Download - Road Pricing in Saas Fee
Universität FribourgWirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät
SS 2002Seminararbeit
Thema:
Road Pricing in Saas Fee
Professor: Eichenberger ReinerVorgelegt von: Kalbermatten Eveline
Haus Moonlight3910 Saas Grund
6. Semester
Inhaltsverzeichnis
1. Rechtfertigung der Themenwahl und Aufbau der Arbeit .......................................................... 5
2. Die Theorie und wo man sie anwendet...................................................................................... 6
2.1 Was Road Pricing .................................................................................................................. 6
2.2 Externe Effekte ...................................................................................................................... 6
2.3 Internalisierung der externen Kosten ..................................................................................... 7
2.4 Verwendung der Finanzmittel aus den Einnahmen .............................................................. 8
2.5 Vor- und Nachteile des Systems ............................................................................................ 9
2.6 Die Gewinner und Verlierer................................................................................................... 9
2.7 Road Pricing Szenarien........................................................................................................ 10
2.7.1 Road Pricing für einzelne Strassenabschnitte .............................................................. 10
2.7.2 Area licensing für Zufahrt/Fahrt in einer/mehrerer zentraler Zonen ........................... 10
2.7.3 Kordon Pricing um die Stadt........................................................................................ 12
2.7.4 Komplexes Gebietspricing........................................................................................... 12
3. Road Pricing in Saas Fee - das Pilotprojekt! ........................................................................... 13
3.1 Ausgangslage ....................................................................................................................... 13
3.2 Verkehrskonzept .................................................................................................................. 13
3.2.1 Vorgehen...................................................................................................................... 13
3.2.2 Die Projektorganisation ............................................................................................... 14
3.2.3 Erhebungen und deren Erkenntnisse............................................................................ 15
3.2.4 Störmass....................................................................................................................... 17
3.2.5 Ziele ............................................................................................................................. 18
3.3 Drei Lösungsvorschläge....................................................................................................... 19
3.3.1 Die beiden Road Pricing Systeme................................................................................ 19
3.3.2 Das Einbahnsystem...................................................................................................... 21
3.3.3 Das Fahrverbot............................................................................................................. 23
3.4 Road Pricing in Saas Fee ..................................................................................................... 24
3.4.1 Historik ........................................................................................................................ 24
3.4.2 Zeitplan ........................................................................................................................ 24
3.4.3 Erwartungen der Gemeinde an das Road Pricing in Saas Fee ..................................... 26
3.4.4 Die Gebührenordnung.................................................................................................. 26
3.4.5 Datenschutz.................................................................................................................. 27
4. Die Antwort des Bundesamtes für justiz ................................................................................. 28
5. Der Staatsratsentscheid ............................................................................................................ 29
6. Blick in die Zukunft ................................................................................................................. 30
7. Kritische Würdigung................................................................................................................ 31
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Projektorganisation
Abbildung 2: Erhebungen und deren Erkenntnisse
Abbildung 3: Störmass
Abbildung 4: Elektromobilbestand und Frequenz
Abbildung 5: Road Pricing, neu und bisher
Abbildung 6: Einbahnsystem
Abbildung 7: Fahrverbot
Abbildung 8: Kaskadenverfahren
Abbildung 9: Zeitplan
1. Rechtfertigung der Themenwahl und Aufbau der Arbeit
Die Ursache der heutigen Verkehrsprobleme -Umweltverschmutzung, Unfälle,
Staus, etc- besteht aus ökonomischer Sicht darin, dass die einzelnen
Verkehrsteilnehmer nicht alle von ihnen verursachten Kosten tragen müssen.
Diese entstandenen Kosten werden Externalitäten genannt. Aus der Sicht der
Ökonomen wird das Problem mit der Internalisierung der externen Kosten gelöst.
Eine effiziente und elegante Lösung ist Road Pricing. Doch bis heute wurde Road
Pricing, ausser in Singapur, nirgend in der von der Ökonomie geforderten Art
umgesetzt. Oft wird angefügt, dass Road Pricing in Demokratien nicht
verwirklicht werden kann, weil es von der Mehrheit der Bürger abgelehnt wird.
Dieser Behauptung steht jedoch das Beispiel von Saas Fee entgegen. Die Bürger
des kleinen Touristenortes stimmten 1998 einem flächendeckenden,
elektronischen Road Pricing zu. Das Projekt wäre ein optimales Vorbild, denn der
Aufwand dieses durchzuführen wäre klein und es wäre gut überschaubar.
Das Projekt, die Abstimmung und die juristische Umsetzung werden in dieser
Arbeit dargestellt.
Im zweiten Abschnitt wird das Konzept „Road Pricing“ kurz vorgestellt. Auch
werden die externen Kosten und Nutzen und deren Internalisierung erläutert. Die
möglichen Verwendungen der Einnahmen werden ein Thema sein. Dann folgen
die Vor- und Nachteile des Systems, die Gewinner und Verlierer und die
verschiedenen Varianten der Strassengebührenerhebungen und wo diese
angewendet werden.
Der dritte Abschnitt handelt vom Road Pricing in Saas Fee. Das Verkehrskonzept,
drei Lösungsvorschläge und Road Pricing in Saas Fee werden dargestellt.
Der vierte Abschnitt wird die Antwort des Bundesamtes für Justiz auf die Anfrage
des Gemeinderates im bezug auf die mögliche Ausarbeitung eines solchen
Systems sein.
Anschliessend folgt die Abstimmung des Volkes und die Einsprache eines
Privaten aus Saas Fee. Der dazugehörende Staatsratentscheid wird auch
behandelt.
Ein Blick in die Zukunft und das Schlusswort folgen abschliessend.
2. Die Theorie und wo man sie anwendet
2.1 Was ist Road Pricing
Road Pricing ist ein Strassengebührenerhebungssystem, welches als eine
Lenkungsabgabe benutzt wird. Zu bestimmten Zeiten kann der Verkehr gezielt
dorthin „gelenkt“ werden, wo er am wenigsten stört.
Es ist eine mögliche Strategie, den VerkehrsteilnehmerInnen diejenigen Kosten
des Verkehrs anzulasten, die bis anhin von unbeteiligten Dritten getragen wurden.
Das Verursacherprinzip ist zentral.
Die Benützungsabgabe führt dazu, dass die einzelnen VerkehrsteilnehmerInnen
die externen Kosten1 ihrer Fahrt in ihren Entscheidungen mitberücksichtigen. Im
Preis der Autofahrt wiederspiegeln sich damit die „wahren“ Kosten und dadurch
werden die individuellen Entscheidungen nicht durch verzerrte Preise verfälscht.2
2.2 Externe Effekte
Externe Effekte treten auf, wenn die einzelwirtschaftlichen Kosten und Nutzen
(d.h. internen) mit den gesamtwirtschaftlichen Kosten und Nutzen nicht
übereinstimmen. Diese Abweichung zwischen privaten und gesellschaftlichen
Kosten und Nutzen werden als Kosten bei negativen Effekten und als Nutzen bei
positiven Effekten bezeichnet.
