzte sich Hersch an dessen Platz und Spiel te
die Rolle des Rabbi .
Indessen kam eine Frau und hat um Rat, sie habe
eine Tochter zu Hause , dreißig Jehre alt, häßlich und
überdies auch noch dumm , so daß keine Aussicht sei ,
daß sie j emand nehmen werde .
Hersch machte eine ernste Miene und sagte : W enn
du morgen früh aufstehst, so sollst du das unreine
Wasser nicht wie gewöhnlich in die Grube schütten ,
sondern lasse es durch deine Tochter auf die Reichs
straße‘
vor das Stadtrathaus ausschütten , dann wird
man sie noch an diesem Tage nehmen .
1 02
Die Frau wurde gesund .
Es verging einige Zeit, da kam Hersch wieder zu
Rabbi Baruch, sein W eib sei im Sterben , sie leide an
Verstopfung, und der Arzt vermochte ihr nicht zu
helfen .
„Beruhige dich, redete ihm der Rabbi zu
werde Psalmen sagen .
“
„Nein , Rabbi, is t doch von Eurem Psalmensagen
die Verstopfung gekommen?“
Hersch, der Stotterer .
Hersch kam einmal nach Bel ta auf den Jahrmarkt .
Ein bekannter Händler trat an ihn heran und ver
sprach ihm 2 5 Silberscheine, wenn er einen Händler
aus Stambul , der große Mas sen von verschiedenen
Galanteriewaren auf den Markt brachte und ihn da
durch Konkurrenz bie te, einen Denkzettel zu geben
imstande sei . „ Ich werde schon alles recht machen ,
versicherte ihn Hersch, „nur müßt Ihr mir 1 0 0 Sil
berscheine in die Hand geben und auch vornehme Ge
wender leihen , damit ich wie ein reicher Kaufmann
aussehe .“
1 04
Der Händler gab ihm die beanspruchten 1 00 Silber
scheine, l ieh ihm auch elegante Kleider und Stiefel ,
und Hersch ging daran, seine Aufgabe zu erfüllen .
Er entdeckte bald, wo der Konkurr ent des Auftrag
gebers seine Ware feilbot und erfuhr auch, daß der
selbe im Reden sehr stottere .
Hersch be trat seine Hütte, ging auf einen der Die
ner zu und fragte stotternd : W wwwwer i i i i st
dddder I l l l nhaaaabber ?“ Darauf zeigte ihm der
Diener seinen Herrn . Dieser reichte ihm die Hand
zum Grü ße und lud ihn zum Sitzen ein .
„I i i i hr haaabt, fragte Hersch , „K aaar e e l l een
zzzu v vveer kkkau f en ?“
„ I i i ch h a ab KKK aar e l le n u u u nd n u o ch a a e n
d e r e W W W W aaaren zzzu vvvverkkkau f en,
“ gab
derHändler zur Antwort .
Hersch sah sich den ganzen Tag alle Waren an . Er
fand, daß von einer Gattung ein sehr kleiner Vorrat
war . Diesen kaufte er gleich und be zahlte sechzigRu
bel . In derselben s totternden Weise sagte Hersch,er
wolle die übrige Ware ganz abkaufen , dam i t der In
haber keine Konkur renz zu fürchten habe .
Der Händler freute sich auf die Aussicht, die ganze
W are auf einmal an den Mann zu bringen und ver
sprach, Hersch billig und redlich zu bedienen .
05
Die Verhandlungen dauerten be inahe zwei Tage , da
es doch den be iden sehr schwer ankam, s ich zu ver
s tändigen . Inzwischen aber wurde keinem andern die
W are feilgeboten
Schließlich kamen sie im Preise überein Hersch
hatte den Kaufpreis im baren Gelde zu bezahlen . Er
besitze Geld im Überfluß und habe keinen Kredi t
nötig .
