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Psychologie des Arbeitsmarktes und der Arbeitslosigkeit
Vorlesung Wirtschaftspsychologie Iim WiSe 2006/07
Veranstaltung am 30.01.07
Prof. Dr. Stefan Schulz-HardtGEM-Institut für PsychologieWirtschafts- und Sozialpsychologie
Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit
Überblick
1. Arbeitsmärkte: Lohnniveau und Beschäftigung
2. Unternehmertum
3. Arbeitslosigkeit
Teilweise basierend auf Folien der Vorlesung „Arbeits- und Organisations-psychologie“ von Prof. Dr. Guido Hertel an der Universität Würzburg
Als Literaturgrundlage empfohlen:
Kirchler, E. M. (2003). Wirtschaftspsychologie (3., unveränd. Aufl.). Göttingen: Hogrefe (hieraus Kapitel 7).
Schuler, H. (Hrsg.) (2004). Lehrbuch Organisationspsychologie (3., vollst. überarb. und erw. Aufl.). Bern: Huber (hieraus Kapitel 6.1, 6.2 und 6.5).
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Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit
1. Arbeitsmärkte: Lohnniveau und Beschäftigung
Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit
1.1 Angebot, Nachfrage, Lohnniveau und Beschäftigun g
Ökonomie: Auf Märkten mit vollständiger Konkurrenz sinkt die Nachfrage nach Arbeitskräften bei steigenden Lohnkosten und steigt bei erhöhter Güternachfrage (T‘)
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Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit
1.1 Angebot, Nachfrage, Lohnniveau und Beschäftigun g
Das Arbeitsangebot der Arbeitnehmer steigt mit steigendem Lohn. Das Lohnniveau ergibt sich aus dem Schnittpunkt der beiden Kurven.
Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit
� Vollbeschäftigung: Alle Arbeitskräfte, die zu einem bestimmten Lohnsatz arbeiten wollen, finden eine Beschäftigung.
� Entspricht der Lohnsatz am Markt dem Gleichgewichtslohn, so herrscht Vollbeschäftigung.
� Liegt der Lohnsatz über dem Gleichgewichtslohn, so herrscht unfreiwillige Arbeitslosigkeit.
1.1 Angebot, Nachfrage, Lohnniveau und Beschäftigun g
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Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit
1.2 Experimentelle Ökonomie und Arbeitsmärkte
Marktexperiment zum Arbeitsmarkt nach Davis und Hol t (1993):
� 7 Arbeitgeber, 10 Arbeitnehmer, 10 Runden, orale Doppelauktion
� Arbeitnehmerkosten pro Runde 80$ bis 170$
� Ausgangsgelder für Arbeitgeber pro Runde 90$ bis 150$
Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit
1.2 Experimentelle Ökonomie und Arbeitsmärkte
Verteilung der Arbeitnehmerkosten und Arbeitgebergelder:
170$S10
160$S9
150$S8
140$S7150$B7
130$S6140$B6
120$S5130$B5
110§S4120$B4
100$S3110$B3
90$S2100$B2
80$S190$B1
KostenArbeitnehmerAusgangsgeldArbeitgeber
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Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit
1.2 Experimentelle Ökonomie und Arbeitsmärkte
Erwartetes Marktgleichgewicht:
Wird empirisch im Normalfall nach wenigen Runden erreicht
Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit
1.2 Experimentelle Ökonomie und Arbeitsmärkte
Marktgleichgewicht als volkswirtschaftliches Optimu m:
� Gesamtgewinn pro Partei bei Gleichgewichtslohn (115$): 80$
� Gesamtgewinn pro Partei bei maximaler Anzahl von Arbeitsverträgen: 35$
� Wichtig ist bei obiger Lösung die gerechte Verteilung des Gewinns
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Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit
1.3 Reziprozität und Fairness
Konkurrierende Vorhersagen für den Einfluss von Reziprozität auf die Lohnfindung:
� Großzügigere Lohnangebote werden mit mehr Leistung beantwortet, die wiederum den Gewinn des Unternehmers steigern. Daher werden Löhne über dem Gleichgewichts-niveau gezahlt.
