Mehrkindfamilien in Deutschland
Dossier
Ansprechpartner Prognos AG:Dr. David JunckeMelanie Henkel
Berlin, Dezember 2013
Mehrkindfamilien in Deutschland
Dossier
Inhalt
I. Einführung ............................................................................................................................................................... 11
II. Mehrkindfamilien in Deutschland und Europa .................................................................................... 13 2.1 Wie viele Familien mit drei und mehr Kindern gibt es? ........................................................... 13 2.2 Wie hat sich der Anteil der Mehrkindfamilien verändert? ...................................................... 16 2.3 Wer sind die Mehrkindfamilien? .......................................................................................................... 18
III. Lebenssituation von Mehrkindfamilien .................................................................................................... 25 3.1 Erwerbssituation ........................................................................................................................................... 25 3.1.1 Erwerbsbeteiligung von Müttern ............................................................................................. 25 3.1.2 Entwicklung der Erwerbsbeteiligung von Müttern ........................................................ 29 3.1.3 Erwerbsumfang von Müttern ..................................................................................................... 31 3.1.4 Erwerbstätigkeit von Vätern ....................................................................................................... 35 3.1.5 Erwerbskonstellationen in Paarfamilien .............................................................................. 36 3.1.6 Erwerbswünsche und Einstellungen zur Erwerbstätigkeit ......................................... 39
3.2 Einkommenssituation ................................................................................................................................ 44 3.2.1 Verfügbares Einkommen der Familien ................................................................................. 44 3.2.2 Armutsrisiko ....................................................................................................................................... 47 3.2.3 Transferbezug ..................................................................................................................................... 49 3.2.4 Subjektive Wahrnehmung der wirtschaftlichen Situation ......................................... 50 3.2.5 Belastung durch Ausgaben .......................................................................................................... 51 3.3 Wohnsituation ................................................................................................................................................ 53 3.4 Familienleben ................................................................................................................................................. 57 3.4.1 Zeitverwendung ................................................................................................................................. 57 3.4.2 Einstellungen zur familiären Arbeitsteilung ..................................................................... 59 3.4.3 Zufriedenheit mit der Zeitwahrnehmung ........................................................................... 60 3.4.4 Zusammenleben mit Eltern und Geschwistern ................................................................ 62
3.4.5 Einstellungen zur Förderung der Kinder .............................................................................. 65 3.5 Mehrkindfamilien in verschiedenen wirtschaftlichen
Situationen: Vorschlag für eine Typologie ....................................................................................... 66
IV. Mehrkindfamilien in der Familienpolitik ................................................................................................ 71 4.1 Welche Leistungen für Mehrkindfamilien gibt es in Deutschland? ................................... 71 4.2 Wie bewerten Mehrkindfamilien die familienbezogenen Leistungen
in Deutschland? ............................................................................................................................................. 73 4.2.1 Nutzung und Bewertung der Leistungen ............................................................................. 73 4.2.2 Bedeutung des Wohngelds für Mehrkindfamilien ......................................................... 75 4.2.3 Bedeutung des Bildungs- und Teilhabepakets .................................................................. 77 4.2.4 Bedeutung des Kindergeldes für Mehrkindfamilien ...................................................... 78 4.3 Kinderbetreuung ........................................................................................................................................... 79 4.4 Ansatzpunkte für eine Mehrkindfamilienpolitik ........................................................................ 85 4.4.1 Ansatzpunkte aus dem europäischen Vergleich ............................................................... 85 4.4.2 Ansatzpunkte aus Ländern und Kommunen ..................................................................... 86 4.4.3 Exkurs: Angebote der Wohlfahrtsverbände für Mehrkindfamilien ...................... 88
V. Zusammenfassung der Ergebnisse ............................................................................................................... 90
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 2-1: Anteil und Zahl der Familien nach Zahl der minderjährigen Kinder, 2011, in Prozent ........................................................................................................................... 13
Abbildung 2-2: Anteil der Familien nach Zahl der minderjährigen Kinder, früheres Bundesgebiet und neue Länder, 2011, in Prozent ...................................................... 14
Abbildung 2-3: Anteil der Familien mit drei und mehr Kindern im europäischen Vergleich, 2010, in Prozent ...................................................................................................... 15
Abbildung 2-4: Familien nach Anzahl der minderjährigen Kinder, 1975–2011, in Prozent ..... 16Abbildung 2-5: Mütter nach Jahrgang und Zahl der leiblichen Kinder, im Jahr 2008,
in Prozent ........................................................................................................................................ 17Abbildung 2-6: Frauen nach Jahrgang und Zahl der leiblichen Kinder, im Jahr 2008,
in Prozent ........................................................................................................................................ 17Abbildung 2-7: Familien nach Zahl der Kinder und Lebensform, 2011, in Prozent ................... 18Abbildung 2-8: Durchschnittliches Alter der Mütter bei der ersten Geburt nach
Gesamtzahl ihrer Kinder und beruflichem Bildungsabschluss, Mütterjahr-gänge 1959 bis 1968 (im Alter zwischen 40 und 49 Jahren im Jahr 2008) ....... 19
Abbildung 2-9: Familien nach Zahl der Kinder und Alter des jüngsten Kindes, 2011, in Prozent ........................................................................................................................................ 20
Abbildung 2-10: Familien nach Zahl der Kinder und Migrationshintergrund, 2011, in Prozent ........................................................................................................................................ 21
Abbildung 2-11: Mütter mit jüngstem Kind unter 15 Jahren nach Zahl der minderjährigen Kinder und Bildungs abschluss, 2011, in Prozent ........................................................ 22
Abbildung 2-12: Väter mit jüngstem Kind unter 15 Jahren nach Zahl der minderjährigen Kinder und Bildungs abschluss, 2011, in Prozent ........................................................ 22
Abbildung 2-13: Familien nach höchstem Bildungsabschluss eines Erwachsenen und Zahl der minderjährigen Kinder, 2011, in Prozent ................................................................ 23
Abbildung 3-1: Wie zufrieden Eltern insgesamt mit ihrem Leben sind, nach Kinderzahl, 2010, in Prozent ........................................................................................................................... 25
Abbildung 3-2: Erwerbstätigenquoten (ausgeübte Erwerbstätigkeit) von Müttern mit jüngs-tem Kind unter 15 Jahren nach Zahl der minderjährigen Kinder, 2011 .......... 26
Abbildung 3-3: Erwerbstätigenquoten (ausgeübte Erwerbstätigkeit) von Müttern nach Zahl der minderjährigen Kinder und Alter des jüngsten Kindes, 2011 ........... 27
Abbildung 3-4: Dauer der familienbedingten Erwerbsunterbrechung von Frauen, differenziert nach Kinderzahl ............................................................................................. 28
Abbildung 3-5: Müttererwerbstätigkeit nach Kinderzahl im europäischen Vergleich, 2010 ... 29Abbildung 3-6: Entwicklung der Erwerbstätigenquoten (ausgeübte Erwerbstätigkeit)
von Müttern mit jüngstem Kind unter 15 Jahren nach Zahl der minder-jährigen Kinder, 2007–2011 .................................................................................................... 30
Abbildung 3-7: Entwicklung der Erwerbstätigenquoten (ausgeübte Erwerbstätigkeit) von Müttern mit Kindern unter drei Jahren, nach Zahl der minderjährigen Kinder, 2007–2011 ........................................................................................................................ 30
Abbildung 3-8: Entwicklung der Erwerbstätigenquoten (ausgeübte Erwerbstätigkeit) von Müttern, nach Zahl der minderjährigen Kinder, 2007 und 2011 ............... 31
Abbildung 3-9: Arbeitszeitmuster von erwerbstätigen Müttern mit jüngstem Kind unter 15 Jahren nach Zahl der minderjährigen Kinder, 2011 ............................... 32
Abbildung 3-10: Erwerbstätige Mütter (ausgeübte Erwerbstätigkeit) mit jüngstem Kind unter 15 Jahren nach Arbeitszeitmuster nach Zahl der minderjährigen Kinder, 2011 .................................................................................................................................... 32
Abbildung 3-11: Erwerbstätige Mütter (ausgeübte Erwerbstätigkeit) nach Arbeitszeitmuster nach Zahl der minderjährigen Kinder und Alter des jüngsten Kindes, 2011 ... 33
Abbildung 3-12: Anteil der Teilzeitbeschäftigten an allen erwerbstätigen Müttern nach Anzahl der Kinder im europäischen Vergleich, 2010, in Prozent ....................... 34
Abbildung 3-13: Anteil der erwerbstätigen Mütter mit drei und mehr Kindern (vertikale Achse) sowie Anteil der Teilzeitbeschäftigten an allen erwerbs- tätigen Müttern (horizontale Achse), 2010, in Prozent ............................................. 34
Abbildung 3-14: Erwerbstätigenquoten (ausgeübte Erwerbstätigkeit) von Vätern mit jüngstem Kind unter 15 Jahren nach Zahl der minderjährigen Kinder, 2011 ................... 35
Abbildung 3-15: Beendete Elterngeldbezüge für im Jahr 2011 geborene Kinder, nach Bezugs-dauer durch die Väter und Zahl der im Haushalt lebenden Kinder................... 36
Abbildung 3-16: Erwerbskonstellationen von Paaren mit jüngstem Kind unter 15 Jahren nach Zahl der minder jährigen Kinder, 2011.................................................................. 37
Abbildung 3-17: Anteil der Paare, in denen beide Elternteile erwerbstätig sind, nach Alter des jüngsten Kindes und nach Zahl der minderjährigen Kinder, 2011 ............ 38
Abbildung 3-18: Erwerbskonstellationen von Paaren mit jüngstem Kind unter 15 Jahren, nach Migrations hintergrund, 2011 .................................................................................... 39
Abbildung 3-19: Zentrale Gründe, warum nicht erwerbstätige Mütter derzeit nicht arbeiten, nach Anzahl der Kinder, 2011, in Prozent ..................................................................... 40
Abbildung 3-20: Weniger wichtige Gründe, warum nicht erwerbstätige Mütter derzeit nicht arbeiten, nach Anzahl der Kinder, 2011, in Prozent ................................................. 41
Abbildung 3-21: Anteil der derzeit nicht erwerbstätigen Mütter, die gerne wieder berufstätig wären, nach Anzahl der Kinder, 2011 ..................................................... 42
Abbildung 3-22: Anteil der Mütter, denen der Beruf sehr viel bedeutet, nach Anzahl der Kinder, 2011, in Prozent ........................................................................................................... 43
Abbildung 3-23: Verteilung nach monatlichen Haushaltsnettoeinkommen nach Zahl der
minderjährigen Kinder, 2011, in Euro .............................................................................. 44Abbildung 3-24: Median des äquivalenzgewichteten monatlichen Haushaltsnetto-
einkommens nach Familientyp, 2010, in Euro ............................................................ 45Abbildung 3-25: Überwiegender Lebensunterhalt der Bezugsperson der Familien,
nach Anzahl der minder jährigen Kinder, 2011 ............................................................ 46Abbildung 3-26: Armutsrisikoquote nach Familientyp, 2010, in Prozent ......................................... 47Abbildung 3-27: Armutsrisikoquote nach Familientyp, im europäischen Vergleich, 2010,
in Prozent ........................................................................................................................................ 48Abbildung 3-28: Anteil der Familien, die SGB-II-Leistungen beziehen, nach Familientyp,
2010 ..................................................................................................................................................... 49Abbildung 3-29: Anteil der Familien, die Wohngeld beziehen, nach Familientyp, 2010 .......... 50Abbildung 3-30: Wie Familien ihre eigene wirtschaftliche Lage beurteilen, nach Zahl der
Kinder, 2010, in Prozent ........................................................................................................... 51Abbildung 3-31: Anteil der Familien, die sich durch verschiedene Ausgaben sehr belastet
fühlen, nach Zahl der Kinder, 2010, in Prozent .......................................................... 52Abbildung 3-32: Anteil der Wohneigentümer nach Kinderzahl und Durchschnitt aller
Haushalte mit Kindern, 2010, in Prozent ........................................................................ 53
Abbildung 3-33: Einschätzungen zur Wohnungsgröße, Mehrkindfamilien im Vergleich zum Durchschnitt der Familien mit minderjährigen Kindern, 2010 .............. 54
Abbildung 3-34: Quadratmeter pro Kopf, Mehrkindfamilien im Vergleich zum Durchschnitt der Familien mit minderjährigen Kindern, 2010 ......................... 55
Abbildung 3-35: Einstellungen zur Familien- und Hausarbeit, Mütter und Väter, nach Anzahl der Kinder, 2010, in Prozent .................................................................................. 60
Abbildung 3-36: Einstellungen zur Zeit, Mütter und Väter, nach Anzahl der Kinder, 2011, in Prozent ........................................................................................................................................ 61
Abbildung 3-37: Einstellungen zum Zusammenleben, Eltern nach Anzahl der Kinder, 2010/2011, in Prozent ................................................................................................................ 63
Abbildung 3-38: Einstellungen zur Förderung der Kinder, Eltern, nach Anzahl der Kinder, 2011, in Prozent ............................................................................................................................ 65
Abbildung 3-39: Typen von Mehrkindfamilien ............................................................................................... 69Abbildung 4-1: Anteil der Familien, die verschiedene Familienleistungen nutzen,
nach Anzahl der Kinder, 2010 .............................................................................................. 74Abbildung 4-2: Haushalte, die Wohngeld beziehen, nach Anzahl der Kinder, 2010 ................. 76Abbildung 4-3: Anteil der Familien an allen Haushalten mit Wohngeld, nach Anzahl
der Kinder, 2005 und 2010 im Vergleich .......................................................................... 76Abbildung 4-4: Durchschnittliche Wohnkostenbelastung vor und nach Wohngeld,
nach Anzahl der Kinder, 2010 .............................................................................................. 77Abbildung 4-5: Wofür Familien das Kindergeld verwenden, nach Anzahl der Kinder,
2010 ..................................................................................................................................................... 78Abbildung 4-6: Gründe gegen die Nutzung von Kinderbetreuungseinrichtungen,
nach Anzahl der Kinder, 2010 .............................................................................................. 81Abbildung 4-7: Gründe für die Nutzung von Kinderbetreuungseinrichtungen,
nach Anzahl der Kinder, 2010 .............................................................................................. 83
Tabellenverzeichnis
Tabelle 3-1: Durchschnittliche Zeit für Kinderbetreuung, Mütter nach Anzahl der Kinder, 2011, in Stunden ................................................................................................................................... 58
Tabelle 3-2: Durchschnittliche Zeit für Hausarbeit, Mütter nach Anzahl der Kinder, 2011, in Stunden................................................................................................................................................ 58
Tabelle 3-3: Durchschnittliche Zeit für Kinderbetreuung, Väter nach Anzahl der Kinder, 2011, in Stunden ................................................................................................................................... 59
Tabelle 3-4: Durchschnittliche Zeit für Hausarbeit, Väter nach Anzahl der Kinder, 2011, in Stunden................................................................................................................................................ 59
Tabelle 3-5: Typen von Mehrkindfamilien und ihre Merkmale ............................................................ 70Tabelle 4-1: Abhängigkeit zentraler familienpolitischer Leistungen von der Zahl der
Kinder in der Familie ......................................................................................................................... 72Tabelle 4-2: Anteil der Kinder, die Betreuungsangebote nutzen, nach Alter des Kindes
und Zahl der Kinder im Haushalt, 2011.................................................................................... 79
I.Einführung
Wer an Familie denkt, hat in der Regel Mutter, Vater und ein bis zwei Kinder vor Augen. Dass in einer Familie drei oder mehr Kinder aufwachsen, ist nur selten im Blick. Dabei zählt in Deutschland immerhin jede neunte Familie mit minderjährigen Kindern zu den „Mehrkind-familien“. Das bedeutet, in knapp 900.000 Familien übernehmen Eltern die Verantwortung für drei oder mehr minderjährige Kinder.
Eltern zu sein ist diesen Müttern und Vätern besonders wichtig: Häufiger noch als Eltern mit weniger Kindern nehmen Eltern aus Mehrkindfamilien ihr Leben durch ihre Kinder als besonders erfüllt wahr. Eltern aus Mehrkindfamilien sagen auch öfter, ihr Leben ist durch ihre Kinder voller Überraschungen. Allerdings haben sie auch häufiger den Eindruck, dass das Leben mit Kindern mit hohen Ausgaben und besonderen zeitlichen Anforderungen verbun-den ist. Das bedeutet ebenso, als Eltern manchmal eigene Wünsche zurückzustellen.1 Zugleich legen diese Eltern häufig viel Wert darauf, dass sich vor allem die älteren Geschwister an der Hausarbeit und der Betreuung jüngerer Geschwister beteiligen. Für Kinder bedeutet das Leben mit vielen Geschwistern damit die Möglichkeit, frühzeitig selbstständig zu werden, Verant-wortung zu übernehmen und eine eigene Persönlichkeit zu entwickeln.2
Wie sieht das Zusammenleben in Mehrkindfamilien aus? Welchen Herausforderungen begeg-nen sie im Alltag? Was unterscheidet sie von kleineren Familien? Zu diesen Fragen liegen
bislang kaum wissenschaftliche Erkenntnisse vor. Diese Wissenslücke versucht das vorliegende Dossier ein Stück weit zu schließen. Denn valide Informationen über die Lebenslage von Mehr-kindfamilien sind eine wichtige Voraussetzung dafür, um Politik zielgerichtet zu gestalten.
Das Dossier beginnt mit einem allgemeinen Blick auf Mehrkindfamilien und stellt dar, wie viele Mehrkindfamilien es in Deutschland gibt und wie sich ihr Anteil an allen Familien im Zeitablauf entwickelt hat. Ergänzend wird der Blick auf verschiedene Merkmale (Alter der Kinder, Familienform, Bildungshintergrund) von Mehrkindfamilien gerichtet und die Frage beantwortet, in wie vielen Mehrkindfamilien die Eltern einen Migrationshintergrund haben (Kapitel 2).
1 Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 5294, 2011. Eltern unter 50 Jahren nach Zahl der Kinder im Haushalt. Kinder bedeuten „ein erfülltes Leben“: 84 % Eltern mit drei und mehr Kindern, 67 % Eltern mit ein oder zwei Kindern. „Ein Leben voller Überraschungen“: 81 % vs. 72 %. „Hohe Ausgaben, viel Geld ausgeben“: 60 % Eltern vs. 43 %. „Stress“: 68 % vs. 55 %, „Opfer bringen, verzichten müssen“: 74 % vs. 62 %.
2 Vgl. ausführlich Abschnitt 3.4.4.
Im Mittelpunkt des Dossiers stehen die verschiedenen Facetten der Lebenssituation von Mehr-kindfamilien (Kapitel 3). Dabei wird zunächst die Erwerbssituation von Mehrkindfamilien beleuchtet und gefragt, welche Formen der Arbeitsteilung Mütter und Väter tatsächlich leben und welche sie sich wünschen.
