LOGOS IM
SCHWEIGEN und REDEN
—
Studien zum Zusammenhang von
Sprache und Bildung
Dissertation
zur Erlangung des Grades
eines Doktors
der
Philosophie
im
Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der
Universität Duisburg-Essen, Campus Duisburg von
Gaja von SYCHOWSKI
aus Wesel
Referent: Prof. Dr. Karl HELMER
Korreferent: HD Dr. phil. habil. Andreas DÖRPINGHAUS
Tag der mündlichen Prüfung: 23.3.2005
eis, quos diligit anima mea
secundum CANTICUM CANTICORUM SALOMONIS
2
Vorwort Vor allen danke ich dem Betreuer dieser Arbeit, Prof. Dr. Karl HELMER, für seine sorgfältige, beratende, kritische, väterliche Begleitung. HD Dr. phil. habil. Andreas DÖRPINGHAUS übernahm das Korreferat. Matthias KEMPER und Barbara PLATZER leisteten Korrekturarbeiten. Ein Promotionsstipendium der Gerhard-Mercator-Universität Duisburg ermöglichte das Entstehen der Dissertation. Allen herzlichen Dank für ihre Hilfe und Unterstützung. Schließlich sei meiner Familie gedankt – insbesondere meiner Mutter, Almut von SYCHOWSKI, aber auch meiner Patentante Dietlind KOCH, meinem Onkel Henning KOCH und meiner Tante Erika KOCH. Duisburg im August 2005 Gaja von Sychowski
3
Inhaltsverzeichnis Abbildungen 7 Einleitung 8 PROBLEMSTELLUNG UND FORSCHUNGSSTAND 10 TEXTAUSWAHL, AUFBAU, ARGUMENTATION 14 METHODEN 24 ZIELSETZUNG 28 1. LOGOS IM SCHWEIGEN 29 1.1 „die Dinge kennen zu lernen ohne Hülfe der
Worte“: SCHWEIGEN BEI PLATON 31 1.1.1 DER PLATONische DIALOG KRATYLOS 32 1.1.1.1 Abbild- versus Gebrauchstheorie 38 1.1.1.2 Sowohl Abbild- als auch Gebrauchstheorie 43 1.1.1.3 Weder Abbild- noch Gebrauchstheorie 47 1.1.2 ZWISCHEN LOGOS UND IDEE 51 1.1.3 LOGOS UND IDEE IM SCHWEIGEN 56 1.2 „esto tranquillus, et intelliges – sei still, und du
wirst verstehen“: SCHWEIGEN BEI AUGUSTINUS 62
1.2.1 ONTOLOGISCHE ERKENNTNISTHEORIE 63 1.2.2 DE MAGISTRO – DER AUGUSTINische DIALOG ÜBER DEN LEHRER 72 1.2.2.1 Semiotik und Erkenntnis 76 1.2.2.2 Semiotische Abbildung im Gebrauch 78 1.2.2.3 Semiotische Defizienz 80 1.2.3 LOGISCHE ERKENNTNIS IM SCHWEIGEN 84 LOGOS IM SCHWEIGEN – Zusammenfassung 88
4
2. LOGOS IM REDEN 92 2.1 „Bei diesen ersten Begriffen bleibt etwas, bis das
Unteilbare und das Allgemeine steht“: REDEN BEI
ARISTOTELES 94 2.1.1 DIE ARISTOTELische SCHRIFT PERI HERMENEIAS 94 2.1.1.1 Abbildung und Gebrauch 97 2.1.2 LOGISCHE UND ONTOLOGISCHE WAHRHEIT 102 2.1.2.1 Wahrheit und Zeit 105 2.1.2.2 Aussagenlogik 108 2.1.3 UNIVERSALIEN 122 2.2 „verbum significat conceptum intellectus – Das
Wort bezeichnet die Erkenntnis des Geistes“: REDEN BEI THOMAS VON AQUIN 129
2.2.1 ONTOLOGISCHE UND LOGISCHE KAUSALITÄT 131 2.2.2 DE MAGISTRO – DIE THOMASischen ARTIKEL ÜBER DEN LEHRER 137 2.2.2.1 Der Lehrer 138 2.2.2.2 Exkurs: Der Mensch als Autodidakt 146 2.2.2.3 Göttlicher versus menschlicher Lehrer 149 2.2.2.4 Engel als Lehrer 151 2.2.2.5 Die Tätigkeit des Lehrens 158 2.2.3 LEHREN ALS UNIVERSELLES REDEN 160 LOGOS IM REDEN – Zusammenfassung 164
5
3. SCHWEIGEN UND REDEN BEI LUDWIG
WITTGENSTEIN 167 3.1 „Tatsachen lassen sich nicht benennen“:
SCHWEIGEN BEI WITTGENSTEIN 169 3.1.1 DIE ONTOLOGISCHEN VORAUSSETZUNGEN VON WITTGENSTEINs
TRACTATUS LOGICO-PHILOSOPHICUS 170 3.1.2 DER LOGIK-BEGRIFF DES TRAKTATS 175 3.1.2.1 Die Logik des Elementarsatzes 176 3.1.2.2 Die Logik von Wahrem und Falschem 179 3.1.2.3 Die Logik der allgemeinen Satzform 184 3.1.3 DIE LOGIK ZU SCHWEIGEN 188 3.2 „Und der Begriff des Wissens ist mit dem des
Sprachspiels verkuppelt“: REDEN BEI
WITTGENSTEIN 198 3.2.1 SPRACHGEBRAUCH UNABHÄNGIG VON ONTOLOGISCHEN
VORAUSSETZUNGEN IN WITTGENSTEINs PHILOSOPHISCHEN UNTERSUCHUNGEN 199
3.2.2 DIE LOGIKEN DER PHILOSOPHISCHEN UNTERSUCHUNGEN 206 3.2.2.1 Die Logik der Sprachspiele 207 3.2.2.2 Die Logik des Wahrheits- und Falschheitsgebrauchs 210 3.2.2.3 Die Logik des Regelfolgens 211 3.3.3 DIE LOGIK ZU REDEN 214 SCHWEIGEN UND REDEN BEI LUDWIG WITTGENSTEIN – Zusammenfassung 224 Schluss 226 Abbildungsverzeichnis 238 Literaturverzeichnis 239 QUELLEN 239 FORSCHUNG 244
6
Abbildungen PLATON 29
Aurelius AUGUSTINUS 60
ARISTOTELES 92
THOMAS VON AQUIN 127
Ludwig WITTGENSTEIN, ca. 1919 167
Ludwig WITTGENSTEIN, ca. 1951 195
7
Einleitung
Bildung entfaltet sich in pädagogischen Vollzügen; Lehren,
Unterrichten und Vermitteln als pädagogische Vollzüge sind
unweigerlich an Sprache gebunden. Sprache vollzieht sich im Reden.
Reden fängt an und endet. Wo Reden endet, beginnt das Schweigen.
Endet mit der Rede der pädagogische Vollzug, oder ist das Schweigen
innerhalb des pädagogischen Vollzuges Korrelat der Rede und bildet
mit ihm eine Vermittlungseinheit? Die Rede wird gehört. Wer hört,
schweigt. Wer nicht schweigen kann, kann nicht hören, dem kann
nichts vermittelt werden.1 Pädagogische Reflexion über Unterricht als
Vermittlung muss einmal reflektieren auf das Vermitteln als Ansatz,
weiter dann aber über das Fortsetzen des vermittelten Ansatzes in der
Aufnahme durch das Hören. Hören, Aufnehmen, Verarbeiten,
Nachdenken vollziehen sich im Schweigen.
Pädagogisches Vermitteln in allen seinen Ausformungen
vollzieht sich in Zeit. Die Zeit hat eine Geschichte.2 Es gibt eine
Geschichte der Ausformungen pädagogischen Vermittelns, eine
Geschichte des Unterrichts, der Unterweisung, der Vermittlung, der
Ausbildung. Insofern diese pädagogischen Vollzüge sich in Rede
niederschlagen, gibt es eine Geschichte der pädagogischen Rede.
Insofern Rede komplementär und korrelativ auf Schweigen bezogen
ist, ist die Geschichte der pädagogischen Rede auch Geschichte
pädagogischen Schweigens. Das pädagogische Schweigen als das
Schweigen desjenigen, der sich bewusst der Rede enthält, um dem
Nachdenken und Verarbeiten Raum zu geben, ist nur eine der 1 Darauf verweist bereits BENEDICT VON NURSIA in seinem grundlegenden Regelwerk:
„Nam loqui et docere magistrum condecet, tacere et audire discipulum convenit. – Denn Reden und Lehren kommen dem Meister zu, Schweigen und Hören dem Jünger.“ (RB VI.6, S. 98f.)
2 Vgl. HEITGER 2004, S. 214f.
8
Formen und Gelegenheiten, in denen das Schweigen erscheint. Das
pädagogische Schweigen und seine Geschichte ist somit ein Glied und
eine Art des Schweigens überhaupt, das seine Geschichte hat. Die
Geschichte des Schweigens hat ihre Grundlagen und Gründe. Diese
gilt es in der vorliegenden Arbeit herauszuarbeiten, um das Schweigen
als eine Gattung des Denkvollzuges zu bestimmen – Denken und
Sprache sind wohlgemerkt eins –3 und das pädagogische Schweigen als
Art in dieser Gattung zu verorten. Es geht also um die Geschichte
einer Art. Diese Artengeschichte entfaltet sich als
Evolutionsgeschichte des sich Bewusstwerdens eines immer schon
Gewesenen. Schweigen war schon immer da. Im Anfang war vor
jedem Wort das Schweigen,4 denn wo kein Schweigen ist, da lässt kein
3 Sprache und Denken als Einheit zu begreifen geht auf den antiken Logos-Begriff
zurück. Im Wörterbuch der antiken Philosophie wird Logos als die
„[...]vernünftige, sinnerfüllte[...] gesprochene, geschriebene oder nur gedachte Rede“ aufgefasst, als „[...]das Sprechen, aber auch dasjenige, wovon die Rede ist, das in Worten Enthaltene – Gerede, Gerücht – und auch die Rede oder Vortrag als Gegenstand der Beredsamkeit[...], ‚Gespräch‘, ‚Kernspruch‘, ‚Sprichwort‘, ‚Erzählung‘, ‚Fabel‘, ‚Geschichte‘, [...] ‚Darstellung‘ [...], [Logos] kann aber auch für die Überlegung, die Ansicht, die Meinung, oder die Vernunft schlechthin stehen“ (Insges.: OPSOMER 2002, S. 255; Ausl. u. Zus. v. G.v.S.).
Dabei ist unter Rückgriff auf die Vorsokratiker, insbesondere auf Heraklit, zu betonen,
dass die Zweiheit aus Sprache und Denken durch ein drittes Moment bestimmt ist,
nämlich die Objektwelt, auf die beide sich beziehen. (Vgl. ebd.) Die Vorstellung, dass
Sprache und Denken zusammenfallen, bedeutet nun zweierlei: Erstens ereignet sich
Nachdenken über die Welt sprachlich. Das bedeutet, Denken ist sprachlich strukturiert
und organisiert. Der grammatikalische, syntaktische und semantische Aufbau von
Sprache bestimmt das Denken. Im WITTGENSTEINschen Sinne bestimmen so die
Grenzen der Sprache die Grenzen der Welt. (Vgl. TLP 5.6, S. 67) Im Umkehrschluss
sind, zweitens, an der Sprache die in ihr verfassten Gedanken zur Welt ablesbar. Wird
also Sprache untersucht, so ist dies zugleich eine Untersuchung von Gedanken über die
Gegenstände der Welt. 4 Erinnert sei an den Prolog des Evangeliums nach Johannes:
„Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Im Anfang war es bei Gott.
9
Wort sich hören. Und wo der Worte kein Ende ist, da ist kein
Verstehen und kein Nachdenken nach dem Denken. Wo kein
Schweigen ist, da ist kein Raum für das Wort. Schweigt der Redner
niemals, gibt er der Antwort keinen Raum. Wo die Antworten auf den
Grund gehen, da ist wiederum Schweigen, denn der Grund ist der
Anfang, und im Anfang ist Schweigen. Das war schon immer so und
steht über aller Geschichte. Allein die Rede, in der man sich dessen
bewusst wird, hat ihre Geschichte wie auch die Redeteile, die sich an
pädagogischen Problemlagen und pädagogischen Aufgabenstellungen
ausformen, in die Geschichte der Pädagogik eingehen, insofern diese
die Geschichte pädagogischer Problemlagen und Aufgabenstellungen
ist und die Geschichte ihrer pädagogischen Beantwortung und
Lösung.
Problemstellung und Forschungsstand
Gerade Beantwortungen und Lösungen erweisen sich in der
Gegenwartspädagogik als problematisch, haben sie doch Wahrheits-
oder zumindest Geltungsanspruch. Das erscheint angesichts von
Pluralismus unangemessen.5 In einer Welt, die sich selbst als plural
wahrnimmt, kann sich auch die pädagogische Disziplin nicht länger
singulär begreifen, hat sich vielmehr als „Pädagogiken“6 zu reflektieren
und wird ihre Ergebnisse nicht einfach so hinnehmen können.
Pädagogisches Reden, das den Status des Kontingenten einnimmt,
Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist.“ (Joh. 1,1-3)
Selbst, wenn nach dieser Schöpfungsgeschichte das Wort Gottes – seine Rede also – Welt
verursacht, bedarf es eines Raumes, in dem diese Rede erklingt, eines Ortes, an dem sie
gehört wird. Insofern ist (topo-)logisch betrachtet causa des Redens das Schweigen. (Vgl.
auch Weish. 18,14 und 15) Ohne das Schweigen ist die Rede nicht wirkmächtig. 5 Vgl. SIEBERT 1992, S. 42 sowie WELSCH 1997, S. 128f. 6 PASCHEN 1997.
10
„mehrdeutig, ambivalent, widersprüchlich, [...] zufällig“7 ist, wird
folglich auf seine Erkenntnis- und Geltungsrelevanz hin zu
überprüfen sein.8 Diese Arbeit erhebt allerdings Einspruch gegen die
pluralistische Inanspruchnahme des Vorbehalts gegenüber Wahrheit.9
Vielmehr hält sie Standpunkte der griechischen Antike, der Patristik,
Scholastik und der Moderne bereits für wahrheitskritisch. Wer als
pädagogisch Hörender schweigt, schweigt aus einer relativierenden
Haltung gegenüber seiner eigenen Fähigkeit, Wahres zu erkennen; wer
hingegen annimmt, seine Rede sei von pädagogischer Relevanz,
nimmt dies unter bestimmten Bedingungen an. Dieser Annahme
gemäß werden Logik, Ontologie, ja sogar Metaphysik bezogen auf
Wahrheits- oder Geltungskriterien zu untersuchen sein. Insofern die
Arbeit die Grenzen, aber auch die Möglichkeiten von Sprache vor
dem Hintergrund der pädagogischen Pluralismus-Debatte in den Blick
nimmt, verheißt sie, diesbezüglich Auskunft zu geben.
Eine Antwort auf Pluralität sind Narrationen, Erzählungen,
Geschichten als ihr angemessene Erscheinungsformen von
Erkanntem, welches es weiterzugeben gilt.10 Auch das ist nicht neu.
Vielmehr sind der Ursprung von Geschichte – Singular – Geschichten
– Plural –, worauf HELMER deutlich hinweist.11 Historisch
argumentiert ist eine transzendentalkritische Pädagogik, die den
äußeren Bezugsrahmen dieser Arbeit darstellt, in der Nachfolge
KANTs zwar geschichtsfeindlich,12 dennoch macht der
7 SIEBERT 1992, S. 41f., Ausl. v. G.v.S. 8 Vgl. LYOTARD 1994, S. 34f. 9 Vgl. LYOTARD 1994, S. 30ff. sowie USHER/EDWARDS 1994, S. 33ff.; WELSCH 1994, S.
13ff.; WELSCH 1997, S. 139ff. 10 Vgl. LYOTARD 1994, S. 63ff. und S. 96ff. 11 Vgl. HELMER 1994, S. 85 und S. 90. 12 Vgl. Facultäten A I.2.3, S. 65 sowie HELMER 1994, S. 85.
11
Traditionsstifter selbst bereits auf die Bedeutsamkeit der
Wechselbezüge von philosophischen und geschichtlichen
Theorieformen aufmerksam.13 Das gilt für die aus der Philosophie
hervorgegangene Pädagogik14 gleichermaßen. Geht diese Pädagogik
unter dem Pluralitätsgedanken in Pädagogiken auf, „fällt Geschichte
[nachmodern] in jene vormoderne Auffassung zurück“15; das ist
Pluralismus unter historischer Perspektive der Wissenschaft.
Geschichten sind hier „Argument“, „ein Faktor eines sprachlichen
Plausibilisierungsvorganges zwischen Redner und Zuhörer“16.
Insofern mag sich ein plausibilisierender Prozess, der über FISCHER,17
RUHLOFF18 und HELMER19 in Gang kam, jüngst in einem Historischen
Wörterbuch der Pädagogik20 niederschlagen – Signa einer Geschichte
pädagogischen Redens. Unter der hiermit benannten Perspektive
wendet sich die Arbeit der Geschichte pädagogischer Ausformungen
von Vermittlung, Unterricht, Unterweisung, Ausbildung zu.
Pädagogische Vollzüge manifestieren sich sprachlich; pädagogische
Rede ist ihr äußeres Zeichen. Sie ist ein Glied der vorliegenden
pädagogischen Analysen.
Deren zweites Glied ist eine – noch ungeschriebene –
Geschichte des pädagogischen Schweigens. LUHMANN und FUCHS
machen auf die Bedeutung der genannten Antithese innerhalb einer
13 Vgl. Facultäten A I.1.1, S. 28 sowie HELMER 1994, S. 88 und HEITGER 2004, S. 214. 14 Vgl. HÜGLI 1999. 15 HELMER 1994, S. 100; Zus. v. G.v.S. Das entspricht der historischen Rückorientierung
einer Epoche nicht auf die ihr direkt vorausgegangene, sondern auf das „Vorvorher“
(HARTWICH 2002, S. 66). (Vgl. insges. HARTWICH 2002, S. 65ff.) 16 HELMER 1994, S. 100. 17 Vgl. FISCHER 1961b, S. 132f. 18 Vgl. RUHLOFF 1995, S. 109f. 19 Vgl. HELMER 1994, S. 99. 20 Vgl. BENNER/OELKERS 2004.
12
Gesellschaftstheorie aufmerksam.21 Für die Pädagogik greift KOCH
Das Schweigen der Pythagoreer22 als bildungstheoretisch relevant auf. Der
eigentliche Anlass einer Geschichte pädagogischen Schweigens ist
allerdings das Kapitel „Glaube und Gnade wider weltliche Erkenntnis
und bildende Erleuchtung. Aurelius Augustinus.“ in HELMERs
Bildungswelten des Mittelalters23, welches das elfte Buch in AUGUSTINs De
magistro als Aufruf zu einer Bildung durch Schweigen erscheinen lässt.
Weitere Recherchen eröffnen eine pädagogische Tradition. Dies ist
ihre Darstellung.
Die Zusammenschau von Logik, Ontologie und
Erkenntnistheorie ist bereits in mehrfacher Hinsicht vorgezeichnet
worden. Explizit ist der dieser Arbeit zugrundeliegende
Bildungsbegriff als ein erkenntnistheoretisch24 logischer wie auch
ontologischer zu benennen. Bildung wird als Anleitung zur
Erkenntnissuche verstanden. Die Erkenntnissuche ist auf Wahrheit als
deren Ziel ausgerichtet. Sie ist sprachlicher Art, denn Sprache wird im
Sinne von Logos als Weise der Annäherung an Welt verstanden. Sich
der Welt anzunähern bedeutet, sie in ihrem Sein verstehen zu wollen.
Für ein angemessenes Weltverständnis ist Wahrheit Maß und
Richtschnur. Obwohl sich die Dreiheit aus Logik, Ontologie und
Erkenntnistheorie angesichts von Pluralität zu bewähren haben wird,
gilt sie als Grundmuster aller der Arbeit zugrunde gelegten Schriften.
21 Vgl. LUHMANN/FUCHS 1989. 22 Vgl. KOCH 2001, S. 81-94. 23 HELMER 1997, S. 29-42. 24 Der Begriff „erkenntnistheoretisch“ bezieht sich hier nicht auf die philosophische
Disziplin der Neuzeit, für welche die Begriffsfindung mit den dreißiger Jahren des 19.
Jahrhunderts festgeschrieben wird. (Vgl. DIEMER 1972, Sp. 683 sowie GETHMANN 1972,
Sp. 683ff.) Vielmehr soll er weit gefasst werden und jede Frage und Annäherung an Welt,
die auf Wissen über Welt zielt, bezeichnen.
13
Textauswahl, Aufbau, Argumentation
Im ersten Teil dieser Arbeit wird Bildung als Anleitung zu einer
sprachlich geleiteten Erkenntnissuche entfaltet werden. Logos ist die
erkenntnissuchende Annäherungsweise an Welt. Erkenntnissuche ist
Wahrheitssuche. Hermeneutische Analysen sowohl des PLATONischen
Dialogs Kratylos als auch der Schrift De magistro von Aurelius
AUGUSTINUS sollen dies zeigen. Die Textauswahl unterliegt mehreren
Gesichtspunkten. Beide Schriften sind, erstens, als Dialoge verfasst,
genauer: Es handelt sich um Lehrgespräche, Gespräche der
Unterweisung, des Unterrichts. Gesprächsgegenstand ist, zweitens, im
Kratylos ebenso wie in De magistro, Sprache, so dass sich der
Zusammenhang von Bildung und Sprache als offenkundig erweist.
Da, drittens, mit dem genannten Dialog PLATONs die älteste
hellenistische Schrift vorliegt, der man das Attribut
sprachphilosophisch zuweisen kann,25 bildet sie den Ausgangspunkt
der Tradition, die nachzuweisen sich die vorliegende Arbeit anschickt.
Viertens ist der AUGUSTINische Dialog als ein Wiederaufgreifen des
von PLATON aufgeworfenen Problembestands zu lesen,26 also ein
Signum seiner Tradierung. Fünftens gereicht beiden Sprache nicht als
die erwartete Eröffnung von Welterkenntnis, denn Wahrheit als Ziel-
und Maßgabe erweist sich als logisch unerreichbar. Somit verweisen
PLATONs Kratylos und AUGUSTINs De magistro, sechstens, auf das
Korrelat der defizienten pädagogischen Rede, das pädagogische
Schweigen.
Trotz dieser Bezüge wird hinsichtlich der einzelnen
Standpunkte Verschiedenes zu zeigen sein. Für den PLATONischen
25 Vgl. BORSCHE 1995, Sp. 1438; GAUSS 1956, S. 191; KRAUS 1996, S. 19. 26 Vgl. BORSCHE 1995, Sp. 1438.
14
Standpunkt wird die ontologische Verortung von Wahrheit im
Ideenhimmel als wesentlich dargestellt werden. In dieser Darstellung
wird die gleichewige, ideale Schau der Ideen, die für PLATON mit der
Erkenntnis von Wahrheit in eins fällt, jenseits des Lebens verortet.
Dem steht im Diesseits die Unfähigkeit des Menschen gegenüber,
Welt im Sinne von wahrer Welt zu erkennen oder gar zu lehren.
Analog zu dieser PLATON-Interpretation soll der Wahrheits-Begriff
von AUGUSTINUS als Bestandteil seiner Gottes-Ontologie verstanden
werden. Insofern AUGUSTINUS das Sein Gottes als absolute
Vollkommenheit begreift, wird mit ihm auch die göttliche Wahrheit
als etwas Vollkommenes darzustellen sein. Sie steht der Endlichkeit
und Unvollkommenheit des Menschen diesseitig unvereinbar
gegenüber und wird ihm erst in jenseitiger, ewiger Anbetung Gottes
möglich. Somit wird der PLATONischen Schau der Ideen die
AUGUSTINische Gottesschau als ihr christianisiertes Analogon
gegenübergestellt werden. Da der diesseitige Mensch in seiner
Endlichkeit und Unvollkommenheit nicht zu erkennen, geschweige
denn zu lehren vermag, erschließt sich ihm weder nach PLATON noch
nach AUGUSTINUS Welt als wahr.
Weiter wird gezeigt werden, dass die Suche nach Erkenntnis
sowie deren pädagogische Vermittlung – Bildung – sich in beiden
Dialogen logisch vollzieht, das ist in Auseinandersetzung mit Sprache.
PLATON wie auch AUGUSTINUS – der zweite als Nachfolger des
Erstgenannten – legen Gespräche sprachtheoretischen Inhalts vor.
Die Logos-Konzeption PLATONs wird sich als ebensolches Ideal
erweisen wie der Begriff der Idee selbst. Der Sprachauffassung des
Kratylos, insbesondere in der Frage nach Sprach-Bedeutung, wird
zunächst abbild- und gebrauchstheoretisch auf den Grund gegangen
werden, bevor ein drittes Analyse-Moment, die von PLATON ins Spiel
15
gebrachte Flusslehre, seine Anwendung finden wird. Die Flusslehre
wird als Verbindung aus Abbild- und Gebrauchstheorie erörtert
werden. Insofern ein erster Gesetzgeber nach PLATON die
ursprüngliche Wortbedeutung setzt, bevor der Wortgebrauch zu
Varianten führt, ist zu vermuten, dass er – wie jeder Mensch – keine
Möglichkeit zu wahrer Erkenntnis hat. Da diese für eine korrekte
Abbildung eines Gegenstandes mittels eines Wortes notwendig wäre,
wird sich Sprache als defizient erweisen. Folglich wird die Annahme
von Nichtwissen, das der Sprache als ihr Anfang zugrunde liegt, als
PLATONischer Standpunkt herausgearbeitet werden. Dessen
Konsequenz wäre, dass auch jede Sprachtheorie im Nichtwissen
endet. Das wird ins Schweigen führen. Schweigen wird dann als ein
Negativum beschrieben, ein Habitus des Nichtwissenden sein, als ein
Positivum allerdings, der Begriff für einen idealen Logos. Als solcher
ist Schweigen darzustellen als die der Ideenschau entsprechende
sprachliche Haltung. Sie wird als ein wortloses, schweigendes
Gespräch der Seele mit sich selbst zu beschreiben sein, das für den
Schweigenden erkennende Teilhabe an Wahrheit bedeutet.
Als das sprachtheoretische Substrat AUGUSTINs wird summus
magister – der höchste Lehrer und Logos Christus herauszuarbeiten
sein. Er wird sich als ein Mittler zwischen vollkommenem Schöpfer
und unvollkommenem Geschöpf, zwischen Gott und Mensch
erweisen. Gott soll als ontologischer Ursprung gedeutet werden,
dessen Sein als Demiurg nicht nur die Welt, sondern auch deren
Wahrheit bewirkt. Nach dieser Deutung hat er beides, das zu
Erkennende und die Erkenntnis, inne. Die entsprechende
ontologische Deutung des Menschen als ein Geschöpf Gottes richtet
ihn in seinem Sein auf die Wahrheit der von Gott geschaffenen Welt
sowie auf das jede Wahrheit verbürgende Sein – Gott selbst – aus. Die
16
Ausrichtung des Menschen auf Gott wird sich insofern als eine
sprachliche erweisen, als dass Schöpfung und Offenbarung der
Schöpfung sich als sprachliche Akte Gottes darstellen werden.
Menschliche Sprache wird als Abbild göttlicher Sprache zu sehen sein.
Die AUGUSTINUS-Interpretation wird die Sprache Gottes als
vollkommen, aber schweigend, die Sprache des Menschen als
unvollkommen, aber tönend, herausarbeiten. Da der Mensch nämlich
mittels seiner Rede nicht erkennen kann, liegt seine
Erkenntnismöglichkeit im pädagogischen Schweigen.
Schweigt er, so öffnet er sich einer schweigenden Belehrung
und somit Erleuchtung durch Gott. Schweigend erhält er Anteil an
der Wahrheit Gottes. Hier wird die durch AUGUSTINUS
hervorgehobene exponierte Stellung Christi als summus magister
hinsichtlich der Wahrheitsfrage besonders zu bedenken sein. Insofern
er – AUGUSTINisch gedacht – zugleich Gottes Sohn und Mensch ist,
wird er zugleich als Teilhaber göttlicher Wahrheit und als deren
verständlich vermittelnder Lehrer für den aus pädagogischen Gründen
schweigenden Menschen zu beschreiben sein. Der im Schweigen
schweigend Belehrte wird zwar insofern als ein Erleuchteter zu
begreifen sein, als dass seine Rede durch die schweigende Belehrung
Wahrheit enthält, diese Rede wird aber dennoch zu defizient bleiben,
um ihrerseits Ausdruck der empfangenen Wahrheit zu sein. Die Rede
des schweigend Belehrten enthält die göttliche Wahrheit schweigend.
Er wird als derjenige dargestellt werden, der andere Schüler Christi an
Erkenntnisse erinnert oder weiterführende Fragen aufwirft. Die
jenseitige gleichewig schweigende Gottesschau, zu begreifen als nicht-
tönendes Gespräch zwischen der Seele und dem göttlichen Logos im
Schweigen, verheißt – die AUGUSTINUS-Analyse abschließend –
Wahrheitserkenntnis.
17
Der Bildungsbegriff der vorliegenden Arbeit, welcher Logik,
Ontologie und Erkenntnistheorie zusammenfasst, ist auch für den
zweiten Teil erkenntnisleitend. Hier werden die ARISTOTELische
Schrift Peri hermeneias und diejenigen Artikel des THOMAS VON AQUIN,
die unter dem Titel De magistro zusammengestellt sind, ebensolchen
hermeneutischen Analysen unterzogen werden, wie die Werke des
ersten Teils. Beide sind dem Logos und damit einer sprachlichen
Annäherung an Welt verhaftet, womit das erste Kriterium dieser
Textauswahl benannt ist. THOMAS widmet sich, zweitens, explizit
pädagogischen Fragen, nämlich den Möglichkeiten des Lehrers zu
lehren. Diese Fragen sind für ihn, drittens, an das Wahrheits-Problem
gebunden. Der THOMASische Ansatz ist, viertens, durch die
Auseinandersetzung mit Logos und Wahrheit der ARISTOTELischen
Betrachtungsweise verwandt, die ihr ohnehin – neben De magistro von
AUGUSTINUS – als Bezugsgröße dient.27 Allerdings erachten sie das
sprachliche Potenzial zur Welterkenntnis im Unterschied zu PLATON
und AUGUSTINUS durchaus als gegeben. Beide, ARISTOTELES mit Peri
hermeneias wie auch THOMAS mit De magistro, werden demnach,
sechstens, als Verfechter pädagogischen Redens vorgestellt werden, als
deren Grundlage die Universalien herauszustellen sein werden.
Gerade letzteres ist ARISTOTELES und THOMAS gemeinsam;
gleichwohl, es bleiben Unterschiede. Diese Unterschiede werden
zunächst anhand der verschiedenen Gottesbilder offenkundig werden.
Der ARISTOTELische unbewegte Beweger wird sich als der
THOMASischen causa prima gegenüber different zu erweisen haben,
wenngleich jedes dieser Konzepte in ontologisch-metaphysischer
Hinsicht die sprachliche und wahre Erkennbarkeit von Welt durch 27 Vgl. PAULI 1988, S. XXXVIII; z.B. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1; S.
2f. sowie BERGER 2004, S. 72ff.; z.B. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1; S.
16f.
18
den Menschen verursacht. Sowohl nach ARISTOTELES als auch nach
THOMAS wird der Mensch als sprachlich und vernünftig begabt zu
beschreiben sein. Der Mensch hat – so die vorzulegende
ARISTOTELES-Interpretation – das seelische Vermögen zu logischer
Erkenntnis, und zwar aufgrund einer grammatikalischen Betrachtung
des Wissensbegriffs. Nach THOMAS wird ein prinzipieller, universeller
Verstand und eine aktive, potentielle Erkenntnisfähigkeit des
Menschen zu beschreiben sein, als deren schweigende logische wie
auch ontologische Ursache Gott zu benennen sein wird. Der Mensch
wird sich hier durch seinen prinzipiellen und potenziellen Verstand als
Teilhaber göttlicher Intelligibilität erweisen, was seine
Erkenntnisfähigkeit begründet. Demnach soll gezeigt werden, dass der
Mensch bei ARISTOTELES wie auch bei THOMAS erkennen und
folglich auch lehren kann. Für ersteren durch göttlichen Impuls, für
letzteren verursachend in Bindung an Gott, allerdings in dieser zur
Verstandestätigkeit berufen.
Die Möglichkeiten erkennender Welterschließung gehen nach
THOMAS mit pädagogischem Reden einher. Bei ARISTOTELES eröffnet
die sprachliche Analyse Pädagogisches. Untersuchungsgegenstand von
Peri hermeneias wird nämlich der Logos sein, und zwar als
Propositionen, als Wörter wie auch Sätze mit Aussagencharakter. Es
wird geprüft werden, inwiefern diese geltungshaft sind. Zu diesem
Zweck sind mit ARISTOTELES Aussagen der Alltagssprache zu
analysieren, die Maßgabe der Analysen werden allerdings
idealsprachlicher Art sein. Propositionale Geltung wird sich mittels
eines Vergleichs zustimmender und negierender Urteilssätze zu
erweisen haben. Aus der ARISTOTELischen Unterscheidung zwischen
ontologischer und logischer Wahrheit wird die vorliegende Arbeit
schließen und vorführen, dass sich solche logischen Prüfverfahren
19
ihrerseits ontologisch zu bewähren haben. Hierfür wird erneut die
HERAKLITische Logos-Definition als Beleg dienen, denn jeder
erkenntnissuchende Bezug auf Sein ist ihr folgend, sprachlich zu
denken. Die ARISTOTELES-Interpretation bezieht im weiteren Verlauf
dessen Empirie-Konzept auf die logische Erkenntnissuche. Es wird
eine sprachliche Anwendung der Kategorien gezeigt werden, welche
die Grundlage eines Abstraktionsaktes sein wird, die von den
Akzidenzien über den Substanz-Begriff das Universelle zu gewinnen
sucht. Letzteres wird sich als prinzipieller Garant der
ARISTOTELischen Aussagenlogik und damit als Voraussetzung für die
pädagogische Rede erweisen.
Ebenfalls in Anbindung an die zugrundeliegende Logos-
Auffassung wird der THOMASische Lehrer aus De magistro gedeutet
werden als ein sprachlich auf Sein Zugreifender. Die von Gott
verursachten und ihm eingepflanzten Verstandesprinzipien mit
universalem Charakter zusammenwirkend mit den tätigen Aspekten
seines Verstandes sollen hierfür als potenzielle Voraussetzungen
gedeutet werden. Sie ermöglichen es aus Sinneswahrnehmungen
Erkenntnisse zu destillieren. Zurückgeführt werden wird dies auf eine
Analogie zwischen göttlicher causa prima und Mensch hinsichtlich des
prinzipiell-universellen Verstandes. In diesem Kontext wird erneut
Christus eine exponierte Stellung in der Deutung einnehmen. Christus
ist Gottes Sohn; er wird als solcher Mensch. Als verbum hat er somit
göttlichen wie auch menschlichen Charakter, und zwar in sprachlicher
Hinsicht. Auf diese Weise wird er THOMASisch – wie schon nach
AUGUSTINUS – summus magister göttlicher Sprachlichkeit für den
Menschen werden, dessen Erkenntnis-Logik zugleich aber ins
Göttliche erheben. Die THOMAS-Interpretation wird in einer Analogie
gipfeln, welche das universelle Verstandesprinzip gleichermaßen als
20
ontisch und logisch zu begreifen sucht. Damit wird die logische
Erkenntnispotenz des Menschen auf Welt begründet werden. Diese
wird auf die causa prima Gott zurückgeführt werden. Sie scheint als
universal-prinzipieller Logos, der Sprache Gottes, schweigend in der
Seele des Menschen zu liegen und damit gleichzeitig die pädagogische
Rede zu ermöglichen, auf welche Christus in seiner Wort-Ontologie
verweist.
Zurückgreifend auf ARISTOTELES soll dialektisches Fragen, das
heißt die Trennung der Substanz von Akzidentellem, eine logische
Frageweise, die sich auf das Universelle richtet, als fundamentale
pädagogische Rede verstanden werden, die logische Annäherung an
Ontologisches ermöglicht. Ihre Anwendung verheißt das Auffinden
von Urteilssätzen in Lehre, Unterricht und Vermittlung, in
pädagogischen Vollzügen. THOMAS folgend, werden dieselben dann
als pädagogisches Reden zu deuten sein, das äußeres Zeichen der
Verstandestätigkeit des intellectus agens als Umgang mit den
Verstandesprinzipien ist und auf dieselbe verweist. Dies schließt den
zweiten Teil dieser Arbeit ab.
Schließlich wird der dritte und letzte Teil dieser Arbeit die
Gedanken zu Bildung und Sprache, zu Schweigen und Reden auf das
Werk Ludwig WITTGENSTEINS ausweiten. Sein Frühwerk Tractatus
logico-philosophicus wie auch sein Spätwerk, die Philosophischen
Untersuchungen, weisen verschiedenste Merkmale auf, welche ihre
Auswahl für diese Arbeit nahe legen. Grundsätzlich gibt es Bezüge zu
einzelnen bis hierher bearbeiteten Autoren: Mit PLATON verbindet die
Philosophischen Untersuchungen, erstens, das „Werkzeugmodell“28 aus dem
Kratylos. Wie auch ARISTOTELES in Peri hermeneias verfährt
WITTGENSTEIN, zweitens, in derselben, erst posthum veröffentlichten, 28 KRAUS 1996, S. 32.
21
Schrift nach der mehrwertigen Logik29 und bezieht sich auf
normalsprachliche Sätze. Die AUGUSTINische Sprachauffassung
entspricht, drittens, derjenigen des Tractatus logico-philosophicus und wird
mit eben diesem zu Beginn der Philosophischen Untersuchungen kritisiert
und verworfen.30 Viertens stellt das Konzept der Familienähnlichkeit
aus ihnen WITTGENSTEINs Beantwortung der Universalien-Frage
dar,31 was ihn sowohl mit ARISTOTELES als auch mit THOMAS VON
AQUIN in Relation setzt. Der Tractatus logico-philosophicus endet,
fünftens, mit dem Plädoyer zu schweigen; wohingegen, sechstens, die
Philosophischen Untersuchungen als Analysen von Alltagssprache dem
Reden verhaftet sind. Dass beides schließlich im Pädagogischen zu
verorten ist, belegt, siebtens, erneut die Auseinandersetzung
WITTGENSTEINs mit dem AUGUSTINischen Sprachmodell, da es sich
dabei um ein Modell des Spracherwerbs handelt.
Zu den beiden WITTGENSTEINschen Standpunken im
Einzelnen: Der Tractatus logico-philosophicus wird als eine sprachkritische
Schrift gelesen werden. Ergebnis dieser Sprachkritik wird die
Auflösung der zu Beginn dieser Arbeit postulierten Korrelation
logischen und ontologischen Denkens sein. Liegt der
WITTGENSTEINschen Sprachanalyse zunächst mit ihrem
abbildtheoretischen Beginn noch eine idealisierende Ontologie
zugrunde, so wird als deren Ergebnis ihr Verlust festzustellen sein. Als
WITTGENSTEINs eigene Arbeitshypothese des Tractatus wird die Logik
der Welt zu bezeichnen sein. Sie ist ihm Gewissheit. Folglich wird der
logische Aufbau der Welt als Grundlage der Abbildtheorie dargestellt
werden. Abbildung liegt nur bei logischer Strukturidentität von
Sprache und Welt vor. Daher wird Sprache einer Reduktion zu 29 Vgl. BOCHEŃSKI 1970, S. 56, S. 199. 30 Vgl. PU § 1ff., S. 237ff. sowie GLOCK 2000a, S. 51-56. 31 Vgl. TEUWSEN 1988 sowie WIMMER 2001, S. 196.
22
unterziehen sein, die sie auf ihre Elementar-Zeichen zurückführt.
Denn – so eine Stufe der WITTGENSTEIN-Interpretation –
Weltabbildung liegt erst dann vor, wenn Elementares gezeigt wird. Ist
aber der Satz fx ein sinnvoller Satz? Die Sinnfrage wird mit
WITTGENSTEIN die Wahrheitsfrage stellen lassen. Die
Verallgemeinerung des Elementarsatzes verheißt hier Aufschluss zu
geben. Sie führt WITTGENSTEIN zur Ableitung der allgemeinen
Wahrheitsfunktion. Diese wird aber nicht mehr zeigen als die
Bedingung der Möglichkeit von Wahrheit. Eine substantielle
Wahrheitsaussage und damit der Sinn von Sprache werden unerreicht
bleiben. Sie werden außerhalb von Logik zu verorten sein; liegen
damit im Schweigen. Das durch das WITTGENSTEINsche Schweigen
Bezeichnete – das Mystische, das Höhere, Gott – wird logisch
unaussprechlich sein. Eine Welt, die nicht anders als logisch zu
denken ist, nicht anders als logisch zu erkennen gesucht werden kann,
wird den Menschen in Sprachlosigkeit zwingen.
Für den Tractatus-WITTGENSTEIN wird sich nichts als denkbar
erweisen, was außerhalb von Logik liegt. Wahrheit kann weder aus
Ideen- noch aus Gottesschau gewonnen werden. Die
Elementarsatzformel wird die inhaltliche Unbestimmbarkeit von
Wahrheit zeigen. Somit wird sich die pädagogische Frage stellen:
Kann Unbestimmtes gelehrt werden? Lediglich Sprachkritik und
Wahrheitszweifel werden als mögliche Gegenstände von Lehre,
Unterricht und Vermittlung bleiben. Ist aber die Defizienz der Logik
selbst das Resultat logischer Analyse, wird sogar diese Form
pädagogischer Vollzüge obsolet. Ein Lehrer, der dem Tractatus folgt,
wird also schließlich selbst die pädagogische Rede unmöglich machen.
Und doch: Pädagogen vollziehen sich redend. WITTGENSTEIN
wird in den Philosophischen Untersuchungen als mit dieser Tatsache
23
konfrontiert zu verstehen sein. Trotz aller früheren Sprachkritik: Es
wird gesprochen. Unabhängig von seinem Verlangen nach einer
idealen Sprache findet WITTGENSTEIN eine Alltagssprache vor, deren
Vollzüge die Interpretation dieser Arbeit auf die Lebensform des
Menschen hinweisen lassen. Sie wird im Reden manifest und
manifestiert das Reden. Die Analyse von vielgestaltigen und offenen
Sprachgebräuchen wird – dem späten WITTGENSTEIN folgend – zur
Sprachspiel-Metapher führen, die sich eben diesem vielgestaltigen und
offenen Bild von Sprache als angemessen erweisen soll. Allerdings
wird der Wahrheitsbegriff auch hier inhaltlich nicht zu füllen sein.
Geltungshaftes wird sich hingegen aussagen lassen, und zwar
sprachspielgebunden. Pädagogisches Reden, und damit die
Bildungsaufgabe innerhalb pädagogischer Vollzüge, wird in dieser
Konzeption im Sprachspielen liegen.32 Das ist das
gebrauchsangemessene Anwendungs-Spiel von Wörtern im jeweiligen
Sprachspiel. Lehren, Unterrichten und Vermitteln werden als durch
Familienähnlichkeiten von Wörtern ermöglicht zu begreifen sein. Den
Philosophischen Untersuchungen folgend, wird die Offenheit und
Unbegrenztheit sprachlicher Vollzüge zu vermitteln sein. Souveräne
Sprachspieler, die sich im unüberschaubaren Gewinkel aus
Sprachspielen sprachlich vollziehen können, werden zum
abschließenden Bildungsideal.
Methoden
In methodologischer Hinsicht ist diese Arbeit problemgeschichtlich,
systematisch wie auch hermeneutisch konzipiert. Sie greift
systematisch33 auf das Begriffspaar Bildung und Sprache zu, indem sie
32 Vgl. MEDER 2004. 33 Den Zusammenhang von systematischer Pädagogik und Pädagogikgeschichte stellt
BENNER dar. (Vgl. BENNER 1993)
24
die beiden De magistro-Schriften – die AUGUSTINische und die
THOMASische – antithetisch zu ihrem Fokus wählt. Ist nämlich der
Dialog des AUGUSTINUS ein Plädoyer für das pädagogische
Schweigen, propagieren die entsprechenden Artikel von THOMAS das
pädagogische Reden. Diese einander entgegenstehende und sich doch
bedingende Korrelation benennt den Problembestand der Arbeit.
Zurückgreifend auf das diesem Problembestand Vorhergedachte34 hat
sie AUGUSTINUS auf PLATON, THOMAS auf ARISTOTELES zu beziehen,
um die Genese des Problems nachzuzeichnen. Mit dem Ausblick auf
WITTGENSTEIN erfahren die beiden Schriften über den Lehrer eine
analytische Zuspitzung der Frage nach Möglichkeiten und Grenzen
pädagogischen Sprechens. Mit einer solchen historischen Problem-
Genese sieht sich diese Arbeit als der Forderung PETZELTs: „Wir
brauchen eine Problemgeschichte der Pädagogik“35 nachfolgend an. In
seinem Sinne hat die Arbeit das Problem, Schweigen und Reden als
sprachliche Bildungsvollzüge herauszuarbeiten, erkenntnisleitende
Funktion. Das Problem hat seine Geschichte. Es ist geboten, eine
problemrelevante, systematische Geschichte zu schreiben, eine
Geschichte pädagogischen Schweigens und Redens, nicht die generelle
Geschichte des Zusammenhangs von Bildung und Sprache.36
Historische Momente, das heißt hier ihre schriftliche Fixierung,
werden herausgegriffen, sofern sie den Gegenstand der Untersuchung
betreffen. Andere werden vernachlässigt. Der geschichtliche
Problembestand wird, in der Pädagogik der Gegenwart stehend, für
die Zukunft in Aussagen zu wandeln sein. Die Entwicklung des
Gesamtwerks der einzelnen bearbeiteten Theoretiker, ihre ihnen
34 Zu historisch-hermeneutisch-rekursiven Bezügen auf Vorhergedachtes vgl. HARTWICH
2002. 35 PETZELT 1961, S. 22. 36 Vgl. ebd.
25
eigenen epochalen Bezüglichkeiten sind unter problemgeschichtlich-
systematisch-pädagogischem Gesichtspunkt legitimer Weise zu
vernachlässigen.37 Die vorliegende Problemgeschichte pädagogischen
Schweigens und Redens ist sich dabei der Schwierigkeit bewusst, dass
der gewählte Fokus, der Blickwinkel, die Perspektive im besten Fall
erhellend, im schlechtesten aber aus Gründen einengender
Entscheidungen lediglich „Selbstvergewisserung des eigenen
Denkens“38 ist. Dieses Risiko wird der Systematiker allerdings in Kauf
nehmen müssen, anerkennt er seine Kontingenz einerseits39 und
andererseits mit AUGUSTINUS die Seele nicht nur als Ort seiner
sprachlichen Erkenntnissuche, sondern auch als Raum seiner
Verfasstheit als historisches Wesen.40 Nach dieser Vorstellung ist seine
Perspektive auf Welt geschichtlich, seine Geschichtlichkeit aber auch
immer schon perspektivisch. Die problemgeleitete Perspektive dieser
Arbeit ist das Korrelat aus Schweigen und Reden und zwar in
pädagogischer Hinsicht.
Aus einer – selbst bei einer Beschränkung auf die genannten
Autoren und unter Vernachlässigung anderer Denker der
Evolutionsgeschichte des pädagogischen Diskurses überhaupt – kaum
überschaubaren Textfülle sind Wahlen getroffen worden. Der
Problembestand wird systematisch auf logisch-ontologisch-
erkenntnistheoretische Schriften, Texte und Textpassagen verengt, so
dass sich Problem- und Systemrelevantes herauskristallisiert. Hat nun
das klar umrissene Textkorpus den Blick für pädagogisches Schweigen
und Reden geschärft, verfährt die vorliegende Arbeit mit den
einzelnen Schriften in hermeneutischer Weise. Und: sie verfährt 37 Vgl. PÖPPEL 1956, S. 12f. 38 HEITGER 2004, S. 214; vgl. auch GADAMER 1975, S. 465. 39 Vgl. HEITGER 2004, S. 221. 40 Vgl. Confessiones XI.20, S. 642f. sowie HEITGER 2004, S. 214f.
26
hermeneutisch in bestimmter Hinsicht. GADAMER fasst Sprache
ontologisch auf, ihr wird Seinscharakter zugewiesen, dieser
Seinscharakter richtet sie auf die Wahrheitsfrage aus: Die Rede, der
Dialog, das Gespräch haben ihren „eigenen Geist“, „die Sprache, die
in ihm geführt wird“ ist Träger „ihre[r] eigene[n] Wahrheit“, sie
„‚entbirgt‘“ etwas, lässt es „heraustreten“41. Diesem Ansatz sieht sich
die Arbeit verpflichtet. GADAMER denkt die logische, ontologische
und erkenntnistheoretische Theorieform zusammen und richtet sie
auf die Wahrheits- bzw. Geltungsproblematik aus. Sogar die Gründe
für diese Ausrichtung sind verwandt. Der antike Logos-Begriff, ja
sogar PLATONs Dialog Kratylos, dienen als Begründung für ein
gemeinsames Aufscheinen von Sprache, Sein und Denken.
Wahrheitskriterien werden der Sprache entnommen.42 Schließlich wird
historisch verfahren.43 Folglich entnimmt die vorliegende Arbeit die
Methoden ihrer Textauslegung dem Denken des Ähnlichen. Sie geht
exegetisch-interpretierend vor, sucht aus dem textlich Vorgegebenen
Erkenntnisse zu ziehen, zu lernen. Dabei fügt sie sich in das „Spiel der
Sprache selbst“44 ein. Anklingend an die Sprachspiele WITTGENSTEINs
sind mit GADAMER die zu analysierenden Schriften schriftlich fixierte
Rede, die gehört, vielmehr gelesen, aufgenommen, verarbeitet werden
will, die durch ihre ontologische Dimension zum Nachdenken
auffordert. Nachdem sich eben dies schweigend vollzogen hat, sind
die herausdestillierten interpretierenden und weiterdenkenden Reden
der Verarbeitung ein Akt im geschichtlichen Spiel aus Reden und
41 Insges. GADAMER 1975, S. 361; Zus. v. G.v.S. 42 Vgl. GADAMER 1975, S. 383ff. 43 Vgl. GADAMER 1975, S. 162ff. 44 GADAMER 1975, S. 464.
27
Schweigen. Sie bilden und stellen eine neue Bildungsrede dar im
gleichewigen Spiel mit Sprache.45
Zielsetzung
Die vorliegende Arbeit versteht sich also als eine Problemgeschichte
pädagogischen Schweigens und Redens. Sie greift auf den Logos-
Begriff der griechischen Antike zurück und folgert aus diesem eine
Zusammenschau von Bildung und Sprache. Hieraus sucht sie eine
logische Pädagogik zu gewinnen. Vor dem Hintergrund des antiken
Logos werden Logik, Ontologie und Erkenntnistheorie miteinander
konfrontiert, um aus dieser Konfrontation pädagogikgeschichtliche
Anstöße für die Geltungsfrage der Pluralitäts-Debatte zu ziehen.
Dabei wird sich der logisch-ontologisch-erkenntnistheoretische
Konnex ebenso zu bewähren haben wie die aufgestellten Hypothesen,
auf dass am Schluss dieser Arbeit niemand sagen möge: Si tacuisset,
paedagoga mansisset. – Hätte sie geschwiegen, wäre sie eine Pädagogin
geblieben.46
45 Vgl. ebd. 46 Frei nach BOETHIUS: Consolatio Philosophiae II.7.
28
1. LOGOS IM SCHWEIGEN
„Es gibt keine Schrift von mir über das, womit ich mich ernsthaft befasse; und es kann aus prinzipiellen Gründen keine solche Schrift geben.“ (PLATON, 7. Brief, 341b ff.; zitiert nach GRAESER 1989, S. 6) „Geh nicht nach außen, bei Dir selbst kehre ein! Im innern Menschen wohnt die Wahrheit, und wenn Du Deine eigene Natur als veränderlich erkannt hast, schreite über Dich selbst hinaus!“ (AUGUSTINUS, De vera religione; zitiert nach BÜTOW 2001, S. 9)
29
PLATON (428/27-348/47 v.Chr.)47
47 Abbildung: ZEMB 2002, S. 39. Daten: Vgl. KRAUS 1996, S. 15.
30
1.1 „die Dinge kennen zu lernen ohne Hülfe der Worte“48: SCHWEIGEN BEI PLATON
I. Sprachtheorie ist Erkenntnistheorie.
II. Die Idee umfasst Wahrheit, Wesen und Sein der Dinge.
Die Idee gibt einem konkreten Ding seine Prädikate vor.
III. Logos meint die sprachliche Suche nach Wahrheit, Wesen
und Sein der Dinge.
Die Sprache zerfällt in einen realen und einen idealen Logos.
Der reale Logos ist Name, Rede oder Dialog.
Idealer Logos ist ein Wort mit dem Charakter einer Idee. Es
gibt einem konkreten Namen seine benennende und
belehrende Prädikation vor.
IV. Auf der Ebene realer Sprachlichkeit ist Wissen nur im Sinne
von Meinung, doxa, zu erlangen oder zu vermitteln. Die
Meinung ermöglicht das (pädagogische) Handeln. Eine
wahre ontologische Wesensaussage als Zeichen von wahrer
ontologischer Wesenserkenntnis, episteme, ist unmöglich.
IV.I Das Mittel der Erkenntnis(-vermittlung) – die
Sprache – ist defizitär, denn sie bleibt hinter dem
idealen Logos zurück.
48 Kratylos 438e, S. 261. Nach der Übersetzung Friedrich SCHLEIERMACHERs, ergänzt durch Übersetzungen von Franz SUSEMIHL und anderen.
31
IV.II Der Gegenstand der Erkenntnis(-vermittlung) –
das konkrete Ding – bleibt hinter seiner Idee
zurück.
V. Wahrheit, Wesen und Sein der Dinge werden logisch weder
erkannt noch gelehrt.
VI. Der reale Logos des Dialoges verweist zeichenhaft auf das
ihn prädestinierende schweigende ideale Wort.
VII. Schweigen als idealer Logos zeigt das substantielle Prinzip
das es ermöglicht, Wahrheit, Wesen und Sein der Dinge zu
erkennen und zu lehren.
1.1.1 Der PLATONische Dialog Kratylos
Sokrates, der maßgebliche Lehrer PLATONs, tritt in dessen Dialog
Kratylos49 zu einem Streitgespräch hinzu, das „der Herakliteer Kratylos
(Platons angeblicher früherer Lehrer)“50 und Hermogenes miteinander
ausfechten.51 Gegenstand des Gespräches ist die Sprache, handelt es
49 Der Dialog entstand um 393-388 v.Chr. (Vgl. SCHMALZRIEDT 1996b, S. 380). 50 KRAUS 1996, S. 20. 51 Die Frage, ob die genannten Dialogpartner den historischen Personen entsprechen und
tatsächlich deren Positionen wiedergegeben werden, ist nach KRAUS unerheblich. Es ist
zu vermuten, dass PLATON differierende Meinungen vorhergegangener philosophischer
Fachdispute zu zwei entgegengesetzten Extrempositionen fokussiert und sie so der
allgemeinen, öffentlichen Diskussion zugänglich macht. (Vgl. Kratylos 428b, S. 229;
DERBOLAV 1953, S. 17f. und S. 23ff.; GAISER 1974, S. 12; KRAUS 1996, S. 20; REHN
1982, S. 10). Indem er die beiden Positonen zwei Figuren in den Mund legt, bleibt offen,
welchen Standpunkt PLATON selbst einnimmt. (Vgl. BORDT 1999, S. 45) Er führt das
Philosophieren als Auseinandersetzung mit dem Fehlen von Wissen vor: „Kein Gott, der
bereits weise ist, philosophiert. Ebensowenig philosophiert jemand, der ignorant ist und
in seiner Ignoranz sein Unwissen nicht wahrzunehmen vermag. Nur derjenige
philosophiert, der sich seines Mangels an Weisheit und Wissen bewußt ist; durch das
Philosophieren will er sich von seinem Mangel befreien.“ (BORDT 1999, S. 46) So erklärt
32
sich doch bei dem zu diskutierenden Dialog um den Ausgangspunkt
des sprachphilosophischen Denkens überhaupt52.
Der im Zusammenhang der vorliegenden Untersuchung
wesentliche unter den Schlussgedanken des Sokrates lautet:
„Auf welche Weise man nun Erkenntnis der Dinge erlernen oder selbst finden soll, das einzusehen sind wir vielleicht nicht genug, ich und du; es genüge uns aber schon, darin übereinzukommen, dass nicht durch die Worte, sondern weit lieber durch sie selbst man sie erforschen und kennen lernen muss, als durch die Worte.“53
Bezogen auf die pädagogische Frage der Erkenntnis, deren
Gegenstand Einzeldinge wie auch die Gesamtheit der Welt sind54 und
deren Maßstab Wahrheit ist,55 werden Worte für unbrauchbar
erklärt.56 Sie zu erforschen lässt die Dinge nicht erkennen. Wie kommt
PLATON mit Sokrates zu einer solchen Folgerung?
Der Gegenstand der Überlegungen ist nicht Sprache im
Allgemeinen, sondern sind die Benennungen von Dingen, also deren
Namen.57 Der Begriff onoma bezeichnet „im Griechischen nicht nur
sich die Dialogform der PLATONischen Schriften. In den frühen Gesprächen, zu denen
der Kratylos zählt, tritt Sokrates als Gesprächsführer auf, der verschiedene Lehrmeinungen
kritisch vergleicht. Sie enden in der Aporie (vgl. BORDT 1999, S. 42f.), der „ausweglosen
Argumentationssituation“ (BORDT 1999, S. 37) oder auch „Verlegenheit“ (HELMER 1997,
S. 32) um eine eindeutige Antwort, die zugleich auf etwas aufmerksam macht, was in
einer späteren Diskussion noch geklärt werden könnte, aber auch freien Raum für die
Gedanken des lesend-philosophierenden Interpreten lässt. 52 Vgl. GAUSS 1956, S. 191; KRAUS 1996, S. 19. 53 Kratylos 439b, S. 263. 54 Vgl. ROTENSTREICH 1983, S. 11. 55 Vgl. KUTSCHERA 2002, S. 141 sowie ROTENSTREICH 1983, S. 13. 56 Vgl. dazu auch BORSCHE 1990, S. 58. 57 Der Sophistes behandelt u.a. die vorliegende Fragestellung bezogen auf Sätze. Der Satz
wird dort als Verbindung aus Begriffen aufgefasst. (Vgl. Sophistes 259d-e, S. 727) Die
Aussage, welche er trifft, kann wahr oder falsch sein. (Vgl. Sophistes 262d ff., S. 731ff.; vgl.
33
Eigennamen, sondern den gesamten Bereich der Dingworte, ja sogar
Adjektive und Partizipien [...] und schließlich allgemein ,Wort‘,
,Benennung‘, ,Bezeichnung‘“.58 Dieses Wortfeld steht zur Diskussion.
Die Dialogpartner suchen im Kratylos die Grundfrage zu beantworten,
was die Wörter eigentlich leisten, welche Aufgabe sie erfüllen.59 Die
Namen betreffend, werden zwei einander widersprechende
Hypothesen aufgestellt. Erstens wird die Frage aufgeworfen, ob den
Namen eine naturgegebene Bedeutung zukommt, so dass sie als
zutreffende Benennungen für die Dinge gelten können oder ob,
zweitens, der Bezug eines Namens auf ein Ding auf „Vertrag und
Übereinkunft“60 basiert.61 Ersteres verweist auf eine „Abbildtheorie
der Bedeutung“62, bei der ein Name die Bedeutung des benannten
Gegenstandes deshalb wiedergibt, weil er seinen Bedeutungsgehalt
beides auch REHN 1982, S. 132ff.) Die Bestimmung, ob diese Aussage wahr oder falsch
ist, liegt aber außerhalb des Satzes (vgl. BORSCHE 1990, S. 65f.) so, wie die Erkenntnis im
Kratylos außerhalb der Worte liegt. Beide Dialoge zielen also sprachphilosophisch in die
gleiche Richtung. Die vorliegenden Überlegungen sind zunächst am Elementaren des
Wortes orientiert, bevor sie auf Sprache geweitet werden. 58 KRAUS 1996, S. 19f.; Änd. v. G.v.S. 59 Vgl. Kratylos 435d, S. 251. 60 Kratylos 384d, S. 111. 61 Vgl. Kratylos 383a f., S. 109. Dass Namen zutreffende Bedeutungsträger für Dinge sind,
ist für beide Gesprächspartner unstrittig. (Vgl. REHN 1982, S. 9) 62 GRAYLING 1996, S. 46. Hier liegt ein erkenntnistheoretischer Standpunkt vor, nach
dem die Schritte der Erkenntnis und ihr Ergebnis als Abbildung von Realität durch den
Erkennenden verstanden werden. Dabei kann das erkennende Denken durchaus ungenau
oder sogar subjektiv konstruierend sein. Es wird aber angenommen, dass es dennoch
Wirklichkeit widerspiegelt. Die Sprachwissenschaft nimmt auf dieses Erkenntnismodell
deshalb Bezug, weil die Abbildung nicht nur als Gedanke, sondern auch sprachlich, etwa
als „Begriff, Satz/Proposition, Modell oder Theorie“ (LEWANDOWSKI 1990b, S. 15) in
Erscheinung tritt. (Insges. vgl. LEWANDOWSKI 1990b, S. 15) Vgl. auch SOULEZ 1996, S.