Nun begann man mi t dem Messen und Zählen . Das
nahm wieder zwei Tage in Anspruch . Am fünften
Tage wurde an der Zusammenstellung der Rechnung
gearbe i tet . Sie ergab , daß Hersch einige tau send Ru
bel zu bezahlen habe . Hersch sagte, er komme morgen
dieW aren verladen und. werde früher das Geld er
legen . Indes sen lud ihn der Händler in eine Restau
ration , wo sich di e be iden bei guten Speisen undTrank
vorzüglich unterhiel ten .
Der Jahrmarkt ging inzwischen zur Neige , die
Kauflust war verflogen , nachdem die fremden Hand
ler ihren Warenbedarf bereits gedeckt hatten und
zum großen Teil abreisten .
So etwa um 1 0 Uhr Vormittag erschien Hersch im
Geschäfte und ordnete an , daß man die Ware in die
Kisten packen solle ; seine Wagen werden bald an der
Stel le sein . Selbs t der Händler traf bereits die Vor
1 06
H ersch in seinem Pel z.
In einem trunkenen Zus tande glitt Hersch, das
Haus des Rabbi verlas send, auf der oberen Treppe
aus und fiel die Stiege hi nunter . Man hörte den
schweren Fall und kam nachzusehen , was geschehen
sei .
Hersch war indessen aufgestanden . „Hersch , was
ist dir passiert? wurde er befragt .
„Nichts ,“
erwiderte Hersch, „nur mein Pelz ist die
Sti ege heruntergefallen .
“
Das Auffal len des Pelzes
kann doch unmöglich so V i el Lärm gemacht haben ,
wendete man ein .
Das starke Geräus ch , erwiderte Hersch , „kam
daher, weil i ch in dem Pelzddrin s teckte !“
Herschs „Thor aerklärungen“
.
Hersch war einmal inK iew über Sabbat . Ein vor
nehmer und reicherMann, der aber ein großer Knicker
war, lud Hersch, den er als einen „schönen Juden"
hi el t, als Gast zu sich .
Auf den Tisch stellte man einen großen Teller
1 08
Fische . Vor dem Hausherrn lagen große Stücke
Fische, vor Hersch hingegen Fischschweife .
Hersch lehnte sich behaglich auf den Stuhl, s tell te
s ich so, al s wäre er in Gedanken versunken und rührte
die Fische nicht an . Der Hausherr fragte ihn : Vetter,
war um eßt Ihr nicht, an was denkt Ihr? Hersch er
widerte : „ Ich denke, wie die W elt sich dreht und rund
ist wie ein Teller wobei er flink den Teller so
umdr ehte, daß die großen S tücke Fische vor ihm
waren . „So dreht sich die Welt ,“
sprach er lächelnd,
und aß gemütlich die Fische des Hausherrn .
Denn brachte man die Suppe . Der Hausherr erhiel t
eine fette, während Herschs Suppe wie Wasser war .
Bei uns ist es Brauch, sagte Hersch , „bevor man
die Suppe ißt, Thora zu sagen : wollt Ihr sie hören?
Ich werde Euch Erkl ärung geben , wie die Juden über
das Meer zogen .
Es war gerade der „Gesang-Sabbat da man aus
der Thora den Übe rgang der Juden übers Schi lfmeer
vorlas , und da kam es demH ausherrn ganz erwü nsch t,
über das wunderbare Überschreiten Erklärungen zu
hören .
Hersch hob seine Untermu tze, Jarmelka, vomKopfe
und schlug sie übe r den Teller : Seht Ihr,“ sprach
er, „ so schlug Moses seinen Stab in das Meer .
1 09
Dem Hausherrn war nun der Appeti t vergangen ,
die Suppe , in die der Gast sei ne Untermütze tauchte ,
zu essen, er verzichtete auf dessen we itere Thora
erklärung und beehrte ihn mit der eigenen Suppe .
H er sch fei er t Gebur tstag .