Die ökonomische Theorie nennt diese realwirtschaftlichen Auswirkungen auch
technisch externe Effekte. Davon sind die sogenannten pekuniären Effekte zu
unterscheiden. Das sind Aktivitäten von Wirtschaftssubjekten, welche über eine
Änderung der Preisrelation das Nutzenniveau Dritter verändern.
Die Verkehrsteilnehmer verursachen fast ausschliesslich nur externe Kosten. Der
Nutzen des Verkehrs fällt fast zu ganzen Teilen nur den Verkehrsteilnehmern zu3.
Aufgrund der Existenz von externen Kosten sind die Preise, nach denen die
Individuen ihre Entscheidungen fällen, falsch. Dadurch wird eine
gesamtgesellschaftliche optimale Allokation der Ressourcen verhindert. Die
1 Was externe Kosten sind, wird anschliessend erklärt.2 Vgl. Abay, G./ Zehnder, C., Agglomeration, 1992, S.1.3 Die Frage des externen Nutzens wird im Bericht 39 des NFP „Stadt und Verkehr“ genauuntersucht.
Umweltgüter werden übernutzt. Das Marktsystem versagt, weil die Preise nicht
die Knappheit wiedergeben. Auch kann sich ein Markt nur bilden, wenn
Eigentumsverhältnisse bestehen. Doch gibt es solche für die meisten Umweltgüter
nicht.4
Eine Lösung liegt in der Internalisierung der externen Kosten.
2.3 Internalisierung der externen
Kosten
Es geht darum, den Verursachern die eigens verursachten Kosten anzulasten,
indem man die Preise erhöht. Die externen Kosten werden zu internen oder
privaten Kosten5. Hier wird ein marktwirtschaftliches Instrument angewendet, das
im Gegensatz zu Verboten oder Geboten steht, weil diese mit höheren Kosten zu
demselben Ziel führen.
Voraussetzung für eine exakte Internalisierung über den Preismechanismus ist die
Kenntnis aller externen Kosten und die genaue Bestimmung der Höhe der
externen Kosten in Geldeinheiten.
Die optimale Internalisierung entsteht dann, wenn der Preis der Abgabe den
verursachten externen Kosten entspricht. So können die Verkehrsaktivitäten auf
ein optimales Niveau gesenkt werden. Optimal ist in dem Sinne zu verstehen, dass
der Grenznutzen einer zusätzlichen Fahrt gerade den von ihr verursachten
sozialen Grenzkosten entspricht. Dies geschieht mittels der sogenannten Pigou-
Steuer.6
Das bedeutet aber nicht, dass keine Umweltbelastungen mehr auftreten.
Im Bezug auf bestimmte Verhaltensweisen, die externe Kosten verursachen, wird
versucht ein Optimum zu erreichen. Das Ziel ist aber nicht, diese ganz
einzuschränken.7
4 Vgl. Abay, G./ Zehnder, C., Agglomeration, 1992, S.9-10; ebenso auch Neuenschwander,R./Suter, S./Walter, F./Sommer, H., Externe Kosten, 1992, S.3; ebenso auch Kirsch,G.,Ökonomie, 1997.5 Die Summe der internen und externen Kosten nennt man soziale Kosten.6 Auf die Theorie der Externalitäten und deren Internalisierung gehe ich nicht weiter ein, denn daskann man in vielen anderen Büchern nachlesen. Zum Beispiel in den Berichten des NFP „Stadtund Verkehr“; ebenso auch Kirsch, G.,......7 Vgl. Abay, G./ Zehnder, C., Agglomeration, 1992, S.9-11.
2.4 Verwendung der Finanzmittel
aus den Einnahmen
Bezüglich der Einnahmen will der ökonomische Ansatz möglichst
verzerrungsfreie Verwendungsmöglichkeiten. Die relativen Preise sollten dabei
nicht künstlich verändert werden, damit sie die Produktions- und
Konsumentscheide der Wirtschaftssubjekte beeinflussen können. Die Einnahmen
müssen dadurch auch nicht zur Deckung der externen Kosten verwendet werden.
Es könnten falsche Anreize entstehen, indem sich manche zum Opfer anderer
machen und dadurch etwas dafür bekommen.
Es gibt folgende Verwendungsformen:
! Finanzierung der Strasseninfrastruktur
! Finanzierung von Massnahmen zur Verbesserung des Angebots im
öffentlichen Verkehrswesen und im Langsamverkehr
! Finanzierung von Massnahmen zur Verbesserung der Umweltqualität
! Finanzierung von Massnahmen zur Erhöhung der Standort- und
Umfeldqualität
! Rückfluss in die allgemeine Staats- oder Gemeinkasse
! Rückerstattung der Einnahmen an die Unternehmen und die Bevölkerung
! Umlagerung beim Abgabesystem im Verkehr
! Ökosteuer
! Rückfluss an die Fahrzeugbesitzer in Form einer reduzierten
Motorfahrzeugsteuer
Auf keinen Fall sollte das Road Pricing einer weiteren Besteuerung der
Verkehrsteilnehmer gleichkommen. Der Verwendungszweck der Einnahmen ist
unklar und zum anderen kommen zu den Gegnern der Strassenverkehrsbelastung
noch jene hinzu, die gegen jede neue Steuererhöhung oder gegen jede neue Steuer
sind.8
8 Vgl. Güller, P./ Neuenschwander, R./ Rapp, M./ Maibach, M., Schweiz, 2000, S.10.
2.5 Vor- und Nachteile des Systems
Es gibt folgende Vorteile:9
! Road Pricing ist verursachergerecht
! Road Pricing reduziert den Verkehr und führt zur Verbesserung der
Umweltqualität
! Road Pricing lässt die freie Wahl der Verkehrsmittel offen
! Man erzielt Einnahmen, die weiter verwendet werden können
Es gibt folgende Nachteile: 10
! Nur noch die Reichen können es sich leisten, Auto zu fahren
! Road Pricing schadet der Wirtschaft
! Road Pricing ist zu kompliziert und zu aufwendig
2.6 Die Gewinner und Verlierer
Die Gewinner sind die folgenden: 11
! Diejenigen, die gebührenbelastete Strecken weiterhin befahren und für die
der Zeitgewinn grösseren Nutzen mit sich bringt als die Gebühr
! Diejenigen, die von der Verwendung der Gebühren profitieren
! Diejenigen, die vom reduzierten Verkehr und der geringeren
Umweltbelastung profitieren
Die Verlierer sind die folgenden: 12
! Diejenigen, welche gebührenpflichtige Strassen weiterhin benützen
müssen und für die der Zeitgewinn den Nachteil der Gebühren nicht
überwiegt
! Diejenigen, die nun ein weniger attraktives Verkehrsmittel brauchen
müssen. Damit ist gemeint, dass es Leute gibt, die gerne mit dem Auto
fahren möchten, nun mit dem Bus fahren müssen.