Die Lebenssituation wird zugleich maßgeblich durch das Einkommen geprägt. Es wird dar-gestellt, wie hoch das Einkommen von Mehrkindfamilien ist und wie sich die Familien auf verschiedene Einkommensgruppen verteilen. Besonderes Augenmerk gilt dabei der Armutsge-fährdung von Mehrkindfamilien und es wird untersucht, welche Ausgaben Mehrkindfamilien besonders stark belasten. Die Ergebnisse zu den Einkommens- und Bildungsressourcen von Mehrkindfamilien werden anschließend in eine Typologie überführt.
Die Wohnsituation von Mehrkindfamilien wird nicht nur im Kontext der Wohnkosten betrachtet, sondern auch hinsichtlich der Eigentums- oder Mietneigung der Mehrkindfamilien und der tatsächlichen Wohnungsgrößen.
Wie der Alltag von Mehrkindfamilien aussieht, lässt sich zum Beispiel an der Zeit ablesen, die Mütter und Väter in Mehrkindfamilien für Hausarbeit und Kinderbetreuung aufwenden. Auch wie die Eltern ihre Zeit subjektiv einschätzen, ist aufschlussreich. Darüber hinaus werden Ein-stellungen zum Zusammenleben und zur Förderung der Kinder thematisiert.
Bund, Länder und Kommunen bieten unterschiedliche familienpolitische Leistungen an, die teilweise speziell auf Mehrkindfamilien ausgerichtet sind. Neben einer Beschreibung des Leistungstableaus werden im vierten Kapitel die Fragen beantwortet, von welchen Leistungen Mehrkindfamilien besonders profitieren und wie sie diese bewerten. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der außerfamiliären Kinderbetreuung.
Das Dossier schließt mit einer Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse. Dabei for-muliert es Ansatzpunkte für familienpolitische Maßnahmen für Mehrkindfamilien (Kapitel 5).
Sämtliche Analysen im Dossier werden im Vergleich von Mehrkindfamilien und Familien mit einem oder zwei Kindern durchgeführt. Grundlage sind einschlägige Studien sowie aktuel-le statistische Daten bevölkerungsrepräsentativer Untersuchungen. Unter anderem wurden Sonderauswertungen des Mikrozensus, des Sozio-oekonomischen Panels sowie dessen Ergän-zungsstichprobe Familien in Deutschland und der Allensbach-Akzeptanzanalysen durchge-führt. Teilergebnisse des Dossiers wurden im Dialog mit Fachexpertinnen und -experten sowie mit Verbandsvertreterinnen und -vertretern in einem Workshop im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Juni 2013 diskutiert und um weitere Inputs ergänzt.
In Bezug auf die Datenanalysen ist zu beachten, dass die Mehrkindfamilien3 als Haushalte erfasst werden, in denen mindestens drei Kinder im Alter unter 18 Jahren leben. Soweit die Datengrundlagen ausreichend belastbar sind, werden die Analysen getrennt für Familien mit drei Kindern sowie für Familien mit vier oder mehr Kindern durchgeführt.
3 Familien mit drei oder mehr Kindern werden heutzutage in Wissenschaft und Alltagssprache entweder als „kinder-reiche Familien“ oder als „Mehrkindfamilien“ bezeichnet. In diesem Dossier wird der Begriff „Mehrkindfamilie“ genutzt, da die Bezeichnung „kinderreich“ wertend ist und hohe Kinderzahlen mit Reichtum verknüpft.
II.Mehrkindfamilien in Deutschland und Europa
2.1 Wie viele Familien mit drei und mehr Kindern gibt es?
In Deutschland leben aktuell rund 861.000 Familien mit drei oder mehr minderjährigen Kin-dern. Damit zählt etwa jede neunte Familie mit minderjährigen Kindern (11 %) zu den Mehr-kindfamilien. Überwiegend haben diese Familien drei minderjährige Kinder (689.000 Familien). In zwei Prozent aller Familien mit minderjährigen Kindern leben vier minderjährige Kinder (127.000 Familien), in einem Prozent sogar fünf oder mehr (45.000 Familien) (Abbildung 2-1).4
Abbildung 2‑1: Anteil und Zahl der Familien nach Zahl der minderjährigen Kinder, 2011, in Prozent
3 Kinder(689 Tsd.)
8 %
4 Kinder(127 Tsd.)
2 %
5 Kinder und mehr(45 Tsd.)
1 %
2 Kinder(2.913 Tsd.)
36 %
1 Kind(4.306 Tsd.)
53 %
Quelle: Statistisches Bundesamt, Mikrozensus 2011, Fachserie Destatis Fachserie 1 Reihe 3. Eigene Darstellung Prognos AG. Nur Familien mit Kindern unter 18 Jahren.
4 Wird die Zahl der ledigen Kinder ohne Altersbegrenzung in Familien mit Kindern unter 18 Jahren betrachtet, dann steigt der Anteil der Mehrkindfamilien auf 16 %.
Ohne die Altersbeschränkung auf Kinder unter 18 Jahren liegt der Anteil der Familien mit Kindern unter 18 Jahren, in denen drei oder mehr Kinder leben, bei 16 Prozent. In diesem Dos-sier wird jedoch für eine bessere Vergleichbarkeit mit kleineren Familien bewusst der Fokus auf diejenigen Familien gelegt, in denen drei oder mehr minderjährige Kinder leben. So kann gezeigt werden, welchen Unterschied es macht, wenn sich Eltern nicht nur um die Betreuung und Erziehung von bis zu zwei minderjährigen Kinder kümmern, sondern die Verantwortung für drei oder mehr minderjährige Kinder haben.
In den 861.000 Mehrkindfamilien leben rund 3,5 Millionen minderjährige Kinder. Damit wächst etwa jedes vierte Kind (27 %) in einer Mehrkindfamilie auf.5
In Westdeutschland leben rund 753.000 Mehrkindfamilien. Ihr Anteil an allen Familien mit minderjährigen Kindern ist mit elf Prozent deutlich höher als in Ostdeutschland (8 %, ins-gesamt 109.000 Mehrkindfamilien). Dabei gab es bereits vor der Wiedervereinigung in Ost-deutschland zwar eine höhere Geburtenrate, jedoch einen kleineren Anteil an Mehrkindfami-lien als im Westen.
Abbildung 2‑2: Anteil der Familien nach Zahl der minderjährigen Kinder, früheres Bundesgebiet und neue Länder,
2011, in Prozent
61
52
31
37
6 2
9
Neue Ländereinschließl. Berlin
FrüheresBundesgebiet
0 20 40 60 80 100
Prozent
4 Kinder und mehr1 Kind 2 Kinder 3 Kinder
2
Quelle: Statistisches Bundesamt, Mikrozensus 2011, Fachserie Destatis Fachserie 1 Reihe 3. Eigene Darstellung Prognos AG. Nur Familien mit Kindern unter 18 Jahren.
Eggen und Rupp erklären diese geografischen Differenzen zum einen mit unterschiedlichen innerfamilialen Aufgabenteilungen und Lebensbedingungen: So könnten die in der DDR übliche Vollzeiterwerbstätigkeit beider Elternteile sowie der eingeschränkte Wohnraum limitierende Faktoren darstellen, infolge derer sich in Ostdeutschland weniger Eltern für die Gründung einer Mehrkindfamilie entschieden haben.6 Zum anderen können unterschiedliche Einstellungen zu Familie sowie Normen eine wichtige Rolle spielen, die bis heute fortwirken.7
5 Statistisches Bundesamt, Mikrozensus 2011, Fachserie Destatis Fachserie 1 Reihe 3. Eigene Darstellung Prognos AG. Nur ledige Kinder unter 18 Jahren.
6 Eggen, B., Rupp, M. (2006): Kinderreiche Familien, Wiesbaden, S. 49.7 Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina
(2012): Zukunft mit Kindern. Mythen, Kernaussagen und Empfehlungen zur Fertilität und gesellschaftlicher Entwicklung, S. 23.
Der Vergleich zeigt, dass der Anteil der Mehrkindfamilien in Deutschland im europäischen Durchschnitt liegt8 (Abbildung 2-3). Es gibt allerdings eine ganze Reihe von Ländern, in denen es anteilig mehr Familien mit drei und mehr Kindern gibt. So beträgt der Anteil der Mehr-kindfamilien an allen Familien in den Niederlanden, Belgien, Finnland und Frankreich knapp 20 Prozent. Hier gibt es mit vier bzw. fünf Prozent auch einen vergleichsweise hohen Anteil an Familien, in denen nicht nur drei, sondern vier oder mehr Kinder leben. In den osteuropä-ischen sowie insbesondere in den südeuropäischen Ländern gibt es dagegen besonders wenige Mehrkindfamilien. In Portugal, Italien und Spanien liegt ihr Anteil um fünf bis sechs Prozent, in der Tschechischen Republik bei sieben Prozent. Nur wenig stärker verbreitet als in Deutsch-land sind Mehrkindfamilien in Österreich, Schweden, Dänemark und Großbritannien mit einem Anteil der Mehrkindfamilien zwischen 13 und 15 Prozent.
Abbildung 2‑3: Anteil der Familien mit drei und mehr Kindern im europäischen Vergleich, 2010, in Prozent
0 5 10 15 20 25
Prozent
3 Kinder 4 Kinder und mehr
Niederlande 15 194
Belgien 18414
Finnland 18513
Frankreich 17413
Vereinigtes Königreich 15312
Dänemark 15312
Schweden 14311
Deutschland 12210
Österreich 13310
Polen 1138
Tschechische Republik 716
Italien 615
Spanien 514
Portugal 615
Europäische Union (27 Länder) 1129
Quelle: Eurostat 2010. Eigene Darstellung Prognos AG. Nur Familien mit Kindern unter 18 Jahren.
8 Aufgrund unterschiedlicher Datenquellen können die Werte für Deutschland leicht abweichen.
2.2 Wie hat sich der Anteil der Mehrkindfamilien verändert?
In zeitlicher Perspektive wird deutlich, dass der Anteil der Mehrkindfamilien in Deutschland seit der Wiedervereinigung nahezu unverändert ist und konstant um elf Prozent schwankt (Abbildung 2-4). Noch bis in die 80er-Jahre war es üblicher, dass Eltern drei oder mehr Kinder bekamen. 1975 zählte noch knapp jede fünfte Familie zu den Mehrkindfamilien.9
Abbildung 2‑4: Familien nach Anzahl der minderjährigen Kinder, 1975–2011, in Prozent
100
80
60
40
20
0
1975
6
13
35
46
4
11
36
49
1980
39
36
52
1990
29
38
51
1992
39
37
52
2000
29
36
53
2011
4 Kinder und mehr1 Kind 2 Kinder
Proz
ent
3 Kinder
Quelle: Statistisches Bundesamt, Mikrozensus. Bis 1990 Werte für das frühere Bundesgebiet, ab 1992 Werte für Gesamtdeutschland. Nur Familien mit Kindern unter 18 Jahren.
Die relativ geringe Variation des Anteils der Mehrkindfamilien in den vergangenen zwei Jahr-
zehnten lässt sich auch erkennen, wenn die Zahl der Kinder betrachtet wird, die Mütter eines bestimmten Jahrgangs geboren haben. Diese Zahl ist als abschließend zu betrachten, wenn Mütter das 45. oder spätestens das 50. Lebensjahr überschritten haben.
Von den Müttern, die im Jahr 2008 zwischen 45 und 59 Jahre alt waren, hat etwa jede fünfte Mutter drei oder mehr Kinder geboren (Abbildung 2-5). Dabei zeigen sich nur geringfügige Unterschiede zwischen den Jahrgängen. Bei Müttern, die im Jahr 2008 zwischen 65 und 75 Jahre alt waren, ist der Anteil der Frauen mit drei oder mehr leiblichen Kindern dagegen noch deutlich höher (zwischen 29 % und 35 %).
9 Dieser Rückgang kann auf unterschiedliche Ursachen zurückgeführt werden. Vor allem sind der Zugang zu Mitteln der Empfängnisverhütung sowie das Aufschieben der Erstgeburt relevant: Die Mütter, die Mitte der 1960er-Jahre ihr erstes und vielleicht auch ihr zweites Kind bereits hatten, konnten durch Empfängnisverhütung Kinderzahl und Kin-derwunsch (damals lag die Zahl der gewünschten Kinder bei etwa zwei) zur Deckung bringen. Auch das Aufschieben von Geburten in ein höheres Lebensalter trägt zum Rückgang der Mehrkindfamilien bei. Weitere Ursachen sind die veränderte soziale Situation von Frauen (u. a. besserer Zugang zu Bildung und Erwerbstätigkeit) und die damit ver-bundenen höheren Opportunitätskosten, die durch Kinder entstehen. Vgl.: Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina (2012): Zukunft mit Kindern. Mythen, Kernaus-sagen und Empfehlungen zur Fertilität und gesellschaftlicher Entwicklung. S. 24f.; Bertram, H. (2008): Die Mehrkind-familie in Deutschland. S. 7; Eggen, B., Rupp, M. (2006): Kinderreiche Familien, Wiesbaden, S. 33ff.
Abbildung 2‑5: Mütter nach Jahrgang und Zahl der leiblichen Kinder, im Jahr 2008, in Prozent
0 20 40 60 80 100
1969–1973 (35–39)
1964–1968 (40–44)
1949–1953 (55–59)
1944–1948 (60–64)
1939–1943 (65–69)
1933–1938 (70–75)
1959–1963 (45–49)
1954–1958 (50–54)
4535
keine Angabe1 Kind 2 Kinder 3 Kinder und mehr
Jahr
gang
und
Alt
er d
er M
ütte
rim
Jahr
200
818 2
29 43 919
27 44 920
27 45 721
30 46 421
30 45 223
27 43 129
25 39 135
Prozent
Quelle: Statistisches Bundesamt (2012): Geburten in Deutschland, Nürnberg. Eigene Darstellung Prognos AG.
Stärker als die Kinderzahl hat sich der Anteil der kinderlosen Frauen an allen Frauen eines Jahrgangs verändert. Unter den Frauen der Jahrgänge 1933–1948 blieb etwas mehr als jede zehnte Frau ohne Kinder (Abbildung 2-6). Frauen, die im Jahr 2008 zwischen 45 und 54 Jahre alt waren, sind dagegen zu etwa 16 Prozent kinderlos.10
Abbildung 2‑6: Frauen nach Jahrgang und Zahl der leiblichen Kinder, im Jahr 2008, in Prozent
0 20 40 60 80 100
1969–1973 (35–39)
1964–1968 (40–44)
1949–1953 (55–59)
1944–1948 (60–64)
1939–1943 (65–69)
1933–1938 (70–75)
1959–1963 (45–49)
1954–1958 (50–54)
keine Angabe1 Kind
keine Kinder
2 Kinder 3 Kinder und mehr
Jahr
gang
und
Alt
er d
er M
ütte
rim
Jahr
200
8
Prozent
26 33 13 2 26
23 34 15 7 21
22 37 16 8 17
23 38 18 6 16
25 39 18 3 14
3926 21 2
1
1
12
24 38 26 11
1122 34 31
Quelle: Statistisches Bundesamt (2012): Geburten in Deutschland, Nürnberg. Eigene Darstellung Prognos AG.
10 Statistisches Bundesamt (2013): Geburten in Deutschland, Nürnberg.
Erkenntnisse
I In Deutschland gibt es insgesamt rund 861.000 Familien mit drei und mehr minder-jährigen Kindern.
I Etwa jede neunte Familie mit minderjährigen Kindern ist eine Mehrkindfamilie (11 %).I In Westdeutschland gibt es mit elf Prozent anteilig mehr Mehrkindfamilien als in Ost-
deutschland (8 %).I Mehrkindfamilien sind in Deutschland ähnlich weit verbreitet wie im europäischen
Durchschnitt. Insbesondere in den Niederlanden, Belgien, Finnland und Frankreich gibt es jedoch deutlich mehr Familien mit drei und mehr Kindern als in Deutschland (knapp 20 %).
I Der Anteil der Mehrkindfamilien in Deutschland ist seit der Wiedervereinigung nahezu unverändert, war zuvor aber noch deutlich höher.
2.3 Wer sind die Mehrkindfamilien?
FamilienformDie Eltern von Mehrkindfamilien sind häufig verheiratet (Abbildung 2-7). Nur wenige Mehr-kindfamilien (5 bzw. 6 %) haben unverheiratete Eltern. Der Anteil der Alleinerziehenden ist mit elf bzw. zwölf Prozent merklich geringer als bei den Familien mit einem Kind (25 %) und etwas geringer als bei den Familien mit zwei Kindern (14 %).
Abbildung 2‑7: Familien nach Zahl der Kinder und Lebensform, 2011, in Prozent
0 20 40 60 80 100
Ehepaare Lebensgemeinschaften Alleinerziehende
Familien mit 1 Kind 63 12 25
80 7 14
84 5 11
82 6 12
Familien mit 2 Kindern
Familien mit 3 Kindern
Familien mit 4 und mehr Kindern
Prozent
Quelle: Statistisches Bundesamt, Mikrozensus 2011, Fachserie Destatis Fachserie 1 Reihe 3. Eigene Darstellung Prognos AG. Familien mit minderjährigen Kindern.
Das Zusammenleben in einer Paarfamilie bedeutet jedoch nicht, dass beide Elternteile tat-sächlich die leiblichen Eltern aller im Haushalt lebenden Kinder sind. Stattdessen kann davon ausgegangen werden, „dass es sich heute bei einem nicht unerheblichen Teil kinderreicher Paarfamilien, insbesondere bei Familien mit vier oder mehr Kindern, um Patchwork-Familien handelt“.11 Hierfür spricht, dass Eltern mit vier und mehr Kindern mit 14 Prozent häufiger als Eltern mit weniger Kindern im Haushalt davon berichten, dass einer der Partner eigene Kinder in die Beziehung eingebracht hat (über alle Familien: 10 %).12
Zeitpunkt der FamiliengründungMütter, die drei oder mehr Kinder zur Welt bringen, sind bei der ersten Geburt durchschnitt-lich 26 Jahre alt. Damit beginnt die Phase der Familiengründung bei ihnen rund ein Jahr frü-her als bei Frauen mit zwei Kindern sowie rund drei Jahre früher als bei Frauen, die nur ein Kind zur Welt bringen. Je höher die Qualifikation, desto später erfolgt in der Regel die Fami-liengründung. Dies gilt auch für Mehrkindfamilien (vgl. Abbildung 2-8).
Abbildung 2‑8: Durchschnittliches Alter der Mütter bei der ersten Geburt nach Gesamtzahl ihrer Kinder und beruflichem
Bildungsabschluss, Mütterjahrgänge 1959 bis 1968 (im Alter zwischen 40 und 49 Jahren im Jahr 2008)
1 Kind 2 Kinder 3 und mehr Kinder
Prozent
Dur
chsc
hnit
tlic
hes A
lter
der
Müt
ter b
ei d
er 1
. Geb
urt
Insgesamt
Gesamtzahl der Kinder
nach dem höchsten beruflichen Abschluss
0
10
20
30
40
50
2927 26
2927 26
2826
24
3330 29
Hochschule,Promotion
Lehre,Anlernausbildung
Kein Abschluss
Quelle: Ergebnisse des Mikrozensus 2008. Nur Mütter, bei denen die Zahl ihrer leiblichen Kinder mit der Zahl der Kinder in der Familie oder Lebensgemeinschaft übereinstimmte.