132.
34
genau zeigt. Letzteres ist eine „Gebrauchstheorie der Bedeutung“63,
das heißt, der Gebrauch eines Wortes wird als seine Bedeutung
determinierend verstanden.64
„Denn mich dünkt“, so argumentiert Hermogenes, „welchen Namen jemand einem Ding beilegt, der ist auch der Rechte, und wenn man wieder einen andern an die Stelle setzt und jenen nicht mehr gebraucht, so ist der letzte nicht minder richtig als der zuerst beigelegte, wie wir unsern Knechten andere Namen geben. Denn kein Name keines Dinges gehört ihm von Natur, sondern durch Anordnung und Gewohnheit derer, welche die Wörter zur Gewohnheit machen und gebrauchen.“65
Es gibt nach dieser Vorstellung keine natürlich gegebene Einheit aus
Wort und Ding, die in der Bedeutung liegt. Vielmehr basiert diese auf
der Konvention, dem „Gebrauch“, der „Gepflogenheit“66, die
Bedeutung in der Sprache einer Sache beizulegen. Bedeutung wäre
dann uneindeutig, da je nach Gebrauchsweise wandel- und
modifizierbar. Ist die Bedeutung der Namen hingegen naturgegeben,
wie Kratylos es annimmt,67 so besteht das Naturgegebene in
Abbildlichkeit. Der Name eines Dinges bilde sein Wesen eindeutig,
unwandelbar und in korrekter Weise ab, sofern diese Annahme
zutrifft.68
63 In linguistischem Sinne handelt es sich dabei um eine Theorie, der zufolge der
Bedeutungsgehalt sprachlicher Ausdrucksformen durch den Kontext bestimmt ist, in
dem mit ihnen sprachlich agiert wird. (Vgl. BUSSMANN 1990a, S. 264). Vgl. auch SOULEZ
1996, S. 131. 64 Die Forschung charakterisiert die Differenz auch als „Bedeutungsnaturalismus“ und
„Bedeutungskonventionalismus“ (beides: KUTSCHERA 2002, S. 144). 65 Kratylos 384d, S. 111; Zus. v. G.v.S. 66 Beides: PU, § 198 ff. 67 Vgl. Kratylos 383a f., S. 109. 68 Die hier umrissene Fragestellung, ob eine Gebrauchstheorie oder eine Abbildtheorie
der sprachlichen Bedeutungsfrage angemessener sei, verweist auf die Gegenüberstellung
der Gegensätze „Natur (physis) und menschlichem Brauch oder Gesetz (nomos)“ (KRAUS
35
Beide Standpunkte lassen sich im Hinblick auf pädagogisches
Reden zuspitzen. Pädagogisches Reden tradiert durch Belehrung
Bedeutung. Sofern er das Wort als „belehrendes Werkzeug“69 auffasst,
verweist PLATON durch Sokrates mit seinen Überlegungen zur
Tätigkeit des Redens auf die des Lehrens.70 Im Vergleich der Arbeit
des Pädagogen mit den handwerklichen Tätigkeiten des Bohrens, des
Einbrennens, des Abschneidens und des Webens71 ist das Benutzen
des Werkzeuges Wort nämlich eine Praxis oder „Bewerkstelligung“72,
die über das Wesen einer Sache zu belehren sucht.73 Nach der
Sprachauffassung des Hermogenes ist der „Lehrkünstler“, derjenige,
der das Wort in dieser Weise „lehrkünstlerisch“74 gebraucht, denn
„[d]as Bewirkte [s]einer Nennung ist [...] das Hervorheben oder
Unterscheiden eines Seienden von allen übrigen. Das ist die Leistung
des Wortes, so wie z.B. die Leistung des Weberschiffchens das
Hervorheben oder Unterscheiden eines Fadens von den übrigen ist“75.
Der Lehrer handelt sprachlich, indem er seinen Schülern benennt76,
was er sie lehren will. Mittels der Benennung werden die Schüler über
Eigenschaften, die einen Gegenstand zugleich auszeichnen und von
1996, S. 20), wie sie bei den Sophisten diskutiert wird. (Vgl. KRAUS 1996, S. 20) Der
Brauch wird deshalb Gesetz, weil er „einer ganzen Gemeinschaft“ (PERREINS 1994, S.
53) als Kommunikationsmittel dient und es dafür – anders als es bei einer Privatsprache
wäre – Regeln geben muss. (Vgl. PERREINS 1994, S. 53) Die Gesetzmäßigkeit des
Brauchs ist aber keineswegs mit Naturgesetzlichkeit gleichzusetzen. 69 Kratylos 388b, S. 123. 70 Vgl. Kratylos 388b, S. 123. 71 Vgl. PERREINS 1994, S. 62. 72 PERREINS 1994, S. 59. 73 Vgl. PERREINS 1994, S. 58 sowie S. 64. 74 Beides: Kratylos 388c, S. 123. 75 PERREINS 1994, S. 61; Änd., Ausl. u. Zus. v. G.v.S. I. Orig. teilw. hervorgeh. 76 Vgl. Kratylos 387d, S. 121.
36
anderen Gegenständen unterscheiden, informiert.77 So wird der Lehrer
entweder nach Kratylos die feststehende Bedeutung eines Namens
kennen, die er nun lehrend weitergibt, oder aber es ist mit
Hermogenes davon auszugehen, dass der Lehrer, der seinen Schülern
etwas benennt, wie jeder, der durch Wörter benennt, durch diese
Benennung Bedeutung stiftet. Da er aber eine naturgegebene
Gesetzlichkeit zugrundelegt,78 deckt Sokrates hier fragend einen
Denkfehler des Hermogenes auf: Kann ein Werkzeug benutzt werden,
stellt sich die Frage, wer das belehrende Werkzeug geschaffen hat.
Gibt es eine zugrundeliegende „Natur des Benennens und
Benanntwerdens“79, ist zu klären, wer dieses sprachliche Naturgesetz
vorgibt. Unter systematischen Gesichtspunkten lässt PLATON Sokrates
einen „Namensetzer“, „Gesetzgeber“ oder „Brauchstifter“
einführen,80 der ihm dazu dient, zuerst Hermogenes, dann Kratylos zu
widerlegen, um schließlich eine dritte These ins Feld zu führen. Der
Gesetzgeber fungiert als der Stifter von Sprach-Bedeutung. Diskutiert
wird, auf welche Weise Ding und Wort miteinander verbunden zu
denken sind, so dass der Gesetzgeber bei der Zuordnung eines
Namens zu einem Gegenstand entweder eigenständig konstruierend
vorgehen konnte – wie Hermogenes es annimmt – oder ob es ein
Naturgesetz gibt, an das auch der Wortbildner gebunden war – was
der Auffassung des Kratylos entspräche.81 Lehrer und Gesetzgeber
fallen im Rahmen der Überlegungen des Hermogenes zusammen,
denn der Lehrer benennt zum Gebrauch in der Lehre situativ neu. Ein
Zusammenfallen von „Benutzer“ und „Verfertiger“82 ist aber nicht 77 Vgl. KUTSCHERA 2002, S. 148. 78 Vgl. Kratylos 387d, S. 121. 79 Kratylos 387d, S. 121. 80 Vgl. Kratylos 389a, S. 125; KRAUS 1996, S. 20. 81 Vgl. KRAUS 1996, S. 20. 82 Beides: KRAUS 1996, S. 22.
37
denkbar, da Sokrates im Dialog von einer Vorzeitigkeit, nicht von
einer Gleichzeitigkeit der Bedeutungsgabe ausgeht. Der Gedanke, dass
es einen der Sprache Bedeutung gebenden Gesetzesstifter gebe, passt
umso mehr zur Sprachauffassung des Kratylos. Wenn dieser nämlich
von einer abbildenden Funktion des Redens ausgeht, bei der das
ausgesprochene Wort die naturgegebene Bedeutungsrichtigkeit zeigt,
muss diese Bedeutungsrichtigkeit gesetzlich gegeben sein.83 Wo der
Lehrer durch seine Benennungen über die abgebildeten Dinge
zutreffend belehrt,84 ist er im Sinne der Vorstellung des Kratylos
personifiziertes Abbild des Gesetzgebers.85 Zu bedenken ist, dass
Lehrer in beiden Ansätzen nur derjenige sein könnte, der das zu
benennende Wesen einer Sache kennt.86 Lehrkünstlerischer
Wortgebrauch erscheint als deren sprachlich-äußeres Zeichen von der
Wesenserkenntnis nicht trennbar. Dabei fallen Erkenntnis des Wesens
des Wortes und des Wesens des Dinges87 in der sprachlichen
Lehrtätigkeit zusammen.
1.1.1.1 Abbild- versus Gebrauchstheorie
Die These des Hermogenes, die Bedeutung ergebe sich durch den
Gebrauch von Wörtern, wird zunächst in Richtung der These des
Kratylos falsifiziert. Unter Berufung auf Homer88 weist PLATON den
Hermogenes durch Sokrates darauf hin, dass es beispielsweise einen
Vogel gebe, „von dem er“, Homer, „sagt, er werde Chalkis von den
Göttern genannt und Nachtaar unter den Menschen“89. Das lässt
83 Vgl. Kratylos 427d, S. 227. 84 Vgl. Kratylos 428e, S. 231. 85 Vgl. Kratylos 429a, S. 231. 86 Vgl. auch KUTSCHERA 2002, S. 148 ff. 87 Vgl. Kratylos 389a, S. 231 sowie REHN 1982, S. 18ff. 88 Kratylos 391d, S. 133. 89 Kratylos 392a, S. 135.
38
Sokrates weiter die Frage stellen, welcher von beiden Namen
zutreffend sei,90 wenn denn von einer „natürlichen Richtigkeit der
Benennungen“91 auszugehen ist. Die Gesprächspartner gelangen zu
der Überlegung, was einen Namen zutreffend mache. Sokrates legt
fest, es müsse durch einen Namen das „Wesen des Dings“ offenbar
werden.92 Damit ist die Aufgabe der Sprache ontologisch verankert.
Das Sein soll logisch abgebildet sein. Eine Reihe etymologischer93
Demonstrationen zeigt aber, dass für ein Ding unterschiedliche
Namen üblich sein mögen94 und schließlich selbst für „das Wesen der
Dinge“ verschiedenste Namen in Gebrauch sein können:
„So auch hierbei: das Sein, welches wir Usia nennen, nennen Einige Esia und Andere wieder Osia. Zuerst nun nach der einen von diesen Spracharten hat es ja ganz guten Grund, da[ss] das wahre Sein und das Wesen der Dinge Hestia genannt wird; so auch wenn wir wiederum das was an diesem Sein Anteil hat Hestia nennen, so wäre auch das in dieser Beziehung richtig, denn auch wir mögen statt Usia Esia gesagt haben.“ 95
Die Gebräuchlichkeit unterschiedlicher Benennungen scheint
zunächst die Gebrauchstheorie des Hermogenes zu bestätigen.
Sokrates weist jedoch nach, dass bestimmte Namen zuerst festgelegt,
danach benutzt werden. Aus dem Wesen der Dinge oder Personen
ergibt sich aber eine Benennung, die vor anderen den Vorzug erhält,
und zwar bestimmt die Frage, ob das Wesen durch einen Namen
abgebildet wird, das Passen- oder Nichtpassen dieses Namens. Die
Namen der „Urahnen“ der Götter werden paradigmatisch 90 Vgl. Kratylos 392b, S. 135. 91 Kratylos 391a, S. 131. 92 Kratylos 393d, S. 139. 93 Vgl. KRAUS 1996, S. 22; PERREINS 1994, S. 69ff. „Etymologisch“ heißt hier, „Worte
dadurch erklären zu wollen, da[ss] Ähnlichkeiten zwischen Lauten bzw. zwischen einem
Laut und einer Sache herausgestellt werden“ (PERREINS 1994, S. 70; Änd. v. G.v.S.). 94 Z.B.: Kratylos 400d ff., S. 157ff. 95 Kratylos 401c, S. 159; Änd. v. G.v.S.
39
herangezogen, um diesen Zusammenhang zu erläutern. Eine
Vermischung etymologischer und mythologischer Komponenten leitet
die Erklärung. Heraklit, Homer und Hesiod dienen als
Gewährsmänner. Alle drei führen den Ursprung der Götter auf
Wasser zurück. So sage Heraklit, „daß Alles davon geht und nichts
bleibt, und indem er alles Seiende einem strömenden Flusse vergleicht,
sagt er, man könne nicht zweimal in denselbigen Fluß steigen.“96
Daher werden „Okeanos“ als der „geräuschige“ und „Tethys“ als
Vater und Mutter aller Götter benannt. Der Name „Tethys“ spiegele
das „sickernde, tanzende, sinternde“ Wesen der Göttin wider, er
entspreche ihrer mythologischen Rolle als „Quelle“ und sei
etymologisch aus beiden Aspekten zusammengesetzt.97 Diese
Erörterung zeigt den Namen Tethys als einen passenden Namen, der
dann aufgrund seines Passens gebraucht wird und damit Geltung hat.
Sokrates hebt weiter hervor, dass „jeder Name jeder Sache“98, die er
benennt, angepasst sein müsse. Diese Schlussfolgerung führt den
etymologischen Erklärungsansatz – von PLATON ohnehin in
ironischem Ton verfasst99 – ad absurdum. Werden durch Etymologien
quasi phonetische, das heißt, eher lautmalerische Wortaspekte
verglichen, ist das eine rein an der Sprache orientierte
Argumentation.100 Ihr Bezug auf ein mögliches Wesen der
bezeichneten Sache ist willkürlich. Das Beispiel der Göttin Thetys
zeigt, dass Homer zuerst die Wesensmerkmale der Göttin im Blick
hatte, bevor er ihr einen diesen Merkmalen entsprechenden Namen
beilegte. Das hebt Sokrates als angemessenen Weg der 96 Kratylos 402a, S. 161; Änd. v. G.v.S. 97 Insges.: Kratylos 402c f., S. 163ff. 98 Kratylos 414d, S. 193. 99 Vgl. Kratylos 396d, S. 147; vgl. dazu auch KUTSCHERA 2002, S. 151f. und REHN 1982, S.
34. 100 Vgl. auch BORSCHE 1990, S. 50.
40
Namensfindung hervor. Die Sprache hat sich an den Dingen und
ihrem Wesen zu orientieren, nicht umgekehrt.
Als die ursprünglichen Wörter führt Sokrates zum Ende seines
Gespräches mit Hermogenes „Stammworte“101 ein. Diese sind
elementare Worte. Auf solche lassen sich alle Wörter im Sinne einer
nicht weiter spezifizierbaren Erklärung zurückführen.102 Alle
gebräuchlichen Wörter gehen demnach durch Ableitung auf
Stammworte zurück:
„Laß uns nur bedenken, wenn jemand immer nach den Worten, aus welchen eine Benennung besteht, fragen will und dann wieder nach jenen, woraus diese herstammen, forscht, und damit gar nicht damit aufhören will, wird dann nicht der Antwortende zuletzt notwendig verstummen? [...] Wann aber hätte er wohl ein Recht sich loszusagen, daß er nicht weiter könne? Nicht wenn er bei jenen Wörtern angekommen wäre, welche gleichsam die Urbestandteile der übrigen sowohl Sätze als Worte sind? [...W]enn wir aber endlich eins erhalten hätten, das nicht wieder aus irgend anderen Wörtern entsteht, dann erst mit Recht sagen könnten, daß wir nun bei einem Urbestandteil oder Stammworte wären, welches wir nicht wieder auf andere Wörter zurückführen dürften.“103
Damit ist jedes aktuelle Wort sowohl Ableitung der Stammwörter als
auch Nachahmung104 des Wesens des Benannten durch den
Benennenden.105 Zugleich sei eine wörtliche Benennung eine
Nachahmung des Phonetischen.106 So wird schließlich die Tätigkeit
des Wortbildners als die Tätigkeit der Abbildung erklärt:
„Das a widmete er dem ganzen, langen, das e dem gedehnten, ebenen, weil die Buchstaben groß und vollständig tönen. Für
101 Kratylos 422b, S. 213. 102 Vgl. PERREINS 1994, S. 73f. und BORSCHE 1990, S. 51f. 103 Kratylos 421d ff., S. 211ff.; Änd. u. Ausl. v. G.v.S. 104 Vgl. Kratylos 423a, S. 215; vgl. KRAUS 1996, S. 23. 105 Vgl. Kratylos 424b, S. 219. 106 Vgl. Kratylos 423b, S. 217.
41
das runde brauchte er das u als Zeichen, und drängte daher in den Namen des kugelrunden besonders soviel davon zusammen als möglich. Und so scheint auch im übrigen der Wortbildner sowohl durch Buchstaben als Silben jeglichem Dinge seine eigene Bezeichnung und Benennung angewiesen und hieraus denn das übrige ebenfalls nachahmend zusammengesetzt zu haben, Dies nun, o Hermogenes, scheint mir die Richtigkeit der Benennungen sein zu wollen, wenn nicht unser Kratylos etwas anderes meint.“107
Sokrates hat bisher mit Hermogenes in Richtung der Auffassung des
Kratylos argumentiert, ersteren also vom Gedanken sprachlicher
Abbildung des letzteren überzeugt. Zugleich hat er aber bereits auf
Defizite des zunächst präferierten Abbildgedankens hingewiesen.
Diese seien kurz benannt.
Es ist herausgestellt worden, dass sich die Sprache (Logik) am
Wesen der Dinge (Ontologie) zu orientieren habe. Über das Wesen
trifft Sokrates die Aussage:
„Das Sein aber und das Wesen trifft ganz mit der Wahrheit zusammen, denn es ist das in der Zeit gehn und das Währen, und eben so im Gegenteil das Nichts ist das nie gehts.“108
Die Wahrheit – als das, was der Verborgenheit abzuringen ist,109 – und
damit auch das mit ihr zusammenfallende Sein und das Wesen kennt
der Mensch nicht.110
„Oder willst du, daß wir, so gut wir es vermögen, wenn wir auch nur wenig davon einsehn können, es dennoch versuchen, indem wir vorher erklären, wie nur eben den Göttern, daß wir,
107 Kratylos 427c f., S. 227. 108 Kratylos 421b, S. 211. 109 Vgl. HEIDEGGER 1975, S. 32. Zum Begriff insgesamt: SZAIF 1996. 110 Gemeint ist in diesem Zusammenhang eine Wahrheit, die im Feld der Theoria den
Ideen innewohnt. Über sie verfügt der Sprechende nicht (SZAIF 1996, S. 159), obgleich er
empirisch Offenkundiges und damit Seiendes und Wahres bezeichnen kann. (Vgl.
KUTSCHERA 2002, S. 146; S. 155) Die vorliegende Argumentation zielt auf die
theoretisch-ideale Wahrheit ab, derer der Sprachgebrauch entbehrt.
42
ohne etwas von der Wahrheit zu wissen, nur die Meinungen der Menschen von ihnen mutmaßlich angeben wollten, so auch jetzt, ehe wir weiter gehen, uns selbst die Erklärung tun, daß wenn die Sache gründlich sollte abgehandelt werden, es sei nun von jemand anderm oder von uns, es allerdings so geschehen müsse, wir aber jetzt nichts tun könnten, als nur, wie man sagt, nach Vermögen uns daran versuchen.“111
Die Sprache sucht also nachzuahmen und abzubilden, worüber sie
eigentlich keine Aussage treffen kann. Der Mensch trachtet danach zu
benennen, wovon er nur ahnen kann. Damit bleibt sprachliche
Abbildung fehlerhaft, denn sie ist noch defizitärer als das Wissen um
das, was abzubilden gesucht wird.112
1.1.1.2 Sowohl Abbild- als auch Gebrauchstheorie
Im folgenden wird die scheinbar bevorzugte These des Kratylos, die
Bedeutung von Namen liege in der Abbildung des Wesens der Dinge,
im Sinne der These des Hermogenes neu überdacht. Zunächst wird an
die Voraussetzungen erinnert, nämlich, erstens, eine nicht näher
bestimmte naturgegebene „Richtigkeit der Worte“113, die, zweitens,
durch „Gesetzgeber“114 eingesetzt sind. Unter Verweis auf eine
Aussage des Kratylos,115 dass Hermogenes einen Namen trage, der
seinem Wesen nicht entspreche,116 wirft Sokrates dann die Frage auf,
ob dieser denn einen falschen Namen habe und ob man demzufolge
auch in anderen Fällen „[F]alsches reden“117 oder Falsches irgend-
sprachlich ausdrücken könne? Im Rahmen von Überlegungen, ob
„richtig“ und „falsch“ angemessene Kriterien zur Beurteilung von
111 Kratylos 425b f., S. 223. 112 Vgl. Kratylos 425d, S. 223. 113 Kratylos 427d, S. 227. 114 Kratylos 429a, S. 231. 115 Vgl. Kratylos 407e, S. 175. 116 Vgl. Kratylos 407e ff., S. 175ff. 117 Kratylos 429d, S. 233; Änd. v. G.v.S.
43
Sprache sind, lässt PLATON den Sokrates näher bestimmen, was er
unter Nachahmung versteht. Er vergleicht den Vorgang der
sprachlichen Nachahmung mit der Nachahmung durch ein Bild.118 Bei
beiden, der Zuordnung eines Bildes zu einer Sache wie auch bei der
eines Wortes zu einer Sache, kann die Zuordnung ihr „zukommend[...]
und ähnlich“119 sein oder nicht. Die Namen, als sprachliche Urzeichen
verstanden, werden beim Sprechen über Dinge so arrangiert, dass sie
ein „Großes, Schönes und Ganzes bilden“ und als solches der
Abbildung durch ein „Gemälde“120 entsprechen. Das wird für Wort,
Satz und Rede gleichermaßen postuliert, welche sich nur dadurch
unterscheiden, dass die durch sie abbildende Aussage immer
komplexer wird.121 Dem Passen oder Nicht-Passen eines Wortes
schreibt Sokrates aber eine andere Qualität zu als dem eines Bildes.
Wort und Bild sind einander ähnlich in der Art der Darstellung. Sie
suchen beide eine Sache nachahmend zu zeigen. Das Wort ist aber in
seiner Nachahmung auf die Wahrheit, das Wesen und das Sein der
Sache gerichtet, ein Bild nicht:
„Nämlich eine solche Verteilung beider Nachahmungen, der Bilder sowohl als der Wörter, nenne ich richtig, die der Wörter aber zugleich auch wahr; die andere aber, welche unähnliches einander gibt und beilegt, nenne ich unrichtig, und wenn sie mit den Wörtern vorgeht, zugleich falsch.“122
Das Wort kann aber nur auf Wahrheit, Wesen und Sein eines Dinges
zielen, suchen es nachzuahmen, es wird aber nie Wahrheit, Wesen und
Sein des Dinges erreichen oder mit ihnen übereinstimmen.
118 Vgl. Kratylos 430a f., S. 235. 119 Kratylos 430c, S. 237; Ausl. v. G.v.S. 120 Beides: Kratylos 425a, S. 221. 121 Vgl. Kratylos. 424d-425a; 432d-433a; 430e-431d. Vgl. auch SCHMITZ 1985, S. 104. 122 Kratylos 430d, S. 237.
44
„Lächerliches wenigstens, o Kratylos, würde den Dingen widerfahren von den Wörtern die ihre Benennungen sind, wenn diese ihnen in allem auf alle Weise ähnlich gemacht würden. Alles nämlich würde zwiefach da sein, und man würde von keinem von beiden mehr angeben können, welches das Ding selbst wäre, und welches das Wort.“123
Folglich kann auch die Abbildtheorie des Kratylos nicht zutreffend
sein, basiert sie doch auf der Annahme, das vom Gesetzgeber
geschaffene Abbildende habe eine „natürliche Richtigkeit“124, da es
das Vermögen besitze, das Abgebildete deckungsgleich zu zeigen.
In seinem Vergleich zwischen Wort und Bild legt Sokrates
weiter dar, dass sie sich als Bezeichnendes vom bezeichneten Ding
unterscheiden, ohne dass die Unterscheidungsmerkmale der Tatsache,
dass eine Nachahmung vorliegt, Abbruch täten. Das heißt, ohne „daß
sobald etwas fehle oder hinzukomme es gleich nicht mehr Bild sei“125.
Aber auch bei einer Übereinstimmung zwischen Gegenstand und
Sprache, die nicht absolut ist, wird über den mehr oder weniger
entsprechenden Gegenstand gesprochen.126 Somit scheint die These
des Hermogenes, Verabredung und Übereinkunft lägen dem
Gebrauch von Wörtern zugrunde, der dann Bedeutung herstelle,127
doch nicht ganz von der Hand zu weisen zu sein, wenn auch das
Streben nach höchstmöglicher sprachlicher Genauigkeit128 zeigt, dass
selbst darin eine gewisse Abbildungsabsicht liegt, die auf ein
sprachliches Streben nach Wahrheit hindeutet.
123 Kratylos 432d, S. 243. 124 Kratylos 383b, S. 109. 125 Kratylos 432d, S. 243. 126 Vgl. Kratylos 432e, S. 243. 127 Vgl. Kratylos 384d, S. 111. 128 Vgl. Kratylos 433a f., S. 243ff.
45
Nochmals wird auf die „Stammworte“129 Bezug genommen.
Diese werden gedacht als die ältesten und damit die authentischen
Bezeichnungen, diejenigen, welche in ihrer Nachahmung der
Gegenstände als die ersten auch die genauesten sind.130 Diese
Genauigkeit wird von einem Bestreben des Gesetzgebers herrühren,
die Stammworte den Dingen, die sie benennen, so ähnlich wie
möglich zu machen:
„Aber wenn die Stammwörter Darstellungen von etwas sein sollen, weißt du eine andere bessere Art wie sie Darstellungen sein können, als wenn man sie möglichst so macht, wie dasjenige, was sie ausdrücken sollen?“131
Wäre dies zutreffend, müssten zwei Bedingungen erfüllt sein. Zum
einen müssten schon die Buchstaben den darzustellenden Sachen
ähnlich sein;132 zum anderen müsste der gesetzliche „Sprachgeber“133
ein „Wissender“134 sein, der Sein, Wesen und Wahrheit des
Abzubildenden kennt. Vor allem letzteres ist aber laut Sokrates
unmöglich, da der Mensch ein solches Wissen nicht hat.135
„Verabredung“ und „Gewohnheit“ können hingegen nicht „der
Grund der Richtigkeit der Wörter“ sein, denn sie bezeichnen „durch
Ähnliches wie durch Unähnliches“. Eines vermögen sie allerdings: sie
tragen zur „Kundwerdung der Gedanken“ bei.136 Wie können sie dies,
ohne mit einem Stammwort des für beide Sprachauffassungen
gesetzten „Wortbildner[s]“137 in Verbindung zu stehen? Wie kann ein
129 Kratylos 433d, S. 245. 130 Vgl. Kratylos 422b, S. 213. 131 Kratylos 433e, S. 245ff. 132 Vgl. Kratylos 434a, S. 247. 133 Kratylos 435d, S. 253. 134 Kratylos 436c, S. 255. 135 Vgl. Kratylos 425c, S. 223. 136 Insges.: Kratylos 435a f., S. 251. 137 Kratylos 437c, S. 257; Zus. v. G.v.S.
46
Wortbildner Stammworte bilden, ohne ein Wissender sein zu können?
Und: Wie können wir reden, müssten wir annehmen, die Stammworte
seien falsch? Denn läge im Beginn der Benennungen ein Fehler, so
wären alle Deduktionen fehlerhaft.138
„Jedermann“, der sich sprachlich äußert, muss – wie
„Jedermann“, der an den „Anfang jeder Sache“139 zurückzugehen hat
– an den Anfang der Sprache gehen, bevor er ein Wort bedenkenlos
benutzt. Zu einer vorläufigen Klärung der aufgeworfenen Fragen wird
noch einmal an die mit Etymologien verbundenen Mythen bei
Heraklit, Homer und Hesiod erinnert, die den Ursprung der Götter
und damit den Ursprung alles Seienden auf Wasser zurückführten.140
Analog dazu betont Sokrates nun, dass „alles ströme und fließe und in
Bewegung sei, dahin, sagten wir, deuten uns die Worte das Sein und
Wesen der Dinge“141. Zugleich gibt es aber auch Dinge, die nicht
fließend und bewegt sind, nämlich „das Beständige, wie es offenbar
Nachbildung eines auf dem Grunde festen und stehenden ist und
nicht einer Bewegung“142. Somit läge in der Sprache beides, sowohl
der erste gesetzgebende und abbildende Anfang von Sprache und
Bedeutung als auch der Sprachgebrauch, welcher zu Modifikationen
führt. Sprache wird nun gedacht als Status und Wandel, beide aber
orientiert an Wahrheit, Wesen und Sein.
1.1.1.3 Weder Abbild- noch Gebrauchstheorie
Die Frage, ob eine Abbildtheorie oder eine Gebrauchstheorie die
Sprache hinsichtlich der Bedeutung ihrer Namen zutreffender
138 Vgl. Kratylos 437d f., S. 255. 139 Kratylos 436d, S. 255. 140 Vgl. Kratylos 402a f., S. 161ff. 141 Kratylos 436e, S. 255; vgl. auch PERREINS 1994, S. 72. 142 Kratylos 437a, S. 255f.
47
bestimmt, scheint am Ende des Kratylos nicht mehr die wesentliche zu
sein. Indem er kritisch „gegen verschärfte und radikalisierte
Interpretationen“143 der zugrundeliegenden antithetischen Positionen
des Kratylos und des Hermogenes vorgeht und dieselben zur Aporie
führt,144 wendet Sokrates sie mehr und mehr zu einer pädagogischen
Frage. Das Streitgespräch wird mehrfach als ein Lehrgespräch
ausgewiesen.145 Dass ein Zweck zu sprechen darin liegt zu belehren,
zeigen bereits die Ausführungen zum pädagogischen Reden und zum
„Lehrkünstler“146. PLATON lässt Sokrates diesen Gedanken nochmals
in der Frage zuspitzen: „Also der Belehrung wegen werden Worte
gesprochen?“147 Darin liegt eine Verkettung von Sprachtheorie und
Erkenntnistheorie. Die Erkenntnis von Wahrheit, Wesen und Sein
rückt in den Fokus des Dialoges. Schon der Wortfindung eines
Sprachgebers muss eine Erkenntnis außerhalb von Sprache
vorausliegen, sind es doch die ersten Namen, die er schafft.
Zumindest der sprachliche Gesetzgeber hat nicht die Möglichkeit,
durch Sprache zu erkennen.148 Jedem späteren Redner, dem nur noch
defiziente Deduktionen der Stammwörter vorliegen, ist es ebenso
wenig ratsam, sprachlich nach Erkenntnis zu streben. Jenseits der
Zweideutigkeit149 von Sprache, die als zwischen Statik und Dynamik150
schwankend bestimmt worden ist, wird etwas außerhalb von Sprache
Liegendes in den Blick genommen, das auf Erkenntnis verweist:
143 KRAUS 1996, S. 21. 144 Vgl. BORSCHE 1990, S. 57. 145 Vgl. z.B. Kratylos 384a ff., S. 109 ff.; 427e, S. 229; 428b, S. 229. Vgl. auch GRAESER
1989, S. 3 sowie GUNDERT 1968, S. 13ff., S. 22. 146 Beides: Kratylos 388c, S. 123. 147 Kratylos 428e, S. 231. 148 Vgl. Kratylos 438a f., S. 259. 149 Vgl. Kratylos 437a, S. 255. 150 Vgl. Kratylos 437c, S. 257.
48
„Wenn also die Wörter in Streit geraten, und die einen sagen, sie selbst wären die der Wahrheit ähnlichen, die andern aber sie, wodurch sollen wir es nun entscheiden oder mit Rücksicht worauf? Doch wohl nicht wieder auf andere Wörter als diese? Denn es gibt ja keine. Sondern offenbar muß etwas anderes aufgesucht werden als Worte, was uns ohne Worte offenbaren kann, welche von diesen beiden die richtigsten sind, indem es uns nämlich das Wesen der Dinge zeigt. [...] Es ist also doch möglich, wie es scheint, Kratylos, die Dinge kennen zu lernen ohne Hülfe der Worte, wenn sich dies so verhält.“151
Bei der Wahl zwischen einem fehlerhaften „Bilde“152 und dem „Wesen
selbst“153 als Lernstoff scheint es naheliegend, den ontologischen
Gegenstand der gesuchten Erkenntnis selbst und nicht seinen
logischen Platzhalter zum Gegenstand der Erkenntnissuche zu
machen.154 Das erscheint zunächst zwar schwieriger, zugleich aber
erfolgversprechender, denn die „Worte“, von Deduktion zu
Deduktion ungenauer, „betrügen“155 den, der sich in der
Erkenntnissuche auf sie stützt. Dies führt PLATON mit Sokrates auf
die Zweideutigkeit zwischen Statik und Dynamik, als „Flußlehre“156
bezeichnet, zurück:
„Auch laß uns noch bedenken, daß nicht doch etwa diese vielen Worte, [...] in der Tat diejenigen zwar, welche sie bildeten es in dem Gedanken getan haben, als ob alles immer im Fluß und in Bewegung sei, die Sache selbst sich aber gar nicht so verhält, sondern nur sie selbst gleichsam in einen Strudel hineingefallen, die Besinnung verloren haben, und uns nun auch mit sich hineinziehen.“157
151 Kratylos 438d f., S. 261; Änd. u. Ausl. v. G.v.S. 152 Kratylos 439a, S. 261. 153 Kratylos 439b, S. 263. 154 Vgl. Kratylos 439a f., S. 261ff. 155 Kratylos 439c, S. 263. 156 Kratylos 439b, S. 263: Gliederung von SCHLEIERMACHER. KRAUS verweist in diesem
Zusammenhang auf die „Lehre der Herakliteer vom ewigen Fluß der Dinge“ (KRAUS
1996, S. 22). 157 Kratylos 439c, S. 263; Änd. u. Ausl. v. G.v.S.
49
Wer Wahrheit, Wesen und Sein zu erkennen sucht, wird gewöhnlich
versuchen, Bruchstücke seiner Erkenntnis festzuhalten. Es werden
sprachliche Versuche sein, Teilerkenntnisse in Sprache zu bannen. Die
Sprache ist aber nie eindeutig, sie kann nichts halten, da sie im-Flusse-
befindlich einen Status zu erzeugen sucht. In diesem Schwanken
zwischen Bewegung und Stetigkeit scheint für Sokrates selbst Sein,
Wesen und Wahrheit einer Veränderung unterworfen zu werden.158
Unter diesen Umständen ist Erkenntnis unmöglich, denn Erkenntnis
müsste so unveränderlich feststehend sein wie die genannten drei
selbst.
„Denn nur wenn dieses selbst, die Erkenntnis von dem Erkenntnis sein nicht weicht, so bliebe sie dann immer Erkenntnis und es gäbe eine Erkenntnis. Soll aber auch diese die Erkenntnis an und für sich selbst sich verwandeln, so verwandelt sie sich in etwas von anderer Art als die Erkenntnis, und es gibt dann keine Erkenntnis. Verwandelte sie sich aber immer, so gibt es immer keine Erkenntnis, und von diesem Satze aus gibt es weder Erkennendes noch ein zu erkennendes. Ist aber immer das Erkennende und das Erkannte, ist das Schöne, ist das Gute, ist jegliches seiende: so scheint mir dies, wie wir jetzt sagen, gar nicht mehr einem Fluß ähnlich oder einer Bewegung.“159
Das heißt aber nur eins: Erkenntnis ist redend-sprachlich
unmöglich.160 Verwiesen wird auf die still ruhende Idee als
unveränderlich Ontisches, auf das die Erkenntnis gerichtet ist161 und
auf eine andere Sprachlichkeit. Um sie zu suchen, wäre das Stillhalten
im Schweigen einem unsteten Reden vorzuziehen.
158 Vgl. Kratylos 439d, S. 263. 159 Kratylos 440a ff., S. 265. 160 BORSCHE sieht in diesem Gedanken die erste Ursache für eine Unterscheidung der
Disziplinen Erkenntnistheorie und Sprachtheorie. (Vgl. BORSCHE 1990, S. 59) 161 Vgl. die Überschrift SCHLEIERMACHERS Kratylos 439b, S. 263; Politeia 527a, S. 268
sowie BORSCHE 1996, S. 96ff.
50
1.1.2 Zwischen Logos und Idee
Die Frage der Erkenntnis, so wie PLATON sie fasst, verweist auf das
Spannungsfeld zwischen Logos und Idee. Die Wortbedeutung des
griechischen Wortes Logos ist weit, umspannt aber in erster Linie eine
Vielzahl sprachlicher Momente, nämlich „Aufzählung, Berechnung,
Rechenschaft, Rechtfertigung [,...] Verhältnis, Proportion, Erklärung,
Beweisführung, Vernunft, Bericht, Darlegung, Aussage, Wort,
Ausdruck, Gegenstand der Unterredung“162. Der Begriff wird in der
PLATON-Interpretation für gewöhnlich als Aussage-Satz von Namen,
onomata, unterschieden. Damit wiese das Folgende über die Kratylos-
Analyse hinaus. Insofern am Ende des Kratylos zur Klärung von
Erkenntnis ein anderes gesucht wird, erscheint es legitim, eine weitere
Sprachvorstellung – wie sie vornehmlich mit Theaitet und Sophistes
vorliegt – einzubeziehen. Andererseits ist der Bezug zwischen Name
und Ding in gleicher Weise als prädikative Aussage deutbar wie eine
Satzstruktur:163 Der Name fungiert als Prädikat, sofern der Kern der
Aussage, also die Abbildung des bezeichneten Gegenstandes allein
durch das Elementare gegeben ist. In gleicher Weise ist der komplexe
Satz prädikativ dem komplexen Sachverhalt zuzuordnen. Es wird also
von einem umfassenden Logos-Begriff ausgegangen, der den Namen
einschließt. Der Fokus liegt auf der Deutung als einer Verbindung von
Denken und Sprache.164 Die PLATONischen Dialoge zeugen zunächst
von einer Grundhaltung ihres Autors, nach der Sprache, vornehmlich
die gesprochene Sprache, also das Reden, Mittel der Erkenntnissuche
ist. Die Dialoge sind keine Zeugnisse der Art von
Vorlesungsmitschriften, bei denen ein monologartiges Dozieren des
Sokrates festgehalten wäre. Vielmehr steuern dessen Gesprächspartner
162 VERBEKE 1980, Sp. 491; Ausl. u. Zus. v. G.v.S. Vgl. auch OPSOMER 2002, S. 254. 163 Vgl. GAISER 1974, S. 98f.; DERBOLAV 1972, S. 92ff.; BORSCHE 1990, S. 64. 164 Vgl. VERBEKE 1980, Sp. 491.
51
mit ihren Fragen und Beiträgen ihre Vorkenntnisse als „Erkenntnis“,
welche jeder von ihnen „in sich trägt“165, bei. Es wird wissenschaftlich
disputiert, abgewogen, zugestimmt oder verneint. Die jeweiligen
Dialogpartner streben nach wahrem Wissen, befinden sich auf einer
gemeinsamen Erkenntnissuche, deren Grundlage der dialogische
Logos ist.166 Die Erkenntnissuche ist in den von PLATON verfassten
Gesprächen also eine sprachliche Annäherung an mögliche
Gegenstände von Erkenntnis. Was aber ist gemeint mit einer
Erkenntnis, welche die einzelnen Dialogpartner in sich tragen? Sie ist
ein Hinweis auf das zweite Moment der Erkenntnisfrage, die Idee.
Das Wort Idee „meint zunächst die sichtbare äußere Gestalt
einer Sache [...], die freilich auch täuschender Schein sein kann [...]
dann allgemein die Beschaffenheit, die Eigenschaften von Dingen,
etwa die Verwendbarkeit der Blätter einer bestimmten Baumsorte zur
Herstellung von Textilfarben [...]. Schließlich dient das Wort [...] der
Klassifizierung“167. PLATON gebraucht es für
„Jenes Wesen selbst, welchem wir das eigentliche Sein zuschreiben in unsern Fragen und Antworten, verhält sich dies wohl immer auf gleiche Weise, oder bald so, bald anders? Das Gleiche selbst, das Schöne selbst, und jegliches, was nur ist, selbst, nimmt das wohl jemals auch nur irgend eine Veränderung an? Oder verhält sich nicht jedes dergleichen als ein einartiges Sein an und für sich immer auf gleiche Weise und nimmt niemals auf keine Weise irgendwie eine Veränderung an? Auf gleiche Weise, sprach Kebes, und einerlei verhält es sich notwendig, o Sokrates.“168
Idee bezeichnet also bei PLATON die Transzendentalien, die in der
Vorstellung von der Idee als die „Einheit“, die „Wahrheit“, die 165 VERBEKE 1980, Sp. 494. 166 Vgl. VERBEKE 1980, Sp. 494. 167 MEINHARDT 1976, Sp. 55; Ausl. v. G.v.S.; vgl. auch BORDT 2002, S. 119. 168 Phaidon 78d, S. 759. Besonders wird die Vokabel „Idee“ seit Cicero auf solche
Zusammenhänge bei PLATON angewandt. (Vgl. MEINHARDT 1976, Sp. 55)
52
„Gutheit“ und die „Schönheit“ gedacht werden als dem Sein inhärent
und in eins zusammenfallend.169 Dem Idealen entsprechend
transzendieren sie diejenigen Aspekte der Dingwelt, die auf empirische
Erfahrbarkeit begrenzt sind und zielen auf das Wesen.170 Diesem gilt
es – das Empirische übersteigend – sich mittels logischer Analyse
anzunähern.171 Die auf den Horizont der Idee hinweisenden
Transzendentalien sind im Kratylos angesprochen, wo von Wahrheit,
Wesen und Sein die Rede ist, die durch einen Namen ausgedrückt
werden sollen, durch seine Defizienz aber nicht ausgedrückt
werden.172 Das Gute gilt PLATON als höchste, da alle transzendentalen
Gesichtspunkte umfassende und damit sogar das bloße Sein
transzendierende Idee.173 Ihre Erkenntnis ist als „Ursache von reiner
Vernunfterkenntnis und Wahrheit“174 höchstes logisches
Erkenntnisziel. Im Passen oder Nichtpassen eines Namens, also einer
ästhetischen Maßgabe, ob ein Wort Wahrheit, Wesen und Sein einer
Sache ausdrückt, wird im Zusammenhang der Sprache auf das Schöne
angespielt.175 Vor allem aber das Problem der „Erkenntnis der
Dinge“176 weist in den Kontext der Idee. Die
„Wiedererinnerungslehre“177 im Menon178 zeigt, an welchem Ideal
PLATON die irdische Erkenntnis misst, und erklärt damit, dass sie
defizient bleiben muss: Innerhalb einer mythischen Erzählung heißt
169 LOTZ 1965, Sp. 314. 170 Vgl. insges.: LOTZ 1965, dort besonders Sp. 314. 171 Vgl. Phaidros 249b, S. 440. 172 Vgl. Kratylos 421b, S. 211; 425b f., S. 223; 438d f., S. 261. 173 Vgl. Politeia 508d, S. 244; vgl. auch HAGER 1972, Sp. 589. HEIDEGGER nennt das
Gute bei Platon „das Göttliche“. (HEIDEGGER 1975, S. 48) 174 Politeia 508d, S. 244. 175 Vgl. Kratylos 425a, S. 221. 176 Kratylos 439b, S. 263. 177 MEINHARDT 1976, Sp. 56. 178 Vgl. Menon 81c ff., S. 45ff.
53
es, die Seele179 des Menschen habe vor seiner Geburt, in einer
unkörperlichen, nicht empirischen Schau Sein, Wesen und Wahrheit
aller Dinge der Welt erkannt. Mit dem Geborenwerden habe sie diese
fundamentale ontologische Erkenntnis vergessen und sei in die
Notwendigkeit des Lernens gestellt. Lernen als Erkenntnissuche
bedeutet in diesem Kontext Wiedererinnerung an das, was die Seele
durch vorgeburtliche Schau schon einmal wusste.180 Die
vorgeburtliche Schau war nicht körperlich gedacht worden. Die
lernende Erkenntnissuche ist an den Körper und damit an sinnliche
Wahrnehmung gebunden. Und obwohl der Mensch erkannt haben
muss, um lebend handeln zu können181 und auch der Lehrer in
bestimmter Hinsicht ein Wissender sein muss, um pädagogisch
handlungsfähig zu sein, ist er zugleich ein Nichtwissender. Diese
Paradoxien verweisen auf eine PLATONische Differenzierung des
Wissensbegriffs, genauer auf die Unterscheidung zwischen doxa, der
„Meinung“, „Erwartung“ oder „Vermutung“182 und episteme, der
„Kenntnis“, dem „Wissen“ und der „Wissenschaft“183.
„Es genügt also, fuhr ich fort, den ersten und obersten Abschnitt des Erkennens W i s s e n s c h a f t zu nennen, den zweiten V e r s t a n d e s e i n s i c h t, den dritten G l a u- b e n a n d i e S i n n e, den vierten b l o ß e n S c h e i n v o n W a h r h e i t, und einerseits die beiden letzten zusammen M e i n u n g, andererseits die ersten zusammen V e r n u n f t e i n s i c h t; dabei bezieht sich M e i n u n g auf das wandelbare Werden, Vernunfteinsicht auf das unwandelbare Sein, so dass wie Sein zum Werden, so Vernunfteinsicht zu Meinung, und wie Wissenschaft zu
179 Die Seele ist der Ort, an dem gelernt und erkannt wird. (Vgl. BORSCHE 1996, S. 110f.
und ROTENSTREICH 1983, S. 19ff.) 180 Vgl. MEINHARDT 1976, Sp. 56. 181 Vgl. Politeia 517c, S. 253. 182 Insges.: STÜCKELBERGER 1972, S. 287; vgl. auch BRACHTENDORF 2002, S. 115. 183 Insges.: RAPP 2002, S. 146.
54
Glauben an die Sinne, so Verstandeseinsicht zu Scheinwissen sich verhält.“184
Empirische Erkenntnis ist eine Notwendigkeit der tätigen
Weltbewältigung im Alltäglichen, das spontanes Einstellen auf sich
ändernde Situationen erfordert. Sie ist – als Handlungs-Wissen
klassifizierbar – nicht auf das Wesen der Dinge gerichtet, sondern auf
ihre prozesshaften Erscheinungsformen. Vernunftgeleitete
Verstandeserkenntnis ist auf die wesenhafte Wahrheit des Seins
gerichtet.185 Sie ist als ein ideales Wissen zunächst unerreichbar.
Sprachlich ist zu suchen nach einer „Wesensaussage“186, die sich von
einer Meinung existentiell unterscheidet.187 Der Mensch müsste also,
folgt man dieser PLATONischen Vorstellung, um wahre Erkenntnis
von Sein und Wesen zu erlangen, in den Zustand zurückversetzt
werden, der ihm die an ihr teilhabende Schau der allumfassenden Idee,
wie er sie vorgeburtlich erfahren hat, erneut ermöglicht. Weiß er um
das Moment der Wiedererinnerung, ist ihm bewusst, dass die
empirische Erkenntnis einer Sache, wenn er sie denn nach logischen,
also sprachlichen Annäherungsversuchen erringt, nur eine partielle
Erkenntnis sein kann, die ebenso mangelhaft ist wie das Mittel seiner
Suche, die Rede. Wie die Erkenntnis ist auch das zu erkennende
Einzelding mangelhaft. Es ist durch methexis, Teilhabe an seinem
idealen Wesen, der Idee, seiend, wäre aber nur durch absolutes
Einssein mit der Idee wesenhaft und wahr. So müssten sowohl 184 Politeia 533e, S. 278. Die eigentlich vier Formen der Erkenntnis (vgl. 7. Brief, 342a ff.;
GRAESER 1989 sowie BRAUN 1996, S. 85) lassen sich zum Gegensatz doxa – episteme
polarisierend zusammenfassen. Wesentlich für die vorliegende Diskussion ist das
Hervorheben eines ontologischen Wissens, das sich von allen anderen unterscheidet und
als ideale Erkenntnisform, obgleich unerreichbar, angestrebt wird. 185 Vgl. Politeia 527a, S. 268; vgl. auch BORSCHE 1996, S. 96f.; S. 103 sowie KUTSCHERA
2002, S. 98f. 186 BORSCHE 1990, S. 81. 187 Zur Unterscheidung von doxa und episteme umfassend: Vgl. EBERT 1974.
55
Erkennender als auch zu Erkennendes mit der Idee vollkommen
zusammenfallen, damit es wahre und wesenhafte Erkenntnis des
Seienden geben könnte. Gleiches gilt für einen idealen Logos, eine
ideale Sprachlichkeit, welche in der Transzendenz, die allein das
zuletzt Erörterte verheißt, am wesenhaft wahr Ontischen partizipiert.
Im Irdisch-Menschlichen muss Sprachlichkeit als müder Abklatsch
des Logos und Erkenntnis als schwacher Abglanz der Idee defizitär
bleiben.
1.1.3 Logos und Idee im Schweigen
PLATON lässt die Menschen zunächst logisch, das heißt sprachlich,
redend, im Dialog, durch Analyse von Namen Erkenntnis der durch
diese bezeichneten Gegenstände suchen. Eine solche Analyse führt
der Kratylos vor. An seinem Schluss steht die Einsicht in die „Nicht-
Artikulierbarkeit [...] der Ideen“188 eine doppelte Defizienz, die
Mangelhaftigkeit des Einzeldings „in seinem Zurückbleiben hinter
seinem eigentlichen Wesen“189 und die Mangelhaftigkeit der eigenen
logisch gesuchten Erkenntnis. Damit liegt ein Eingeständnis von
Nichtwissen vor. Dies ist bestimmbar als Antithese des Logos, die
denselben in Frage stellt.190 Der Dialog als schriftlich festgehaltene
Rede ist ein nichtwissender Logos ohne Wahrheitseinsicht, er verweist
aber zeichenhaft auf einen anderen Logos mit Wahrheitseinsicht,191
das Schweigen.192 Gemeint ist hier ein idealer Logos, der in
transzendentaler Partizipation an der Idee auf deren Wahrheit
188 GRAESER 1989, S. 4; Ausl. v. G.v.S. Vgl. auch Kratylos 439b, S. 263. 189 MEINHARDT 1976, Sp. 56. 190 Vgl. MÜLLER 1984, Sp. 838. 191 Vgl. auch Sophistes 259b, S. 726 sowie BORSCHE 1996, S. 113. 192 Vgl. GUNDERT 1968, S. 15.
56
gerichtet an der Wahrheit der Idee teilhat. Diesen entbehrt der
Mensch im Diesseits, also weiß er nicht.
Der Mensch sucht logisch, in der Rede, nach Erkenntnis, weiß
aber nicht. Die Idee umfasst die gesuchten Aspekte der Wahrheit, des
Wesens und des Seins, zeigt sie aber nur transzendental. Einzig durch
Überwindung des Gefangenseins im menschlich-körperlich-irdischen
Leben ist Erkenntnis von Wahrheit, Wesen und Sein möglich, denn
„um das wahrhaft Seiende zu erfassen, muß man sich aus den Banden
des Stofflichen befreien“193. Das heißt, empirische Erkenntnis ist zu
überwinden, ontologisch-wesensmäßige zu suchen. Ein derart
Befreiter hat Teil an Wahrheit, Wesen und Sein der Idee. Er ist
übersteigend und allumfassend Seiendes, ist Idee und ist Logos.
Sucht man die Sprache und das mit ihr verbundene Streben
nach Erkenntnis im Spannungsfeld der beiden genannten Begriffe –
Logos und Idee – zu fassen, stellt sich die Sachlage dar, wie folgt: Die
Gegenstände der Welt sind ursächlich der Idee zuzurechnen, denn
außerhalb des Realen, Konkreten, determiniert die Idee den
Realgegenstand in seiner ontologischen Ausprägung metaphysisch.
Solange der Mensch in Empirie gefangen ist, ist Erkenntnis
unmöglich, was auf den vorgeburtlichen Zustand der
ideenschauenden Seele zurückverweist, aber auch programmatisch zu
lesen ist. Die Determination durch die Idee betrifft alle dem
Gegenstand entsprechenden Eigenschaftsmöglichkeiten, das heißt alle
Prädikate des Einzeldinges sind fakultativ ideal vorgebildet. Die
konkrete Ausformung des Gegenstandes entspricht seiner Idee. Ein
solches Entsprechen ist für PLATON dem idealen Wesen des
Gegenstandes gemäß.194
193 VERBEKE 1980, Sp. 493. 194 Vgl. Phaidon 78d, S. 759.
57
Sprache sieht sich also einer Dingwelt gegenüber, die in
vorfindbare und beschreibbare Gegenstände als ontologische
Ableitungen wesenhaft idealer Gegenstände jenseits von
Vorfindbarkeit und Beschreibbarkeit zerfällt. Die PLATONische
Beschreibung des Elementarelements von Sprachlichkeit verweist auf
etwas, „was das Wort wirklich ist“195. Somit scheint auch Sprache in
wesenhafte Idealworte und abgeleitete Realworte gegliedert zu sein. In
Anlehnung an die Idee eines Gegenstandes ist folglich auch von der
Idee eines Wortes auszugehen. Dem konkreten Wort war das Prädikat
„belehrend“196 zugewiesen worden. Es kann belehrend genannt
werden, weil diese Eigenschaft ontologisch seinem Wesen entspricht,
genau so wie die Eigenschaft zu benennen, zu erinnern oder zu
tradieren. Als Prädikate sind diese Eigenschaften wesenhaft
zusammen gedacht in der Idee vom Wort enthalten. Das bisher über
dieses ideale Wort ausgesagte unterscheidet es nicht wesentlich von
anderen Ideen; der Begriff bezeichnet aber etwas anderes.
Im idealen Wort fallen Idee und Logos zusammen.197 Sein
Wesen umfasst Dingwelt und Erkenntnis der Dingwelt, denn es ist
einerseits Wesen eines Dinges, dessen Prädikate es der konkreten
Ableitung vorgibt, dessen Prädikat andererseits zugleich ist,
Erkenntnis zu suchen. In der Unterscheidung von realem Wort und
idealem Wort sind das konkrete Ding und das konkrete Wort auf einer
Ebene anzusiedeln, insofern sich der Konkret-Gegenstand mit dem
Konkret-Wort beschreiben lässt. Das Ergebnis der Beschreibung
entspricht der doxa. Das Bezeichnen eines Realgegenstandes mit
einem Realwort ist ein Meinen, nicht ein Wissen. Es ist zwar auf der
195 Kratylos 389d, S. 127. 196 Kratylos 388b, S. 123. 197 Vgl. auch MARTEN 1962, S. 62.
58
Wortebene an seinem ontologischen, idealen Wesen orientiert, aber
als empirisch erfahrbares Wort selbst nicht Idee. Ausgerichtet ist das
Wort zwar auf der Dingebene auf die Idee des Dinges, welches es zu
bezeichnen sucht, ihm liegen aber lediglich die sinnlich
wahrnehmbaren Prädikate des konkreten Dinges als Basis seines
Bezeichnungsversuchs vor. In phonetischer Sinnlichkeit und
prädikativem Wandel ständigen Veränderungen unterworfen, kann das
Realwort nur Ausdruck relativierbaren Meinens sein.198 Es ist zwar
von gewisser Bedeutung, sofern das Wort die Handlung ermöglicht –
auch das lehrende Handeln des Lehrers – darf aber in seinem
Erkenntniswert nicht überschätzt werden. Erkenntnis im Sinne von
Vernunft- oder Verstandeseinsicht vollzieht sich ausschließlich im
Bereich des Idealen. Sie ist zu denken als Ontologie, in Form der
Sprachlichkeit der Wort-Idee, die sich zu einer Ding-Idee in Relation
setzt. Nur so ist sie epistematisch, also seinsbezogen199, „wahr“200,
beständig und einheitlich201 zu nennen. Das ideale Wort hat die Form
des Schweigens, da das Aussprechen des Wortes, das Ertönen der
Stimme bei seiner Aussprache es empirisch erfahrbar, damit real und
nicht wesenhaft unwandelbar seiend machte. Als reine Anschauung
eines Idealgegenstandes ist das Idealwort stumme Sprachlichkeit, ist
Schweigen.
Ein am Idealen teilhabendes „Denken“ wäre dann „ein inneres
Gespräch der Seele mit sich selbst über die Gegenstände, die sie
betrachtet“202, allerdings nicht länger als ein „Nichtwissender“203,
198 Vgl. HAGER 1972, Sp. 589. 199 Vgl. RAPP 2002, S. 148. 200 RAPP 2002, S. 147. 201 Beides: RAPP 2002, S. 148. 202 VERBEKE 1980, Sp. 493. 203 Theaitetos 189e ff., S. 630.
59
sondern als ein Wissender und nicht länger als ein Redender, der „nur
ein Geräusch“ macht und „sich ganz unnütz in Bewegung“ setzt, „wie
wenn einer an Metall schlägt daß es tönen muß“204. Wer sich „aus den
Banden des Stofflichen befreien“205 muss, muss sich auch aus den
Banden der mangelhaften Rede befreien, um logisch eins mit der Idee
zu sein. Dieser Logos ist idealer Logos, ist eine ontologische
Wesensaussage.206 Den erkennenden Ideal-Logos beschreibt PLATON
als
„eine Rede, welche die Seele bei sich selbst durchgeht über dasjenige, was sie erforschen will. [...] Denn so schwebt sie mir vor, daß, solange sie denkt, sie nichts anders tut als sich unterreden, indem sie sich selbst antwortet, bejaht und verneint. Wenn sie aber langsamer oder auch schneller zufahrend nun etwas feststellt und auf derselben Behauptung beharrt und nicht mehr zweifelt, dies nennen wir dann ihre Vorstellung. Darum sage ich: das Vorstellen ist ein Reden, und die Vorstellung ist eine gesprochene Rede, nicht zu einem andern und mit der Stimme, sondern stillschweigend zu sich selbst.“207
Der hier gedachte Logos ist im Gegensatz zur defizienten Rede ideale
Partizipation an der Idee. Er ist dies jenseits der defizitären
Sprachlichkeit und verweist auf autodidaktische Erkenntnisfindung.
Im sprachlosen Gespräch mit sich selbst erschließen sich dem
Erkennenden die Ideen. Erkenntnis vollzieht sich in der schweigenden
Selbstbelehrung. Erkenntnis ist Schweigen.
204 Kratylos 430a, S. 235. 205 VERBEKE 1980, Sp. 493; Änd. v. G.v.S. 206 Vgl. BORSCHE 1996, S. 109. 207 Theaitetos 189e ff., S. 630; Ausl. v. G.v.S.
60
Aurelius AUGUSTINUS (354-430)208
208 Abbildung: CHENU 1998, S. 106. Daten: Vgl. BERNHART 1987, S. 944; S. 1006.
61
1.2 „esto tranquillus, et intelliges — Sei still, und du wirst verstehen“209: SCHWEIGEN BEI AUGUSTINUS
I. Semiotik ist Erkenntnistheorie.
II. Gott ist ein ontologisches Wesen, dessen Sein Wahrheit und
Weisheit einschließt.
Er gibt dem von ihm Geschaffenen konkrete Prädikate vor.
III. Logisch meint Gott eine ideale Sprachlichkeit, welche
wesenhaft ist, für das Wesen steht und dessen Erkenntnis
einschließt.
Erkenntnissuche ist auf Gott als ein verbum gerichtet, das
einem Namen seine auffordernde und erinnernde
Prädikation vorgibt.
IV. Reale Sprachlichkeit transportiert Wissen nur in Form von
vocabula, tönenden Trägern von Bedeutung. Ihre
pädagogische Funktion liegt lediglich darin, zur Erkenntnis
aufzufordern oder an Erkanntes zu erinnern. Das durch sie
bezeichnete Wesen, ihre Bedeutung, muss bereits erkannt
sein.
IV.I Das Mittel möglicher Erkenntnis(-vermittlung) –
die Sprache – ist defizitär. Eine ontologische
Wesenserkenntnis ist realsprachlich nicht lehrbar,
da menschliche Worte vocabula, keine göttlichen
verba, und damit keine ontologischen
Wesensaussagen sind. 209 Enarratio XCI.14, eigene Übersetzung, vgl. WOHLFAHRT/KREUZER 1992, Sp. 1484.
Damit sei auf die deutliche Verbindung von auf Schweigen bezogener Sprachphilosophie
mit Erkenntnistheorie bei AUGUSTINUS verwiesen. Eine Verbindung dieser beiden war
mit PLATONs Dialog Kratylos erstmalig gegeben. (Vgl. BORSCHE 1995, Sp. 1438) Die
Anknüpfung von De magistro an den Kratylos ist in der Forschung belegt. (Vgl.
HENNIGFELD 1993, S. 133 und MOJSISCH 1998b, S. 145)
62
IV.II Der Gegenstand der Erkenntnis(-vermittlung) –
das konkrete Ding hat einen dem konkreten Wort
vergleichbaren Offenbarungscharakter, bleibt aber
ebenfalls hinter seinem ontologischen Wesen
zurück.
V. Wesen, Wahrheit und Weisheit werden durch summus
magister Christus dessen Wesen zugleich als verbum und
vocabula, konkretes Wort, gedacht ist, illuminativ gelehrt.
VI. Konkrete Sprachlichkeit, wie auch der Dialog De magistro, ist
gelautetes Abbild des ihn prädestinierenden schweigenden
verbum.
VII. Schweigen als ideale Sprachlichkeit stellt die ontologische
Voraussetzung dafür dar, Wahrheit und Wesen der Dinge
durch Christi Lehre zu erkennen. Ihm gilt es schweigend
zuzuhören. Wer das erkannt hat, ist weise.