! Diejenigen, die auf die gewollte Fahrt verzichten müssen
9 Vgl. Abay, G./ Zehnder, C., Agglomeration, 1992, S.65f.10 Vgl. Abay, G./ Zehnder, C., Agglomeration, 1992, S.65f.11Vgl. Güller, P./ Neuenschwander, R./ Rapp, M./ Maibach, M., Schweiz, 2000, S.7.
12Vgl. Güller, P./ Neuenschwander, R./ Rapp, M./ Maibach, M., Schweiz, 2000, S.7.
2.7 Road Pricing Szenarien
Es gibt ein Road Pricing auf Autobahnen. In Frankreich, Österreich, Italien,
Spanien und noch anderen Ländern wird dieses System angewendet. Im
Vordergrund stehen Finanzierungsziele. Dieses System könnte auch auf die
Schweiz angewendet werden. Ein Ausgangspunkt könnte die Autobahnvignette
sein. Sie kann als Primärform ( fixe Abgabe mit reiner Finanzierungsfunktion)
betrachtet werden.
Es gibt zwei wichtige Formen: 13
1) Lenkungsabgaben auf sensiblen Netzteilen.
2) Finanzierungsabgaben.
Es gibt noch vier weitere Gebührenerhebungen: 14
2.7.1 Road Pricing für einzelne Strassenabschnitte
Tarifierungsprinzip: Abgaben pro Passage, Eingangs-
/Ausgangsabgabe
Preisniveau bestimmende Variablen: Spezifische Infrastrukturkosten, Stau
Erhebungstechnik: Gebührenstation (manuell,
automatisch), elektronische
Erhebungen
Einnahmenverwendung: Finanzierung von
Strasseninfrastruktur
Wo wendet man das an: Marseille, Lissabon
2.7.2 Area licensing für Zufahrt/Fahrt in einer/mehrerer
zentraler Zone
Tarifierungsprinzip: Abgabe für Fahrberechtigung in der
entsprechenden
Zone
Preisniveau bestimmende Variablen: Spitzenzeiten, Knappheit
13 Auf dieses System gehe ich nicht genauer ein, denn das würde den Rahmen der Arbeit sprengen.14Vgl. Güller, P./ Neuenschwander, R./ Rapp, M./ Maibach, M., Schweiz, 2000, S.76-79.
Erhebungstechnik: Vignette für Zonen, automatische
Kontrollschild-
Lenkung
Einnahmenverwundung: Verkehrsinfrastruktur, städtisches
Umfeld, allg.
Budget
Wo wendet man das an: Singapur
2.7.3 Kordon Pricing um die Stadt
Tarifierungsprinzip: Abgabe für Ein- und Ausfahrt
Preisniveau bestimmende Variablen: Infrastrukturkosten
Erhebungstechnik: Gebührenstation, elektronische
Erhebungen
Einnahmenverwundung: Verkehrsinfrastruktur, städtisches
Umfeld, allg.
Budget
Wo wendet man das an: Bergen, Oslo, Trondheim
2.7.4 Komplexes Gebietspricing
Tarifierungsprinzip: Distanzabhängig, räumlich und
zeitlich differenziert
Preisniveau bestimmende Variablen: Soziale Grenzkosten
Erhebungstechnik: data logging notwendig
Einnahmenverwundung: Verkehrsinfrastruktur, städtisches
Umfeld, allg.
Budget
Wo wendet man das an: Noch nirgends
Im Bereich des Verkehrs gibt es immer mehr Probleme. Es besteht Einigkeit, dass
die Externalitäten internalisiert werden müssen. Es gibt Peissetzungen auf
Strassen, aber diese gehen nicht in die Richtung der Idee des Road Pricings weil
vermutet wird, dass diese Lösung im Volk auf Widerstände stösst. Die Ausnahme
ist Saas Fee.
Saas Fee hat ein Problem mit EM (Elektromobilen). Im September 1997 verwarf
das Volk das Projekt „Road Pricing“. Aber es muss eine Lösung im
Zusammenhang mit den EM gefunden werden. Somit wurde ein neuer Vorschlag
ausgearbeitet. Das Resultat war ein flächendeckendes Road Pricing.
3. Road Pricing in Saas Fee - das Pilotprojekt!
3.1 Ausgangslage
Der in den letzten Jahren konstant zunehmende Tourismusstrom führte auch zu
einer Zunahme der EM. Der Konflikt zwischen dem fahrenden Verkehr und den
Fussgängern (vor allem Gäste) verstärkte sich dadurch. Die zum Teil zu engen
Strassenräume trugen auch ihren Teil dazu bei. In den Spitzenzeiten, am Morgen
um 9 Uhr bis 11 Uhr und am Nachmittag von 15 Uhr bis 17 Uhr, trafen diese
beiden Verkehrsteilnehmer am häufigsten aufeinander. Um die Attraktivität
innerhalb des Dorfes zu verbessern und das Versprechen gegenüber dem Gast
weiterhin einlösen zu können, ein ökologisch ausgerichtetes Saas Fee anzutreffen,
beschloss der Gemeinderat, auf Antrag der Verkehrskommission, ein
flächendeckendes Road Pricing System ausarbeiten zu lassen. Der Verkehr sollte
zeitlich und räumlich umgelagert werden und sogar reduziert werden. Auch
könnten die existierenden Einbahnsysteme aufgehoben werden.15
3.2 Verkehrskonzept
3.2.1 Vorgehen
Bei der Erarbeitung des Verkehrskonzeptes wurden die Feriengäste und die
Einheimischen miteinbezogen. „Die Betroffenen wurden zu den Beteiligten
gemacht“16. Gemeinsam mit ihnen arbeitete man einige Massnahmen am
sogenannten runden Tisch aus. Der Vorgang beinhaltet Fünf Schritte:
Problemanalyse Zielformulierung Lösungsvarianten Vernehmlassung
Umsetzung17.
! Problemanalyse: Das Resultat dessen war die Situation, wie sie damals und
heute in Saas Fee war und ist. Sie beinhaltete eine Erhebung, auf die später
eingegangen wird
15 Vgl. Bützberger, A., Gletscher, 1997, S.1 und S.3.16 Kirsch,G., Ökonomie,1997.
! Zielformulierung: Mit dem Feriengast, den Einheimischen und der politischen
Behörde wurden gemeinsame Ziele erarbeitet. Ziel dieser Formulierung war von
Anfang an die Berücksichtigung der verschiedenen Anliegen
! Lösungsvariablen: Das Spektrum der Lösungen sollte sehr breit gehalten
werden
! Vernehmlassung: Die Gäste und die Einheimischen mussten zu den möglichen
Massnahmen Stellung beziehen. Das gehörte zum Entscheidungsprozess
! Umsetzung: Klare und einfache Lösungen wurden im Sinne einer rollenden
Planung nach Zustimmung des Gemeinderates, sofort und nicht erst nach
Vorliegen des definitiven Verkehrskonzeptes, realisiert.