11 FaFo FamilienForschung Baden-Württemberg (2008): Kinderreiche Familien, Stuttgart, S. 6.12 Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 6119 (2011), Akzeptanzanalyse II.
Alter des jüngsten KindesMehrkindfamilien mit minderjährigen Kindern haben häufig auch kleinere Kinder. In 41 Prozent der Familien mit vier oder mehr minderjährigen Kindern ist das jüngste Kind noch weniger als drei Jahre alt, in weiteren 30 Prozent der Familien gibt es Kinder im Kindergartenalter (Abbil-dung 2-9). Auch in über der Hälfte der Familien mit drei Kindern (57 %) leben noch junge Kin-der im Alter von bis zu sechs Jahren. In Familien mit einem oder zwei Kindern leben dagegen überwiegend Kinder, die bereits das Schulalter erreicht haben.
Abbildung 2‑9: Familien nach Zahl der Kinder und Alter des jüngsten Kindes, 2011, in Prozent
0 20 40 60 80 100
unter 3 3–6 6–10 10–15 15–18
1 Kind 20 26 26
22 29 4
31 16
41
13
20
26
30 623
27
25
14
2 Kinder
3 Kinder
4 oder mehr Kinder
Alter des jüngsten Kindes (von … bis unter … Jahren)
Prozent
Quelle: Mikrozensus-Sonderauswertung s13045. Eigene Darstellung Prognos AG.
MigrationshintergrundFamilien mit drei und mehr Kindern haben häufiger einen Migrationshintergrund (mindes-
tens ein Elternteil besitzt eine ausländische Staatsangehörigkeit, erhielt die deutsche Staats-angehörigkeit durch Einbürgerung oder ist Spätaussiedler). Während dies auf 29 Prozent aller Familien zutrifft, liegt der Anteil der Familien bei den Familien mit drei Kindern bei knapp 40 Prozent. Von den Familien mit vier und mehr Kindern haben 51 Prozent einen Migrations-hintergrund (Abbildung 2-10).
Abbildung 2‑10: Familien nach Zahl der Kinder und Migrationshintergrund, 2011, in Prozent
0 20 40 60 80 100
Ohne Migrationshintergrund Mit Migrationshintergrund
Familien mit 1 Kind
Alle Familien mit minderjährigenKindern
73
71
27
29
70 30
62 38
49 51
Familien mit 2 Kindern
Familien mit 3 Kindern
Familien mit 4 und mehr Kindern
Prozent
Quelle: Statistisches Bundesamt, Mikrozensus 2011, Fachserie Destatis Fachserie 1 Reihe 3. Eigene Darstellung Prognos AG. Familien mit minderjährigen Kindern.
Insgesamt leben in 15 Prozent der Familien mit Migrationshintergrund drei oder mehr Kinder, während der Anteil der Mehrkindfamilien bei Familien ohne Zuwanderungserfahrung nur bei neun Prozent liegt.
BildungsabschlüsseMütter mit drei und mehr Kindern weisen deutlich häufiger eine niedrige Qualifikation auf als Mütter mit nur einem oder zwei Kindern (Abbildung 2-11).13 Dies kann auch mit dem hohen Anteil an Müttern mit Migrationshintergrund zusammenhängen. Knapp die Hälfte aller Müt-ter mit vier oder mehr Kindern hat einen niedrigen Bildungsabschluss. Auch Mütter mit drei Kindern sind mit einem Anteil von 27 Prozent fast doppelt so häufig gering qualifiziert wie Mütter mit weniger Kindern.
Allerdings hat knapp die Hälfte der Mütter mit drei Kindern einen mittleren Bildungs-abschluss. Ein Viertel hat einen hohen Abschluss – genauso wie bei den Müttern mit weniger Kindern.
Ein Grund für den höheren Anteil gering qualifizierter Mütter unter den Mehrkindfamilien kann das relativ niedrige Alter bei der ersten Geburt sein, wenn hierdurch der Erwerb von Bildungsabschlüssen unterbrochen wird.
13 Die Einteilung erfolgt auf Basis der „International Standard Classification of Education 1997“ (ISCED-97). Hoch: (Fach-)Hochschulabschluss, Meister-/Technikerausbildung, Promotion oder vergleichbar; mittel: Lehrausbildung, Abschluss einer Berufsfachschule, (Fach-)Hochschulreife oder vergleichbar; niedrig: (kein) Haupt-/Realabschluss, Anlernausbildung, Berufsvorbereitungsjahr.
Abbildung 2‑11: Mütter mit jüngstem Kind unter 15 Jahren nach Zahl der minderjährigen Kinder und
Bildungs abschluss, 2011, in Prozent
0 20 40 60 80 100
hoher Bildungs-abschluss
mittlerer Bildungs-abschluss
niedriger Bildungs-abschluss
1 Kind
2 Kinder
3 Kinder
4 oder mehr Kinder
Prozent
25 59 16
25 58 16
24 49 27
16 39 46
Quelle: Mikrozensus-Sonderauswertung s13045. Eigene Darstellung Prognos AG. Nur Mütter mit einem jüngsten Kind unter 15 Jahren, da es kaum Familien mit drei oder mehr Kindern im Haushalt gibt, bei denen das jüngste Kind 15 Jahre oder älter ist.
Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Vätern: Auch Väter mit vier und mehr Kindern weisen im Vergleich zu Vätern mit weniger Kindern überdurchschnittlich häufig nur eine geringe Quali-fikation auf (Abbildung 2-12). Mit einem Drittel (32 %) fällt der Anteil der Niedrigqualifizierten bei den Vätern jedoch deutlich niedriger aus als bei den Müttern (46 %).
Bei Vätern mit drei Kindern ist der Anteil der Geringqualifizierten ebenfalls erhöht. Gleichzeitig sind Väter mit drei Kindern ebenso häufig hoch qualifiziert wie Väter mit nur zwei Kindern.
Abbildung 2‑12: Väter mit jüngstem Kind unter 15 Jahren nach Zahl der minderjährigen Kinder und Bildungs‑
abschluss, 2011, in Prozent
0 20 40 60 80 100
hoherBildungsabschluss
mittlererBildungsabschluss
niedrigerBildungsabschluss
1 Kind 31 58 11
36 52 11
36 46 18
26 42 32
2 Kinder
3 Kinder
4 oder mehr Kinder
Prozent
Quelle: Mikrozensus-Sonderauswertung s13045. Eigene Darstellung Prognos AG. Nur Väter mit einem jüngsten Kind unter 15 Jahren, da es kaum Familien mit drei oder mehr Kindern im Haushalt gibt, bei denen das jüngste Kind 15 Jahre oder älter ist.
Auch wenn Väter aus Mehrkindfamilien häufiger einen niedrigen Bildungsabschluss aufwei-sen als Väter mit weniger Kindern, so fällt der Anteil der Niedrigqualifizierten dennoch deut-lich niedriger aus als unter den Müttern (bei vier Kindern: 32 % der Väter vs. 46 % der Mütter, bei drei Kindern: 18 % der Väter vs. 27 % der Mütter).
Dies spiegelt sich darin wider, wenn die höchsten Bildungsabschlüsse beider Eltern in den Blick genommen werden: Insgesamt haben „nur“ in etwa jeder dritten Familie mit vier oder mehr Kindern beide Elternteile bzw. der alleinerziehende Elternteil maximal einen niedrigen Bildungsabschluss (Abbildung 2-13). Daraus lässt sich schließen, dass zumindest ein Teil der niedrig qualifizierten Mütter mit vier und mehr Kindern mit einem Partner zusammenlebt, der einen mittleren oder höheren Bildungsabschluss erreicht hat.
In jeder vierten Familie (28 %) mit vier oder mehr Kindern hat zumindest ein Elternteil einen hohen Bildungsabschluss. In 41 Prozent der Familien hat der Vater oder die Mutter einen mitt-leren Bildungsabschluss erreicht.
Wie bei der separaten Betrachtung der Bildungsabschlüsse von Müttern und Vätern wird auch hier deutlich, dass in Familien mit vier und mehr Kindern niedrige Bildungsabschlüsse deut-lich überrepräsentiert sind. Auch in Familien mit drei Kindern kommt es häufiger vor, dass beide Elternteile nur einen niedrigen Bildungsabschluss aufweisen. Allerdings ist der Anteil der Familien mit guten Bildungsressourcen ebenso hoch wie bei kleineren Familien.
Abbildung 2‑13: Familien nach höchstem Bildungsabschluss eines Erwachsenen und Zahl der minderjährigen
Kinder, 2011, in Prozent
0 20 40 60 80 100
hoherBildungsabschluss
mittlererBildungsabschluss
niedrigerBildungsabschluss
1 Kind 36 54 10
41 50 9
39 46 16
28 41 30
2 Kinder
3 Kinder
4 oder mehr Kinder
Höchster beruflicher Bildungsabschluss eines Erwachsenen
Prozent
Quelle: Mikrozensus-Sonderauswertung s13045. Eigene Darstellung Prognos AG. Familien mit einem jüngsten Kind unter 18 Jahren.
Erkenntnisse
I In Mehrkindfamilien leben häufig auch junge Kinder.I Mehrkindfamilien sind zu knapp 90 Prozent Paarfamilien, nur zu elf Prozent Allein-
erziehenden-Familien.I In 40 Prozent der Mehrkindfamilien – und damit deutlich häufiger als bei kleineren
Familien – hat mindestens ein Elternteil einen Migrationshintergrund.I Mütter, die drei oder mehr Kinder gebären, gründen ihre Familie im Durchschnitt
drei Jahre früher als Mütter von nur einem Kind (mit 26 Jahren).I Mütter und Väter mit vier und mehr Kindern haben häufiger als Eltern mit weniger
Kindern einen niedrigen Bildungsabschluss: Dies trifft auf knapp die Hälfte der Mütter sowie ein Drittel der Väter zu.
I Auch Eltern mit drei Kindern sind häufiger gering qualifiziert. Gleichzeitig haben sie jedoch ebenso häufig wie Eltern mit weniger Kindern einen hohen Bildungsabschluss.
III.Lebenssituation von Mehrkindfamilien
Eltern mit drei oder mehr minderjährigen Kindern sind alles in allem ebenso zufrieden mit ihrem Leben wie Eltern mit weniger Kindern.
Abbildung 3‑1: Wie zufrieden Eltern insgesamt mit ihrem Leben sind, nach Kinderzahl, 2010, in Prozent
0 20 40 60 80 100
Hohe Zufriedenheit
Mittlere Zufriedenheit
GeringereZufriedenheit
1 Kind
2 Kinder
3 oder mehr Kinder
Prozent
68 26
6
6
72 23 4
66 27
Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 5276 (2010), Akzeptanzanalyse I. Eigene Darstellung Prognos AG. Angaben auf einer Skala von 0 bis 10, dabei gilt: 0-3 geringe Zufriedenheit, 4-6 mittlere Zufriedenheit, 7-10 hohe Zufriedenheit.
3.1 Erwerbssituation
3.1.1 Erwerbsbeteiligung von Müttern
Deutlich stärker als bei den Vätern hat die Kinderzahl Einfluss auf das Erwerbsverhalten von Müttern. Daher stehen Mütter im Fokus dieses Kapitels. Bei den folgenden Analysen nach Anzahl der Kinder werden in der Regel Mütter mit einem jüngsten Kind unter 15 Jahren berück-sichtigt. Grund hierfür ist, dass es kaum Familien mit drei oder mehr Kindern im Haushalt gibt, bei denen das jüngste Kind 15 Jahre oder älter ist (vgl. Abschnitt 2.3). Ohne diese Eingren-zung würde die Müttererwerbstätigkeit bei Ein- und Zweikindfamilien aufgrund der überpro-portional vielen Familien mit älteren Kindern überschätzt.
Mit Blick auf die Erwerbsbeteiligung zeigt sich, dass sich ein zweites Kind gegenüber einem Kind kaum auf die Erwerbstätigenquote der Mütter auswirkt. Ab dem dritten Kind und insbe-sondere ab dem vierten Kind geht die Erwerbstätigenquote dagegen markant zurück (Abbil-dung 3-2).
Abbildung 3‑2: Erwerbstätigenquoten (ausgeübte Erwerbstätigkeit) von Müttern mit jüngstem Kind unter
15 Jahren nach Zahl der minderjährigen Kinder, 2011
Deutschland Früheres Bundesgebiet Neue Länder (einschl. Berlin)
Prozent
Erw
erbs
täti
genq
uote
(%)
1 Kind 2 Kinder 3 Kinder 4 Kinder und mehr
66 6571
65 65 67
49 50 48
29 29 28
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
Quelle: Mikrozensus-Sonderauswertung s13045. Eigene Darstellung Prognos AG.
Dieses Muster der erheblichen Abnahme der Erwerbstätigkeit ab dem dritten Kind gilt für
West- und Ostdeutschland in vergleichbarer Weise.
Die Erwerbstätigenquoten von Müttern mit drei und mehr Kindern bleiben jedoch nicht dauerhaft niedrig, sondern nehmen mit steigendem Alter des jüngsten Kindes kontinuierlich zu (Abbildung 3-3). Wäh rend über zwei Drittel der Mütter mit einem Kind bereits zwischen dem vierten und sechsten Lebensjahr des Kindes in den Beruf zurückgekehrt sind, steigt die Erwerbstätigenquote der Mütter mit drei Kindern zwar stetig, erreicht aber auch zwischen dem 10. und 15. Lebensjahr des jüngsten Kindes die Zwei-Drittel-Marke nur knapp. Noch stär-ker verzögert sich der Wiedereinstieg ins Berufsleben bei Müttern mit vier oder mehr Kindern. Sobald das jüngste Kind zehn Jahre oder älter ist, unterscheiden sich Mütter mit drei oder mehr Kindern dagegen nur noch wenig voneinander.
Abbildung 3‑3: Erwerbstätigenquoten (ausgeübte Erwerbstätigkeit) von Müttern nach Zahl der minderjährigen
Kinder und Alter des jüngsten Kindes, 2011
1 Kind 2 Kinder 3 Kinder 4 Kinder und mehr
ProzentMütter mit jüngstem Kind im Alter ... bis unter ... Jahren
Erw
erbs
täti
genq
uote
(%)
unter 3 Jahren 3 bis unter 6 Jahren 6 bis unter 10 Jahren 10 bis unter 15 Jahren
3834
2518
71 69
54
31
7974
63
44
80 78
67
60
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
Quelle: Mikrozensus-Sonderauswertung s13045. Eigene Darstellung Prognos AG.
Auch eine aktuelle Sinus-Studie macht deutlich, dass die Dauer des beruflichen Ausstiegs stark von der Kinderzahl abhängig ist.14
Mit steigender Kinderzahl wächst die Wahrscheinlichkeit für lange währende Erwerbsunter-brechungen: Knapp 70 Prozent der Mütter mit einem Kind kehren maximal drei Jahre nach der Geburt wieder in den Beruf zurück, jedoch nur 44 Prozent der Mütter mit drei und mehr
Kindern. Insgesamt bleiben 28 Prozent der Frauen mit drei oder mehr Kindern länger als zehn Jahre zu Hause.
14 Wippermann, K./Wippermann, C. (2010): Perspektive Wiedereinstieg. Ziele, Motive und Erfahrungen von Frauen vor, während und nach dem beruflichen Wiedereinstieg. Herausgegeben vom BMFSFJ.
Abbildung 3‑4: Dauer der familienbedingten Erwerbsunterbrechung von Frauen, differenziert nach Kinderzahl
1 Kind 2 Kinder 3 und mehr Kinder
Proz
ent
unter 1 Jahr 1 bis 2 Jahre 2 bis 3 Jahre 3 bis 5 Jahre 5 bis 10 Jahre über 10 Jahre
0
5
10
15
20
25
30
35
40
45
50
30
25
21
1715
9
22
1614
8
20
9
1517
19
87
28
Quelle: Wippermann, K. / Wippermann, C. (2010): Perspektive Wiedereinstieg. S. 19. Eigene Darstellung Prognos AG.
Basis sind Frauen, die eine familienbedingte Erwerbsunterbrechung schon erlebt haben oder derzeit in der Phase sind (n = 605).
Je länger die Erwerbsunterbrechung andauert, desto seltener haben Mütter auch den Wunsch, auf den Arbeitsmarkt zurückzukehren: Während mehr als die Hälfte der Mütter mit drei und mehr Kindern, die bis zu zehn Jahre nicht erwerbstätig waren, den Wunsch nach beruflichem Wiedereinstieg haben, sinkt dieser Wunsch unter ein Fünftel, wenn die letzte Erwerbstätigkeit schon über zehn Jahre zurückliegt.
Dass Mütter mit drei und mehr Kindern seltener einer Erwerbstätigkeit nachgehen als Mütter mit weniger Kindern, ist auch im internationalen Vergleich nicht unüblich. Dennoch sind deut-liche Unterschiede zwischen den Ländern zu beobachten (Abbildung 3-5):
Deutschland zählt dabei zu den Staaten, in denen sich die Erwerbsbeteiligung von Müttern ab dem dritten Kind sehr deutlich verringert.15 Der Abstand zwischen den Beschäftigtenraten von Müttern mit einem bzw. zwei Kindern und Müttern mit drei Kindern fällt im europäischen Vergleich verhältnismäßig groß aus. Ein ähnlich starker Rückgang mit dem dritten Kind zeigt sich auch in Belgien, Österreich, Frankreich, der Tschechischen Republik sowie dem Vereinig-ten Königreich.
15 Abweichungen zum Mikrozensus-Wert aufgrund anderer Definition von Erwerbstätigkeit und fehlender Alterseingrenzung in Bezug auf das jüngste Kind.
Ein ganz anderes Bild ergibt sich dagegen in Schweden und Dänemark. In beiden Ländern – die sich insgesamt durch eine ausgesprochen hohe Erwerbsbeteiligung von Müttern auszeich-nen – gehen Frauen mit drei und mehr Kindern etwa genauso häufig einer Beschäftigung nach wie Frauen mit nur einem Kind. Auch in den Niederlanden, Finnland, aber auch Portugal und Polen geht die Erwerbstätigenquote von Müttern mit drei und mehr Kindern im Vergleich zu Müttern mit zwei Kindern nur moderat zurück.
Abbildung 3‑5: Müttererwerbstätigkeit nach Kinderzahl im europäischen Vergleich, 2010
0
20
40
60
80
100
3 Kinder und mehr2 Kinder1 Kind
Dänem
ark
Schwed
en
Niederl
ande
Finnland
Portugal
Polen
Belgien
Österre
ich
Frankre
ich
Tsch
echisc
he Rep
ublik
Deutsc
hland
Vereinigtes
Königreich
Spanien
Italie
n
848885 877581 82
7078 81
6879 75
6376
7062
73 79
6276 76
60
82 78
58
7970
5268 69
50
75 71
49
7560
48
6354
40
59
Quelle: Eurostat 2010. Eigene Darstellung Prognos AG. Mütter zwischen 25 und 54 Jahren.