1.2.1 Ontologische Erkenntnistheorie
AUGUSTINUS sucht in De magistro Aufschluss über Erkenntnis, cognitio.
Mit diesem Begriff ist eine rationale Wissensform und der Weg ihres
Erwerbs gemeint. Ihr Gegenstand sind ausschließlich intelligible,210
nicht körperliche Dinge.211 Körper werden als sinnlich erfahrbar212 von
ontologisch Erfassbarem unterschieden. Die AUGUSTINische
Argumentation zielt auf letzteres, nämlich den Bereich ontologischer
und nicht empirischer Erkenntnis.213 Grundsätzlich ist Erkenntnis für
210 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro XII.39, S. 104f. 211 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro III.5, S. 18f. und XII.39, S. 104f. 212 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro XII.39, S. 104f. 213 Vgl. HESSE 1931, S. 50ff.
63
ihn die Voraussetzung für Glückseligkeit.214 Sie richtet den Menschen
aus auf Gott, denn der Mensch wird ausschließlich in der Erkenntnis
Gottes erfüllt leben können. Nur, wenn er sich selbst als Geschöpf
und die Welt als Schöpfung erkennt und sich auf Gott ausrichtet,
erfasst er menschliches und weltliches Sein in Gott, denn Gott ist in
AUGUSTINischem Denken das Sein, dem es durch Erkenntnis zu
entsprechen gilt:
„Ohne Zweifel [...] ist Gott ein Wesensbestand oder, wenn der Ausdruck besser ist, ein Wesen; die Griechen sagen dafür [ousia]. Wie nämlich von weisesein Weisheit benannt ist, von wissen Wissenschaft, so ist sein (wesen) benannt von Wesenheit. Was man sonst Wesensbestand der Wesen nennt, begreift Dazukommendes (Akzidenzien) in sich, welches die Grundlage für große oder kleine Wandlungen bildet. Gott aber kann etwas derartiges nicht zukommen. Daher ist nur der Wesensbestand Gottes oder das Wesen, das Gott ist, unwandelbar. Ihm kommt ja wahrhaftig das Sein (Wesen), nach dem die Wesenheit ihren Namen hat, im höchsten und wahrhaften Sinne zu.“215
Der Name „Gott“ steht für die ontologische Seinsursache schlechthin,
eine Interpretation des Schöpfergottes, der als Ur-Wesen alles
Ontische – also auch sich selbst –216 umfasst und auf diese Weise
jedem Sein das Wesenhafte vorgibt.217 Die göttliche Wesenheit stellt
sich AUGUSTINUS als unteilbare Form218 dar, der zwar in
214 Vgl. Soliloquia; vgl. auch BORSCHE 1990, S. 112. 215 De trinitate V.2; Änd. u. Ausl. v. G.v.S.; übertragen von Michael SCHMAUS. 216 Vgl. BERLINGER 1962, S. 234. 217 Vgl. Dazu auch PLOTINs Lehre vom Ur-Einen. (Vgl. VORLÄNDER 1949, S. 257ff.)
Laut FLASCH bezieht sich nämlich AUGUSTINUS nicht nur auf PLATON, sondern auch
auf PLOTIN (*204, †270). (Vgl. FLASCH 1994, S. 12, S. 16) 218 Vgl. Sermo CXVII.2.
64
Erkenntnisversuchen durch den Menschen verschiedene Attribute
zugeschrieben werden, welche aber im Sein Gottes in eins fallen:219
„Von Gott machen wir zwar vielerlei Aussagen, um auszudrücken, daß er groß, gut, weise, selig, wahr ist und was Er nur immer in nicht unwürdiger Weise genannt werden darf. Doch dasselbe ist Seine Größe wie Seine Weisheit. [...] Ebenso ist Seine Weisheit und Größe dasselbe wie Seine Güte, und seine Wahrheit ist dasselbe wie alle diese Eigenschaften. Für Ihn ist selig sein, groß sein, weise sein, wahr sein, gut sein und überhaupt sein ein und dasselbe.“220
Eine solche zugleich erkenntnistheoretische und ontologische
Ausrichtung auf Gott verheißt Glück; Glückseligkeit und Weisheit
sind von AUGUSTINUS zusammen gedacht.221 Da Gott für ihn die
Wahrheit ist,222 ist weise, wer Gott als wesenhaft wahr und damit
Ursprung aller Wahrheit erkannt hat.223 Sofern Weisheit auch als
göttlich gedacht ist, geht mit der Erkenntnis der Wahrheit Gottes, die
schon deshalb weise zu nennen ist, weil Wahrheit nicht fälschlich
anders verortet wird, Weisheit einher. Wer Gott erkannt hat, ist
zugleich glückselig. Die Art, in welcher der Mensch Gott erkennen
kann, um glückselig zu werden, ist eine seelische.224 Insofern Gott, die
Wahrheit, ewig ist und die Seele in ihrem Streben nach Wahrheit an
dieselbe gebunden ist, kommt auch der Seele Ewigkeit zu.225 Das
bedeutet, Glückseligkeit ist mit der Erkenntnis Gottes Aufgabe für das
diesseitige Leben und voraussetzender Ausblick auf ein ewiges. Die
Erkenntnis des diesseitigen Lebens ist allerdings eine Form der
219 Vgl. BOROS 1982, S. 65. 220 De trinitate VI.7; Ausl. v. G.v.S. 221 Vgl. HELMER 1997, S.31; PERL 1954, S. 9 sowie MÜLLER 1954, S. 17. 222 Vgl. MÜLLER 1954, S. 21. 223 Vgl. MÜLLER 1954, S. 17. 224 Vgl. MÜLLER 1954, S. 18. 225 Vgl. MÜLLER 1954, S. 27.
65
Erkenntnis, welche die Differenz zwischen Mensch und Gott nicht
aufhebt. Gott ist in dreierlei Hinsicht zu erkennen: „daß er ist, daß er
erkannt wird, daß er das übrige erkannt werden lässt – quod est, quod
intelligitur, et quod cetera facit intelligi.“226 Das zu Erkennende ist
vorgegeben, der Mensch wird belehrt, er hört, wozu er zu erkennen
prädestiniert ist. Damit bleibt er auf Gott, den Grund, Geber und
Inhalt seiner Erkenntnis bezogen. Erkenntnisversuche des Menschen
können nur Akte begrenzter Qualität sein, da sie sich auf ein Faktum
richten, zu dessen Wesen es gehört, Vorausgesetztes und
Voraussetzendes zu sein. Es gibt allen ihm zugedachten Geschöpfen
und Schöpfungen ihre Wesensbestimmungen vor. Damit kann die
menschliche Erkenntnis für AUGUSTINUS niemals voraussetzungslos
sein. Zwischen Gott und Mensch bleibt immer ein qualitativ
differentes Ableitungsverhältnis bestehen, selbst, wenn der Mensch
erkennt.227 Eine Aufhebung dieser Differenz ist die Hoffnung der
Seele, die, abgeleitet vom voraussetzenden Wesen, die Erkenntnis
ihrer Voraussetzung sucht.228 Es ist dies eine Hoffnung auf jenseitige
erkennende,229 an Gott teilhabende „Wesensschau“230, die im Diesseits
unerreichbar ist. In der erkenntnisbezogenen Verbindung von
Diesseits und Jenseits ist Erkennen von Glauben nicht zu trennen,231
was der Sentenz Credo ut intelligam232 zu entnehmen ist. AUGUSTINUS
226 Soliloquium I.15; Änd. v. G.v.S. Übertragung von Hanspeter MÜLLER. 227 Vgl. auch WOHLFAHRT 1969, S. 77 f. 228 Vgl. WOHLFAHRT 1969, S. 78. 229 HESSE 1931, S. 229ff. 230 HESSE 1931, S. 223. 231 Vgl. BORSCHE 1990, S. 113. 232 Der Satz geht eigentlich auf ANSELM VON CANTERBURY zurück, der sich mit ihr in
seiner Schrift Proslogion aber auf AUGUSTINs 120. Brief bezieht. (Vgl. SÖHNGEN 1959, Sp.
89ff.) ANSELM schreibt:
„Non tento, Domine, penetrare altitudinem tuam, quia nullatenus comparo illi intellectum meum; sed desidero aliquatenus intelligere veritatem tuam, quam credit et amat cor meum. Neque enim quaero intelligere ut credam, sed credo ut intelligam. Nam et hoc credo: quia nisi
66
sieht die Seele als mit beiden Vermögen ausgestattet – Glaube und
Intelligibilität –233
„cum etiam credere non possemus, nisi rationales animas haberemus. – da wir auch nicht glauben könnten, wenn wir keine vernünftigen Seelen hätten“234.
Und beide werden als einander voraussetzend gedacht:
„Si igitur rationabile est ut ad magna quaedam, quae capi nondum possunt, fides praecedat rationem, procul dubio quantulacumque ratio quae hoc persuadet, etiam ipsa antecedit fidem. – Wenn es also vernünftig ist, dass in Bezug auf gewisse große [Dinge], die noch nicht begriffen werden können der Glaube dem Denken vorausgeht, geht ohne Zweifel die noch so kleine Vernunft, die hiervon überzeugt, auch selbst dem Glauben voraus.“235
Die Seele erhält ihre wesensnotwendigen Vorgaben von Gott. Die
hier reflektierten Wesensvorgaben, zu glauben und zu erkennen,
richten die Seele auf ihre Ursache aus. Da Gott ontologisch
einschließt, was er vorgibt, sind beide Aspekte seines Seins in der
Seele abgebildet. Der Glaube wirkt prädominant, wo die Erkenntnis
fehlt; mangelt es an Glauben, greift der seelische Erkenntniswunsch.
Insofern intelligible Erkenntnis aber ein Maß an wesensteilhabender
credidero, non intelligam. – Ich versuche nicht, Herr, Deine Tiefe zu durchdringen, denn auf keine Weise stelle ich ihr meinen Verstand gleich; aber mich verlangt, Deine Wahrheit einigermaßen einzusehen, die mein Herz glaubt und liebt. Ich suche ja auch nicht einzusehen, um zu glauben, sondern ich glaube, um einzusehen. Denn auch das glaube ich: ‚wenn ich nicht glaube, werde ich nicht einsehen.‘“ (Proslogion 1)
Somit stellt er ein einseitiges Abhängigkeitsverhältnis dar, nach welchem die Erkenntnis
vom Glauben hergeleitet wird. Betont wird auf diese Weise zum einen das Unvermögen
des menschlichen Verstandes, der zum anderen selbstverständlich eine Prädominanz des
Glaubens gegenübergestellt ist. AUGUSTINUS geht demgegenüber von einem
wechselseitigen Bedingungsgefüge aus Erkenntnis und Glauben aus. 233 Vgl. auch GEERLINGS 1999, S. 35ff. 234 Epistola CXX.3. Eigene Übersetzung. 235 Epistola CXX.3. Eigene Übersetzung.
67
Identität mit Gott erforderte, die menschlicher Defizienz gegenüber
dem voraussetzenden Schöpfer widerspricht, wohingegen es zum
notwendigen Prädikat des Glaubens gehört, sich dem Höheren
unterordnend anzuvertrauen, soll der Mensch, solange er nicht
erkannt hat, glauben.236 Wer die Glaubensprämisse anerkennt, hat mit
„noch so kleiner Vernunft“ erkannt, dass die Erkenntnis „großer
Dinge“ über den Weg des Glaubens führt. Auf dem Weg zur
Erkenntnis ist der Glaube die Form des Zugangs zur und der
Auseinandersetzung mit Welt, die Wahrheit verheißt.237.
Gegenstand von Erkenntnissen sind zunächst res, Dinge oder
auch Sachen.238 Dinge erhalten von der Ontologie Gottes ihre
Wesensmerkmale im Sinne prädikativer Vorgaben. Das heißt Gott ist
als allumfassendes Ur-Wesen, bedingende Ursache für jegliches Sein.
Er weist jedem Einzelding die je eigenen Eigenschaften als
Wesensmerkmale zu. Diese konkreten Wesensmerkmale eines Dinges
sind Abglanz der vollkommenen göttlichen Wesenhaftigkeit und als
solche defizient. Die Dinge sind durch Gottes Schöpfer-Wort, verbum,
geschaffen.239 Es hat analog zum ontologischen Aspekt Gottes auf der
Sachebene den Charakter eines idealen Wortes, das konkreten Worten
die ihnen entsprechenden Prädikate vorgibt, Sprache schlechthin
prägt. Ebenso wie das konkrete Ding ist das konkrete, prädestinierte
Wort im Vergleich zum prädestinierenden Idealwort defizient. Das
ontologische Wort ist aber im Sinne von gelauteter Sprache nicht
sprachlich,240 denn eine Anrede, die AUGUSTINUS für Gott wählt,
lautet: „Du, der Du erhaben thronest in Schweigen, der allein große 236 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro XIII.41, S. 110f. 237 Vgl. WOHLFAHRT 1969, S. 78. 238 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro IX.28, S. 82ff. sowie Confessiones XIII.20.27. 239 Vgl. Confessiones XIII.20.27. 240 Vgl. MOJSISCH 1998a, S. 135.
68
Gott – habitans in excelsis in silentio, deus solus magnus“241. Die in einer so
beschriebenen Sprachlichkeit schweigend geschaffenen Dinge sind
insofern – selbst schweigend – Abbild „stummer Sprachlichkeit“242:
„Exceptis enim propheticis vocibus, mundus ipse ordinatissima sua mutabilitate et mobilitate et visibilium omnium pulcherrima specie quodammodo tacitus et factum se esse, et nonnisi a Deo ineffabiliter atque invisibiliter magno et ineffabiliter atque invisibiliter pulchro fieri se potuisse proclamat. – Denn auch abgesehen von den Prophetenstimmen verkündet die Welt selber, obschon stillschweigend, durch ihre wohl geordnete Wandelbarkeit und Veränderlichkeit und die wundervolle Formschönheit alles Sichtbaren, sowohl daß sie geschaffen ist als auch, daß nur der unsagbar und unfaßlich große, der unsagbar und unfaßlich schöne Gott sie geschaffen haben kann“243
Und „schweigend ist der Blick Gottes in den Dingen“244. Erkenntnis
von Sachen bedeutet Annäherung an Gott, der Wahrheit, veritas, und
Weisheit, sapientia, ist.245 Sachen sind demzufolge auch Abbild
göttlicher Wahrheit und Weisheit. Sie zu erkennen heißt, an Wahrheit
und Weisheit zu partizipieren, was einer Teilhabe am „beredten
Sch[weigen]“246 entspricht.
Die Suche nach Erkenntnis verweist auf der Seite des
Menschen auf sein Inneres,247 oder auch auf „die in Abgeschiedenheit
vernünftige Seele – rationalis anima secretis“248. Hier ist der Ort, den
241 Confessiones I.18.29; übersetzt von Joseph BERNHART. 242 Vgl. De civitate Dei XI.4. WOHLFAHRT/KREUZER 1992, Sp. 1484. 243 De civitate Dei XI.4; übertragen von Wilhelm THIMME. 244 WOHLFAHRT/KREUZER 1992, Sp. 1484; Änd. v. G.v.S. 245 Vgl. De trinitate VII.2. 246 WOHLFAHRT/KREUZER 1992, Sp. 1484; Zus. v. G.v.S. 247 Vgl. De vera religione zitiert nach BÜTOW 2001, S. 9. 248 AUGUSTINUS: De magistro I.2, S. 8f. eigene Übersetzung, vgl. auch die Übersetzung von
Burkhard MOJSISCH.
69
Christus bewohnt.249 Er ist für AUGUSTINUS „der höchste Lehrer –
summus magister“250 sowie „innere Wahrheit – interior[...] [...] verit[as]“251.
Er verweist auf die Wesenheit Gottes, die Wahrheit und Weisheit
einschließt,252 denn Gott und Christus sind nach AUGUSTINUS eins
und doch verschieden.253 Einander gleich sind sie, da beide ihm als
wesenhaft göttlich gelten, als voraussetzende Einheit vorausgesetzt
werden.254 Verschieden sind sie aber, weil Gott Voraussetzender für
Christus ist. Beide sind göttlich, dennoch ist der eine ontologischer
Vater des andern.255 Das göttliche Wort war als nicht sprachlich
beschrieben worden. Es ist schweigend,256 hat die Wirkmacht zu
zeugen257 und zu schöpfen,258 ist mit Gott „gleichewig“259. Das
gezeugte, menschgewordene260 Wort, Christus, ist ein „Ihm gleiches
Wort, durch welches Er immer und unwandelbar Sich Selbst
ausspricht – Verbo aequali sibi, quo semper atque incommutabiliter dicit se
ipsum“261. Aber, insofern Schweigen eine Sprachlichkeit bezeichnet, die
– selbst nicht tönend – konkreter Sprache ihre Prädikate vorgibt, und
zwar dadurch, dass erstere alles umfasst, was letzterer
wesensnotwendig zugehört,262 sind göttliches Wort und das Wort, das
249 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro XI.38, S. 102f. 250 AUGUSTINUS: De magistro I.2, S. 10f. 251 AUGUSTINUS: De magistro XI.38, S. 102f.; Ausl. v. G.v.S. 252 Vgl. De trinitate VI.7 sowie De magistro XI.38, S. 102f. 253 Vgl. De trinitate VII, sowie GEERLINGS 1999, S. 42. 254 Vgl. De trinitate VII.2. 255 Vgl. De trinitate VII.2. 256 Vgl. WOHLFAHRT/KREUZER 1992, Sp. 1484. 257 Vgl. De trinitate VII.1. 258 Vgl. Confessiones X.6.9. 259 Confessiones XI.7.9. 260 Vgl. De trinitate VII.3. 261 De trinitate VII.1. 262 Vgl. WOHLFAHRT/KREUZER 1992, Sp. 1484.
70
Christus ist, nicht identisch. Das beredte Schweigen des göttlichen
Wortes ist der Grund für das Christus-Wort. Das ist die
AUGUSTINische Art, in Analogien zu argumentieren und zu denken,
was hier auf die sprachliche Ebene der Gottesvorstellung bezogen
wird.263 Allerdings geht die Argumentation nicht auf Gleichheit der
Ausprägung, sondern auf die substantielle Ableitbarkeit: „Bei allem
Wechsel der Erscheinungen beharrt die Substanz.“264 Unabhängig von
der erscheinungsbezogenen Differenz zwischen nicht-lautlichem
Gottes-Wort und gelautetem Christus-Wort sind beide wesensmäßig
gleich. Wie das Positiv eines Negatives verweist Christus, das Wort,
auf Gottes schweigende Sprachlichkeit. Christus ist deren Abbild.265
Da Christus nun eines Wesens mit Gott, zugleich aber dessen
menschlich-sprachliches Abbild ist, fallen in ihm Schweigen und
gelautete Sprache zusammen. Sie tun dies in einer solchen Weise, dass
Christus die göttliche Weisheit266 bzw. Wahrheit, die er selbst ist, so
versprachlicht, dass er für die Menschen, zu denen er auch zu zählen
ist, deren Lehrer wird. Seine Sprache ist nämlich zur menschlichen
analog in der Erscheinungsform. Beide sind gelautet. Bezogen auf die
menschliche Sprache gibt ihr das schweigende verbum Form und
Ausprägung vor. Umgekehrt verweist die Sprache des Menschen auf
das Schweigen Gottes und mit ihm auf die Wesensvorgaben für die
Sprache selbst.267 Diese Wesensvorgaben sind dem Menschen auf der
Grundlage der eigenen Sprache nicht an sich verständlich. In Christus
teilt sich Gott dem Menschen mit, indem Christus innerhalb der Seele
die ontologischen Wesensnotwendigkeiten in verständlicher Weise
versprachlicht. Das ist in AUGUSTINischem Sinne die Mittlerfunktion, 263 Zum Begriff „Analogie“ bei AUGUSTINUS: Vgl. SCHINDLER 1965, dort z.B. S. 219. 264 KrV 224, S. 162. 265 Vgl. De trinitate VII.1. 266 Vgl. De trinitate VII.1. 267 Vgl. WOHLFAHRT/KREUZER 1992, Sp. 1484.
71
die Christus zwischen Gott und Mensch einnimmt. Der menschlichen
Sprache wird das Attribut „zeitlich“268 zugewiesen. Es verweist im
Kontrast zu gleichewig auf ihre Begrenztheit. Die schweigende
Sprachlichkeit Gottes ist identisch mit dessen unbegrenzter
Vollkommenheit. Die menschliche Sprache ist wie Christus, das Wort,
gelautetes Abbild göttlicher Sprachlichkeit, allerdings ohne die
Wesensgleichheit, die Christus mit Gott verbindet, weil der Mensch
geschaffen, nicht gezeugt ist. Das lässt auf eine „Defizienz“269
menschlicher Sprache schließen,270 die ihrerseits auf die
Mangelhaftigkeit menschlicher Rationalität verweist.271
1.2.2 De magistro – Der AUGUSTINische Dialog Über den Lehrer
Trotz der Defizienz menschlicher Sprache – oder gerade wegen dieser
– wählt AUGUSTINUS für De magistro272 einen sprachphilosophischen
Zugriff. Er diskutiert mit seinem Sohn Adeodatus273 den
268 Vgl. Confessiones XI.6.8 f. 269 MOJSISCH 1998a, S. 134. 270 Vgl. WOHLFAHRT 1969, S. 78. 271 Vgl. dazu HESSE 1931, S. 59. 272 Die Forschung belegt die Datierung uneinheitlich: 389 bzw. 390 v.Chr. (Vgl. FLASCH
1994, S. 13, S. 121, S. 468 bzw. HENNIGFELD 1993, S. 133) 273 Insofern die Entstehungszeit des Dialogs mit dem Tod des Sohnes zusammenfällt,
wird die Schrift als „Denkmal für den hochbegabten Sohn“ (HENNIGFELD 1993, S. 133;
vgl. auch HELMER 1997, S. 32) beurteilt. Adeodatus kommt innerhalb des Gespräches im
allgemeinen die Aufgabe zu, die Fragen des Vaters im Sinne „geläufige[r]
Lehrmeinungen“ (BORSCHE 1986, S. 124, vgl. auch HENNIGFELD 1993, S. 134) zu
beantworten, welche dieser zu widerlegen sucht. MOJSISCH nennt das „die dialektische
Methode“(MOJSISCH 1998b, S. 143; vgl. dazu insges. MOJSISCH 1998b, S. 143 f.), die als
Anknüpfung an die Dialoge PLATONs zu lesen ist. Zuweilen ist es aber auch Aufgabe des
Sohnes, das Erörterte zu rekapitulieren (vgl. AUGUSTINUS: De magistro VII.19f., S. 56ff.
72
Zusammenhang von Sprechen und Lehren;274 die pädagogische
Aufgabe wird für die Sprache als ihrem Wesen entsprechend
angenommen und untersucht. Da sich in der Sprache, als Abbild der
stummen Sprachlichkeit Gottes, das durch sie gebrochene Schweigen
und mit ihm göttliche Weisheit und Wahrheit mitteilt,275 bietet sich
eine Argumentation ex negativo dar, die vom Mangelhaften276
ausgehend auf das Vollkommene verweist. Die Beschäftigung mit
Sprache ist nicht Selbstzweck. Sprache kommt Bedeutung zu, sofern
ihr Zeichencharakter zugewiesen wird. Es handelt sich also um eine
semiotische Herangehensweise. Wörter bezeichnen Sachen; sie sind
deren Zeichen und verweisen auf diese.277 Sachen bezeichnen die
ihnen zugrundeliegende göttliche Weisheit und Wahrheit im
Schweigen.278 Folglich verheißt eine Untersuchung des Bezeichnenden
eine Annäherung an das Bezeichnete, also eine Analyse von Sprache
Annäherung an Sachen,279 die es zu erkennen gilt, und mit ihnen
Annäherung an Gott.
Sprachphilosophisch betrachtet sind res, die zu erkennen
gesucht werden, zunächst bezeichenbar.280 Bezeichenbar ist, was
durch Zeichen bezeichnet werden kann, aber selbst kein Zeichen ist.281
Der Begriff Zeichen, verweist auf jedes Bezeichnende, durch welches
und MOJSISCH 1998a, S. 135) oder AUGUSTINUS zu bestätigen (vgl. AUGUSTINUS: De
magistro XIV.46, S. 118f.). 274 Vgl. HENNIGFELD 1993, S. 133. 275 Vgl. WOHLFAHRT/KREUZER 1992, Sp. 1484; Zus. v. G.v.S. 276 Vgl. MOJSISCH 1998a, S. 134. 277 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro I.2f., S. 8ff. 278 Vgl. Confessiones I.18.29. 279 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro II.4, S. 16f. 280 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro VIII.22, S. 66f. 281 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro IV.8, S. 26f.
73
jedes Bezeichnete bezeichnet wird,282 also „alles, was etwas bezeichnet
– universaliter omnia, quae significant aliquid“283. Im Umkehrschluß gilt:
„was nicht etwas bezeichnet, [kann] kein Zeichen sein – quae non
aliquid significent, signa esse non posse“.284 Es handelt sich um einen weiten
Begriff, der neben Sprache etwa auch Gebärden von Gehörlosen
sowie Gesten von Schauspielern mit einschließt. Sprechen heißt die
Tätigkeit, die durch Verwendung von Zeichen Sachen bezeichnet.285
Somit ist die Tätigkeit des Sprechens, loqui, und nicht die Sprache,
lingua, Gegenstand der sprachphilosophischen Überlegungen, die auf
ihre Funktion hinsichtlich der Erkenntnis von Wahrheit hin
untersucht wird.286 Es ist die einzige Tätigkeit, die durch ihre
Ausübung selbstreferentiell, gleichzeitig aber auch auf andere Zeichen
und Nicht-Zeichen verweist.287 Unterschieden wird beim Sprechen der
Gebrauch von Wörtern und Namen. Sie werden dahingehend
überprüft, ob sie eine Funktion als Zeichen für Sachen haben und ob
diese Zeichenfunktion eine Erkenntnis von Sachen eröffnet. Ein Wort
ist ein Zeichen für solche Zeichen, die „durch Artikulation der
Stimme vorgebracht werden – articulata voce proferuntur“288. Es handelt
282 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro VII.20, S. 60ff. 283 AUGUSTINUS: De magistro IV.9, S. 34f. 284 AUGUSTINUS: De magistro VII.19, S. 58f.; Zus. v. G.v.S. 285 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro IV.7, S. 24ff. 286 Vgl. BORSCHE 1986, S. 124. 287 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro VII.19f., S. 58ff. 288 AUGUSTINUS: De magistro, VII.20, S. 60f. Da innerhalb dieser Arbeit das Verhältnis
von Sprechen und Schweigen wesentlich ist, beschränkt sich die Argumentation auf
gesprochene Wörter. Es sei an dieser Stelle lediglich angemerkt, dass geschriebene Wörter
(visibila; AUGUSTINUS: De magistro IV.8, S. 28f.) bei AUGUSTINUS Zeichen für
gesprochene Wörter sind, die nicht den Gehörsinn, sondern den Gesichtssinn
ansprechen. Diese dringen also vermittels der Augen in die Seele, wohingegen jene über
das Ohr eindringen. (Vgl. AUGUSTINUS: De magistro IV.8, S. 26f.)
74
sich also um ein hörbares Zeichen.289 Wer „Zeichen“ sagt, verwendet
ein Wort; wer „Wort“ sagt, verwendet ein Zeichen. Damit gehören
Wort und Zeichen zur Klasse der sich gegenseitig bezeichnenden
Zeichen, da es sich sowohl um zwei Zeichen als auch um zwei Wörter
handelt. Ein Wort ist ein Zeichen, das entweder sich selbst oder
andere Zeichen bezeichnet, das heißt, Zeichen verweisen entweder auf
dieselben oder andere Zeichen.290 Ein solches Verweisen, das im
Zeichenhaften verbleibt,291 leistet keine Annäherung an Dinge. Ein
Name im Sinne von „Hauptwort“292 ist artikuliertes, also hörbares
Zeichen. Anders als das Wort, welches für andere Zeichen steht,
verweist der Name auf die Sache.293 Er kann sich entweder auf
sichtbare (z.B. Romulus, Rom, Fluss) oder auf erkennbare Sachen
(z.B. Tüchtigkeit) beziehen.294 Das Wahrnehmbare ist dem Bereich
empirischen Wissens zuzuordnen, dem AUGUSTINUS im Sinne von
Scheinwissen misstraut. Solches verheißt nämlich nur scheinbar
Wahrheit. Diese ist aber ausschließlich mittels nichtempirischer,
ontologischer Erkenntnis, die auf das Wesen des Wahrnehmbaren
zielt, tangierbar.295 Verweisen demnach Namen von erkennbaren
Sachen auf deren Erkenntnis?
289 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro IV.8, S. 28f. 290 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro IV.7, S. 24f. 291 Vgl. MOJSISCH 1998b, S. 153. 292 MOJSISCH 1998a, S. 128. 293 Vgl. MOJSISCH 1998a, S. 128. 294 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro IV.8, S. 26ff. sowie MOJSISCH 1998a, S. 128. Da es der
vorliegenden Argumentation auf Erkenntnis ankommt, wird die Wahrnehmung
sichtbarer Sachen in diesem Zusammenhang nicht weiter berücksichtigt. 295 Vgl. MÜLLER 1954, S. 17.
75
1.2.2.1 Semiotik und Erkenntnis
So wenig Zeichen und das durch sie Bezeichenbare identisch sind, gilt
dies für Namen und das durch sie Bezeichnete,296 was bedeutet, dass
auch Namen die Möglichkeit der Erkenntnis von Sachen nicht zu
eröffnen vermögen. Das belegt AUGUSTINUS durch eine
Argumentation, die den attestierten Unterschied zwischen Wort und
Namen wieder aufhebt. Er beruft sich auf M. Tullius CICERO, dessen
Definition eines Satzes ihm als Ausgangspunkt seiner Beweisführung
dient:
„[...] nomine et verbo plenam constare sententiam, quae affirmari negarique possit, quod genus idem Tullius quodam loco pronuntiatum vocat. Et cum verbi tertia persona est, nominativum cum ea casum nominis aiunt esse oportere, et recte aiunt. – [...] daß ein vollständiger Satz, der bejaht und verneint werden kann, aus Hauptwort (‚nomen‘) und Tätigkeitswort (‚verbum‘)[297] besteht;[...] diese Form nennt auch Tullius (Cicero) an einer bestimmten Stelle ‚Aussage‘. Und wenn wenn das Tätigkeitswort die dritte Person besitzt, gehört wie sie sagen der Nominativ des Hauptwortes dazu; und damit haben sie recht.“298
Als Beispiele einer solchen Aussage werden die Sätze „der Mensch
sitzt – homo sedet“ und „das Pferd läuft – equus currit“ genannt. Hier
sind „Mensch“ und „Pferd“ die jeweiligen Namen, „sitzt“ und „läuft“
die Tätigkeitswörter.299 Aus der Gegenüberstellung des Kausalsatzes
„Weil es ein Mensch ist, ist es ein Lebewesen – Quia homo est, animal
est“ mit dem Konditionalsatz „Wenn es ein Mensch ist, ist es ein
Lebewesen – Si homo est, animal est“ ergibt sich aber, dass auch die
296 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro IV.10, S. 34ff.; Änd. v. G.v.S. 297 Notate bene: Es ist zu unterscheiden zwischen begrifflich verbum – Wort und
grammatikalisch verbum – Tätigkeitswort. (Vgl. MOJSISCH 1998b, S. 148) In der Definition
des CICERO ist letzteres gemeint. 298 Insges.: AUGUSTINUS: De magistro V.16, S. 50f.; Ausl., Hervorheb. u. Zus. v. G.v.S. 299 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro V.16, S. 50f.
76
Konjunktionen „weil“ und „wenn“ innerhalb eines Satzes die
Funktion von Namen einnehmen können,
„quod et pronomina his addi possunt et de omnibus dici potest, quod aliquid nominent et nulla earum sit, quae non verbo adjuncto pronuntiatum possit implere – weil ihnen sowohl Pronomina hinzugefügt werden können als auch von allen ausgesagt werden kann, daß sie etwas benennen und es keinen von ihnen gibt, der nicht unter Hinzufügung eines Tätigkeitswortes eine vollständige Aussage zustande bringen könnte.“300
Das wird auf alle übrigen Satzteile übertragen,301 so dass die
Schlußfolgerung lautet: „alle Wörter [... sind] Namen und alle Namen
sind Wörter – omnia verba nomina et omnia nomina verba [sunt]“.302 Auch
(Tätigkeits-)Wort und Namen sind also der Klasse der sich gegenseitig
bezeichnenden Zeichen zugehörig.
Unterschiede bleiben bestehen. Wort und Name stehen in einer
Art Rangfolge,303 innerhalb derer das Wort allgemeiner, der Name
spezieller Natur ist. Die allgemeinste Kategorie bilden die Zeichen. Zu
ihnen gehören Wörter und Namen. Wörter bilden ihrerseits eine
Kategorie, der die Namen zugehören. Im Umkehrschluss gibt es
Zeichen, die keine Wörter sind, und Wörter, die keine Namen sind.
Wörter sind spezielle Zeichen und Namen spezielle Wörter.304
Darüber hinaus unterscheiden sich beide sowohl in ihrer Etymologie
als auch in ihrer Wirkung. Der Begriff „Wort“, ist abzuleiten von
„verberare“, treffen. Wörter treffen das Ohr. „Name“ wird von
„noscere“, erkennen, hergeleitet. Namen befördern Erkenntnis und
300 AUGUSTINUS: De magistro VII.20, S. 62f. 301 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro V.16, S. 48ff. 302 AUGUSTINUS: De magistro VI.17, S. 52f.; Ausl. u. Zus. v. G.v.S. Vgl. auch: VII.20. 303 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro IV.9, S. 32f. 304 Vgl. MOJSISCH 1998b, S. 148.
77
richten sich damit auf den Geist.305 Es handelt sich also bei Wort und
Namen um Zeichen, die in verschiedener Weise auf die Seele306
einwirken. Beide bezeichnen gleich viele, aber nicht dieselben
Sachen.307 Trotz dieser Unterschiede sind Namen bezüglich ihres
Zeichencharakters Wörter.308
1.2.2.2 Semiotische Abbildung im Gebrauch
Dinge haben eine Bedeutung im Sinne eines „sprachfreie[n]
Wesen[s]“309, welches ontologisch auszuweisen ist und das es –
abbildtheoretisch argumentiert – durch ein Wort zu zeigen gilt. Ihre
Wesensbestimmung verweist nach AUGUSTINUS auf Gott, der, selbst
ihre wesenhafte Ursache seiend, der Sache das ihr entsprechende
Wesen vorgibt.310 Das Wesen der Sache ist auf Seiten Gottes seinem
allumfassenden Wesen inhärent. Auf Seiten der Sache liegt es als
Bedeutung unveränderlich, manifest, aber lautlich nicht vernehmbar in
ihr selbst. Ein Wort allein hat keinerlei Funktion ohne Bezug auf die
Sache, genauer auf ihr Wesen, als deren Bedeutungsträger es fungiert.
Durch die Bezeichnungsfunktion sind Wörter an den Zweck der
Bezeichnung gebunden. Grundsätzlich wird allem, was an einen
Zweck gebunden ist, ein niedrigerer Rang zugesprochen als der Sache,
der dieser Zweck dient. Ihre Erkenntnis ist wesentlich; sie ist der
prädominante Zweck, dem das Zeichen unterzuordnen ist.311
305 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro V.13, S. 40f. 306 Der Gebrauch sprachlicher Zeichen ist MOJSISCH zufolge „Funktion der Seele
(anima)“. (MOJSISCH 1998a, S. 126) 307 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro VII.20, S. 62f. 308 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro VI.17, S. 52f. und VII.20, 60ff. 309 MOJSISCH 1998b, S. 152; Änd. v. G.v.S. 310 Vgl. insges. MOJSISCH 1998b, S. 151ff. 311 Vgl. MOJSISCH 1998a, S. 131.
78
„Non enim ob aliud ista cognitio signo, de quo agimus, antelata est, nisi quia illud propter hanc, non haec propter illud esse convincitur. – Denn aus keinem anderen Grunde ist diese Erkenntnis dem Zeichen, über das wir handeln, vorgezogen worden als aus dem, daß erwiesenermaßen das Zeichen um der Erkenntnis, nicht aber die Erkenntnis um des Zeichens willen da ist.“312
So sind Wörter von geringerem Rang als die Sachen, um derentwillen
sie ausgesprochen werden. In gebrauchstheoretischem Sinne ist schon
ihre Verwendung höher einzuschätzen als die Wörter selbst. Wörter
haben den Zweck ihres Gebrauchs, ihr Gebrauch dient dem
Belehren.313 Damit ist das Belehren von höchstem Rang; ihm wird das
Sprechen, dann die Wörter untergeordnet.314 In welchem Verhältnis
stehen nun Belehren und Erkennen zueinander?
Ein sprachliches Zeichen kann nur als Zeichen fungieren,
sofern der Zuhörende weiß, dass es sich um ein Zeichen handelt und
worauf dieses verweist.315 Ist die bezeichnete Sache unbekannt,
vermag ein sprachliches Zeichen nicht darüber zu belehren, was ihre
Bedeutung ist. Der entsprechende Name kann in einem solchen Falle
nur im Sinne einer Vokabel auswendig gelernt werden. Der Begriff
vocabulum steht für den bloßen Klang, das Geräusch, das zu
vernehmen ist, wenn man ein Wort hört, dessen Bedeutung man nicht
kennt.316 Eine Vokabel ist demnach kein Zeichen. Ist die bezeichnete
Sache hingegen bereits bekannt, braucht der Zuhörende sprachlich gar
nicht mehr über sie belehrt zu werden. Diese Argumentation ist eine
Kombination aus Abbild- und Gebrauchstheorie. Die Abbildung des
Wesens einer Sache trifft nur, wenn das Abbildverhältnis im Sinne
312 AUGUSTINUS: De magistro IX.26, S. 78f.; Änd. v. G.v.S. 313 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro I.1 und IX.25, S. 78f. 314 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro IX.26, S. 78f. 315 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro X.33, S. 94f. 316 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro X.33, S. 94ff. und XI.36, S. 98f.
79
einer Gebrauchskonvention bekannt ist. Beides setzt die Erkenntnis
der Sache voraus. Sie ist schon dem Begreifen des Wortes in seiner
Zeichenfunktion vorangestellt:
„potius enim, ut dixi, vim verbi, id est significationem, quae latet in sono, re ipsa, quae significatur, cognita discimus, quam illam tali significatione percipimus. – Denn wir lernen [...] den Gehalt eines Wortes, d.h. seine im Klang verborgen liegende Bezeichnungsfunktion, eher durch Erkenntnis der Sache, die bezeichnet wird, als solcher denn dadurch, daß wir durch eine derartige Bezeichnungsfunktion die Sache erfassen.“317
Entweder, es ist bekannt, welcher Sache Zeichen ein Wort ist, dann
dient die Verwendung des Wortes dazu, an die bekannte, bezeichnete
Sache zu erinnern, oder es ist nicht bekannt, worauf es verweist, so
dass sein Gebrauch, bezogen auf die Erkenntnis der bezeichneten
Sache, Aufforderungscharakter hat.318 Gleiches gilt für Namen, die
dadurch, dass Wort und Name der Klasse der sich gegenseitig
bezeichnenden Zeichen angehören, ebenso wenig die Erkenntnis von
Dingen zu eröffnen vermögen. Da alle bisher verfolgten semiotischen
Überlegungen lediglich zu der Einsicht führen, dass sprachliche
Zeichen ausschließlich an die Erkenntnis der transzendentalen
göttlichen Wesenheit in ihren dinglichen Ausprägungen erinnert oder
dazu auffordert, muss sie sich außersprachlich ereignen.
1.2.2.3 Semiotische Defizienz
Wahrheit und damit Gott ist das Maß, an dem AUGUSTINUS Sprache
misst.319 Sie erweist sich unter Anführung verschiedener Beispiele
nicht nur – wie bereits dargelegt – in Bezug auf ihre abbildenden
Zeichen, sondern auch im Hinblick auf deren Gebrauch als defizitär. 317 AUGUSTINUS: De magistro X.34, S. 98f.; Ausl. v. G.v.S. 318 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro XI.36, S. 98f. sowie MOJSISCH 1998b, S. 151. 319 Vgl. BORSCHE 1986, S. 123 f.
80
So erschließt sich etwa einem Zuhörer durch die Worte eines
Sprechers nicht, ob dieser mit Überzeugung spricht. Darüber hinaus
bleibt ungewiss, ob das Ausgesprochene Abbild der Gedanken des
Sprechenden ist.320 An einem solchen abbildlichen Verhältnis von
Gesagtem und Gedachtem kann es bei Lügnern ebenso mangeln, wie
bei einem Abgelenkten. „Lügner“321 verschleiern ihre Gedanken
bewusst durch ihr Sprechen und suchen so bewusst ihre Zuhörer
mittels Sprache zu manipulieren.322 Wer etwas wiederholt, was er
auswendig weiß, also nur aus dem Gedächtnis abzurufen braucht, und
es quasi automatisch aufsagt, ist durch diesen Automatismus geneigt,
das Eingängige zu sprechen, dabei aber anderes zu denken.323 Als
Beispiel wird „wenn wir einen Hymnus singen – cum hymnum
canimus“324 angeführt. Weiter ist es möglich, dass ein Sprechender sich
verspricht und dadurch – wenn auch unbeabsichtigt – etwas anderes
sagt, als er denkt,
„nam hic quoque non earum rerum signa, quas in animo habemus, audiuntur. – denn auch hierbei werden nicht die Zeichen derjenigen Sachen, die uns gedanklich gegenwärtig sind, vernommen.“325
Außerdem können Diskrepanzen zwischen Sprechendem und
Zuhörendem darüber bestehen, wie ein verwendetes Wort zu
verstehen sei, das heißt, ein Wort bezeichnet nach Meinung der
Gesprächspartner Verschiedenes. Definitionen hält AUGUSTINUS in
diesem Zusammenhang für wenig hilfreich, da ein Streit um dieselben
ein Streit um Sprachliches, nicht aber um Erkennbares ist. Ein solcher 320 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro XIII.41, S. 110f. und MOJSISCH 1998a, S. 134. 321 AUGUSTINUS: De magistro XIII.42, S. 110f. 322 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro XIII.42, S. 110f. und MOJSISCH 1998a, S. 134. 323 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro XIII.42, S. 110ff. und MOJSISCH 1998a, S. 134. 324 AUGUSTINUS: De magistro XIII.42, S. 112f. 325 AUGUSTINUS: De magistro XIII.42, S. 112f. Vgl. auch MOJSISCH 1998a, S. 134.
81
Streit ist demnach am Defizitären, nicht am Wahren orientiert.326
Schließlich ruft nachlässiges Zuhören Missverständnisse hervor, die
ebenfalls an sprachlichen Zeichen orientiert, dem Nachdenken über
res hingegen hinderlich sind.327 Mit diesen Fällen sprachlicher
Defizienz328 ist nach AUGUSTINUS belegt, dass durch Sprache nicht
belehrt werden kann. Ein „Zuhörer“ muss „glauben, meinen oder
zweifeln – aut credere aut opinari aut dubitare“, wenn er nicht weiß, ob
das, was man ihm sagt, wahr oder falsch ist, er muss „sich widersetzen
und widersprechen – adversari atque renuere“, sofern er sicher ist, dass
man ihm Falsches sagt, und er muss den Sprechenden „bestätigen –
attestari“, wenn er weiß, dass Wahres gesagt wurde. Aber: „[sie] haben
erwiesenermaßen durch Wörter nichts gelernt – nihil verbis didicisse
convincitur“329. Wörter können lediglich zur Erkenntnis von Dingen
auffordern330 oder an diese erinnern. Ein Zuhörer, der Sachen kennt,
erkennt nämlich durch Wörter, die ihn erinnern, Abbilder der Sachen
in seiner Seele, die er einmal erkannt hat.331 Diese Erkenntnis entzieht
sich der Möglichkeit sprachlicher Ausdrückbarkeit. Sie liegt
schweigend im Innern der Seele, ist ein „inneres Wort“332, das dem
verbum dahingehend gleicht, dass die schweigende Erkenntnis ihrem
gelauteten Ausdruck das Wesen vorgibt. Die sprachliche
Erscheinungsform macht das ausgedrückte Wissen aber eben so
mangelhaft, wie sie es selbst ist. Wird disputiert, geschieht das auf der
Ebene eines Meinungs-, nicht eines Wissensaustausches,333 denn die
326 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro XIII.43, S. 114f. und MOJSISCH 1998a, S. 134. 327 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro XIII.44, S. 114ff. und MOJSISCH 1998a, S. 134. 328 Vgl. MOJSISCH 1998a, S. 134. 329 AUGUSTINUS: De magistro XII.40, S. 108f.; Zus. v. G.v.S. 330 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro XIV.46, S. 118ff. 331 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro XII.39, S. 104f. 332 BERLINGER 1962, S. 216. Vgl. SCHINDLER 1965, S. 97ff. 333 Vgl. HESSE 1931, S. 56.
82
Qualität des Sagbaren geht über die Meinungsaussage nicht hinaus.
Erkenntnis selbst ist aber jenseits von Sprache; vor dem Sprechen
muss das Ausgesprochene bereits erkannt worden sein.334 Das
Erkennen ereignet sich jenseits von Sprache.335
„De universis autem, quae intellegimus, non loquentem, qui personat foris, sed intus ipsi menti praesidentem consulimus veritatem verbis fortasse, ut consulamus, admoniti. – Über alles aber, was wir erkennen, befragen wir nicht einen Sprechenden, der draußen seine Stimme ertönen läßt, sondern die innerlich über den Geist selbst waltende Wahrheit – durch Wörter vielleicht aufgefordert, sie zu befragen.“336
Der, dessen Seele in ihrem Inneren Erkenntnis Christi, das heißt der
Wahrheit, sucht, ist „Schüler der Wahrheit – discipulus veritatis“ und
„Richter des Sprechenden – iudex loquentis“. Seine Seele „wird
erleuchtet“ vom „inneren Licht der Wahrheit“337, dessen Wohnung sie
ist.338 Sie befragt die innere Wahrheit wie ein „Orakel“, welches als
nicht lautlich vernehmbare, also schweigende Sprachlichkeit Gottes,339
die Seele erleuchtend antwortet. Es lehrt Erkenntnis der Wahrheit,
soweit die Seele des Schülers fähig und bereit ist, diese hörend zu
erkennen.340 Der auf diese Weise Sehende kann menschliche Sprache
beurteilen,
„docetur enim non verbis meis, sed ipsis rebus deo intus pandente manifestis – er wird nämlich nicht durch meine Wörter belehrt, sondern
334 Vgl. MOJSISCH 1998b, S. 151. 335 Vgl. MOJSISCH 1998b, S. 146 336 AUGUSTINUS: De magistro XI.38; S. 102f.; Änd. v. G.v.S. 337 Beides: AUGUSTINUS: De magistro XII.40, S. 106f. 338 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro XI.38, S. 102f. 339 Vgl. MOJSISCH 1998a, S. 135. Zum Zusammenhang von innerer Sprachlichkeit und
Erleuchtung vgl. auch WIENBRUCH 1989, S. 73ff. 340 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro XIV.46, S. 118ff.
83
durch die Sachen als solche, die ihm offenkundig sind, weil Gott sie ihm innerlich eröffnet.“341
1.2.3 Logische Erkenntnis im Schweigen
Durch De magistro ist das Bewusstsein der Defizienz von Sprache
gewonnen. AUGUSTINische Sprachtheorie setzt das Sprechen in Bezug
zum Transzendentalen, genauer zum Wesenhaften und Wahren alles
Erkennbaren. Der abbildtheoretische Zusammenhang zwischen
sprachlichen Zeichen und Dingen ist als nicht existent entlarvt. Er
kann zumindest nicht als selbstverständlich gegeben angenommen
werden, sondern muss erkenntnistheoretisch geprüft werden. Eine
solche Erkenntnistheorie bewegt sich außerhalb sprachlicher
Überlegungen. Sie stellt damit jeden, auch jeden pädagogischen
Sprachgebrauch in Frage.342 Der menschliche Lehrer kann durch den
Gebrauch von Sprache nicht zur Erkenntnis führen. Er kann nur
durch die Anleitung zu einem Austausch von Meinungen auffordern
zu erkennen oder an Erkanntes erinnern, denn aufgrund des Mangels
an Verweischarakter auf Wahrheit taugt die konkrete gelautete
Sprache als Medium konkreter Erkenntnis-Lehre nicht. Ein Schüler,
der Erkenntnis sucht, kann allein durch ein Sich-Kehren ins Innere
der Seele, ein Befragen der inneren Wahrheit, versuchen, das
Konzentrat von Sprache herauszulösen. Es ist zwar mit dem Sprechen
gegeben, wenngleich nicht tönend offenbar, sondern schweigend
verborgen.343 Nach AUGUSTINischer Sprachvorstellung fallen
Defizientes und ein transzendentaler schweigender Logos zusammen.
Die Sprache enthält ihre Wesensvorgaben, das logisch Wahre,
schweigend. Der Erkenntnissuchende muss also den bloßen Klang, 341 AUGUSTINUS: De magistro XII.40, S. 106f. 342 Vgl. BORSCHE 1986, S. 123 f. 343 Vgl. WOHLFAHRT/KREUZER 1992, Sp. 1484.
84
das ertönende Geräusch der Vokabel verklingen lassen, um durch
Erleuchtungsgnade das in ihr ruhende Wesentliche, Wahre, Weise
schweigend zu finden und so Gott zu erkennen.
Der Mensch, der Erkenntnis sucht, wird also als äußeres
Zeichen dieser Suche schweigen. Das äußere Schweigen des
Menschen bezeichnet den vernünftigen Geist der Seele in seinem
Innern. Mit dem vernünftigen Geist befragt die vernünftige Seele
logisch den in ihr wohnenden Lehrer, den Logos Christus und
bezeichnet dadurch diesen. Die Befragung durch den vernünftigen
Geist der Seele bezeichnet seine Hoffnung auf Erleuchtung. Christus
ist also das absolut logische Wort. Der vernünftige Geist der Seele ist
Zeichen der logischen Befragung dieses Christus-Wortes und zugleich
Zeichen desselben, also Christus. Das Wort bezeichnet seinerseits als
sprechende innere Wahrheit des Menschen die Weisheit und Wahrheit
Gottes, ist also deren Zeichen. Diese Weisheit und Wahrheit Gottes
ruht gleichewig im Logos des Schweigens. Gott ruht aus der
Perspektive des Menschen deshalb im Schweigen, weil Gottes Wesen
für den Menschen sprachlich nicht zu fassen ist, weil das Sprechen
Gottes schöpfendes Sprechen ist, das allumfassend Schöpfung meint
und schafft. Es umfasst in ontologischem Sinne eine Wesenhaftigkeit,
sich selbst, allen Geschöpfen und aller Schöpfung die jeweils mögliche
Wesensausprägung vorgibt. Das zeigt sich in einem Sprechen, welches
von einem Wissen zeugt, das jenseits menschlicher Potenz liegt.
Daher ist göttliche Sprache in diesem AUGUSTINischen Konzept auch
jenseits menschlicher Lautung.344 Weil die Sprachlichkeit Gottes ein
unaussprechbarer Logos ist, ist sie logisch schweigend als Zeichen für
die gleichewig ruhende Weisheit und Wahrheit. Damit ist das
344 Vgl. insges.: SCHINDLER 1965, S. 87.
85
Schweigen des Menschen, der Erkenntnis sucht, Zeichen für und
Abbild von göttlicher Weisheit und Wahrheit.
Die schweigende Sprachlichkeit Gottes ist als wesenhafte
Voraussetzung für Sprache „endlos zu übersetzen – sine fine dicemus
unum“345. Eine solche Übersetzung findet in zweierlei Hinsicht statt,
nämlich einerseits in Zusammenhang mit der inneren Erleuchtung der
Seele und andererseits bei der Artikulation menschlicher Sprache,
denn trotz eines Wissens um deren Defizienz spricht ja auch
AUGUSTINUS, z.B. in der vorliegenden Schrift. Erleuchtung durch
Christus ereignet sich durch ihn als Wort. Sofern Gottes beredtes
Schweigen durch Christi Wort-Charakter abgebildet ist, steht dem
äußeren Schweigen des Menschen, der Erkenntnis sucht, ein innerer
Logos gegenüber. Christus übersetzt göttliches Schweigen in eine
Sprache, der seine Wesensgleichheit mit Gott inhärent ist. Christus ist
zugleich Mensch und Gott.346 Insofern ist die Sprachlichkeit des
Wortes Christus eine vollkommene göttliche, also andere als die
defiziente menschliche. Sie ist ausgesprochen ebenso logisch wie die
logisch-schweigende Erkenntnissuche des Menschen. Christi Logik ist
für die Seele aber verständlich, sofern diese zusammen mit Christus
menschlich ist. Ihre eigene Sprache kann – als das artikulierte, aber
unvollkommen-menschliche Abbild des Wortes Christi347 – nie
Vollkommenheit erlangen, weil der Mensch, anders als Christus, nicht
göttlich ist. Da der Mensch als äußeres Zeichen seiner
Erkenntnissuche schweigt und der Logos, der ihn erleuchtet, göttlich
ist, kann AUGUSTINUS menschliches Denken als außersprachliches
verstehen. Sehend-erleuchtete unsprachliche Gedanken verweisen auf
345 De trinitate XV.28.51 bzw. WOHLFAHRT/KREUZER 1992, Sp. 1484. 346 Vgl. z. B. Phil. 2.6 ff. 347 Vgl. SCHINDLER 1965, S. 219.
86
Kenntnis, auf Wissen. Fließt eine solche Kenntnis, ein solches Wissen
in die artikulierte menschliche Sprache ein, kann ein Gespräch unter
Sehenden, die sich nicht gegenseitig zu belehren suchen, sondern an
einmal Erkanntes erinnern oder zur Erkenntnis neuer Fragen anregen,
in diesen Hinsichten sinnvoll sein. Über das beredte Schweigen Gottes
kann nur das Christus-Wort den belehren, der – selbst äußerlich
schweigend – logisch Erkenntnis sucht.
87
Logos im Schweigen – Zusammenfassung
Der dieser Arbeit zugrundeliegende Bildungsbegriff ist ein
erkenntnistheoretischer, zugleich ein logischer und ontologischer. Im
bis hierher dargestellten ersten Teil ist Bildung Anleitung zur
Erkenntnissuche. Die Erkenntnissuche ist auf Wahrheit als deren Ziel
ausgerichtet. Sie ist sprachlicher Art, denn Sprache wird im Sinne von
Logos als Weise der Annäherung an Welt verstanden. Sich der Welt
anzunähern bedeutet, sie verstehen zu wollen. Für ein angemessenes
Weltverständnis ist Wahrheit Maß und Richtschnur. Dieses
Grundmuster gilt für PLATONS Dialog Kratylos ebenso wie für De
magistro von AUGUSTINUS. Beiden erweist sich Sprache aber als
mangelhaft, die von ihr erwartete Welterkenntnis zu eröffnen. Sie
leistet keine Eröffnung von Welterkenntnis, weil die Ziel- und
Maßgabe der Wahrheit sich als logisch unerreichbar erweist.
Das verbindet die beiden erörterten Standpunkte. Gleichwohl
sind die Gründe verschieden. PLATON verortet Wahrheit ontologisch
im Ideenhimmel. Er rechnet sie damit einem Ideal zu, das dem
Menschen in seinem diesseitigen Dasein verwehrt bleiben muss. Die
Schau der Ideen und mit ihr die Erkenntnis von Wahrheit wird von
PLATON jenseits des Lebens angenommen, wo der Mensch die Ideen
ewig schauen soll. Welt ist im Sinne von wahrer Welt für den im
Diesseits lebenden Menschen weder erkennbar noch lehrbar.
AUGUSTINUS schreibt Wahrheit der Ontologie Gottes zu. Gottes Sein
wird als unendlich und vollkommen betrachtet; so auch göttliche
Wahrheit. Sie ist dem als endlich und unvollkommen gedachten
Menschen erst in der jenseitigen ewigen anbetenden Schau Gottes
möglich. Erkennen und Lehren ist dem diesseitigen Menschen ebenso
endlich und unvollkommen wie er selbst es in ontologischer Hinsicht
88
ist. Beiden erschließt sich Welt nicht als wahr, PLATON genau so
wenig wie AUGUSTINUS.
Erkenntnissuche und die Versuche einer pädagogischen
Begleitung von Erkenntnissuchenden vollzieht sich in den
besprochenen Schriften sprachlich, in Auseinandersetzung mit
Sprache. PLATON und AUGUSTINUS, der zweite in Anlehnung an den
ersten, wählen die Form des Dialogs für ihre Schrift, führen also
Gespräche vor, deren Gegenstand die Sprache ist. Der PLATONische
Logos-Begriff ist ebenso idealisierend wie seine Auffassung von der
Idee. Die im Kratylos vorgeführten Überlegungen zu Abbildtheorie
und Gebrauchstheorie in der Frage nach sprachlicher Bedeutung
münden in einer dritten Vorstellung, die Flusslehre genannt wird. In
dieser Flusslehre werden beide Theorien verbunden: Ein erster
Gesetzgeber – so die PLATONische Annahme – hat Wortbedeutung
gesetzt, diese erweist sich im Gebrauch. Da der erste Gesetzgeber
aber als menschlich gedacht wird, hatte auch er die notwendige
Wahrheitserkenntnis nicht, die für eine korrekte Abbildung einer
Sache durch ein Wort notwendig wäre. Die Sprache erweist sich als
defizient. Nichtwissen liegt dem Anfang von Sprache zugrunde, somit
können auch theoretische Überlegungen zur Sprache nur nichtwissend
enden. Sie gipfeln im Schweigen. Das Schweigen ist, diesseitig
betrachtet, Resultat des Nichtwissens, zugleich aber der Name für eine
ideale Sprachlichkeit, die der jenseitigen Ideenschau entspricht. Diese
Ideenschau soll sich im wortlosen, schweigenden Gespräch der Seele
mit sich selbst ereignen. Der auf diese Weise Schweigende hat
erkennenden Anteil an Wahrheit.
Kern der AUGUSTINischen Sprach-Theorie ist der Logos
Christus, welchen er summus magister nennt. Christus nimmt eine
Mittlerfunktion ein zwischen dem „Vollkommenheitsgefälle“, das
89
zwischen Schöpfer und Geschöpf, Gott und Mensch besteht. Gott
wird als der Ursprung allen Seins gedeutet, der als Urheber der Welt
auch die Wahrheit der Welt, also das zu Erkennende und die
Erkenntnis inne hat. Das Geschöpf Mensch hat, ontologisch gesehen,
sein Sein sowie die Ausrichtung auf die Wahrheit des Seins der Welt
durch Gott erhalten. Schöpfung und Offenbarung der Schöpfung
ereignen sich in der Sprachlichkeit Gottes. Die menschliche Sprache
ist deren Abbild. Allerdings besteht ein Abbildungsverhältnis wie bei
fotografischem Positiv und Negativ. Gottes Sprache ist nach
AUGUSTINUS vollkommen, aber schweigend. Menschliche Sprache ist
defizient, aber tönend. Somit ist dem Menschen eine Erkenntnis
durch seine Rede verwehrt. Lässt er sich auf eine schweigende
Belehrung durch Erleuchtung ein, vermag er sich Gottes Wahrheit zu
nähern. Summus Magister Christus partizipiert an göttlicher Wahrheit,
da er Gottes Sohn ist. Weil er aber auch Mensch ist, hat er das
Vermögen, den Menschen, der schweigt, verständlich zu belehren. Die
Worte des Illuminierten enthalten das Wahre, weil er belehrt wurde,
enthalten es aber schweigend, da seine Sprache zu unvollkommen ist,
Wahrheit auszudrücken. Er vermag andere bereits von Christus
Belehrte an Erkanntes zu erinnern oder Fragen aufzuwerfen, die zur
Suche nach Erkenntnis anregen. Erst das Jenseitige ewig schweigende
Gespräch der Seele mit dem Logos Gott führt zur Wahrheit.
Mit PLATON kann ein Gebrauch von Sprache gelehrt werden,
der um seine Defizienz weiß. Erkenntnis kann nur für das Jenseits der
Ideen angenommen werden. Diese Erkenntnis wird einem
schweigenden monologisierenden Logos vorbehalten sein.
AUGUSTINUS folgend, ist belehrendes Fragen möglich, das zur
Erkenntnis führen soll. Dieseitiges Lehrer-Ideal ist Christus, der in
seinem besonderen Wort-Charakter Wahrheit zu erklären vermag.
90
Unvermittelte Erkenntnis wird von jenseitig schweigender
Illumination durch Teilhabe am göttlichen Logos erhofft.
91
2. LOGOS IM REDEN
„[...] indessen, daß eines von vielem wahr auszusagen ist, ist notwendig. Denn es würde nichts Allgemeines geben, wenn dies nicht der Fall wäre“ (ARISTOTELES, Zweite Analytiken I.11.77a 5-9, zitiert nach BUCHHEIM 1999; i. Orig. teilw. hervorgeh.; Ausl. v. G.v.S.) „Wie es vom Arzte heißt, er mache gesund, wiewohl er nur von außen wirkt, während innen die Natur allein tätig ist – so sagt man auch, der Mensch lehre die Wahrheit, wiewohl er sich dem anderen nur äußerlich verkündigt, während Gott ihn innerlich belehrt.“ (THOMAS VON AQUIN, Quaestiones disputatae de veritate II, 1 ad 7; zitiert nach PIEPER 1965, S. 80; i. Orig. teilw. hervorgeh.)