3.2.2 Die Projektorganisation
Für eine effiziente Bearbeitung des Verkehrskonzeptes wurde eine
Verkehrskommission gebildet, welche aus Vertretern des Gemeinderates, der
einheimischen Bevölkerung, des Gewerbes, des Verkehrsvereins, des Gastes und
des Verkehrsingenieurs bestand.18
Die Verkehrskommission brachte ihre Vorschläge vor den Gemeinderat, welchem
sie direkt unterstand. Der Verkehrskommissionspräsident war Claude Bumann,
der auch der Gemeindepräsident ist. Es fanden zehn
Verkehrskommissionssitzungen und einige Sitzungen der Arbeitsgruppen statt. Es
gab folgende Arbeitsgruppen: 19
! Arbeitsgruppe „Fun Park“
! Arbeitsgruppe „Öffentlicher Verkehr“
! Arbeitsgruppe „Fahrtoptimierung und Road Pricing“
! Arbeitsgruppe „Fussgänger und Komfort“
17 Vgl. Bützberger + Partner, Verkehrskonzept, 1997, S. 1-3.18 Organigramm siehe Anhang 1.19 Vgl. Bützberger + Partner, Verkehrskonzept, 1997, S. 3-5.
3.2.3 Erhebungen und deren Erkenntnisse
Es wurden drei verschiedene Erhebungen durchgeführt:
1) Fussgängererhebungen am 27.2.96
2) Elektromobilerhebungen am 28.2.96
3) Befragung der Gäste und der einheimischen Bevölkerung
Diese Erhebungen dienten der Ausarbeitung einer guten Lösung als Grundlage.
Die Schüler der Orientierungsschule führten die Zählungen durch. Diese
Erhebungen wurden an Tagen durchgeführt, an denen sehr viel Verkehr erwartet
wurde. Die Gäste und Einheimischen wurden mittels eines Fragebogens befragt.
Das Resultat waren keine neuen Erkenntnisse, sondern eine Bestätigung der
bisher geleisteten Arbeit.
Die Erkenntnisse der Erhebungen waren Folgende:
Fussgänger: 20
! Einrichtungsverkehr auf der Panoramabrücke (roter Teil), d.h. während
den Spitzenzeiten 09.00-10.00 Uhr und 16.00-17.00 Uhr und jeweils eine
Stunde vor- und nachher
! Bei der Panoramabrücke hatte es sehr wenig Fussgänger, mit Ausnahme
der Spitzenzeiten
! Auf der Hauptachse (grüner Teil) wurden den ganzen Tag sehr viele
Fussgänger registriert mit Spitzenzeiten von 09.00-12.00 Uhr und 15.00-
18.00 Uhr registriert.
Elektromobile: 21
! Auf allen Strecken fand Zweirichtungsverkehr statt
! Auf der Panoramabrücke hatte es wenig EM
! Auf der Hauptachse wurden, zu den gleichen Spitzenzeiten wie bei den
Fussgängern, sehr viele EM registriert
! Auffallend waren die vielen Leerfahrten der EM
Konkrete Zahlen auf der Hauptachse:
! Morgens von 9-10 Uhr wurden 800 Fussgänger und 76 EM gezählt
! Nachmittags von 15-16 Uhr waren es 2000 Fussgänger und 47 EM22
20 Siehe dazu Anhang 2.21 Siehe dazu Anhang 2.
22 Vgl. Bützberger + Partner, Pflichtenheft, 1997, S.6 und S.7 auch Bützberger + Partner,Verkehrskozept, 1997, S.5 und S.8-9.
3.2.4 Störmass
Um die Belastung zwischen EM und Fussgänger vergleichen zu können, wurde
das sogenannte Störmass eingeführt.23 Ziel war es, ein Qualitätsmass für die
Mobilität in Saas Fee zu definieren. Ein Prozentsatz von Null bedeutet, dass keine
Störung zwischen Fussgänger und EM vorliegt oder, dass die zwei verschiedenen
Verkehrsteilnehmer alleine auf der Strasse sind. Bei einem Störmass von mehr als
80 % steigt die Unfallgefahr und der Fussgänger fühlt sich dadurch nicht mehr
wohl.
Die Resultate waren folgende: 24
! Auf der Hauptachse wurde die kritische Störung von 09.00-12.00 Uhr und
14.00-19.00 Uhr überstroffen. Das Strörmass war also auf der Hauptachse
den ganzen Tag über sehr gross
! 5% der EM (=14) erzeugten 30% aller Fahrten
! Der Güterverkehr ist über den ganzen Tag verteilt, ausser in der
Mittagszeit
! Die Hotelfahrzeuge erzeugen während den Stosszeiten 39-49%, der
Güterverkehr 19-34% des gesamten Verkehrs. Der Anteil der
Hotelfahrzeuge ist, ausser zwischen 14.00-15.00 Uhr, am höchsten
Aber welche Elektromobiltypen waren beteiligt? Man unterschied: 25
1) Taxi
2) Service
3) Liefer
4) Güter
5) Hotels
6) Ferienwohnungen
23 Siehe dazu Anhang 3.24Vgl. Bützberger + Partner, Pflichtenheft, 1997, S.7-9; ebenso auch Bützberger + Partner,Verkehrskonzept, 1997, S.9-10 und siehe dazu Anhang 4.25Vgl. Bützberger + Partner, Pflichtenheft, 1997, S.7-9; ebenso auch Bützberger + Partner,Verkehrskonzept, 1997, S.9-10 und siehe dazu Anhang 4.
3.2.5 Ziele
Hauptziel war:
Die Lebens- und Aufenthaltsqualität für den Gast und die Einheimischen sollten
verbessert werden.
Es gab 6 konkrete Ziele: 26
! Bevorzugung des Fussgängers
! Optimierung der Elektromobilfahrten, d.h. die Leerfahrten sollten so weit
als möglich vermeiden werden
! Entlastung der Hauptachse während den Stosszeiten
! Einführung eines öffentlichen Verkehrsmittels
! Verbesserung des Geh- und Fahrkomforts
! Keine Überschreitung der kritischen Störung von 80%
26Vgl. Bützberger + Partner, Pflichtenheft, 1997, S.11.
3.3 Drei Lösungsvorschläge
Im September 1997 verwarf die Urversammlung das Projekt „Road Pricing“. Das
Volk war der Meinung, dass die Einschränkungen zu weit gingen und auch
diejenigen betroffen würden, die keine Externalitäten verursachen. Sieben Monate
später musste das Volk nochmals abstimmen, weil die Verkehrskommission und
die Einwohner von Saas Fee einsahen, dass ein Verkehrsproblem bestand. Die
Tourismusorganisation, die Luftseilbahnen und der Hotelierverein haben sich für
eine Wiederaufnahme des Projekts „Road Pricing“ ausgesprochen, Handwerk und
Gewerbe waren für ein Einbahnsystem.