3.1.2 Entwicklung der Erwerbsbeteiligung von Müttern
Seit Einführung des Elterngeldes gibt es einen Trend zu mehr Erwerbstätigkeit bei Müttern mit Kleinkindern. Dieser Trend hat auch Mütter mit drei minderjährigen Kindern erfasst: Ihre Erwerbstätigenquote ist zwischen 2007 und 2011 insgesamt um vier Prozentpunkte ange-stiegen und damit genauso stark wie beim Durchschnitt aller Mütter mit einem jüngsten Kind unter 15 Jahren.
Abbildung 3‑6: Entwicklung der Erwerbstätigenquoten (ausgeübte Erwerbstätigkeit) von Müttern mit jüngstem
Kind unter 15 Jahren nach Zahl der minderjährigen Kinder, 2007–2011
2007 2009 2011
Prozent
Erw
erbs
täti
genq
uote
(%)
1 Kind 2 Kinder 3 Kinder 4 Kinder und mehr
63 64 6661 62 65
4549 49
27 28 29
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
Quelle: Mikrozensus-Sonderauswertung s13045. Eigene Darstellung Prognos AG.
Werden ausschließlich Mütter mit einem jüngsten Kind unter drei Jahren in den Blick genom-men, wird auch bei Müttern mit vier oder mehr Kindern eine erkennbar gestiegene Erwerbs-neigung deutlich, insbesondere bei Müttern mit Kindern im dritten Lebensjahr. Im ersten Lebensjahr des Kindes wird dagegen der durch das Elterngeld geschaffene Schonraum auch von Mehrkindfamilien intensiv genutzt und führt zu einem Rückgang der Erwerbstätigenquoten.
Abbildung 3‑7: E ntwicklung der Erwerbstätigenquoten (ausgeübte Erwerbstätigkeit) von Müttern mit Kindern
unter 3 Jahren, nach Zahl der minderjährigen Kinder, 2007–2011
15
2328
19 19
29 3035
24
38
29
2020
1014
9
43
0
10
20
30
40
50
Mütter mit 4 oder mehr Kindern unter 18 Jahren
Mütter mit 3 Kindern unter 18 Jahren
2007
Mütter mit jüngstem Kind unter 1 Jahr
Erw
erbs
täti
genq
uote
(%)
Mütter mit jüngstem Kind im Alter von 1 Jahr
Mütter mit jüngstem Kind im Alter von 2 Jahren
2009 2011 2007 2009 2011 2007 2009 2011
Quelle: Mikrozensus-Sonderauswertung s13045. Eigene Darstellung Prognos AG.
Auch in den weiteren Altersgruppen ist es zwischen 2007 und 2011 zu einer erkennbaren Aus-weitung der Erwerbstätigenquoten gekommen. Mütter mit drei Kindern sind deutlich häufiger erwerbstätig, wenn das jüngste Kind zwischen drei und unter sechs Jahren alt ist (+ 7 Pro-zentpunkte). Bei Müttern mit vier und mehr minderjährigen Kindern zeigt sich der stärkste Anstieg bei einem Alter des jüngsten Kindes von zehn bis unter 15 Jahren (+ 10 Prozentpunkte).
Abbildung 3‑8: Entwicklung der Erwerbstätigenquoten (ausgeübte Erwerbstätigkeit) von Müttern, nach Zahl
der minderjährigen Kinder, 2007 und 2011
Mütter mit Kindern unter 18 Jahren insgesamt
Mütter mit 3 Kindernunter 18 Jahren
Mütter mit 4 oder mehrKindern unter 18 Jahren
Erw
erbs
täti
genq
uote
(%)
20070
25
50
75
100
2011
3 bis unter 6 Jahren 6 bis unter 10 Jahren 10 bis unter 15 Jahren
2007 2011 2007 2011
61
46
27
66
54
31
68
57
39
74
63
44
75
64
50
78
6760
Quelle: Mikrozensus-Sonderauswertung s13045. Eigene Darstellung Prognos AG.
3.1.3 Erwerbsumfang von Müttern
Mit steigender Kinderzahl sinkt in Deutschland nicht nur der Anteil der erwerbstätigen Mütter, sondern die erwerbstätigen Mütter arbeiten mit geringerer Stundenzahl. Diese Ent-wicklung setzt bereits ab dem zweiten Kind ein.
Mütter mit drei und mehr Kindern arbeiten in der Regel in Teilzeit (Abbildung 3-9). Während mehr als jede dritte erwerbstätige Mutter mit einem Kind über 32 Wochenstunden arbeitet, ist es bei Müttern mit zwei und drei Kindern nur jede fünfte. Gleichzeitig steigt der Anteil der in geringfügigem Umfang erwerbs tätigen Mütter von 15 Prozent bei einem Kind auf 26 Prozent bei zwei Kindern und weiter auf 34 bzw. 36 Prozent bei drei oder mehr Kindern an.
Abbildung 3‑9: Arbeitszeitmuster von erwerbstätigen Müttern mit jüngstem Kind unter 15 Jahren
nach Zahl der minderjährigen Kinder, 2011
0 20 40 60 80 100
unter 15 Stunden 15 bis 32 Stunden über 32 Stunden
1 Kind 15 50 35
26 52 22
34 48 18
36 42 22
2 Kinder
3 Kinder
4 oder mehr Kinder
Prozent
Quelle: Mikrozensus-Sonderauswertung s13045. Eigene Berechnung Prognos AG. Ausgewiesen sind die normaler-weise in einer Woche geleisteten Stunden einschließlich regelmäßig geleisteter Überstunden. Nur erwerbstätige Mütter.
Insgesamt arbeiten 17 Prozent aller Mütter mit drei Kindern in geringfügigem Umfang, 23 Pro-zent gehen einer Teilzeitbeschäftigung nach, neun Prozent sind in Vollzeit erwerbstätig. Von den Müttern mit vier und mehr Kindern arbeiten zehn Prozent in geringfügigem Zeitumfang, weitere zehn Prozent in Teilzeit, sechs Prozent in Vollzeit.
Abbildung 3‑10: Erwerbstätige Mütter (ausgeübte Erwerbstätigkeit) mit jüngstem Kind unter 15 Jahren nach
Arbeitszeitmuster nach Zahl der minderjährigen Kinder, 2011
0
20
40
(66) (65)
(49)
(29)
60
80
100
über 32 Stunden15 bis 32 Stundenunter 15 Stunden
1 Kind 2 Kinder 3 Kinder 4 Kinder und mehr
( ) erwerbstätige Mütter gesamt
Ant
eil a
n al
len
Müt
tern
(%)
23
33
10
14
34
17
9
23
17
6
12
11
Quelle: Mikrozensus-Sonderauswertung s13045. Eigene Berechnung Prognos AG. Bei dem Erwerbsvolumen sind die normaler weise in einer Woche geleisteten Stunden einschließlich regelmäßig geleisteter Überstunden berück-sichtigt.
Grundsätzlich nehmen die Erwerbstätigenquoten mit dem Alter kontinuierlich zu (vgl. Abbil-dung 3-3). Die Arbeitszeitmuster der erwerbstätigen Mütter bleiben dagegen vergleichsweise stabil. Mütter arbeiten auch dann noch überwiegend in Teilzeit, wenn ihre Kinder im Schul-alter sind.
Abbildung 3‑11: Erwerbstätige Mütter (ausgeübte Erwerbstätigkeit) nach Arbeitszeitmuster nach Zahl
der minderjährigen Kinder und Alter des jüngsten Kindes, 2011
0
20
40
60
80
100
über 32 Stunden15 bis 32 Stundenunter 15 Stunden
unter 3Jahren
3 bisunter 6Jahren
6 bisunter 10Jahren
10 bisunter 15Jahren
3 bisunter 6Jahren
6 bisunter 10Jahren
10 bisunter 15Jahren
1 Kind 2 Kinder 3 und mehr Kinder
Mütter mit jüngstem Kind im Alter von … bis unter … Jahren
3 bisunter 6Jahren
6 bisunter 10Jahren
10 bisunter 15Jahren
unter 3Jahren
unter 3Jahren
( ) erwerbstätige Mütter gesamt
Ant
eil a
n al
len
Müt
tern
(%)
(38)
12
19
7
25
37
10
(79)
27
40
11
(80)
29
38
13
(34)9
16
9
(69)
14
37
18
(74)
15
41
19
(78)
18
40
20
(23)59
9
(48)
8
23
18
(59)
10
29
20
(66)
13
33
21
(71)
Quelle: Mikrozensus-Sonderauswertung s13045. Eigene Berechnung Prognos AG. Bei dem Erwerbsvolumen sind die normaler weise in einer Woche geleisteten Stunden einschließlich regelmäßig geleisteter Überstunden berück-sichtigt.
Dieses Muster gibt es auch in anderen europäischen Ländern. Jedoch gehört Deutschland neben den Niederlanden, Österreich und Großbritannien zu denjenigen Ländern, in denen Teilzeit besonders weit verbreitet ist (Abbildung 3-12).
In Frankreich und Schweden geht dagegen etwas weniger als die Hälfte der erwerbstätigen Mütter mit drei und mehr Kindern einer Teilzeiterwerbstätigkeit nach. In Finnland, der Tsche-chischen Republik, Polen und Portugal stellt eine Teilzeitbeschäftigung auch bei erwerbstäti-gen Müttern mit drei und mehr Kindern die Ausnahme dar.
Abbildung 3‑12: Anteil der Teilzeitbeschäftigten an allen erwerbstätigen Müttern nach Anzahl der Kinder
im europäischen Vergleich, 2010, in Prozent
0
20
40
60
80
100
3 Kinder und mehr2 Kinder1 Kind
Niederl
ande
Deutsc
hland
Österre
ich
Vereinigtes
Königreich
Belgien
Frankre
ich
Schwed
enIta
lien
Spanien
Dänem
ark
Finnland
Tschec
hische R
epublik
Polen
Portugal
899182
7478
60 666755 6066
45 505440 37
48
274145
36 374033 303024 252723
121812 12178 9 148 8 119
Quelle: Eurostat 2010. Eigene Darstellung Prognos AG. Mütter zwischen 25 und 54 Jahren.
In Deutschland zeigt sich für Mütter mit drei und mehr Kindern eine im EU-27-Vergleich leicht unterdurchschnittliche Erwerbstätigenquote und eine hohe Verbreitung von Teilzeit (Abbil-dung 3-13).
Abbildung 3‑13: Anteil der erwerbstätigen Mütter mit drei und mehr Kindern (vertikale Achse) sowie Anteil
der Teilzeitbeschäftigten an allen erwerbstätigen Müttern (horizontale Achse), 2010, in Prozent
0 20 40 60 80 100
0
20
40
60
80
100
Ateil der Teilzeit erwerbstätigen Mütter mit drei oder mehr Kindern
Erw
erbs
täti
genq
uote
der
Müt
ter m
it d
rei u
nd m
ehr K
inde
rn
Niederlande
Deutschland
Österreich
UK
Belgien
EU 27
Schweden
Italien
Spanien
Dänemark
Finnland
Tschechische R.
PolenPortugal Frankreich
hohe Müttererwerbstätigkeit,geringe Verbreitung von Teilzeit
hohe Müttererwerbstätigkeit,hohe Verbreitung von Teilzeit
geringe Müttererwerbstätigkeit,geringe Verbreitung von Teilzeit
geringe Müttererwerbstätigkeit,hohe Verbreitung von Teilzeit
Quelle: Eurostat 2010. Eigene Darstellung Prognos AG. Mütter zwischen 25 und 54 Jahren.
3.1.4 Erwerbstätigkeit von Vätern
Die Erwerbsbeteiligung der Väter steht – anders als bei den Müttern – nur in einem schwachen Zusammenhang mit der Zahl der Kinder. Unabhängig von der Kinderzahl sind neun von zehn Vätern mit bis zu drei Kindern erwerbstätig. Auch Väter mit vier und mehr Kindern gehen überwiegend einer Erwerbstätigkeit nach, allerdings fällt der Anteil der nicht erwerbstätigen Väter mit 20 Prozent verhältnismäßig hoch aus. In Ostdeutschland scheint sich die regional höhere Arbeitslosenquote zudem bereits ab dem dritten Kind bemerkbar zu machen.
Abbildung 3‑14: Erwerbstätigenquoten (ausgeübte Erwerbstätigkeit) von Vätern mit jüngstem Kind unter
15 Jahren nach Zahl der minderjährigen Kinder, 2011
Deutschland Früheres Bundesgebiet Neue Länder (einschl. Berlin)
Prozent
Erw
erbs
täti
genq
uote
(%)
1 Kind
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
2 Kinder 3 Kinder 4 Kinder und mehr
91 9288
93 9489 90 91
82 80 81
71
Quelle: Mikrozensus-Sonderauswertung s13045. Eigene Darstellung Prognos AG.
Anders als bei den Müttern variiert die Erwerbsbeteiligung der Väter kaum mit dem Alter des jüngsten Kindes. Auch auf die Stundenumfänge haben Kinderzahl und Kinderalter kaum Einfluss. Wenn Väter erwerbstätig sind, dann in aller Regel in Vollzeit.
Im Trend zeigt sich jedoch, dass vor allem Väter aus Mehrkindfamilien ein hohes Interesse daran haben, in längeren Phasen familiäre Verantwortung zu übernehmen.
Mit den Partnermonaten im Bundeselterngeldgesetz wurde insbesondere für Väter ein Anreiz geschaffen, zeitweise die Berufstätigkeit einzuschränken und familiale Verantwortung zu übernehmen. Seit Einführung des Elterngeldes hat die Inanspruchnahme durch Väter kon-tinuierlich zugenommen. Im Jahr 2011 haben 27,3 Prozent der Väter Elternzeit genutzt, im Bundesdurchschnitt für 3,3 Monate.
Väter aus Mehrkindfamilien, die vor der Geburt ihres letzten Kindes erwerbstätig waren, haben zwar eine etwas geringere Wahrscheinlichkeit, überhaupt einen Partnerantrag zu stel-len. Wenn sie in Elternzeit gehen, entscheiden sie sich aber besonders häufig für eine längere Elternzeit von mehr als drei Monaten16: Laut Elterngeldstatistik nimmt in Mehrkindfamilien mit drei Kindern fast jeder vierte Vater drei oder mehr Partnermonate in Anspruch, in größe-ren Mehrkindfamilien ist es jeder dritte Vater (Abbildung 3-15).
Abbildung 3‑15: Beendete Elterngeldbezüge für im Jahr 2011 geborene Kinder, nach Bezugsdauer
durch die Väter und Zahl der im Haushalt lebenden Kinder
höchstens 2 Monate Elterngeld mindestens 3 Monate Elterngeld
Proz
ent
1 Kind
0
25
50
75
100
2 Kinder 3 Kinder 4 und mehr Kinder Väter insgesamt
84
16
77
23
82
18
67
33
82
18
Quelle: Sonderauswertung der Elterngeldstatistik. Eigene Darstellung Prognos AG.
3.1.5 Erwerbskonstellationen in Paarfamilien
Anhand des Mikrozensus lässt sich für Ehepaare und nicht eheliche Lebensgemeinschaften vergleichen, wie verbreitet verschiedene Erwerbskonstellationen unter Mehrkindfamilien und kleineren Familien sind. Es werden wiederum nur Haushalte betrachtet, in denen das jüngste im Haushalt lebende Kind noch unter 15 Jahren alt ist.
Dabei zeigt sich, dass das „männliche Alleinverdienermodell“ bei den Mehrkindfamilien deut-lich stärker verbreitet ist als bei kleineren Familien. Über die Hälfte der Familien mit vier oder mehr minderjährigen Kindern sowie 42 Prozent der Familien mit drei Kindern leben diese Form der Arbeitsteilung, aber nur etwa 30 Prozent der Familien mit einem oder zwei Kindern.
16 Trappe, Heike (2013), Väter mit Elterngeldbezug: Nichts als ökonomisches Kalkül?, in: Zeitschrift für Soziologie 42(1): S. 37, 43. Berechnung auf Basis der Erhebung „Junge Familien 2008“.
Abbildung 3‑16: Erwerbskonstellationen von Paaren mit jüngstem Kind unter 15 Jahren nach Zahl der minder‑
jährigen Kinder, 2011
0
20
40
60
80
100
Vater Vollzeit,Mutter Teilzeit 32 Std.
Vater Vollzeit, Mutter Vollzeit
Sonstiges (Mutter alleinverdienend, Frau Vollzeit und Mann Teilzeit, beide Teilzeit)
Beide nicht erwerbstätig
Vater alleinerziehend
1 Kind 2 Kinder 3 Kinder 4 oder mehr Kinder
Proz
ent
18
85
41
29
11
64
48
31
757
38
43
55
17
21
52
Quelle: Mikrozensus-Sonderauswertung s13045. Eigene Darstellung Prognos AG. Ausgeübte Erwerbstätigkeit. Ohne gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften.
Eine erkennbar geringere Rolle als bei kleineren Familien spielen in Mehrkindfamilien dage-gen „Zuverdienermodelle“. Nur in etwa jeder fünften Familie mit vier oder mehr Kindern sowie 38 Prozent der Familien mit drei Kindern geht die Mutter einer Teilzeiterwerbstätigkeit nach, während der Vater in Vollzeit arbeitet. Unter den Familien mit zwei Kindern lebt dagegen fast die Hälfte der Familien ein solches Modell (47 %).
Der Anteil der Familien mit minderjährigen Kindern, in denen beide Elternteile Vollzeit erwerbstätig sind, ist insgesamt gering und nimmt mit steigender Kinderzahl weiter ab. Unter den Familien mit vier und mehr Kindern gibt es zudem mit 17 Prozent einen überdurch-schnittlich hohen Anteil an Familien, in denen beide Elternteile aktuell keine Erwerbstätigkeit ausüben.
Die hohe Verbreitung von Familien, in denen nur ein Elternteil – in der Regel der Vater – erwerbstätig ist, hängt auch damit zusammen, dass in Mehrkindfamilien oft noch sehr junge Kinder leben. Sobald das jüngste Kind das Kindergartenalter erreicht hat, sind auch in über der Hälfte der Familien mit drei Kindern beide Elternteile erwerbstätig. In Mehrkindfamilien mit mindestens vier Kindern, in denen Schulkinder leben, zählen etwa 40 Prozent zu den „Doppel-verdienern“.
Abbildung 3‑17: Anteil der Paare, in denen beide Elternteile erwerbstätig sind, nach Alter des jüngsten Kindes
und nach Zahl der minderjährigen Kinder, 2011
1 Kind 2 Kinder 3 Kinder 4 oder mehr Kinder
Mütter mit jüngstem Kind im Alter von … bis unter … Jahren
Ant
eil F
amili
en m
it z
wei
erw
erbs
täti
gen
Elte
rnte
ilen
(%)
unter 3 Jahren
0
20
40
60
80
100
3 bis unter 6 Jahren 6 bis unter 10 Jahren
3633
2416
69 67
52
29
7572
60
42
Quelle: Mikrozensus-Sonderauswertung s13045. Eigene Darstellung Prognos AG. Ausgeübte Erwerbstätigkeit. Ohne gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften.