� Im letzten Durchgang ist geringe Leistung für die Arbeitnehmer rational. Die Arbeitgeber antizipieren dies und bieten daher im letzten Durchgang nur den Gleichgewichtslohn an. Per Rückwärts-Induktion ergibt sich, dass daher bereits im ersten Durchgang nur der Gleichgewichtslohn gezahlt wird.
Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit
Ergebnisse eines Marktexperiments mit verschiedenen Reziprozitäts-bedingungen (Kirchler, Fehr & Evans, 1996); Ausgangsgeld Arbeitgeber 120 Einheiten; Kosten Arbeitnehmer 20 Einheiten
1.3 Reziprozität und Fairness
⇒ Stabil höheres Lohnniveau bei Reziprozität; rLohn, Leistung = .54
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Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit
2. Unternehmertum
Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit
2.1 Definitionsversuche
� Ein(e) Unternehmer(in) ist eine Person, die selbstständig und eigenverantwortlich ein Unternehmen leitet und hierüber zu umfassenden Entscheidungen befugt ist.
� Selbstständiger Unternehmer: Inhaber des von ihm geleiteten Unternehmens mit Verfügungsgewalt über den erwirtschafteten Gewinn; trägt das Risiko
� Manager: Unternehmerische Persönlichkeit, die meist keinen rechtlichen Anteil am Unternehmenskapital hat, jedoch weitgehende Verfügungsgewalt und Entscheidungsbefugnis besitzt.
(Meyers Großes Taschenlexikon in 24 Bänden, 1987)
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Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit
2.2 Persönlichkeitsmerkmale von Unternehmern
Studie von Brandstätter (1988):
Weiterer Befund:
Markanter Über-optimismus bei Unternehmens-neugründern(Cooper, Woo & Dunkelberg, 1988)
Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit
2.3 Unternehmertypen
Lagan-Fox und Roth (1995) unterscheiden in:
� Managerial entrepreneurs: Führungspersonen, Macht-und Einflussstreben, internale Kontrollüberzeugung, gezielte Karriereplanung, geringes soziales Vertrauen
� Need achiever entrepreneurs: Hoch leistungsorientierte Unternehmer, hohes Vertrauen, wenig Macht- und Einflussstreben
� Pragmatist entrepreneurs: Unternehmer mit durchweg mittleren Ausprägungen auf obigen Dimensionen
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Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit
2.4 Unternehmermerkmale und Unternehmenserfolg
Ausprägung der drei McClelland-Motive bei Unternehmensleitern in Abhängigkeit vom Unternehmenserfolg (Wainer & Rubin, 1971)
Ähnliche Ergebnisse bei Koch (1974)
Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit
2.4 Unternehmermerkmale und Unternehmenserfolg
Weitere Befunde:
� Erfolgreiche Unternehmer weisen stärkere internaleKontrollüberzeugungen auf.
� Erfolgreiche Unternehmer sind in kritischen Situationen stärker handlungsorientiert und in Erfolgssituationen stärker lageorientiert als andere.
Zu klären:
� Lässt sich erfolgreiches Unternehmertum durch gezielte Vermittlung von Kontrollüberzeugungen etc. forcieren?
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Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit
3. Arbeitslosigkeit
Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit
3.1 Grundlagen
Definition von Erwerbslosigkeit:
� Nichterwerbstätigkeit,
� Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt (kranke Menschen stehen dem Arbeitsmarkt bspw. nicht zur Verfügung),
� Suche nach Erwerbsarbeit
(Paul, Zempel & Moser, in Druck)
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Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit
In Zahlen: 4.443.381
Erwerbslosen-statistik
(April 2004)
3.1 Grundlagen
Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit
� Erwerb von Spezialwissen
� Trainings
� Gute Entw.-möglichkeiten
� Anerkennung über Gehalt und
soziale Prozesse
� Hohe Kooperation und
Kontakte sind möglich
� Klare formale Zeitstruktur
� Formale Qualifikation notw.