Neu aber war, dass über ein abgeändertes Road Pricing, ein Einbahnsystem und
ein Fahrverbot abgestimmt werden musste.
Im Folgenden möchte ich kurz auf alle drei Alternativen eingehen.
3.3.1 Die beiden Road Pricing Systeme
Vorschlag 97: 27 Vorschlag 98:
Messstellen:! 16 13
Saison:! Winter: 15.12 - 30.4 20.12 - 15.4, nur bis Ostern! Sommer: 1.7 - 30.9 15.7 -31.8
Tageszeiten:! Winter: 9 -11 Uhr, 15 - 17 Uhr 9 - 11 Uhr, 15 - 17 Uhr! Sommer: 9 -11 Uhr, 15 -17 Uhr 15 - 17 Uhr
Keine gebührenfreie Strassenabschnitte gebührenfreie Abschnitte
Vorteile: 28
! Es wäre verursachergerecht. Das heisst, dass derjenige, der die negativen
externen Effekte produziert, diese auch bezahlen muss. Die sozialen
Kosten werden den Verursachern verrechnet. Das volkswirtschaftlich
korrekte Preisverhältnis wird angestrebt.
27Siehe dazu Anhang 5.28 Vgl. Gemeinde Saas Fee, Verkehrsberuhigung,1998, S.1-8; ebenso auch Kirsch, G, 1997.
! 10% aller Mobile verursachen 46% des gesamten Verkehrs. Das heisst,
das diejenigen, die die Fussgänger in ihrer Wohlfahrt negativ
beeinflussen, auch dafür bezahlen. Sie müssen ihre eigene Kosten-
Nutzenanalyse durchführen. Die Frage ist, ob es sich für sie lohnt zu
fahren oder ob es sich nicht lohnt.
! Die externen Kosten müssen internalisiert werden. Ohne Internalisierung,
blieben die Gäste weg und die Existenz der Leute in Saas Fee wäre
gefährdet.
! Road Pricing erhöht die Effektivität der Strasseninfrastruktur. Fahrten mit
geringer Dringlichkeit werden auf Randzeiten verschoben oder
unterbleiben. Personen, die aus einer Fahrt einen hohen Nutzen erzielen,
sind bereit zu zahlen. Stausituationen werden vermieden und die Fahrer
profitieren von schnelleren Fahrtzeiten.
! Es ist flächendeckend. Das heisst, dass jeder der ein EM hat, auch dafür
bezahlen muss, wenn er zu den Stosszeiten fährt. Es kann also niemand als
Trittbrettfahrer handeln, nichts zur Erstellung des öffentlichen Gutes
beitragen und es dann nutzen, wenn er mit dem EM unterwegs ist. Wer
schädigt, muss entschädigen.
! Dadurch, dass es kein Verbot ist, kann niemand behaupten, dass
irgendeine Art von kollektivem Zwang vorliegt.
! Es bestehen Ausweichmöglichkeiten. Nebenstrecken können benutzt
werden, die nicht angerechnet werden. Also ist der EM-Besitzer in dieser
Hinsicht auch wieder frei. Es liegt also kein Zwang vor. Hier ist noch zu
erwähnen, dass die Überlastung der Nebenachsen nicht ins Gewicht fallen,
denn die Abnutzung der Strassen ist nicht so gross wie auf öffentlichen
Strassen.
! Der Kontrollaufwand ist gering.
! Das ganze System ist flexibel und somit sehr effizient.
! Der Verkehr kann um 70-90 % verringert werden.
! Das System finanziert sich selber.
Bsp: CHF 32`000 (Amortisation) + CHF 10`000 (Unterhalt) = CHF 42`000.
CHF 42`000 : 200 Tage = CHF 210 und das macht CHF 0,81 pro Tag pro
Elektroinhaber bei 260 EM. Für das ganze Jahr ergibt das CHF 162 pro
Elektromobilinhaber.
! Die vielen Fernsehstationen und Radiosender machten gute Werbung,
denn das Projekt sollte einmalig werden. Da Saas Fee ein Touristenort ist
und das Vorhaben in den Medien gezeigt wurde, hat das einen
Werbeeffekt ausgelöst Das heisst, dass sie positive externe Effekte
verursacht haben.
Nachteile: 29
! Weil es kein Verbot ist werden sich die Leute nicht daran halten.
! Die entstandenen Kosten können auf die Nachfrager überwälzt werden.
Die effektive Last würde aufgrund des Nachfragers gehen. Der Gast wäre
somit der Hauptgrund, warum die Nachfrage nach EM zugenommen hat.
Der Geschädigte müsste dann noch entschädigen. Da der Gast der Grund
der Zunahme ist, ist er der eigentliche Verursacher und somit muss er
entschädigen.
! Die Folgekosten wären sehr hoch, denn die Messstellen können nur durch
Spezialisten repariert werden. Es stellt sich die Frage, ob die
Gemeindearbeiter ausgebildet werden sollten, damit diese Leistung selber
hergestellt werden kann und nicht auf dem Markt nachgefragt werden
muss.
3.3.2 Das Einbahnsystem
Auf den Hauptachsen sollte der EM-Fahrer nur in bestimmte Richtungen fahren
können. Es waren vier Einbahnen vorgesehen, die eine effektive Entlastung der
Hauptachsen erreichen sollten. Die festgelegten Ziele sollten bestmöglichst erfüllt
werden. Es sollte eine echte Alternative zum Road Pricing sein.
Es gäbe nur eine Ausnahme für den Ortsbus.
Vergleich Road Pricing und Einbahn:30
Road Pricing Einbahn
! Verursachergerecht Alle werden bestraft
29 Vgl. Gemeinde Saas Fee, Verkehrsberuhigung,1998, S.1-8; ebenso auch Kirsch, G, 1997.30 Siehe dazu Anhang 6; Vgl. Gemeinde Saas Fee, Verkehrsberuhigung,1998, S.9-12.
! Streckenspezifische und zeitliche Nur streckenspezifische
Ausweichmöglich-
Ausweichmöglichkeiten keiten
! Gast sieht die Messstellen nicht Viele Schilder sind
unangenehm
! Flexibel starr, ineffizient
! Kein Verbot Verbot, somit kollektiver
Zwang
! Maximale Kosten CHF 2,50 CHF 100.- bei Verstoss, sonst
gratis
! Geringer Kontrollaufwand Ständige Kontrollen
! 70-90% weniger EM 30-40% weniger EM
! Kosten: CHF CHF 250`000 Investition günstig
! Nur während 2 oder 4 Stunden 24 Stunden
3.3.3 Das Fahrverbot
Der letzte Vorschlag war, ein Fahrverbot einzuführen. Auch dieses sollte die Ziele
so gut als möglich erfüllen.