Hersch erfuhr, daß in einem Dorfe be i Os tropole
ein Orender die Durchreisenden schlecht behandelte
und ihnen ubermäßige Preise für das Essen herech
nete . Hersch nahm sich vor , dem Orendereine Lehre
zu geben , damit er künftighi n wisse, seineGäste besse r
zu behandeln . Er lieh sich vornehme Gewänder, kam
zum Orender, gab sich ihm als ein bekannter reicher
Holzhändler aus und gab vor, er hätte im Dorfe wich
tige Geschäfte zu erledigen . Er war dort mehrere
Tage , aß und trank und unternahm täglich mehrere
Spaziergänge .
Eines Tages machte Hersch eine außerordentlich
besorgte, traurige Miene . Auf die Frage des Orenders ,
worüber er so traurig sei und was ihm fehle, erwiJ
der te Hersch :
1 1 0
aus genommen . In seinem Zimmer ließ er einen
Zettel mit folgenden Worten zurück : Hier‘
hat
Hersch von Ostropole gewohnt .
Nun wußte der Orender, welchen noblen Gast er
bei sich hatte .
H ersch bauscht „Gomel“.
Hersch kam einmal in das Bet—Ham idrasch und
gab vor, er wolle den Dankessegen für eine wunder
bare Errettung Sprechen, „Gomel benschen“
W as ist dir geschehen? fragte man ihn von allen
Seiten . Hersch erwiderte : „ Ich ging heute über die
Brücke . Da hörte ich unten am Flusse ein starkes
Schlagen und Klopfen . Ich schaute hinunter, woher
das komme und sah, wie eine Bäuerin mit einem
großen Knüppel ein Hemd walkte . Nun sagt selber :
Ist es kein Glück, daß ich es nicht an hatte? Sie hätte
mich doch totgeschlagen , oder mindestens zum Krüppel gemacht . Deshalb will ich Gomel benschen .
1 1 2
H er sch bet rä gt seinen Vater .
Als Knabe saß Hersch bei Tisch mit seinem Vater.
Man brachte Gänsefleisch nebst Gänsefüßen . Der
Vater seh einen Augenblick vom Tisch weg, da hatte
Hersch ein Füßchen gegessen . Als der Vater zurück
schaute und nur ein Füßchen sah, fragte er Hersch
Warum hast du ein Füßchen gegessen?“
Hersch er
widerte : „Nein, Vater, ich habe das Füßchen nicht
gegessen, wahrscheinl ich hatte die Gans nur einen
Fuß .
„Gibt’
s denn, fragte der Vater ei ne Gans, die
nur einen Fuß hätte?“
Darauf Hersch : „O j a . Komm zum W asser , da
werde ich dir viele Gänse zeigen , die nur einen Fuß
haben .
Nach dem Essen ging der Vater mit ihm zumTeich,
und Hersch zeigte ihm viele Gänse , di e auf dem Eis
nur mit einem Fuße standen . „Nun siehst du, Vater,
sagte Hersch, „da hast du Ganse mit einem Fuß .
„Warte, entgegnete der Vater, „du wirst gleich
sehen, daß du dich im Irrtum befindest .“
Er machte
mi t der Hand eine Bewegung, worauf die Gänse auch
ihren zweiten Fuß herunterstellten . Hersch : „Da hast
du aber ers t die Hand heben müssen ; hättest du bei
8 B loc h . Hersch Ostropoler 1 1 3
Tisch deine Hand gehoben , hätte die Gans auch zwei
Füßchen .
Herschs Fragen.
Hersch hatte die Aufgabe, j eden Tag den Rabbi zu
fragen , welches Mittagmahl mein kochen soll .
Einmal kam Hersch mit der Fr ege : „Rabbi , was
soll man heute kochen?
An diesem Tage war der Rabbi sehr traurig ge
stimmt . Er antwortete gedankenlos : „Meinetwegen
soll man Späne kochen !
Hersch : Und was sol l f ur die Chassidim gekocht
werden?“
H er sch schi lt den Rabbi .
In se iner Trunkenheit lag Hersch auf der Schwelle
vor dem Hause des'
Rabbi ; er schal t und fluchte un
endlich . Die Chassidim fragten ihn : „Herscb, wem
beschimpfst du so sehr?