92
ARISTOTELES (384-323 v.Chr.)348
348 Abbildung: DELIUS/GATZEMEIER/SERTCAN/WÜNSCHER 2000, S. 15. Daten: Vgl.
ZEMB 2002, S. 157.
93
2.1 „Bei diesen ersten Begriffen bleibt etwas, bis das Unteilbare und das Allgemeine steht“349: REDEN BEI ARISTOTELES
I. Welt zerfallend in Einzeldinge wird empirisch
wahrgenommen.
II. In der Seele findet ontologische und logische Verarbeitung
zwecks Erkenntnisgewinn statt.
II.I Ontologisch wird eine Meinung gebildet, die
kategorial in Substanz und Akzidenz zerfällt.
II.II Logisch wird ein Urteil gebildet, das kategorial in
Subjekt und Prädikat zerfällt.
III. Ontologie und Logik stehen in einem abbild- und
gebrauchstheoretischen Bezug.
IV. In logischer Auseinandersetzung mit dem Ontologischen
wird ein Allgemeines gebildet, welches auf das Absolute
verweist.
V. Die logisch substantielle und universelle Reflexion über das
Ontologische lässt Schlüsse auf Wahrheit und Falschheit
von Meinung bzw. Urteil zu, was Erkenntnis entspricht.
VI. Eine positive Auseinandersetzung mit der Rede macht Sinn,
da sprachliche Erkenntnisfindung möglich ist.
2.1.1 Die ARISTOTELische Schrift Peri hermeneias
Das zweite Kapitel zum Thema Reden nimmt seinen Ausgang von der
Schrift Peri hermeneias350 – Über die Aussage351 des ARISTOTELES, die dem
349 Metaphysik A 1.980a. 350 Der Analyse liegt die deutsche Übersetzung von WEIDEMANN zugrunde.
94
Organon zugerechnet wird.352. ARISTOTELES benennt zuerst den
Gegenstand seiner Erörterung, nämlich Aussagewörter und -sätze
sowie deren Wahrheitsgehalt.353 Er legt eine Anwendung der
Kategorien, die sich auf Begriffe beziehen, auf Aussage und Urteil
vor,354 die sprachtheoretischen Erkenntnisgewinn ermöglicht.355 Die
351 Der Titel, der vermutlich gar nicht auf ARISTOTELES zurückgeht, sondern dem Werk
im Nachhinein zugewiesen wurde (vgl. WEIDEMANN 1994, S. 42), wird auf
unterschiedliche Weise übersetzt. Eine Variante fasst die Schrift als Hermeneutik auf, was
durch die Überschrift der lateinischen Übersetzung durch BOETHIUS, De interpretatione,
nahe liegt. Dem widerspricht GADAMER, welcher Peri hermeneias als eine logische Arbeit
versteht: „Die Aristotelische Schrift Peri hermeneias, ein Teil des Organon, ist gar keine
H[ermeneutik], sondern eine Art logische Grammatik, die die logischen Strukturen des
apophantischen Logos (des Urteils) untersucht und alle anderen Arten des Logos, bei
denen es nicht nur auf das Wahrsein ankommt, ausschließt.“ (GADAMER 1974, Sp.
1061f.) Die Angabe des Themas durch den Autor selbst legt diese Auffassung nahe. (Vgl.
Peri hermeneias 1, 16a 1-3) Daher erscheint die Übersetzung WEIDEMANNs – Über die
Aussage (WEIDEMANN 1994, S. 41) – plausibel. 352 Als Organon sind diejenigen der ARISTOTELischen Werke bezeichnet, die im Mittelalter
bekannt waren. (Vgl. HELMER 1997, S. 58, S. 167ff.) Die Entstehung von Peri hermeneias
liegt als Teil des Organon ungefähr zwischen 367 und 344 v.Chr. (Vgl. SCHMALZRIEDT
1996, S. 697 sowie WEIDEMANN 1994, S. 51ff.) 353 Vgl. Peri hermeneias 1, 16a, S. 3f. Gegen BRAUN 1996, S. 10. 354 Vgl. OEHLER 1984, S. 153. 355 GEYSERS Grundlagenwerk zur ARISTOTELischen Erkenntnistheorie beschränkt sich
auf wissenschaftliche Erkenntnis. (Vgl. GEYSER 1980, S. 44ff.) Der dieser Arbeit
zugrundeliegende Erkenntnisbegriff ist weiter, insofern er auf Vermittlung von
Erkenntnis, Bildung, abzielt. Vgl. dazu die Einleitung und den Schluss dieser Arbeit. –
OEHLER weist auf die traditionelle Abfolge der logischen Schriften – Kategoriai, Peri
hermeneias sowie Analytika (I und II) – hin, die zeigt, dass die Anordnung des Organons
aufeinander aufbauende logische Überlegungen umfasst. Während die Kategorien
Grundlegendes bestimmen, nimmt die Komplexität schrittweise zu. (Vgl. OEHLER 1984,
S. 153) Peri hermeneias wird deshalb in den Fokus der Betrachtungen gerückt, weil hier
Welt als von Aussagen über sie ablesbar erscheint und daher wahre Erkenntnis möglich
ist. Das herauszuarbeiten ist Ziel dieses Kapitels. Die Kategorien sind dort zu befragen, wo
den Ausgangspunkt ARISTOTELischen Denkens zu kennen die Aussagenlogik (Vgl.
BOCHEŃSKI 1978, PRANTL 1955) erhellt. Zur Einordnung der Kategorien ins
95
Kategorienlehre356 greift auf Welt zu, indem sie Seiendes in
wesenhafte Substanzen357 und ihnen hinzukommende Akzidenzien
differenziert. „Ersten Substanzen“ liegt nichts zugrunde, vielmehr
sind sie selbst Zugrundeliegendes für alles Existierende. Der Name
einer Substanz, z.B. „Mensch“, und seine Definition als der Gattung
Lebewesen zugehörige Art sind bereits der Substanz beigelegt,
obgleich das begrifflich durch Name und Definition Festgelegte der
Substanz wesenhaft innewohnt. Die Bezeichnung von Gattung und
Art heißt „zweite Substanzen“,358 die deshalb als den ersten
Substanzen nahe diesen zugerechnet werden, weil sie das einzige
Prädizierte sind, das Erkenntnis des substantiellen Wesens ermöglicht.
Alle weiteren Prädikationen können der Substanz als einem Träger
von Eigenschaften beigelegt werden, gehören ihr aber nicht
wesensnotwendig zu. Es werden hinsichtlich eines Begriffes zehn
Kategorien unterschieden:
„Von dem, was ohne Verbindung geäußert wird, bezeichnet jedes entweder eine Substanz oder ein Quantitatives oder ein Qualitatives oder ein Relatives oder ein Wo oder ein Wann oder ein Liegen oder ein Haben oder ein Tun oder ein Erleiden.“359
ARISTOTELische Organon, v.a. ihr Verhältnis zur Metaphysik vgl. z.B. GILLESPIE 1972
und FRITZ 1972. 356 VOLLRATH geht von einem Bezugsverhältnis von Kategorien, Aussage und
„Vorliegen“, das heißt dem weltlichen Sein, das dem Erkenntnissuchenden begegnet, aus.
(Vgl. VOLLRATH 1969) Er untersucht die Kategorien auf die beiden Analytiken und die
Metaphysik hin. Eine Anwendung auf Peri hermeneias bleibt aus; sie soll mit diesem Kapitel
versucht werden. 357 BRENTANO spricht von einer „letzten Differenz“, die nichts Hinzukommendes mehr
einschließt und allem Übrigen als Verschiedenes gegenübersteht. (Vgl. BRENTANO 1968,
S. 146f.) 358 Vgl. insges. Kategorien 5, 2a, S. 10f. 359 Kategorien 4, 1b, S. 10.
96
Diese werden näher erörtert werden, wo es der Reflexion über
Aussagen dient. Gleiches gilt für die Überlegungen zum der Substanz
Konträren.360
2.1.1.1 Abbildung und Gebrauch
Gesprochene wie auch geschriebene Sprache betrachtet ARISTOTELES
sowohl abbild- als auch gebrauchstheoretisch. Eine Abbildtheorie liegt
dort vor, wo der Sprache Symbolcharakter für Dinge zugeschrieben
wird. Dabei geht es um den Zusammenhang von Wörtern, genauer
um Aussagesätze, ebenso wie um umfassende Äußerungen
sprachlicher Art, die ihm ebenso als Zeichen gelten wie das einzelne
Wort. Geschriebenes steht für Gesprochenes. Dies bildet den
Gedanken ab, der Gedanke das Ding. Ort der gedanklichen
Abbildung, die sich in Sprache abbildet, ist die Seele.361 Dort fallen
Wahrgenommenes und Wahrnehmendes in empirischen
Wahrnehmungen zusammen, ebenso wie mögliche Gegenstände
intelligibler Erkenntnis (nous) und die intelligible Erkenntnis des
substanziellen Subjekts selbst in eins fallen. Anhand des Beispiels vom
Hören wird verdeutlicht, was für das Verhältnis aller
Wahrnehmungsarten zum wahrnehmenden Subjekt gilt: Es ist das
Wesen des Tönenden zu tönen und das Wesen des Gehörs zu hören.
Dennoch sind Tönen und Hören möglich, aber nicht unbedingt
wirklich, denn sie tönen bzw. hören nicht zu jeder Zeit. Wenn aber
der Ton tönt, wird er gehört und wenn das Gehör hört, muss es dafür
einen auslösenden Ton geben. Ton und Gehör sind der Form nach
korrespondierend,362 sie erlangen demnach wechselseitig Wirklichkeit.
Dabei bewirkt der Ton das Hören, ist also „aktiv“ zu nennen,
360 Vgl. Kategorien 5, 3b, S. 13. 361 Vgl. Peri hermeneias 1, 16a, S. 3. 362 Vgl. Peri psyches 4, 429a, S. 73.
97
während der Hörende den Ton „erleidet“ und somit „passiv“ genannt
werden kann. Dennoch ist das Erleiden eine substantielle Fähigkeit
des (z.B. hörenden) Subjekts, ohne die der bewirkende Ton niemals
wirklich werden könnte.
„Wie nämlich das Bewirken und das Erleiden sich in dem Erleidenden vollziehen und nicht im Bewirkenden, so vollzieht sich auch die Wirklichkeit des Wahrnehmbaren und die des Wahrnehmungsfähigen in dem Wahrnehmungsfähigen (Subjekt).“363
Es bedarf des wahrnehmungsfähigen, erleidensbereiten Ortes der
menschlichen Seele, wo wahrnehmbares Ding und
wahrnehmungsfähiges Subjekt im Wahrnehmungsvorgang
Wirklichkeit erlangen. Das Ding wird erst im Wahrnehmungsvorgang
des Subjektes wirkliches Ding; das Subjekt ist nur in der
Wahrnehmung des Dinges wirkliches Subjekt. Da es aber zum Wesen
des Subjektes gehört, wahrzunehmen, bewirkt das substanzielle
Subjekt vermittels der erlittenen Wahrnehmung die empirische Welt,
der die Dinge und es selbst zugehören. Analog zu den
wahrnehmbaren Dingen denkt ARISTOTELES Dinge, welche die
Möglichkeit haben, vernünftig erkennbar zu sein. Diese intelligibel
erkennbaren Dinge korrespondieren mit dem intelligiblen
Erkenntnisvermögen der Subjekt-Seele. Sie bewirken aktiv, erleidend
erkannt zu werden.364 Die Vernunft ist aber nach ARISTOTELES
„abtrennbar“, „leidensunfähig“ und „unvermischt“365, das heißt, sie
hat den Charakter des Prinzipiellen, das die Ursache einer jeden
Erkenntnismöglichkeit ist:
„Da es aber, wie in der ganzen Natur, einerseits Materie gibt für jede Gattung – sie ist das, was alles jenes (zur Gattung
363 Peri psyches 2, 425b, S. 65; Zus. v. WEIDEMANN. 364 Vgl. Peri psyches 4, 429a, S. 73. 365 Insges.: Peri psyches 5, 430a, S. 76.
98
Gehörige) in Möglichkeit ist – andererseits das Ursächliche und Wirkende, dadurch, daß es alles wirkt, wie die Kunst sich zu ihrem Material verhält, müssen auch in der Seele diese Unterschiede vorliegen, und es gibt eine Vernunft von solcher Art, daß sie alles (Intelligible) wird, und eine von solcher, daß sie alles (Intelligible) wirkt/macht, als eine Haltung, wie das Licht; denn in gewisser Weise macht auch das Licht die Farben, die in Möglichkeit sind, zu Farben in Wirklichkeit.“366
Das den Menschen von allen Gattungen unterscheidende
Wesensmerkmal ist die Vernunft. Sie ist die Potenz zur Erkenntnis
ebenso wie sie erst alles Erkennbare zum Erkannten und damit zur
Wirklichkeit schafft.
Das vernünftig Erkannte ist nun in Sprache abgebildet, denn
der substantiellen Seele gehört die Möglichkeit zu „grammatischem
Wissen“367 wesensnotwendig zu. Das heißt, Erkanntes liegt in
sprachlicher Form vor. Wie das sprachliche Abbild zu beurteilen ist,
ob es zutreffend abbildet oder nicht und damit Wahres oder Falsches
gezeigt wird, muss eine Prüfung sprachlicher wie auch ontologischer
Art erweisen.368
Eine Gebrauchstheorie legt ARISTOTELES zugrunde, sofern er
auf eine zweite Voraussetzung von Sprache hinweist. Dieselbe
bezeichnet nicht nur dann etwas, wenn ein Gegenstand oder das über
ihn in der Seele Gedachte korrekt wiedergegeben ist. Bedeutung ist
darüber hinaus an die „Übereinkunft“ gebunden, dass ein
„Nennwort“369 einem bestimmten Etwas zugeordnet ist. Nur sofern
bekannt ist, wofür ein sprachliches Abbild gebraucht wird, kann es im
Rahmen sprachlicher Verständigung über Dinge und Sachverhalte
366 Peri psyches 5, 430a, S. 76; Zus. v. WEIDEMANN. 367 Kategorien 2, 1b, S. 9. 368 Vgl. Peri hermeneias 1, 16a, S. 3f. 369 Beides: Peri hermeneias 2, 16a, S. 4.
99
verwendet werden. Ein Nennwort – so lautet die ARISTOTELische
Definition – mit der eine Reihe von Bestimmungen sprachlicher
Ausdrucks- bzw. Gebrauchsformen begonnen wird, liegt dann vor,
wenn ein sprachliches Zeichen nicht weiter zergliederbar ist, man
darin übereingekommen ist, dass es eine bestimmte Bedeutung trägt,
es keiner temporalen Bestimmung unterliegt, also kein konjugierbares
Verb ist und schließlich, wenn es entweder „wahr“ oder „falsch“ zu
nennen ist.370 Demgegenüber unterliegt ein „Aussagewort“ dem
Tempus und ist zugleich Träger zeitlicher Bedeutung. Gemeint ist die
Unterscheidung zwischen onoma371 und rhema372, hier Substantiv und
allen ihm prädikativ zuzuordnenbaren Wortarten, z.B. Verben:
„Wenn ich sage, daß es die Zeit mit hinzubedeutet, so meine ich damit, daß z.B. ‚Gesundheit‘ ein Nennwort, ‚gesundet‘ hingegen ein Aussagewort ist; denn es bedeutet mit hinzu, daß (das, wofür es Zeichen ist, etwas anderem) jetzt zukommt. Und daß es stets [...] ein Zeichen für etwas von etwas anderem Gesagtes ist, heißt, daß es stets für etwas, das von einem zugrundeliegenden Gegenstand gesagt wird, (oder (für etwas, von dem gesagt wird, daß es) in einem zugrundeliegenden Gegenstand ist,) ein Zeichen ist.“373
Das Nennwort hat in diesem Zusammenhang den Platz der Substanz
inne, das prädikativ Ausgesagte kommt akzidentell hinzu.
onoma/Nennwort kommt Sein zu, rhema/Aussagewort kommt kein
Sein zu.374 Aussagewörter sind dabei nur die Präsensformen, alle
übrigen Zeiten gelten als „(temporale) Abwandlung eines
Aussagewortes“375. Mit dem Terminus „Wortgefüge“ ist zunächst
allgemein ein Satz bezeichnet, dessen kleinstmögliche Form aus einem
370 Vgl. Peri hermeneias 2, 16a, S. 4. 371 Vgl. JANSEN 2002a, S. 315f. 372 Vgl. JANSEN 2002b, S. 388f. 373 Peri hermeneias 3, 16b, S. 5; Zus. v. WEIDEMANN. 374 Vgl. Peri hermeneias 3, 16b, S. 5. 375 Peri hermeneias 3, 16b, S. 5.
100
Nennwort und einem Aussagewort bestehen muss, und zwar als
Substanz, über die etwas Akzidentelles ausgesagt wird. Das
Wortgefüge fungiert dann als Behauptungssatz, wenn mittels des
Wortgefüges entweder eine wahre oder eine falsche Äußerung
gemacht wird.376 Der Behauptungssatz wird im Folgenden genauer
untersucht.
Behauptet wird zunächst durch eine mündliche Äußerung, die
– in einer der möglichen Tempora – einen Gedanken zu einer Sache
aus- und ihr dabei akzidentelle Eigenschaften zuspricht.377 Eine erste
Differenzierung hinsichtlich des Behauptungssatzes nimmt
ARISTOTELES mit den Akzidenzien Einheit oder Vielheit vor: Ein
Behauptungssatz heißt dann „einheitlich“, wenn er eine einheitliche
Sache abbildet oder die sprachliche Verknüpfung durch ihn selbst eine
Einheit herstellt. Wird hingegen vieles bezeichnet und auch nicht
durch den Satz vereinheitlicht, liegt kein einheitlicher Behauptungssatz
vor. Ein „bejahender“ Behauptungssatz wird ferner von einem
„verneinenden“ unterschieden. Die Bejahung weist einem Gegenstand
akzidentelle Bestimmungen zu, die Verneinung negiert die
Zugehörigkeit von Akzidenzien zu ihm:
„Behaupten kann man nun aber sowohl von dem, was (einer Sache) zukommt, daß es (ihr) nicht zukommt, als auch von dem, was (einer Sache) nicht zukommt, daß es ihr zukommt, sowie von dem, was (einer Sache) zukommt, daß es (ihr) zukommt, und von dem, was (einer Sache) nicht zukommt, daß es (ihr) nicht zukommt, und ebenso auch, was die Zeiten außerhalb der Gegenwart anbetrifft.“378
Auf logischer Ebene sind eben diese Fälle möglich, unabhängig
davon, was auf der Seinsebene an Wahrheit oder Falschheit der Sache
376 Vgl. Peri hermeneias 4, 16b, S. 6. 377 Vgl. Peri hermeneias 5, 17a, S. 7. 378 Peri hermeneias 6, 17a, S. 7; Zus. v. WEIDEMANN.
101
zukommt. Damit ist auf die Unterscheidung von logischer und
ontologischer Wahrheit angespielt, wie ARISTOTELES in der Metaphysik
differenziert. Man kann von einer Aussagenlogik, die innerhalb der
Sätze untersucht wird, ausgehen, deren Grundlage aber eine
Untersuchung von Sein, einer durch sie bezeichneten Substanz und
dem ihr Beigelegten ist. Sie zielt auf ontologische Wahrheit ab, welche
das Fundament für logische Wahrheit ist, denn:
„Nicht darum nämlich, weil unser Urteil, du seiest weiß, wahr ist, bist du weiß, sondern darum, weil du weiß bist, sagen wir die Wahrheit, indem wir dies behaupten.“379
ARISTOTELES verbleibt allerdings in Peri hermeneias zunächst im Feld
logischer Möglichkeiten und benennt zwei einander widersprechende
Aussagen – eine Bejahung, der eine Verneinung „entgegengesetzt“ ist
– als „Kontradiktion“ bzw. „kontradiktorisches Aussagenpaar“380.
2.1.2 Logische und ontologische Wahrheit
Der durch das Nennwort bezeichnete Gegenstand kann weiter
allgemeiner oder einzelner Art sein. Das Allgemeine ist mehreren
Dingen gemeinsam. Es ist nicht Einzelnes, sondern Qualität, ist nicht
Wesen, denn Wesenhaftigkeit ist unteilbar und kommt somit nur dem
Einzelnen zu.381 ARISTOTELES führt den Begriff „Menschen“ als
allgemeine Kategorie ein, die Eigennamen „Kallias“ und „Sokrates“
stellvertretend für das Einzelne. Über die auf diese Weise
unterschiedenen allgemeinen bzw. einzelnen Nennwörter kann man in
der Form des einfachen Aussagesatzes oder auch assertorischen
Urteils382, bestehend aus Subjekt und Prädikat, entgegengesetzt
379 Metaphysik IX 9, 1051b, S. 196f. 380 Peri hermeneias 6, 17a, S. 8. 381 Vgl. Metaphysik VII 13, 138b f., S. 159ff. Vgl. auch KNEBEL 2001, Sp. 179. 382 Vgl. ULFIG 1997, S. 42, S. 441.
102
formuliert als Bejahung und Verneinung, viererlei Aussagen machen.
Erstens ist es möglich, von etwas Einzelnem ein Einzelnes
auszusagen, z.B. „Sokrates ist weiß – Sokrates ist nicht weiß“. Der
Aussagende leitet in diesem Fall von der ersten Substanz „Mensch“
den „individuellen Menschen“ ab. „Sokrates“ ist hier eine Prädikation
von „Mensch“. Weiter wird prädiziert, dass Sokrates einen Körper
hat, dessen Akzidenz die „affektive Qualität“383 die Farbe „Weiß“
ist.384 Zweitens kann über ein Allgemeines in allgemeiner Weise
gesprochen werden, wobei der Gegensatz durch die
Pronominalformulierungen entweder mit dem Positiven beginnend
„jeder – nicht jeder“, bzw. vom Negativen ausgehend „keiner –
irgendeiner“ ausgedrückt wird. Entsprechende Aussagen sind „Jeder
Mensch ist weiß – Nicht jeder Mensch ist weiß“ oder „Kein Mensch
ist weiß – Irgendein Mensch ist weiß“. Hier liegen
Verallgemeinerungen der Substanz vor, genauer wird im ersten
Satzpaar dem Zugrundeliegenden „Mensch“ die Menge aller
Individualmenschen beigelegt, der dann ihre verneinende
Einschränkung gegenübersteht; das zweite Satzpaar repräsentiert die
negative Menge, als dessen Gegenteil ein unbestimmter
Individualmensch fungiert. Drittens ist die positive allgemeine
Redeweise über das Allgemeine durch die Gegenüberstellung „jeder -
keiner“ negierbar, wie etwa „Jeder Mensch ist weiß – Kein Mensch ist
weiß“. Gepaart ist die Menge aller Individualmenschen mit der
Negation aller Individualmenschen. Viertens besteht die Möglichkeit,
über etwas Allgemeines nicht allgemein zu sprechen, wobei das
Allgemeine als übergeordnete Kategorie für ein Einzelnes fungiert.
Die entgegengesetzten Aussagen bleiben hier unbestimmter Art:
„(Ein) Mensch ist schön – (Ein) Mensch ist nicht schön“. Die dritte
383 Kategorien 8, 9a, S. 22. 384 Vgl. insges. Kategorien 5, 2a, S. 11.
103
Gruppe der Aussagesätze wird „konträr“ genannt, alle anderen
Satzpaare bezeichnet ARISTOTELES als „kontradiktorisch“. „Konträr“
sind für ihn solche Unterschiede, die nicht in der bloßen Verneinung
eines zuvor Bejahten bestehen, z.B. kontradiktorisch „weiß – nicht
weiß“, sondern echte „Gegensätze“, etwa „weiß – schwarz“
benennen. Der Konträraussage und den kontradiktorischen Sätzen
entsprechen verschiedene Wahrheitsmöglichkeiten. Sind zwei
allgemeine Aussagen als Gegensatzpaar konträr kombiniert, kann von
beiden nur eine zutreffend sein. Gleiches gilt für die bejahte
Einzelaussage über Einzelnes, der kontradiktorisch eine Verneinung
gegenübergestellt ist und die Kontradiktion zweier Allgemeinaussagen,
denen etwas zugeordnet ist, was Einzelne betrifft: Eine Aussage wird
wahr, die andere falsch sein.385 Bei einer Kontradiktion, die
unbestimmt ist, weil sie beispielsweise im Unklaren lässt, von welchem
Individualmenschen die Rede ist, können sowohl Bejahung als auch
Verneinung wahr sein. Wohingegen weder beide gleichzeitig wahr
noch beide gleichzeitig falsch sein können.386
Im Folgenden bestimmt ARISTOTELES das Verhältnis von
bejahender und verneinender Aussage näher. Er unterscheidet 385 Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang allerdings eine von ARISTOTELES in der
Metaphysik angeführte Überlegung: Dort erörtert er mögliche Graustufen zwischen den
konträren Opponenten Weiß und Schwarz am Beispiel eines gescheckten Pferdes. Dies
ist zugleich schwarz und weiß; verschiedendste graue Abstufungen und Schattierungen
sind denkbar. Nach diesem Exempel scheint es keine Eindeutigkeit von Wahr oder
Falsch zu geben. (Metaphysik II.2) Dies bezieht sich aber auf etwas von dieser Stelle aus
Peri hermeneias Verschiedenes. Hier geht es um Universal-Aussagen, dort um spezielle
Fälle. Bei einer Aussage, die höchstmögliche Allgemeingültigkeit haben soll, ist von den
Akzidentien einzelner Fälle zu abstrahieren. Auf dieser Abstraktionsebene nähert sich das
Universelle nahezu der Eindeutigkeit an. (Vgl. WEIDEMANN 1994, S. 204) 386 Insges.: Peri hermeneias 7, 17a, S. 8ff.; Zus. v. WEIDEMANN. Vgl. WEIDEMANN 1994, S.
202ff. BOETHIUS nennt diese vier Arten entgegengesetzter Aussageweisen „singulares“,
„partikulares“, „universales“ und „indefinitae“.( Vgl. WEIDEMANN 1994, S. 203)
104
einheitliche Bejahung und Verneinung von uneinheitlicher. Nur der
einheitlichen Aussage, das heißt der Aussage, die „etwas Einheitliches
von etwas Einheitlichem aussagt“387 kommt Wahrheit oder Falschheit
zu. Gemäß der zugrundeliegenden Abbildtheorie verweist nämlich ein
Satz mit mehreren uneinheitlichen Aussagen auf eine bezeichnete
Sache, die ebenfalls uneinheitlich und damit nicht substantiell ist. Da
aber die erste Substanz als Zugrundeliegendes nicht weiter
zergliederbar und nicht Teil eines anderen Zugrundeliegenden sein
kann,388 eben weil sie erstes Zugrundeliegendes ist, ist sie ein
einheitliches Ganzes. Nur auf ein solches einheitliches Ganzes
bezogen lassen sich sprachtheoretisch betrachtet Wahrheitsaussagen
treffen, die es selbst als einheitliches Ganzes abbilden, denn allein das
Zugrundeliegende kann ontologischer Maßstab von Wahrheit oder
Falschheit sein.389
2.1.2.1 Wahrheit und Zeit
Wahrheit bzw. Falschheit kann sich im Bereich des Logischen
scheinbar akzidentell erweisen, und zwar in der Relation der Zeit.
Aussagen über Dinge oder Geschehnisse in der Vergangenheit
können vom Standpunkt dessen aus, der, in der Gegenwart stehend,
auf die Vergangenheit blickend, dieselbe beurteilt, im Nachhinein als
wahr oder falsch klassifiziert werden. In der Zeit hat sich nämlich
dann ein Vermutetes realisiert oder nicht realisiert, ein Ausgesagtes
bestätigt oder nicht bestätigt. Das gilt für alle vier bejahenden, bzw.
verneinenden Behauptungssätze in den beschriebenen
Möglichkeiten.390 Insofern erscheint es zunächst so, dass Wahrheit
387 Peri hermeneias 8, 18a, S. 11. 388 Vgl. Kategorien 5, 3a, S. 12. 389 Vgl. Metaphysik IX 9, 1051bf., S. 197f. 390 Peri hermeneias 9, 18a, S. 11f. Vgl. Auch WEIDEMANN 1994, S. 223.
105
oder Falschheit einer Aussage grundsätzlich notwendig eintreffe.391 Bei
der Betrachtung von bejahenden und verneinenden
Behauptungssätzen in die Zukunft hinein ergibt sich aber ein anderes
Bild, sofern hier die Seinsebene als wesentliches Beurteilungsmoment
von Wahrheit oder Falschheit zu Tage tritt: Als notwendig kann etwas
nur ontologisch betrachtet werden, und zwar bezogen auf das Sein
einer Substanz, der ein Merkmal – hier „wahr“ oder „falsch“ –
unausweichlich zukommen muss, weil es ihrem Wesen entspricht. Es
trifft quasi zwingend entweder das eine oder das andere zu.392 Dies ist
allerdings der Fall ganz unabhängig von logischen Aussagen, denn
„[d]abei“, so ARISTOTELES, „spielt es freilich überhaupt keine Rolle, ob irgendwelche Leute die beiden kontradiktorisch entgegengesetzten Behauptungen (tatsächlich) aufstellen oder nicht.“393
Vielmehr gilt in ontologischer Hinsicht:
„Freilich ist es für das, was ist, notwendig, daß es ist, wenn es ist, und für das, was nicht ist, notwendig, daß es nicht ist, wenn es nicht ist. Aber es ist weder für alles, was ist, notwendig, daß es ist, noch ist es für alles, was nicht ist, notwendig, daß es nicht ist. Denn daß alles, was ist, dann mit Notwendigkeit ist, wenn es ist, und daß es schlechthin mit Notwendigkeit ist, ist nicht dasselbe; und ebenso verhält es sich auch mit dem, was nicht ist. Und dasselbe gilt für die (Glieder einer) Kontradiktion. (Somit) ist es zwar für alles notwendig, daß es (entweder) ist oder nicht ist, und auch, daß es (entweder) sein oder nicht sein wird; nicht aber ist eines von beidem, wenn man es getrennt von (anderen) behauptet, notwendig.“394
ARISTOTELES unterscheidet hier zwischen ontologischer Existenz-
sowie Wesensnotwendigkeit und logischer Argumentations-
391 Peri hermeneias 8, 18b, S. 12. 392 Vgl. Zum Begriff „notwendig“: Metaphysik V 5, 1015af., S. 95f. 393 Peri hermeneias 9, 18b, S. 14; Änd.in [...] v. G.v.S.; Zus. in (...) v. WEIDEMANN 394 Peri hermeneias 9, 19a, S. 15; Zus. v. WEIDEMANN.
106
notwendigkeit.395 Im Ontologischen wäre die basale Notwendigkeit,
dass Sein existiert. Eine solche wird bestritten. Genauer: Die Existenz
von überhaupt irgendetwas, ist keine Notwendigkeit. Ebenso wenig ist
es eine Notwendigkeit, dass nichts ist. Gleiches nimmt ARISTOTELES
für Existenz oder Nichtexistenz konkreten Seins bzw. Nichtseins
einer bestimmten Sache oder ihr Fehlen an. Beide sind nicht
notwendig. Sobald aber etwas existent ist, ist es mit Notwendigkeit. Es
ist notwendig, dass es ist, denn keine andere Begründung für seine
Existenz wäre denkbar. Gibt es etwas, das ist, ist es auch notwendig,
ein dem Sein entgegengesetztes Nichtexistentes zu denken. Beides
bezieht sich aber auf den fundamentalen Gegensatz jeglichen
unbestimmten Seins und Nichtseins. Ein bestimmtes Sein, eine
spezifische, existierende Sache, ist in doppelter Hinsicht notwendig zu
nennen. Sie ist erstens notwendig, da sie ist, da alles, was ist, in seiner
Existenz mit Notwendigkeit ist. Zweitens ist alles, was sie bezogen auf
ihr Wesen ausmacht, wesensnotwendig. Entsprechend ist Nichtsein
bezogen auf seine Nichtexistenz notwendig nichtseiend, was mit
Notwendigkeit seinem Nichtwesen entspricht. Dem Wesen einer
Sache entsprechend heißt, ihr substantiell und damit unzeitlich
notwendig zukommend, auch wenn die Sache in der Zeit noch nicht
eingetreten ist. Eine sprachlich verfasste Zukunftsprognose bewegt
sich damit in zweierlei Hinsicht auf unterschiedlichen Ebenen. Sie
zielt einerseits auf Zeitliches, das heißt nicht auf die
Wesensnotwendigkeit. Andererseits gehorcht sie den
395 HINTIKKA argumentiert mit einer die Diskussion des Wahrheitsbegriffs gegen die
traditionelle Auslegung, ARISTOTELES habe hier „Determinismus“ bestritten. (Vgl.
HINTIKKA 1972, S. 262ff.) Allerdings wird die „Wahrheit oder Unwahrheit von Sätzen“
(HINTIKKA 1972, S. 275) untersucht. Die Distinktion von ontologischer und logischer
Wahrheit bleibt unbeachtet. Sie scheint im Rahmen einer sprachlichen Erkenntnis- und
Bildungstheorie als tragend. Das soll hier gezeigt werden.
107
Gesetzmäßigkeiten logischer Argumentation396 und trifft folglich auch
insofern nicht das ontologische Wesen. Die logische Aussage bezieht
sich zwar auf Sein oder Nichtsein, kann aber in der Form der
Zukunftsprognose logisch nicht ihre ontologische Notwendigkeit oder
Nichtnotwendigkeit herleiten. Wenn die Sache dann eintritt, war sie
bezüglich ihres Seins von jeher, weil notwendig. Tritt sie nicht ein,
bestand keine Notwendigkeit. Die Zukunftsprognose erweist sich
dann zwar als wahr oder falsch, aber unabhängig von ihrer eigenen
Argumentationslogik. Dass die Sache nämlich eintritt, geschieht zwar
in der Zeit, zu einem bestimmten Moment, wovon die sprachliche
Form der Aussage über einen zukünftigen Zeitpunkt ein Abbild ist,
dennoch ist die Notwendigkeit des Eintretens oder Nichteintretens
ontologisch und nicht logisch begründet und dadurch von der
Zeitrelation unabhängig. Das Sein der Sache an sich bleibt bei
Aussagen, welche die Zukunft betreffen, sprachlich unerfassbar. Ob
die Zukunftsprognose sich als wahr oder falsch erweist, weil etwas
sein wird bzw. nicht sein wird, lässt sich im Vorhinein nicht sagen.
Lediglich Gegenwart und Vergangenheit sind bezüglich ihrer
Notwendigkeiten sprachlich beschreibbar.397
2.1.2.2 Aussagenlogik
Nach dieser grundlegenden Unterscheidung von ontologisch
notwendig und logisch notwendig, welche die Differenz von
ontologischer und logischer Wahrheit begründet, wendet sich
ARISTOTELES dem Bereich der logischen Wahrheit zu, indem er die
internen Bedingungsgefüge bejahender und verneinender Aussagen
analysiert. Er richtet sein Augenmerk dabei auf die semantischen
Bestandteile von Aussagen, zergliedert die Aussage also, prüft aber
396 Vgl. Metaphysik V 5, 1015b, S. 96. 397 Vgl. ANSCOMBE 1972, S. 231.
108
deren Wahrheitsgehalt weiterhin mittels kontradiktorischer
Gegenüberstellung.398 Als Bestandteile von Aussagen werden das
substantivische „Nennwort“ und seine Widersprechung, hier als
Beispiel „Mensch“ und „Nicht-Mensch“ benannt, denen von
ARISTOTELES nicht begrifflich benannte Ausdrücke, am ehesten
Prädikate399 zu- bzw. kontradiktorisch abgesprochen werden. Er
formuliert für eine ideale Aussage die Forderung nach Einheitlichkeit,
und zwar in zweierlei Hinsicht:
„[...] – freilich muß sowohl das, was in einer Aussage zugesprochen wird, als auch dasjenige, dem es zugesprochen wird, etwas Einheitliches sein [...]“400
Abgeleitet von der durch die Aussage bezeichneten Substanz, die nur
dann Substanz ist, wenn sie einheitlich ist, soll sowohl das Subjekt des
Satzes, das Abbild der Substanz ist, als auch das über es Ausgesagte
substantiell sein. Es sind verschiedene Kombinationen von Bejahung
und Verneinung möglich. Sie sind für ARISTOTELES nach
feststehenden logischen Gesetzmäßigkeiten kombinabel, bedeuten je
nach logischer Satzstruktur Verschiedenes und verweisen in ihrer
Bedeutung auf ontologisch entweder Wahres oder Falsches. Für die
logische Gegenüberstellung einfacher Aussagen, die lediglich aus zwei
Satzgliedern, nämlich Subjekt und Prädikat, bestehen, gibt
ARISTOTELES folgende kontradiktorischen Paarungen als Beispiel:
„Ein Mensch existiert. Ein Mensch existiert nicht.
Ein Nicht-Mensch existiert. Ein Nicht-Mensch existiert nicht.“
401
398 Vgl. Peri hermeneias 10, 19b, S. 16ff. 399 Vgl. WEIDEMANN 1994, S. 325. 400 Peri hermeneias 10, 19b, S. 16; Ausl. v. G.v.S. 401 Beides: Peri hermeneias 10, 19b, S. 17.
109
Dem finiten, das heißt bestimmten, positiven Nennwort „Mensch“
steht das infinite Nennwort, die Negation „Nicht-Mensch“
kontradiktorisch402 gegenüber, ebenso wie zum finiten Aussagewort
„existiert“ die Kontradiktion „existiert nicht“ als infinite Form des
Aussagewortes zu bilden ist.403 Das bejahte Nennwort „Mensch“ kann
kontradiktorisch mit dem bejahten Aussagewort „existiert“ und mit
dem verneinten Aussagewort „existiert nicht“ kombiniert werden.
Ebenso ist in Kontradiktion das verneinte Nennwort „Nicht-Mensch“
sowohl mit dem bejahten Aussagewort „existiert“ als auch mit dem
verneinten Aussagewort „existiert nicht“ kombinierbar. Während mit
diesen Aussagen von bestimmten Nennwörtern etwas ausgesagt wird,
sind auch Allgemeinaussagen, also Aussagen über unbestimmte
Nennwörter, logisch verfassbar, so etwa:
„Jeder Mensch existiert. Nicht jeder Mensch existiert.
Jeder Nicht-Mensch existiert. Nicht jeder Nicht-Mensch existiert.“ 404
Hier steht zuerst dem allgemeinen finiten Subjekt „jeder Mensch“ das
allgemeine infinite Subjekt „nicht jeder Mensch“ gegenüber. Die
Kontradiktion liegt in eben dieser Gegenüberstellung. Das
Aussagewort ist in beiden Fällen die bejahte Form „existiert“.
Letzteres gilt auch für die zweite genannte Kontradiktion von
Allgemeinaussagen. Dem allgemeinen negativen Subjekt „jeder Nicht-
Mensch“ wird die doppelte Negation „nicht jeder Nicht-Mensch“
gegenübergestellt, beide sind mit dem finiten Aussagewort „existiert“
kombiniert. Für jedes der vier benannten Gegensatzpaare ist das
402 Konträr hießen die Gegensatzpaare „Mensch“ versus „Tier“ bzw. „existiert“ versus
„tot“. 403 Zu den Begriffen „finit“ und „infinit“: Vgl. WEIDEMANN 1994, S. 325. 404 Beides: Peri hermeneias 10, 19b, S. 17.
110
substantielle Nennwort oder Subjekt ausschlaggebend. Ihm wird ein
Aussagewort beigelegt. Die Kombinationen beschränken sich auf die
Gegenüberstellung von zwei widersprüchlichen Aussagen. Dabei ist es
ebenso möglich die Kontradiktion durch bejahende und verneinende
Variation des Aussagewortes als auch durch eine Gegenüberstellung
von bejahter und verneinter Nennwort-Variante zu erreichen.
Über solche einfachsten Satzgefüge hinaus führt ARISTOTELES
im weiteren Verlauf seiner Argumentation Sätze ein, deren Subjekt-
Prädikation durch ein drittes Satzglied erfolgt. Gemeint ist hier die
Verwendung des finiten Wortes „ist“ und dessen Infinitum „ist nicht“,
welche es erlauben, dem Subjekt eine Aussage in der Form eines
Adjektivs beizulegen oder abzuerkennen, so dass das Subjekt zwar
Nennwort bleibt, hier aber das Adjektiv als das Wort, was die
akzidentelle Bestimmung der bezeichneten Substanz bezeichnet,
Aussagewort ist.405 Dabei liegt die Kontradiktion nicht nur in einer
Gegenüberstellung von Gegensatzpaaren; vier Aussagen verhalten
sich kotradiktorisch zueinander, z.B.:
„‚(Ein) Mensch ist gerecht.‘ [...] ‚(Ein) Mensch ist nicht gerecht.‘
‚(Ein) Mensch ist nicht-gerecht.‘ [...] ‚(Ein) Mensch ist nicht nicht-gerecht.‘“ 406
Das Diagramm kann von oben nach unten, von links nach rechts und
diagonal gelesen werden. Eine solche Aufstellung wird nicht nur für
die hier aufgeführten Aussagen über ein konkretes Subjekt „Mensch“
gemacht, sondern ebenso für dessen Negation „Nicht-Mensch“ und
die Allgemeinaussage „jeder Mensch“407. Damit vorgeführt sind
letztendlich aber ausschließlich logische Kombinationsmöglichkeiten
405 Vgl. Peri hermeneias 10, 19b, S. 17. 406 Peri hermeneias 10, 19b, S. 18; Ausl. v. G.v.S. 407 Vgl. Beides: Peri hermeneias 10, 19b, S. 18f.
111
von Nenn- und Aussagewörtern. Ob diese wahr oder falsch zu
nennen sind, zeigt ihre bloße Zusammenstellung nicht, dazu bedarf es
der Kenntnis des Seins, auf das die Aussagen verweisen. Dennoch
liegt für ARISTOTELES in der Aussage mehr Wahrheitsgehalt als allein
im Begriff. Es ist ihm zufolge ein Fehlschluss, Infinita wie etwa das
Nennwort „Nicht-Mensch“ oder das Aussagewort „nicht gerecht“ für
„so etwas wie verneinende Aussagen ohne Nennwort bzw. (ohne)
Aussagewort“408 zu halten, denn
„[...] eine verneinende Aussage sagt notwendigerweise stets etwas Wahres oder etwas Falsches aus; │wer aber ‚Nicht-Mensch‘ sagt, dem ist es, wenn nicht noch etwas hinzugefügt wird, ebenso wenig wie jemandem, der (einfach) ‚Mensch‘ sagt, – ja sogar noch weniger (als ihm) – schon gelungen, etwas Wahres oder Falsches zu sagen.“409
Das heißt, um sich der Wahrheit oder Falschheit einer Substanz
anzunähern, bedarf es des Subjekts als Abbild der Substanz. Um
diesen bloßen Träger von Eigenschaften erkennen zu können, ist aber
auch die Kenntnis des ihm prädikativ Beigelegten notwendig.
„In akzidentellem Sinne Eines z.B. Korsikos und Gebildet und der gebildete Korsikos; denn es ist dasselbe, ob man sagt, Korsikos und Gebildet sei Eines, oder, Korsikos sei gebildet, und ebenso gebildet und gerecht, oder der gebildete und gerechte Korsikos. Denn alles dies wird Eines genannt in akzidentellem Sinne, Gerecht nämlich und Gebildet, weil es Akzidenzien an demselben einen Wesen sind, Gebildet aber und Korsikos, weil das eine ein Akzidenz des anderen ist.“410
Gleichwohl ARISTOTELES ontologische Einheit als Merkmal der
Substanz annimmt411 und die Substanz Träger von Wahrheit ist,
sobald durch Differenzierung von ihr alles Unwesentliche abgezogen
408 Insges.: Peri hermeneias 10, 20a, S. 20. 409 Peri hermeneias 10, 20a, S. 20f. 410 Metaphysik V 6, 1015b, S. 97. 411 Vgl. Metaphysik V 6, 1015b, S. 97ff. Vgl. insbesondere Metaphysik V 6, 1016b, S. 99.
112
ist,412 wird die Substanz doch erst durch eine akzidentelle
Bestimmung, die eine Einheit mit ihr eingeht, benannt und damit
erkennbar. Der Name „Korsikos“ umfasst zwar das gesamte Wesen
des Benannten, wer diesen aber nicht kennt, hat durch bloße
Namensnennung keinen Erkenntniszugriff. Erst durch Aufführen der
Eigenschaften „gebildet“ und „gerecht“ ist Annäherung an das Wesen
des Korsikos möglich. Das zutreffende Akzidenz, welches sich auf das
Wesen der Substanz bezieht, gibt Hinweis und Aufschluss über sie. Im
Satz wird erst in der Aussage, als einer Verbindung aus dem
Nennwort, das auf die Substanz verweist und Aussagewort, das der
Substanz beigelegt wird, um sie zu erläutern, Abbildung von
akzidentell bestimmtem Sein möglich. Insofern verweist nur die
Aussage auf wahre oder falsche Erkenntnis einer substantiellen Sache.
Bisher ist das Wort „Akzidenz“ für jedes einer Substanz
Zukommende benutzt worden, was nicht selbst Wesen genannt
werden kann. Das entspricht einer allgemeinen ARISTOTELischen
Begriffsbestimmung.413 ARISTOTELES präzisiert seinen Akzidenz-
Begriff in der Metaphysik aber weiter, und zwar in einer Weise, die für
seine innerhalb von Peri hermeneias folgenden sprachtheoretischen
Reflexionen bedeutsam wird:
„Akzidenz nennt man [...] dasjenige, was sich zwar an etwas findet und mit Wahrheit von ihm ausgesagt werden kann, aber weder notwendig noch in den meisten Fällen sich findet, z.B. wenn jemand beim Graben eines Loches für eine Pflanze einen Schatz fand. Dies also, einen Schatz zu finden, ist ein Akzidenz für den, der ein Loch gräbt; denn weder folgt mit Notwendigkeit das eine aus dem anderen oder das eine nach dem anderen, noch findet auch in den meisten Fällen jemand einen Schatz, wenn er ein Loch für eine Pflanze gräbt. [...] Es
412 Vgl. Metaphysik V 10, 1051b, S. 196f. 413 Vgl. Metaphysik V 30, 1025a, S. 124.
113
gibt also für das Akzidenz auch keine bestimmte, sondern nur eine zufällige Ursache, d.h. eine unbestimmte.“414
Akzidenzien kommen einer Substanz nicht wesensnotwendig zu. Sie
können ihr zwar beigelegt werden, ohne dabei aber mit ihr eine
Einheit einzugehen, da die Prädikation sich in der Zeit durch Zufall
ereignet. Diese Überlegungen finden bezogen auf die Aussage,
genauer die Wahrheit oder Falschheit von Bejahung oder Verneinung
ihre Anwendung. Wird in Sprache einer Sache ein Akzidenz beigefügt,
dadurch, dass einem Nennwort ein Aussagewort beigefügt wird, muss
daraus nicht ein Eines entstehen. Der Bezug kann ein zufälliger sein.
Ebenso kann die sprachliche Form Einheitlichkeit vorgaukeln, ohne
dass auf der Seinsebene tatsächliche Einheit besteht.415 Es ist zu
unterscheiden zwischen logischer und ontologischer Einheitlichkeit,
die auf die Differenz von logischer und ontologischer Wahrheit
verweist. Nur ontologische Einheitlichkeit fällt wesensmäßig mit
ontologischer Wahrheit zusammen und kann Maßstab für die
Überprüfung von Wahrheit oder Falschheit einer Aussage sein.
Insofern der Erkenntnissuchende in seiner Suche nach Wahrheit oder
Falschheit auf die Logik geworfen ist, bleibt ihm aber nur eine Analyse
sprachlicher Art.
Eine Aussage ist nur dann auf ihren Wahrheitsgehalt
überprüfbar, wenn über ihr Subjekt in einheitlicher Weise etwas
ausgesagt ist, denn ausschließlich in diesem Fall verweist sie abbildlich
auf Substantielles. Das mittels einer „dialektischen Frage“416 zu prüfen
schlägt ARISTOTELES als Annäherungsform vor. Eine solche Frage soll
nicht offen gestellt werden, sondern insoweit bereits näher bestimmt
sein, dass sie schon auf die Einheitlichkeit der Substanz, auf die zu
414 Metaphysik V 30, 1025a, S. 123f.; Ausl. v. G.v.S. 415 Vgl. Beides: Peri hermeneias 11, 20b, S. 21f. 416 Peri hermeneias 11, 20b, S. 22.
114
erkennen die Frage letztendlich zielt, ausgerichtet ist. Verwiesen wird
auf die Topik, wo die Fragen „Ist auf Füßen gehendes zweibeiniges
Sinnenwesen die Definition von Mensch?“ und „Ist Sinnenwesen
Gattung von Mensch?“417 in Unterscheidung von der Frage „Was ist
[der Mensch]?“418 als geeignete Formulierungen vorgeführt werden.
Geklärt werden soll auf diese Weise, welche Akzidenzien tatsächlich
zutreffende Prädikats-Bestimmungen einer ausgesagten Substanz sind.
Die Frageform wird deshalb dialektisch genannt, weil ihr die
Möglichkeit einer Entscheidung für einen Teil eines
kontradiktorischen Aussagenpaares inhärent ist.419 Sie gibt
Prädikationen vor, die nach Bejahung oder Verneinung verlangen und
damit das bezogen auf die Wahrheitsfrage Wesentliche eingrenzen.
Das erscheint auch deshalb sinnvoll, weil mehrere Akzidenzien auf
eine benannte Substanz zutreffen mögen, die aber alle zusammen im
Bezug auf das Subjekt keine Einheit bilden:
„Einem Menschen kann man ja wahrheitsgemäß sowohl das Prädikat ‚Lebewesen‘ für sich allein als auch das Prädikat ‚zweifüßig‘ für sich allein zusprechen, beide aber auch als einheitliches Prädikat [‚zweifüßiges Lebewesen‘], desgleichen „Mensch“ (für sich allein) und │ (z.B.) ‚weiß‘ (für sich allein) und auch diese beiden Prädikate (wiederum) als ein einheitliches [‚weißer Mensch‘]. Jedoch ist (ein Mensch), wenn er ein Schuster ist und (außerdem) gut, damit nicht auch schon ein guter Schuster.“420
Denkbar sind hier die dialektischen Fragen „Ist der Schuster
moralisch gut?“ und „Ist der Schuster ein handwerklich guter
Schuster?“. Als Antworten sind die Kontradiktionen „Ja, der Schuster
ist moralisch gut.“ – „Nein, der Schuster ist nicht moralisch gut.“ –
zur ersten Frage – und „Ja, der Schuster ist ein handwerklich guter 417 Beides: Topik 1, 101b, S. 5. 418 Peri hermeneias 11, 20b, S. 22; Zus. v. G.v.S.. 419 Vgl. Peri hermeneias 11, 20b, S. 22. 420 Vgl. Peri hermeneias 11, 20b, S. 22f.; Zus. v. G.v.S.
115
Schuster. – Nein, der Schuster ist kein handwerklich guter Schuster.“
– zur zweiten Frage möglich. Insofern „moralisch“ und
„handwerklich“ Prädikationen von „gut“ sind, das seinerseits Prädikat
vom substantiellen Subjekt „Schuster“ ist, ergibt die vorgeführte
dialektischen Prüfung Aufschluss über das am Schuster Wesentliche.
Schuster ist die Berufsbezeichnung eines Handwerkers. Bezogen auf
den Handwerker betrifft nur die zweite Frage sein Wesen, denn für
ihn ist es wesentlicher, handwerklich gut zu arbeiten als moralisch gut
zu sein. Das wäre ein angemessenes Akzidenz des Menschen an sich,
der zwar akzidentell Schuster sein mag, aber befragt man sein
Menschsein, ist die moralische Frage die angemessene, dieser Träger
geht mit dieser Eigenschaft eine Einheit ein. Befragt man seine
Professionalität, kommt es auf handwerkliche Güte an, diese Substanz
bildet mit diesem Akzidenz eine Einheit. So ist das Wesen des
Schusters angesprochen, wenn nach seinem handwerklichen Geschick
gefragt wird. Es wird sein Wesen transparenter, wenn geklärt wird, ob
er gut arbeitet oder nicht. Um dieses Wesen so transparent wie
möglich zu machen, ein „Gesamt[...]prädikat“421 zu bilden, wären
Ketten akzidenteller Bestimmung nötig. Bezogen auf den Schuster
z.B.: „Dieser moralisch gute Mensch, der ein handwerklich guter
Schuster ist, hat ...“. Das würde zwar die Subjekt-Substanz genau
benennen, in einem konkreten Fall, in dem nur über einen ihrer
Aspekte etwas ausgesagt werden soll, wäre mit der angeführten
prädikativen Kette viel Überflüssiges ausgesagt.422 ARISTOTELES geht
daher im Folgenden dazu über, zu erörtern, wie man vermeidet, „viel
Abwegiges sagen zu müssen“423.
421 Peri hermeneias 11, 20b, S. 23; Ausl. v. G.v.S. 422 Vgl. Peri hermeneias 11, 21a, S. 23 423 Peri hermeneias 11, 21a, S. 23.
116
Einheitlichkeit ist auch hier das Maß der Dinge. Akzidentell
Prädiziertes ist, ob nun mit der Substanz oder mit anderen dieser
zugeordneten Akzidenzien, uneinheitlich. Uneinheitlichkeit trifft auf
alles akzidentell über die Substanz Ausgesagte zu, sei es nun ein
einzelnes Prädiziertes, wie die Aussage „weißer Mensch“, mehrere
Prädikate, z.B. ein „weißer gebildeter Mensch“, solange die
Prädikation nicht ein zweite Substanz zu nennen ist, etwa
„zweifüßiges Lebewesen“.424 Dennoch gibt ARISTOTELES
Bedingungen an, unter denen akzidentelle Prädikationen wahr oder
falsch genannt werden können. Erstens kann im Fall von zwei
Prädikaten, die auf ein Nennwort bezogen werden, eine Probe, ob die
beiden Aussagewörter einander widersprechen, den logischen
Nachweis erbringen, dass Wahrheit oder Falschheit vorliegt. Folglich
bestimmt ARISTOTELES: Besteht ein Widerspruch, ist die Aussage
falsch, besteht keiner, ist sie wahr zu nennen.425 Dies gilt allerdings
nicht ohne Einschränkung. Eine so beschriebene Aussage ist ein
logisches Urteil, das akzidentell zutrifft, das heißt den Bedingungen
unterliegt, die zur Zeit, wo die Aussage getroffen wird, wirksam sind.
Ein ontologisches Existenzurteil lässt sich daraus nicht ableiten:
„Homer zum Beispiel ist ja etwas, sagen wir: ein Dichter. Folgt daraus etwa, dass er auch ist (d. h. existiert), oder nicht? (Doch wohl nicht); denn (nur) akzidentell wird das Wort ‚ist‘ (hier) von Homer prädiziert. Weil er nämlich ein Dichter ist, nicht aber an sich wird (hier) von Homer das Wort ‚ist‘ prädiziert.“426
Nennwort ist hier der Name Homer. Akzidentell wird von ihm
ausgesagt, er sei ein Dichter. Innerhalb der sprachlichen Bedingungen,
denen diese Aussage unterliegt, ist das Wort „ist“ notwendig, um das
Aussagewort „Dichter“ mit dem Nennwort „Homer“ zu verbinden.
424 Vgl. Peri hermeneias 11, 21a, S. 23f. 425 Vgl. Peri hermeneias 11, 21a, S. 24. 426 Peri hermeneias 11, 21a, S. 24.
117
Es handelt sich hierbei allerdings um eine logische Notwendigkeit,
nach der „ist“ als ein akzidentelles Prädikat fungiert, um die
Akzidentalaussage, Homer sei Dichter, zu ermöglichen. Das
existentielle Sein Homers ist damit nicht angesprochen.427 Für
ARISTOTELES gilt aber: Ein ontologisches Urteil, das nicht akzidentell,
sondern existentiell prädiziert, das von einem substantiellen
Gegenstand Einheitliches uneingeschränkt und widerspruchslos
aussagt, ist wahr. Es kann über Seiendes oder Nichtseiendes eben
gefällt werden, weil dies ontologisch existent ist.428
Nun wendet sich ARISTOTELES der Möglichkeit und
Unmöglichkeit sowie der Notwendigkeit und Nicht-Notwendigkeit
von Aussagen, genauer deren Bejahungen und Verneinungen zu.429 In
ontologischer Sicht auf die Dinge hat jeder Gegenstand die Potenz zu
existieren oder nicht zu existieren und darüber hinaus, andere ihm
entsprechende Tätigkeiten entweder aktiv auszuführen oder nicht
bzw. passiv geschehen zu lassen oder nicht. In der aktiven Form führt
ARISTOTELES Gehen oder Nicht-Gehen, in der passiven Geschnitten-
Werden oder Nicht-Geschnitten-Werden als Möglichkeiten eines
Gegenstandes an.430 Diese ontologische Zwittrigkeit der Dinge,
sowohl Positivum als auch Negativum sein zu können, ist erneut
zeitlich bedingt. Verschiedene Zeitpunkte markieren verschiedene
Grade von „Verwirklichung“431, so dass existentiell mal ein Sein und
mal ein Nicht-Sein respektive eine Tätigkeit oder Nicht-Tätigkeit, ein 427 Insofern ist WEIDEMANN zu widersprechen, der die Wahl des Beispiels „nicht sehr
glücklich“ (WEIDEMANN 1994, S. 383) nennt. (Vgl. WEIDEMANN 1994, S. 383) Liest man
allerdings Peri hermeneias unter der Perspektive der Unterscheidung von logischer und
ontologischer Wahrheit aus der Metaphysik, dient das Beispiel durchaus der Erläuterung. 428 Vgl. Peri hermeneias 11, 21a, S. 24f. 429 Vgl. Peri hermeneias 12, 21a, S. 25. 430 Vgl. Peri hermeneias 12, 21b, S. 25f. 431 Peri hermeneias 12, 21b, S. 26.
118
Werden oder Nicht-Werden möglich ist.432 Insofern erscheinen die
Möglichkeiten und Unmöglichkeiten, wenn auch innerhalb des
binären Systems von Positiv und Negativ und gebunden an die
Zeitlichkeit, offen. Unter rein logischer Perspektive hingegen ergeben
sich Beschränkungen. Die beiden Teile eines assertorischen Urteils,
das den Gegenstand bezeichnende Subjekt und das Prädikat, welches
die Aussage über das Subjekt komplettiert, verweisen auf die
ARISTOTELische Differenz von Materie und Form.433 Die prädikativen
Formen – ob nun finit „ist“ oder infinit „ist nicht“ – sind unbestimmt.
Sie können sich auf jedes Subjekt und damit jede gegenständliche
Materie beziehen und sind damit nicht an ein bestimmtes Subjekt bzw.
eine bestimmte Materie gebunden. Folglich können sie nicht in der
gleichen Weise kontradiktorisch verschränkt werden wie die Subjekt-
Materie. Ausschließlich diese selbst, in den Beispielen Möglichkeit,
Statthaftigkeit, Unmöglichkeit und Notwendigkeit, lassen sich
sinnvoller Weise bejahen oder verneinen, das heißt die Kontradiktion
ist ausschließlich auf das Urteils-Subjekt und die zugrundeliegende
Materie zu beziehen:
„‚möglich‘ – ‚nicht möglich‘, ‚statthaft‘ – ‚nicht statthaft‘, ‚unmöglich‘ – ‚nicht unmöglich‘, ‚notwendig‘ – ‚nicht notwendig‘, (‚wahr‘ – ‚nicht wahr‘).“434
ARISTOTELES bestimmt hier auf der logischen Ebene das Vermögen
von Subjekt und Prädikat, interpretiert als Materie und Form, auf
Wahrheit oder Falschheit eines Gegenstandes es zu verweisen. Er
schreibt dem materiellen Subjekt dieses Vermögen zu, während er es
dem formellen Prädikat abspricht.
432 Vgl. Peri hermeneias 12, 21b, S. 26. 433 Vgl. WEIDEMANN 1994, S. 404. 434 Peri hermeneias 12, 22a, S. 27.
119
Auf diese grundsätzliche Vermögensbestimmung von
Nennwörtern in Abgrenzung zu Aussagewörtern innerhalb
kontradiktorischer Urteile folgen Überlegungen, wie das Mögliche, das
Statthafte, das Unmögliche sowie das Notwendige und ihre Infinita in
Beziehung zueinander stehen. ARISTOTELES bezeichnet das als die
„Folgebeziehnungen“435. Mit der Kombinatorik, die WEIDEMANN
logisch zusammenfasst, wie folgt,
„Ia 1 M(P) 2 St(P) 3 ~U(P) 4 ~N(P)
Ib 1 ~M(P) 2 ~St(P) 3 U(P) 4 N(~P)
IIa 1 M(~P) 2 St(~P) 3 ~U(~P) 4 ~N(~P)
IIb 1 ~M(~P) 2 ~St(~P) 3 U(~P) 4 N(P)“ 436
zeigt ARISTOTELES auf logischer analog zur ontologischen Ebene die
Relevanz des Prinzips der Notwendigkeit.437 ~N(P) ist nicht – wie zu
erwarten gewesen wäre – N(P) gegenübergestellt. Genauso wenig sind
die Aussagen ~N(~P) und N(~P) kombiniert. Anstelle dieser
Kontradiktionen hat ARISTOTELES Konträres zusammengestellt, denn
die infinite Notwendigkeit einer finiten Aussage hat einen echten
Gegensatz nur im Finitum der Notwendigkeit einer infiniten Aussage
und die infinite Notwendigkeit einer ebenso infiniten Aussage – eine
doppelte Negation – steht dem doppelten Positivum der finiten
Notwendigkeit mit finitem Aussagewort entgegen.438 Genauere
435 Peri hermeneias 13, 22a, S. 27. 436 WEIDEMANN 1994, S. 418. „M“ steht für die Möglichkeit, „St“ für das Statthafte, „U“
für das Unmögliche und „N“ für das Notwendige. Die genannten Majuskeln bezeichnen
das jeweilige Subjekt eines Urteils, das „P“ das prädikativ über sie Ausgesagte. Ist dem
Urteil ein „~“ vorangestellt, handelt es sich um eine Negation; fehlt dieses Zeichen, ist
die Aussage positiv. (Vgl. WEIDEMANN 1994, S. 418) 437 Gegen WEIDEMANN 1994, S. 453 und BECKER 1934, S. 448. 438 Vgl. Peri hermeneias 13, 22a f., S. 29.