�Weiterqualifikation möglich
� Sichert Auskommen
� Kündigung möglich
Erwerbstätigkeit
� Fehlende Grundlage für
berufliches Selbstkonzept und
Persönlichkeitsentwicklung
Persönliche
Identität
� Fehlende soziale Anerkennung
� AL sind "faul und nutzlos"Soziale
Anerkennung
� Isolation; fehlende Kontakte
außerhalb der FamilieKooperation &
soziale Kontakte
� Fehlende ZeitstrukturierungZeitstrukturierung
� Fehlendes Gefühl von
HandlungskompetenzAktivität &
Handeln
� Auskommen unsicherExistenzsicherung
Erwerbslosigkeit
3.1 Grundlagen
(nach Jahoda, 1983)
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Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit
3.2 Folgen von Erwerbslosigkeit
(u.a. Marienthal Studie von Jahoda, Lazarsfeld & Zeisel, 1933)
� Verlust des Einkommens
� Vermindertes psychisches Wohlbefinden
� Psychosomatische Symptome
� Vermindertes Selbstwertgefühl
� Externale Kontrollüberzeugungen
� Soziale Isolation
� Zunahme familiärer Konflikte
� Stigmatisierung
Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit
Metaanalyse von Murphy und Athanasou (1999):
o 16 Längsschnittstudien (6 - 36 Monate)
o Maße psychischer Gesundheit (General Health Questionnaire) bzw. Depressivität als zentrales Kriterium
o Durchschnittliche Effektstärke von Arbeitslosigkeit: d = .54 (N = 1509)
o Durchschnittliche Effektstärke von Wiedereinstieg in eine Erwerbstätigkeit: d = .36 (N = 616)
3.2 Folgen von Erwerbslosigkeit
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Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit
3.2 Folgen von Erwerbslosigkeit
Psychische
BelastungErwerbslosigkeit
beeinträchtigt
psych. Gesundheit
"Social-Causation"
steigert das Risiko von EL
"Selektions"- Hypothese
Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit
3.2 Folgen von Erwerbslosigkeit
Moderatoreffekte:
• Geschlecht: Männer zeigen höhere neg. Beanspruchung durch EL (bzw. höhere
positive Effekte durch Erwerbstätigkeit)
• Sozioökonomischer Status: Menschen mit geringerer Schulbildung leiden stärker
unter EL
• Dauer: Langzeitarbeitslose zeigen deutlich schlechteres Befinden
• Soziale Unterstützung: Starke Effekte von EL besonders bei niedriger sozialer
Unterstützung
• Employment Commitment: Bei großer innerer Bindung an Erwerbstätigkeit sind
die Effekte von EL stärker
• Persönlichkeitsfaktoren: Hohe emotionale Stabilität, hohes Selbstwertgefühl, und
Extraversion wirken verringern die negativen Wirkungen von EL
• Alter: Kein gesicherter Effekt
(nach Paul, Zempel & Moser, in Druck)
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Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit
3.3 Einflussfaktoren auf Wiedereinstellung
Wiedereinstellung gut durch Intensität der Jobsuche vorhersagbar, die wiederum gefördert wird durch:
� Finanzielle Härte der Arbeitslosigkeit
� Employment Commitment
� Erfolgserwartungen und Self-efficacy
� Selbstkontrollstrategien
� „Satisficing“ statt „Optimizing“
� Soziale Unterstützung und sozialer Druck
Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit
3.4 Psychologische Interventionen• Qualifizierung und Training:
- Umschulung, Weiterqualifikation
- Stärkung von Kontrollerleben, Self-efficacy, soziale Skills, Selbstmanagement, etc.
• Verbesserung der Akzeptanz von Arbeitslosen bei Arbeitgebern:
- Probezeiten, befristete Arbeitsverträge
- Zeitarbeit
• Förderung von beruflicher Selbstständigkeit (ergänzend ist auch an Förderung
ehrenamtlicher Tätigkeit zu denken)
• Outplacement:
- Beratung und Coaching von Einzelpersonen oder Gruppen die von
Personalabbau betroffen sind
• Abmilderung der negativen Effekte auf die psychische Gesundheit:
- Verhaltenstherapeutische Programme zu Erlernung konstruktiver Gedanken
- Entstigmatisierung von Erwerbslosigkeit
(nach Paul, Zempel & Moser, in Druck)
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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!