Hersch erwi derte : Ich schel te den Hausherrn , weil
1 1 4
„ l ch bitte dich , Freund Konstantin , lasse mich
j etzt in Bub , sprach Hersch, „dr außen ist eine grim
mige Käl te, ginge ich j etz t, ich stell te mein Leben
aufs Spiel . Du spürst wohl nichts , weil du über deine
dicke Bauernkleidung noch einen Schafpelz has t .“
Dar auf bot der Bauer Hersch seinen Pelz an ; so gern
wollte er ihn vor den Richter bringen . Hersch zog den
Pelz an und ging mit ihm zu Gericht .
Hier brachte der Bauer di e Klage über den säumi
gen Zahler vor . Hersch wendete ein : Der Klage
führer is t verrückt . Ich bin ihm keinen Groschen
schuldig . Sei t e i n i ger Zei t bildet er sich ein , al les g e
höre ihm . Und er kennt darin gar keine Grenzen .
Fragt ihn Herr Richter be ispielsweise, ob nicht der
Pelz , den ich anhabe , ihm gehört, er bringt auch das
fertig und sagt, es is t sein Pel z .“
„Gewiß is t es mein Pelz ,“ schrie der Bauer, „erst
vor einer W eile lieh er ihn von mir .
Nun war der Bürgerr ichter von der Verrü ck theit
des Bauern überzeugt, wies die Klage ab und sprach
gleichzeitig Hersch den Pelz zu .
H ersch al s Ratgeber .
Drei Männer Inden einmal Hersch in eine Wein
stube . Ein j eder von ihnen klagte ihm sein Leid, und
sie beten j eder um seinen Rat . Der eine klagte, er
habe im Laden große Losung, sein Lebensbedarf sei
mäßig und trotzdem verarme er von Tag zu Tag .
Hersch gab ihm den Rat, er solle einige Nächte
draußen vor dem Laden schlafen . Der zweite erhob
Klage , er habe keinen Appe ti t und werde darum Tag
für Tag magerer, und der Arzt sagte , er werde bal d
ganz dem Siechtum verfallen . Diesem riet Hersch ,
jeden Tag in den W ald zu gehen . Der dritte j ammerte ,
er habe ein böses Weib , di e ihn stets verfluche und
be leidige . Ihm empfahl Hersch, in die Mühle zugehen .
Die drei Männer konnten die Worte Herschs nicht
begreifen , verabredeten dennoch, seinen Rat zu be
folgen . Der Händler schlief neben dem Laden und
sah, wi e seine Diener nachts m it Nachsc hlüsseln ka
men , den Laden öffneten und wertvolle Sachen stah
len . Er en tließ sie und seither besserte sich seineLage .
Der zweite ging in den Wald und sah, wie ein Bauer
schwer dar an arbe i tete, gefällte Bäume auf den W a
gen zu bringen . Er half ihm , und als er ermüdet
beim kam, aß er mit großem Appetit . Nun verstand
1 1 7
er, wenn man fest arbei tet, dann ißt man mit Appeti t .
Der dritte ging in die Mühle . Er beobachtete, al s*ein
Bauer einen Wagen Mehl schwer belud, so daß das
Pferd den Wagen nicht ziehen konnte . Als er abe r
einige Male die Peitsche schwang, setzte das Pferd den
Wegen in Bewegung . Nun verstand er, daß Herschs
Rat dahin ging, seine Fran , wenn sie ibri fluche und
schimpfe , zu prügeln, so werde sie künftighin folgsam werden . Schon der ers te Versuch brachte Erfolg .
H ersch pflegt zu tun,wie es sein Vater getan hat .
Au f seinen Wanderungen kam Hersch am späten
Abend hungrig zu einem Dorfjuden . Er hat um etwas
Essen, doch die Frau sagte , s ie habe nichts . Hersch
sprach darauf : „Nun , da Ihr m ir nichts zu essen
gehen wol let, werde ich das tun müssen , was mein
Vater getan hat . Er ging da im Zimmer auf und
ab , schüttelte den Kopf und sprach zu sich : „Es
bleibt mir doch nichts anderes ubr ig , ich werde ebenso
tun wie mein Vater .