Ausnahmen würden bei den Taxis, dem Ortsbus und Anstössern gewährt.
Man wollte 2 Strassenabschnitte mit einem Fahrverbot versehen, die auch die
Hauptachsen entlasten würden.
Es sollte während den gleichen Monaten, Tagen und Zeiten wie das Road Pricing
gelten.
Vergleich Road Pricing und Fahrverbot:31
Road Pricing Fahrverbot
! Verursachergerecht Einzelne werden bestraft.
! Keine Ausnahmen ausser Ortsbus Anwohner und Taxis erlaubt
! Gesamte Hauptachse wird entlastet Nur Teile der Hauptachse
entlastet
! Flexibel und anpassungsfähig Starr und somit ineffizient
! Kein Verbot Verbot
! Kosten pro Fahrt im Schnitt CHF 2,50 CHF 100.- für Verstosser
! Geringer Kontrollaufwand Erheblicher Kontrollaufwand
! 70-90% weniger 20-30% weniger
! Kosten: CHF 250`000 Investition kostengünstig
Gegenüberstellung der Resultate: Man rechnet mit 2000 Fussgängern und 47 EM
! Road Pricing: 70-90% weniger, im besten Fall noch 5 EM32
! Einbahnsystem: 30-40% weniger, im besten Fall noch 28 EM 33
! Fahrverbot: 20-30% weniger, im besten Fall noch 33 EM34
31 Siehe dazu Anhang 7; Vgl. Gemeinde Saas Fee, Verkehrsberuhigung, S.12-14.32 Vgl. Gemeinde Saas Fee, Verkehrsberuhigung,1998, S.9.33 Vgl. Gemeinde Saas Fee, Verkehrsberuhigung,1998, S.12.
3.4 Road Pricing in Saas Fee
3.4.1 Historik
Im September verwarf die Urversammlung das Projekt Road Pricing an der Urne.
Die Verkehrskommission beschloss dann in einer Abschlussitzung, die Idee des
Road Pricings nochmals aufzunehmen und in einer abgeänderten Form dem Volk
nochmals zur Abstimmung vorzulegen. Unerlässlich war aber, dass die
wichtigsten Institutionen des Dorfes einer Neuauflage grundsätzlich zustimmen
würden. Auch wurden zwei Alternativen ausgearbeitet, das Einbahnsystem und
das Fahrverbot.
In der Kaskadenabstimmung35 vom 26. April 1998 stimmten 57% dem Road
Pricing zu. Die Beschwerde eines Gegners vom Staatsrat gutgeheissen und das
Projekt wurde auf Eis gelegt.36
3.4.2 Zeitplan
Es wurde an einem Zeitplan fstgehalten: 37
! Die Offertphase beinhaltete die Stellungsnahme des Volkes und des
Gemeinderates.
! In der Realisierungsphase würden drei Schritte vorkommen. Im ersten
Schritt ,Test, würden die Eigenheiten von Saas Fee erarbeitet. Viele
Laborversuche und Tests würden vorgenommen. Im zweiten Abschnitt
,Pilot, würden die im Labor entwickelten Systemelemente an Ort und
Stelle in Saas Fee getestet. Wichtig ist, dass auch die Bevölkerung laufend
informiert wird. In der dritten Phase ,Realisierung, sollte das Road Pricing
in Saas Fee etappenweise eingeführt werden. Bei Erfolg bis Ende Oktober
1998 würde ein internationales Symposium in Saas Fee stattfinden.
34 Vgl. Gemeinde Saas Fee, Verkehrsberuhigung, S.14.35 Siehe dazu Anhang 8.36 Vgl. Bützberger Engineering, Informationsschrift, 1998, S.1.37 Siehe dazu Anhang 9.
Nationale und internationale Fernsehgesellschaften und Fachzeitschriften
der Bereiche Tourismus und Verkehr sollten das Projekt begleiten.
3.4.3 Erwartungen der Gemeinde an das Road Pricing in
Saas Fee
Der Gemeinderat hatte folgende Erwartungen: 38
! Das System sollte als Entscheidungsgrundlage für die Definition der
zukünftigen Verkehrspolitik in Sass Fee dienen
! Die Verkehrsströme der EM sollten damit erfasst werden können
! Einfaches Road Pricing System, einfache Abwicklung
! Soll möglichst günstig sein
3.4.4 Die Gebührenordnung
Die Höhe der Gebührenordnung entstand durch Hochrechnungen. Die Gemeinde
hatte immer das Ziel vor Augen, dass keine Mehreinnahmen erzielt werden.
Zentral war, dass eine Höhe erlangt wird, die den Verkehr auf den Hauptachsen
verringert.
Bei der ersten Passage einer Messtelle würde eine Grundgebühr von CHF 1,50
verrechnet. Dann würde die Folgegebühr von CHF 0,50 folgen. Wenn der EM-
Fahrer aber länger als zwanzig Minuten zwischen zwei Messstellen verbringt,
muss er bei der Passierung der nächsten Stelle wieder die Grundgebühr entrichten.
Das Road Pricing würde immer, ausser Samstags, gelten, weil dann meistens die
Ab- und Anreise der Touristen ist. Somit verkehren an diesem Tag sehr viele EM
und den Gast stört das noch nicht oder nicht mehr.39
38Vgl. Bützberger Engineering, Kurzfassung, 1997, S.3.39Vgl. Bützberger Engineering, Informationsschrift, 1998, S.7.
3.4.5 Datenschutz
Erstens ist zu erwähnen, dass der Datenschutz wichtig ist, aber aufgrund des
ganzen Systems in Saas Fee nicht so schwierig auszuarbeiten, wie bei den
Strassensystemen, wo jeder ein Verkehrsmittel besitzen kann. Weil nur Betriebe
EM besitzen können, kann nicht genau gesagt werden, wer zu welcher Zeit an
welchem Ort war, denn es kann einmal der Portier, einmal der Patron, einmal der
Lieferant gefahren sein.
Zweitens wurde an die Firmen, im Bereich Datenschutz, die gleichen
Anforderungen gestellt, die erfüllt sein müssen, wenn Road Pricing auf
öffentlichen Strassen eingeführt werden soll.
Die Daten die aus der Überwachung resultieren, werden nur zum Zwecke der
Verrechnung der Kosten benützt und später vernichtet.
Ein weiterer Punkt ist auch noch, dass das System nur während maximal vier
Stunden funktioniert und nach Ablauf dieser Zeiten wird nichts mehr registriert.
4. Die Antwort des Bundesamtes für Justiz
Nach Artikel 37 Absatz 2 der Bundesverfassung dürfen für den Verkehr auf
Strassen, die im Rahmen ihrer Zweckstimmung der Öffentlichkeit zugänglich
sind, keine Gebühren erhoben werden. Die Bundesversammlung kann in
besonderen Fällen Ausnahmen bewilligen.