Deutliche Unterschiede zeigen sich bei den Erwerbskonstellationen, wenn eine Differenzierung nach Familien mit und ohne Migrationshintergrund vorgenommen wird. Der Anteil an Mehrkindfamilien mit Migrationshintergrund, in denen beide Elternteile erwerbstätig sind, liegt mehr als 20 Prozentpunkte unter den Vergleichswerten der Mehrkindfamilien ohne Migra tionshintergrund. Darüber hinaus beträgt in Mehrkindfamilien mit Migrationshin-tergrund der Anteil derjenigen Familien, in denen beide Elternteile nicht erwerbstätig sind, zwölf Prozent (drei Kinder) und 24 Prozent (vier oder mehr Kinder) und rangiert deutlich
über den Vergleichswerten (4 % und 10 %).
Abbildung 3‑18: Erwerbskonstellationen von Paaren mit jüngstem Kind unter 15 Jahren, nach Migrations‑
hintergrund, 2011
0
20
40
60
80
100
Ein Elternteil erwerbstätig Beide Elternteile erwerbstätigBeide nicht erwerbstätig
3 Kinder 4 oder mehr Kinder
Familien ohne Migrationshintergrund Familien mit Migrationshintergrund
3 Kinder 4 oder mehr Kinder
Proz
ent
56
40
4
40
50
10
34
54
12
16
59
24
Quelle: Mikrozensus-Sonderauswertung s13045. Eigene Darstellung Prognos AG. Ausgeübte Erwerbstätigkeit. Ohne gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften.
3.1.6 Erwerbswünsche und Einstellungen zur Erwerbstätigkeit
In vielen Befragungen wird deutlich, dass die realisierten Lebensmodelle traditioneller sind als die gewünschten. Auch bei Mehrkindfamilien ist das so. In 45 Prozent dieser Familien ist der Vater Alleinverdiener, aber nur 31 Prozent wünschen eine solche Aufteilung. Allerdings sind die Einstellungen etwas traditioneller als bei kleineren Familien: Nur 17 Prozent der Eltern mit einem bzw. 20 Prozent der Eltern mit zwei Kindern wünschen sich das traditionelle Modell.17
Von den Mehrkindfamilien, in denen bereits beide Eltern erwerbstätig sind, wäre es nur Zwölf Prozent der Familien lieber, dass der Mann in Vollzeit arbeitet, während sich die Frau um Haushalt und Kinder kümmert. 80 Prozent dieser Familien streben dagegen an, dass beide erwerbstätig sind.18
Für Mütter und Väter aus Mehrkindfamilien stellt sich jedoch in besonderer Weise die Frage, wie sie Familie und Beruf miteinander vereinbaren können. Insgesamt berichten 35 Prozent der Eltern mit drei oder mehr Kindern davon, dass es ihnen manchmal Schwierigkeiten berei-tet, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren. Bei Eltern mit weniger Kindern sind es fast gleich viele.19
Auf die Frage, wieso sie nicht erwerbstätig sind, nennen Mütter aus Mehrkindfamilien beson-ders häufig, dass sie sich sonst weniger gut um ihre Kinder kümmern könnten, die Kinder noch zu klein sind oder sie sonst weniger Zeit für ihre Kinder hätten (Abbildung 3-19).
17 Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 5276 (2010), Akzeptanzanalyse I und Mikrozensus-Sonderauswertung s13045.18 Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 5276 (2010), Akzeptanzanalyse I.19 Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 6119 (2011), Akzeptanzanalyse II.
Häufig geben Mütter mit zwei oder drei und mehr Kindern auch an, dass sie sich gemeinsam mit dem Partner auf diese Form der Arbeitsteilung geeinigt haben. Deutlich häufiger als Müt-ter mit einem Kind haben diese Mütter zudem den Eindruck, dass eine Erwerbstätigkeit sie neben der Kinderbetreuung überlasten würde.
Abbildung 3‑19: Zentrale Gründe, warum nicht erwerbstätige Mütter derzeit nicht arbeiten, nach Anzahl
der Kinder, 2011, in Prozent
Kind ist noch zu klein
Man hätte weniger Zeit für Kinder
Man hat sich mit Partner darauf geeinigt
Momentan in Elternzeit/Mutterschutz
Kinderbetreuung und Arbeit würden überlasten
Finde keine Arbeit, die von der Stundenzahl denVorstellungen entspricht
Wäre nicht gut für die Kinder
2 Kinder 3 Kinder und mehr1 Kind
0 25
Prozent
50 75
23
3950
33
3032
20
2932
17
3126
39
2525
9
1921
14
1418
Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 6119 (2011), Akzeptanzanalyse II. Eigene Darstellung Prognos AG.
Für einen kleineren Teil der Mütter sind finanzielle Motive von Bedeutung (Abbildung 3-20). 14 Prozent der Mehrkind-Mütter sagen, dass die Familie es sich finanziell leisten kann, dass sie nicht arbeiten. Zwölf Prozent der Mütter von drei und mehr Kindern sind der Auffassung, dass es sich finanziell nicht lohnen würde, arbeiten zu gehen, zum Beispiel weil die Abzüge durch Steuern zu hoch wären oder sie zu wenig verdienen würden. Zugleich geben Mütter mit drei und mehr Kindern (7 %) zwar insgesamt selten, aber doch häufiger als Mütter mit ein oder zwei Kindern (4 bis 5 %) an, dass sie durch die Erwerbsaufnahme den Anspruch auf staatliche Leis-tungen verlieren würden.
Abbildung 3‑20: Weniger wichtige Gründe, warum nicht erwerbstätige Mütter derzeit nicht arbeiten, nach Anzahl
der Kinder, 2011, in Prozent
2 Kinder 3 Kinder und mehr1 Kind
0 2010 30
Prozent
5040
1121
14
1817
10
814
12
688
54
7
366
keine geeigneten Betreuungsmöglichkeiten
Anspruch auf staatliche Leistungen verlieren
Finde keine Arbeit, die von der Tätigkeit her denVorstellungen und der Qualifikation entspricht
Möchte nicht arbeiten
Grundsätzlich dagegen, dass beide erwerbstätig sind
Würde sich finanziell nicht lohnen
Man kann es sich finanziell leisten, nicht zu arbeiten
6
55
Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 6119 (2011), Akzeptanzanalyse II. Eigene Darstellung Prognos AG.
Unabhängig von der Zahl der Kinder lehnen es nur wenige Mütter grundsätzlich ab, dass beide Elternteile erwerbstätig sind (8 %). Und nur sechs Prozent der nicht erwerbstätigen Mütter mit drei und mehr Kindern geben an, dass sie nicht erwerbstätig sein möchten.
Stattdessen wollen 42 Prozent der derzeit nicht erwerbstätigen Mütter mit drei Kindern gerne künftig wieder arbeiten (Abbildung 3-21). Ihre Erwerbsmotivation ist damit ähnlich hoch wie bei Müttern mit einem oder zwei Kindern. Geringer ist der Wunsch, wieder erwerbstätig zu sein, allerdings bei Müttern mit vier und mehr Kindern (34 %).
Abbildung 3‑21: Anteil der derzeit nicht erwerbstätigen Mütter, die gerne wieder berufstätig wären,
nach Anzahl der Kinder, 2011
0 20 40 60 80 100
Wäre gerne berufstätig
Bin zufrieden, so wie die Situation jetzt ist
Unentschieden, keine Angabe
1 Kind 46 46 9
42 49 10
42 49 9
34 52 14
2 Kinder
3 Kinder
4 Kinder und mehr
Prozent
Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 6119 (2011), Akzeptanzanalyse II. Eigene Darstellung Prognos AG.
Mütter mit drei und mehr Kindern, die wieder arbeiten möchten, streben häufig eine Teilzeit-beschäftigung im Umfang zwischen zehn und 19 Stunden (33 %) oder 20 bis 29 Stunden (34 %) an. Damit unterscheiden sie sich kaum von Müttern mit nur zwei Kindern. Lediglich gegen-über Müttern mit nur einem Kind fällt auf, dass diese ein stärkeres Interesse an vollzeitnahen Tätigkeiten äußern.20
Insgesamt spielt der Beruf für Mütter mit drei oder mehr Kindern jedoch eine etwas geringe-re Rolle als für Mütter mit weniger Kindern. So geben 41 Prozent der Mütter mit einem Kind an, dass ihnen der Beruf sehr viel bedeutet, während 34 Prozent der Mütter von drei Kindern sowie 19 Prozent der Mütter von vier und mehr Kindern diese Aussage unterstützen (Abbil-dung 3-22). Für Väter ist der Beruf im Durchschnitt wichtiger als für Mütter. Hier steigt die
Bedeutung des Berufs zunächst bis zu einer Kinderzahl von drei an, um danach wieder abzu-sinken.
20 Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 6119 (2011), Akzeptanzanalyse II.
Abbildung 3‑22: Anteil der Mütter, denen der Beruf sehr viel bedeutet, nach Anzahl der Kinder, 2011, in Prozent
Mit 1 Kind Mit 2 Kindern Mit 3 Kindern Mit 4 oder mehr Kindern
„Der Beruf bedeutet mir sehr viel“
Proz
ent
Mütter
0
25
50
75
100
Väter
41 3834
19
56 56 5950
Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 6119 (2011), Akzeptanzanalyse II. Eigene Darstellung Prognos AG.
Erkenntnisse
I Ab dem dritten Kind liegen die Erwerbstätigenquoten von Müttern deutlich niedriger. Zudem ist ein Verzögerungseffekt beim Wiedereinstieg erkennbar.
I Erwerbstätige Mütter mit drei und mehr Kindern sind häufig nur geringfügig beschäf-tigt.
I Im europäischen Vergleich ist die Erwerbstätigenquote von Müttern mit drei und mehr Kindern relativ niedrig. Teilzeittätigkeiten sind in Deutschland unter den erwerbstäti-gen Müttern besonders stark verbreitet.
I 42 Prozent der nicht berufstätigen Mütter von drei Kindern sowie 34 Prozent der Müt-ter mit vier und mehr Kindern sind an einer zukünftigen Berufstätigkeit interessiert.
I Seit 2007 entscheiden sich auch Mütter mit drei und mehr Kindern immer häufiger für eine Erwerbsaufnahme.
I Mütter aus Mehrkindfamilien sind besonders häufig nicht erwerbstätig, weil sie sich um ihre Kinder kümmern wollen.
I Neun von zehn Vätern mit bis zu drei Kindern sind erwerbstätig. Bei Vätern mit vier oder mehr Kindern sinkt die Erwerbsbeteiligung auf 80 Prozent.
I In Mehrkindfamilien kommt es deutlich häufiger vor, dass ausschließlich der Vater erwerbstätig ist. Über die Hälfte der Familien mit vier oder mehr minderjährigen Kin-dern leben diese Form der Arbeitsteilung, aber nur etwa 30 Prozent der Familien mit einem oder zwei Kindern.
I Jedoch leben mehr Mehrkindfamilien diese Arbeitsteilung, als es sich wünschen.I Väter mit drei oder mehr Kindern im Elterngeldbezug entscheiden sich besonders
häufig für mehr als zwei Partnermonate und sind damit interessiert daran, familiäre Verantwortung zu übernehmen.
3.2 Einkommenssituation
3.2.1 Verfügbares Einkommen der Familien
Wird der Blick zunächst nur auf die Einnahmeseite gerichtet, dann unterscheidet sich das monatliche Nettoeinkommen von Mehrkindfamilien nur wenig von Familien mit zwei Kin-dern. Etwa jede fünfte Familie mit zwei oder drei und mehr Kindern lebt von bis zu 2.000 Euro. Gleichzeitig stehen etwa jeder sechsten Familie 4.500 Euro oder mehr zur Verfügung. Fami-lien, in denen vier oder mehr Kinder leben, erreichen etwas häufiger als Dreikindfamilien ein mittleres Einkommen zwischen 2.600 und 3.200 Euro, sind dafür aber seltener in den höchsten beiden Einkommensklassen zu finden.
Abbildung 3‑23: Verteilung nach monatlichen Haushaltsnettoeinkommen21 nach Zahl der minderjährigen Kinder,
2011, in Euro
0
20
40
60
80
100
1.700–2.000 2.000–2.600
2.600–3.200 3.200–4.500 4.500 und mehr
unter 1.700
1 Kind 2 Kinder 3 Kinder 4 Kinder und mehr
Proz
ent
Monatliches Nettoeinkommen (von … bis unter … Euro)
18
21
13
16
7
25
18
24
17 18 16
7
19
15
23
16
23
9
13
23
21
20
10
10
Quelle: Mikrozensus-Sonderauswertung s13045. Eigene Darstellung Prognos AG.
Das Haushaltsnettoeinkommen ist jedoch nur begrenzt aussagekräftig, da unberücksichtigt bleibt, dass Mehrkindfamilien mit ihrem Einkommen nicht nur ein oder zwei, sondern drei und mehr Kinder versorgen.
21 Summe aller Einkunftsarten ohne Steuern und Sozialversicherungsbeiträge, zum Beispiel Erwerbseinkommen, Unternehmereinkommen, Rente, Pension, öffentliche Unterstützungen, Einkommen aus Vermietung und Ver-pachtung, Arbeitslosengeld bzw. -hilfe, Kindergeld, Wohngeld, Sachbezüge. Ohne Angaben von Haushaltsbezugs-personen, die selbstständige/-r Landwirt/-in in der Haupttätigkeit waren.
Aussagekräftiger ist daher das äquivalenzgewichtete22 Pro-Kopf-Einkommen: Jetzt zeigt sich, dass Mehrkindfamilien pro Kopf ein geringeres Einkommen zu Verfügung steht als Paarhaus-halten mit nur einem oder zwei Kindern (Abbildung 3-24). Das mittlere äquivalenzgewichtete Haushaltsnettoeinkommen von Paarfamilien mit drei Kindern liegt mit rund 1.200 Euro dabei nur wenig unter dem Durchschnitt aller Familien mit minderjährigen Kindern (1.333 Euro). Deutlicher ist der Abstand dagegen bei Familien, in denen vier oder mehr Kinder leben.
Abbildung 3‑24: Median des äquivalenzgewichteten monatlichen Haushaltsnettoeinkommens nach Familientyp,
2010, in Euro
0 500 1.000 1.500 2.000
Paarhaushalt mit 1 Kind
1.000
1.405
1.167
1.556
1.333
Paarhaushalt mit 2 Kindern
Paarhaushalt mit 3 Kindern
Paarhaushalt mit 4 und mehr Kindern
Alle Familien
Median des äquivalenzgewichteten Haushaltsnettoeinkommens
Quelle: DIW-Datenkurzreport „Familien in Deutschland“ 2012 auf Basis von FiD 2010 und SOEP 2010. Eigene Darstellung Prognos AG.
Durchschnittlich geben Familien mit einem Kind pro Monat rund 550 Euro für ihr Kind aus.
Familien mit zwei Kindern entstehen für Essen, Wohnung, Kleidung etc. der Kinder bereits monatliche Kosten in Höhe von 950 Euro. Leben drei Kinder in der Familie, belaufen sich die Konsumausgaben für die Kinder durchschnittlich auf 1.360 Euro.
Somit sinken zwar mit zunehmender Kinderzahl die durchschnittlichen Konsumausgaben pro Kind, allerdings steigen die Gesamtausgaben für die Kinder deutlich stärker an als die Einkom-men der Familien. Das heißt, der Anteil der Ausgaben für Kinder am Haushaltsnettoeinkom-men nimmt mit steigender Kinderzahl kontinuierlich zu.23 Zudem ist davon auszugehen, dass ab dem dritten Kind in einigen Konsumbereichen sog. Sprungfixkosten entstehen: Die Familie benötigt z. B. ein größeres Auto oder eine größere Wohnung.24
22 Die aktuelle (modifizierte) OECD-Skala weist dem Haushaltsvorstand ein Gewicht von 1, allen weiteren Haus-haltsmitgliedern ab einem Alter von 15 Jahren ein Gewicht von 0,5 und Kindern unter 15 Jahren ein Gewicht von 0,3 zu.
23 Münnich, M. (2006): Einkommensverhältnisse von Familienhaushalten und ihre Ausgaben für Kinder. In: Wirtschaft und Statistik 6/2006.
24 BMFSFJ (2008): Kindergeld in Deutschland – Familien wirksam fördern, S. 20.
Ihren Lebensunterhalt erwirtschaften Mehrkindfamilien ganz überwiegend durch ihre Erwerbstätigkeit. Dies gilt auch für Familien mit vier oder mehr Kindern. Allerdings über-rascht es vor dem Hintergrund ihrer geringeren Einbindung in den Arbeitsmarkt nicht, dass diese Familien ihren Lebensunterhalt häufiger als andere Familien (auch) aus Leistungen des SGB II, der Sozialhilfe oder Arbeitslosenversicherung bestreiten (24 %).
Abbildung 3‑25: Überwiegender Lebensunterhalt der Bezugsperson25 der Familien, nach Anzahl der
minder jährigen Kinder, 2011
0 20 40 60 80 100
Eigene Erwerbs-/Berufstätigkeit
Arbeitslosengeld I, Leistungen nach Hartz IV oder Sozialhilfe
Anderes
1 Kind 84 10 6
87 8 4
83 13 4
69 24 6
2 Kinder
3 Kinder
4 Kinder und mehr
Prozent
Quelle: Mikrozensus-Sonderauswertung s13045. Eigene Darstellung Prognos AG.
Insbesondere Familien, in denen mindestens ein Familienmitglied einen Migrationshinter-
grund hat, erhalten häufiger Unterstützung. Der entsprechende Anteil liegt bei den Familien mit vier und mehr Kindern mit 29 Prozent gut zehn Prozentpunkte höher als bei gleich großen Familien ohne Migrationshintergrund.26
25 Seit dem Mikrozensus 2005 ist die Bezugsperson bei Ehepaaren der Ehemann, bei nicht ehelichen (gemischt-geschlechtlichen) Lebensgemeinschaften der männliche Lebenspartner, bei gleichgeschlechtlichen Lebens-gemeinschaften der/die ältere Lebenspartner/-in, bei Alleinerziehenden der alleinerziehende Elternteil und bei Allein stehenden die Person selbst.
26 Mikrozensus-Sonderauswertung s13045.
3.2.2 Armutsrisiko
Im Vergleich zu Paarfamilien mit nur einem oder zwei Kindern sind Familien mit drei Kindern bereits doppelt so häufig armutsgefährdet (16 Prozent). Leben vier oder mehr Kinder in der Fami-lie, ist mehr als jede vierte Familie vom Armutsrisiko betroffen (28 Prozent) (Abbildung 3-26).
Abbildung 3‑26: Armutsrisikoquote nach Familientyp, 2010, in Prozent
0 15105 20 25 30
Paarhaushalt mit 1 Kind
28
8
16
8
14
Paarhaushalt mit 2 Kindern
Paarhaushalt mit 3 Kindern
Paarhaushalt mit 4 und mehr Kindern
Alle Familien
Armutsrisikoquote in Prozent
Quelle: DIW-Datenkurzreport „Familien in Deutschland“ 2012 auf Basis von FID 2010 und SOEP 2010. Eigene Darstellung Prognos AG.
Angesichts des hohen Armutsrisikos von Mehrkindfamilien stellt sich die Frage, ob es Mehr-
kindfamilien in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern besonders schwer haben, ein Einkommen oberhalb der Armutsschwelle (60 % des äquivalenzgewichteten Medianeinkommens) zu erzielen.