1 1 8
Schnaps, du darfs t aber keines falls an j emanden ohne
Geld davon geben . Indes ging er ins Bethaus„ wo
er bis Mittag blieb . Als er nach Hause kam , sprach er
zu seiner Frau : „Hast du ein ,Dreier‘ und gib mir ein
Gläschen Schnaps .“
Sie nahm die Münze und gab ihm
den Schnaps . Sie wollte aber vor dem Mittagmahl
ebenfalls ein Schnäpschen trinken , sie „kaufte“
es
von ihrem Manne und zahlte mit derselben Münze .
So drehte sich die Münze einige Wochen, bis der
Schnaps zuneige ging . Nun trug er das leere Fäßchen
zum Händler, gab ihm den Dreier“ und verlangte
neuerlich Schnaps . Dieser schaute ihn befremdend an
und fragte : Was fäll t Euch ein , für ein Fäßchen
Schnaps ei nen Dreier?“
„ Ich schwöre Euch, antwortete Hersch , „daß ich
für den ganzen Schnaps, den ich von Euch kreditiert
bekam , nicht mehr als diesen ‚Dreier‘
Einnahme hatte .
Jedesmal , wenn ich einen Schnaps nahm , zahlte ich
meinem W eihe und ebenso zahlte mir mein W eib ,
wenn sie einen Trank an sich nahm .
“
Dem Händler gefiel der Einfall und er gab Hersch
neuerdings ein Maß Schnaps .
1 20
Herschs ! rger .
Hersch g ing e inmal auf dem Jahrmarkt in Berdy
tschew in Gedanken tief versunken . Und da rennt
ein Viehhändler seinem Genossen nach, ruft unau f
hör lich : Mendel, Mendel“ Hersch packt ihn an
den Arm und spricht ärgerlich : Wieso kennst du
mich, ich heiße doch gar nicht so?
Herschs Sch laf losigkei t.
Hersch kam einmal zum Rabbi und sprach : Rebbe ,
ich gehe an Schlaflosigkeit zugrunde erst diese Nacht
bin ich fest zwölfmal aufgewacht und konnte kein
einziges Mal wieder einschlafen .
Her sch und Kopernikus.
Hersch war gerade im Gemache des Rabbi, als ein
Gelehrt er diesem erzählte, er habe ein großartiges
1 21
Werk verfaßt, in welchem er des Kopernikus me
schugenen Einfall, daß die W el t um die Sonne und
nicht die'
Sonne um di e Welt sich drehe widerlegte,
und den Beweis führte, daß die Sonne geht und die
Welt s teht, wie es auch in der Heiligen Schrift heißt :
„Die Erde steht ewig“
. Hersch lachte und sprach
Lasse di e Welt gehen und beschäftige dich mit an
dere Dinge .
Her sch segnet einen Orender .
t eit von Miedziborz wohnte ein Orender . Trotz
dem , daß er kinderlos war, gab er keinem Armen
welche Unterstützung , und er pflegte die Chassidim,
die zum Rabbi wallfahr ten , einfach die Tür zu weisen .
Freilich durfte auch Hersch dessen Schwelle nicht
betreten . Hersch schwer ihm daher Rache .
Eines Tages kam er in di e Orenda und sprach de
speratis'
ch : Reh Götzel , ich bin ein Armer, gebt mir
was zu essen , weil ich hungrig bin .
Dieser fuhr ihn an : „Du Haderlump , kennst du
mich nicht und hat di ch di e Kunde nicht erreicht,
daß ich keinen Armen dul de?
1 22
Armen gut sein werdet, werde ich Euch sagen , was
ich mit meinen drei Segen meinte .
“
Als ihm der Oren
der die Hand gegeben hatte, sprach Hersch : „Nun
hört : Ich wünschte Euch , Ihr soll t nicht s terben , weil
so ein Hund, wie Ihr es gegen die Armen seid, lieber
krepieren möge . Soll tet Ihr aber dennoch sterben ,
dann wünschte ich , daß Ihr neben mir begraben sein
sollt, dami t me ine Würmer an Eurem fetten Körper
sich sättigen und schließlich r iet ich Euch , einen Fuß
boden zu machen , weil so ein Bösewicht nicht
sei , auf Gottes Erde zu treten .