120
logische Bestimmungen von Notwendigkeit ergeben sich durch ihre
Gegenüberstellung mit Unmöglichkeit und Möglichkeit, bevor
ontologische Schlussfolgerungen gezogen werden. Ein notwendiges
Finitum ist der Gegensatz einer finiten Unmöglichkeit, denn der
Notwendigkeit einer Sache widerspricht, dass sie unmöglich ist.
Insofern eine Möglichkeit fakultativ, möglich, aber auch nicht möglich
sein kann, wird sie einer Notwendigkeit entweder ent- oder
widersprechen. Beides ist möglich, nicht eines zwingend notwendig.439
An dieser Stelle verlässt ARISTOTELES die rein logische Argumentation
und begründet das für das Logische Festgelegte mit ontologischen
Argumenten. Was von beidem nämlich zutrifft, ob eine Sache möglich
oder nicht möglich ist und in welchem Verhältnis die Notwendigkeit
dazu steht, wird den „Vermögen“440 der Gegenstände zugeschrieben,
sich zu verwirklichen,441 was eine auf das Sein der Dinge, ihre Materie
bezogene Überlegung ist und nicht ihre sprachliche Form betrifft.
„Da aus dem Partikulären das Allgemeine folgt, folgt also für das notwendigerweise Seiende (daraus, daß es notwendigerweise ist), daß es auch die Möglichkeit hat zu sein, allerdings nicht jede Art von Möglichkeit. Und die Notwendigkeit sowie die Nicht-Notwendigkeit, (etwas zu sein oder nicht zu sein), sind ja wohl auch das Prinzip für das Sein oder Nichtsein (im Sinne) aller (anderen Modalitäten), und │ man muß die anderen als diejenigen betrachten, die aus diesen beiden folgen.“442
ARISTOTELES weist in diesem Zusammenhang auf ein bereits früher in
Peri hermeneias erwähntes und in der Metaphysik näher bestimmtes
Prinzip hin, das sein Gegenkonzept zur PLATONischen Ideenlehre
ist:443 Durch Abstraktion vom Einzelnen gelangt man zum
439 Vgl. Peri hermeneias 13, 22a, S. 30f. 440 Peri hermeneias 13, 23a, S. 32. 441 Vgl. Peri hermeneias 13, 23a, S. 32. 442 Peri hermeneias 13, 23a, S. 32f. 443 Vgl. Metaphysik VII 13-16, 1038b ff., S. 159ff. sowie RUSSELL 2002, S. 183.
121
Universellen. Bezogen auf die Vermögen der Möglichkeit,
Statthaftigkeit, Unmöglichkeit und Notwendigkeit differenziert
ARISTOTELES zwischen den aufgezählten Modalitäten und ihrer
Verallgemeinerung. Diese liegt in der Kontradiktion des Notwendigen
und Nicht-Notwendigen. Beide Teile der kontradiktorischen Aussage
erklären sich selbstreferentiell und zweifelsfrei. Was mit
Notwendigkeit ist, ist mit Notwendigkeit; die Nicht-Notwendigkeit
von Sein macht ein Etwas nicht-notwendig seiend. Geringere Stufen
der Verwirklichung von (Nicht-)Notwendigkeit lassen sich nicht
ausmachen. Dagegen gibt es ebensolche bei Möglichkeit,
Statthaftigkeit und Unmöglichkeit. Das Notwendige und seine
Kontradiktion wird daher zum höchsten universellen und zugleich
zum höchsten ontologischen Prinzip erhoben.444
2.1.3 Universalien
Im abschließenden, vierzehnten Kapitel der Schrift Peri hermeneias
werden die letzten Ausführungen auf die anfänglich entfaltete
ARISTOTELische Abbildtheorie zurückgeführt. Logisch wird zunächst
gefragt, ob das der Möglichkeit Konträre die Unmöglichkeit oder die
Nicht-Möglichkeit sei. Zur Beantwortung dieser Frage wird das
Formale auf Materielles, genauer auf Vorgänge in der Psyche bezogen.
Die sprachlichen Aussagen werden mit den Meinungen innerhalb der
menschlichen Seele, die sie abbilden, verglichen. Als Beispiel dienen
bejahende und verneinende Urteile bzw. konträre Meinungen über das
Gute. Das Gute mag als gut, nicht gut oder schlecht aufgefasst
werden.445 Bei ARISTOTELES erscheint das Gute als ein allgemeines
444 Vgl. Metaphysik IX 8, 1050b, S. 194; WEIDEMANN 1994, S. 453 sowie BECKER 1934. 445 Vgl. Peri hermeneias 14, 23a f., S. 33ff.
122
Abstraktum, dessen Charakter einerseits als ontisch-gegenständlich,446
andererseits als logisch-formal beschrieben ist.447
„Es ist aber auch zu erwägen, auf welche [...] Weisen die Natur des Alls das Gute und das Beste enthält, ob als etwas Abgetrenntes, selbstständig an sich Bestehendes, oder als die Ordnung seiner Teile. [...] Oder wohl auf beide Arten zugleich, wie dies bei dem Heer der Fall ist; denn für dieses liegt das Gute sowohl in der Ordnung als auch im Feldherrn, und mehr noch in diesem. Nicht er ist nämlich durch die Ordnung, sondern die Ordnung durch ihn. [...] und es ist doch unter allem am meisten das Gute Prinzip.“448
Das Gute ist das alles Ontische durchdringende, es bestimmende
universelle Prinzip, Seinsgrund (causa essendi) und Zweckursache (causa
finalis). Anders als bei PLATON ist es ARISTOTELisch gedacht nicht
Idee, sondern als Universalie, Wesensbestandteil des Absoluten. Das
bedarf der Erörterung.
Weil es Sein gibt, so denkt ARISTOTELES, gibt es dafür eine
erste, absolute Ursache. Das Sein ist dabei nicht statisch, sondern in
Bewegung. Der Grund für diese Bewegung ist ein Unbewegtes,
Prinzipielles, das jede Bewegung verursacht: Gott als der unbewegte
Beweger. Wesensbestimmungen dieses Göttlichen sind das Schöne,
das Gute und das Intelligible, nach denen zu streben es dem Sein
vorgibt.449 Das Schöne, das Gute und das Intelligible sind
Universalien, allgemeine, prinzipielle Abstrakta. Erstrebt werden sie
als das Schön-Sein (das Ästhetische), das Gut-Sein (das Ethische) und
das Intelligibel-Sein (die Erkenntnis450). Insofern die Erkenntnisweise
des Intelligiblen sprachlich, seine Existenz ontisch ist, ist die Meinung
446 Vgl. Metaphysik IV 1, 1003a, S. 61. 447 Vgl. ULFIG 1997, S. 435f. 448 Metaphysik XII 10, 1075a, S. 264f.; Ausl. v. G.v.S. 449 Vgl. Metaphysik XII 7, 1072a, S. 256ff. 450 Vgl. Metaphysik XII 7, 1072a, S. 256.
123
ein Mittleres zwischen Logik und Ontologie, denn die Universalie ist
im ARISTOTELischen Sinne ein durch sprachliche Abstraktion
gewonnenes Allgemeines mit Seinscharakter. Das heißt, sprachliche
Abstraktion ist der Erkenntnisweg.
Vom empirisch wahrgenommenen Ding bildet sich in der Seele
ein gedankliches Abbild. Der Gedanke setzt sich zusammen aus
Substanz und Akzidenz, denn dem Gegenstand der Wahrnehmung
wird im Gedanken beigefügt, was als bildliche Entsprechung des
realen Gegenstands angenommen wird. Diese gedankliche
Zusammenfügung ist für ARISTOTELES eine Meinung über das Ding.
Dazu ist das Urteil die analoge sprachliche Entsprechung,
zusammengesetzt aus Subjekt und Prädikat, die ja ihrerseits Substanz
und Akzidenz abbilden. Bei zunehmendem Abstraktionsgrad gelangt
der Erkennende über das Prinzipielle/Universelle zum Absoluten. Die
Meinung formuliert sich im Urteilssatz, das Prinzipielle zeigt sich im
Allgemeinbegriff, die logische Abstraktion führt vom Einzelding zum
Absoluten.
Das Gute ist als dessen Wesensmerkmal vom unbewegten
Beweger ins Sein gesetzt. Es gibt Substanziellem Sein vor, das
seinerseits das einzeldingliche Sein bestimmt. Die Art der Ordnung ist
logisch, abgebildet im Sprechen über das Gute. Wird zum Guten eine
Meinung gebildet, so lassen sich nach ARISTOTELES drei
Möglichkeiten unterscheiden, die, dass es gut sei, die, dass es nicht gut
und schließlich die, dass es schlecht sei. Erstere bezeichnet er als
richtig, die beiden anderen als falsch. Weiter wird die Frage
aufgeworfen, in welcher Weise die beiden falschen Meinungen sich
denn zur richtigen konträr verhalten, beide zusammen oder nur eine
der beiden? Auf der Ebene des Universellen besteht nun keine
Notwendigkeit, zwischen Ontologischem und Logischem zu
124
unterscheiden, denn beide fallen in diesem Prinzip zusammen.
Folglich ist hier nicht der Punkt, dass das Konträrsein ausschließlich
von der durch die entgegengesetzten Meinungen bezeichneten
Seinsebene abhinge „[...] sondern vielmehr dadurch, dass sie sich in
konträrer Weise (zueinander verhalten)“451. Das heißt Seinsebene und
Sprachebene wirken zusammen. Die ontische Grundlage der Meinung
über Gut und Schlecht verhält sich ebenso konträr wie ihre
Formulierung in Sprache und der logische Bezug entsprechender
Sätze aufeinander. So ist ontologisch und logisch zu prüfen, ob man
sich in einer Meinung über das Gute täuscht oder nicht.452
Zur Lösung dieses Problems wendet ARISTOTELES die
Kategorienlehre an und scheidet die Meinung in Substanz und
Akzidenz. Das Gute lässt sich sowohl als gut als auch als nicht
schlecht charakterisieren. Beides ist zutreffend, das Charakteristikum
„gut“ hat allerdings substantielle Bedeutung, das Charakteristikum
„nicht schlecht“ ist von diesem nur abgeleitet, also akzidentell. Es
wird als angemessen erörtert, von der Substanz auszugehen und den
Gegensatz zu ihr zu suchen. Das führt eindeutiger zur richtigen
Meinung als quasi einen Umweg über das Akzidentelle zu nehmen.453
Demnach lautet die richtige Meinung zum Guten, dass es gut ist, denn
das entspricht seinem substantiellen Sein. Falsch urteilt derjenige,
welcher das Konträre zu diesem Substanz-Urteil annimmt, „denn das
konträr entgegengesetzte ist von der Art dessen, was sich in bezug auf
dasselbe am meisten voneinander unterscheidet.“454 Diese letzte
Erklärung ist ein logischer Schluss, der aus den ontologischen
Gegebenheiten gezogen wird. Zwar wird die Fehlmeinung, die 451 Peri hermeneias 14, 23b, S. 34; Ausl. v. G.v.S. 452 Vgl. Peri hermeneias 14, 23b, S. 34f. 453 Vgl. Peri hermeneias 14, 23b, S. 35. 454 Peri hermeneias 14, 23b, S. 35.
125
Universalie des Guten als schlecht zu charakterisieren, argumentativ
ernst genommen, um sie ontologisch wie auch logisch zu entkräften,
doch ist ein Schluss, der sich am Nicht-Ontischen orientiert auch
nicht logisch.455
Auf der Suche nach einer Gesetzmäßigkeit für Konträres und
Kontradiktion kommt ARISTOTELES letztendlich zu dem Schluss, dass
sich unter Abwägung des ontologisch Gegebenen und dessen
logischen Gesetzmäßigkeiten Wahres und Falsches festlegen lässt.
Wenn auch die empirischen Wahrnehmungen des Menschen und
seine seelische Intelligibilität den Ausgangspunkt des Denkens bilden,
dass mittels sprachlicher Abstraktion Erkenntnis möglich ist. Vom
Namen für ein Einzelding über kategorielle Aussagesätze zum
Allgemeinen fortschreitend, unter stringenter Ausrichtung auf
Ontologie und Logik gelingt Erkenntnis.
Die auf Erkenntnis zielende intelligible Verarbeitung von empirisch
wahrgenommenen Einzeldingen in der Seele vollzieht sich sprachlich.
Das vernünftig Erkannte ist nämlich in Sprache abgebildet, denn der
substantiellen Seele gehört die Möglichkeit zu „grammatischem
Wissen“456 wesensnotwendig zu. Weil es reale Sprache gibt, muss es
notwendig auch zugrundeliegende substantielle Sprache geben, denn
„[w]enn also die ersten Substanzen nicht existieren, ist es unmöglich,
daß etwas von dem anderen existiert“457. Analog dazu wird nicht
gesprochen, wenn eine erste substantielle Aussage nicht ist. Da
gesprochen wird und ARISTOTELES von einer substantiellen
Grundlage ausgeht, kann mit dieser Sprache auf
gebrauchstheoretische Weise Erkenntnissuche erfolgen. Die Methode
455 Vgl. Peri hermeneias 14, 23b, S. 35. 456 Kategorien 2, 1b, S. 9. 457 Kategorien 5, 2a, S. 11; Änd. v. G.v.S.
126
ist als Abstraktion zu benennen. Abstrahiert man ontologisch von
allem Akzidentellen der Substanz, bzw. logisch von allem Prädikativen
des sprachlichen Subjekts, gelangt man ontologisch betrachtet zu einer
Meinung, logisch zu einem Urteil. Das sprachliche Urteil bestehend
aus Subjekt und Prädikat entspricht auf der Seinsebene dem
Substanziellen und Akzidentellen der Meinung. Es liegt ein
gegenseitiges Abbildverhältnis bei Verortung in der Seele vor.
Vermittels weiterer Abstraktion gelangt man schließlich zu den
Universalien. Die abstrahierte Universalie beinhaltet die Möglichkeit
zur Wahrheitserkenntnis. Eine auf der Ontologie aufbauende logische
Analyse verweist auf den Allgemeinbegriff mit Seinscharakter, dessen
wahrer Substantialität man habhaft werden kann. Dieser
Erkenntnisweg kann sprachlich gelehrt werden, was ARISTOTELES
zwar nicht ausführt, sich aber an seinem Umgang mit Sprache in der
Rhetorik458 und den Sophistischen Widerlegungen zeigt. Der Umgang mit
Sprache erscheint sinnvoll, da er Erkenntnis eröffnet.
458 Vgl. dazu DÖRPINGHAUS 2002, S. 59ff.
127
THOMAS VON AQUIN (1224/25-1274)459
459 Abbildung: CHENU 1998, S. 106. Daten: Vgl. CHENU 1998, S. 168f.
128
2.2 „verbum significat conceptum intellectus – Das Wort bezeichnet die Erkenntnis des Geistes“460: Reden bei THOMAS VON AQUIN
I. Gott ist causa efficiens.
I.I Ontologisch betrachtet ist er die Wirkursache allen
Seins, das Wissen und Wahrheit einschließt.
I.II Logisch betrachtet ist er die Wirkursache von
Sprache, dem Medium der Vermittlung von
Wissen und Wahrheit.
II. Effizient ist Gott hinsichtlich seines Seins universales
Prinzip, dessen logische Form das Schweigen ist.
III. Universal-Prinzipielles und Schweigen sind dem Inneren
zugeordnet, entziehen sich empirischer Erfahrbarkeit.
IV. Gott gelangt schöpfend und zeugend vom Urgrund des
Seins ins Sein, vom Inneren ins Äußere.
IV.I Mit der Schöpfung liegt ein Abbild Gottes vor, das
hinter der Vollkommenheit des Schöpfers
zurückbleibt, ihm nicht wesensgleich ist.
IV.II Mit der Zeugung Christi liegt ein an Gott
teilhabendes, vollkommenes, ihm wesensgleiches
Abbild Gottes vor.
V. Schöpfung und Zeugung sind sprachlich.
V.I Gott bewirkt durch schöpferischen Übergang vom
inneren Schweigen zur äußeren Rede
Kreatürliches.
V.II Gott bewirkt durch zeugenden Übergang vom
inneren Schweigen zum äußeren Christus-Wort
Göttliches.
460 S.th. I.34.1., eigene Übersetzung, vgl. Das Wort I, S. 15.
129
V.III Da Schöpfung wie auch Zeugung den Übergang
vom Schweigen zum Reden markieren, ähneln sie einander
so weit, dass Verstehen ermöglicht ist.
VI. Christus ist Gott und Mensch. Er ist summus magister.
VI.I In ontologischer Hinsicht trägt er materiell Gottes
Sein in menschlicher Form.
VI.II In logischer Hinsicht bringt er das materielle
Schweigen Gottes in die Form menschlicher Rede.
VI.III Gott und Schöpfung haben in Christus aneinander
Teil.
VI.III.I Die Schöpfung wird in Christus zum
Göttlichen erhoben. Auch das
Geschöpf Mensch kann Lehrer sein.
VI.III.II Das Reden hat im Christus-Wort
Anteil am göttlichen Schweigen. Auch
die Rede des Geschöpfes Mensch kann
lehrend gebraucht werden.
VII. Der Mensch hat teil an göttlichem Sein und göttlicher
Sprache.
VII.I Göttliches Sein ist materialiter wissend und wahr.
Gott ist causa efficiens und causa finalis für Wissen
und Wahrheit.
VII.I.I Gott legt als intellectus seminales,
Anfangsgründe, in Form von
universellen Prinzipien im Innern des
Menschen an.
VII.I.II Gott stattet den Menschen mit dem
intellectus agens, dem tätigen Verstand,
aus.
VII.I.III Der Mensch kann, ontologisch
130
betrachtet, wahres Wissen erlangen.
VII.II Göttliche Sprache ist formaliter
schweigend und redend.
VII.II.I Göttliche Sprache ist die Form,
die Materien des Wissens und
der Wahrheit abzubilden.
VII.II.II Das Schweigen entspricht
formell den inneren
Anfangsgründen. Das Reden
ist die äußere Tätigkeit,
Unbekanntes zu erschließen.
VII.II.III Der Mensch kann logisch
wahres Wissen erlangen.
2.2.1 Ontologische und logische Kausalität
Die Sprachauffassung des THOMAS VON AQUIN ist durch sechs
Momente gekennzeichnet: Er unterscheidet ein menschliches Wort
von einem göttlichen Wort, ein inneres von einem äußeren und, daran
gebunden, eine innere und äußere Wahrheitsbelehrung.461 Diese
THOMASische Logik gilt es im Folgenden zu erörtern. Zunächst ist sie,
wie alles im Weltbild des THOMAS, ontologisch verbürgt. Die
Ontologie ihrerseits ist gebunden an die Gottesvorstellung. Gott ist
nach THOMAS reine Substanz, selbst ohne akzidentelle Attribute, aber
ursächlicher Grund von allem und für alles. Das heißt genauer: Die
Gegenstände der Welt sind in ihrem Sein von Gott wirkursächlich
(causa efficiens), zielursächlich (causa finalis), stofflich (causa materialis) und
formal (causa formalis) bestimmt. Gott ist erste Ursache alles Ontischen
461 Vgl. S. c. g. IV.46, sowie Qu. disp. d. ver. II.1.7.
131
(causa prima). Er ist in und durch sich selbst wirklich und notwendig,462
denn: „Gott ist sein Sein selbst. Das kann von keinem anderen Wesen
ausgesagt werden.“463 Gott wird also betrachtet als ein sich selbst
einschließendes Prinzip. Dies auf Sprachliches bezogen bedeutet, Gott
ist der Ursprung von Sprache.
„Nam sicut verbum nostrum in mente conceptum invisibile est, exterius autem voce prolatum sensibile fit, ita Verbum Dei secundum generationem aeternam in corde Patris invisibiliter existit, per incarnationem autem nobis sensibile factum est. Unde Verbi Dei incarnatio est sicut vocalis verbi nostri expressio. – Gleichwie nämlich unser Wort unsichtbar ist, wenn es vom Geist konzipiert wird, und sinnlich wahrnehmbar wird, wenn man es sprechend äußert, so existiert das Wort Gottes der ewigen Zeugung gemäß unsichtbar im Herzen des Vaters, doch ist es uns durch die Inkarnation sichtbar geworden. Daher gleicht die Inkarnation des Wortes der stimmlichen Verlautbarung unseres Wortes.“464
Verursachend, aber auch logisch ordnend, das heißt begrifflich,
grammatikalisch, syntaktisch, semantisch konzipierend, gibt Gott
Sprache vor. Diese göttliche Sprache steht empirischer Wahrnehmung
nicht offen, denn sie ist ungelautet, genauer: schweigend. Darauf
verweist die THOMASische Auffassung, dass die Gott angemessene
Anbetung durch den Menschen sich schweigend vollziehe.465 Lautung
und damit Verstehbarkeit für den Menschen erfährt die Sprache mit
der, bzw. durch die Zeugung und Geburt Christi. Die Inkarnation
Gottes in Menschengestalt zeigt sich unter anderem hinsichtlich der
göttlichen Sprache. Vom effizienten Ungelautet-Sein geht sie dabei in
ein erfahrbares Gelautet-Sein über. Dieser Übergang steht für
THOMAS in Analogie zum Übergang der menschlichen Sprache von
462 Vgl. SCHÖNBERGER 2001, S. 42ff. 463 PIEPER 1965, S. 78, i. Orig. teilw. hervorgeh., Spir. creat. I. 464 S. c. g. IV.46, S. 308f. 465 Vgl. In Trinitate II.1.6.
132
einer gedanklichen, aber noch ungelauteten Sprachlichkeit im Innern
hin zum artikulierten Gedanken, sobald gesprochen wird.
Das bis hierher Dargelegte steht in einem größeren
Zusammenhang, der den Menschen zunächst in ontologischer
Hinsicht auf Gott als seine Wirkursache und seine Zielursache
zugleich hingeordnet sein lässt. Er ist unvollkommen, strebt aber nach
Vollkommenheit und damit nach Gott. Für das eigene Sein, das ist die
Vollendung der Seele,466 heißt das, danach zu streben, Gott ähnlich zu
werden.467 Die genannte Vollendung erlangt die Seele nach THOMAS in
Stufen zu Gott aufsteigend. Die außer der Liebe wesentliche Weise
ihrer Annäherung ist dabei die Erkenntnis,468 ihre Gegenstände die
Dinge der von Gott geschaffenen Welt.469 Der auf Gott gerichtete
erkenntnissuchende Mensch ist Teil der Schöpfungsordnung.470
Abbildtheoretisch argumentiert, wäre zu fordern, dass die Dinge, da
von Gott geschaffen, sein Wesen abbilden. Das vermögen sie aber
laut THOMAS lediglich in Defizienz. Folglich ist es der menschlichen
Seele auch nicht möglich, vollkommen zu erkennen, ist nämlich der
Erkenntnisgegenstand schon defizitär, so muss es auch die an ihm
orientierte Erkenntnis sein. Darüber hinaus wird das seelische
Erkenntnisvermögen hinsichtlich seiner Vollkommenheit in Zweifel
gezogen.471 Wie schon bei AUGUSTINUS472 kommt bei THOMAS an
466 Vgl. S. c. g. II.87, S. 434f. 467 Vgl. S. c. g. III.21, S. 74f. sowie GUMANN 1999, S. 102. 468 Vgl. S. c. g. II.87, S. 434f. Der Erkenntnis-Begriff ist in diesem Zusammenhang
metaphysisch gefasst. (Vgl. SIEWERTH 1968, S. 17ff.) 469 Die Dinge werden von THOMAS den ARISTOTELischen Kategorien entsprechend als
Substanzen und Akzidenzien gedacht, Gott als ihre Wirkursache. (Vgl. KENNY 1999, S.
59ff.) 470 Vgl. dazu MENSCHING 1995, S. 60ff. 471 Vgl. Qu. disp. d. ver. V.2.2.
133
dieser Stelle das credere als notwendige Vorstufe des intelligere zum
Tragen: „Ein jeder, der lernt, muß glauben, damit er zu
vollkommenem Wissen gelange.“473 Das bedeutet, diejenige
Annäherungsweise an Gott, die auf seine Erkenntnis abzielt – das
Lernen also – hat als ihre notwendige Vorstufe den Glauben, denn
zunächst ist vor eine tatsächlich wissende Einsicht in Göttliches das
menschliche Unvermögen gestellt. So hat der Mensch zu glauben,
bevor er zu wissen vermag. Allerdings liegt laut THOMAS auch im
Glauben eine gewisse Defizienz, weil „der Glaube [...] eine
unvollkommene Erkenntnis“474 ist. Somit sucht der Mensch auf der
Basis des Glaubens fortschreitend zur Erkenntnis Gottes zu gelangen.
In Bezug auf die erkenntnissuchende Annäherung des
Menschen an Gott greift nun die logische Abbildtheorie des THOMAS,
nach der zuallererst jede „Kreatur nichts anderes denn eine
gegenständliche Ausprägung und Abbildung dessen [ist], was im
Inbegriff des göttlichen Wortes enthalten ist“475. Auch wenn die
geschaffenen Dinge hinter der göttlichen Vollkommenheit
zurückbleiben, verweisen sie auf ihren Urgrund. Die Art und Weise
des Verweisens ist dabei eine sprachliche, denn die Schöpfung
vollzieht sich dadurch, dass Gott seinen Schöpferwillen ausspricht,
das heißt, von schweigender Innerlichkeit in gelautete Äußerlichkeit
transformiert. Insofern Gott innerlich wie äußerlich vollkommen ist,
hat sein Wort schöpferische Wirkmacht.
472 Vgl. AUGUSTINUS: Epistola CXX.3 sowie Kapitel 1.2.1 dieser Arbeit. Zum
Zusammenhang des THOMASischen Werkes mit der „Augustinischen Tradition“ siehe
CHENU 1960, S. 46ff. 473 PIEPER 1965, S. 90, i. Orig. teilw. hervorgeh., vgl. S. th. II.II.2.3. 474 PIEPER 1965, S. 93, vgl. Comp. Theol. II.1. 475 PIEPER 1965, S. 82, i. Orig. teilw. hervorgeh., vgl. S. c. g. IV.42, S. 294ff.
134
Von dieser kreativen Sprache Gottes ist in THOMASischem
Sinne seine Wort-Zeugung, sein sich selbst Benennen, Christus,
substantiell zu unterscheiden. Er ist das ihm wesensgleiche, aber
gelautete und somit für die Menschen vernehmbare Wort, denen er
zugleich wesensmäßig zugehört, insofern er für sie verstehbar ist. Als
Geschöpfe sind die Menschen sprachlich betrachtet „Stammelnde“476;
ihr gelautetes Wort ist im Vergleich zu dessen Urgrund
unvollkommen. Der gezeugte Christus ist göttlich-vollkommen,
gleichzeitig aber für die Schöpfung Mensch verstehbar.477 Christus ist
das vollkommene Abbild, „zu dessen Begriff es gehört, Bild seines
Ursprungs zu sein“478. In ihm fallen Gott und seine Schöpfung
zusammen,479 was Christus zum sprachlichen „Mittler – mediator“480
zwischen der „Ur-Wahrheit – verum et ens“481 Gott und dem ihn mittels
Erkenntnis suchenden Menschen werden lässt, denn
„[i]ndem der Vater sich selbst und den Sohn und den Heiligen Geist erkennt und alles andere, was in seinem Wissen einbeschlossen ist, zeugt er das Wort, so daß auf solche Weise und Worte die ganze Dreieinigkeit ausgesagt ist und zugleich alle Kreatur.“482
In der Zeugung Christi liegen Erkenntnis, Erkannt-werden-lassen, und
Lautung als der Übergang vom Schweigen zum Reden. Dieser
Übergang ist die Zeugung und Geburt des Christus-Wortes, seine
Materie ist kreatürlich, so dass es verstanden wird, seine Form bleibt
göttlich, so dass es Gott verstehbar macht.
476 PIEPER 1965, S. 88, i. Orig. teilw. hervorgeh., S. th. I.22.1.1. 477 Vgl. ebd. 478 PIEPER 1965, S. 95, S. th. I.38.2.1. 479 Vgl. S. th. I.37.2.3. 480 S. th. III.26.1. 481 Qu. disp. d. ver. XVI.3.2, vgl. PIEPER 1965, S. 73. 482 PIEPER 1965, S. 94, i. Orig. teilw. hervorgeh., vgl. S. th. I.34.1.3.
135
THOMAS denkt die Menschwerdung Gottes dergestalt, dass
nicht nur Gott sich zu den Menschen herablässt; vielmehr wird in
Christus umgekehrt die Schöpfung zur Gottheit erhoben:483
„una Verbi hypostasis Verbi et animae et corporis extisit hypostasis. [...] Talis erat susceptio illa, quae Deum hominem faceret et hominem Deum. –Das Wort Gottes hat Leib und Seele, eins mit dem anderen verknüpft, angenommen. [...] So hat diese Annahme Gott zum Menschen und den Menschen zu Gott gemacht.“484
Hier wird die Erkenntnis des göttlichen Wesens und der göttlichen
Wahrheit durch die ohnehin als „Verstandeswesen– creaturae [...]
intellectuales“485 gedachte Schöpfung möglich.
„Wenngleich das Wort Gottes mit seiner Kraft alles durchdringt, indem es ja alle Dinge im Sein bewahrt und trägt, so vermag es sich doch, auf Grund einer Verwandtschaft der Ebenbildlichkeit, auf höhere und auf unsagbare Weise zu vereinigen mit der geistbegabten Kreatur, die des Wortes im eigentlichen Sinne zu genießen und an ihm teilzuhaben vermag.“ 486
Das Christus-Wort ist Träger des Seins Gottes und zwar sowohl als
prinzipielle causa efficiens als auch in deren geschaffener Ausformung.
Es gestattet eine doppelte Teilhabe487, die Teilhabe Gottes an jeglicher
Schöpfung wie auch die Teilhabe der Schöpfung an Gott.
485 S. c. g. IV.41, S. 294f.
483 HABBEL spricht hier von einer „Analogie“ zwischen Kreator und Kreatur. (Vgl.
HABBEL 1928) Vgl. dazu auch BATHEN 1988, S. 196ff. sowie WIPPEL 1993, S. 89ff.
BAßLER geht sogar so weit, den Beweis der Ontologie Gottes an die Ontologie der
menschlichen Seele zu binden. (Vgl. BAßLER 1970, S. 58ff.) 484 S. th. III.50.4.1 – PIEPER 1965, S. 99.
486 PIEPER 1965, S. 94; i. Orig. teilw. hervorgeh., vgl. S. c. g. IV.41, S. 294f. 487 Den Gedanken der Teilhabe führt THOMAS auf die PLATONische Ideenlehre zurück.
An die Stelle der Idee tritt bei ihm Gott, allerdings in der Form seiner gelauteten
Sprachlichkeit, nämlich Christus. Vgl. In Col. I.4, zit. nach PIEPER 1965, S. 94 sowie
WIPPEL 1993, S. 93ff.
136
In diesem Zusammenhang wird Christus in Anlehnung an
AUGUSTINUS auch von THOMAS als summus magister verstanden. Christi
Wort-Sein bildet in vollkommenerer Weise Gottes Wesen als
Erkenntnisgrund und Erkenntnis mit ontologischem Charakter488 ab
als das kreatürliche Wort. Dementsprechend vermag Christus in
vollkommenerer Weise zur Erkenntnis Gottes zu führen als ein
anderer Lehrer. Er lehrt als inneres Wort. Seine Schüler sind
Hörende.489 Gleichwohl erachtet THOMAS es als möglich, dass es
außer Christus noch andere Lehrer geben mag.
2.2.2 De magistro – Die THOMASischen Artikel Über den Lehrer
Auf entsprechende Überlegungen bezieht er sich Quaestio XI der
Quaestiones disputatae de veritate und Pars I, quaestio 117, articulus 1 der
Summa theologiae.490 Es handelt sich dabei um jene Auszüge aus dem
Werk des THOMAS, die – angelehnt an den AUGUSTINischen Dialog
über den Lehrer491 – mit De magistro492 betitelt sind und Probleme der
Erkenntnisvermittlung behandeln. Die Artikel stehen unter den
Leitfragen: 488 Vgl. S. c. g. IV.13. 489 Vgl. S. th. III.42.4. 490 Der von der Forschung auf PETRUS ABAELARDUS Schrift Sic et non zurückgeführten
scholastischen Methode (Vgl. GRABMANN 1911, S. 200) entsprechend arbeitet THOMAS
zu zeitgenössischen theologisch-philosophischen Fragestellungen Argumentationen aus,
bei denen unter Einbeziehung von Bibelzitaten oder anderen wissenschaftlichen
Lehrmeinungen das Pro und das Contra abgewogen werden, bevor die genuin
THOMASische Beantwortung der Frage bei nochmaliger Wendung gegen die
zurückgewiesenen Argumente gegeben wird. (Vgl. auch KLUXEN 1972, S. 178f.) BERGER
verweist auf den Zusammenhang des Aufbaus des THOMASischen Werkes mit den
Gepflogenheiten einer Lehrveranstaltung im 13. Jahrhundert, deren Abbild es ist. (Vgl.
BERGER 2004, S. 13) 491 Vgl. z.B. THOMAS: De magistro, Qu. XI, art. 1, S. 2, S. 6, S. 8 u.a. 492 Vgl. THOMAS: De magistro.
137
• „Kann ein Mensch lehren und Lehrer genannt werden oder
allein Gott?“493,
• „Kann jemand Lehrer seiner selbst genannt werden?“494,
• „Kann der Mensch von einem Engel unterrichtet werden?“495,
• „Ist das Lehren eine Tätigkeit des praktischen oder
kontemplativen Lebens?“496 und schließlich
• „Kann ein Mensch einen anderen unterrichten?“497
2.2.2.1 Der Lehrer
In seiner Beschäftigung mit dem Wesen der Lehrtätigkeit498 wirft
THOMAS als erste Frage die nach der Lehrbefähigung des Menschen
auf, wobei dieser hinsichtlich der genannten Fähigkeit mit Gott
verglichen wird.499 Gott ist bei THOMAS das Maß allen Seins
schlechthin, da causa efficiens, Wirkursache und causa finalis500
Zielursache, in einem.501 Folglich ist er auch in diesem Aspekt
menschlichen Seins der Vergleichspunkt. Zunächst wird argumentiert,
allein Gott könne lehren und deshalb Lehrer genannt werden.502
Hierin folgt THOMAS zuallererst AUGUSTINUS, genauer dessen
Zeichentheorie aus De magistro. Ein Lehrer habe ausschließlich die
Möglichkeit, durch Zeichen zu unterrichten. In diesem
Zusammenhang ist der Zeichenbegriff weit gefasst; verwiesen wird
493 THOMAS: De magistro:, Qu. disp. d. ver., Qu. XI. 1, S. 2ff. 494 THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI. 2, S. 34ff. 495 THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI. 3, S. 42ff. 496 THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.4, S. 66ff. 497 THOMAS: De magistro: Sum. Theol., Qu. CXVII. 1, S. 74ff. 498 Vgl. JÜSSEN/KRIEGER/SCHNEIDER 1988, S. IX. 499 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1; S. 2f. 500 Vgl. S. th. I.I.7 sowie BERGER 2004, S. 47. 501 Vgl. dazu GUMANN 1999, S. 82ff. 502 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.18; S. 2-11 sowie S. th. I.1.1.
138
nicht nur auf sprachliche Zeichen, also Semantisches, sondern auch
auf Beispiele gestischen Zeigens.503 Die Möglichkeiten, durch Zeichen
zu lehren sind aber als äußerst begrenzt dargestellt:
„[...] per signa non potest deveniri in cognitionem rerum quia rerum cognitio potior est quam signorum cum signorum cognitio ad rerum cognitionem ordinetur sicut ad finem effectus autem non est potior sua causa; [...] – [...] durch Zeichen kann man nicht zur Erkenntnis der Sachen kommen, da die Erkenntnis der Sache vorrangig ist gegenüber der der Zeichen, weil letztere auf die Erkenntnis der Sachen als ihr Ziel hingeordnet ist. Eine Wirkung aber ist dem Rang nach nicht höher als ihre Ursache; [...]“504
Das Zeichen als Abbild des Gegenstandes vermag nur vermittelt
dessen Erkenntnis zu ermöglichen. So wie Gott erste Ursache ist, wird
auch der von ihm verursachte Gegenstand zwar als ihm hierarchisch
untergeordnet, aber doch als Ursache betrachtet. Er verursacht seine
eigene Erkenntnis einerseits, sein ihn abbildendes Zeichen
andererseits. Das Zeichen ist lediglich die verursachte Wirkung des
verursachenden Dinges. Insofern die Ursache der Erkenntnis – das
Ding – seiner Erkenntnis hierarchisch näher ist als das durch sie
bewirkte Zeichen, kann es nur indirekt auf die Erkenntnis verweisen.
Zeichengebrauch ist lediglich sinnvoll, sofern er entweder „zum
Wissen vorbereitet – ad scientiam dispositor“, was dem Kultivieren
verglichen wird,505 oder auf bereits Erkanntes verweist. Die
Erkenntnis selbst kann nicht durch Zeichen bewirkt werden.506 Aus
diesen Gründen wird ein zeichenhaftes Lehren durch Menschen als
nicht zweckmäßig eingestuft.
503 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.2; S. 2f. 504 Vgl. ebd.; auch THOMAS: De magistro: S. th. I. 1. 4. 505 THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.8; S. 6f. 506 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.3; S. 4f. sowie AUGUSTINUS: De
magistro IV.7 und AUGUSTINUS: De magistro XI.38ff.
139
THOMAS definiert die Tätigkeit des Lehrens als das Verursachen
von Wissen in einem anderen. Wissen, scientia, verortet er im Verstand,
intellectus.507 Demgegenüber wirken Zeichen auf die Sinne und können
im Verstand kein Wissen bewirken. Da der Zeichengebrauch als
einzige Weise betrachtet wird, in der ein Mensch zu lehren versuchen
kann, lehrt er nicht, da er so kein Wissen verursacht.508 Die Fähigkeit,
in einem Menschen Wissen zu bewirken, schreibt THOMAS allein Gott
zu. Für die Möglichkeit von Wissen und Wissenszuwachs nimmt er
nämlich „Anfangsgründe“509, „seminales“, an, die im Menschen
grundgelegt sein müssten. Wissen werde darüber hinaus im Innern des
Geistes bewirkt, und zwar mittels Erleuchtung durch Wahrheit. Da
„Wissen“ von THOMAS betrachtet wird als „Angleichung des
Wissenden an das Gewußte – assimilatio scientis ad scitum“510 erfahre der
Lernende durch Wissenszuwachs einen „Gestaltwandel“511. Auch
bedürfe es der Gewissheit, die Wissen erst zur Erkenntnis mache. Sie
komme dem Wahren am nächsten und werde durch es selbst
verursacht. Das Verursachen von Wissen wird als der Schöpfung
entsprechend gedacht. THOMAS stellt schließlich einen Vergleich von
Unwissenheit und Schuld an; von beiden könne kein Mensch einen
anderen befreien. Alle bis hierher genannten Bedingungen von
Wissenszuwachs vermöge ausschließlich Gott zu schaffen:512 „[...] Nur
Gott kann den Geist des Menschen bilden [...] – [...] nihil potest formare
507 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.4; S. 4f. 508 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.4; S. 4f. Damit bezieht sich
THOMAS ebenfalls auf AUGUSTINUS, genauer auf dessen Unterscheidung von „verberare“
und „noscere“ (Vgl. AUGUSTINUS: De magistro V.13). 509 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.5; S. 6f. 510 THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.11; S. 8f. 511 THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.10; S. 8f. 512 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.5; S. 6f. bis THOMAS: De magistro:
Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.16; S. 10f.
140
mentum hominis nisi solus Deus [...]“513, zitiert THOMAS AUGUSTINUS. Die
Argumentation gegen einen Menschen als möglichen Lehrer gipfelt in
sprachtheoretischen Überlegungen. Gewissheit ist ausschließlich
dadurch zu erlangen, dass man innerlich „die Sprache der Wahrheit
hört – audit veritatem loquentem“. Diese erklinge keinesfalls im Sprechen
des Lehrers, in der locutio magistri,514 sondern werde allein von Gott
gesprochen.515
In seiner Beantwortung der aufgeworfenen Frage nach der
Fähigkeit des Menschen zu lehren geht THOMAS allerdings von der
Möglichkeit aus, dass sich der Mensch überhaupt Wissen aneignet.516
Diese Möglichkeit denkt er in der Differenz zweier
zusammenwirkender Momente. Den menschlichen Intellekt sieht er
als Zusammensetzung aus durch göttliche Schöpfung vorgegebenen
„ursprünglich[en] Inhalte[n] des Verstandes – primae conceptiones
intellectus“ und der Fähigkeit des tätigen Verstandes, intellectus agens517,
auf dessen Basis empirisch Wahrgenommenes verarbeitet werde.518
513 THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.15; S. 8f.; Ausl. v. G.v.S. Vgl.
AUGUSTINUS: D. Gen. a. litt. III.20. 514 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.18; S. 10f. 515 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.17; S. 10f. 516 Dies korrespondiert mit der ARISTOTELischen Auffassung, dass der Mensch zu
Wissen und Wissenschaft fähig sei. (Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.5;
S. 12f.) 517 Vgl. beides: THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1 responsio; S. 16f.; Änd. v.
G.v.S. 518 Es ist darauf hinzuweisen, dass die THOMASische Vorstellung vom menschlichen
Intellekt durchaus komplexer ist. Er betrachtet denselben in verschiedenen Hinsichten.
Einerseits geht er von den universellen Verstandesprinzipien aus, die den göttlichen
Urgrund des Intellekts bezeichnen. Sie sind allerdings nicht inhaltlich gefüllt, sondern als
Möglichkeit (intellectus possibilis) gemeint. Im Sinne dieser Potenz hat der menschliche
Intellekt einen „passiven, rezeptiven Charakter“ (GRABMANN 1935, S. 152; i. Orig. teilw.
hervorgeh.) als intellectus passivus. Sofern er aber aus empirischen Wahrnehmungen
141
Die Ursprungsinhalte519 haben in dieser Konzeption den Charakter
des Universellen und Prinzipiellen. Sie sind Ursache des Vermögens,
das Besondere zu erkennen, worin für THOMAS das Erlangen von
Wissen besteht.520 Den beiden Möglichkeiten des Verstandes
entsprechend – prinzipiell und tätig zu erkennen – unterscheidet er
weiter zwei Arten des Wissenserwerbs, das Erfinden und das Lernen.
Unter Anwendung der „keimhaften“521 „Naturanlage“522, der bereits
inhaltlich verfassten prinzipiellen Verstandeskräfte, erfinde man etwas
Neues ganz aus den dem eigenen Verstand innewohnenden
Erkenntnisfähigkeiten. Wenn man sich hingegen den Dingen und der
in ihnen und durch sie wirkenden Vernunft zuwende, quasi aus den
eigenen Prinzipien heraustrete, lerne man.523 Im zweiten Fall kann ein
Lehrer nach seiner Auffassung unterstützend das Lernen fördern,
indem er die Prinzipien der Erfindung durch die natürlich angelegte
Verstandestätigkeit, so wie er sie von sich selbst kennt, nachahmt.
„Processus autem rationis pervenientis ad cognitionem ignoti inveniendo est ut principia communia per se nota applicet ad determinatas materias et inde procedat in aliquas particulares conclusiones et ex his in alias; unde et secundum hoc unus alium dicitur docere quod istum decursum rationis, quem in se facit ratione naturali, alteri exponit per signa, et sic ratio naturalis discipuli per huiusmodi sibi proposita sicut per quaedam instrumenta pervenit in cognitionem ignotorum. – Der Fortgang der Vernunft vom Bekannten zum Unbekannten auf dem Wege der Erfindung besteht nun darin, daß sie die allgemeinen und durch sich selbst evidenten Prinzipien auf bestimmte Inhalte anwendet und von dort aus zu besonderen Schlußfolgerungen
Erkenntnisse bildet, ist er tätig zu nennen (intellectus agens). (Vgl. insges. GRABMANN 1935,
S. 146ff.) Für den Zusammenhang dieser Arbeit sind allerdings das Universal-Prinzip und
die Erkenntnisfähigkeit des Menschen von primärer Bedeutung. 519 Vgl. auch SCHNEIDER 1988a, S. 89. 520 Vgl. ebd. 521 THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1 responsio; S. 16f. 522 THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1 responsio; S. 18f. 523 Vgl. ebd.
142
gelangt und von hier aus wiederum zu weiteren. Genau in diesem Sinne nennen wir jenen Vorgang ‚Lehren‘, in welchem der Lehrende den vorhin geschilderten Vernunftprozeß, den er in sich selbst kraft der seiner Natur eigenen Vernunft in Gang setzt, einem anderen durch äußere Zeichen vermittelt; und so gelangt dann auch die im Lernenden als Natur angelegte Vernunft durch solcherart gleichsam als Mittel und Werkzeug bewirkte Zeichenvermittlung zur Erkenntnis von noch Unbekanntem.“ 524
Die universellen dem Verstand innewohnenden Prinzipien werden auf
neue, noch unbekannte Inhalte angewandt. Durch eine solche
Übertragung wird Wissen geschlussfolgert. Damit erweist sich Lernen
als Vorgang der „Selbsttätigkeit“525, die ein Lehrer lediglich
unterstützend begleiten kann. Er leitet dabei aus seinen eigenen
Verstandesprinzipien und seiner Autodidaktik ab, wie dies zu tun ist.
In seinem Vermittlungsprozess gebraucht er Zeichen als
Werkzeuge,526 um zur Erkenntnis anzuregen. Ein Erkenntnisprozess,
der den angeborenen Verstandesprinzipien entspricht, führt zu
Gewissheiten, hält also der Wahrheitsprüfung stand, wohingegen ein
Suchen nach Erkenntnis ohne oder wider diese Prinzipien nur eine
Meinung zu erzeugen vermag, die nicht eindeutig als wahr oder falsch
klassifiziert werden kann. Dabei ist die Prüfung der Erkenntnis
anhand des zugrundeliegenden Prinzips derart zu denken, dass ihre
Negation auch das Prinzip negieren würde. Ist das nicht der Fall, kann
von Erkenntnis gesprochen werden.527 Begründet sind diese
Überlegungen in Gott, der als Wahrheit gedacht wird und dessen
Schöpfung die angeborenen, keimhaften, universellen Prinzipien des
Verstandes bewirkt hat. Er ist Maßstab der Wahrheit wie auch der
eigentliche Lehrer im Innern des menschlichen Verstandes, denn die
524 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1 responsio; S. 20f. 525 Ebd. 526 Vgl. PLATON: Kratylos 388b, S. 123 sowie Kapitel 1.1.1 dieser Arbeit. 527 Vgl. S. th. I.82.2 sowie KÜHN 1982, S. 392 und SCHNEIDER 1988a, S. 127.
143
in ihm begründeten Prinzipien bewirken jede weitere Selbsttätigkeit
des Verstandes, die zur Erkenntnis führt.528 Daraus folgt zweierlei:
Einerseits ist eine Lehre durch Gott höher einzuschätzen als
menschliche Lehre. Letztere ist anhand der im Innern empfangenen
göttlichen Wahrheit zu hinterfragen.529 Andererseits kann der Mensch
in Nachahmung göttlichen Lehrens Lehrer sein, sofern er durch die
Einpflanzung göttlicher Prinzipien in seinen Verstand ihnen folgend
auf der Erkenntnissuche selbst tätig wird.530 Hierbei ist es sinnvoll,
Zeichen anzuwenden, sofern man Unbekanntes lehren will.531 Mit dem
Einsatz von Zeichen greift der Lehrer auf bekannte Kategorien, z.B.
„‚Lebewesen‘“, „‚Substanz‘“, „‚seiend‘“, „Subjekt“532 zurück, die den
Status des Prinzipiellen haben. Lehrender Zeichengebrauch nimmt sie
zur Grundlage, um Neues zu erschließen.533 Das Lernen, welches
dieser Regel folgt, ist allerdings bei aller Lehre als Selbsttätigkeit
aufzufassen:
„[...] dicendum quod ex sensibilibus signis quae in potentia sensitiva recipiuntur, intellectus accipit intentiones intelligibiles quibus utitur ad scientiam in se ipso faciendam: proximum enim scientiae effectivum non sunt signa sed ratio discurrens a principiis in conclusiones, ut dictum est. – Aus den im Sinnesvermögen aufgenommenen sinnfälligen Zeichen entnimmt der Verstand das Intelligible als die Bedeutungen, mit deren Hilfe er in sich selbst das Wissen zustande bringt. Denn die nächstliegende Wirkursache des Wissens sind, wie gesagt, nicht die
528 HELMER weist darauf hin, dass – THOMASisch gedacht – Gott als ein Erkennender
schaffe und damit die Erkenntnismöglichkeit des Menschen bewirke. Der Mensch ist als
von einem erkennenden Gott bewirkt erkennend, ja sogar schaffend. (Vgl. HELMER
1998, S. 108) 529 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.1; S. 22f. 530 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1 responsio; S. 20ff. 531 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.2; S. 22ff. 532 Insges.: THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.3; S. 24f. 533 Vgl. ebd.
144
Zeichen, sondern die Vernunft und ihre Bewegung von den Gründen zu den Folgerungen.“534
Die vom Lehrer vorgebrachten Zeichen werden empirisch erfahren,
wirken auf die Sinne und dringen so in den Intellekt. Dass aus den
Zeichen Erkenntnis entsteht, ist dabei nicht den Zeichen selbst
zuzuschreiben. Sie ermöglichen die Erkenntnis nur im Sinne einer
Anregung. Wesentlich ist die durch Gott angelegte Vernunft, die, von
ihren Prinzipien und Kategorien ausgehend, aus den neuen
Verstandesmöglichkeiten Wissen formt. Da nämlich in den Zeichen
und den Dingen, auf die diese verweisen, auch göttliche Schöpfer-
Intelligibilität liegt, wirken hinzukommender und prinzipieller
Verstand zusammen. THOMAS erachtet das prinzipielle
Verstandesvermögen in diesem Zusammenhang insofern als
„Samenkörner – seminales“, da es, im menschlichen Verstand liegend,
jegliches Wissen potentiell vorbereitet und ermöglicht. Insofern war
das Wissen schon immer da, aber eben nur als Potenz, die zu ihrer
Konkretisierung des Lehrers bedarf.535 „Es geschieht hier durch Lehre
– per doctrinam fit“536, wobei er nicht im Innern lehren kann, so wie
Gott es vermag, sondern von außen an den Verstand herantreten
muss,537 eben durch Zeichen, die über die sinnliche Wahrnehmung
wirken. Unter Bezugnahme auf AUGUSTINUS betont THOMAS, dass in
diesem Argument – Gott lehre innerlich, der Mensch äußerlich –
lediglich eine Unterscheidung der Lehrweise beider Lehrer liege und
keineswegs ausgeschlossen sei, dass ein menschlicher Lehrer eben von
außen lehren könne.538 Er unterstützt die innerliche Lehre Gottes und
534 THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.4; S. 24f. 535 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.5; S. 24f. 536 THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.6; S. 26f.; Übersetzung: HELMER. 537 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.7; S. 26f. 538 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.8; S. 26f.
145
damit die Erkenntnis der Wahrheit.539 THOMAS führt die Möglichkeit,
den Menschen zu belehren, grundsätzlich auf Weisheit zurück, wobei
er zwei Arten von Weisheit unterscheidet, „eine geschaffene und eine
ungeschaffene – creata et increata“. Ungeschaffen ist die Weisheit, da sie
göttlich ist, ein Wesensmerkmal Gottes, gleichewig unveränderlich. Da
Gott seine Weisheit aber dem Menschen eingibt, entsteht auch eine
menschliche Form seiner Weisheit, die dann veränderlich und
defizient ist. Dennoch bietet diese geschaffene Weisheit im Menschen
dadurch, dass sie von Gott stammt, die Möglichkeit der
Vervollkommnung durch Lernen und Erkenntniszuwachs.540 Einen
Erkenntniszuwachs denkt Thomas nun entweder durch Autodidaktik
oder durch Lehre verursacht.
2.2.2.2 Exkurs: Der Mensch als Autodidakt
Für die Annahme, dass ein Mensch Autodidakt, also Schüler seiner
selbst sein kann,541 spricht die Weise des Lernens, die THOMAS
annimmt: Ein Zusammenwirken aus intellectus agens und den
eingeborenen Verstandesprinzipien, die neue Sinneswahrnehmungen
zu Erkenntnissen formen. Ein solches Lernen wird eher dem inneren
Verstandesvermögen als der Anregung durch äußere Zeichen einer
Lehrperson zugeschrieben. Sprachtheoretisch wird das innere Wort
Gottes, wie es in den Verstandesprinzipien liegt, höher eingestuft als
die verbalen Äußerungen eines Lehrers.542 Darüber hinaus sei
Wahrheits-Gewissheit aus den inneren Verstandesprinzipien zu
erlangen, also aus sich selbst heraus.543 Inneres, genauer 539 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.9; S. 26f. 540 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.10; S. 26ff. 541 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI. 2, S. 34f.; vgl. JÜSSEN 1988a, S.
128ff. 542 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.2.1, S. 34f. 543 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.2.2, S. 34f.
146
innewohnende göttliche Prinzipien, sind dem Menschen näher, da zu
eigen, als von außen herangetragene Lehre.544 Das Finden neuen
Wissens durch eigene Verstandestätigkeit ist folglich Grundlage eines
Analogieschlusses auf die Möglichkeit, von jemandem belehrt zu
werden, der sich zuvor selbst Wissen angeeignet hat. Vom
Autodidakten wird auf den Lehrer geschlossen, nicht umgekehrt. Es
kann eher heißen, jemand ist Lehrer in der Weise, in der er Autodidakt
ist, als jemand ist Autodidakt, wie er Lehrer ist, denn innere
Verstandesaktivität ist äußerer Lehre vorrangig.545
Andererseits unterliegt die Möglichkeit der Lehre der
Bedingung, dass der Lehrer mehr weiß als sein Schüler. So
argumentiert THOMAS mit ARISTOTELES, es sei unmöglich, zur
gleichen Zeit der Lehrer zu sein und als solcher einen
Wissensvorsprung zu haben und als Schüler die Position
einzunehmen, in der man ein Wissensdefizit hat.546 Folglich stimmt
THOMAS der These, dass ein Mensch sich selbst belehren könne, nur
bedingt zu. Zwar hält er es für möglich, dass jemand ohne äußeren
Einfluss zu neuen Erkenntnissen kommt, das sei aber vielmehr auf
„die allgemeinen Prinzipien – principia communia“, „die keimhaften
Gründe des Wissens – rationes seminales“547, also das Wirken Gottes im
menschlichen Verstand zurückzuführen, als auf Autodidaktik. Im
Hinblick auf den Aspekt „wirkend – agens“ differenziert THOMAS zur
Erläuterung erneut zwischen Gott und Mensch. Während nämlich
Gott eine allumfassende Wirkkraft besitzt, die eine ebenso
allumfassende Wirkung einschließt, vermag der Mensch lediglich
544 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.2.3, S. 34f. 545 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.2.4, S. 34ff. 546 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.2.1, S. 36f., THOMAS: De magistro: Qu.
disp. d. ver., Qu. XI.6, S. 40f. sowie ARISTOTELES: Physik VIII.5 und JÜSSEN 1988a, S. 132. 547 Beides: THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.2 responsio, S. 38f.
147
partiell zu wirken. Als Beispiel dient das Heilen einer Krankheit.
Während ein Arzt sich nur einzelnen Symptomen zuwenden kann, ist
es Gott möglich, Gesundheit zu bewirken. Für den Wissenserwerb
heißt das: Der Mensch kann sich Teilaspekten von Erkennbarem
zuwenden und sich somit gewisse Erkenntnisaspekte erschließen, aber
allein Gott bewirkt in den von ihm geschaffenen Verstandesprinzipien
Erkenntnis. Er ist der Lehrer, wenn ein Mensch ohne Hilfe eines
anderen Menschen versucht zu erkennen.548
Dies wird durch eine nähere Erläuterung des intellectus agens
erklärt.549 Er ist zwar verantwortlich für die Rezeption neuer
Sacheindrücke, welche zum Teil zu neuem Wissen führen, die
Wirkkraft des tätigen Verstandes ist allerdings eingeschränkt, die des
primär wirkenden prinzipiellen universell,550
„[...] tamen in eo non praeexistit scientia complete sicut in docente [...] – [...] so ist in diesem Verstand das Wissen doch nicht schon zuvor so vollständig wie in dem Lehrenden gegeben“551.
Da der Lehrer aufgrund der seinem Verstand innewohnenden
Prinzipien Wissender ist, also der Sache in allgemeiner Weise habhaft
ist, wohingegen ein tätig suchender Autodidakt nur Teilaspekte
erkennen kann, ist der Unterricht durch einen Lehrer der
Autodidaktik vorzuziehen.552 Es ergibt sich eine hierarchische
Staffelung der Wirksamkeit von Lernmethoden, wovon die letzte als
548 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.2 responsio, S. 36ff. 549 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.2.1, S. 38f. 550 Laut HELMER gliedert sich die menschliche Verstandestätigkeit in einen praktisch-
konstruierenden und einen spekulativ-erkennenden Teil, ist also zugleich schaffend und
nachvollziehend. (Vgl. HELMER 1998, S. 107) 551 THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.2.1, S. 38f.; Ausl. v. G.v.S. 552 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.2.4, S. 40f.
148
die schlechteste erscheint: Sich von Gott belehren lassen,553 sich von
einem menschlichen Lehrer belehren lassen,554 sich selbst belehren.555
2.2.2.3 Göttlicher versus menschlichen Lehrer
Wenn nun ein Lehrer seinem Schüler Zeichen vorlegt, treffen diese
auf den intellectus agens, den tätigen Verstand, der auf den Grundlagen
des intellectus possibilis die Möglichkeiten des keimhaft-prinzipiellen
Verstandes zu neuem, erweitertem Wissen formt.556 Es sind also nach
THOMAS die Verstandestätigkeiten höher einzuschätzen als die Worte
des Lehrers. Dennoch sind diese sinnvoll, resultieren sie doch auch
aus der Verstandestätigkeit, nämlich der des Lehrers und sind
derjenigen des Schülers näher als die Dinge.557 Bei einem Vergleich
zwischen Sehen und Verstehen beschreibt THOMAS das Sehen als
habituell, das heißt, wer den Gesichtssinn zwecks Wissenserweiterung
zu nutzen versteht, betrachtet die Dinge gewohnheitsgemäß auf eine
Weise, die diesem Zweck dient. Hierzu bedarf es keiner Anleitung.
Dagegen bedarf es des Hinweises und der lehrenden Begleitung, eine
erst keimhafte Verstandesmöglichkeit zu realisieren.558 Einschränkend
weist THOMAS darauf hin, dass die Gewissheit, zur Wahrheit gelangt
zu sein, allein von Gott kommen kann. Sie wird im Innern des
Verstandes verortet, wo die gottgegebenen Verstandesprinzipien
wirken. Eine solche Gewissheit kann ein Lehrer ausschließlich in
Form von Erkenntnissen vermitteln, die er selbst aufgrund seiner
eigenen Verstandesprinzipien erlangt hat. Dennoch hat der Schüler
eine solche vermittelte Gewissheit auf der Grundlage der allgemeinen 553 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.2.3, S. 40f. 554 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.2.4, S. 40f. 555 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.2.6, S. 40f. 556 THOMAS: De magistro: S. th. I responsio. 557 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.11; S. 28f. 558 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.12; S. 28ff.