Im europäischen Vergleich zeigt sich für Paarfamilien, dass der Anteil der armutsgefährde-ten Familien in allen Ländern beim Übergang vom zweiten auf das dritte und weitere Kinder sprunghaft ansteigt (Abbildung 3-27). Allerdings unterscheiden sich die betrachteten Län-der deutlich darin, von welchem Ausgangsniveau dieser Anstieg ausgeht sowie wie stark der Anstieg ausfällt.
In Deutschland liegt das Armutsrisiko von Mehrkindfamilien etwas niedriger als im Durch-schnitt der 27 Länder der EU. Deutlich mehr armutsgefährdete Familien gibt es in den süd-europäischen Ländern Spanien, Italien und Portugal sowie Polen.
Abbildung 3‑27: Armutsrisikoquote nach Familientyp, im europäischen Vergleich, 2010, in Prozent
Paarhaushalt mit 2 Kindern
Paarhaushalt mit 3 Kindern und mehr
Paarhaushalt mit 1 Kind
0 2010 30
Prozent
40 50
99
22
89
21
711
21
49
17
98
18
911
17
67
12
77
12
1823
44
1621
37
1317
33
1220
33
1112
27
1215
26
Dänemark
EU (27 Länder)
Schweden
Niederlande
Finnland
Portugal
Polen
Belgien
Österreich
Frankreich
Tschechische Republik
Deutschland
Vereinigtes Königreich
Spanien
Italien
11
65
Quelle: Eurostat 2010. Eigene Darstellung Prognos AG.
Den geringsten Anteil armutsgefährdeter Mehrkindfamilien gibt es in den skandinavischen Ländern. Dies könnte mit dem verhältnismäßig hohen Anteil erwerbstätiger Mütter mit drei und mehr Kindern sowie der eher geringen Verbreitung von Teilzeit zusammenhängen (vgl. Abschnitt 3.1).
3.2.3 Transferbezug
Spiegelbildlich zum festgestellten niedrigen äquivalenzgewichteten Nettoeinkommen von Familien mit drei und insbesondere mit vier und mehr Kindern sowie der überdurchschnitt-lichen Armutsgefährdungsquote, fallen auch die Transferbezugsquoten bei Mehrkindfamilien besonders hoch aus. Paarhaushalte mit drei Kindern beziehen mit zwölf Prozent etwa doppelt so häufig SGB-II-Leistungen wie kleinere Paarfamilien. Unter den Familien mit vier und mehr Kindern bezieht jede fünfte Familie Grundsicherungsleistungen (Abbildung 3-28).
Abbildung 3‑28: Anteil der Familien, die SGB‑II‑Leistungen beziehen, nach Familientyp, 2010
0 15105 20
Paarhaushalt mit 1 Kind
19
6
12
7
13
Paarhaushalt mit 2 Kindern
Paarhaushalt mit 3 Kindern
Paarhaushalt mit 4 und mehr Kindern
Alle Familien
Prozent
SGB-II-Leistungen
Quelle: DIW-Datenkurzreport „Familien in Deutschland“ 2012 auf Basis von FID 2010 und SOEP 2010. Eigene Darstellung Prognos AG.
Ein ähnliches Bild zeigt sich beim Wohngeld, das Familien mit einem geringen Einkommen beziehen können, die sich außerhalb des SGB-II-Transferbezugs befinden.
Insgesamt erhalten sieben Prozent der Dreikindfamilien sowie 16 Prozent der Paarfamilien mit vier oder mehr Kindern Wohngeld (Abbildung 3-29). Damit bezieht etwa jede fünfte Fami-lie mit drei sowie mehr als jede dritte Familie mit vier oder mehr Kindern entweder SGB-II-Leistungen oder Wohngeld.
Abbildung 3‑29: Anteil der Familien, die Wohngeld beziehen, nach Familientyp, 2010
0 15105 20
Paarhaushalt mit 1 Kind
16
3
7
1
5
Paarhaushalt mit 2 Kindern
Paarhaushalt mit 3 Kindern
Paarhaushalt mit 4 und mehr Kindern
Alle Familien
Prozent
Wohngeld
Quelle: DIW-Datenkurzreport „Familien in Deutschland“ 2012 auf Basis von FID 2010 und SOEP 2010. Eigene Darstellung Prognos AG.
3.2.4 Subjektive Wahrnehmung der wirtschaftlichen Situation
Die wirtschaftlich etwas schwierigere Situation spiegelt sich auch in der subjektiven Wahr-nehmung der Mehrkindfamilien wider. Etwa die Hälfte der Ein-, Zwei- und Dreikindfamilien schätzt ihre Lage als sehr gut ein, aber nur etwas mehr als ein Drittel der Familien mit vier und mehr Kindern. Diese beurteilen ihre Situation mit 20 Prozent am häufigsten als (eher) schlecht, auch 16 Prozent der Drei-Kind-Familien haben eine negative Einschätzung ihrer Situation (Abbildung 3-30).
Abbildung 3‑30: Wie Familien ihre eigene wirtschaftliche Lage beurteilen, nach Zahl der Kinder, 2010, in Prozent
0 20 40 60 80 100
(Sehr) gut Es geht (Eher) schlecht
1 Kind 46 42 12
54 37 9
49 35 16
36 43 20
2 Kinder
3 Kinder
4 Kinder und mehr
Prozent
Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 5276 (2010), Akzeptanzanalyse I. Eigene Darstellung Prognos AG. Ohne Kosten für Wohnung.
3.2.5 Belastung durch Ausgaben
Es gibt bestimmte Kosten, durch die sich Mehrkindfamilien subjektiv in besonderer Weise belastet fühlen. Abgesehen von Wohnungskosten (vgl. Abschnitt 3.3) belasten Mehrkindfami-lien vor allem Ausgaben für Lebensmittel. Dabei nehmen sie hier mit 38 bzw. 44 Prozent deut-lich häufiger eine Belastung wahr als Familien mit zwei Kindern (30 %) (Abbildung 3-31).
Als große Belastung erleben Familien zudem die Ausgaben rund um das Auto (Benzin, Repara-turen, Versicherungen). Anders als bei den meisten anderen Ausgabenarten fühlen sich dabei Familien mit vier und mehr Kindern seltener belastet als Familien mit zwei oder drei Kindern.
Deutlich häufiger als kleinere Familien geben Familien mit vier und mehr Kindern dagegen
an, dass sie die Ausgaben für Schulausflüge und Schulmaterial stark belasten (etwa 30 %). Als belastend werden zudem die Ausgaben für die Förderung der Kinder (z. B. Nachhilfe, Sport-verein, Musikschule) sowie für Bus- und Bahntickets wahrgenommen.
Auch Ausgaben für Kleidung stellen für Mehrkindfamilien eine finanzielle Belastung dar.
Abbildung 3‑31: Anteil der Familien, die sich durch verschiedene Ausgaben sehr belastet fühlen, nach Zahl der
Kinder, 2010, in Prozent
3 Kinder 4 Kinder und mehr2 Kinder
0 2010 30
Prozent
40 50
2729
22Versicherungen, Altersvorsorge
1621
29Kleidung
711
17Ausgaben für die Förderung der Kinder
916
28Schulmaterial
1118
31Ausgaben für Schulausflüge
3941
34Ausgaben rund ums Auto
3038
44Lebensmittel, Essen und Trinken
Tickets für Bus und Bahn15
67
Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 5276 (2010), Akzeptanzanalyse I. Eigene Darstellung Prognos AG. Ohne Kosten für Wohnung.
Erkenntnisse
I Die Verteilung des Nettoeinkommens ist in Mehrkindfamilien und Familien mit zwei Kindern relativ ähnlich. Allerdings gibt es starke Unterschiede zwischen Mehrkind-familien mit und ohne Migrationshintergrund.
I Pro Kopf steht Mehrkindfamilien ein geringeres Einkommen zu Verfügung als Paar-haushalten mit weniger Kindern. Dies gilt insbesondere für Familien mit vier oder mehr Kindern.
I Mehrkindfamilien erwirtschaften ihren Lebensunterhalt wie andere Familien über-wiegend aus Erwerbstätigkeit. Familien mit vier oder mehr Kindern sind jedoch deutlich häufiger auf soziale Unterstützung angewiesen, insbesondere wenn ein Migrations-hintergrund vorliegt.
I Familien mit drei Kindern sind doppelt so häufig armutsgefährdet (16 %) wie Familien mit weniger Kindern. Leben vier oder mehr Kinder in der Familie, ist mehr als jede vierte Familie vom Armutsrisiko betroffen (28 %).
I Das Armutsrisiko von Mehrkindfamilien ist in Deutschland niedriger als im Durch-schnitt über alle 27 Länder der EU.
I Etwa jede fünfte Paarfamilie mit drei sowie mehr als jede dritte Paarfamilie mit vier oder mehr Kindern bezieht entweder SGB-II-Leistungen oder Wohngeld.
I Familien mit vier und mehr Kindern bewerten ihre wirtschaftliche Situation im Vergleich zu kleineren Familien häufiger als schlecht.
I Eine besondere Belastung sehen Mehrkindfamilien insbesondere in den Ausgaben für Lebensmittel, Mobilität, Kleidung sowie die Förderung der Kinder.
3.3 Wohnsituation
Mehrkindfamilien leben in Großstädten ähnlich häufig wie in ländlichen Gebieten.27 Auffällig ist, dass sich Mehrkindfamilien durch eine relativ hohe Wohnungsmobilität auszeichnen. Ihre Wohnungssuche wird teilweise durch Vorbehalte von Vermietern erschwert.28,29
Für viele Mehrkindfamilien ist der Erwerb von Eigentum eine Alternative zur Miete. 51 Pro-zent der Familien mit Kindern unter 18 Jahren leben im Wohneigentum. Dabei unterscheiden sich jedoch Dreikindfamilien mit einem leicht überdurchschnittlichen Anteil an Eigentü-mern (55 Prozent) deutlich von den Familien mit vier und mehr Kindern, die den niedrigsten Eigentümer anteil an allen Familien aufweisen (Abbildung 3-32).30
Abbildung 3‑32: Anteil der Wohneigentümer nach Kinderzahl und Durchschnitt aller Haushalte mit Kindern,
2010, in Prozent
0
25
50
75
100
EigentümerMieter
Proz
ent
1 Kind
46
54
2 Kinder
57
43
3 Kinder
55
45
4 und mehr Kinder
44
46
alle Haushaltemit Kindern unter
18 Jahren
51
49
Quelle: Statistisches Bundesamt (2010), Fachserie 5, Heft 1.
In der Bewertung der Wohnungsgröße sind deutliche Unterschiede zwischen Mietern und Eigentümern festzustellen: Mieter schätzen die Wohnungsgröße häufiger als Eigentümer als „zu klein“ ein. Von den Mehrkindfamilien, die zur Miete wohnen, halten sogar 55 Prozent ihre Wohnung für zu klein (Abbildung 3-33). Das sind fast 20 Prozentpunkte mehr als beim Durch-schnitt aller Familien mit minderjährigen Kindern. Die Unterschiede sind bei den Eigentü-mern deutlich schwächer ausgeprägt.
27 Mikrozensus 2011, Sonderauswertung s13045. FaFo FamilienForschung Baden-Württemberg (2008): Kinderreiche Familien, Stuttgart.
28 Keddi et al. (2010): Der Alltag von Mehrkinderfamilien – Ressourcen und Bedarfe. Forschungsbericht DJI, Berlin; Eggen, B., Rupp, M. (2006): Kinderreiche Familien, Wiesbaden, mit weiteren Nachweisen.
29 Daten zur Benachteiligung bei der Wohnungssuche gibt es auf Bundesebene nicht. Jedoch kommt eine Mieter-befragung der Wohnungsbauförderungsgesellschaft NRW zu dem Ergebnis, dass sich rund sieben Prozent der Wohnungsuchenden diskriminiert fühlen, weil seitens des Vermieters keine große Familie erwünscht ist. Vgl. Wohnungsbauförderungsgesellschaft NRW (2009): Wohnungsmarktbeobachtung Nordrhein-Westfalen. Mieterbefragung NRW. Schwerpunkt: Zur Situation einkommensschwacher Haushalte, S. 6.
30 Dabei ist anzumerken, dass Wohnen im Eigentum nicht unbedingt kostengünstiger ist als Wohnen im gemieteten Wohnraum. Familien mit Eigentum müssen auch Aufwendungen für Wohnnebenkosten („Warmmiete“) aufbrin-gen und zusätzlich häufig noch Zinsen („Kaltmiete“) zahlen und Darlehen tilgen.
Abbildung 3‑33: Einschätzungen zur Wohnungsgröße, Mehrkindfamilien im Vergleich zum Durchschnitt der
Familien mit minderjährigen Kindern, 2010
0
25
50
75
100
gerade richtig zu kleinzu groß
Mehrkind-familien
(FiD)
alle Familien(SOEP)
Mieter Eigentümer
Mehrkind-familien
(FiD)
alle Familien(SOEP)
Proz
ent
60
36
4
25
71
3
20
73
7
55
43
2
Quelle: FiD und SOEP 2010. Eigene Berechnungen Prognos AG.
Mit steigender Kinderzahl verfügen die Haushalte in der Regel auch über mehr Wohnfläche. Während Paare mit einem Kind knapp 106 m² Wohnfläche insgesamt haben, verfügen Paare mit zwei Kindern über rund 124 m². Mehrkindfamilien nutzen im Durchschnitt 140 m² Wohn-raum.31
Pro Kopf sind die durchschnittlichen Wohnflächen jedoch häufig kleiner: Mehrkindfamilien steht deutlich häufiger (41 %) als durchschnittlich großen Familien (12 %) eine Wohnfläche von
bis zu 20 Quadrametern pro Kopf zur Verfügung (Abbildung 3-34). Bei einer Familie mit fünf Mitgliedern entspricht das einer Wohnfläche von maximal 100 m².
31 Statistisches Bundesamt (2009): Zuhause in Deutschland. Ausstattung und Wohnsituation privater Haushalte. Ergebnisse auf Basis der EVS 2008.
Abbildung 3‑34: Quadratmeter pro Kopf, Mehrkindfamilien im Vergleich zum Durchschnitt der Familien
mit minderjährigen Kindern, 2010
0
20
40
60
80
100
21 bis 30 Quadratmeter pro Person
mehr als 30 Quadratmeter pro Person
bis 20 Quadratmeter pro Person
Proz
ent
Durchschnitt aller Familien(SOEP)
43
45
12
Mehrkindfamilien(FiD)
41
39
20
Quelle: FiD und SOEP 2010. Eigene Berechnungen Prognos AG.
Die Bedeutung der Wohnungsgröße sollte jedoch nicht überschätzt werden. Wichtiger als der gemeinschaftlich genutzte Wohnraum ist es, ob Kinder die Möglichkeit haben, sich auch ein-mal – bspw. in ein eigenes Zimmer – zurückziehen zu können.32
In Bezug auf die Kosten für die Bruttokaltmiete kann festgehalten werden, dass kleinere Haus-halte im Durchschnitt höhere Quadratmetermieten zahlen als größere Haushalte. Haushalte
mit drei und mehr Kindern zahlen durchschnittlich 5,84 Euro pro Quadratmeter – weniger als den Durchschnittspreis von 6,51 Euro.33 Wird auf die Wohnfläche abgestellt, so zeigt sich jedoch, dass Wohnungen mit mehr als 120 m² mit einem durchschnittlichen Quadratmeter-preis von 6,54 Euro überdurchschnittlich teuer sind. Mehrkindfamilien, die Wohnungen in dieser Größenordnung bewohnen, können durch Mietzahlungen stark belastet sein.
Die Mietbelastung wird gemäß Eurostat-Definition als Verhältnis der Mietausgaben zum Haushaltseinkommen definiert. Im Jahr 2009 wendeten die Mieterhaushalte 22 Prozent ihres Einkommens für die Bruttokaltmiete auf. Die Mietbelastungsquote der Familien mit einem sowie zwei Kindern belief sich auf 17 bzw. 16 Prozent; die Mietaufwendungen der Mehrkind-familien beliefen sich auf 18 Prozent ihres Einkommens.34
32 LBS-Kinderbarometer 2012, http://www.lbs.de/bw/presse/initiativen/kinderbarometer/ rueckzugsmoeglichkeiten.
33 Wohngeld- und Mietenbericht 2010, BT-Drucksache 17/6280, S. 50.34 Wohngeld- und Mietenbericht 2010, BT-Drucksache 17/6280, S. 51.
Eine Überbelastung durch die Miete ist definitionsgemäß erreicht, wenn bei einem Haushalt die Ausgaben für die Miete (abzüglich Wohngeld und Kosten der Unterkunft und Heizung) 40 Prozent des verfügbaren Einkommens überschreiten. Laut dem Vierten Armuts- und Reich-tumsbericht gaben im Jahr 2010 insgesamt sieben Prozent der Paarhaushalte mit drei und mehr Kindern mehr als 40 Prozent ihres Nettoeinkommens für die Bruttokaltmiete aus. Im Vergleich zum Jahr 2006 hat sich der Anteil der überlasteten Paarhaushalte mit drei und mehr Kindern fast verdoppelt (4 %).
Auch in Relation zu Paarhaushalten mit weniger Kindern zeigt sich, dass vergleichsweise viele Mehrkindfamilien durch die Miete überbelastet sind: Von den Paarhaushalten mit einem oder zwei Kindern weisen aktuell lediglich zwei bis drei Prozent der Familien eine Mietbelastung von über 40 Prozent auf.35
Schließlich ist festzuhalten, dass sich der Wohnungsbestand und die Mieten in Deutschland von Region zu Region unterschiedlich gestalten: Die Spannweite der durchschnittlichen Woh-nungsgrößen reicht von unter 80 m² (bspw. in den Stadtstaaten sowie in Sachsen und Meck-lenburg-Vorpommern) bis zu mehr als 105 m² (bspw. in Teilen Niedersachsens und Rheinland-Pfalz). Auch die Bruttokaltmieten variieren regional stark und reichen von unter 5 Euro bis zu mehr als 7 Euro pro m².36 Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass auch die Suchdauer von geeignetem Wohnraum für Mehrkindfamilien in Abhängigkeit von den regio-nalen Gegebenheiten unterschiedlich lang ausfällt.37
Bemerkenswert sind im Hinblick auf regionale Unterschiede auf den Wohnungsmärkten auch die Ergebnisse einer Bertelsmann-Studie.38 Demnach sind in den 100 größten Städten in Deutschland nur durchschnittlich 27 Prozent der Mietwohnungen für Familien geeignet, da sie mindestens 75 m2 und drei Zimmer haben. Auch die Finanzierbarkeit der Mietwohnungen variiert stark: Für Familien mit geringem Einkommen sind im Durchschnitt nur zwölf Prozent der Mietwohnungen überhaupt finanzierbar. Obwohl die Studie Mehrkindfamilien nicht in den Fokus nimmt, kann davon ausgegangen werden, dass die Ergebnisse auch auf die Lage ein-
kommensarmer Familien mit drei oder mehr Kindern auf den Wohnungsmärkten übertragbar sind.