Und nun lief er erst recht davon .
H ersch wi rd besieg t .
Ein andermal kam Hersch um dieselbe Zeit zu
einem Orender und hat um Nachtlager . Die Fr au
lehnte es ab mi t der Begrü ndung, daß ihr Mann n i cht
zu Hause sei und. erst in der Nacht des folgenden
Tages heimkehren werde .
“
Hersch stellte sich ganz erstaunt und sprach : W ie,
Euer Mann ist nicht zu Hause, heute am Pur im zur
Megulah?
1 24
Um Gottes wil len, sagte die Fran fassungslos ,
Rabbi Hersch, was sagt Ihr? Jetzt is t Purim? Und
mein Mann hat deren ganz vergessen? Wo wird er
nun die Megu lah hören? Wer wird mir und den Kin
dern die Megul ah vorlesen?“
Hersch trös tete sie , ihr Mann werde wohl in der
Stadt das Vorlesen der Megul ah hören können , was
aber sie betrifft, sei er bereit, ihr die Megulah vor
zul esen er sei im Vorlesen genug gewandt . Als er das
Vorlesen beendet hatte , trat Hersch an di e Frau heran
und begrüßte sie nach herkömmlicher Weise : Gut
Pur im !
Der Feier des Festes angemessen , erhi el t Hersch
feine Bäckereien und Getränke, und es wurde ihm
auch ein behagliches Nachtmahl berei tet .
A uch am folgenden Tage waltete Hersch seines
Amtes , er las die Megul ah voi und sang al lerlei lustigeLieder . Es war eine sehr fröhliche Stimmung, die
Frau war ganz zu f rieden ,amFesttage einen so schonen
Juden bei sich zu haben , nur war sie ihrem Menue
böse, daß er sie im Sticbe gelassen habe .
Nach dem am Spätnachmittag eingenommenen
Festmahl e‚ver ließ Hersch die Orenda, indem er vor
gab, er müsse an diesem Feier tegsabend noch einen
Bekann ten im nächs tl iegenden Dorfe besuchen . Er
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war bereits ziemlich weit, als der Orender zurückkam .
Jubelnd liefen ihm die Kinder entgegen und be
grüßten ihn : Guter Purim , Papa“
, sie umringten
ihn, und jedes verlang te das übliche Pur imgeschenk .
Die Frau aber fuhr ihn an : Das ist unerhör t, am
Pur im Weib und Kinder im S tich zu lassen .
Was ist los?“ fragte der Mann erstaun t, „woll t
Ihr m ich verrück t machen , oder seid Ihr verrückt ge
worden?“
Die Frau suchte ihm nun ruhig seinen Fehler vor
zuhal ten .
—Beinahe hätte sie nicht gewußt, daß Purim
sei , wenn nicht der lus tige Hersch , der durch Zufall
die Stadt nicht mehr erreichen konnte , zu ihr ge
kommen wäre ; er hehe die Megul ah vorgelesen und
ihnen di esen Tag zum bes ten gegeben . Der Mann
sprach zur Frau : Kennst du nicht Hersch Ostropole
mi t seinen Witzen und Foppereieu?“ Genau nach vier
Wochen war der Orender geschäftli ch in der Stadt ,
al s er zufällig Hersch gehen sah .
Seht da, Reh Hersch, habe Euch schon lange nicht
gesehen, wie geht's Euch
, was macht Ihr, und was
halb seid Ihr so in Gedanken versunken?“
„ Ich mache ,“ erwiderte Hersch traurig, „nichts
und bin traurig, weil ich heute noch keinen Schnaps
im Munde hatte .
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Hersch hat es um ein bißchen Schnaps . Es reichte
ihm ein kleines Gläschen .
„Nein, sagte Hersch, „aus diesem Glas darf ich
nicht trinken weil es noch nicht in Wasser getaucht
worden ist .