Artikel 37bis Absatz 2 BV erlaubt den Kantonen, den Automobil- und
Fahrradverkehr zu beschränken oder zu untersagen. Doch kann der Bund Strassen
für den allgemeinen Durchgangsverkehr als offen erklären. Auch die Gemeinden
können den Verkehr auf Strassen, die nicht dem Allgemeinverkehr geöffnet sind,
untersagen.
Es stellt sich aber nun die Frage, ob die Strassen in Saas Fee öffentlich sind? Das
Bundesamt für Justiz meinte nein, denn diese seien nur in einem beschränkten
Mass öffentlich. Die Verkehrssituation dort sei sehr speziell. Es herrsche kein
Durchgangsverkehr und die Urversammlung habe den Verkehr auf „öffentlichen“
Strassen beschränkt. Der Gebrauch der Strassen und der Wege seien dem
Fussgänger vorbehalten. Wenn jemand ein Pferdefuhrwerk oder ein
Motorfahrzeug benützten möchte, muss er bei der Gemeinde eine Bewilligung
einholen. Die Motorfahrzeuge dürfen nicht ins Dorf, sondern müssen am
Dorfanfang parkiert werden. Somit sind die Strassen von Saas Fee dem
allgemeinen motorisierten Strassenverkehr nicht zugänglich. Auch kann nicht
jeder, der in Saas Fee wohnt, ein EM besitzen. Man muss ein Taxi- oder
Hotelbetrieb sein, ein gewerbsmässiger Vermieter von Ferienwohnungen oder in
einem anderen Gewerbe tätig sein, wobei bei den Vermietern sehr strenge
Anforderungen bestehen. Frei zugänglich sind die Strassen nur für Fussgängern,
Handwagen, Schlitten und Fahrrädern. Das Bundesamt für Justiz meinte, dass
somit nicht von öffentlichen Strassen geredet werden kann.
Auch hat die Abgabe Lenkungscharakter. Sie schlugen somit vor, den Begriff
Road Pricing nicht zu benützen, denn man könne hinter diesem Begriff auch
etwas fiskalisches sehen, denn die Abgabe kann so bemessen und erhoben
werden, dass sie die Kosten des fraglichen Strassensystems abdecken.40
40Vgl. Bundesamt für Justiz, Saas Fee, 1997, S. 1-4.
Fazit: Saas Fee musste gar keine Bewilligung des Bundes einholen, denn die
Strassen sind nicht öffentlich, weil dort kein Durchgangsverkehr besteht und nicht
jeder ein EM besitzen kann.
5. Der Staatsratsentscheid
Durch eine private Einsprache kam die Abstimmung vom 26. April 1998 vor den
Walliser Staatsrat. Die Klage basierte auf der Vorlage des Artikels 37 der
Bundesverfassung. Dieser besagt, dass für den Verkehr auf Strassen, die im
Rahmen ihrer Zweckmässigkeit der Öffentlichkeit zugänglich sind, grundsätzlich
keine Gebühren erhoben werden können. Die Strassen von Saas Fee sind für den
öffentlichen Verkehr nicht freigegeben. Das Dorf ist für den allgemeinen Verkehr
nicht zugänglich und jeder Fahrzeugbesitzer, der durch Saas Fee fahren will, muss
eine Bewilligung einholen. Die Benützung der Strassen steht in erster Linie nur
den Fussgängern zur Verfügung.
Auf den Inhalt der Klage ging der Staatsrat nicht ein, aber er focht das
Kaskadenverfahren an. Das Formale der Abstimmung wurde untersucht. Der
Entscheid basierte auf einer fehlenden gesetzlichen Grundlage, um eine solche
Abstimmung durchführen zu können. Hätte diese Grundlage bestanden, hätte der
Staatsrat den Inhalt der Abstimmung untersuchen müssen. Er hätte dann
überprüft, ob gegen den Artikel 37 der Bundesverfassung verstossen wird. Aber
bis zu diesem Punkt (Untersuchung ob man gegen Artikel 37 der BV verstösst)
kam es gar nicht, weil die Form der Abstimmung nicht angenommen wurde und
die diese nach der Untersuchung des Formalen als nichtig erklärt wurde.
In der Abstimmung ging es darum, dass das Volk zuerst sagen musste, ob man
das Verkehrsproblem beheben möchte. Wenn ja, dann musste man sich für das
Road Pricing oder das Einbahnsystem/Fahrverbot entscheiden. Man war der
Meinung, dass der Wille des Volkes nicht richtig zum Ausdruck komme und weil
eine rechtliche Grundlage fehlte, wurde die Abstimmung als ungültig erklärt.
Würde eine gesetzliche Grundlage bestehen, dann wäre die Abstimmung nicht an
der Ausformulierung der Abstimmung gescheitert.
Der ganze Prozess fand hier sein Ende.
6. Blick in die Zukunft
Aufgrund der Ungültigerklärung der Abstimmung durch den Staatsrat wurde
vorläufig darauf verzichtet, im Bereich „Road Pricing“ weitere Schritte
vorzunehmen. Für die Jahre 2001- 2006 sind keine Mittel für das Projekt „Road
Pricing“ vorgesehen. Die Firma Bosch hat damals ein sehr gutes Angebot von
CHF 200`000 gemacht. Dies nicht zuletzt aus Werbezwecken, weil Road Pricing
in Sass Fee etwas ganz Neuartiges werden sollte. Nachdem das System nicht
realisiert werden konnte, entschloss sich die Firma, nicht mehr in diesem Bereich
tätig zu sein. Dass in den nächsten Jahren, sofern man genug Geld zur Verfügung
steht, nochmals eine so gute Offerte vorgestellt wird, ist fragwürdig. Der
Gemeindepräsident von Saas Fee meinte, dass mit einer halben Million gerechnet
werden muss.
Dennoch werden viele kleine Massnahmen durchgeführt, so zum Beispiel werden
die Engpässe erweitert. Das heisst, dass versucht wird, für die Fussgänger mehr
Platz zu schaffen. Aber es werden solange keine grösseren Änderungen
vorgenommen, bis nichts von der Bevölkerung unternommen wird. Der Druck
von der Strasse und den Gästen muss noch mehr steigen. Der Gemeindepräsident
Claude Bumann und der zuständige Ingenieur Alain Bützberger sind der
Meinung, dass Road Pricing die beste Lösung für Saas Fee ist.
7. Kritische Würdigung
Das Projekt Road Pricing ist eine der besten Lösungen für Saas Fee. Das System
ist auf die individuellen Verhältnisse des Touristenortes angepasst. Es soll auch
nicht während 24 Stunden gelten, sondern nur dann, wenn die EM am meisten die
Fussgänger stören. Man will also nicht alle bestrafen, sondern nur eine Lösung
umsetzen, die die Ziele am besten verwirklichen.