35 BMAS (2013): Lebenslagen in Deutschland. Der vierte Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, S. 388f.
36 Statistisches Bundesamt (2010): Bauen und Wohnen. Mikrozensus-Zusatzerhebung 2010. S. 11f.37 Daten auf Bundesebene liegen dazu nicht vor. Jedoch kommt bspw. die Wohnungsbauförderanstalt des Landes
NRW auf Basis einer Mieterbefragung zu dem Schluss, dass im Jahr 2005 Mehrkindfamilien 3,5 Monate für die Wohnungssuche benötigt haben; im Durchschnitt aller Haushalte belief sich die Dauer der Wohnungssuche auf 2,6 Monate. Vgl. Drucksache des Landtags NRW 14/2230, S. 95.
38 Bertelsmann-Stiftung (2013): Wohnungsangebot für arme Familien in Großstädten. Eine bundesweite Analyse am Beispiel der 100 einwohnerstärksten Städte.
Erkenntnisse
I Mehrkindfamilien stehen pro Person weniger Quadratmeter zur Verfügung als kleineren Familien.
I Die Hälfte der Mehrkindfamilien besitzt Wohneigentum. Eigentümer sind in der Regel mit ihrer Wohnsituation zufrieden.
I Weniger zufrieden mit der Wohnsituation sind Mehrkindfamilien in gemietetem Wohnraum. 55 Prozent der Mehrkindfamilien, die zur Miete wohnen, halten ihre Wohnung für zu klein.
I Mehrkindfamilien, die zur Miete wohnen, sind im Vergleich zu kleineren Familien doppelt so häufig durch die Mietkosten überbelastet.
I Der Anteil von Mehrkindfamilien im Wohngeldbezug ist überproportional hoch.
3.4 Familienleben
3.4.1 Zeitverwendung
Die Vermutung liegt nahe, dass Eltern mit drei oder mehr Kindern besonders viel Zeit mit der Betreuung und Versorgung ihrer Kinder verbringen. Mit Blick auf die Zeitverwendung zeigt sich tatsächlich, dass Mütter aus Paarfamilien an Wochentagen umso mehr Zeit mit der Kinderbetreuung verbringen, je mehr Kinder im Haushalt leben. Mütter mit vier und mehr Kindern wenden durchschnittlich 8,8 Stunden und damit rund eine Stunde mehr Zeit für die Kinderbetreuung auf als Mütter mit drei Kindern (7,7 Stunden) oder zwei Kindern (7,5 Stun-den). Am größten fällt der Abstand zu Müttern aus, die nur ein Kind betreuen (5,8 Stunden) (Tabelle 3-1).
Allerdings hängt das für die Kinderbetreuung aufgewandte Zeitbudget stark mit der Erwerbs-tätigkeit zusammen. Unabhängig von der Kinderzahl verbringen nicht erwerbstätige Mütter
die meiste Zeit mit der Kinderbetreuung (zwischen neun und zehn Stunden). Auch Mütter von zwei oder mehr Kindern, die in Teilzeit arbeiten, unterscheiden sich in ihrer für die Kinder-betreuung aufgewandten Zeit (zwischen fünf und sechs Stunden) kaum nach Kinderzahl.
Der vermutete Zusammenhang, dass der Aufwand für die Kinderbetreuung mit der Kinder-zahl ansteigt, gilt somit im Grunde nur für in Vollzeit beschäftigte Mütter. Mütter aus Mehr-kindfamilien, die in Vollzeit arbeiten, wenden unter der Woche ähnlich viel Zeit für die Betreuung ihrer Kinder auf wie Mütter mit drei Kindern und einer Teilzeitstelle. Im Gegensatz dazu reduziert sich bei Müttern mit einem oder zwei Kindern der Betreuungsaufwand bei einer Vollzeitstelle gegenüber einer Teilzeiterwerbstätigkeit erkennbar.
Tabelle 3‑1: Durchschnittliche Zeit für Kinderbetreuung, Mütter nach Anzahl der Kinder, 2011, in Stunden
an Wochentagenan Wochen‑
endennicht erwerbstätig
Teilzeit Vollzeit Gesamt
Paarhaushalt mit 1 Kind
9,1 5,0 4,0 5,8 8,2
Paarhaushalt mit 2 Kindern
10,4 6,5 5,3 7,5 9,8
Paarhaushalt mit 3 Kindern
9,3 5,9 5,8 7,7 9,4
Paarhaushalt mit 4 und mehr Kindern
10,0 6,1 6,0 8,8 9,9
Quelle: DIW-Datenkurzreport „Familien in Deutschland“ 2012 auf Basis von FiD 2011 und SOEP 2011. Eigene Darstellung Prognos AG.
Deutlicher als bei der Kinderbetreuung zeigt sich ein Zusammenhang zwischen der Kinder-
zahl und dem erforderlichen Zeitaufwand für die Hausarbeit. Mütter mit vier und mehr Kin-dern erledigen an einem Wochentag durchschnittlich 4,5 Stunden Hausarbeit, Mütter mit drei Kindern dagegen eine Stunde weniger. Mütter mit einem Kind arbeiten etwa 2,3 Stunden, Mütter mit zwei Kindern 2,9 Stunden im Haushalt. Dabei gilt für alle Mütter, dass der Zeitauf-wand umso geringer ist, je mehr Stunden sie erwerbstätig sind. An Wochenenden ist der Zeit-aufwand bei allen Müttern – mit Ausnahme der Mütter mit einem Kind – etwas geringer als unter der Woche (Tabelle 3-2).
Tabelle 3‑2: Durchschnittliche Zeit für Hausarbeit, Mütter nach Anzahl der Kinder, 2011, in Stunden
an Wochentagenan Wochen‑
endennicht erwerbstätig
Teilzeit Vollzeit Gesamt
Paarhaushalt mit 1 Kind
2,9 2,1 1,8 2,3 2,3
Paarhaushalt mit 2 Kindern
3,7 2,6 2,2 2,9 2,6
Paarhaushalt mit 3 Kindern
3,9 3,1 2,8 3,5 2,9
Paarhaushalt mit 4 und mehr Kindern
5,0 3,4 3,2 4,5 3,9
Quelle: DIW-Datenkurzreport „Familien in Deutschland“ 2012 auf Basis von FiD 2011 und SOEP 2011. Eigene Darstellung Prognos AG.
Väter beteiligen sich an Wochentagen über alle Familientypen hinweg in deutlich geringerem zeitlichen Umfang an der Kinderbetreuung als Mütter. Insgesamt zeigen sich dabei nur geringe Unterschiede nach Anzahl der Kinder. Lediglich bei Vätern aus Mehrkindfamilien, die nicht erwerbstätig sind, fällt der Zeitaufwand für die Kinderbetreuung erkennbar höher aus als bei Vätern aus kleineren Familien (Tabelle 3-3).
An Wochenenden verbringen Väter mehr als doppelt so viel Zeit mit der Kinderbetreuung wie unter der Woche, aber dennoch deutlich weniger Stunden als die Mütter.
Tabelle 3‑3: Durchschnittliche Zeit für Kinderbetreuung, Väter nach Anzahl der Kinder, 2011, in Stunden
an Wochentagenan Wochen‑
endennicht erwerbstätig
Teilzeit Vollzeit Gesamt
Paarhaushalt mit 1 Kind
4,0 2,1 1,7 2,0 4,7
Paarhaushalt mit 2 Kindern
4,5 2,6 1,9 2,1 5,1
Paarhaushalt mit 3 Kindern
6,2 2,5 1,8 2,6 5,5
Paarhaushalt mit 4 und mehr Kindern
5,9 (3,4) 1,6 2,7 5,2
Quelle: DIW-Datenkurzreport „Familien in Deutschland“ 2012 auf Basis von FiD 2011 und SOEP 2011. Eigene Darstellung Prognos AG. ()= geringe Fallzahlen.
Auch die Zeit, mit der sich Väter an der Hausarbeit beteiligen, unterscheidet sich kaum nach Kinderzahl und liegt mit etwa einer Stunde sowohl an Wochentagen als auch am Wochenende deutlich unter dem Wert der Mütter (Tabelle 3-4).
Tabelle 3‑4: Durchschnittliche Zeit für Hausarbeit, Väter nach Anzahl der Kinder, 2011, in Stunden
an Wochentagenan Wochen‑
endennicht erwerbstätig
Teilzeit Vollzeit Gesamt
Paarhaushalt mit 1 Kind
1,4 0,6 0,6 0,7 0,9
Paarhaushalt mit 2 Kindern
1,5 0,9 0,6 0,6 0,9
Paarhaushalt mit 3 Kindern
1,6 1,1 0,6 0,8 1,1
Paarhaushalt mit 4 und mehr Kindern
1,8 (1,2) 0,6 0,9 1,1
Quelle: DIW-Datenkurzreport „Familien in Deutschland“ 2012 auf Basis von FiD 2011 und SOEP 2011. Eigene Darstellung Prognos AG. ()= geringe Fallzahlen.
3.4.2 Einstellungen zur familiären Arbeitsteilung
Mehrkindfamilien teilen ähnliche Einstellungen zur familiären Arbeitsteilung wie kleinere Familien. Mütter aus Mehrkindfamilien sind ebenso wie Mütter mit weniger Kindern über-wiegend der Auffassung, dass sich Männer genauso an der Hausarbeit beteiligen sollten wie Frauen. Bei Vätern mit bis zu drei Kindern fällt die Zustimmung nur unwesentlich geringer aus als bei den Müttern. Allerdings teilen Väter von vier und mehr Kindern diese Meinung seltener (70 %) als Väter von drei Kindern (86 %) (Abbildung 3-35).
Abbildung 3‑35: Einstellungen zur Familien‑ und Hausarbeit, Mütter und Väter, nach Anzahl der Kinder,
2010, in Prozent
Mütter Väter
Proz
ent
Mit 1 Kind
Männer sollten sich genauso an der Hausarbeit beteiligen wie Frauen
0
25
50
100
75
Mit 2 Kindern Mit 3 Kindern Mit 4 odermehr Kindern
9488 90
8389 86 88
70
Mütter Väter
Proz
ent
Mit 1 Kind
Am besten ist es, wenn beide Partner sich zu gleichen Teilenum den Haushalt und die Familie kümmern
0
25
50
100
75
Mit 2 Kindern Mit 3 Kindern Mit 4 odermehr Kindern
70 69 67 6560
55
4350
Quelle: DIW-Datenkurzreport „Familien in Deutschland“ 2012 auf Basis von FiD 2010 und SOEP 2010. Eigene Berechnung Prognos AG. Nur Paarfamilien.
Deutlich seltener als Mütter und Väter mit weniger Kindern streben Eltern aus Mehrkind-familien dagegen an, dass beide Partner sich zu gleichen Teilen um Haushalt und Familie kümmern.
3.4.3 Zufriedenheit mit der Zeitwahrnehmung
Mütter mit drei Kindern (58 %) haben ebenso wie Mütter mit vier und mehr Kindern (60 %) mehrheitlich den Eindruck, dass sie auch an Werktagen genug Zeit haben, um sich mit ihrer Familie zu beschäftigen (Abbildung 3-36). Nur jede fünfte Mutter mit drei und mehr Kindern hat das Gefühl, zu wenig Zeit für ihre Kinder zu haben. Bei Müttern mit weniger Kindern ist dieser Anteil mit 17 Prozent etwas geringer.39
39 Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 6119 (2011), Akzeptanzanalyse II.
Gleichzeitig hat jedoch knapp die Hälfte (48 %) der Mütter mit vier und mehr Kindern den Eindruck, oft unter Stress zu stehen. Bei Müttern mit zwei oder drei Kindern betrifft dies etwas weniger Mütter. Ebenso vermissen vor allem Mütter mit vier und mehr Kindern Zeit für sich alleine (47 %).
Abbildung 3‑36: Einstellungen zur Zeit, Mütter und Väter, nach Anzahl der Kinder, 2011, in Prozent
Ich habe häufig zu wenig Zeit für meine Kinder
Ich habe auch an Werktagen genug Zeit, um mich mitmeiner Familie zu beschäftigen
Ich stehe oft unter Stress
Ich habe zu wenig Zeit für mich alleine
Mit 2 Kindern
Mit 4 und mehr KindernMit 3 Kindern
Mit 1 Kind
0 25
Prozent
Mütter
50 75 100
1717
2122
54575860
404443
48
3239
4247
Ich habe häufig zu wenig Zeit für meine Kinder
Ich habe auch an Werktagen genug Zeit, um mich mitmeiner Familie zu beschäftigen
Ich stehe oft unter Stress
Ich habe zu wenig Zeit für mich alleine
Mit 2 Kindern
Mit 4 und mehr KindernMit 3 Kindern
Mit 1 Kind
0 25
Prozent
Väter
50 75 100
3442
5349
3932
2232
4450
5355
2727
3337
Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 6119 (2011), Akzeptanzanalyse II. Eigene Darstellung Prognos AG.
Die Antworten der Väter deuten auf ein etwas anderes Ausmaß an „Zeitstress“ hin: Auch Väter klagen umso häufiger über Stress, je mehr Kinder sie haben. Gleichzeitig haben jedoch Väter mit drei und mehr Kindern besonders häufig den Eindruck, zu wenig Zeit für ihre Kinder zu haben. Weniger als die Mütter vermissen sie dagegen Zeit für sich alleine.
Die hohe zeitliche Belastung der Eltern aus Mehrkindfamilien bedeutet aber nicht, dass sie sich den Aufgaben und Anforderungen nicht gewachsen fühlen. Mit 16 Prozent haben Eltern aus Mehrkindfamilien ungleich häufiger als Eltern mit einem Kind (11 %) oder zwei Kindern (13 %) den Eindruck, überfordert zu sein.40
3.4.4 Zusammenleben mit Eltern und Geschwistern
Familien mit drei und mehr Kindern halten gut zusammen und unterscheiden sich dabei kaum von kleineren Familien. Auch das Verhältnis zwischen Kindern und Eltern nehmen Mehrkindfamilien als ähnlich gut wahr wie andere Familien (Abbildung 3-37).41
Allerdings scheint die Stimmung in Mehrkindfamilien etwas häufiger angespannt zu sein, als dies bei Familien mit weniger Kindern der Fall ist. Dabei geben Familien mit vier oder mehr Kindern am häufigsten an, dass die Stimmung in der Familie „oft sehr gespannt, rich-tig gereizt“ ist, jedoch liegt auch ihre Zustimmung lediglich bei 19 Prozent (Familien mit drei Kindern: 14 %).
40 DIW-Datenkurzreport „Familien in Deutschland“ 2012 auf Basis von FiD 2010 und SOEP 2010.41 Lediglich Eltern mit zwei Kindern geben häufiger an, dass sich Kinder und Eltern sehr gut verstehen.
Abbildung 3‑37: Einstellungen zum Zusammenleben, Eltern nach Anzahl der Kinder, 2010/2011, in Prozent
Die Stimmung bei uns in der Familie ist oft sehrgespannt, richtig gereizt
Bei uns in der Familie verstehen sich Kinder undEltern sehr gut
Unsere Familie hält gut zusammen
Für meine Familie stelle ich oft eigene Wünsche undInteressen zurück
Eltern sollten von ihren Kindern auch etwas erwarten,etwas von ihnen verlangen
Bei uns in der Familie unternehmen Eltern und Kinderviel getrennt voneinander
Mit 2 Kindern
Mit 4 und mehr KindernMit 3 Kindern
Mit 1 Kind
0 25
Prozent
50 75 100
1214
19
5763
6676
8776
72
10
758181
78
72
5567
7373
1420
2229
Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 5276 (2010), Akzeptanzanalyse I und Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 6119 (2011), Akzeptanzanalyse II. Eigene Darstellung Prognos AG.
Häufiger als Eltern mit weniger Kindern stellen Eltern von Mehrkindfamilien ihre eigenen Wünsche und Interessen für die Familie zurück. Besonders häufig trifft dies auf Eltern mit vier oder mehr Kindern zu (76 %).
Gleichzeitig ist es Eltern von Mehrkindfamilien aber auch sehr wichtig, dass sich ihre Kinder aktiv am Familienleben beteiligen: Knapp drei Viertel der Eltern von drei oder mehr Kindern sind der Meinung, dass Eltern „von ihren Kindern auch etwas erwarten, etwas von ihnen verlangen“ sollten.42 Dabei zeigen Auswertungen des DJI, dass sich Kinder aus Mehrkindfami-lien tatsächlich stärker an familiären Pflichten beteiligen als Kinder aus kleineren Familien. Insbesondere ältere Kinder unterstützen häufiger bei der Hausarbeit und beteiligen sich öfter
42 Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 5276 (2010), Akzeptanzanalyse I und Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 6119 (2011), Akzeptanzanalyse II.
an der Betreuung der Geschwister.43 Zudem helfen ältere ihren jüngeren Geschwistern bei der Eingewöhnung in eine Kindertageseinrichtung und stehen ihnen als Bezugs- und Bindungs-personen zur Verfügung.44
In Mehrkindfamilien ist es auch üblicher, dass die Kinder etwas getrennt von den Eltern unter-nehmen45, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Familien: So bleiben in Mehrkind familien „Vater und Mutter häufiger bei den Aktivitäten der Kinder außen vor – das Spiel konzentriert sich mehr auf die Geschwisterkinder, mit denen beispielsweise zusammen musiziert oder fern-gesehen wird“. Zugleich unternehmen Kinder mit zwei und mehr Geschwistern auch früher als andere Kinder etwas alleine oder mit Freunden, ohne dass ein anderes Familien mitglied dabei ist.46
Dies deutet darauf hin, dass Kinder aus Mehrkindfamilien in einem Kontext aufwachsen, der eine hohe Selbstständigkeit fördert und durch den sie frühzeitig lernen, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen.
Aus der Geschwisterforschung ist zudem die hohe Bedeutung von Geschwisterkindern für die Persönlichkeitsentwicklung bekannt: Ältere Geschwister sind Vorbilder, an denen sich die jüngeren orientieren können und die Nachahmungslernen ermöglichen. Geschwister können sich Trost, Verständnis und Zusammenhalt geben. Da Geschwisterbeziehungen stets durch den latenten Widerspruch zwischen Liebe und Rivalität geprägt sind, wird die soziale Kompetenz der Kinder immer wieder aufs Neue herausgefordert. Mit Geschwistern zu leben, bedeutet immer wieder neu, Regeln und Rollen miteinander auszuhandeln, zu streiten und sich abzu-grenzen. Es ist möglich, „dass Talente, die als Einzelkind möglicherweise verborgen geblieben wären, sich nur deshalb entwickeln, weil Nachgeborene sich besonders kreativ zeigen müssen, um unbesetzte Betätigungsfelder zu finden“.47
Aktuelle statistische Analysen zum Wohlergehen zeigen, dass sich Kinder aus Mehrkindfami-lien genauso gut entwickeln wie Kinder aus Familien mit zwei Kindern. Für die Altersgruppe
der 9- bis 10-Jährigen ergibt sich sogar ein Entwicklungsvorsprung gegenüber Einzelkindern.48
43 Keddi et al. (2010): Der Alltag von Mehrkinderfamilien – Ressourcen und Bedarfe. Forschungsbericht DJI, Berlin, S. 55.