149
Prinzipien seines Verstandes zu prüfen und zu bestätigen, bevor er sie
für wahr nehmen und sie ihm zur Gewissheit werden kann.559 Zum
Abschluss dieser Gedankengänge wird beleuchtet, wie sich göttlicher
und menschlicher Lehrer in ihrer Erkenntnisvermittlung
unterscheiden:
„[...] dicendum quod homo exterius docens non influit lumen intelligibile sed est causa quodam modo speciei intelligibilis in quantum proponit nobis quaedam signa intelligibilium intentionum quas intellectus noster ab illis signis accipit et recondit in se ipso. – Der Mensch, der von außen lehrt, flößt nicht das Licht der Erkenntnis ein, sondern er ist in gewisser Weise die Ursache der Erkenntnisformen, insofern er bestimmte äußere Zeichen für die nur dem Verstand zugänglichen Erkenntnisinhalte vorstellt, die dieser im Ausgang von jenen Zeichen in sich aufnimmt und bei sich selbst aufbewahrt.“560
Während Gott Wirkursache der Erkenntnis überhaupt ist, kann der
Lehrer keine Erkenntnis bewirken. Dagegen ist die göttliche
Erleuchtung allgemeiner Art, der Lehrer wählt Zeichen und gibt damit
die spezifischen Inhalte und die Form der Erkenntnis vor. Das heißt,
der Lehrende strukturiert Wissen vor und erleichtert damit eine erste
Auseinandersetzung mit dem zu Erkennenden. Die
Verallgemeinerung und Verarbeitung zu einer tatsächlichen
Erkenntnis ist allerdings vom Schüler selbst zu leisten. Da er dabei auf
die Verstandesmöglichkeiten zurückgreift, die Gott ihm eingepflanzt
hat, bewirkt Gott, der zudem die Wahrheit ist,561 die Erleuchtung des
Schülers mit wahrer Erkenntnis. Der Lehrer wirkt lediglich fördernd
und unterstützend. Analog dazu fördert das defizitäre Wort des
559 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.13; S. 30f. 560 Ebd. 561 Gottes Schöpfung ist erkennend zu denken. Damit hat Gott Wahrheit inne, und was
er bewirkt ist wahr. (Vgl. HELMER 1998, S. 108)
150
Lehrers ein erleuchtendes Belehrt-Werden durch das vollkommene
göttliche Wort.562
Nach Wissen zu streben kann allein Gott bewirken, hat er aber
prinzipiell die Möglichkeit nach Wissen zu streben in den
menschlichen Verstand gelegt, ist es am Menschen, Erkenntnis zu
suchen.563 Auf dieser Suche kann der Mensch sinnvoll unterstützend
als Lehrer wirken,564 denn schließlich vermag ein Schüler zwar vor
einer menschlichen Belehrung die Prinzipien seiner
Verstandestätigkeit zu erörtern, aber keine neuen „Schlussfolgerungen
– conclusiones“565 zu finden. Hier liegt für THOMAS der Aufgabenbereich
des Lehrers.
2.2.2.4 Engel als Lehrer
Über das Verhältnis von göttlicher und menschlicher Lehre sowie die
Frage der Autodidaktik hinaus wendet sich THOMAS den Engeln zu
und prüft, ob diese Lehrer sein können.566 Der Engel wird als tertium
comparationis hinsichtlich seiner möglichen Lehrbefähigung sowohl
Gott als auch dem Menschen verglichen. Gott lehrt innerlich,
vermittels der durch ihn eingegebenen Prinzipien; der Mensch lehrt
äußerlich im Zeichengebrauch. Beides schließt THOMAS unter
Rückgriff auf De magistro von AUGUSTINUS für den Engel aus. Ersteres
ist allein Gott vorbehalten,567 letzteres an „sinnlich wahrnehmbare
Zeichen – sensibilia signa“568 gebunden. Da THOMAS Engel aber nicht
562 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.15; S. 32f. 563 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.16; S. 32f. 564 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.17; S. 32f. 565 THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.18; S. 32f. 566 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.3, S. 42f. 567 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.3.1, S. 42f. 568 Ebd.
151
als sinnlich wahrnehmbar betrachtet, können sie auch nicht durch
Zeichengebrauch lehren, es sei denn „durch ein Wunder – per
miraculum“569. Als weitere Möglichkeit wird das Einwirken auf „die
Einbildungskraft – imaginationem“570 diskutiert. Damit Lernen durch
Einbildungskraft stattfinden kann, muss der Mensch Willens sein und
auf den Willen einzuwirken vermag nur Gott, ebenso wie es nach
THOMAS nur ihm möglich ist „zu erleuchten – illuminare“571. THOMAS
bezieht sich bei seinen Ausführungen zum Lehren durch einen Engel
auf „die Wahrheit – veritatem“572, die im Menschen zu bewirken Lehren
ist. Sie wird in ihrer Bindung an das Göttliche genauer bestimmt:
„[...] solus Deus causalitatem habet supra veritatem quia, cum veritas sit lux intelligibilis et forma simplex, non exit in esse successive et ita non potest produci nisi per creationem quae soli Deo competit [...] – Gott allein aber verfügt wirkmächtig über die Wahrheit. Denn da die Wahrheit das intelligible Licht und eine einfache Form ist, kommt sie im Sein nicht in der Weise sukzessiver Entfaltung zur Erscheinung und kann deswegen auch nur durch Erschaffen hervorgebracht werden, was Gott allein zukommt.“573
Wahrheit ist nach dieser Vorstellung unteilbar. Ontologisch betrachtet
kommt ihr Sein zu. Ins Sein gelangt Wahrheit durch Schöpfung;574
Gott ist ihre causa efficiens. Undenkbar ist sie als etwas, das sich Stück
für Stück erschließt. Für den Erwerb von Wissen heißt das, entweder
hat man die wahre Erkenntnis oder nicht. Teilwahrheit und
Teilerkenntnis erscheinen als unmöglich. Gott ist derjenige, welcher
569 Ebd. 570 THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.3.2, S. 42f. 571 THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.3.3, S. 42f. 572 THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.3.6, S. 44f. 573 Ebd.; Ausl. v. G.v.S. 574 Einerseits gilt: Ist etwas, so ist es wahr. (Vgl. HELMER 1998, S. 107) Andererseits
bleibt dieses Wahre zu erkennen für den Menschen schwierig und birgt die Möglichkeit in
sich, Falsches anzunehmen, also zu irren.
152
beides in dem, der Wissen und Wahrheit sucht, bewirkt. Das vermag
ein Engel nicht, weil er nicht über die Macht verfügt zu schöpfen.575
Ebenso wenig ist sein Licht dem göttlichen Licht vergleichbar.
Sein Verstandes-Licht und sein Wahr-Sein sind in gleicher Weise von
Gott verursacht und an ihn gebunden wie es für den Menschen
zutrifft.576 THOMAS erklärt die verschiedenen menschlichen
Verstandestätigkeiten hinsichtlich Form und Materie. Die Intellekte
werden als materiell und substantiell charakterisiert. Der tätige
Verstand erschließt die Gegenstände formal und bildet daraus
„intelligible[...] Formen – species intelligibiles“577. Damit nun Engel in
diesem material-formalen Erkenntnisprozess lehrend wirken könnten,
müssten sie entweder Schöpfer von Formen sein oder Formen
unvermittelt schauen können. Beides schließt THOMAS aus.578 Des
weiteren erachtet er den Verstand von Engeln dem menschlichen
Verstand so verschieden, dass ein Lehrer-Schüler-Verhältnis
unmöglich erscheint.579 Außerdem vollzieht sich Erleuchtung als
Erkenntnisvermittlung nach THOMAS durch ein spezifisches Licht,
lux.580 Das den Engeln zugeordnete Licht sei spirituell, das den
Menschen zugewiesene habituell. Letzteres wird daraus abgeleitet, dass
der Mensch sich in seiner Erkenntnissuche an den Dingen orientiert,
bzw. die Dinge Anlass und Gegenstand der Erkenntnis sind.581
Insofern die Dinge körperlich sind, muss das Licht, mittels dessen sie
575 Vgl. ebd. 576 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.3.7, S. 44f. 577 THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.3.12, S. 48f.; Ausl. v. G.v.S. Vgl. auch
HELMER 1998, S. 108. 578 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.3.12, S. 48f. 579 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.3.13, S. 48f. 580 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.3.14, S. 48f. sowie S. th. I.1.3. 581 Die Dinge sind Erkenntnisgegenstand als „Träger von Wahrheit“ (HELMER 1998, S.
108)
153
erkannt werden können, und damit das Erkenntnislicht des
Menschen, ebenfalls körperlich sein. Damit unterscheidet es sich
grundlegend von der Spiritualität der Engel.582 Dann wird die
Erkenntnis entweder als ontologisch oder als analog begründet
charakterisiert:
„[...] omne quod cognoscitur aut cognoscitur per essentiam suam aut per similitudinem [...] – Alles, was erkannt wird, wird entweder aufgrund seines Wesens erkannt oder aufgrund einer Ähnlichkeitsstruktur.“583
In der ontologischen Erkenntnis ist die Substanz dabei das, was
erkannt werden kann und erkannt wird. Die analoge Erkenntnis
ermöglicht Zugriff auf strukturaler Ebene und richtet sich auf die
Form. Engel können dabei weder Essentielles bewirken noch
Strukturales eröffnen. Beides geht als Möglichkeit auf die von Gott
eingepflanzten Verstandesprinzipen zurück.584 THOMAS schlussfolgert:
Ein Engel kann nicht Lehrer des Menschen sein.
Dass sie dies doch können, dafür spricht, dass Engel im
Vergleich zu Menschen von THOMAS als „das der Seinsmächtigkeit
nach Höhere – quod potest [...] et superior“585 interpretiert werden.
Folglich erlangten sie göttliches Wissen zuerst, bevor es an die
Menschen weitergegeben werde.586 Sie werden auch deshalb als dem
Menschen vorrangig betrachtet, weil sie reine Geistwesen, während
Menschen auch Körperwesen seien.587 Das hierarchische Verhältnis
von Mensch und Engel zeigt sich nach THOMAS allerdings am
582 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.3.14, S. 48f. sowie S. th. I.1.3.ebd.
Vgl. dazu auch KRIEGER 1988, S. 154. 583 THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.3.15, S. 48f.; Ausl. v. G.v.S. 584 Vgl. ebd. 585 THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.3.2, S. 50f.; Ausl. v. G.v.S. 586 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.3.1, S. 50f. 587 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.3.3, S. 50ff.
154
deutlichsten im Hinblick auf Wirklichkeit und Vervollkommnung. Der
Mensch hat ontologisch betrachtet in seiner Verstandes-Existenz
immer schon einen gewissen Grad an Wirklichkeit erlangt, bedarf aber
noch der Vervollkommnung. Demgegenüber kommt dem Verstand
eines Engels von vornherein ein höheres Maß an Wirklichkeit und
Vollkommenheit zu; er könnte den Menschen anleiten.588 Es erscheint
demnach doch denkbar, dass Engel lehren können.
In seiner Antwort auf die Frage nach der Lehrbefähigung von
Engeln unterscheidet THOMAS zwei Weisen ihrer Hinwendung zu
Menschen. Entweder zeigen sie sich ihnen in leiblicher Gestalt oder
aber in der Engeln spezifischen Art, die als ein Mittleres zwischen
Gott und Mensch beschrieben ist.589 Ersteres hieße, sie lehrten wie die
Menschen selbst „durch äußerlich vernehmbares Sprechen – per
locutionem sensibilem“590 und wären dann dem menschlichen Lehrer
gleichzusetzen. Letzteres bedarf der genaueren Explikation. Gott lehrt
den Menschen mittels Illumination, das heißt „durch das Licht des
Verstandes – per lumen intellectuale“591 und durch das Einpflanzen der
ersten Verstandesprinzipien, genauer „durch die ursprünglichen
selbstevidenten Verstandesinhalte – per primas conceptiones“592. Beides
sind Lehrmethoden, die dem Menschen verschlossen sind; er kann
weder erleuchten, denn sein Verstandeslicht ist begrenzt, noch kann er
erste Verstandesprinzipien schaffen.593 Dass er lehren kann, was
THOMAS ja durchaus annimmt, beruht auf Zeichengebrauch. Ein
Engel hingegen hat im Vergleich zum Menschen ein „vollkommeneres
588 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.3.4, S. 52f. 589 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.3 responsio, S. 52ff. 590 Ebd. 591 THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.3 responsio, S. 54f. 592 Ebd. 593 Vgl. ebd.
155
Verstandeslicht – lumen intellectuale perfectius“594, was ihn prädestiniert,
sein Lehrer zu sein. Verglichen mit Gott ist sein Verstandeslicht
allerdings geringer, zur Illumination ist der Engel nicht befähigt. Er
vermag das göttliche Licht zu bekräftigen und damit der
Verstandestätigkeit des Menschen zu erschließen helfen. Das
geschieht THOMAS zufolge in einer Traumbildern595 ähnlichen Weise:
„sed in imaginatione aliquas formas formando quae formari possunt ex commotione organi corporaliis, sicut patet in dormientibus et mente captis qui secundum diversitatem fumositatum ad caput ascendentium diversa phantasmata patiuntur. Et hoc modo ‚commixtione alterius spiritus fieri potest ut ea quae ipse angelus scit, per imagines huiusmodi ei cui immiscetur, ostendat‘, ut Augustinus dicit XII Super Genesim ad litteram[...]. – Vielmehr besteht das Lehren des Engels darin, daß er in der Einbildungskraft des Menschen gewisse Gestalten herausbildet, die auch durch die Erregung eines körperlichen Organs zustande kommen können, wie das ja bei Schlafenden oder Geisteskranken der Fall ist, die je nach der Beschaffenheit der zum Kopf aufsteigenden Dämpfe von verschiedenen Traumbildern übermächtigt werden. Und so ist es nach Augustinus’ Genesiskommentar möglich, daß durch Einmischung eines anderen Geistes, nämlich eines Engels, dieser die Inhalte seines eigenen Wissens durch Bilder solcher Art seinem menschlichen Gegenüber aufzeigt.“596
Was der Engel erkannt hat, verbildlicht er dem Menschen als zu
Erkennendes; er lehrt weder direkt rein gedanklich, noch indirekt
zeichenhaft-begrifflich. Sein Unterricht wirkt auf die menschliche
Einbildungskraft. Bei dieser Lernart schaut der Mensch weder allein
von Gott illuminiert noch muss er sich das göttliche Licht über die
Sprache vermittelt für den Verstand erschließen wie durch
menschliche Lehre, sondern sieht, bildlich, was er verstandesmäßig
erkennen soll. Durch die das Verstandeslicht Gottes verstärkende
594 THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.3 responsio, S. 56f. 595 Vgl. dazu KRIEGER 1988, S. 158f. 596 Ebd.; Ausl. v. G.v.S.
156
bildliche Lehre des Engels erfasst der Mensch intuitiv, was göttliche
Lehre sein soll.
THOMAS unterscheidet univokes und äquivokes Lehren. Wenn
ein Mensch einen anderen Menschen lehrt, nennt er das univok, denn
das Verhältnis von beiden – bezogen auf die Verstandesfähigkeit und
-tätigkeit – ist das von Gleichen. Zeichengebrauch ist die angemessene
Lehrmethode, weil die Art des Erklärens und des Erkennens
gleichermaßen zeichenhaft abbildbar ist. Sofern ein Engel einen
Menschen lehrt, spricht THOMAS von äquivoker Lehre. Ihr Verhältnis
sei ungleich, der Engel habe einen höheren Intellekt, sei dem
Menschen in der göttlichen Schau überlegen, da Gott näher. Folglich
müsse ein Engel dem Menschen auf „niedere“, einfachere Weise
vermitteln, was er auf höhere selbst erkannt habe.597 Differenziert wird
zwischen Wahrheit – veritas und Erkenntnis der Wahrheit – cognitio
veritatis.598 Die Wahrheit selbst ist kein lehrbarer Gegenstand, liegt sie
doch bei Gott und durch ihn in den Dingen. Gott und das von ihm
Eingegossene bestimmen die Geltung. In Abhängigkeit von dieser
göttlichen Geltung ist aber Vermittlung von und Wissen um Wahrheit
möglich.599 Die ersten göttlichen Verstandesprinzipien sind zwar für
das Erkennen ausschlaggebend. So wie er zwischen Wahrheit und
Erkenntnis der Wahrheit differenziert, unterscheidet THOMAS
Erkenntnisstreben von Verstandestätigkeit. Das Erkenntnisstreben
wird als ein auf Gott hingeordnetes, allein durch ihn verursachtes
Gerichtetsein beschrieben. Die Verstandestätigkeit hingegen ist auch
durch Menschen oder Engel beeinflussbar.600 Bezogen auf beide
erklärt THOMAS Lehren – docere und Wissen – scientia analog zu 597 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.3.4, S. 58f. 598 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.3.6, S. 60f. 599 Vgl. ebd. 600 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.3.11, S. 62f.
157
Erschaffen – creare und Machen – facere:601 So wie Gott causa efficiens ist,
der einzige, der erschaffen kann, Menschen und Engel aber auch
etwas machen können und damit hierfür causa sind, ist Gott causa
efficiens von Lehren und Wissen, Engel und Menschen können aber
einfacher Grund hierfür sein. Gott ist die Wirkursache von Erkenntnis
und Wahrheit, macht sie überhaupt erst möglich, da er ihr Schöpfer
ist. Einzelne wahre Erkenntnisinhalte können hingegen von Engeln
und Menschen vermittelt werden, ohne dass sie ihre Wirkursache sind.
Wirkursache und Ursache sind zweierlei.602
2.2.2.5 Die Tätigkeit des Lehrens
Schließlich wendet sich THOMAS der Lehre zu. Er sucht sie
hinsichtlich ihres Charakters dem Praktisch-Tätigen oder Theoretisch-
Kontemplativen zuzuordnen und somit näher zu bestimmen.603
Zunächst wird das Lehren dem Theoretisch-kontemplativen
zugeordnet, weil es nicht mit den Körperkräften, ja dem Bereich des
Körperlichen überhaupt in Zusammenhang stehe. Begründungen sind
das Weiterbestehen der Lehrfähigkeit trotz Schwinden der
körperlichen Kräfte sowie die Körperlosigkeit der Engel, die ja
dennoch Lehrer sein können.604 Zudem habe man zuerst erkannt,
bevor man das Erkannte lehren könne. Die Lehre hängt also eher mit
der Theorie zusammen als mit der Praxis, so THOMAS.605 Der Blick
weite sich von der Praxis über die Theorie hin zur Lehre. Daher
erscheint letztere der theoretischen Betrachtung näher als der
praktischen.606 Weil Erkenntnis von Wahrheit mit der Schau Gottes 601 Vgl. Insges.: THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.3.16, S. 64f. 602 Vgl. ebd. 603 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.4, S. 66f. 604 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.4.1, S. 66f. 605 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.4.2, S. 66f. 606 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.4.3, S. 66f.
158
zusammenfalle und die Schau Gottes kontemplativ ist, ist es
Erkenntnis von Wahrheit und deren Weitergabe ebenso.607 Schließlich
sei durch seinen Bezug auf die göttliche Wahrheit das Lehren von
Erkanntem „vornehmlich [...] dem Immerwährenden – circa aeterna“608
zugehörig und somit theoretisch-kontemplativ.609 Dagegen spricht für
THOMAS, dass er das Lehren als Weitergabe von Wahrheits-
Erkenntnis und damit als ein praktisches Tun begreift.610
THOMAS ordnet das Lehren entweder dem Theoretisch-
Kontemplativen oder dem Praktisch-Tätigen zu:
„In actu [...] docendi invenimus duplicem materiam, in cuius signum etiam actus docendi duplici accusativo coniungitur: est siquidem una eius materia res ipsa quae docetur, alia vero cui scientia traditur. Ratione igitur primae materiae actus doctrinae ad vitam contemplativam pertinet, sed ratione secundae pertinent ad vitam activam. – Im Akt des Lehrens [...] finden wir einen zweifachen inhaltlichen Bezugspunkt vor; und dafür gibt es auch ein syntaktisches Zeichen, daß nämlich der Akt des Lehrens mit einem doppelten Akkusativ verbunden wird: Der eine Bezugspunkt ist die Sache selbst, die gelehrt, der andere aber derjenige, dem das Wissen vermittelt wird. Unter dem ersten inhaltlichen Bezugspunkt gehört der Akt des Lehrens zur theoretisch-betrachtenden Lebensform, unter dem zweiten jedoch zum tätigen Leben.“611
Verbunden wird durch Unterricht der zu lehrende Gegenstand mit
dem zu belehrenden Schüler. Die gegenständliche Seite verweist auf
die Wahrheit, welche zu erkennen Ziel des Unterrichts ist. THOMAS
bestimmt die Wahrheit als ungeschaffen – increata612 und damit
göttlich. Sie ist allein durch Schau zugänglich, im Jenseits
607 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.4.4, S. 66f. 608 THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.4.5, S. 66f.; Ausl. v. G.v.S. 609 Vgl. ebd. 610 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.4.1, S. 68f. 611 THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.4 responsio, S. 68ff.; Ausl. v. G.v.S. 612 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.4 responsio, S. 70f.
159
vollkommener als im Diesseits. Die Erkenntnis durch Schau ist
theoretisch-kontemplativ. Dagegen legt der Bezug vom Unterricht auf
den erkenntnissuchenden Schüler die Zuordnung zum Praktisch-
Tätigen nahe, denn, um den Schüler zu belehren, ist mit ihm
didaktisch umzugehen. In Abwägung beider Überlegungen nimmt
THOMAS allerdings eine Gewichtung vor. Als Zielursache der Lehre
bestimmt er „das tätige Leben – vita activa“613, weshalb er den
Unterricht stärker der Praxis zuschlägt.614
In der Unterscheidung von diesseitigem und jenseitigem Leben
wird die Tätigkeit eher dem Diesseits, die Kontemplation mehr dem
Jenseits zugeordnet. Die Lehre findet dabei zwar im tätigen Leben
statt, ist aber dem ewigen verpflichtet und zielursächlich auf letzteres
ausgerichtet.615 Das Theoretisch-Kontemplative wird als Prinzip des
Praktisch-Tätigen ausgemacht, das Praktisch-Tätige hingegen als
Grundlage des Theoretisch-Kontemplativen.616 Das Prinzipiell-
Göttliche hat nach THOMAS größeres Gewicht als das Praktische,
weshalb das Theoretisch-Kontemplative als für das Lehren wesentlich
erachtet wird.617
2.2.3. Lehren als universelles Reden
Im ontologischen Verhältnis zwischen dem Menschen als Geschöpf
und Gott, seinem Schöpfer, – von THOMAS gefasst in der Vorstellung
von Gott als causa prima –618 entsteht logisch für den Menschen das
613 Ebd. Vgl. JÜSSEN 1988b, S. 163. 614 Vgl. ebd. 615 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.4.1, S. 70f. 616 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.4.4, S. 72f. 617 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.4.5, S. 72f. 618 Vgl. SCHÖNBERGER 2001, S. 43.
160
Problem, die göttliche Vollkommenheit auszusprechen.619 Die
Vollkommenheit Gottes bleibt ontologisch im Menschlich-
Kreatürlichen unerreicht, hier ist allerdings im intellectus possibilis die
Möglichkeit zur Vervollkommnung angelegt. Durch die
Menschwerdung Gottes in Christus erfährt diese Potenz ihre
Überhöhung zur Analogie zwischen Gott und Mensch.
Der Mensch hat insofern die Möglichkeit zur Erkenntnis, als
Gott ihm als causa efficiens die universellen Verstandesprinzipien
eingepflanzt hat. Sie verweisen darauf, „daß alles Lehren und Lernen
sich auf dem Grunde einer im vorhinein schon existierenden
Erkenntnis vollzieht“620. Insofern Gott den Menschen zusätzlich mit
dem intellectus agens, dem tätigen Verstand, ausgestattet hat, kann der
Mensch im Zusammenwirken beider Verstandesmöglichkeiten
erkennen.621 Auf der Basis des Universellen als eines intellektuellen
Prinzips ist der Mensch befähigt, vom Einzelgegenstand der
Erkenntnis mittels Abstraktion zur Universal-Erkenntnis zu
gelangen.622
„Alle erkennenden Wesen erkennen in jeglichem Erkannten einschlußweise Gott. Wie nämlich nichts den Charakter des Begehrbaren hat außer kraft der Ähnlichkeit mit der Ur-Gutheit, so ist nichts erkennbar außer kraft der Ähnlichkeit mit der Ur-Wahrheit.“623
619 Vgl. SCHÖNBERGER 2001, S. 51. 620 THOMAS: De magistro: S. th. I.1 responsio. Vgl. HELMER 1998, S. 108. 621 Vgl. SCHNEIDER 1988b, S. 166. 622 Vgl. S. th. I.85.1.1. KENNY führt an dieser Stelle das erkenntnisbezogene Formal-
Verhältnis auf das zugrundeliegende Kausal-Verhältnis zurück. (Vgl. KENNY 1993, S.
102) WEIDEMANN verweist auf die menschliche Verstandestätigkeit als eine
seinsbezogene wie auch sprachliche Abstraktion. (Vgl. WEIDEMANN 1975, S. 80ff.) 623 PIEPER 1965, S. 73, i. Orig. teilw. hervorgeh.; vgl. Qu. disp. d. ver. XVI.3.3.
161
Als Universal-Prinzip liegt Gott im Menschen. Da Gott Urgrund der
Wahrheit ist, liegt in den seminales die Möglichkeit zur
Wahrheitserkenntnis im Menschen. Wahrheit ist erkenn- und somit
lehrbar – soweit die ontologische Argumentation.
Analog auf die Logik übertragen ist Gottes Schweigen
Wirkursache von Sprache. Es liegt im Innern des Menschen als die
universell-prinzipielle Möglichkeit zum Reden.624 Die universellen
Verstandesprinzipien liegen schweigend vor; der tätige Verstand zeigt
sich redend. Wie die Vergleichbarkeit zwischen Gott und Mensch in
Christus ontologisch Erkenntnis ermöglicht, so befähigt sie logisch
den Menschen dazu, redend zu lehren. Gott ist auch logisch causa
prima, der als schweigendes universelles Sprachprinzip eine
zweckmäßige Lehr-Rede verursacht.
„[D]es Menschen letztes Glück und Glückseligkeit ist: Gott zu
schauen.“625 Damit ist er zielursächlich auf die jenseitige Schau Gottes
verwiesen, in welcher der Wille zur Erkenntnis erst zur Ruhe kommt,
weil Gottesschau vollkommene Erkenntnis bedeutet.626 Gottesschau
vollzieht sich schweigend,627 in universal-prinzipieller Logik jenseits
von singulären Termini, dem Schweigen, gerichtet auf universal-
prinzipielle Ontologie jenseits von Individualgegenständen.628 Solange
dieses jenseitige logische wie ontologische Sein aber nicht erreicht ist,
624 TEUWSEN weist darauf hin, dass bei THOMAS „unser Wissen, unsere Erkenntnis
vornehmlich mit den generellen Termini und dem, was sie bezeichnen, zu tun“ habe und
„weniger mit den singulären und den von ihnen benannten Individuen“ (TEUWSEN 1988,
S. 171). Insofern ist auch bei ihm ein analoger Zusammenhang hergestellt a) zwischen
Sprache und Erkennen und dies b) auf der Ebene des Universellen. 625 PIEPER 1965, S. 126; Änd. v. G.v.S.; vgl. S. th. II.4.1.1. 626 Vgl. Comp. theol. I.149. 627 Vgl. In Trinitate II.1.6. 628 Vgl. TEUWSEN 1988, S. 171.
162
ist nach THOMAS ein „Streitgespräch über die Glaubenswahrheiten“ 629
oder aber deren lehrende Weitergabe in der Rede sinnvoll, denn die
Rede des Menschen verweist logisch auf seine ontologische causa
prima, Gott.
629 PIEPER 1965, S. 92; i. Orig. teilw. hervorgeh.; vgl. Contra Graec. II.
163
Logos im Reden – Zusammenfassung
Der logisch-ontologisch erkenntnissuchenden Bildungsvorstellung
dieser Arbeit weiter folgend, bleiben die für das zweite Kapitel
ausgewählten Autoren in ihren Schriften – ARISTOTELES mit Peri
hermeneias und THOMAS VON AQUIN in seinen Artikeln De magistro –
dem Logos als Annäherungs-Begriff für die Auseinandersetzung mit
Welt verhaftet. Ebenso richten sich beide auf Wahrheit aus. Allerdings
erachten sie das sprachliche Potenzial zur Welterkenntnis im
Unterschied zu PLATON und AUGUSTINUS durchaus als gegeben.
Beiden sind die Universalien hierfür die Grundlage.
Das ist die Gemeinsamkeit von ARISTOTELES und THOMAS.
Wenn sich der Scholastiker in seinen Überlegungen auch auf den
erstgenannten bezieht, gibt es doch Unterschiede. Ontologisch-
metaphysischer Urgrund von Welt und damit von ihrer Erkennbarkeit
ist ARISTOTELES zwar der unbewegte Beweger. Er ist dies aber
lediglich im Sinne eines ersten Impulses. Welt ist diesseitig erkenn-
und lehrbar, da durch den ersten Impuls von diesem unabhängig.
THOMAS führt Welt auf Gott als ihre causa prima zurück. Sprachlichkeit
und Wahrheit sind in gleicher Weise kausal an Gott gebunden. Da
dies ebenfalls für den Menschen gilt, so auch für seine
Erkenntnisfähigkeit.
Beide – ARISTOTELES und THOMAS – halten den Menschen für
vernunftbegabt und zwar in sprachlicher Weise. Nach ARISTOTELES
vermag die Seele des Menschen logisch zu erkennen, da Wissen für
ihn ein grammatikalischer Begriff ist. THOMAS nimmt für den
Menschen universelle Verstandesprinzipien und aktives
Erkenntnispotential an, die ihm von Gott als dem schweigenden
Urgrund von Sprache und Sein eingepflanzt sind. Sie lassen ihn an
164
Gottes Intelligibilität partizipieren und begründen somit die
menschliche Fähigkeit zur Erkenntnis. So ist nach beiden Erkennen
und Lehren möglich, dem antiken Philosophen unabhängig von Gott,
wenn auch durch diesen verursacht, dem Scholastiker kausal an Gott
gebunden, allerdings in dieser Kausalität zur Selbsttätigkeit befähigt.
Die erkenntnissuchende Annäherung an Welt und ihre
pädagogische Unterstützung ist bei THOMAS an die
Auseinandersetzung mit Sprache gebunden; aus der ARISTOTELischen
Schrift ist Pädagogisches aus Sprachlichem destillierbar. Peri hermeneias
untersucht den Logos in Form von Aussagen (Wörtern wie Sätzen)
und prüft deren Geltung. Dabei werden alltagssprachlich
gebräuchliche Aussagen analysiert, aber ideal-logischen Analysen
unterzogen. Bejahende und verneinende Urteile werden miteinander
verglichen und zueinander in Bezug gesetzt, um aufgrund logischen
Schließens die geltungshafte Aussage herauszufinden. Maßstab der
Logik ist die Ontologie, was der ARISTOTELischen Unterscheidung
von ontologischer und logischer Wahrheit zu entnehmen ist. Beides
hängt insofern miteinander zusammen, als dass die Annäherung an
das Sein logisch gedacht ist. ARISTOTELES legt der sprachlichen
Erkenntnissuche die empirische Wahrnehmung zugrunde. Er wendet
die Kategorienlehre sprachlich, abstrahiert vom Akzidentellen über
das Substantielle hin zum Universal-Begriff. Dieser verbürgt sowohl
die Vergleichbarkeit von Sätzen, also die genannte Aussagenlogik, als
auch die Möglichkeit zu reden und damit auch pädagogisch zu reden.
Der Lehrer in De magistro sucht gleichermaßen die logische
Annäherung an das Sein. Er hat hierfür die Potenz, aus einem
Zusammenspiel von ihm eingegebenen universalen
Verstandesprinzipien und einem tätigen, wirkenden Verstand die
Sinneseindrücke zu Erkenntnissen zu verarbeiten. Begründet ist dies
165
in einer Analogie, die durch die von Gott eingepflanzten
Verstandesprinzipien zwischen dem Menschen und seiner causa prima
besteht. Diese wird dadurch überhöht, dass Christus als Gottes Sohn
Mensch wird. Insofern dieser als verbum logischen Charakter hat, ist er
so wie bei AUGUSTINUS summus magister des Menschen, bekräftigt aber
zugleich dessen eigene logische Verstandesfähigkeit. Das Universal-
Prinzip dieses Verstandes ist analog ontisch und logisch, worin der
logisch erkennende Zugriff des Menschen auf Welt begründet ist. Der
universal-prinzipielle Logos liegt als Sprache Gottes, der causa prima,
schweigend in der Seele des Menschen und begründet zugleich die
Möglichkeit zur Rede, auf die Christi Wort-Charakter verweist.
Nach ARISTOTELES kann die dialektische Frage, mittels derer
Akzidentelles von Substantiellem geschieden werden kann und die
den Beginn einer sprachlichen Annäherung an das Allgemeine
darstellt, als Grundlage einer pädagogisch angeleiteten logischen
Annäherung an Ontologisches benannt werden. Sie vermag in einem
Unterrichtsgespräch zu Urteilssätzen zu führen. Mit THOMAS ist
Unterricht als eine redende Anleitung zum tätigen Umgang des
intellectus agens mit den Verstandesprinzipien zu denken.
166
3. SCHWEIGEN UND REDEN
BEI LUDWIG WITTGENSTEIN
„Meine Sätze erläutern dadurch, dass sie der, welcher mich versteht, am Ende als unsinnig erkennt, wenn er durch sie – auf ihnen – über sie hinausgestiegen ist. (Er muß sozusagen die Leiter wegwerfen, nachdem er auf ihr hinaufgestiegen ist.) Er muß diese Sätze überwinden, dann sieht er die Welt richtig.“ (WITTGENSTEIN, Tractatus logico-philosophicus 6.54) „Das Unaussprechbare (das, was mir geheimnisvoll erscheint und ich nicht auszusprechen vermag) gibt vielleicht den Hintergrund, auf dem das, was ich aussprechen konnte, Bedeutung bekommt.“ (WITTGENSTEIN, Vermischte Bemerkungen 1931, S. 472)
167
Ludwig WITTGENSTEIN (1889-1951), hier ca. 1919630
630 Abbildung: WUCHTERL/HÜBNER 2001, S. 77. Daten: Vgl. WUCHTERL/HÜBNER
2001, S. 137ff.
168
3.1 „Tatsachen lassen sich nicht benennen.“631: SCHWEIGEN BEI WITTGENSTEIN
I. Der Zugriff des Menschen auf Welt ist logisch.
I.I Erkenntnis vollzieht sich logisch.
I.II Die Weitergabe von Erkenntnis – Lehren –
vollzieht sich logisch.
II. Sprache muss logisch sein, damit sie Welt abbildet: z.B.
„fx“, „φ(x, y,)“, „p, q, r“632 oder „fa“633.
III. Logik und Welt fallen zusammen. Die Logik gibt der
Welt ihre Prädikate vor, ist damit Onto-Logik. Von der
Tatsache bis zum Ur-Gegenstand bzw. Ur-Zeichen ist
Logik prädikats- und strukturgebend.
IV. Der Aufbau von Welt wird als logisch erkannt:
„[ p , ξ , N(ξ )]“634.
V. Elementarsatzformeln sind Ausdruck der Bedingung der
Möglichkeit von Sprache.
VI. Die Wahrheitsformel ist Ausdruck der Bedingung der
Möglichkeit von Wahrheit.
VII. Da sich mehr nicht sagen lässt, ist der logische Zugriff
auf Welt an ein Ende geführt:
VII.I Logische Erkenntnistheorie muss schweigen.
VII.II Logische Pädagogik muss schweigen.
631 Tagebücher 1914-1916, S. 207; i. Orig. teilw. hervorgeh. 632 Insges.: TLP 4.24, S. 38. 633 TLP 5.47, S. 56. 634 TLP 6, S. 69.
169
3.1.1 Die ontologischen Voraussetzungen von WITTGENSTEINs Tractatus logico-philosophicus
Ludwig WITTGENSTEIN postuliert in seinem Frühwerk Tractatus logico-
philosophicus635, dass die Annäherung des Menschen an die Welt logisch
sei, denn Logik und Welt stehen nach WITTGENSTEIN in einem
einander bedingenden Zusammenhang. Logik ist „weltspiegelnd“636.
Die Nichtexistenz von Logik wäre nur denkbar, wenn die Welt als
nicht existent zu denken wäre. Da die Welt ist, ihr Sein zukommt,637
ist auch Logik,638 denn ihr Aufbau ist logisch.639 Damit hat der
Erkenntnissuchende, bezogen auf den Gegenstand seiner
Erkenntnissuche, allein die Logik als Erkenntnisweise.640 Der Tractatus
erörtert diesen Grundgedanken abbildtheoretisch.
635 Ludwig WITTGENSTEIN gilt als (sprach-)analytischer Philosoph. (Vgl. GRÜNDER
1995; Sp. 1524) Sein Tractatus logico-philosophicus (TLP) markiert den theoretischen
Standpunkt des frühen WITTGENSTEIN und stellt eine Philosophie der idealen Sprache
und als solche eine „Sprachkritik“ (PEARS/KENNY 1998, S. 273) dar, wohingegen der
späte WITTGENSTEIN sich gleichwohl sprachkritisch mit Problemen der Alltagssprache
auseinandersetzt und die Sprachspieltheorie (vgl. PEARS/KENNY 1998, S. 280) entwirft.
Tractatus logico-philosophicus ist 1918 entstanden, erscheint – als einziges zu Lebzeiten
veröffentlichtes Werk – erstmals 1921 und fungiert schließlich 1929 als WITTGENSTEINS
Dissertation (vgl. SCHULTE 1997, S. 13-19). Er besteht aus einer Kette fortlaufend
numerierter Sätze, von denen sieben Hauptsätze „eine Art Übersicht über die Themen
ermöglichen“ (SCHULTE 1997, S. 57). Das heißt aber nicht, daß der Tractatus seiner
Gliederung folgend zu verstehen wäre; die „Sätze des Tractatus verhalten sich nur selten
wie Prämisse und Konklusion zueinander, denn häufig muß man eine Gedankenkette
sowohl von oben nach unten als auch von unten nach oben lesen, um ihrem Verständnis
näherzukommen.“ (SCHULTE 1997, S. 57; Änd. u. Hervorheb. v. G.v.S.) 636 TLP 5.511, S. 59. 637 Die vorliegende WITTGENSTEIN-Analyse geht von einer ontologischen Deutung aus. 638 Vgl. TLP 5.5521, S. 65. 639 Vgl. TLP 5.61, S. 67. 640 Entgegen ANSCOMBEs Auffassung, der Tractatus sei ganz und gar nicht
epistemologisch (vgl. ANSCOMBE 2001, S. 27f.) soll in diesem Kapitel gezeigt werden,
dass sich aus WITTGENSTEINs Frühwerk durchaus Rückschlüsse auf die Frage der
170
WITTGENSTEIN sucht durch Überlegungen zur Sprachstruktur,
die Struktur von Welt von der Struktur der Sprache abzulesen. Das
verweist auf seine These, Sprache und Welt stünden in einem
Abbildverhältnis zueinander; das Bild ist in diesem Kontext
Bindeglied zwischen Sprache und Welt. Sätze wie auch Tatsachen sind
nämlich gleichermaßen als Bilder für Welt definiert. Nur dadurch ist
Abbildung möglich. Diese Vorstellung wird in mehreren Schritten
erläutert: „Bild“ versteht WITTGENSTEIN im Sinne eines Namens für
„Modell der Wirklichkeit“641, welches eben diese Wirklichkeit zu
zeigen vermag.642 Damit ein Bild ein solches Modell sein kann, damit
es Tatsachen zeigen kann,643 muss es zwei Bedingungen erfüllen. Es
hat nur Modellcharakter, wenn das Bild mit der Welt bzw. dem Teil
der Welt, den es abbilden soll, erstens korreliert644 und zweitens
„strukturidentisch“645 ist. Demnach kann nur von einem Bild
gesprochen werden, wenn der Gegenstand der Abbildung wirklich
abgebildet wird und – da WITTGENSTEIN als Form der Wirklichkeit
die logische Form annimmt – wenn es sich um ein logisches Bild
handelt. Im Verhältnis logisches Bild – logische Welt haben
Abbildendes und Abgebildetes demzufolge die logische Form
gemeinsam.646 Sofern der Strukturgedanke auf Zusammengesetztes
hindeutet, steht das Bild nicht für ein Einzelding, sondern für logisch
strukturiert zusammengesetzte Dinge, „Tatsachen“647. Das mit
Erkenntnis ziehen lassen. Besser gesagt: Der Tractatus logico-philosophicus ist der
Schlusspunkt der nachgezeichneten Tradition. 641 TLP 2.12, S. 15; MAJETSCHAK 1996, S. 368. 642 Vgl. ANSCOMBE 2001, S. 65. 643 Vgl. TLP 2.141, S. 15 sowie WUCHTERL 1969, S. 29. 644 Vgl. ANSCOMBE 2001, S. 65. 645 MAJETSCHAK 1996, S. 365. 646 Vgl. TLP 2.063 bis 2.17, S. 14f. 647 TLP 1.1; 1.12; 1.2, S. 11.
171
Tatsachen der Welt korrelierende logisch strukturierte Bild ist eine
Tatsache.648 Gleiches – die beiden Bedingungen wie auch der
Tatsachencharakter – werden von WITTGENSTEIN auf das
Abbildverhältnis von Sprache und Welt übertragen: Sätze müssen sich
tatsächlich korrelativ und logisch auf Welt beziehen. Ist das der Fall,
kann WITTGENSTEIN logische Sätze als Tatsachen auffassen und die
„materielle[n] (d.h. phonetische[n] schriftliche[n]) Zeichen als
Gegenstände[...] der Welt“649 betrachten. Sie weisen – selbst konkreter
Teil der Welt – wie „[d]er Satz, das Bild, das Modell“ Tatsachen
topologisch aus, „wie ein fester Körper, der die Bewegungsfreiheit der
andern beschränkt; im positiven Sinne, wie der von fester Substanz
begrenzte Raum, worin ein Körper Platz hat.“650 Die Verortung von
Welt in Sprache macht sie diskutabel, eröffnet
Erkenntnismöglichkeiten.
In einer so angenommenen Sprach-Welt-Abbildung findet
Erkenntnis der griechischen Wortbedeutung folgend logisch statt.
Sprache und Denken sind eins, denn „[d]er Gedanke ist der sinnvolle
Satz.“651 Tatsachen der Welt werden gleichermaßen als Gedanken
gedacht wie als Sätze gesprochen bzw. geschrieben. Der sprachlich
verfasste Gedanke bildet die zu Tatsachen strukturierten Dinge als zu
Tatsachen strukturierte Namen in Sätzen ab. Die Möglichkeit einer
solchen Abbildung ist in der Voraussetzung der abbildbaren Tatsache
bedingt. Die abbildbare und zugleich abzubildende Tatsache bedarf
ihrerseits eines Referenzpunktes, der ihre Wesensmerkmale, ja ihr
gesamtes Sein verbürgt. Einer holistisch-universellen Argumentation
folgend, bei der höchsten Abstraktionsgrad das Allgemeine hat, das 648 Vgl. TLP 2.141 sowie WUCHTERL 1969, S. 29. 649 MAJETSCHAK 1996, S. 368; Änd. v. G.v.S. 650 TLP 4.463, S. 43. 651 TLP 4, S. 25.
172
dann seinerseits den Ausgangspunkt für Deduktionen darstellt, ist von
der Tatsache auszugehen. In ontologischer Interpretation der
Tatsache gehört es zu ihrem Wesen, in eine Struktur aus
Sachverhalten zu zerfallen, weiter zergliedert in Dinge, Welt zu sein
und in logischer Hinsicht durch einen Sachverhalte und weiter Namen
strukturierenden Satz abgebildet zu werden. Die Tatsache als
allgemeinste Kategorie verweist auf das Wesen der Welt, denn die
Faktizität der Welt liegt in der Summe der Tatsachen.652 Nach diesem
holistischen Ansatz,653 wird von der höchsten Struktur „Welt“,
zerfallend in Tatsachen, dann Sachverhalte, gefolgt von Dingen654,
vom Allgemeinen auf das Einzelne deduziert. Auf sprachlicher Ebene
wird aus der Welt vom Tatsachen-Satz der Elementarsatz und der
Name abgeleitet.655 Am Ende dieser Ableitungsketten steht ein
Atomismus656, der die Welt auf ihre Ur-Gegenstände bzw. Ur-Zeichen
reduziert. Hier ist also die wesensverbürgende Ontologie im
Mikrokosmos wie auch im Makrokosmos zu finden.
Da aber das besondere WITTGENSTEINscher Abbildtheorie
darin liegt, dass Abgebildetes und Abbildendes gleichermaßen
Tatsachen sind, liegt das Ontologische sowohl in der Welt657 als auch
geht es ihr apriorisch voraus. In der Welt zeigt es sich, bleibt aber
unaussprechlich.658 Insofern „[d]ie Grenzen meiner Sprache [...] die
Grenzen meiner Welt“ bedeuten659, limitiert Sagbarkeit die Welt. Was
652 Vgl. TLP 1 und 1.2, S. 11. 653 Vgl. GOERES 2000, S. 28. 654 Vgl. TLP 1.2; 2.01; 2.034, S. 11 und 14. 655 Vgl. TLP 2; 4.21; 4.22, S. 11 und 38. 656 Vgl. GOERES 2000, S. 24 und 30. 657 Vgl. TLP 2.021, S. 13. 658 Vgl. TLP 4.121; 4.1212; 6.522, S. 33f. und S. 85. 659 TLP 5.6, S. 67.
173
sich über Welt denken lässt, ist sagbar.660 Was sich nicht sagen lässt, ist
über die Welt nicht denkbar. Eine Welt außerhalb der Sagbarkeit ist
nicht. Gemeint ist die Sagbarkeit des Ich, welche auf WITTGENSTEINs
Solipsismus verweist, eine Radikalisierung des Satzes: „Die Welt ist
meine Vorstellung.“661 Der Solipsist sieht sich selbst, genauer seine
logisch verfassten Gedanken über die Welt als weltbedingend.662 Er
geht seiner Welt und seiner Sprache voraus, gibt beiden ihr Wesen
vor.663 Was der Solipsist nicht sprachlich ausdrücken kann, kann er
nicht denken, kann nicht sein. Damit setzt sprachliche Begrenztheit
der Möglichkeit von Welt sowie ihrer Erkenntnis Grenzen. Solange
aber gesprochen und geschrieben wird, verheißt Sprache Annäherung
an Welt und deren Erkenntnis.
Die Pädagogik, in diesem Kontext verstanden als eine
epistemologische Wissenschaft, vollzieht sich in einer sprachlichen
Vermittlung. Ein Pädagoge, dessen leitendes Konzept der Tractatus
logico-philosophicus ist, hat zunächst mehrere Prämissen zu bedenken:
Seine Tätigkeit sei in diesem Zusammenhang benannt als die Suche
nach Erkenntnis und die lehrende Weitergabe von Erkanntem im
Lehrer-Schüler-Gespräch. Seine Sätze und die in ihnen repräsentierten
Tatsachen sind nicht unhintergehbar, sondern zunächst „probeweise
zusammengestellt“664. Eine anschließende logische Sprachanalyse als
Aufgabe für das Lehrgespräch prüft, ob die Sätze und mit ihnen die
abgebildeten logischen Tatsachen als solche taugen. Wird hier
sprachliche Welterkenntnis ermöglicht oder verstellt ein Satz den Blick
660 Vgl. TLP: Vorwort, S. 9. 661 WWV, S. 31. Der Einfluss SCHOPENHAUERS auf WITTGENSTEIN wird unter anderem
betont von ANSCOMBE. (Vgl. ANSCOMBE 2001, S. 168f.) 662 Vgl. TLP 5.641, S. 68. 663 Vgl. ZIMMERMANN 1975, S. 30ff. 664 TLP 4.031, S. 29.
174
auf Welt und müsste die Sprache modifiziert werden, um Abbild einer
Tatsache der Welt zu sein? Das sind die Leitgedanken einer logischen
Pädagogik, die dem frühen WITTGENSTEIN folgt, denn in einem
Unterricht, der als Vermittlung von logischer Sprachanalyse konzipiert
ist, vermittelt sich logische Welt.
3.1.2 Der Logik-Begriff des Traktats
Bis hierher folgen die nachvollzogenen WITTGENSTEINschen
Gedanken einem allgemeinen Logik-Begriff, der auf die Formel „die
Logik ist keine Lehre, sondern ein Spiegelbild der Welt“665 gebracht
werden kann. Der Tractatus zieht aber noch eine zweite logische Ebene
ein, die von der grundsätzlichen Welt- und Sprachauffassung zu
unterscheiden ist. Die Logik des Abbild-Verhältnisses von Sprache
und Welt ist eine Logik a priori,666 das heißt eine Logik unabhängig
von jeder – sei es nun sprachlicher oder dinglicher –
Erfahrungsrealität. Sie liegt ohne konkrete Sprach- oder Welt-
Tatsachen fest und ist im Tractatus Maßgabe jedweder Überlegung
zum Verhältnis von Sprache und Welt. Korrespondierend zu diesem
Grundgedanken werden Sätze und Tatsachen formallogisch gedacht.
Auf diese formallogische Ebene soll im folgenden das Augenmerk
gelegt werden.
Im Zuge seiner abbildtheoretischen Vorstellung vom Verhältnis
von Sprache und Welt konstruiert WITTGENSTEIN einen idealen Satz,
dessen Elemente, anders als im defizienten alltags- oder
normalsprachlichen Satz, strukturell gleichermaßen logisch verknüpft
sind, wie er es für die Tatsachen der Welt voraussetzt. Der Satz soll
665 TLP 6.13, S. 76. 666 Vgl. z.B. ANSCOMBE 2001, S. 165, DIETRICH 1973, S. 147ff., GLOCK 2000f, S. 206ff.
175
ein Bild sein, das die logische Form als „Form der Wirklichkeit“667
aufweist.668 Das heißt, die logische Form wird durch ihn nicht
abgebildet,669 kann nicht abgebildet werden. Die Logik ist nicht zuletzt
deshalb vor jeder und außerhalb jeder Erfahrung, weil sie mit Welt
und Sprache identisch ist. Somit weisen Welt und Sprache durch ihre
bloße ontologische Existenz Logik auf, sind ihre Repräsentanten. Welt
hat Logik und zeigt sie; der Satz hat sie und zeigt sie. Die Logik selbst
unterliegt keiner Abbildung, sie ist selbst quasi Ontologie da
Voraussetzung der Abbildbarkeit der Welt durch Sprache, weil beide
logisch strukturiert sind und man daher nicht aus ihr heraustreten
kann, um sie abzubilden:670 Die Logik der Tatsachen lässt sich nicht
vertreten.671 Sie ist im Satz angewandt.672
3.1.2.1 Die Logik des Elementarsatzes
In seinem Verhältnis zur Welt sucht der Mensch Gedanken über die
Welt zu fassen. Er sucht dies logisch, indem er einen Gedanken durch
einen Satz ausdrückt. Da WITTGENSTEIN den Satz als Projektion des
Gedanken betrachtet, nennt er ihn „Satzzeichen“673, denn er ist als
Satz Zeichen für den Gedanken.674 Weil der Gedanke nun seinerseits
667 TLP 2.18, S. S. 16. 668 Vgl. TLP 2.172, S. 16; TLP 5.555, S. 66. 669 Vgl. TLP 2.172, S. 16. 670 STEKELER-WEITHOFER bezieht sich in diesem Zusammenhang auf „Wittgensteins
Unterscheidung zwischen Sagen und Zeigen“ und die „These, was gezeigt werden könne,
könne nicht gesagt werden“. Er fasst diese Unterscheidung als „die logisch bedeutsame
Unterscheidung zwischen externen Tatsachenbehauptungen und internen Erläuterungen der
logischen Form unseres Redens“(insges.: STEKELER-WEITHOFER 1995, S. 313). Interne
Erläuterungen entziehen sich der Sagbarkeit; Tatsachen sind zeigbar. 671 Vgl. TLP 4.0312, S. 29. 672 Vgl. TLP 5.557, S. 66. 673 TLP 3.12, S. 18. 674 Vgl. TLP 3.5, S. 25.
176
Projektion einer Tatsache der Welt ist, sind der sie abbildende
Gedanke sowie auch der den Gedanken abbildende Satz Tatsachen.675
Der Gedanke der allem vorausgehenden Logik verweist auf eine
ontologische Verankerung dieser Ableitungskette im Apriori. Sie gibt
die Möglichkeit sprachlicher Abbildung von Tatsachen vor, da sie
Sprache wie auch Welt gleichermaßen durchwirkt. Folglich kann der
Satz tatsächliches Zeichen eines Gedanken zur Welt sein. Das gilt
allerdings nur für einen Satz, der zutrifft und Sinn hat, denn „der
Gedanke ist der sinnvolle Satz“676.
Eine Tatsache ist für WITTGENSTEIN, dass Sachverhalte
bestehen.677 Solche Sachverhalte lassen sich in Sachen, Dinge,678
Gegenstände gliedern. Letztere sind dazu da, zu Sachverhalten
zusammengestellt zu sein. Gegenstände sind ihrerseits nicht weiter zu
zerlegen.679 Auf der sprachlichen Ebene entspricht das Satzzeichen der
Tatsache eines sinnvollen Gedankens. Als Satzzeichen ist der
Gedanke gliederbar in Wörter, die im Satz aufeinander bezogen sind.
Die Wörter sind für WITTGENSTEIN „Elemente“680 des Satzzeichens.
Er meint mit einem solchen Satz allerdings kein „Wörtergemisch“681,
sondern „Namen“, denn sie bilden im Satz den Gegenstand ab.682
Damit sind Namen wie die durch sie bezeichneten Gegenstände nicht
weiter zergliederbar. Sie sind „Urzeichen“683 des Gegenstandes. Steht
ein Name für einen Gegenstand und ist es der Sinn eines
675 Vgl. TLP 3.14, S. 18. 676 TLP 4, S. 25. 677 TLP 2, S. 11. 678 Vgl. TLP 2.01, S. 11; TLP 2.0121, S. 11f. 679 Vgl. TLP 2.02, S. 13. 680 TLP 3.14, S. 18. 681 TLP 3.141, S. 18. 682 Vgl. TLP 3.22, S. 19. 683 TLP 3.26, S. 20.
177
Gegenstandes am Bestehen eines Sachverhaltes zu partizipieren, so
bildet der Satz einen Sachverhalt ab, wenn er Namen zusammenstellt.
Einen solchen „einfachsten Satz“, der „das Bestehen eines
Sachverhaltes [behauptet]“ nennt WITTGENSTEIN „Elementarsatz“684.
„Er ist ein Zusammenhang, eine Verkettung, von Namen.“685 Der
Elementarsatz ist einfach, weil auf das Wesentliche der Abbildung
beschränkt. Ein Satz, der nur Wesentliches, nichts Nebensächliches
benennt, ist zugleich ideal. Da WITTGENSTEIN die Welt als komplexe
Tatsache beschreibt,686 die zwar aus Dingen zusammengesetzt ist,687
aber als Struktur aus denselben gedacht wird, kann es in der
Sprachanalyse nicht um den das Ding abbildenden Namen allein
gehen. Der Satz in seiner Namen-Struktur bildet die Tatsache in ihrer
Ding-Struktur ab. Wer die Tatsachen der Welt erkennen will, muss sie
daher zwar nach Auffassung WITTGENSTEINs auf die Gegenstände,
die sie zusammensetzen, reduzieren, und zu einer solchen Analyse hat
er die Satzzeichen auf ihre Urzeichen, die Namen zu reduzieren. Aber
es kommt für die logische Erkenntnissuche darauf an, Sätze auf ihre
elementare Form, die Verkettung von Namen, zu bringen. Eine solche
elementare Verkettung kann durch einfache Formeln wie etwa „fx“,
„φ(x, y,)“688 oder „fa“689 vertreten werden. Hier ist die
Ableitungsfaktizität ausgedrückt: Der Satz ist eine Funktion von
einem Faktum. Da dann jedem Elementarsatz ein Sachverhalt, das
Urelement der Tatsache,690 entspricht, die er behauptet, kann „die
684 TLP 4.21, S. 38; Änd. v. G.v.S. 685 TLP 4.22, S. 38. 686 Vgl. TLP 1.12; 2, S. 11. 687 Vgl. TLP 2.01, S. 11. 688 TLP 4.24, S. 38. 689 TLP 5.47, S. 56. 690 Vgl. ANSCOMBE 2001, S. 29.
178
allgemeine Satzform“ schließlich „eine Variable“691, also allein p, q
oder r sein.692 Dabei wird betont, dass der komplexe Satz einer
komplexen Tatsache entspricht, wofür die Variable der Platzhalter ist.
3.1.2.2 Die Logik von Wahrem und Falschem
Im abbildlichen Verhältnis vom Gedanken über Welt und Satz fordert
WITTGENSTEIN den „sinnvollen Satz“693. Dieser ist auch als
„Proposition“, also Angabe einer Tatsache694 mit Inhalt bzw.
Bedeutung695 fassbar. Die WITTGENSTEINsche Propositionstheorie
beinhaltet über die Entwicklung der logischen Abbildtheorie hinaus
einen spezifischen Wahrheitsbegriff.696 Sinnvoll ist ein Satz dann zu
nennen, wenn der Gedanke, dessen Projektion er ist, mit dem durch
den Gedanken projizierten Sachverhalt tatsächlich übereinstimmt.
Satz und „Wirklichkeit“ werden miteinander „verglichen“697. Der Satz
muss dabei gemessen an der Wirklichkeit durch die Fragen „wahr?“
oder „falsch?“ überprüfbar698 und letztlich „wahr“ sein, damit er eine
sinnvolle Tatsache ist.699 Denn: „Der Satz zeigt, wie es sich verhält,
wenn er wahr ist. Und er sagt, dass es sich so verhält.“700
Der Elementarsatz ist die logisch idealisierte Abbildung eines
Tatsachen-Satzes. Er ist darstellbar als Funktion, z.B. fx, oder als
691 TLP 4.53, S. 45. 692 Vgl. TLP 5.31, S. 53. 693 TLP 4, S. 25. 694 Vgl. BUSSMANN 1990b, S. 616f. 695 Vgl. LEWANDOWSKI 1990b, S. 843ff. 696 Vgl. ANSCOMBE 2001, S. 25f. 697 TLP 4.05, S. 30. 698 Vgl. TLP 4.06, S. 30. 699 Vgl. TLP 4.2, S. 38; TLP 4.4, S. 40 sowie GRAYLING 1996, S. 55; SCHEIER 1991, S.
144. 700 TLP 4.022, S. 25f.
179
Variable, p, q, r. Der Abbild-Vorstellung entsprechend, wird Wahrheit
wie der Satz als Funktion gefasst: „Der Satz ist eine
Wahrheitsfunktion der Elementarsätze.“701 Die Funktion zeigt die
Möglichkeit, Wahrheit durch Sätze auszudrücken. Es ergibt sich eine
Reihe, in welcher der Satz sich am Elementarsatz und der
Elementarsatz an seiner Wahrheitsmöglichkeit messen lassen muss.
Hierfür soll eine „Regel“702 aufgestellt werden, die darauf abzielt, die
Möglichkeit einer logischen Wahrheit zu bestimmen. Sie wird in einer
logischen Formelsprache aufgestellt.
„Die Wahrheitsmöglichkeiten der Elementarsätze bedeuten die
Möglichkeiten des Bestehens und Nichtbestehens der
Sachverhalte.“703 Das Bestehen oder Nichtbestehen von Sachverhalten
ist eine Tatsache. Tatsachen sollen sprachlich gezeigt werden. Die
Überprüfung der Wahrheitsmöglichkeiten von Elementarsätzen ist
eine Überprüfung der Möglichkeit, mit Sprache Wahres abbilden zu
können. Überprüft wird zugleich, unter welchen Bedingungen Sprache
das kann.704 Wahrheitsmöglichkeiten stellt WITTGENSTEIN zunächst in
Wahrheitstafeln dar,705 die „Bedingungen der Wahrheit und Falschheit
der Sätze“706 zeigen. Betrachtet man einen Elementarsatz p für sich
allein, kann er und mit ihm die durch ihn aufgezeigte Tatsache
entweder wahr oder falsch sein:
701 TLP 5, S. 45. 702 TLP 5.476, S. 58. 703 TLP 4.3, S. 40. 704 Vgl. TLP 4.41, S. 40. 705 TLP 4.31, S. 40; vgl. auch GLOCK 2000b, S. 93. 706 TLP 4.41, S. 40.
180
p
W
F
Setzt man den Elementarsatz p in Bezug zu einem zweiten
Elementarsatz q, gibt es zunächst vier offensichtliche
Wahrheitsmöglichkeiten:707
p
q
W W
F W
W F
F F
Die Tatsachen p und q sind entweder beide wahr oder beide falsch.
Sowohl im Falle des Wahr-Seins als auch in dem des Falsch-Seins
ergänzen sich die Elementarsätze bestätigend. Ist p falsch und q wahr,
widersprechen sich p und q ebenso wie in der Variante, dass p wahr
und q falsch ist. Werden drei708 Elementarsätze p, q und r auf ihre
Wahrheitsmöglichkeiten analysiert, können sie in 28 verschiedenen
Varianten wahr oder falsch sein:
707 MEDER führt unter Einbezug verschiedener mathematischer Operationen „die
Vielzahl (16) möglicher Wahrheitsfunktionen“ (MEDER 2001, S. 117), also 24, an.
Auszugehen ist nämlich von den beiden Werten „wahr“ und „falsch“ bei vier Stellen. Der
Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es diese Vielzahl der Möglichkeiten gibt. Für die
vorliegende Argumentation spielt das allerdings keine Rolle und wird vernachlässigt. 708 Die Reihe der Kombination von Elementarsätzen ist fortsetzbar. Die Anzahl der
Wahrheitsmöglichkeiten wird mit TLP 4.42, S. 40f. bestimmt.
