Reserve-Polizeibataillon 101
Täter, Taten und Motive
Von: Magdalena Kozikowski, Elisabeth Lubczyk, Sabrina Schneider
Praxisprojekt „Ganz normale Menschen“ – WS 06/07
Gliederung
I. EinleitungII. Das Reserve-Polizeibataillon 101III. Die VerbrechenIV. Was geschah nach dem Einsatz/ nach 1945?V. VerweigererVI. Was trieb „ganz normale Männer“ zum
Morden?VII. Quellen
I. Einleitung
I. Einleitung
• Polizeibataillon ist bedeutender Teil der Mordinstitution neben SS & Wehrmacht aber Vernichtungslager immer im Fokus
• Schutzpolizei, Bataillone & Gendarmerie• Ständig personelle Umstrukturierung, da
Personalmangel
• Reserve-Polizeibataillon101: am besten dokumentiert, hat besonders brutal gemordet (erste Kompanie) nicht alle Polizeibataillone haben gemordet
II. Das Reserve-Polizeibataillon 101
II. Das Reserve-Polizeibataillon 101
Demographie • Männer mittleren Alters (durchschnittlich 39 Jahre)• Geprägt durch vornationalsozialistische Zeit• Körperlich ungeeignet (zu alt oder ausgemustert)• Viele ohne militärische Vorkenntnisse und Erfahrungen• Hauptsächlich aus Hamburg• Die Meisten aus der Mittelschicht (typische Hamburger
Berufe: Lagerarbeiter, mittlere Angestellte und Beamte)
II. Das Reserve-Polizeibataillon 101
• Berufspolizisten, Reservisten und Rekruten• Vermutlich die Mehrheit verheiratet und hatten Kinder • 33% Mitglieder der NSDAP (Deutscher Durchschnitt) • 4% SS Mitglieder • Sowohl Befürwortet als auch Gegner des NS-Regimes• Willkürlich ausgewählt
• Anmerkung: Polizeidienst war eine gute Möglichkeit sich vor dem Wehrdienst zu drücken (Pazifisten?)
II. Das Reserve-Polizeibataillon 101
Aufbau und Struktur
Stab(500 Mann)
Unter Major Wilhelm Trapp
1.Kompanie(140 Mann)
Hauptmann Wohlauf
2.KompanieOberleutnant Gnade
3.KompanieHauptmann Hoffmann
1.ZugLeutnant Buchmann
2.Zug 3.Zug
Vier Gruppen(à 10 Mann)
II. Das Reserve-Polizeibataillon 101
Ursprüngliche Aufgaben• Verkehrsregelung• Gebäudesicherung• Umsiedlung der Bevölkerung
Ausbildung• Oberflächliche militärische Schulung• Sporadische ideologische Schulung
Mangelhafte Vorbereitung auf anstehende Aufgaben
III. Die Verbrechen
III. Die Verbrechen
Wie ist es geschehen?3.1 Erster Mordeinsatz in Jósefów
3.2 Zweiter Mordeinsatz in Łomazy
3.3 Deportationen nach Treblinka
3.4 Beginn der “Judenjagden”
3.5 Aktion “Erntefest”
III. Die Verbrechen - Jósefów
III. Die Verbrechen
Erster Mordeinsatz in Jósefów (Juni 1942)
• “Papa” Trapp erhielt Einsatzbefehl kurzfristig von SS- & Polizeiführer Globocnik
• 24 Stunden vor Einsatz Besprechung mit Offizieren• Einschwören der Männer • Einsatz nicht in seinem Sinne Angebot sich zu weigern
ohne Bestrafung (von 10-12 Mann angenommen)• Ausgabe von Peitschen am Abend zuvor• Räumung des Ghettos in 2-3 Mann Trupps • Erschießung aller an Ort und Stelle die nicht zum
Sammelplatz gehen konnten (Alte, Kranke, Frauen & Kinder)
• 400 arbeitsfähige Männer aussortiert Arbeitslager