Und von einem großen Glas dur f t Ihr trinken?
fragte das Mädchen . Hersch : „Ja, weil das große
Glas in Wasser getaucht ist . Nun war das Mädchen
keine dumme Gans . Es schüttete den Schnaps in ein
großesGlas und reichte es ihm . Darauf sprachHersch ?
„Nun sehe ich , daß schon klü gere Menschen als ich
auf der W elt sind . Wenn mich ein solcher Fratz
foppen kann, so habe ich auf dieser W el t nichts mehr
zu suchen . Se ither stellte er seine W anderungen ein .
H erschs Gattin und die Rebezin.
Einmal fü hl te sich Hersch durch ein Wort der
Rehazin“ stark getroff en und faßte bei sich den
Entschluß , sich an ihr zu rächen . Er ging diesmal
aus dem Hause des Rabbi mit hungrigem Magen nach
Hause, da ihm heute auch das tägl iche Mittagmahl
nicht verabreicht worden war . Daheim las ihm erst
noch seine Gattin die Leviten, we il er ihr keine K0
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peke brachte, für sich und die Kinder Nahrungsmitte l
zu kaufen . Hersch schwor auch ihr Rache . Nach einer
Stunde begab er sich wieder zur Rebezin, stellte sich ,
als wäre er von der ihm zugefügten Be leidigung nicht
berührt und kündigte ihr für den nächsten Tag einen
Besuch seines Weibes an . In ihrem Bemühen , Hersch
durch ein freundliches Wort für die Be leidigungen
Genugtuung zu verschaffen , sprach die Rebe zin :
„Wie unendl ich ich mich auf diesen seit langer Zeit
ersehnten Besuch frene l“
Hersch machte die Rebezin
nur noch aufmerksam, daß seine Gattin taub sei und
man mit ihr sehr laut sprechen müsse . Freilich erhiel t
er von der Rebezin nun auch einige Rubel Ver
zeihungsgeld“
. Hersch kam nach Hause, und als er
seiner Gattin die erhal tene Summe überreichte, zeigte
sich auch sie ganz versöhnt . Da sagte er : Heute erst
hat mir die Rebezin gesagt , wie sehr sie auf dich böse
ist, daß du sie bis nun nicht besuchtest . Ich habe ihr
daher versprochen, daß du morgen zu ihr kommen
wirst . Sie fühlte sich da überaus geschmeichelt und
versprach, morgen zur Rebezin zu gehen . Hersch
machte sie nun aufmerksam , daß die Rebezin schwer
hörig sei , und daß man sie fas t an schreien müsse,
sollte sie ein Wort vers tehen . Als daher tags darauf
Herschs Gattin bei der Rebezin erschien , schrie sie
9 B l oc h , Hersch Ost ropoler 1 29
Gott hilf ! so laut, daß al le Anwesenden erschraken .
Die Rebezin allein wußte, was für e i ne Bewandtnis
es ini t diesem Schreien habe und antwortete daher
mit noch lauterer Stimme „Willkommen !“ Und die
beiden Weiber führ ten ihr Gespräch so laut, daß der
Rabbi in seinem Gemache erschrak . Zu spät merkten
die be iden Frauen, daß sie von Hersch gefoppt waren .
Aber seither hütete sich die Rebezin, mit Hersch auch
den kleins ten Strei t anzufangen .
H er sch nach dem Tod.
Rabbi Baru ch ging einmal mit einer großen Ge
meinde auf den Haus des Friedens“ , suchte Herschs
Grab auf und schri e : „Hersch , war um liegst du so
vertrocknet?“ Er l ieß ein wenig Schnaps bringen , er
selbst machte am Grabe ein kl eines Grübchen und
schüttete darein ein Maß des Schnapses . Dabei sprach
er : „Er! uicke di ch ein wenig und liege nicht ver
trocknet
Darauf sagte er Kadisch und ging nach Hause .
Was der Rabbi dam i t be zwecken wollte, bliebbis zum
heutigen Tage ein Rätsel .
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