181
p
q
r
W W W
F W W
W F W
W W F
F F W
F W F
W F F
F F F
Eindeutig sind die Möglichkeiten, dass alle drei Elementarsätze in
Wahrheit (WWW) oder Falschheit (FFF) übereinstimmen. In weiteren
Kombinationen können zwei der gezeigten Tatsachen wahr und eine
falsch (FWW, WFW, WWF), bzw. zwei falsch und eine wahr (FFW,
FWF, WFF) sein. Den Fall, in dem p, q, und r gleichermaßen wahr
sind, nennt WITTGENSTEIN „Tautologie“, den, in dem alle drei
gleichermaßen falsch sind, „Kontradiktion“709. So eindeutig diese
beiden Wahrheitsmöglichkeiten logisch zu sein scheinen, so wenig
zeigen sie Tatsachen:
„Der Satz zeigt was er sagt, die Tautologie und die Kontradiktion, dass sie nichts sagen. Die Tautologie hat keine Wahrheitsbedingungen, denn sie ist bedingungslos wahr; und
709 Beides: TLP 4.46, S. 42f.
182
die Kontradiktion ist unter keiner Bedingung wahr. Tautologie und Kontradiktion sind sinnlos.“ 710
Die Tautologie ist mit sich selbst identisch, selbstreferentiell, bildet
sich wie ein Zirkelschluss selbst ab und keine Aussage, das heißt keine
Tatsache, dahinter. Ein Satz kann nicht seinen eigenen Hintergrund,
die ihm vorgängige Tatsache konstituieren, sie geht eben voraus.
Transzendental notwendig Wesensbestimmendes und Abbildung
müssten in eins fallen können, um wahr genannt zu werden. Das ist
aber nicht zu denken.711 Die Kontradiktion verneint sich selbst, hebt
sich selbst auf, damit wird die Tatsache aufgehoben, die abgebildet
werden sollte, Aussage bzw. Tatsache bleiben eine Leerstelle.
„Tautologie und Kontradiktion sind nicht Bilder der Wirklichkeit. Sie stellen keine mögliche Sachlage dar. Denn jene lässt jede mögliche Sachlage zu, diese keine.“712
Somit haben nur die Sätze eine Aussage, bilden nur die Sätze
Tatsachen ab, die FWW, WFW, WWF, FFW, FWF, WFF sind, denn
ihnen bleibt entweder eine Falsifikation, die sie hindert, Tautologie zu
sein (FWW, WFW, WWF), oder eine Verifikation, durch die sie keine
Kontradiktion sind (FFW, FWF, WFF). Nur so wird abgebildet, denn
diese Aussagen heben ihre Abbildung nicht selbst auf. Allerdings wird
Widersprüchliches ausgesagt. Solche Sätze sind „möglich“713, ihnen
fehlt immer ein Aspekt, der sie ganz wahr (WWW) oder ganz falsch
(FFF) sein ließe. Damit bilden nur unwahre Sätze etwas ab. Der
Wahrheitsgehalt des auf diese Weise sprachlich Abgebildeten bleibt
710 TLP 4.461, S. 43. 711 Vgl. TLP 3.332, S. 23 sowie MOUNCE 1981, S. 55f. 712 TLP 4.462, S. 43. 713 TLP 4.464, S. 44.
183
immer unvollkommen. Wahr ist allein die logische, aber logisch nichts
zeigende Tautologie.714
3.1.2.3 Die Logik der allgemeinen Satzform
Wenn auch damit die Möglichkeit der Abbildbarkeit von wahrer Welt
durch Sprache, bezogen auf die beiden „Extreme“ Tautologie und
Kontradiktion, verneint ist, bleibt offen, welche
Wahrheitsmöglichkeiten die Sätze „zwischen“ diesen Extremen
haben. War Sprache zuerst auf die Elementarsatzformel reduziert
worden, wird diese jetzt verallgemeinert, und zwar bezogen auf den
Wahrheitsbegriff. Dass er den Satz als Funktion auffasst, zeigt
WITTGENSTEIN durch Elementarsätze, wie etwa „fx“, „φ(x, y,)“715 und
„fa“716, die der Form nach Funktionen sind. Dieser Gedanke wird
auch explizit benannt: „Den Satz fasse ich [...] als Funktion der in ihm
enthaltenen Ausdrücke auf.“717 Der „Ausdruck“718 eines Satzes vertritt
seinen Sinn,719 denn das, was durch ihn ausgedrückt werden soll,
macht den Satz sinnvoll. Eine solche Sinn-Vertretung ist ihrerseits
lediglich gegeben, wenn eine Überprüfung der
Wahrheitsmöglichkeiten des Satzes ihn für wahr befindet. Von der
Wahrheit oder Falschheit eines Satzes hängt ab, ob er sinnvoll zu
nennen ist. Die Abbildung der sinngebenden Ausdrücke ist in diesem
Zusammenhang aber eine mehrfache: Ein Satz besteht aus
Ausdrücken, die Sinn verbürgen. Der Satz ist Ausdruck seines Sinns.
Er drückt weiter aus, dass er Wahrheitsmöglichkeiten hat, also wahr
714 Zum Tautologiebegriff vgl. HÜLSER 1979, S. 166ff. Dort insgesamt zur Wahrheit im
Tractatus. 715 Insges.: TLP 4.24, S. 38. 716 TLP 5.47, S. 56. 717 TLP 3.318, S. 21; Ausl. v. G.v.S. 718 TLP 3.31, S. 20. 719 Vgl. TLP 3.31, S. 20.
184
oder falsch sein kann. Mit den Wahrheitstafeln zeigt WITTGENSTEIN
die Bedingungen auf, unter denen Elementarsätze wahr oder falsch
sind. Der Satz bildet also weiter seine eigenen Wahrheitsbedingungen
ab, ist deren Ausdruck.720 Er bildet ab in der Form der Funktion,
genauer der Funktion eines Elementarsatzes, der seine
Wahrheitsbedingungen repräsentiert. Durch die Repräsentation der
Wahrheitsbedingungen z.B. des Elementarsatzes fx werden weiter die
Wahrheitsbedingungen aller möglichen Elementarsätze gezeigt, denn,
hat der Elementarsatz fx Wahrheitsbedingungen, die er vertritt, steht
er nicht nur für sich selbst und seine Wahrheitsbedingungen, sondern
auch für die Wahrheitsbedingungen von Elementarsätzen überhaupt.
Daher gilt: „Der Satz ist eine Wahrheitsfunktion der Elementarsätze.
(Der Elementarsatz ist eine Wahrheitsfunktion seiner selbst.)“721
Als „allgemeine Form des Satzes“ benennt WITTGENSTEIN nun
die Funktion „[ p , ξ , N(ξ )]“.722 „ p “ steht für „die Menge aller
Elementarsätze“. „ξ “ repräsentiert „eine beliebige Auswahl aus“
dieser „Menge“723. „N(ξ )“ bezeichnet die „Anwendung des Negators
auf sämtliche Werte der Satzvariablen ξ“724. Diese Formel steht für
den allgemeinen elementaren Satz. Er ist für WITTGENSTEIN deshalb
allgemein, weil er alle übrigen Sätze als Ableitungen dieser Operation
auffasst.725 Über diese Argumentationsebene hinaus, die sich auf den
propositionalen Charakter der Funktion bezieht, ist sie zugleich die
720 Vgl. TLP 4.431, S. 41. 721 TLP 5, S. 45. Vgl. dazu auch SCHEIER 1991, S. 153f. 722 TLP 6, S. 69. Zur Herleitung der Formel vgl. ANSCOMBE 2001, S. 132ff. und
MOUNCE 1981, S. 52f. 723 Insges.: LANGE 1996, S. 128. 724 GOERES 2000, S. 101. Vgl. auch MACHO 1996, S. 495 sowie RUSSELL 2001, S. 272f. 725 Vgl. GOERES 2000, S. 101 und RUSSELL 2001, S. 273.
185
„allgemeine Form der Wahrheitsfunktion“726. Sie ist logischer
Ausdruck der Analyse, ob Sprache Welt abbildet, genauer ob Sprache
ein sinnvolles, weil wahres Abbild von Welt ist. Die Funktion [ p , ξ ,
N(ξ )] ist das Ergebnis dieser Analyse und verneint eine solche
logische Abbildung. Logik als sinnvoll weltabbildende Sprache ist zu
denken als die Gesamtheit der Elementarsätze: p . Der Elementarsatz
ist zuerst von der Alltagssprache abstrahiert worden, als Bild für Logik
wird seine Menge hier verallgemeinert. Sprache muss
elementarsatzlich sein, um weltabildend zu sein. Das auf diese Weise
gewonnene und in der Funktion festgeschriebene allgemeinste Bild
von Sprache ist durch seinen Höchstgrad an Allgemeinheit
vollkommen unspezifisch und wird durch die weiteren Variablen der
Formel qualitativ beschrieben. Eine sinnvolle sprachliche Äußerung
wird aus der Menge aller Elementarsätze ausgewählt sein. Ist nämlich
als einzig weltabbildend die Menge aller Elementarsätze bestimmt,
wäre ein Satz, der nicht dieser Menge zuzurechnen ist, nicht sinnvoll.
Die Auswahl ist positiv – bezeichnet durch ξ – , aber auch negativ –
ausgedrückt als N(ξ ) – zu denken. Die Möglichkeit der „Negation
sämtlicher Werte der Satzvariablen ξ“727 drückt die
Wahrheitsmöglichkeiten von Elementarsätzen aus. Sie sind unter
bestimmten Bedingungen wahr oder falsch. Eine eindeutige
Weltabbildung durch Sprache verlangte nach einer logischen,
positiven Bestimmung wahrer Sätze oder wenigstens eines wahren
Satzes. Der Wahrheitsbegriff ist innerhalb der Tractatus-Konzeption
zugleich ontologisch verbürgt und der Logik inhärent als ihr
Bestandteil analysierbar. Apriorisch ist die Wahrheit deshalb zu
nennen, weil der Wahrheitsgehalt eines Satzes an dem zu messen ist,
726 Insges.: TLP 6, S. 69. 727 TLP 5.502, S. 59.
186
was abgebildet wird.728 Der Wahrheitsgehalt der abgebildeten Realität
ist seinerseits durch die Deduktionskette von der allgemeinen
Tatsache zum Urgegenstand vorgegeben, denn ohne eine solche
Ableitung innerhalb des zugrundegelegten Abbildverhältnisses ist eine
Wahrheit der Realität nicht denkbar. Die Logik, welche in
Weltstruktur wie auch in Sprachstruktur liegt, verweist bezogen auf
die Wahrheit darauf, dass sie ontologisch verankert, gleichzeitig als
Teil der Logik selbst logisch strukturiert ist. Daher zeigen logische
Analysen Wahrheitsmöglichkeiten auf.729 Um auf dieser logischen
Ebene von Wahrem überhaupt sprechen zu können, bedarf es
antithetisch des Falschen. Die Bedingung der Möglichkeit von
Wahrheit ist ihre Negation. Etwas, das wahr genannt werden soll,
kann dies nur in abgrenzender Unterscheidung von falsch – so die
WITTGENSTEINsche Vorstellung.730 Ist das Falsche die Voraussetzung,
Wahres logisch bestimmen zu können, ist eindeutige Wahrheit nicht
denkbar, denn eindeutig wahr schließt falsch aus. Wahrheit ist durch
Falschheit begrenzt. Daher bleibt die allgemeine Form der
Wahrheitsfunktion auf wenige Bedingungsaussagen beschränkt: Logik
kann Welt unter Bedingungen zeigen. Die erste Bedingung ist, dass
eine elementarsatzliche Sprache und keine alltagssprachliche Sprache
vorliegt. Zweitens kann sie ausschließlich unter der Bedingung
abbilden, dass Wahr-Falsch-Aussagen möglich sind. Da Wahr-Falsch-
Aussagen der Bedingung einer Unterscheidungsmöglichkeit von wahr
und falsch unterliegen, hat die Logik mit den ihr zur Verfügung
stehenden Mitteln gezeigt, dass es eine logisch eindeutige Wahrheit
nicht geben kann.
728 Vgl. TLP 2.222; 4.05, S. 16 und S. 30. Vgl. auch GOERES 2000, S. 38f. sowie MÜLLER
1967, S. 140. 729 Vgl. GOERES 2000, S. 66, S. 112. 730 Vgl. GLOCK 2000m, S. 368 sowie HINTIKKA/HINTIKKA 1996, S. 149.
187
3.1.3 Die Logik zu schweigen
Die allgemeine Form des Satzes zeigt, dass es keine logische
Abbildung von Welt gibt, die wahr genannt werden kann. Sie weist
aber auf, unter welchen Bedingungen der Satz wahr oder falsch zu
nennen ist. Damit bildet der Satz die Bedingungen der Möglichkeit
davon ab, dass Sprache in den Begriffen „wahr“ oder „falsch“ zu
fassen ist. Weiter ist dies ein Abbild der Bedingungen der Wahrheit
oder Falschheit von gedachten Tatsachen der Welt. Beides ist deshalb
gegeben, weil WITTGENSTEIN Sprache und Welt als logisch verbunden
auffasst. Ein Satz ist wahr oder falsch zu nennen, wenn er bezogen auf
die Tatsachen der Welt Wahres oder Falsches abbildet. Die logischen
Bedingungen von Wahrheit oder Falschheit betreffen Sprache und
Welt gleichermaßen. Fasst man die allgemeine Form der
Wahrheitsfunktion als Tatsache der Welt auf, zeigt sie die
Bedingungen, unter denen Sprache Welt abbilden könnte.731 Sieht man
die Wahrheitsfunktion als sprachlichen Ausdruck an, sind mit ihr die
logischen Bedingungen formuliert, unter denen Wahrheit zu denken
wäre. Sprache könnte Abbild der Welt sein, wenn sie eindeutig wahre
Tatsachen der Welt und damit Wahrheit zeigte. Wahrheit wäre
ausgedrückt, wenn sie logisch zu zeigen wäre, ohne dass es der
Abgrenzung von ihrer Negation, der Falschheit, bedürfte,732 aber die
sprachliche Notwendigkeit des Gegensatzpaares wahr – falsch weist
auf die Uneindeutigkeit der Logik hin. Zwar leistet die Logik ein
Dreifaches: Sie zeigt erstens die Bedingungen der Möglichkeit einer
sinnvollen Sprache, sofern durch Logik die Bedingungen des
Sinnvollen gegeben werden. Zweitens steht sie für die Bedingungen
731 Vgl. auch HÜLSER 1979, S. 183. 732 Vgl. TLP 5.5151, S. 60.
188
der Möglichkeit von Welterkenntnis,733 denn Sprachanalyse ist die
Analyse der Tatsachen, deren Summe die Welt ist. Zeigt Logik
sinnvolle Sprache, eröffnet sie gleichzeitig sinnvolle Welt. Drittens
weist Logik die Bedingungen der Möglichkeit von Wahrheit auf,
indem die sprachlich abgebildeten Wahrheitsbedingungen auch auf ein
Wahrheitsideal rekurrieren. Das ist aber eine apriorische Reflexion
über Sprache und Welt. Diese Logik zeigt eine inhaltslose Welt:
„Die logischen Sätze beschreiben das Gerüst der Welt oder vielmehr, sie stellen es dar. Die ‚handeln‘ von nichts. Sie setzen voraus, dass Namen Bedeutung und Elementarsätze Sinn haben: Und dies ist ihre Verbindung zur Welt.“734
Den gerüstartigen Aufbau der Welt, vor jeder Erfahrung und ohne
irgend einen konkreten Gegenstand, kann Logik zeigen. Sie eröffnet
Bedingungen von Sinnhaftigkeit – sinnvoller Sprache und sinnvoller
Welt. Die Frage, worin dieser Sinn bestehen könnte oder was die
Wahrheit dieser Welt ist, bleibt unerreicht und logisch
unbeantwortbar.
Das sind die Grenzen der logisch erreichbaren Erkenntnis von
Welt. Mehr als einen Bedingungsaufweis leistet Logik mit
WITTGENSTEIN nicht. Da für ihn aber die Grenzen der Sprache und
die Grenzen der Welt zusammenfallen und es nach dieser Vorstellung
kein Denken als logisches Denken und keine Welterkenntnis als
sprachliche Welterkenntnis geben kann, stoßen die Überlegungen des
Tractatus logico-philosophicus an die Grenzen des Denkbaren. Ist der
Inhalt vom Sinn der Welt logisch nicht fassbar, muss er außerhalb der
empirisch erfahrbaren Welt735 und außerhalb der Logik liegen, denn
Logik und Welt sind eins:
733 Vgl. dazu GABRIEL 1993, S. 151 und WALLNER 1980b, S. 262. 734 TLP 6.124, S. 74. 735 Vgl. TLP 6.41, S. 82.
189
„Um die logische Form darstellen zu können, müssten wir uns mit dem Satze außerhalb der Logik aufstellen können, das heißt außerhalb der Welt.“736
In einer logisch gedachten Welt, in der Sprache und Welt in eins
fallen, heißt außerhalb der Welt außerhalb der Sprache. Ohne Sprache
ist Schweigen. Da außerhalb einer logisch verfassten Welt nicht
gedacht werden kann, bedeutet das Schweigen von Sprache auch das
Schweigen von Denken.
Der logische Zugriff auf Welt, sprachlich verfasste Gedanken
zur Welt, Sprechen von Welt scheint unmöglich, denn „wovon man
nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen“737. Diese
Schlussfolgerung hat Konsequenzen sowohl für die Suche nach
Erkenntnis über die Tatsachen der Welt als auch für deren
pädagogische Vermittlung. Wer im Sinne des frühen WITTGENSTEIN
Erkenntnis sucht, ist solipsistischer Autodidakt und wird zu
solipsistischer Autodidaktik anleiten.738 Er fasst sich als Teil der Welt
auf, der diese Welt durch seine Sicht von ihr konstituiert: „Ich weiß,
daß diese Welt ist. Daß ich in ihr stehe wie mein Auge im
Gesichtsfeld.“739 Dieses Konstituieren ist ein logisches, denn die
ontologische Struktur in den Tatsachen der Welt, sich selbst
einschließend, ist logisch. Ist diese Logik als Bedingung jeder
Möglichkeit nicht inhaltlich sinnvoll bestimmt erkennbar, hat sich der
Blick des Erkenntnissuchenden ins Ontologische zu wenden.
736 TLP 4.12, S. 33. 737 TLP 7, S. 85. 738 Wobei in Radikalisierung des Solipismusgedanken fraglich ist, ob das solipistische Ich
überhaupt ein anderes Ich als das eigene weltkonstituierend denken kann. (Vgl.
ANSCOMBE 2001, S. 166) Im Sinne einer Pädagogik, die ihr Wissen an andere
weiterzugeben sucht, soll der Solipismus im vorliegenden Zusammenhang nicht in dieser
radikalisierten Form aufgefasst werden. 739 Tagebücher 1914-1916, 11.6.16, S. 167.
190
Beginnen wird die Erkenntnissuche als eine sprachliche, liegt doch die
Logik in allem und zugleich allem zugrunde. Somit hat der
autodidaktisch Erkenntnissuchende ebenso wie derjenige, der andere
auf der Erkenntnissuche begleitet – der Lehrer740 – die fragende
Sprachanalyse als Methode der Erkenntnissuche zur Verfügung.
Sofern Sprache und Welt als logische Abbilder voneinander betrachtet
werden, verspricht nämlich eine Untersuchung der Sprache eine
Annäherung an Welt. Ausgangspunkt ist der Alltagssatz. Ihn gilt es auf
den Elementarsatz zu reduzieren. Weiter ist, WITTGENSTEIN folgend,
ein „allgemeines Urzeichen der Logik“741 zu finden. Mit dem
Auffinden der allgemeinen Satzform geht die Erkenntnis einher, eine
bloße logische Form erkannt zu haben:
„Der Satz kann die logische Form nicht darstellen, sie spiegelt sich in ihm. Was sich in der Sprache spiegelt, kann sie nicht darstellen. Was sich in der Sprache ausdrückt, können wir nicht durch sie ausdrücken. Der Satz zeigt die logische Form der Wirklichkeit. Er weist sie auf.“742
Diese logische Form, welche die Struktur, nicht aber den Inhalt von
Sprache zu zeigen vermag, lässt auf die Struktur der Welt schließen.
Es gibt eine „Logik der Tatsachen“743; erkennbar werden die
Bedingungen der Welt, nicht aber, was oder wie die Welt ist. Das liegt
an der Unmöglichkeit, die Erkenntnisse über die Welt als eindeutig
wahre Aussagen formulieren zu können.
740 Obgleich im Tractatus logico-philosophicus – anders als in PLATONs Dialog Kratylos und in
AUGUSTINs Lehrgespräch De magistro – nicht vom Lehrer und seinem pädagogischen
Handeln die Rede ist, soll hier eine pädagogische Deutung versucht werden. Insofern
werden die Ergebnisse der Sprach-Welt-Analyse auf Erkenntnisvermittlung bezogen. 741 TLP 5.472, S. 57. 742 TLP 4.121, S. 33. 743 TLP 4.0312, S. 29.
191
„Die Sätze der Logik demonstrieren die logischen Eigenschaften der Sätze, indem sie sie zu nichtssagenden Sätzen verbinden. Diese Methode könnte man auch eine Nullmethode nennen.“744
Die Möglichkeit, Welt-Erkenntnisse eindeutig wahr formulieren zu
können, liegt außerhalb der Logik. Sie hat sich selbst schrittweise
negiert.745 Ein „außerhalb der Logik“ ist nicht zu denken. Der
Erkenntnissuchende ist auf das Schweigen geworfen.
Der Lehrer, der eine solche Erkenntnissuche anleitet, wird in
seiner Demonstration eines Befragens von Sprache ebenfalls an diesen
Nullpunkt der Methode kommen, deren Sprachanalysen Reduktionen
zum Schweigen sind und die deshalb „Nullmethode“ genannt werden
kann. Auch ein lehrendes Fragen ist nicht mehr möglich, denn „wenn
sich eine Frage überhaupt stellen lässt, so kann sie auch beantwortet
werden.“746 Eine ganze pädagogische Tradition, die des Fragens,
beginnend mit dem PLATONischen Sokrates,747 wird wie auch die
Philosophie748 mit der Erkenntnis, dass logisch keine Antwort zu
finden ist, sinnlos. Dem Schüler, welcher erkennt, dass sein Fragen
unbeantwortbar wird, wird wie seinem Lehrer dieses Fragen obsolet.
„Wir fühlen, dass, selbst, wenn alle möglichen wissenschaftlichen Fragen beantwortet sind, unsere Lebensprobleme noch gar nicht berührt sind. Freilich bleibt dann eben keine Frage mehr; und eben dies ist die Antwort.“749
Der Lehre und dem Fragen steht nämlich am Ende der logischen
Erkenntnissuche nur das Gerüst der Welt zur Verfügung. Die Inhalte
744 TLP 6.121, S. 72. 745 Vgl. SCHEIER 1991, S. 212. 746 TLP 6.5, S. 84. 747 Vgl. dazu jüngst FISCHER 2004. 748 Vgl. TLP: Vorwort, S. 9. 749 TLP 6.52, S. 85.
192
der Welt, ihr Sinn, sind logisch nicht erfassbar. Dies zu vermitteln
scheint die Aufgabe des Pädagogen, der die Welt mittels Sprachanalyse
lehrt. Aber er kann dann nur das Schweigen lehren.
Das WITTGENSTEINsche Schweigen ist kein beredtes
Schweigen. Es ist Ausdruck der Grenzen logischer Erkenntnis von
Welt. Eröffnet Logik den Sinn von Welt nicht, lassen sich keine
Wahrheits-Aussagen über Welt treffen, muss man über sie schweigen.
Der Sinn von Welt verweist laut WITTGENSTEIN auf zwei Bereiche:
Ethik und Metaphysik, genauer Gott. Ethik heißt für ihn unter
anderem: „den Sinn des Lebens zu erkunden“750. Gott verbürgt diesen
Sinn:
„An einen Gott glauben heißt, die Frage nach dem Sinn des Lebens verstehen. An einen Gott glauben heißt sehen, daß es mit den Tatsachen der Welt noch nicht abgetan ist. An Gott glauben heißt sehen, daß das Leben einen Sinn hat.“751
Beide – die Ethik wie auch Gott – liegen außerhalb von Logik,752 das
heißt, außerhalb der Welt, denn für Ethik gilt „Es ist klar, daß sich die
Ethik nicht aussprechen läßt. Die Ethik ist transzendental.“753 Zu
Gott wird gesagt: „Wie die Welt ist, ist für das Höhere vollkommen
gleichgültig. Gott offenbart sich nicht in der Welt.“754 Ethik trägt zu
einem epistemologischen Ansatz nichts bei und treibt die vorliegende 750 E, S. 10f. Gott ist nach DÖRPINGHAUS nur eine Möglichkeit, diesen Sinn zu verbürgen.
(Vgl. DÖRPINGHAUS 2003) 751 Tagebücher 1914-1916, 8.7.16, S. 168. 752 Vgl. E, S. 1 und 18. Dieser Satz legt für die Forschung eine kantische Deutung
WITTGENSTEINs nahe. Im Rahmen dieser Arbeit wird das Wort „transzendental“ aber
von seiner lateinischen Ursprungsbedeutung her – transcendere, überschreiten, übersteigen
– als ein Hinweis auf das Überschreiten von Logik und Welt gelesen. Vgl. dagegen:
DÖRPINGHAUS 2003, S. 58ff. 753 TLP 6.421, S. 83. 754 TLP 6.432, S. 84.
193
Untersuchung nicht voran. Sie wird deshalb nicht weiter untersucht.755
Mit dem Gedanken an eine Offenbarung durch Gott knüpft
WITTGENSTEIN an die Tradition an, welche Erkenntnis in
Annäherung an Gott erhofft.756 Dieser Tradition entlehnt er auch das
„Gleichnis“, die „Allegorie“757 oder Narration758 von Gott als dem
Schöpfer der Welt:
„Man sagte einmal, daß Gott alles schaffen könne, nur nichts, was den logischen Gesetzen zuwider wäre. – Wir können nämlich von einer unlogischen Welt nicht sagen, wie sie aussähe.“759
WITTGENSTEIN setzt sich von der hier erzählten Tradition ab,760
obgleich er Bedingungen festlegt, denen Gott unterläge, nähme man
den tradierten Gedanken des Schöpfergottes weiter an. Er hätte sich
an die Gesetze der Logik zu halten, so, wie der sprechende und
erkenntnissuchende Mensch auch.761 Die Schöpfung eines solchen
Schöpfers ist nicht zu denken. Er müsste den Beginn der
Ableitungskette von voraussetzendem A priori und vorausgesetzten
Tatsachen, Sachverhalten, Dingen bzw. Elementarsätzen und Namen
initiiert haben, ohne ihr selbst zuzugehören. Gehörte er ihr an, wäre
nämlich Welt als Schöpfung Offenbarung. Das nimmt
755 Zum Zusammenhang von Ethik und Pädagogik als Schlussfolgerungen aus dem
Tractatus logico-philosophicus ist die Dissertation von Norbert MICHEL (Vgl. MICHEL 1981)
grundlegend. Vgl. auch DÖRPINGHAUS 2003. 756 Dafür ist die AUGUSTINische Theorie, so wie sie in Kapitel 1.2 dieser Arbeit dargestellt
ist, ein Beispiel. 757 Beides: E, S. 16. 758 Vgl. DOMASCHKE 2000, S. 241. 759 TLP 3.031, S. 17. 760 Vgl. CHURCHILL 2001, S. 53. 761 Vgl. TLP 3.03, 3.032, S. 17 sowie DOMASCHKE 2000, S. 233f.
194
WITTGENSTEIN aber nicht an.762 Ist Gott demnach ein „unverfügbarer
Anfang“763 oder sind Gott, Ich und Welt als eins zu denken764?
Konstituiert das Ich aus seinen logischen Analysen der
Tatsachen der Welt erst diese Welt, ist der Solipsist der Schöpfergott
der Tractatus-Konzeption.765 Seine Schöpfung kommt aber an ein
Ende, sofern er ihr keinen Sinn zu geben vermag, denn er ist als
Schöpfer den Gesetzen der Logik unterworfen, die nicht mehr als die
Bedingung der Möglichkeit von Sinn zeigt. Dass Welt dennoch Sinn
hat, ist nach WITTGENSTEIN nicht erklärbar, weil logisch nicht fassbar,
außerhalb von Logik aber nicht denkbar ist. Der Sinn der Welt bleibt
ein „Wunder“:
„Es ist das Erlebnis, bei dem man die Welt als Wunder sieht. Nun bin ich versucht zu sagen, der richtige sprachliche Ausdruck für das Wunder der Existenz der Welt sei kein in der Sprache geäußerter Satz, sondern der richtige Ausdruck sei die Existenz der Sprache selbst. Aber was heißt es dann, sich des Wunders bei manchen Gelegenheiten bewußt zu sein, ein andermal dagegen nicht? Denn indem ich die Artikulierung des Wunderbaren vom Ausdruck mit Hilfe der Sprache auf den Ausdruck mittels der Existenz der Sprache verlagere, sage ich wieder nichts weiter, als daß wir außerstande sind, das, was wir ausdrücken wollen, zum Ausdruck zu bringen, und daß alles, was wir über das absolut Wunderbare sagen, weiterhin Unsinn bleibt.“766
Als solches mag es Gott zuzuschreiben sein; Gott und Wunder
entziehen sich aber der sprachlichen Welterkenntnis, liegen im
Schweigen.
762 Vgl. TLP 6.432, S. 84. 763 DÖRPINGHAUS 2003, S. 59. 764 Vgl. CHURCHILL 2001. 765 Vgl. ANSCOMBE 2001, S. 166. 766 E, S. 18.
195
Der Schüler des Tractatus hätte seine Determiniertheit in Logik
zu erkennen. Diese ist ihm zu vermitteln, ebenso wie ihre Grenzen.
Angesichts des Wunders „Sinn“ jenseits dieser Logik müssen Lehrer
und Schüler schweigen. Tractatus logico-philosophicus ist kein Lehrbuch,
weil an seinem Ende keine positive Lehre steht, sondern nur die
Defizienz des logischen Ansatzes offenkundig ist. Daher bleibt
WITTGENSTEIN nur die Auforderung, die Ergebnisse des Tractatus zu
überwinden.767 Hinsichtlich einer solchen Überwindung bleibt aber
nur zu schweigen, denn außerhalb von Logik ist keine Welt.
767 Vgl. TLP 6.54, S. 84.
196
Ludwig WITTGENSTEIN (1889-1951), hier ca. 1951768
768 Abbildung: WUCHTERL/HÜBNER 2001, S. 121. Daten: Vgl. WUCHTERL/HÜBNER
2001, S. 137ff.
197
3.2 „Und der Begriff des Wissens ist mit dem des Sprachspiels verkuppelt.“769: Reden bei WITTGENSTEIN
I. Lebensform/-en ersetzt bzw. ersetzen die verlorene
Ontologie.
II. Sprache ist die Lebensform des Menschen.
III. Sprache ist die Summe von Sprachspielen.
III.I Die Lebensform gibt den Sprachspielen ihre
Funktionen, Ziele und Zwecke, Dienste, Rollen
und Anwendungen vor.770
III.II Plurale Sprachspiele verweisen im Umkehrschluss
auf plurale Lebensformen.
IV. Den Sprachspielen liegen gebrauchsgebundene Logiken zu
Grunde.
IV.I Wahrheit und Regelhaftigkeit unterliegen im Sinne
ihrer Sprachspiel-/Gebrauchsgebundenheit
mehrwertiger Logik, sind uneindeutig.
IV.II Erkennen, Wissen, Gewissheit sind im Sinne der
mehrwertigen Logik ungewiss.
V. Dennoch: Es wird Sprache gespielt.
VI. Familienähnlichkeiten zwischen Sprachspielen verweisen auf
ihre Vergleichbarkeit. Die familienähnliche Korrelation
verbürgt die Möglichkeit zum Sprachspiel.
VII. Erkenntnis und ihre Vermittlung finden unter Anerkenntnis
ihrer Gewissheitsrelativität redend statt. In diesem Sinne ist
logische Pädagogik redend.
769 ÜG § 560, S. 232. 770 Vgl. MAJETSCHAK 1996, S. 379. Vgl. dazu auch PU § 19, S. 245f., PU S. 489.
198
3.2.1 Sprachgebrauch unabhängig von ontologischen Voraussetzungen in WITTGENSTEINs Philosophischen Untersuchungen
Anlass für die Philosophischen Untersuchungen771 ist WITTGENSTEIN der
Trieb des Menschen, seine eigene Sprache „mißzuverstehen“772.
Diesem Trieb meint er selbst mit dem Tractatus logico-philosophicus773
erlegen zu sein. In einer Kritik an der Sprachauffassung des
AUGUSTINUS, genauer an dessen Vorstellungen über das kindliche
Erlernen von Sprache, wie dieser sie in den Confessiones entfaltet,774
wendet WITTGENSTEIN sich von der Abbildtheorie seiner
Frühphilosophie ab. Die dem Spracherwerb zugrundeliegende
kritisierte Sprachauffassung wird zusammengefasst als ein eindeutiger
Zusammenhang von Name und Ding, der als bedeutungstragend die 771 Die Philosophischen Untersuchungen (PU), posthum 1953 von G.E.M. ANSCOMBE, G.H.
von WRIGHT und Rush RHEES veröffentlicht (vgl. PU, Bemerkungen der Herausgeber, S.
227), fassen WITTGENSTEINs Arbeiten aus den Jahren zwischen 1936/37 und 1950
zusammen. (Vgl. GLOCK 2000g, S. 276) Nach mehreren gescheiterten
Veröffentlichungsversuchen wünschte er selbst eine gemeinsame Publikation mit dem
Tractatus logico-philosophicus (TLP), da sie seine Auseinandersetzung mit dem Frühwerk
sind. (Vgl. PU, Vorwort, S. 232 sowie GRAYLING 1996, S. 87ff.) Gegenüber der dort
vertretenen Abbildtheorie legt WITTGENSTEIN hier eine Gebrauchstheorie vor, welche
die Normalsprache nicht länger zu idealisieren, sondern in ihrer verborgenen
Regelhaftigkeit zu verstehen sucht. Die Philosophischen Untersuchungen sind in Aphorismen
verfasst; auf einen ersten, in nummerierte Paragraphen gegliederten Teil folgt ein zweiter,
nicht bezifferter, dessen Zufügung eine Entscheidung der Herausgeber ist. (Vgl.
SCHULTE 1997, S. 130) Oftmals findet man kurze Dialoge mit einem alter ego vor, in
denen WITTGENSTEIN verschiedene sprach- bzw. philosophiegeschichtliche Positionen
einnimmt und dadurch gegeneinander abwägt. (Vgl. GLOCK 2000g, S. 276) Die
Philosophischen Untersuchungen sind nicht klar zu Kapiteln zusammengefasst. Wenngleich es
in der Forschung eine gebräuchliche Gliederung gibt (vgl. GLOCK 2000g, S. 278), ist es
empfohlen, je nach Erkenntnisinteresse eigene Zusammenfassungen zu wählen. (Vgl.
SCHULTE 1997, S. 132) 772 PU § 109, S. 298f. 773 TLP. Vgl. Kapitel 3.1 dieser Arbeit. 774 Vgl. Confessiones I.8, S. 30ff.; PU § 1, S. 237ff.
199
Basis der gesamten Sprachkonstruktion bilde,775 und auf die hin das
Lehren von Sprache „Abrichtung“776 sei. Gegründet auf die ostensive
Definition777, die ebenso beibehalten wird wie der Grundsatz, Sprache
und Welt zusammen zu denken, markiert § 7 den Übergang von der
frühen zur späten Sprachtheorie WITTGENSTEINs:
„In der Praxis des Gebrauchs der Sprache [...] ruft der eine Teil die Wörter, der andere handelt nach ihnen; im Unterricht der Sprache aber wird sich dieser Vorgang finden: Der Lernende benennt die Gegenstände. D.h. er spricht das Wort, wenn der Lehrer auf den Stein zeigt. – Ja, es wird sich hier die noch einfachere Übung finden: der Schüler spricht die Worte nach, die der Lehrer ihm vorsagt – beides sprachähnliche Vorgänge.
Wir können uns auch denken, daß der ganze Vorgang des Gebrauchs der Worte [...] eines jener Spiele ist, mittels welcher Kinder ihre Muttersprache erlernen. Ich will diese Spiele ‚Sprachspiele‘ nennen, und von einer primitiven Sprache manchmal als einem Sprachspiel reden.
Und man könnte die Vorgänge des Benennens der Steine und des Nachsprechens des vorgesagten Wortes auch Sprachspiele nennen. Denke an manchen Gebrauch, der von Worten in Reigenspielen gemacht wird.
775 Vgl. ebd. 776 PU § 5, S. 239. Der Begriff „Abrichtung“ bezeichnet in den Philosophischen
Untersuchungen eine Vorstufe der Erklärung. Wird er an dieser Stelle auf eine Form des
Unterrichts angewandt, die WITTGENSTEIN jetzt gegenüber früheren Auffassungen
ablehnt, benutzt er ihn durchaus für pädagogisches Handeln, das er in seinem Spätwerk
für sinnvoll erachtet. So wird ein Kind etwa auf das Lernen durch Zeigen abgerichtet.
(Vgl. PU § 157, S. 320 sowie GLOCK 2000c, S. 99) 777 Mit einer hinweisenden oder auch ostensiven Definition ist das Zeigen gemeint. Im
Tractatus zeigt Logik Welt. (Vgl. TLP 4.121, S. 33) Die Philosophischen Untersuchungen
unterscheiden das Zeigen auf auf Gegenstände im kritisierten AUGUSTINischen Sinne
(vgl. z.B. PU § 6, S. 240), der hinweisenden Definition von einem„Personennamen“,
einem „Farbwort“, einem „Stoffnamen“, einem „Zahlwort“ oder dem „Namen einer
Himmelsrichtung“ (PU § 28, S. 252) sowie von privaten Affektionen (vgl. PU § 258, S.
362). (Vgl. Insges. HACKER 1993a, S. 41ff. sowie LANGE 1998, S. 145ff.)
200
Ich werde auch das Ganze: der Sprache und der Tätigkeiten, mit denen sie verwoben ist, das ‚Sprachspiel‘ nennen.“778
Nach der ersten Sprachvorstellung WITTGENSTEINs führen Hinweise
des Zeigens und Vorsagens dazu, dass ein Schüler nicht nur die
Wörter, sondern auch die Gegenstände kennen lernt.
Zeichengebrauch und Sprache lehren Welt. Das unterstellte
Abbildverhältnis besagt: Das Kind erlernt eine Logik, die scheinbar
auf Ontologie verweist; umgekehrt ist die Logik vermeintlich
ontologisch verbürgt. Sich von diesem AUGUSTINischen und auch
Traktatischen Sprach-Bild abwendend führt WITTGENSTEIN die
Sprachspiel-Metapher ein. Sie interpretiert die lehrende Abrichtung
von Kindern auf ihre Erstsprache als etwas Spielerisches. Als Ur-
Sprachspiel wird das abbildtheoretische benannt, von dem
WITTGENSTEIN zugleich mit dem Gedanken des Sprachspiels Abstand
nimmt und Sprache in eine Vielzahl sprachlich-spielerischer
Handlungen umdeutet.779 Mit der Sprachspiel-Metapher verweist
WITTGENSTEIN auf eine unüberschaubare Menge sprachlicher
Tätigkeiten, etwa: beschreiben, berichten, informieren, zustimmen,
bestreiten, spekulieren, Befehle geben, Fragen stellen, Geschichten
erzählen, schauspielern, singen, Rätsel raten, Spaß machen, Probleme
lösen, übersetzen, fordern, danken, grüßen, fluchen, beten, warnen, in
778 PU § 7, S. 241; Ausl. v. G.v.S. 779 GOERES verweist auf eine Übergangsphase, in der WITTGENSTEINs Denken sich von
der Überzeugung, mit dem Elementarsatz und dem logischen Kalkül die Sprache
abschließend erfasst zu haben, hin zur Vielfältigkeit ihrer möglichen Erscheinungsformen
entwickelt. (Vgl. GOERES 2000, S. 127ff.) HINTIKKA und HINTIKKA beschreiben diesen
„Sinneswandel“ detailierter. (Vgl. HINTIKKA/HINTIKKA 1996, S. 212ff.) GLOCK führt
den Begriff „Sprachspiel“ auf die Arithmetik-Auffassung der Formalisten als ein Spiel
zurück, die WITTGENSTEIN seit 1930 übernommen und ausgeweitet habe. (Vgl. GLOCK
2000l, S. 325) Er ist ein WITTGENSTEINscher Neologismus, der die Ähnlichkeits-
merkmale sprachlicher Akte betont. (Vgl. LANGE 1998, S. 140f.)
201
Erinnerung rufen, Gefühle ausdrücken usw.780 Dieser „Vielfältigkeit
ihrer Phänomene“781 wird die frühere Festlegung von Sprache, nur ein
Elementarsatz trage Bedeutung, nicht gerecht. Gegen einen rein
logisch kalkulierenden und definierenden Ansatz setzt er jetzt die
„Beschreibung“782. Sprache wird beschrieben als
„Verwobenheit nicht nur von verbalem und faktischem Handeln, sondern auch [...] als Zeichengebrauch [der] ein riesiges Feld menschlicher Tätigkeit bestimmt, [WITTGENSTEIN beschreibt,] daß Sprache in ihrer einfachsten wie kompliziertesten Form nichts ist als ein jeweils spezifisches konkretes Sprachspiel, was aber zugleich bedeutet: Sprache ‚überhaupt‘ ist ein offenes System von Sprachspielen, ist Sprachspiel. Und schließt ein, daß jede sprachliche Äußerung gesellschaftliches Handeln ist, und jede praktische Handlung ‚sprachlich‘.“783
Allen sprachlichen Tätigkeiten ist als „Familienähnlichkeit“784 der
Spielcharakter gemeinsam. Der Begriff des Spiels impliziert aber, dass
ihnen nicht eins gemeinsam ist, so wie „Brettspiele, Kartenspiele,
Ballspiele, Kampfspiele usw.“785 lediglich die Gemeinsamkeit haben,
dass alle Spiele sind, aber doch sehr verschiedene Spiele. Deshalb
erscheint es dem WITTGENSTEIN der Philosophischen Untersuchungen
780 Vgl. PU § 23, S. 250; § 27, S. 252; § 180, 334; § 288, S. 371f.; § 654, S. 476; Auswahl
nach GRAYLING 1996, S. 93. 781 MAJETSCHAK 1996, S. 376. 782 PU § 109, S. 298f. 783 BEZZEL 1988, S. 20; Ausl. u. Zus. v. G.v.S. Vgl. PU § 19, S. 245f. 784 Erstmalig ist dieser Begriff in Anlehnung an Nietzsche und als Kritik an Spengler im
Big Typescript gebraucht: „innerhalb der Familie gibt es eine Familienähnlichkeit, während
es auch zwischen den Mitgliedern verschiedener Familien eine Ähnlichkeit gibt; die
Familienähnlichkeit unterscheidet sich von der Ähnlichkeit so und so etc.“ (BT 4.60.3.1,
S. 180; vgl. GLOCK 2000d, S. 107) WITTGENSTEIN bezeichnet damit eine spezifische
Form der Analogie (vgl. TEUWSEN 1988), die auf das Universalienproblem zielt (Vgl.
WIMMER 2001, Sp. 196) Zur Entwicklung des Begriffs bei WITTGENSTEIN: Vgl. GOERES
2000, S. 167ff. 785 PU § 66, S. 277.
202
auch verfehlt, von e i n e r „Sprache“ zu sprechen. Er betont mit
dem Vergleich von Sprache und Spiel die „Mannigfaltigkeit“ und
„Verschiedenartigkeit“786 aller möglichen sprachlichen Tätigkeiten. Sie
haben vergleichbare Ähnlichkeiten, aber keinen „notwendig
gemeinsamen Wesenskern“787.
Sah der Tractatus die Bedeutung eines Wortes im Gegenstand,
den es benennt,788 stellen die Philosophischen Untersuchungen zunächst
einmal in Frage, was „Bedeutung“ überhaupt sei.789 Man kann
definieren und erklären, worin die Bedeutung eines bestimmten
Wortes liegen soll, aber „Erklärungen haben irgendwo ein Ende“790,
obgleich es erforderlich ist, sprachlich zu handeln.791 Daraus folgert
WITTGENSTEIN:
„Man kann für eine große Klasse von Fällen der Benützung des Wortes ‚Bedeutung‘ – wenn auch nicht für alle Fälle seiner Benützung – dieses Wort so erklären: Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache.“792
Diese „Gebrauchstheorie der Bedeutung“793 ist keine Definition,794
sondern so offen und weit angelegt wie der Begriff der Sprachspiele.
„Gebrauch“ verweist darauf, welche verschiedenen „Funktionen“795,
„Ziele“ und „Zwecke“796, „Dienste“797, „Rollen“ und
786 Beides: GRAYLING 1996; S. 94. 787 MAJETSCHAK 1996, S. 376. 788 Vgl. TLP 3.22, S. 19 und PU § 1, 237f. 789 Vgl. PU §§ 1 und 2, S. 237f. 790 ebd. 791 Vgl. ebd. 792 PU § 43, S. 262f. 793 GRAYLING 1996, S. 96. Mit diesem Konzept ist die Pragmatik als Bedeutungstheorie
begründet. (Vgl. BUSSMANN 1990, S. 264 sowie LEWANDOWSKI 1990a, S. 143ff.) 794 Vgl. GRAYLING 1996, S. 97. 795 Vgl. PU § 11, S. 243; § 17, S. 245; § 274, S. 367; § 556, S. 447f.; § 559, S. 449. 796 Vgl. PU § 5, S. 239; § 6, S. 240; § 8, S. 241; § 348, S. 390.
203
„Anwendungen“798 Ausdrücke innerhalb der Sprache „spielen“799
können, was wiederum vom jeweiligen Sprachspiel abhängt, innerhalb
dessen sie verwendet werden.
Sprachfähigkeit besteht demnach darin, „Ausdrücke [einer
Sprache] in den vielen verschiedenen Sprachspielen anzuwenden, zu
denen diese Ausdrücke gehören können“800. Spracherwerb müsste
folglich im Erlernen einer so beschriebenen „Technik“801 liegen.
Sprache verstehen heißt, die Technik der Anwendung eines Ausdrucks
in verschiedensten Sprachspielen beherrschen und mit dem Ausdruck
in verschiedensten Sprachspielen agieren.802 Sprache ist eine soziale
Handlungs-Praxis, und verweist als solche auf die menschliche
Existenzweise:
„Das Wort ‚Sprachspiel‘ soll hier hervorheben, daß das Sprechen der Sprache ein Teil ist einer Tätigkeit, oder einer Lebensform.“803
und: „‚So sagst du also, daß die Übereinstimmung der Menschen entscheide, was richtig und was falsch ist?‘ – Richtig und falsch ist, was Menschen sagen; und in der Sprache stimmen die Menschen überein. Dies ist keine Übereinstimmung der Meinungen, sondern der Lebensform.“804
Der Begriff der Lebensform ist mehrdeutig.805 Zunächst verweist er
auf gemeinschaftlichen Konsens, quasi einen sensus communis, als die
797 Vgl. PU § 87, 289f. 798 Vgl. PU §§ 66 ff., S. 277ff. Auswahl insgesamt nach GRAYLING (GRAYLING 1996, S.
96). 799 GRAYLING 1996, S. 97. 800 GRAYLING 1996, S. 97; Zus. v. G.v.S. 801 PU § 199, S. 344. 802 Vgl. ebd. sowie GRAYLING 1996, S. 99. 803 PU § 23, S. 250. 804 PU § 241, S. 356. 805 Vgl. zu den Deutungsansätzen der Forschung GLOCK 2000e.
204
Voraussetzung für bedeutungstragendes sprachliches Handeln
überhaupt. Da im Umkehrschluss aber auch gilt: Keine menschliche
Gemeinschaft ist ohne Sprache denkbar, kann sprachliches Agieren als
die fundamentale Lebensform des Menschen verstanden werden.
Sprache ist Lebensform. Damit ersetzt der Begriff der Lebensform
drittens jene Ontologie806, von der WITTGENSTEIN sich mit der
Abbildtheorie verabschiedet hatte: „Das Hinzunehmende, Gegebene
– könnte man sagen – seien Lebensformen.“807 Über etwas außerhalb der
Sprache Liegendes, ihr ontologisch Vorhergehendes und sie
Bestimmendes war Aussagen zu treffen am Ende des Tractatus für
unmöglich erklärt worden, hierüber ist zu schweigen.808 Dennoch
erscheint das Schweigen WITTGENSTEIN nicht als ein Nichts.
„Das Unaussprechbare (das, was mir geheimnisvoll erscheint und ich nicht auszusprechen vermag) gibt vielleicht den Hintergrund, auf dem das, was ich aussprechen konnte, Bedeutung bekommt.“809
Hinsichtlich eines ontologischen Hintergrundes ist Schweigen, er ist
nicht verfügbar. Vor diesem Hintergrund ist Reden dennoch möglich
und sinnvoll, denn WITTGENSTEIN bestimmt in den Philosophischen
Untersuchungen die Lebensform als etwas der Logik Inhärentes, das ihr
zugleich vorausgeht. Sie ist der Sprache inhärent, sofern sie mit der
menschlichen Existenzweise, in Sprachspielen zu agieren, identisch ist,
sie geht ihr voraus, da sie den Sprachspielen Funktionen, Ziele und
Zwecke, Dienste, Rollen und Anwendungen vorgibt.810 In der
806 Vgl. zu dieser alten Ontologie: Vgl. LANGE 1998, S. 157ff., S. 308ff.; zu den
Lebensformen: „wie er nunmehr das Leben als ‚Wesen der Welt‘ betrachtet“ (GOERES
2000, S. 199). 807 PU S. 572. 808 Vgl. TLP 6.4312, 6.5, 6.522, 7, S. 84f. 809 VB 1931, S. 472. 810 Vgl. MAJETSCHAK 1996, S. 379. Vgl. dazu auch PU § 19, S. 245f., PU S. 489.
205
Pluralität möglicher Sprachspiele, denen plurale Vorgaben zugrunde
liegen, kann schließlich auch plural von Lebensformen die Rede sein.
3.2.2 Die Logiken der Philosophischen Untersuchungen
Die Abwendung WITTGENSTEINs von der Sprachauffassung des
Tractatus vollzieht sich nicht nur auf allgemeinlogischer, sondern auch
auf formallogischer Ebene. Sie bezieht sich hier auf den Übergang von
der Theorie der idealen Sprache zur Theorie der Alltagssprache. Hatte
WITTGENSTEIN zunächst versucht, die Sprache auf ihr kristallreines,
scharfgeschnittenes Wesen zu reduzieren, ist ihm in den Philosophischen
Untersuchungen deutlich, dass er damit der realen Sprache nicht gerecht
wird. Sprache ist realiter keine Summe aus Elementarsätzen; vielmehr
muss die Sprache bereinigt und beschnitten werden, um jenem Ideal
zu entsprechen, das er nun selbst als vorurteilsbeladen verwirft.
„Wir erkennen, daß, was wir ‚Satz‘, ‚Sprache‘ nennen, nicht die formelle Einheit ist, die ich mir vorstelle, sondern die Familie mehr oder weniger miteinander verwandter Gebilde. – Was aber wird nun aus der Logik? Ihre Strenge scheint hier aus dem Leim zu gehen. – Verschwindet sie damit aber nicht ganz? – Denn wie kann die Logik ihre Strenge verlieren? Natürlich nicht dadurch, daß man ihr etwas von ihrer Strenge abhandelt. – Das Vorurteil der Kristallreinheit kann nur so beseitigt werden, daß wir unsere Betrachtung drehen. (Man könnte sagen: Die Betrachtung muß gedreht werden, aber um unser eigentliches Bedürfnis als Angelpunkt.)“811
Der Perspektivenwechsel von einem idealen Satz hin zur Pluralität der
Sprachspiele812 lässt WITTGENSTEIN dennoch die Forderung nach
einer klaren korrekten logischen Stringenz seiner Überlegungen
aufrechterhalten.813 Er verfährt weiterhin logisch, zwar nicht länger
811 Ebd. 812 Vgl. PU § 81, S. 286 sowie auch LANGE 1998, S. 212. 813 Vgl. PU § 101ff., S. 296ff.
206
ausschließlich kalkulierend,814 vielmehr gebrauchslogisch, denn die
„Logik unserer Ausdrücke“ heißt jetzt „den Gebrauch unserer Worte
[...] darzustellen“815. Nicht länger fällt WITTGENSTEIN dem
„Nimbus“816 einer Onto-Logik anheim, das heißt, nicht länger nimmt
er an, die Logik zeige eine ihr zugrundeliegende und sie
durchdringende Ontologie auf.817 Vielmehr kommt es ihm nun darauf
an, die Gesetze der scheinbar offenkundig und doch unverständlich
vor ihm liegenden Sprache verstehen zu lernen,818 und zwar in ihren
alltäglichen Anwendungsmöglichkeiten.819 Da diese vielfältig sind,
verlässt WITTGENSTEIN damit den Bereich der zweiwertigen, hin zu
einer mehrwertigen Logik.820 Dies wird im Folgenden zu erläutern
sein.
3.2.2.1 Die Logik der Sprachspiele
In der Reflexion über seinen frühen Logik-Begriff spezifiziert
WITTGENSTEIN sein eigenes logisches Missverständnis. Die
814 Vgl. GOERES 2000, S. 222ff. 815 Insges.: PU § 345, S. 389; Ausl. v. G.v.S. GOERES nennt dies eine „grammatische
Spiel-Regel-Logik“ (GOERES 2000, S. 233). 816 PU § 97, S. 294. 817 Vgl. ebd. 818 Vgl. PU § 89, S. 291 sowie GLOCK 2000f, S. 209. 819 Vgl. PU § 134, S. 305. 820 BOCHEŃSKI definiert die zweiwertige Logik als ein auf der klaren Zuordnung zu den
Werten wahr und falsch basierendes System, wohingegen mehrwertige Logiken über diese
beiden hinaus graduelle Zwischenwerte zulassen. (Vgl. BOCHEŃSKI 1970 § 42.15, S. 383
sowie § 49.08, S. 469ff.) GOERES weist darauf hin, WITTGENSTEIN fordere nach Aufgabe
der idealen Sprache eine umfassendere Logik als die ARISTOTELische. (Vgl. GOERES
2000, S. 222f.) Nach BOCHEŃSKI hingegen legen ARISTOTELES und die Scholastik
alltagssprachliche Logik vor. (Vgl. BOCHEŃSKI 1970 § 10.27, S. 56) Das entspricht auch
der in dieser Arbeit vertretenen These, dass ARISTOTELES, THOMAS VON AQUIN und
der späte WITTGENSTEIN eine Traditionslinie bilden. (Siehe Einleitung)
207
abbildliche Vorstellung von „Satz, Sprache, Denken, Welt“ 821 ist auf
die formelle Strukturidentität der genannten Relata gegründet. Sie
initiiert einen allein auf Namen konzentrierten Atomismus, der zwar
das Wesen der Sprache in den Blick zu nehmen sucht, an eben dieses
aber nicht heranreicht. Das Wesen der Sprache wird von
WITTGENSTEIN nämlich nicht länger im Elementaren gesehen,
sondern im Sprachgebrauch, der erst Bedeutung schafft, sich aber der
Betrachtung des Kalküls entzieht. Der Gebrauchstheorie entspricht
die Sprachspiel-Metapher822. Hatte WITTGENSTEIN früher die
Spielfiguren fokussiert,823 interessiert er sich jetzt für die möglichen
Spielzüge.
Die Sprachspiele werden uneindeutig gedacht, was das topo-
und chronologische Bild einer vielgestaltigen und unübersichtlichen
Stadt zeigt:
„Unsere Sprache kann man ansehen als eine alte Stadt: Ein Gewinkel von Gäßchen und Plätzen, alten und neuen Häusern, und Häusern mit Zubauten aus verschiedenen Zeiten; und dies umgeben von einer Menge neuer Vororte mit geraden und regelmäßigen Straßen und mit einförmigen Häusern.“824
Das neue Bild von der Sprache verweist auf ihre Logik.825 Die Stadt ist
zwar befestigt, unterliegt aber einem Wandel, der durch Verfall,
Abrisse und Neubauten entsteht. Es gibt Neues und Altes, Geplantes
und Gewachsenes, Praktisches und Unpraktisches, Schönes und
Hässliches. Für die Sprache gilt Entsprechendes: Sie hat eine zur Zeit
gebräuchliche Form, die sich aber im Gebrauch ändert. Alte
821 PU § 96, S. 294. 822 Zum Begriff allgemein vgl. HINTIKKA/HINTIKKA 1996, S. 271ff.; LANGE 1998, S.
140ff. sowie LEWANDOWSKI 1990g, S. 1052. 823 Vgl. PU § 108, S. 298. 824 PU § 18, S. 245; vgl. dazu auch GOERES 2000, S. 137f. 825 Vgl. ÜG § 501, S. 220.
208
Wendungen werden ungebräuchlich oder reformiert, erweisen sich aus
pragmatischen oder ästhetischen Gründen als passend oder unpassend
im sprachlichen Agieren. Auch gibt es nicht nur Häuser, sondern auch
Gassen in der Stadt bzw. nicht nur Namen, sondern auch andere
Wortarten in der Sprache.826 Die sprachliche Vieldeutigkeit lässt
WITTGENSTEIN sogar den Spiel-Begriff anzweifeln.
„Man kann sagen, der Begriff ‚Spiel‘ ist ein Begriff mit verschwommenen Rändern. – ‚Aber ist ein verschwommener Begriff überhaupt ein Begriff?‘ – Ist eine unscharfe Photographie überhaupt ein Bild eines Menschen? Ja, kann man ein unscharfes Bild immer mit Vorteil durch ein scharfes ersetzen? Ist das unscharfe nicht oft gerade das, was wir brauchen?“827
Die abbildtheoretische Vorstellung davon, was ein Begriff sei, beruht
auf ontologischer Eindeutigkeit: Einem Gegenstand ist ein Name
zuzuordnen. Diese Zuordnung ist, logisch zweiwertig gedacht,
entweder wahr oder falsch. Hat man eine Entscheidung entweder für
das Wahre oder für das Falsche getroffen, ist diese Zuordnung
eindeutig. Bezogen auf den Spiel-Begriff WITTGENSTEINs liegt eben
diese Eindeutigkeit nicht vor. Da er nicht länger abbildtheoretisch,
sondern gebrauchstheoretisch denkt und der jeweilige Gebrauch die
Bedeutung von Begriffen bestimmt, werden Begriffe vieldeutig.
Insofern WITTGENSTEIN mit dem Begriff „Spiel“ eben diese
Vieldeutigkeit bezeichnet, ist er im durch ihn bezeichneten
Zusammenhang gerade in seiner Unbestimmtheit angemessen. Die
Uneindeutigkeit von wahr oder falsch, die Unmöglichkeit, begrifflich
eindeutig festzulegen, welches Sprachspiel gerade gespielt wird,828
verweist auf die Mehrwertigkeit der Sprachspiel-Logik. Die
826 Vgl. PU § 38, S. 259. 827 PU § 71, S. 280. 828 Vgl. PU § 654, S. 476.
209
Uneindeutigkeit ist das unscharfe, verschwommene, der Sprache
angemessene Sprachspiel.
3.2.2.2 Die Logik des Wahrheits- bzw. Falschheitsgebrauchs
Die Eindeutigkeit der zweiwertigen Logik des Tractatus gilt in den
Philosophischen Untersuchungen nicht mehr. Sie ist bezogen auf die beiden
Werte „wahr“ und „falsch“ „ein schlechtes Bild“829. Vielmehr
erscheint es WITTGENSTEIN gegen seine eigene Forderung nach
logischer Eindeutigkeit830
„als sagte man ‚Schachkönig ist die Figur, der man Schach ansagen kann.‘ Aber das kann doch nur heißen, daß wir in unserem Schachspiel nur dem König Schach geben. So wie der Satz, daß nur ein Satz wahr sein könne, nur sagen kann, daß wir ‚wahr‘ und ‚falsch‘ nur von dem prädizieren, was wir einen Satz nennen. Und was ein Satz ist, ist in einem Sinne bestimmt durch die Regeln des Satzbaus (der deutschen Sprache z.B.), in einem andern Sinne durch den Gebrauch des Zeichens im Sprachspiel. Und der Gebrauch der Wörter ‚wahr‘ und ‚falsch‘ kann auch ein Bestandteil dieses Spiels sein; und dann gehört er für uns zum Satz, aber er ‚paßt‘ nicht zu ihm. Wie wir auch sagen können, das Schachgeben gehöre zu unserem Begriff vom Schachkönig (gleichsam als ein Bestandteil desselben). Zu sagen, das Schachgeben passe nicht auf unsern Begriff von den Bauern, würde heißen, daß ein Spiel, in welchem den Bauern Schach gegeben wird, in welchem etwa der verliert, der seinen Bauern verliert, - daß ein solches Spiel uninteressant wäre, oder dumm, oder zu kompliziert, oder dergleichen.“831
Was für einen Satz oder eine Sprache als wahr oder falsch gilt, ob gar
diese logischen Werte überhaupt in ihnen gelten, hängt von der
Auffassung ab, die man vom Satz bzw. von der Sprache hat, also von
der dieser Auffassung zugrundeliegenden Lebensform.832 Aus einem
gebrauchstheoretischen Blickwinkel bestimmt das Spiel, genauer, 829 PU § 136, S. 307. 830 Vgl. auch PU § 437, S. 417. 831 Ebd. 832 Vgl. PU § 241, S. 356 sowie GLOCK 2000m, S. 371.