III. Die Verbrechen
• Rest in den Wäldern durch systematische Hinrichtung getötet (1500 Opfer) persönliche Art zu töten (Schütze & Opfer allein) Opfer erhielten auf dem Boden liegend Genickschuss
• Leichen einfach zurückgelassen • Leutnant Heinz Buchmanns Weigerung• Nach dem Einsatz Schock, Appetitlosigkeit,
Übergeben, hoher Alkoholgenuss, Depression, VersetztungsgesucheVeränderungen: - nur noch Räumung & Deportation
- Exekutionen durch „Trawniki“
III. Die Verbrechen - Łomazy
III. Die Verbrechen
Zweiter Mordeinsatz in Łomazy
• 17.08.1942 “säuberte” zweite Kompanie alleine das Dorf(3000 Einwohner) von ca. 1700 Juden
• Vorgehen wie in Jósefów, doch Exekution sollte durch “Hiwis” erfolgen
• Ca. 60 Juden hoben im Wald eine Grube aus• „Wodka-Frühstück“ der Hiwis• Todesmarsch der Juden in den Wald• Vor Grube Entkleidung und Abnahme der Wertsachen
III. Die Verbrechen
• Spießrutenlauf (quälen & foltern vor Exekution)• Juden mussten sich mit dem Gesicht nach unten in die
Grube legen und erhielten Genickschuss durch Hiwis Ablösung auf Grund von extremer Trunkenheit
• 20 zunächst Verschonte schütteten Grube zu, wurden dann erschossen
• Weiterentwickelte Methode: unpersönliches Fließbandverfahren (psychisch wenigerbelastend)
III. Die Verbrechen - Treblinka
III. Die Verbrechen
Deportationen nach Treblinka
• 19. August 1942: Ghetto Parczew (5000 Tote)• 25./ 26. August: „Durchgangsghetto“ Miedzyrec (11000
Tote + 960 Erschossene) • Juden wurden aus den Wohnungen getrieben, an den
Marktplätzen gesammelt und zum Bahnhof eskortiert (schwache, kranke, Flüchtlinge direkt erschossen)
• Brutale und gewaltvolle Beladung von ca. 60 Waggons mit je 120-140 Juden (Einsatz von Peitschen, Waffen)
III. Die Verbrechen
Die „Judenjagden“ (Oktober 1942)
• Aufspür- & Vernichtungsaktionen im Feld (freiwillig)• Durch „Waldläufer“ Informationen über Verstecke• Kleine Gruppe bewegt sich völlig autonom
(Entscheidungsfreiheit)• Deutschland sollte von „störenden Tieren“ gesäubert
werden • „Jagd“ hat positiven Gefühlswert = ein vergnügliches,
aufregendes Unterfangen, das gefahrlos für Jäger ist
III. Die Verbrechen
Aktion „Erntefest“
• 3./4. November 1943• Gilt als Höhepunkt der Vernichtung des Judentums• Um Ziel „judenfreies Polen“ zu erreichen Vernichtung
der Arbeitsjuden• Herbst 1943 Schließung der ersten Arbeitsghettos• Juden leisteten vermehrt Widerstand
(Taktik „Rettung durch Arbeit“ scheiterte) Arbeitslager mussten auf einen Schlag geschlossen werden
• Juden mussten zick-zack-förmige Gräben ausheben• Waffen-SS-Verbände, Sicherheitspolizei, Polizeiregiment
22 und 25 (incl. Bataillon 101) beteiligt
III. Die Verbrechen
• Ghettoräumung Entkleidung systematische Erschießung in den Gräben (mussten sich nackt auf Leichen legen und wurden mit Maschinenpistolen erschossen, kein Gnadenschuss)
• Räumung der Massengräber durch Juden (Ausgrabungen und Verbrennung der Leichen)