Der Vorbildcharakter ist zentral. In Zukunft wird es sicher vermehrt Diskussionen
und einige Lösungsvorschläge in dieser Richtung geben. Könnte man das Projekt
nun in Saas Fee durchführen, so hätte man ein gutes Vorbild. Das System könnte
ohne grossen Aufwand verwirklicht werden, weil es sehr klein und gut
überschaubar ist.
Aus Sicht des Fussgängers hat das ganze nur Vorteile, denn die EM werden in
den Hauptzeiten auf die Nebenachsen verlegt und der Gast bekommt vom ganzen
Verkehr weniger mit. Er kann so autofreie Ferien in Saas Fee verbringen.
Für den Elektromobilbesitzer gibt es Vor- und Nachteile. Er muss mehr bezahlen,
wenn er die Hauptachsen zu den Stosszeiten benützen will, hat aber die
Möglichkeit, gebührenfrei die Strassen während der Zeit zu benützen. Ihm bleiben
also die Optionen offen: Bezahlen, umfahren oder zu Fuss. Er profitiert aber auch
von der besseren Verkehrssituation.
Abschliessend kann man sagen, dass die Gemeinde ein Verkehrsproblem hat. Es
gibt verschiedene Lösungen. Eine der besten wäre das Road Pricing. Es wird aber
solange Gegner geben, bis man nicht alle davon überzeugen kann, dass man sie
nicht ausnehmen will, sondern ihnen helfen will. Bis aber alle so denken, kann
noch einige Zeit vergehen und manch ein Gast wird sich über die EM ärgern.
Literaturverzeichnis
Abay, Georg/Zehnder, Claude [Agglomeration, 1992]: Road Pricing für dieAgglomeration Bern: Ökonomische Analyse, Bericht 16 des NFP „Stadt undVerkehr“, Zürich, 1992
Bundesamt für Justiz [Saas Fee]: Road Pricing in Saas Fee, Bern, 1997
Bützberger, Alain [Gletscher, 1997]: Gletscher-Post; Die Zeitung fürEinheimische und Gäste: Road Pricing, Visp, 1997
Bützberger Engineering [Informationsschrift, 1998]: Road Pricing Saas Fee:Informationsschrift, Brig, 1998
Bützberger Engineering [Kurzfassung, 1997]: Road Pricing Saas Fee:Kurzfassung, Brig, 1997
Bützberger + Partner [Pflichtenheft, 1997]: Road Pricing Saas Fee: Pflichtenheft,Gampel-Steg, 1997
Bützberger + Partner, [Verkehrskonzept, 1997]: Road Pricing Saas Fee:Verkehrskonzept Saas Fee, Gampel-Steg, 1997
Gemeinde Saas Fee [Verkehrsberuhigung, 1998]: Verkehrsberuhigung:Informationsschrift zur Abstimmung vom 26.April 1998, Saas Fee, 1998
Güller, Peter/Neuenschwander, René/Rapp, Matthias/Maibach, Markus [Schweiz,2000]: Road Pricing in der Schweiz: Akteptanz und Machbarkeit möglicherAnsätze im Spiegel von Umfragen und internationaler Erfahrung, Bericht B 11des NFP „Verkehr und Umwelt“, Bern, 2000
Kirsch, Guy [Ökonomie,1997]: Neue politische Ökonomie, Düsseldorf, 1997
Neuenschwander, René/Suter, Stefan/Walter, Felix/ Sommer, Heini [ExterneKosten, 1992]: Externe Kosten im Agglomerationsverkehr: Fallbeispiel RegionBern, Bericht 15 B des NFP „Stadt und Verkehr“, Zürich, 1992
Sommer, Heini/Neuenschwander, René/Walter, Felix: Externe Nutzen desVerkehrs: Wissenschaftliche Grundlagen, Bericht 39 des NFP „Stadt undVerkehr“, Zürich, 1993
Anhang 1: Projektorganisation41
41 Quelle: Bützberger + Partner, Verkehrskonzept, 1997, S.2.
Anhang 2: Erhebungen und deren Erkenntnisse42
42 Quelle: Gemeinde Saas Fee.
Anhang 3: Störmass
Ist das Störmass grösser als 80%, dann liegt eine kritische Störung vor und dasbedeutet:
UnfallgefahrStress
Imageprägend im negativen SinnUnangenehmes Empfinden durch den Gast
Nun folgen vier Messungen:Bei der Brücke auf der Hauptachse:43
0%10%20%30%40%50%60%70%80%
Störmass
1 3 5 7 9 11
Zeitintervall von 0800-2000 Uhr
Störmass
Störmass
Bei der Kirche auf der Hauptachse:44
0%10%20%30%40%50%60%70%80%
Störmass
1 3 5 7 9 11
Zeitintervall von 0800-2000 Uhr
Störmass
Störmass
43 Eigene Darstellung.44 Eigene Darstellung.
Bei der Panoramabrücke auf der Nebenachse:45
0%10%20%30%40%50%60%70%80%
Störmass
1 3 5 7 9 11
Zeitintervall von 0800-2000 Uhr
Störmass
Störmass
Auf der Nebenachse , nahe der Kirche:46
0%10%20%30%40%50%60%70%80%
Störmass
1 3 5 7 9 11
Zeitintervall von 0800-2000 Uhr
Störmass
Störmass
45 Eigene Darstellung.46 Eigene Darstellung.
Anhang 4: Elektromobilbestand und Frequenz:47
Bestand Elektromobile
3% 4%14%
26%26%
27%Service
Taxi
Liefer
Güter
Ferienwohnungen
Hotel
Elekotromobilfrequenz nach Typ
3% 17%
7%
26%11%
36%
Service
Taxi
Liefer
Güter
Ferienwohnungen
Hotel
47 Eigene Dartsellung.
Frequenz der Elektromobile die während der Hauptzeit mehr als 50
Fahrten machen
5% 16%
34%
45%Ferienwohnungen
Güter
Taxi
Hotel
Frequenz nach Zeit und in %
0%
20%
40%
60%
80%
100%
08:0
0
10:0
0
12:0
0
14:0
0
16:0
0
18:0
0
Ferienwohnumgen
Hotel
Güter
Liefer
Service
Taxi
Anhang 5: Road PricingProjekt 97:48
48Quelle: Gemeinde Saas Fee, Verkehrsberuhigung,1998.
Projekt 98:49
49 Quelle: Gemeinde Saas Fee, Verkehrsberuhigung,1998.
Anhang 6: Einbahnsystem:50
50Quelle: Bützberger Engineering.
Anhang 7: Fahrverbot:51
51 Quelle: Bützberger Engineering.
Anhang 8: Kaskadenverfahren:52
Das Volk stimmte am 26. April mit 57% dem erneuerten „Road Pricing“ zu.
52Quelle: Gemeinde Saas Fee.
Anhang 9: Zeitplan:53
53Quelle: Bützberger + Partner, Pflichtenheft, 1997.