210
bestimmen die Spielregeln ob oder inwiefern Richtigkeit oder
Falschheit angemessene Maßstäbe sind. „Wahr“ oder „falsch“ können
unter Anwendung der Sprachspiel-Metapher im Sinne einer
zweiwertigen Logik keine passenden Ordnungskriterien für die
Zuweisung von Geltung mehr sein. Vielmehr ist von
Gewissheitswerten gradueller Spiel-/Regel-Angemessenheit oder –
Unangemessenheit auszugehen. Es „kommt auf das System von
Hypothesen, Naturgesetzen an, in welchem wir das Phänomen der
Gewißheit betrachten“833. Wie gezogen, gespielt wird, entspricht dem
Spiel; das Spiel bestimmt die Angemessenheit. Ihm zu entsprechen ist
die Regel. Es muss gespielt werden, alles andere ist ein
Missverständnis der Sprache. 834
3.2.2.3 Die Logik des Regelfolgens
Es wird unterschieden zwischen ‚eine Regel aufstellen‘ und ‚einer
Regel folgen‘, genauer zwischen Regeln für andere machen, um sie
etwas zu lehren,835 der Regel eines Lehrers folgen,836 aber auch etwas
scheinbar regelhaft tun, ohne dass die Regel von außen erkennbar
ist.837 Ausgangspunkt der Überlegungen zum Regelhaften ist für
WITTGENSTEIN die pädagogische Lebensform des Unterrichts,
genauer das Sprachspiel des Mathematikunterrichts. Ein Schüler wird
dazu aufgefordert, verschiedene Additionen – „‚+n‘“838 – 833 PU § 325, S. 382f. 834 Vgl. PU § 345, S. 389 sowie LANGE 1998, S. 141f. 835 Vgl. z.B. PU § 185, S. 336. 836 Vgl. z.B. ebd. 837 Vgl. z.B. PU § 236, S. 354. GLOCK unterscheidet in diesem Zusammenhang den
normativen Charakter einer Regel von der Intention, sie verstehen zu wollen. (Vgl.
GLOCK 2000j, S. 295) HACKER und BAKER differenzieren zwischen vier Aspekten: dem
Instruktions-, dem Definitions-, dem Erklärungs-, dem Rechtfertigungs und dem
Evaluations-Charakter der Regel. (Vgl. HACKER/BAKER 1994, S. 45ff.) 838 PU § 185, S. 336.
211
durchzuführen.839 Dabei wird er dazu abgerichtet, der vorgegebenen
Regel zu folgen wie einem Befehl.840 Macht er dabei aus der
Perspektive des Lehrers als demjenigen, der die Regel im Unterrichts-
Sprachspiel aufgestellt hat, Fehler, so ist dies darauf zurückzuführen,
dass der Schüler die Regel nicht verstanden hat. Dabei ist es nicht
zweckmäßig, die Erklärung der unverstandenen Regel zu
wiederholen.841 Aus der Perspektive des Schülers erscheint sie als
„Zauber“842, Mythologie843; er kann lediglich versuchen, die Regel
intuitiv844 zu befolgen, was ihr „‚blind‘“ 845 zu folgen heißt.
Die einzige Möglichkeit, eine Regel verstehend zu
durchdringen, ist die quasi solipsistische846 eigene Regeldefinition
durch den Schüler.
„Wie soll er wissen, welche Farbe er zu wählen hat, wenn er ‚rot‘ hört? – Sehr einfach: er soll die Farbe nehmen, deren Bild ihm beim Hören des Wortes einfällt. – Aber wie soll er wissen, welche Farbe das ist, ‚deren Bild ihm einfällt‘? Braucht es dafür ein weiteres Kriterium? (Es gibt allerdings einen Vorgang: die Farbe wählen, die einem beim Wort .... einfällt.)
„‚Rot‘ bedeutet die Farbe, die mir beim Hören des Wortes ‚rot‘ einfällt – wäre eine Definition. Keine Erklärung des Wesens der Bezeichnung durch ein Wort.“ 847
Dem Befehl einer Farbauswahl zu folgen heißt hier, dass der Schüler
die Regel, der er auf den ersten Blick aufgrund des Befehls folgt, bei 839 Vgl. ebd. 840 Vgl. PU § 186, S. 337; § 189, S. 338; § 198, S. 344; § 206, S. 346. 841 Vgl. PU § 185, S. 336. 842 PU § 234, S. 354. 843 Vgl. PU § 221, S. 351. 844 Vgl. PU § 186, S. 337; § 197, S. 343; § 213, S. 349. 845 PU § 219, S. 351. 846 Zur Auseinandersetzung WITTGENSTEINS mit dem Solipsismus des Tractatus in den
Philosophischen Untersuchungen, die eine Abwendung von diesem Standpunkt bedeutet: Vgl.
GLOCK 2000k, S. 323ff. 847 PU § 239, S. 355.
212
genauer Betrachtung selbst aufstellt. Er bestimmt die Farbe nicht,
indem er versucht, abbildtheoretisch seine Aussage anhand eines „Ur-
Rots“ abzugleichen; vielmehr bestimmt er selbst durch seinen
Wortgebrauch für eine Farbe, was in diesem unterrichtlichen
Sprachspiel rot sei. Damit ist der Schüler der Philosophischen
Untersuchungen ein „Sprachspieler“848, der eine Praxis erlernt, die
wieder zur Lebensform und den durch sie bestimmten Sprachspielen
zurückführt. Der solipsistische Sprachspieler findet zwar
lebensförmige sprachliche Regeln vor, an denen er sich intuitiv
orientieren kann, indem er aber innerhalb seiner Sprachspiele „von
Fall zu Fall der Anwendung, [...] äußert, was wir ‚der Regel folgen‘,
und was wir ‚ihr entgegenhandeln‘ nennen“849, erfindet er letztlich
seine Lebensform selbst. Diese verweist hinsichtlich der Regel auf die
Konvention, den „Gebrauch“, die „Gepflogenheit“850, ihr zu folgen851,
und basiert auf der schlichten Erklärung
„Habe ich die Begründungen erschöpft, so bin ich nun auf dem harten Felsen angelangt, und mein Spaten biegt sich zurück. Ich bin dann geneigt zu sagen: ‚So handle ich eben.‘“852
WITTGENSTEIN fasst demnach das Regelfolgen als ein Handeln auf,
das sich in den Sprachspielen und Lebensformen zeigt. Insofern mit
der Lebensform auf den sensus communis der Sprachspielgemeinschaft
verwiesen ist, deren Handeln geregelt abläuft, erscheint die Regel als
848 Der Begriff stammt von MEDER und bezeichnet bei ihm ein postmodernes
Bildungsideal, in seinem Zusammenhang genauer bezogen auf die Anforderungen der
„neuen Technologien“. (Vgl. MEDER 2004) Im Rahmen dieser Arbeit ist damit derjenige
gemeint, der gelernt hat, angesichts des offenen, unscharf beränderten Sprachspiels als
WITTGENSTEINsche Metapher für die sprachliche Handlungs-Existenz des Menschen
mit dem ebenso unsicheren Wissensbegriff umzugehen und sprachlich zu agieren. 849 PU § 201, S. 345; vgl. auch PU § 198, S. 344. 850 Beides: PU § 198 ff., S. 343ff. 851 Vgl. PU § 198, S. 343f.. 852 PU § 217, S. 350.
213
etwas Öffentliches. Eine private Regel ist sinnlos,853 ebenso wie eine
private Sprache. Somit markiert die Auffassung des Regelfolgens als
eine öffentliche Handlungsweise den Übergang zu WITTGENSTEINs
Zurückweisung einer Privatsprache, welche die Möglichkeit trotz des
Tractatischen Schweigegebots zu reden abschließend begründet.
3.3.3 Die Logik zu reden
Das Ende des Tractatus weist die Ontologie zurück. Die Wendung zu
den Lebensformen in den Philosophischen Untersuchungen, die jetzt der
Bedeutung vorgängig sind, könnte den Schluss nahe legen, dass die
Ontologie von Außen nach Innen geklappt wird.854 Der Sprache
Vorausgehendes ist in der Tradition (PLATON, ARISTOTELES,
AUGUSTINUS, THOMAS) schweigend, allerdings inhaltsvoll, sinnstiftend
gedacht855. Das WITTGENSTEINsche Schweigen verweist zwar auf
Gott, das Mystische, das Ethische,856 bleibt aber inhaltsleer; es lassen
sich keine Aussagen über ein außerhalb der Sprache Liegendes treffen.
Die Vermutung eines im Inneren verborgenen Sinns verweist auf den
Gedanken einer Privatsprache. Sofern WITTGENSTEIN diese
zurückweist, verneint er auch eine Ontologie im Innern der Seele,
wenngleich er Wissen in der Seele verortet857. Die Zurückweisung des
Privatsprachenarguments858 erfolgt in mehreren argumentativen
Schritten.
853 Vgl. PU § 202, S. 345. 854 Dass die Lebensformen eben so nicht zu lesen sind betont auch GLOCK. (Vgl. GLOCK
2000e, S. 201) 855 Siehe die Kapitel 1.1, 2.1, 1.2 sowie 2.2 dieser Arbeit. 856 Vgl. TLP 6.421, S. 83; 6.432, S. 84; 6.522, S. 85. 857 Vgl. PU § 149, S. 314f. 858 Detailliert: Vgl. LANGE 1998, S. 261ff.
214
WITTGENSTEIN rekurriert mit seiner Argumentation auf eine
Denktradition der Moderne, nach welcher die abbildtheoretische
Bedeutungstheorie auf die Affektion, Empirie und Ratio des
Einzelnen – sei er nun Individuum oder Subjekt genannt –859
übertragen ist. Nicht, wie bei AUGUSTINUS, die Gegenstände der
Objektwelt, sondern die individuellen, subjektiven „Empfindungen,
Erlebnisse, Gedanken“860 stellen die Urbilder dar, die durch die
Sprache abgebildet sind. Insofern wäre jede Sprache Privatsprache, so
die Überlegung.861 Am Beginn seiner diese zurückweisenden
Argumentation stellt WITTGENSTEIN heraus:
„Die Wörter dieser Sprache sollen sich auf das beziehen, wovon nur der Sprechende wissen kann; auf seine unmittelbaren, privaten Empfindungen. Ein Anderer kann diese Sprache also nicht verstehen.“862
Eine solche Sprache ist demnach deshalb privat, weil sie sich auf
Privates bezieht, nämlich innere Zustände, und weil sie sich mancher
Ausdrücke bedient, die für jemand Außenstehenden nicht verständlich
sind. Sofern der Sprechende hier der einzige ist, der weiß, was seine
Sprache bezeichnet, ist er epistemologisch ein Wissender, weshalb
hinsichtlich der WITTGENSTEINschen Auseinandersetzung mit dem
Privatsprachenargument von einer epistemischen Privatheit
gesprochen wird.863 Eben diese zweifelt er allerdings an und betont
nicht das Wissen, etwa um die Empfindung des Schmerzes, sondern
859 Ersteres wird z.B. von Descartes, letzteres in erster Linie von Kant vertreten. (Vgl.
GLOCK 2000h, S. 279ff.) Zur Geschichte des Privatsprachenarguments, WITTGENSTEINs
Standpunkt und die an diese anschließende Diskussion eingeschlossen: Vgl. GARVER
1969, S. 106-118. 860 GLOCK 2000i, S. 285. 861 Vgl. ebd. 862 PU § 243, S. 356. 863 Vgl. GLOCK 2000h, S. 278 sowie HACKER 1993a, S. 25ff.
215
deren Zugehörigkeit zu dem privat über sie Sprechenden als ein
Besitzverhältnis864:
„Von mir kann man überhaupt nicht sagen (außer etwa im Spaß), ich wisse, daß ich Schmerzen habe. Was soll es den heißen – außer etwa, daß ich Schmerzen habe?“865
Ob nun der Besitz von Schmerzen oder von Besitz von Erkanntem,
das Wissen, Schmerzen zu haben, wesentlicher ist, verliert vor der
Einlassung „‚So handle ich eben‘“866 als der Letztbegründung von
Reden überhaupt an Relevanz. Beides kann man nicht sagen, auch
Inneres wird nicht abgebildet.867 Es wird gesprochen. Dieses Sprechen
unterliegt Regeln, die nicht als Privat-Regeln zu denken sind.
„Darum ist ‚der Regel folgen‘ eine Praxis. Und der Regel zu folgen glauben ist nicht: der Regel folgen. Und darum kann man nicht der Regel ‚privatim‘ folgen, weil sonst der Regel zu folgen glauben dasselbe wäre, wie der Regel folgen.“868
Wäre eine Regel privat, unterläge es allein dem Gutdünken des
Einzelnen, worin sie besteht und ob er sie befolgt hat oder nicht. Das
widerspricht aber dem WITTGENSTEINschen Regel-Begriff. Es bedarf
einer objektiven Beurteilung, ob der Regel entsprochen wurde, denn
„die Rechtfertigung besteht doch darin, daß man an eine unabhängige
Stelle appelliert“869. Das stellt den öffentlichen Charakter von Sprache
heraus.870 Beurteilungskriterien für die Regelhaftigkeit von Sprache
verweisen mit dem Öffentlichen auf ihr Äußeres, aber auch auf ihre
864 HACKER nennt dies „private ownership“ (HACKER 1993a, S. 19). Vgl. auch ebd.ff.
sowie GLOCK 2000h, S. 278. 865 PU § 246, S. 357. 866 PU § 217, S. 350. 867 Vgl. PU § 315, S. 380. 868 PU § 202, S. 345. Zum Zusammenhang von Privatsprachenargument und dem Begriff
der Regel vgl. auch HINTIKKA/HINTIKKA 1996, S. 311ff. 869 PU § 265, S. 363f. 870 GRAYLING 1996, S. 110.
216
Geltungskriterien, Wahr, Falsch und deren Zwischenwerte, ihr
Inneres. Dieses Innere der Sprache könnte ja bei Annahme einer
Privatsprache mit dem Inneren des privat Redenden korrespondieren.
Unter Fokussierung der ostensiven Definition871, genauer der
Übertragung des Hinweisens auf die private Sprache, macht
WITTGENSTEIN allerdings deutlich, dass Geltungskriterien und
Privatheit einander widersprechen.
„Aber ich spreche, oder schreibe das Zeichen, und dabei konzentriere ich meine Aufmerksamkeit auf die Empfindung – zeige also gleichsam im Innern auf sie. – Aber wozu diese Zeremonie? denn nur eine solche scheint es zu sein! Eine Definition dient doch dazu, die Bedeutung eines Zeichens festzulegen. – Nun, das geschieht eben durch das Konzentrieren der Aufmerksamkeit; denn dadurch präge ich mir die Verbindung des Zeichens mit der Empfindung ein. – ‚Ich präge sie mir ein‘ kann doch nur heißen: dieser Vorgang bewirkt, daß ich mich in Zukunft richtig an die Verbindung erinnere. Aber in unserem Falle habe ich ja kein Kriterium für die Richtigkeit. Man möchte hier sagen: richtig ist, was immer mir als richtig erscheinen wird. Und das heißt nur, daß hier von ‚richtig‘ nicht geredet werden kann.“872
In einer solchen regelhaften Anwendung des Zeigens auf eine innere,
private Sprache zeigt sich, dass ein privat Redender gar nicht wissen
kann, ob seine Privatsprache Geltung hat. Weder bewährt sie sich
öffentlich, denn sie ist der Öffentlichkeit nicht zugänglich, noch
bewährt sie sich privat, denn der Solipsist als Schöpfer seiner Regeln
verfängt sich in der Tautologie. „Regeln einer privaten Sprache“ sind
lediglich „Eindrücke von Regeln“873. Der Solipsist hat die Regeln
aufgestellt. Für die Befolgung der Regeln stellt er auch die
notwendigen Kriterien auf. Damit gibt er letztlich nur sich selbst recht
und sagt nichts über seine Sprache aus. Für diese „bedarf [... es] einer
871 Vgl. PU § 258, S. 361. 872 PU § 258, S. 362. 873 PU § 259, S. 362.
217
Rechtfertigung, die Alle verstehen“874. Das setzt voraus, sich mit
Anderen zu verständigen, ihnen die Regel plausibel zu machen, aber
auch deren Bestätigung bzw. Zustimmung.875
Darüber hinaus lässt sich über Empfindungen nichts
Geltungshaftes aussagen:
„‚Aber du wirst doch zugeben, daß ein Unterschied ist, zwischen Schmerzbenehmen mit Schmerzen und Schmerzbenehmen ohne Schmerzen.‘ Zugeben? Welcher Unterschied könnte größer sein! – ‚Und doch gelangst du immer wieder zum Ergebnis, die Empfindung selbst sei ein Nichts.‘ – Nicht doch. Sie ist kein Etwas, aber auch nicht ein Nichts! Das Ergebnis war nur, daß ein Nichts die gleichen Dienste täte wie ein Etwas, worüber sich nichts aussagen läßt. Wir verwarfen nur die Grammatik, die sich uns hier aufdrängen will.“ 876
Ontologie schweigt nicht nur im Außen (Gott), sondern auch im
Innen (Privatsprache)877. Dennoch wird logisch gespielt. Wörtern wird
in Sprachspielen Bedeutung beigemessen. Ihr lebensförmiger
Gebrauch878 ist selbstevident.
Mit den familienähnlichen Gebräuchen, die deutlich werden,
wenn man die bedeutungsvollen Anwendungen von Wörtern in
verschiedenen Sprachspielen vergleicht, liegt ein Universalitäts-
Gedanke vor,879 der das Reden in seinen Vollzügen aus sich selbst
heraus begründet. Dabei argumentiert WITTGENSTEIN nicht vom
Begriff des Spiels her und meint mit der Verwendung dieses Wortes
nicht, dass alle Sprachspiele ein substantielles Sprachspiel
874 PU § 261, S. 362f.; Ausl. u. Zus. v. G.v.S. 875 Zu den Begriffen „Verständigung und Zustimmung“: Vgl. DÖRPINGHAUS 1999. 876 PU § 304, S. 376. 877 Vgl. PU § 315, S. 380. 878 Vgl. PU § 247, S. 358. 879 Vgl. WIMMER 2001, S. 195f. sowie TEUWSEN 1988, S. 15ff.
218
abbildeten.880 Vielmehr verweist er mit dem Attribut, die Sprachspiele
hätten Familienähnlichkeiten, auf ein quasi genetisch
festgeschriebenes, aber dennoch offenes Ähnlichkeitsverhältnis, das
im Spannungsfeld zwischen Individualität und Verwandtschaft mit
Anlässen für Vergleichbarkeit spielt.
„Ich kann diese Ähnlichkeiten nicht besser charakterisieren durch das Wort ‚Familienähnlichkeiten‘; denn so übergreifen und kreuzen sich die verschiedenen Ähnlichkeiten, die zwischen den Gliedern einer Familie bestehen: Wuchs, Gesichtszüge, Augenfarbe, Gang, Temperament, etc. etc. – Und ich werde sagen: die ‚Spiele‘ bilden eine Familie.“881
Die Abstraktion führt nicht zur ontologisch begründeten Substanz,
die als verbindender Allgemeinbegriff zum Urbild und Beginn einer
abbildtheoretischen Ableitungskette herhalten könnte, vielmehr
begründet die Verwobenheit der logischen Momente – auf der
Mikroebene der Wörter, auf der Metaebene der Sprachspiele – die
fundamentale Gebrauchsmöglichkeit von Sprache.
„Warum nennen wir etwas ‚Zahl‘? Nun, etwa, weil es eine – direkte – Verwandtschaft mit manchem hat, was man bisher Zahl genannt hat; und dadurch, kann man sagen, erhält es eine indirekte Verwandtschaft zu anderem, was wir auch so nennen. Und wir dehnen unseren Begriff der Zahl aus, wie wir beim Spinnen eines Fadens Faser an Faser drehen. Und die Stärke des Fadens liegt nicht darin, daß irgendeine Faser durch seine ganze länge läuft, sondern darin, daß viele Fasern einander übergreifen.“882
Die Zahl dient WITTGENSTEIN als ein Begriffsbeispiel, von dem
ausgehend auf Mathematik und die Möglichkeit mathematischer
Gebräuche abstrahiert werden kann. Beschrieben wird die
Verwobenheit von vielen einzelnen Fadenfasern, aus der ein Faden
entsteht. Analog dazu ist auf eine Verwobenheit von Wörtern zu 880 Vgl. PU § 66, S. 277f. 881 PU § 67, S. 278. 882 Ebd.
219
schließen, die Sätze, von Sätzen, die Sprachspiele und von
Sprachspielen, die das Sprachspiel der Sprache entstehen lässt.883
Verwoben sind diese sprachlichen Aspekte aufgrund von
Ähnlichkeiten und sei es ganz basal aufgrund der Korrelation, dass alle
sprachlich sind. Weil es Ähnlichkeiten zwischen ihnen und ihren
potentiellen Gebräuchen gibt, ist Verständigung möglich.
Das Lernen als Aneignung von Wortbedeutungen und das
dadurch ermöglichte Sprachspielen, zwei logische Momente, die
ihrerseits zum gebrauchstheoretischen Erkenntnis- und
Wissensbegriff der Philosophischen Untersuchungen führen, hängen
schließlich mit dem Aspekt der Familienähnlichkeit zusammen.
„Frage dich in diesen Schwierigkeiten immer: Wie haben wir denn die Bedeutung dieses Wortes (‚gut‘ z.B.) gelernt? An was für Beispielen; in welchen Sprachspielen? (Du wirst dann leichter sehen, daß das Wort eine Familie von Bedeutungen haben muß.)“884
Da sich ein imaginierter Schüler des späten WITTGENSTEIN bei
fehlender Ontologie nicht mehr mit seiner Sprache den Dingen der
Welt zuwenden kann, ist er auf die rein logischen Sprachspiele
verwiesen. Er ist zunächst dazu aufgefordert, den Wortgebrauch in
diesen Sprachspielen zu prüfen, dabei ihre familienähnlichen
Vergleichbarkeiten mit zu bedenken und sich dadurch einem
zusammenschauenden, offenen, weiten Abstraktions-Begriff
anzunähern, welcher der Wortbedeutung näher kommt als ein
definierend-kalkulierend abbildtheoretisch eingeschränkter, wie er
noch im Tractatus vorliegt. Dem gemäß liegen auch Erkennen und
Wissen nicht definitorisch fest, sondern sind variabel, da ihre Geltung
883 Vgl. PU § 108, S. 298. 884 PU § 77, S. 283.
220
sprachspielbezogen ist.885 Das zu vermitteln ist die Aufgabe des
Lehrers im pädagogischen Sprachspiel.886
Erkennen, Wissen und deren Vermittlung, die Bildung bleiben
an die Sprache als ihr Medium gebunden, was WITTGENSTEINs
Beantwortung der Frage „Wie erkenne ich, daß diese Farbe Rot ist?“
belegt: „‚Ich habe Deutsch gelernt.‘“887 Entscheidend ist hier nicht, die
genannte Nationalsprache. Vielmehr geht es WITTGENSTEIN darum
zu betonen, dass der erkenntnisbezogene Zugriff auf Welt daran
gebunden ist, wie sprachlich auf empirische Wahrnehmungen reagiert
wird. Dabei ist der Maßstab dieser Reaktion nicht die dingliche Welt
als Gegenstand des Abgleichens, sondern die bereits bekannten
Sprachspiele, die ein Feld möglicher Wortbedeutungen
gebrauchstheoretisch anzeigen. Bei der Entwicklung eines möglichen
Unterrichts ist zuerst noch die ostensive Definition von zentraler
Wichtigkeit.
„Wie erkenne ich, daß dies rot ist? – ‚Ich sehe, daß es dies ist; und nun weiß ich, daß dies so heißt.‘ Dies? – Was?! Welche Art der Antwort hat auf diese Frage einen Sinn?
(Du steuerst immer wieder auf eine innere hinweisende Erklärung hin.)
Auf den privaten Übergang von dem Gesehenen zum Wort könnte ich keine Regeln anwenden. Hier hingen die Regeln wirklich in der Luft; da die Institution ihrer Anwendung fehlt.“888
So, wie der Lehrer im Sprachunterricht AUGUSTINischen Zuschnitts
bei der Abrichtung auf Namen die entsprechenden Gegenstände zeigt,
zeigt der Anhänger des Privatsprachenarguments innerlich auf durch
das zu lernende Wort bezeichnete Ding. Das wäre zum einen immer
885 Vgl. z.B. ÜG § 18, S. 122. 886 Vgl. LYOTARD 1994, S. 157ff.. 887 Insges. PU § 381, S. 400. 888 PU § 380, S. 400.
221
noch quasi-ontologisch, zum anderen gilt, dass es keine Regel gibt, die
den privaten Regelgebrauch regelt. Dieser „infinite Regress“889 ist eine
Kritik nicht nur an der Privatsprache, sondern auch am Regelfolgen
überhaupt:
„Ich sagte von der Anwendung eines Wortes: sie sei nicht überall von Regeln begrenzt. Aber wie schaut denn ein Spiel aus, das überall von Regeln begrenzt ist? dessen Regeln keinen Zweifel eindringen lassen; ihm alle Löcher verstopfen. – Können wir uns nicht eine Regel denken, die die Anwendung der Regel regelt? Und einen Zweifel, den jene Regel behebt – und so fort?“890
Eine Regel, die das Regeln regelte, wäre eine Beschränkung der
Offenheit der Sprachspiele. Zweifel, die Uneindeutigkeit von wahr
und falsch, das Ungeregelte der Gewissheit gehörten zum
lebensförmigen Bild vom Sprachspiel.891
Ein Lehrer, der den Philosophischen Untersuchungen folgt, muss die
Frage „Wie kann man wissen, daß man es zeigen kann, wenn ....., daß
man es also erkennen kann, wenn man es sieht?“892 aushalten und
dennoch Sprachgebrauch als eine Technik lehren, denn „[e]inen Satz
verstehen, heißt, eine Sprache verstehen. Eine Sprache verstehen,
heißt, eine Technik beherrschen“893 und bereits bestehende
Sprachspiele „selbständig weiterschreib[en]“894. In einem
beispielgeleiteten Unterricht, 895 der aus pädagogischem Sprachhandeln
besteht, ist auf die Pluralität möglicher Sprachspiele hinzuweisen. Der
Lehrer kann sie sich zunutze machen für eine logische Pädagogik, die
889 TEUWSEN 1988, S. 99. 890 PU § 84, S. 287. 891 Vgl. ÜG § 497, S. 219. 892 PU § 388, S. 402. Vgl. TEUWSEN 1988, S. 48. 893 PU § 199, S. 344. 894 PU § 143, S. 312; Änd. V. G.v.S. 895 Vgl. PU § 208, S. 347f.
222
der Auffassung Rechnung trägt, dass die Lebensformen des Menschen
sprachlich sind,896 auch wenn er sich seiner sprachlich verfassten
Erkenntnisse nicht mehr gewiss sein kann.
896 Vgl. LANGE 1998, S. 144ff., S. 225ff.
223
Schweigen und Reden bei Ludwig WITTGENSTEIN – Zusammenfassung
Am Ende des Tractatus logico-philosophicus steht die Erkenntnis, dass
WITTGENSTEIN seine Sprachkritik an das Ende der Korrelation von
Logik und Ontologie geführt hat. Hatte er durch die Anlage der
Sprachanalyse als Abbildtheorie noch einen idealen ontologischen
Bezugspunkt zugrunde gelegt, ist ihr Ergebnis deren Verlust. Die
Logik der Welt ist im Tractatus die einzige Gewissheit, mit der
gearbeitet werden kann. Die Welt wird als logisch aufgebaut
angenommen. Abbildung liegt nur vor, wenn Sprache eine logische
Struktur hat, denn nur dann ist sie strukturidentisch mit der logisch
strukturierten Welt. Folglich soll Sprache so weit reduziert werden,
dass sie sich auf ihre elementaren Zeichen beschränkt. Nur ein solcher
Elementarsatz wäre ein tatsächliches Abbild von Welt. Worin liegt
aber der Sinn eines Satzes wie fx? Die Sinnfrage führt WITTGENSTEIN
zur Frage nach Wahrheit. Wahrheit sucht er in einer
Verallgemeinerung des Elementarsatzes. Die aus ihm abgeleitete
allgemeine Wahrheitsfunktion zeigt aber schließlich nicht mehr als die
Bedingung der Möglichkeit von Wahrheit. Inhalt oder Wesen der
Wahrheit, der Sinn von Sprache bleiben unberührt. Sie scheinen
außerhalb von Logik zu liegen, verweisen auf das Mystische, das
Höhere, Gott. Darüber lassen sich keine logischen Aussagen machen.
Da die logisch aufgebaute Welt aber nicht anders zu erkennen gesucht
werden kann als logisch, Sprache nur als logisches Abbild von Welt zu
denken ist, ist der Mensch in Schweigen geworfen.
Der WITTGENSTEIN des Tractatus hat außerhalb von Logik
nichts. Wahrheit wird von ihm weder ideal noch göttlich erfasst. Er
sucht sie in eine Formel zu bannen, die den Erweis bringt, dass
Wahrheit sich inhaltlich nicht fassen lässt. Was sich nicht fassen lässt,
224
ist auch nicht lehrbar. Allenthalben ein Nachvollziehen der
sprachkritischen Haltung, die zum Verlust von Wahrheits-Gewissheit
führt, könnte Unterrichtsgegenstand sein. Da aber das Aufdecken des
Unvermögens der Logik sein Ergebnis ist, wird selbst das
Unterrichtsgespräch unmöglich. Ein Lehrer des Tractatus führt seine
Schüler ins Schweigen.
Dennoch sieht WITTGENSTEIN sich mit den Philosophischen
Untersuchungen dem Faktum gegenüber, dass trotz aller Sprachkritik
gesprochen wird. Jenseits von Idealsprache findet er Alltagssprache
vor und kommt nicht umhin, diese als Lebensform des Menschen zur
Kenntnis zu nehmen. Sie manifestiert das Reden. Der Vielgestaltigkeit
und Offenheit ihrer Gebräuche wird die Sprachspiel-Metapher zur
angemessenen Analysefigur. Wahrheit ist zwar auch hier nicht fassbar;
zumindest wird ihr eine zweiwertige Logik nicht gerecht. Dennoch
ergeben sich sprachspielgebundene Geltungen. Das Sprachspielen, das
heißt die gebrauchsabhängige Anwendung von Wörtern je nach
Sprachspiel wird zur pädagogischen Aufgabe. Familienähnlichkeiten
ermöglichen vergleichbares Sprachspielen, letztlich ist aber nach den
Philosophischen Untersuchungen die Offenheit und Unbegrenztheit der
sprachlichen Praktiken zu lehren, so dass Schüler sich im
unüberschaubaren Gewinkel der Sprachspiele zurechtfinden lernen
und souveräne Sprachspiel-Akteure werden.
225
Schluss
Die vorliegende Arbeit hat den Zusammenhang von Bildung und
Sprache in den Blick genommen. Pädagogische Vollzüge – Lehren,
Unterrichten und Vermitteln – sind aus der Perspektive der
Korrelation pädagogischen Redens und Schweigens analysiert worden.
Es hat sich gezeigt, dass keineswegs zugleich mit dem Ende der Rede
der pädagogische Vollzug endet, sondern vielmehr das Schweigen
innerhalb des pädagogischen Vollzuges Korrelat der Rede ist und mit
ihm eine Vermittlungseinheit bildet. Analog zur bereits bestehenden
Geschichte pädagogischen Redens ist eine Geschichte pädagogischen
Schweigens entstanden. Eine Geschichte des bildungsrelevanten
Schweigens komplettiert die bereits tradierte Historie der
pädagogischen Rede, die in dem Faktum begründet ist, dass
Ausformungen pädagogischen Vermittelns, des Unterrichtens, der
Unterweisung, der Ausbildung sich in Rede niederschlagen und diese
Rede bereits ihre von der pädagogischen Disziplin be- und
ausgearbeitete Geschichte hat. Reden und Schweigen sind
komplementär und korrelativ aufeinander bezogen. Die Geschichte
der pädagogischen Rede ist zugleich Geschichte pädagogischen
Schweigens.
Pädagogisches Schweigen als eine Art des Schweigens wurde
nach Texten von PLATON, Aurelius AUGUSTINUS und dem frühen
Ludwig WITTGENSTEIN erörtert. ARISTOTELES, THOMAS VON AQUIN
und der späte WITTGENSTEIN stehen dem mit ihren Darlegungen
pädagogischen Redens gegenüber, wenngleich das Schweigen auch
hier implizit Hintergrund der exemplifizierten Denkvollzüge ist.
PLATONs Kratylos, der Ausgangspunkt der sprach- und zugleich
bildungstheoretischen Tradition, deren Nachweis die vorliegende
Arbeit ist, und AUGUSTINs De magistro – beide Lehrgespräche,
226
Gespräche der Unterweisung, des Unterrichts, die als solche den
Zusammenhang von Bildung und Sprache offenkundig zeigen –
finden in WITTGENSTEINs Tractatus logico-philosophicus ihre radikalste
Zuspitzung. Weder der Kratylos noch De magistro stellen Sprache als
Welterkenntnis eröffnend dar, schon ihnen ist Wahrheit als Ziel- und
Maßgabe logisch unerreichbar. Der Traktat führt diesen Gedanken zu
Ende. Verweisen PLATON und AUGUSTINUS auf das Korrelat der
defizienten pädagogischen Rede, das pädagogische Schweigen, treibt
WITTGENSTEIN diese sprachliche Defizienz so auf die Spitze, dass –
seinem Frühwerk rückhaltlos folgend – das Ende einer logischen
Pädagogik auszurufen wäre.
Auf die einzelnen Standpunkte bezogen, hat sich folgendes
gezeigt: PLATON fasst Wahrheit ontologisch auf und verortet sie im
Ideenhimmel. Der gleichewigen, jenseitigen Schau der Ideen, die
Wahrheits-Erkenntnis bedeutet, entspricht diesseitig die Impotenz des
Menschen zu einer solchen Wahrheits-Erkenntnis. Er vermag Welt
nicht in wahrer, zutreffender Weise zu erkennen, geschweige denn zu
lehren. Gleiches gilt für die PLATONische Logos-Konzeption. Einem
idealen Jenseits-Logos steht ein defizienter Diesseits-Logos
gegenüber. Die Anwendung von Abbild-, Gebrauchs- und
Flusstheorie auf sprachliche Erkenntnissuche führt ins Nichtwissen
als das Fundament sprachlichen Zugreifens auf Welt. Beginnt Sprache
mit Nichtwissen, führt konsequenter Weise jede logische Überlegung
zu diesem Ausgangspunkt zurück. Schweigen ist die Folge.
Hinsichtlich des diesseitigen Logos bezeichnet das Schweigen das
defiziente Sprach- und Erkenntnisvermögen des Menschen. Bezogen
auf die jenseitige Sprachlichkeit ist das Schweigen Zeichen eines
idealen Logos. Schweigen hat sich im PLATONischen Sinne erwiesen
als der sprachliche Habitus im Angesicht der Idee, und zwar als ein
227
nicht-tönender Monolog der Seele. Der Schweigende hat erkennend
an Wahrheit teil.
Diese PLATONische Schweige-Idee findet bei AUGUSTINUS ihr
christianisiertes Analogon. Auch letzterer fasst Wahrheit ontologisch
auf, und zwar als Teil seines Gottesbegriffs. Das vollkommene
göttliche Sein schließt vollkommene Wahrheit ein; das endliche,
unvollkommene menschliche Sein schließt vollkommene
Wahrheitserkenntnis aus. Gott ist Schöpfer der Welt und Ursprung
von Wahrheit. Somit verursacht er beides, das zu Erkennende und
dessen Erkenntnis. Der Mensch, als ein Teil göttlicher Schöpfung, ist
auf deren und die Wahrheit Gottes überhaupt ausgerichtet. Insofern
Gott sprachlich schafft und seine Schöpfung sich sprachlich
offenbart, ist die erkenntnissuchende Ausrichtung des Menschen auf
Gott sprachlicher Art. Wie PLATON verweist AUGUSTINUS auf eine
erkenntnis- und sprachtheoretische Divergenz zwischen Jenseits und
Diesseits, die allerdings durch das Streben des Menschen nach dem
Göttlichen zu überwinden gesucht wird. Da der diesseitige Mensch als
ein endlicher und unvollkommener nicht erkennen oder lehren kann,
erschließt sich ihm auch nach AUGUSTINUS Welt nicht als wahr. Seine
Sprache ist zwar Abbild der Sprache Gottes, göttliche Sprache
zeichnet sich aber durch Vollkommenheit aus, menschliche durch
Unvollkommenheit. Die so benannte Differenz lässt sich durch das
attributive Gegensatzpaar schweigend – tönend näher bestimmen.
Wie der PLATONische Mensch kann auch der AUGUSTINische redend
nicht erkennen. Seine Möglichkeit zu erkennen ist es zu schweigen.
Der Ideenschau entsprechend, verheißt die Gottesschau
Wahrheitserkenntnis. Dieser jenseitigen, ewigen Anbetung Gottes
entspricht Schweigen als logischer Habitus.
228
Aus pädagogischer Perspektive ist innerhalb der
AUGUSTINischen Logik-Konzeption Christus von besonderem
Interesse. Er ist höchster Lehrer und Logos, summus magister. In seinem
ontologischen Status zugleich Gott und Mensch, vermittelt er
zwischen beiden. Schweigt der Mensch, nimmt er eine Haltung ein,
die Belehrung und Erleuchtung durch Gott ermöglicht. Eine solche
Belehrung und Erleuchtung vollzieht sich schweigend. Christus
partizipiert als Sohn Gottes an dessen Wahrheit; als Mensch wird er
für den Menschen Lehrer göttlicher Wahrheit, summus magister. Die
konzipierende Sprache Gottes ist schweigend, erst das von ihm
gezeugte Wort, Christus, ist tönend. Der Mensch, der erkennen will
und deshalb die schweigende Haltung einnimmt, also aus
pädagogischen Gründen schweigt, wird durch Christi Sprachlichkeit
verständlich belehrt. Die menschliche Partizipation an göttlicher
Wahrheit wird aber eine schweigende bleiben. Der im Schweigen
Belehrte ist zwar durch diese Belehrung ein Erleuchteter, seine eigene
Rede bleibt allerdings defizient. Sie enthält Wahrheit schweigend.
Somit vermag der Belehrte lediglich andere Menschen, die auch
Schüler Christi sind, an durch ihn Erkanntes zu erinnern oder
assoziierte Fragen aufzuwerfen. Erst im Jenseits verheißt gleichewige,
schweigende Gottesschau teilhabende, vollkommene
Wahrheitserkenntnis. Sie ist nach AUGUSTINUS ein nicht-tönender
Dialog von Seele und göttlichem Logos im Schweigen.
In WITTGENSTEINs Tractatus logico-philosophicus akkumuliert der
Aufweis logischer Defizienz, wie er mit PLATONs Kratylos und
AUGUSTINs De magistro vorliegt, zu einer vehementen Sprachkritik.
Diese zerstört als ihr Ergebnis den Zusammenhang von Logik,
Ontologie und Erkenntnistheorie, den diese Arbeit aus dem
hellenistischen Logos-Begriff gewonnen hatte. Zu Beginn des Tractatus
229
geht WITTGENSTEIN allerdings noch von diesem aus. Er nimmt die
Logik der Welt an, die ihm gewiss ist. Diese Logik der Welt
manifestiert einen abbildtheoretischen Ansatz. Welt und sie
abbildende Sprache sind logisch aufgebaut. Im Umkehrschluss bildet
Sprache Welt nur dann ab, wenn diese ebenso logisch ist wie jene.
Daraufhin ist Sprache zu untersuchen. Sie auf das Wesentliche zu
reduzieren erscheint WITTGENSTEIN zweckmäßig. Er führt Sprache
auf ihre elementaren Zeichen zurück. Ist diese Reduktion
vorgenommen, stellen sich Fragen: Was wird abgebildet? Wie lässt
sich feststellen, ob zutreffend – wahr oder falsch – abgebildet wird?
Ist dies nicht genau bestimmbar, führt das zur Sinnfrage von Sprache
überhaupt. Aus der Verallgemeinerung des Elementarsatzes, welche
WITTGENSTEIN die allgemeine Wahrheitsfunktion nennt, gewinnt er
aber nicht mehr als die Bedingung der Möglichkeit von Wahrheit. Sie
zeigt die Unerreichbarkeit von substantiellen Wahrheitsaussagen.
Solche liegen außerhalb der Logik, das heißt, außerhalb des sprachlich
Denkbaren, im Schweigen. Mit diesem Begriff ist bei WITTGENSTEIN
aber keine belehrende Ontologie wie die PLATONische Idee oder der
AUGUSTINische Gott bezeichnet. Er verweist mit dem Schweigen
zwar auf etwas, das er das Mystische, das Höhere, Gott nennt. Dies ist
aber tatsächlich logisch unerreichbar, unaussprechlich. Angesichts
einer solchen Unaussprechlichkeit einer nicht benennbaren Welt hat
der Menschen zu schweigen.
An dieser Stelle lässt sich nur die durch den Traktat
repräsentierte Sprachkritik pädagogisch vermitteln. Schülern den
Zweifel an sprachlich formulierten und verfassten
Wahrheitsansprüchen nahe zu bringen ist der einzige mögliche
Gegenstand von Lehre, Unterricht und Vermittlung, der bleibt. Da
aber die Lehre, der Unterricht, die Vermittlung von logischer
230
Defizienz eben dieser selbst unterliegt, heben sie sich in ihren eigenen
pädagogischen Vollzügen auf. Wird logische Pädagogik schweigen
müssen?
Demgegenüber gehen – die Ergebnisse dieser Arbeit weiter
zusammenfassend – ARISTOTELES, THOMAS VON AQUIN und der
späte WITTGENSTEIN von der Potenz pädagogischen Redens aus. Sein
Korrelat, das pädagogische Schweigen, bleibt aber auch hier
Begründungshintergrund. Im einzelnen: Die in Peri hermeneias
entfaltete Sprach- und Erkenntnistheorie ist wie das gesamte
ARISTOTELische Weltbild durch den unbewegten Beweger initiiert. Er
verbürgt die sprachliche und wahre Erkennbarkeit von Welt durch
den Menschen. Dieser erkennt logisch, denn Wissen ist ebenso
grammatikalisch konzipiert wie die Sprache selbst, so dass der Mensch
sprachlich Wissen erwerben kann. Ist er zum Wissenserwerb befähigt,
so auch zur sprachlich-lehrenden Wissensvermittlung. In Peri
hermeneias wird der Logos als Rede untersucht, genauer Aussagewörter
und -sätze, Propositionen. ARISTOTELES führt den Nachweis ihrer
Geltungsrelevanz anhand von alltagssprachlichen Analysen, die vor
dem Hintergrund einer Idealsprache betrieben werden.
Analyseinstrument ist die konträre und kontradiktorische
Kombination von Urteilssätzen. Da ARISTOTELES auf der Basis des
Logos-Begriffs Wahrheit nicht nur logisch, sondern auch ontologisch
begreift, ist die Ontologie Prüfstein solcher zunächst rein logischen
Analysen. Aufbauend auf empirischen Erfahrungen des logisch
Erkenntnissuchenden, führen sprachliche Abstraktionen ausgehend
von den Kategorien über das Akzidentelle und das Substantielle hin
zum Universellen. Das Universelle hat hier die Qualität des
Prinzipiellen, das nicht allein die ARISTOTELische Aussagenlogik,
sondern vielmehr auch pädagogische Rede ermöglicht. ARISTOTELisch
231
gedacht meint pädagogische Rede ein logisches Fragen, welches zuerst
das Wesentliche der Substanz durch Trennung vom Akzidentellen,
dann das Universelle vermittels Abstraktion herausdestilliert. Dies gilt
es – ihm folgend – Schülern zu vermitteln, um so eine logische
Annäherung an Ontologisches zu ermöglichen. So könnte man sie in
Lehre, Unterricht und Vermittlung, in pädagogischen Vollzügen, das
Auffinden von Urteilssätzen lehren.
Für THOMAS De magistro ist Gott erste Ursache, causa prima, von
Welt im Allgemeinen und menschlicher Sprach- und
Vernunftbegabung im Besonderen, zu welcher der Mensch in einem
Analogieverhältnis steht. Er steht dies, insofern THOMAS Gott als den
Schöpfer eines prinzipiellen, universellen menschlichen Verstandes
denkt. Zugleich gibt er dem Menschen eine aktive, potentielle
Erkenntnisfähigkeit ein. Gott ist beider (onto-)logische Ursache; als
solche ist er schweigend. Verursacht ist der Mensch als Partizipient
göttlicher Intelligibilität und zwar ob seines prinzipiellen wie auch
potenziellen Verstandes. Deshalb ist er erkenntnis- und lehrfähig.
Ersteres ebenso in pädagogischer Rede wie letzteres. In diesem Sinne
hat sich der Lehrer, mit dem sich THOMAS in De magistro
auseinandersetzt, als einer erwiesen, der logisch auf Ontisches zugreift.
Die göttlichen, universellen Prinzipien seines Verstandes bewirken
dies mit seiner Verstandesaktivität gemeinsam. Summus magister ist auch
für THOMAS Christus. In logischer Betrachtung ist er ihm verbum mit
göttlichem und menschlichem Aspekt, so wie er grundsätzlich
zugleich Gott und Mensch ist. Folglich vermag er ein Zweifaches. Er
lehrt, erstens, den Menschen die Sprache Gottes. Zweitens bedeutet
Christi sprachliche Menschwerdung Vergöttlichung des menschlichen
Logos-gebundenen Einhergehens der drei Momente des Logos im
sprachlichen Erkennen von Seiendem. Das ist eine Analogie zwischen
232
Mensch und Gott; er hat die sprachlich verfassten universellen
Verstandesprinzipien mit seinem und deren Schöpfer gemeinsam.
Insofern Gott auch causa prima alles Ontischen ist, begründet dies die
menschliche Potenz, Welt als eine logische zu erkennen. Der
universal-prinzipielle Logos göttlich konzipierender Sprachlichkeit
liegt als Urgrund von Sprache schweigend vor. Der Ort seines
Vorliegens ist die Seele des Menschen. Hier ist seine Möglichkeit zu
pädagogischer Rede verortet. Deren Paradigma ist der Pädagoge
Christus, der logische Erkenntnisvermittler. Der Mensch vermag –
THOMASisch gedacht – ihm folgend pädagogisch zu reden. Diese
pädagogische Rede bezeichnet das Zusammenwirken von
Verstandesprinzipien und intellectus agens, also seine Potenz zu
sprachlich-erkennender Verstandestätigkeit, welche lehrend zu
begleiten der Mensch imstande ist.
WITTGENSTEIN trägt mit seinem Spätwerk, den Philosophischen
Untersuchungen, der Tatsache Rechnung, dass Pädagogen sich redend
vollziehen, obgleich er der Zusammenschau von Logik, Ontologie
und Erkenntnistheorie, in dessen Tradition er mit dem Tractatus logico-
philosophicus gleichwohl steht, an dessen Ende abgeschworen hatte.
Seine Analysen von Normalsprache, die einer mehrwertigen Logik
unterliegen, sind – trotz Verlust der Ontologie aus der Logos-Triade –
eine Zuspitzung der Möglichkeiten pädagogischen Redens.
Alltagssprache zeigt Redepraxis und damit auch pädagogische
Redepraxis. WITTGENSTEIN geht von dieser aus, denn er hält an der
Vorstellung fest, dass sich der Mensch angesichts von Welt und einem
auf sie bezogenen Erkenntnisstreben sprachlich vollzieht. Sprache ist
die fundamentale Lebensform des Menschen; alle anderen
Lebensformen gehen aus ihr hervor. Die Sprachgebräuche, welche
WITTGENSTEIN zum Gegenstand seiner Untersuchungen macht, sind
233
vielgestaltig und offen. Das drückt die Sprachspiel-Metapher aus.
Wahrheit zeigt sich – obgleich ontologisch stumm – in Sprachspielen
als je Geltungshaftes, das sich sprachspielgebunden aussagen lässt.
Diese Sprachspielgebundenheit verweist darauf, wie pädagogische
Rede hier zu denken ist. Sie liegt in einem Sprachspielen, dessen
Geltungsgebrauch innerhalb von Lehre, Unterricht und Vermittlung
zu prüfen ist und sich zu erweisen hat. Pädagogische Vollzüge, die
genau dies zu vermitteln suchen, können dabei auf
Familienähnlichkeiten von Wörtern zurückgreifen, ein Universalitäts-
Konzept, das die Offenheit und Unbegrenztheit sprachlicher Vollzüge
mit bedenkt. Wer sich im unüberschaubaren Gewinkel aus
Sprachspielen sprachlich zu vollziehen lernt, ein souveräner
Sprachspieler wird, ist den Philosophischen Untersuchungen gemäß durch
pädagogische Rede sprachlich gebildet.
Problemgeschichtlich betrachtet, hat sich die dem antiken
Logos-Begriff entnommene Zusammenschau von Logik, Ontologie
und Erkenntnistheorie als tragfähig erwiesen, vor-plurale
Wahrheitszweifel anhand des Schweige-Rede-Korrelats nachzuweisen.
Zwar bricht mit dem Verlust der Ontologie die Möglichkeit weg,
Sprache und eine an sie gebundene Erkenntnismöglichkeit
abbildtheoretisch darzustellen, dennoch bleibt Erkenntnissuche und -
vermittlung sprachlich zu denken, liegt im Gebrauch. Die
Gegenwartspädagogik trägt dem Rechnung, etwa mit dem Konzept
des Sprachspielers897 oder der Wiederbelebung enthymematischer
Geltungsprüfung in rhetorischer Tradition.898 Als Habitus des Schülers
ist angesichts zweifelhafter Geltungslagen aus der hier vorgelegten
Geschichte pädagogischen Schweigens das Schweigen als 897 Vgl. MEDER 2004. 898 Vgl. DÖRPINGHAUS/HELMER 1999; DÖRPINGHAUS/HELMER 2002a, dort besonders
DÖRPINGHAUS/HELMER 2002b sowie DÖRPINGHAUS/HELMER 2004.
234
bildungsrelevant zu gewinnen. Dieser führt in eine Didaktik des
Schweigens, als deren Vorüberlegungen diese Arbeit gelten soll. Die
Didaktik des Schweigens herauszuarbeiten wird im Anschluss an sie zu
geschehen haben. Das Vorliegende mündet in acht
zusammenfassenden Konklusionen:
I. Pluralismus nimmt Vorbehalte gegenüber der Wahrheit für
sich in Anspruch.899 Der Gedanke ist nicht neu, was die
Kapitel über das Schweigen belegen. Es gibt eine Tradition
seit der griechischen Antike, genauer seit PLATON, welche
die Nicht-Lehrbarkeit von Wahrheit sprachlich begründet
und als angemessene Haltung die des Schweigens einnimmt.
II. Die logische Bindung von Wahrheit, Erkennbarkeit der
Wahrheit und Lehrbarkeit der Wahrheit, das Korrelat aus
Schweigen und Reden, verheißt Antworten auf die plurale
Wahrheitsfrage aus den in dieser Arbeit entfalteten beiden
systematischen Traditionslinien des Schweigens und Redens.
III. Nimmt der Pluralismus seinen ihm eigenen
Pluralitätsgedanken900 ernst, muss diese Pluralität antike,
christliche, genauer patristische und scholastische (nota bene!),
ideal- und normalsprachliche, das heißt zusammengefasst,
logische und (metaphysisch-) ontologische (nota bene!)
Ansätze einschließen. Damit wendet sich diese Arbeit
explizit gegen eine Tradition, die seit postaufklärerischen
Zeiten eben die besonders hervorgehobenen Theoriearten
899 Vgl. LYOTARD 1994, S. 30ff. WELSCH 1994, S. 13ff. WELSCH 1997, S. 139ff. 900 Vgl. WELSCH 1997, S. 128f.
235
ausschließt.901 Als Problem mag der Wahrheitsanspruch der
genannten Sprachspiele erscheinen, aber die Arbeit hat
gezeigt, dass Vorbehalte gegenüber Wahrheit auch innerhalb
dieser gegeben sind. Sie gehören nicht auf den historischen
„Kehrichthaufen“902.
IV. Dem Menschen ist Seiendes vorgegeben,903 dahingestellt, ob
es ideal (PLATON), metaphysisch (ARISTOTELES,
AUGUSTINUS, THOMAS) oder im mystisch Unsagbaren
(früher WITTGENSTEIN) verbürgt, gedacht wird. Der
Mensch findet eine Welt vor. Selbst, wenn die einzige
Zugangsweise seine Sprache ist, die ihn quasi solipsistisch
auf eben diese begrenzt (TLP), zwingt den Menschen sein
In-die-Welt-gestellt-Sein zu sprachlichem Agieren (PU) als
Umgang mit Welt.
V. Wahrheit, Erkenntnis und beider Lehrbarkeit entziehen sich,
sind schweigend. Dennoch ist Reden die einzige
Möglichkeit, mit diesen Schwierigkeiten umzugehen. Das
zeigt die vorliegende Arbeit in Anbindung an den antik-
heraklitischen Logos-Begriff. Dies korrespondiert mit der
Erfahrung eines jeden Pädagogen, dass alle Erklärung,
Demonstration oder Exemplarik an ein Ende führt:
Erkenntnis lässt sich nicht „machen“, sie vollzieht sich
außersprachlich, im Innern, im Schweigen. Dennoch bleiben
901 Gemeint ist der immer wieder vorgebrachte Vorwurf des „Ontologie-Verdachts“. Vgl.
auch SIEBERT 1992, S. 41f. und etwa KRAMPF 1973. 902 HELMER 1998, S. 109. 903 MEIXNER 2004, S. 9ff.
236
Fragen, die zu Erkenntnis anregen und auffordern oder als
Chancen, diesem Problem redend zu begegnen.904
VI. Erkenntnisse sind ohne Wahrheitsanspruch zu lehren. In
der Unsicherheit ungewissen Wissens muss der Lehrer eben
mit dieser Ungewissheit umzugehen lehren und doch
Inhalte vermitteln (substantiell schweigend, formaliter
redend).
VII. In einer lauten, medien- und reizüberfluteten Gegenwarts-
Welt erscheint es nicht sinnvoll, auch noch unterrichtliche
Situationen mit medialen Reizen zu überfrachten, wie es
gegenwartsdidaktische Ansätze gemeinhin tun.905
Erkenntnissen – wenn auch mit eingeschränktem
Geltungsanspruch – sollte Raum gegeben werden. Dieser
Raum wird als letztes Ergebnis dieser Arbeit im Schweigen
gesehen. Kontemplation erscheint nicht nur im Mittelalter,
sondern auch in der Gegenwart als pädagogisch sinnvolle
Übung.
VIII. Diese Konklusionen weisen den Weg zu einer Didaktik des
Schweigens.
904 Vgl. Kapitel 1.2.3 dieser Arbeit. 905 Vgl. OTTO 1995. Kritisch: GRUSCHKA 2002. Ausnahmen bilden FLECHSIG 1996 und
GUTJAHR 2004, die beide historisch arbeiten.
237
Abbildungsverzeichnis PLATON: ZEMB, J.-M.: ARISTOTELES. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. 16.
Auflage. Reinbek bei Hamburg 2002. (= rororo Bildmonographien; 50063) S. 39.
Aurelius AUGUSTINUS: CHENU, M.-D.: THOMAS VON AQUIN. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten.
8. Auflage. Reinbek bei Hamburg 1998. (= rororo Bildmonographien; 50045) S. 106.
ARISTOTELES: DELIUS, Christoph/GATZEMEIER, Matthias/SERTCAN, Deniz/WÜNSCHER,
Kathleen: Geschichte der Philosophie von der Antike bis heute. Köln 2000. S. 15.
THOMAS VON AQUIN: CHENU, M.-D.: THOMAS VON AQUIN. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten.
8. Auflage. Reinbek bei Hamburg 1998. (= rororo Bildmonographien; 50045) S. 106.
Ludwig WITTGENSTEIN, ca. 1919: WUCHTERL, Kurt/HÜBNER, Adolf: WITTGENSTEIN. Mit Selbstzeugnissen und
Bilddokumenten. 12., neu überarbeitete Auflage. Reinbek bei Hamburg 2001. (= rororo Bildmonographien; 50275) S. 77.
Ludwig WITTGENSTEIN, ca. 1951: WUCHTERL, Kurt/HÜBNER, Adolf: WITTGENSTEIN. Mit Selbstzeugnissen und
Bilddokumenten. 12., neu überarbeitete Auflage. Reinbek bei Hamburg 2001. (= rororo Bildmonographien; 50275) S. 121.
238
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Horst SEIDL. In: ARISTOTELES Philosophische Schriften in sechs Bänden. Bd. 5. Hamburg 1995. S. 1-315. [hier: Metaphysik]
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Prima, In Qua Prodeunt Patres, Doctores Scriptoresque Ecclesiae Latinae A Tertulliano Ad Gregorium Magnum. Patrologiae Tomus XLII. Paris 1843. Sp. 819-1098. [hier: De trinitate]
ders.: Enarrationes in psalmos. In: MIGNE, J.P. (Ed.): Patrologiae Cursus
Completus. Series Prima, In Qua Prodeunt Patres, Doctores Scriptoresque Ecclesiae Latinae A Tertulliano Ad Gregorium Magnum. Patrologiae Tomi XXXVI et XXXVII. Paris 1845. Sp. 67-1028 et 1033-1968. [hier: Enarratio]
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Completus. Series Prima, In Qua Prodeunt Patres, Doctores Scriptoresque Ecclesiae Latinae A Tertulliano Ad Gregorium Magnum. Patrologiae Tomus XXXIII. S. Aurelii Augustini Tomus Secundus. Paris 1845. Sp. 452 -461. [hier: Epistola CXX]
ders.: Sermones ad populum. In: MIGNE, J.P. (Ed.): Patrologiae Cursus
Completus. Series Prima, In Qua Prodeunt Patres, Doctores Scriptoresque Ecclesiae Latinae A Tertulliano Ad Gregorium Magnum. Patrologiae Tomus XXXVIII. Paris 1845. Sp. 23-1484. [hier: Sermo]
ders.: Soliloquia. Selbstgespräche über Gott. Lateinisch und deutsch. Gestaltung
des lateinischen Textes von Harald FUCHS. Einführung, Übertragung, Erläuterungen und Anmerkungen von Hanspeter MÜLLER. Zürich 1954. (= Die Bibliothek der alten Welt) S. 47-201. [hier: Soliloquia oder Soliloquium]
ders.: Über den dreieinigen Gott. Ausgewählt und übertragen von Michael
SCHMAUS. 2. Aufl. München 1951. [hier: De trinitate] ders.: Vom Gottesstaat. Vollständige Ausgabe. Band II. Eingeleitet und
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240
BOETHIUS: De Consolatione Philosophiae. Libri V. In: Migne, J.-P.: (Ed.): Patrologiae Cursus Completus Sive Biblioteca Universalis, Integra, Uniformis, Comoda, Oeconomica, Omnium SS. Patrum, Doctorum Scriptorumque Ecclesiasticorum Qui Ab Aevo Apostolico Ad Innocentii III Tempora. Series Prima In Qua Prodeunt Patres, Doctores, Scriptoresque Ecclesiae Latinae A Tertulliano Ad Gregorium Magnum. Patrologiae Tomus LXIII: Ennodius, Hormisda Papa, Trifolius Presbyter, Elpis, Boetius. Caeterorum Tomus Unicum. – Boetii Tomus Prior. Paris 1847. Sp. 547-886.
DIE BIBEL. Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift. Gesamtausgabe. Psalmen
und Neues Testament: ökumenischer Text. Mit Bildern mittelalterlicher Buchkunst. Hrsg. im Auftrag der Bischöfe Deutschlands, Österreichs, der Schweiz, des Bischofs von Lüttich, des Bischofs von Bozen-Brixen, des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bibelgesellschaft. Stuttgart 1998.
DIE HEILIGE SCHRIFT des Alten und Neuen Testamentes. Nach den
Grundtexten übersetzt und herausgegeben von Prof. Dr. Vinzenz HAMP, Prof. Dr. Meinrad STENZEL und Prof. Dr. Josef KÜRZINGER. 16. Aufl. Aschaffenburg 1964.
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Stephanus-Nummerierung. In: ders.: Sämtliche Werke. Erster Band. Hrsg. von OTTO, Walter F./GRASSI, Ernesto/PLAMBÖCK, Gert. Hamburg 1957. S. 301-326. [hier: 7. Brief]
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Sämtliche Werke. Zweiter Band. Heidelberg o. J. S. 663-740. [hier: Sophistes]
ders.: Der Staat. Buch I-V übersetzt von Wilhelm Siegmund TEUFFEL, Buch VI-X
von Wilhelm WIEGAND. In: ders.: Sämtliche Werke. Zweiter Band. Heidelberg o. J. S. 7-407. [hier: Politeia]
ders.: Kratylos. In: ders.: Sämtliche Werke in zehn Bänden. Griechisch und
Deutsch. Nach der Übersetzung Friedrich SCHLEIERMACHERS, ergänzt durch Übersetzung von Franz SUSEMIHL und anderen. Hrsg. Von Karlheinz HÜLSER. Sämtliche Werke III. Menon. Kratylos. Euthydemos. Hippias Maior. Griechisch und Deutsch. Frankfurt a.M./Leipzig 1991. S. 103-267. (= insel taschenbuch 1403) [hier: Kratylos]
241
ders.: Menon. In: ders.: Sämtliche Werke in zehn Bänden. Griechisch und Deutsch. Nach der Übersetzung Friedrich SCHLEIERMACHERS, ergänzt durch Übersetzung von Franz SUSEMIHL und anderen. Hrsg. von Karlheinz HÜLSER. Sämtliche Werke III. Menon. Kratylos. Euthydemos. Hippias Maior. Griechisch und Deutsch. Frankfurt a.M./Leipzig 1991. S. 9-101. (= insel taschenbuch 1403) [hier: Menon]
ders.: Phaidon. Übersetzt von Friedrich SCHLEIERMACHER. In: ders.: Sämtliche
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