Distrikt Lublin war „judenfrei“
III. Die Verbrechen
Bilanz der getöteten Juden
38.000 durch direkte Exekution
+ 45.000 durch Deportationen
= 83.000 Opfer
Ein Mann tötete
durchschnittlich
166 Juden !!!
III. Die Verbrechen
Erinnerungsfotos
• Polizisten machen gerne Schnappschüsse bei Einsätzen• Bilder zeigen freudige Gesichter der Polizisten beim
Morden und Foltern von Juden• Teilweise bewusstes Posieren für Fotos
Anzeichen für Stolz auf Taten• Trotz Verbotes wurden Bildermappen öffentlich
ausgelegt und zur Nachbestellung angeboten
keinerlei Scham oder Reue für Verbrechen
IV. Verhalten nach dem Einsatz / nach 1945
IV. Verhalten nach dem Einsatz / nach 1945
• gerieten in russische Kriegsgefangenschaft• Trapp, Buchmann und zwei Weitere Prozess in Polen
Endet mit Hinrichtung Trapps und eines weiteren Polizisten
• Die Meisten schlugen sich nach Deutschland durch• Männer kehrten größtenteils in ihre alten Berufe zurück
Polizeiberuf!• Lediglich 14 Männern wurde in Hamburg 20 Jahre später
der Prozess gemacht (nach altem Strafrecht 1940!) 5 Verurteilungen: 5-8 Jahre Haft, nochmals Strafminderung
IV. Verhalten nach dem Einsatz / nach 1945
• Die meisten Aussagen der Beteiligten sind nur mit Vorsicht zu genießen
• Nachweislich viel Schweigen• Lügen um sich selbst und Kollegen nicht zu
belasten• Vergessen durch Menge der Ereignisse
und zeitlicher Distanz zum Prozess• Beschönigung, Runterspielen der Ereignisse• Abwälzung der Schuld auf Polen und „Befehl
von Oben“
V. Verweigerer
V. Verweigerer
• Jósefów: Trapp gab öffentlich Möglichkeit zur Weigerung; lediglich 12 Männer machten davon Gebrauch
• Paradebeispiel Leutnant Buchmann• Ablösungen nach mehreren Erschießungen• Ließen sich für Absperrungs-, Transport- oder
Bewachungseinheiten einteilen• Hielten sich bewusst von Hauptmännern fern• Verdrückten sich „unbemerkt“ in die Wälder/ Umgebung• Einige Versetzungsgesuche wurden gestellt und wurden
bewilligt
V. Verweigerer
• In unbeobachteten Momenten absichtlich daneben oder gar nicht geschossen
lediglich10-20% waren keine Massenmörder
V. Verweigerer
Motive und Beweggründe• Lediglich Buchmann gab ethische Gründe an
(gute Kontakte mit jüdischen Geschäftsleuten)
Karriere innerhalb des Bataillons war egal• Ekel vor dem eigenem Handeln bzw. vor den
physischen Bildern der Leichen
Verhalten wurde offiziell nicht sanktioniert
V. Verweigerer
Sanktionen durch „Kollegen“
• Isolation• Beschimpfungen• Fallen des Ansehens
VI. Was trieb „ganz normale Männer“ zum Morden?
VI. Was trieb „ganz normale Männer“ zum Morden?
Ansätze:5.1 Individuelle Ebene
5.2 Gruppen Ebene
5.3 Institutionelle Ebene
5.4 Situative Ebene
VI. Was trieb „ganz normale Männer“ zum Morden?
5.1 Individuelle Ebene• Karrierebestreben (zur Sicherung der beruflichen Zukunft)• Angst vor Isolation (Folge: Anpassung)• Autoritätshörigkeit (gesellschaftliche Erziehung, Autorität mit Respekt zu
begegnen)• Rassismus (geprägt durch propagierende Rassenklischees)
VI. Was trieb „ganz normale Männer“ zum Morden?
5.2 Gruppen Ebene• Gruppendynamik • Anpassungsdruck
(kameradschaftliches Verhältnis als Druckmittel)
= alles Bindungsfaktoren
VI. Was trieb „ganz normale Männer“ zum Morden?
5.3 Institutionelle Ebene• Ideologische Indoktrinierung „Gehirnwäsche“
(„Entmenschlichung“ des Feindes als Kampftaktik)
» jedoch unzureichende Erklärung• Hierarchie
(tief verwurzelte Verhaltesnstendenzen + Sozialisation verstärken Hierarchieunterwerfung)
• Arbeitsteiliges Vorgehen
(als Mittel zur Entpersönlichung)
VI. Was trieb „ganz normale Männer“ zum Morden?
5.4 Situative Ebene• Systematische Umsetzung der Regimepolitik
Männer als Handlanger • Brutalisierung in Kriegszeiten?
Krieg als besonderer Rahmen (Verstärkung durch
Rassenkrieg)• polarisierte Welt im Kriegskontext („wir“ „Feind“)• „Routine“/ Gewöhnung• Siehe Zimbardo & Milgram
VII. Quellen
Browning, C.R.: Ganz normale Männer. Das Reserve-Polizeibataillon 101 und die „Endlösung“ in Polen, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2005
Goldhagen, D.: Hitlers willige Vollstrecker. Ganz gewöhnliche Deutsche und der Holocaust, Siedler Verlag, Berlin 1996