44 Brock, Ines (2010): Familien- und Geschwisterdynamik in Mehrkindfamilien im Kontext unterschiedlicher Kin-derbetreuungsarrangements. Eine qualitative Fallstudie. Vortrag. Online abrufbar unter http://www.ines-brock.de/data/forschung/Dissertation/Verteidigung20091.pdf, letzter Zugriff am 02.09.2013.
45 Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 5276 (2010), Akzeptanzanalyse I und Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 6119 (2011), Akzeptanzanalyse II.
46 Keddi et al. (2010): Der Alltag von Mehrkinderfamilien – Ressourcen und Bedarfe. Forschungsbericht DJI, Berlin, S. 52.
47 Brock, Ines (2007): Geschwisterlosigkeit und wie der Mut zur Mehrkindfamilie geweckt werden kann. Im Internet unter: http://www.ines-brock.de/data/forschung/Demographie-Brock.pdf
48 RUB (2013): Endbericht des Moduls Wohlergehen von Kindern, Bochum, S. 105.
3.4.5 Einstellungen zur Förderung der Kinder
Eltern aus Mehrkindfamilien legen viel Wert darauf, dass ihre Kinder schon möglichst früh gefördert werden. Familien mit vier oder mehr Kindern stimmen dem mit 56 Prozent aber etwas seltener zu als Eltern mit zwei oder drei Kindern (ca. 60 Prozent).
18 Prozent der Eltern sagen, dass sie oft unsicher sind, wie sie ihr Kind am besten fördern können. Hier zeigen sich kaum Unterschiede zwischen Familien mit drei Kindern und Fami-lien mit einem oder zwei Kindern. Eltern mit vier oder mehr Kindern sind sich mit 26 Prozent etwas häufiger unsicher, wie sie ihre Kinder am besten fördern sollen.
Besonders häufig geben Eltern aus Mehrkindfamilien zudem an, dass sie ihre Kinder gerne stärker fördern würden, sich dies jedoch finanziell nicht leisten können. Während dies bei 27 Prozent der Familien mit drei Kindern der Fall ist, liegt der Wert bei Familien mit vier oder mehr Kindern bei 43 Prozent. Auch zeitliche Einschränkungen sehen Eltern mit vier oder mehr Kindern häufiger als Hindernis für eine Förderung ihrer Kinder an als kleinere Familien.
Abbildung 3‑38: Einstellungen zur Förderung der Kinder, Eltern, nach Anzahl der Kinder, 2011, in Prozent
Ich finde es wichtig, Kinder schon möglichst frühzu fördern
Ich bin oft unsicher, wie ich meine Kinder am bestenfördern soll
Ich habe leider nicht genug Zeit, um mein Kind/meine Kinder so zu fördern, wie ich es gerne möchte
Ich würde mein Kind gerne stärker fördern, kann mir dasaber finanziell nicht leisten
Mit 2 Kindern
Mit 4 und mehr KindernMit 3 Kindern
Mit 1 Kind
0 20
Prozent
40 60 80
6160
56
1818
2126
67
1616
1726
1719
2743
Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 6119 (2011), Akzeptanzanalyse II. Eigene Darstellung Prognos AG.
Erkenntnisse
I Mütter von drei oder mehr Kindern, die nicht erwerbstätig sind, verbringen wochentags etwa neun Stunden mit der Kinderbetreuung – und damit ähnlich viele Stunden wie Mütter mit weniger Kindern.
I Der Aufwand der Mütter für die Hausarbeit steigt mit der Kinderzahl dagegen erkenn-bar an.
I Väter beteiligen sich auch in Mehrkindfamilien deutlich weniger als Mütter an der Kinderbetreuung und Hausarbeit.
I Mütter aus Mehrkindfamilien haben überwiegend genug Zeit für die Familie und die Kinder. Insbesondere Mütter mit vier und mehr Kindern stehen aber oft unter Stress.
I Väter aus Mehrkindfamilien hätten gerne mehr Zeit für ihre Kinder und fühlen sich besonders häufig gestresst.
I Familien mit drei und mehr Kindern halten gut zusammen und unterscheiden sich dabei kaum von kleineren Familien.
I Eltern aus Mehrkindfamilien sehen sich ganz überwiegend ihren Aufgaben und Anfor-derungen gewachsen.
I Kinder aus Mehrkindfamilien lernen frühzeitig, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen. Zugleich haben Geschwister eine zentrale Bedeutung für die Persönlich-keitsentwicklung.
I Eltern aus Mehrkindfamilien legen viel Wert auf die Förderung ihrer Kinder, stehen dabei aber häufiger als kleinere Familien vor finanziellen und zeitlichen Herausforde-rungen.
3.5 Mehrkindfamilien in verschiedenen wirtschaftlichen Situationen: Vorschlag für eine Typologie
Mehrkindfamilien unterscheiden sich in ihrer Lebenssituation nicht nur von kleineren Fami-lien, sondern auch zwischen Mehrkindfamilien scheinen – insbesondere in Bezug auf die wirt-schaftliche Situation – deutliche Unterschiede zu bestehen. Es gibt nicht die Mehrkindfamilie, sondern viele Formen von Mehrkindfamilien.49
Um ein besseres Bild davon zu bekommen, in welchen wirtschaftlichen Situationen sich Mehrkindfamilien befinden, wird im Folgenden versucht, explorativ verschiedene Typen von Mehrkindfamilien aufzuspüren. Ein geeignetes Verfahren, um solche ähnlichen Typen zu bilden, ist das statistische Verfahren der Clusteranalyse.50
49 Eggen, B., Rupp, M. (2006): Kinderreiche Familien, Wiesbaden, Keddi et al. (2010): Der Alltag von Mehrkinder-familien – Ressourcen und Bedarfe. Forschungsbericht DJI, Berlin.
50 Der Vorteil des Verfahrens besteht gegenüber theoretisch hergeleiteten Typen darin, dass im Vorfeld keine Annahmen über die Zusammensetzung der Typen formuliert werden müssen. Stattdessen müssen lediglich ein-schlägige Indikatoren ausgewählt werden, die in die Analyse mit einbezogen werden sollen. Mithilfe der Cluster-analyse werden die Mehrkindfamilien so gruppiert, dass die Unterschiede zwischen den Mehrkindfamilien eines Typs (= Clusters) möglichst gering sind, die Unterschiede zwischen den Typen hingegen möglichst groß.
Als einschlägige Indikatoren zur Beschreibung der wirtschaftlichen Situation von Mehrkind-familien wurden in der hier auf Basis des FiD-Datensatzes durchgeführten Clusteranalyse Angaben zur sozioökonomischen Situation, der Erwerbskonstellation sowie der Bildung und Ausbildung des Elternpaares ausgewählt. Im Einzelnen sind dies folgende vier Indikatoren: I Verfügbares Haushaltsnettoeinkommen pro Monat: Das Haushaltsnettoeinkommen dient als
grobe Einordnung des finanziellen Spielraums, den die Familien mit drei und mehr Kindern zur Verfügung haben. Bei dem Indikator des verfügbaren Nettohaushaltseinkommens sind neben dem Einkommen aus Erwerbstätigkeit folgende Leistungen berücksichtigt: Kinder-geld, Sold, BAföG-Bezüge, Mutterschutzleistungen, Unterhaltszahlungen während der Aus-bildung, ALG-II-Leistungen, Bezüge aus Witwenrente und Rentenleistungen. Die Angabe liegt auf Haushaltsebene vor.51
I Bezug von Leistungen zur Grundsicherung (ALG II): Der Indikator weist aus, ob der Haushalt im letzten Kalenderjahr (2009) oder zum Zeitpunkt der Befragung (2010) ALG-II-Leistungen oder Sozialgeld bezogen hat.
I Erwerbskonstellation des Paares: Abgeleitet aus den Personenangaben der Paareltern zur Erwerbstätigkeit, gibt der Indikator Auskunft darüber, ob beide Elternteile, ein Elternteil oder kein Elternteil erwerbstätig ist.52 Der Erwerbsumfang wird hierbei nicht berücksichtigt.
I Höchster erreichter Berufs‑ bzw. Bildungsabschluss von Mutter und/oder Vater: Das Qualifi-kationsniveau der Eltern wird als Personeninformation in Anlehnung an die International Standard Classification of Education (ISCED-1997) abgebildet und berücksichtigt Ausbil-dungs- und Berufsausbildungsabschlüsse. In der Clusteranalyse wird der höchste erreichte Abschluss der Partner berücksichtigt.53
Um valide Ergebnisse zu erzielen, beschränkt sich die Clusteranalyse ausschließlich auf die Gruppe der Familien mit drei oder mehr Kindern unter 18 Jahren mit zwei Elternteilen (Paarhaushalte).54 Mehrkindfamilien mit alleinerziehendem Elternteil werden separat betrachtet.
51 Die FiD-Daten erlauben – im Gegensatz zu den SOEP-Daten – zur Beschreibung des Haushaltseinkommens nur laufende Einkommen, nicht aber die Vermögenssituation.
52 Bei rd. 10 % der Mehrkindfamilien-Paarhaushalte liegt im Datensatz nur eine Personeninformation vor. Bei diesen Haushalten geht nur die verfügbare Personeninformation zur Erwerbstätigkeit in die Analyse ein.
53 Bei rd. 10 % der Mehrkindfamilien-Paarhaushalte liegt im Datensatz nur eine Personeninformation vor. Bei diesen Haushalten geht nur die verfügbare Personeninformation zur Erwerbstätigkeit in die Analyse ein.
54 Die Clusteranalyse wird auf Ebene der Haushalte durchgeführt, als Kriterien zur Beschreibung der Cluster fließen jedoch auch Personenangaben der Eltern mit ein. Eine Berücksichtigung der alleinerziehenden Eltern mit drei oder mehr Kindern würde im Rahmen der Clusteranalyse dazu führen, dass statistische Artefakte einfließen würden, da bei den Alleinerziehenden per Definition bei den beschreibenden Indikatoren nur ein Wert einflie-ßen könnte, während Elternpaare zwei Werte aufweisen und damit möglicherweise ein besseres Gesamtergebnis erzielen.
Die vier Typen von MehrkindfamilienIm Ergebnis lassen sich anhand der Clusteranalyse zunächst drei Typen von Mehrkindfamilien (in Paarhaushalte) unterscheiden, die einerseits in sich homogen sind und sich andererseits gut voneinander abgrenzen lassen:1. „Ressourcenreiche Mehrkindfamilien“ mit gut gebildeten Eltern in wirtschaftlich günstigen
Verhältnissen: In diesen Familien haben der Vater und/oder die Mutter einen hohen Bil-dungs- bzw. Ausbildungsabschluss. Familien, in denen einer der Elternteile erwerbstätig ist, und Haushalte, in denen beide Elternteile erwerbstätig sind, halten sich etwa die Waage (48 % bzw. 45 %). Die Familien verfügen über ein Einkommen von 4.258 Euro (Medianwert). Der Bezug von SGB-II-Leistungen kommt in dieser Gruppe nicht vor. Diese Gruppe umfasst 30 Prozent aller Mehrkindfamilien.
2. „Mittlere Mehrkindfamilien“ mit mittleren Qualifikationsniveaus und durchschnittlich guter Situierung: Diese Familien verfügen über 3.030 Euro monatlich (Medianwert) und beziehen keine SGB-II-Leistungen. Mindestens ein Elternteil hat ein mittleres Qualifikationsniveau. Etwa 45 Prozent dieser Haushalte beziehen ihr Einkommen aus der Erwerbstätigkeit eines Elternteils, in 38 Prozent der Haushalte sind beide Elternteile erwerbstätig. Dieser Gruppe sind 36 Prozent der Mehrkindfamilien zuzurechnen.
3. „Ressourcenarme Mehrkindfamilien“ mit eher niedrigem Bildungsstand in prekären wirt‑schaftlichen Verhältnissen: Diese Familien verfügen monatlich über 2.358 Euro (Median-wert), rund zwei Drittel dieser Gruppe beziehen Leistungen der Grundsicherung (bereits im Nettohaushaltseinkommen inbegriffen). Die Erwerbsbeteiligung ist eher gering, in 39 Pro-zent dieser Haushalte arbeitet keiner der Elternteile, in 37 Prozent arbeitet nur ein Elternteil. In der Hälfte der Haushalte dieser Gruppe verfügen die Eltern über eine geringe Qualifika-tion, in 41 Prozent über eine mittlere Qualifikation. Diese Gruppe umfasst etwa 23 Prozent der Mehrkindfamilien.
Neben diesen drei Typen von Mehrkindfamilien mit zwei Elternteilen lässt sich als vierter Typ die Gruppe der Mehrkindfamilien mit alleinerziehendem Elternteil beschreiben, die rund elf Prozent aller Mehrkindfamilien ausmacht. Diese Gruppe weist bei den Indikatoren, die zur
Beschreibung der drei Cluster der Paarhaushalte herangezogen wurden, eine größere Hetero-genität auf. Die Gruppe umfasst Alleinerziehende mit geringer oder mittlerer Qualifikation in prekären wirtschaftlichen Verhältnissen ebenso wie gut gebildete und ausgebildete Alleiner-ziehende: Etwa 28 Prozent der Haushalte weisen ein niedriges Qualifikationsniveau auf, gut die Hälfte (55 %) hat eine mittlere Qualifikation und 17 Prozent sind hoch qualifiziert. Etwas mehr als die Hälfte der Alleinerziehenden mit drei oder mehr Kindern gehen keiner Erwerbstätig-keit nach (52 %), 48 Prozent sind erwerbstätig. Die Alleinerziehenden-Haushalte verfügen über 1.930 Euro im Monat (Medianwert). Über die Hälfte (55 %) der Haushalte bezogen bzw. beziehen ALG-II-Leistungen oder Sozialgeld.
Insgesamt ist somit über ein Drittel der Mehrkindfamilien (36 %) dem mittleren Typus zuge-hörig. Ein knappes Drittel (30 Prozent) der Mehrkindfamilien befindet sich in wirtschaftlich günstigen Verhältnissen. Diesen beiden Typen stehen die Mehrkindfamilien in prekären wirt-schaftlichen Verhältnissen mit eher niedrigem Bildungsstand (23 %) sowie die Mehrkindfami-lien mit alleinerziehendem Elternteil (elf Prozent) gegenüber (Abbildung 3-39).
Abbildung 3‑39: Typen von Mehrkindfamilien
„Ressourcenreiche“30 %
Mittlere36 %
„Ressourcenarme“23 %
Mit allein-erziehendem
Elternteil11 %
Quelle: FiD 2010. Eigene Berechnung Prognos AG.
Erkenntnisse
I 30 Prozent der Mehrkindfamilien leben in einer ausgesprochen günstigen wirtschaft-lichen Situation.
I Über ein Drittel der Mehrkindfamilien (36 %) weist eine durchschnittlich gute wirt-schaftliche Lage auf. Diese Familien erzielen ein so hohes Einkommen, dass sie ihren Lebensunterhalt selbst erwirtschaften können. Die finanziellen Spielräume dieser mindestens fünfköpfigen Familien sind jedoch eher begrenzt.
I Ein Drittel der Mehrkindfamilien befindet sich in einer eher prekären wirtschaftlichen Lage. Sie sind zu einem hohen Anteil auf Transferleistungen angewiesen und relativ häufig sind die Eltern nicht erwerbstätig.
Tabe
lle
3‑5:
Typ
en v
on M
ehrk
indf
amili
en u
nd ih
re M
erkm
ale
Typ
1:
„Res
sou
rcen
reic
he M
ehrk
indf
amil
ien“
mit
gut
geb
ildet
en E
lter
n in
wir
tsch
aft-
lich
gün
stig
en V
erh
ältn
isse
n
Typ
2:
„Mit
tler
e M
ehrk
indf
amil
ien“
mit
m
ittl
eren
Qua
lifi
kati
onsn
ivea
us u
nd
durc
hsc
hn
ittl
ich
gute
r w
irts
chaf
tlic
her
Situ
ieru
ng
Typ
3:
„Res
sour
cen
arm
e M
ehrk
indf
amili
en“
mit
ehe
r nie
drig
em B
ildun
gsst
and
in
prek
ären
wir
tsch
aftl
iche
n Ve
rhäl
tnis
sen
Typ
4:
Meh
rkin
dfam
ilie
n m
it
alle
iner
zieh
ende
m E
lter
ntei
l
Anz
ahl F
amili
en
Ant
eil a
n al
len
M
ehrk
indf
amili
en
268.
000
30 %
31
4.00
036
%
203.
000
23 %
97
.000
11 %
Verf
ügba
res
H
aush
alts
eink
omm
en
in E
UR
Med
ian
: 4.2
58bi
s 2.
000:
1 %
bis
3.00
0: 1
3 %
bis
4.00
0: 2
9 %
über
4.0
00: 5
7 %
Med
ian
: 3.0
30 €
bis
2.00
0: 6
%bi
s 3.
000:
42
%bi
s 4.
000:
35
%üb
er 4
.000
: 17
%
Med
ian
: 2.3
58 €
bis
2.00
0: 3
0 %
bis
3.00
0: 4
7 %
bis
4.00
0: 2
0 %
über
4.0
00: 3
%
Med
ian
: 1.9
30 €
bis
2.00
0: 5
6 %
bis
3.00
0: 3
1 %
bis
4.00
0: 1
2 %
über
4.0
00: 1
%
Leis
tung
sbez
ug
Gru
ndsi
cher
ung
ja: 0
%ne
in: 1
00 %
ja
: 0 %
nein
: 100
%
ja: 6
7 %
nein
: 33
%
ja: 5
5 %
nein
: 45
%
Erw
erbs
kons
tell
atio
n *
kein
e Pe
rson
: 0 %
eine
Per
son
: 48
%be
ide
Pers
onen
: 45
%
kein
e Pe
rson
: 0 %
eine
Per
son
: 45
%be
ide
Pers
onen
: 38
%
kein
e Pe
rson
: 37
%ei
ne P
erso
n: 3
9 %
beid
e Pe
rson
en: 8
%
alle
iner
zieh
ende
Per
son
ist
erw
erbs
täti
g: 5
2 %
nic
ht e
rwer
bstä
tig:
48
%
Max
imal
err
eich
tes
Bi
ldun
gsni
veau
n
iedr
iges
: 0 %
mit
tler
es: 0
%ho
hes:
100
%
nie
drig
es: 0
%
mit
tler
es: 1
00 %
hohe
s: 0
%
nie
drig
es: 5
0 %
mit
tler
es: 4
1 %
hohe
s: 9
%
nie
drig
es: 2
8 %
mit
tler
es: 5
5 %
hohe
s: 1
7 %
Verf
ügba
res
H
aush
alts
eink
omm
en n
ach
Er
wer
bsko
nste
llat
ion
1 Er
wer
bst.
< 2.
000:
1 %
< 3.
000:
16
%<
4.00
0: 3
2 %
> 4.
000:
52
%
2 E
rwer
bst.
< 2.
000:
2 %
< 3.
000:
6 %
< 4.
000:
27
%>
4.00
0: 6
5 %
1 Er
wer
bst.
< 2.
000:
8 %
< 3.
000:
48
%<
4.00
0: 3
6 %
> 4.
000:
9 %
2 E
rwer
bst.
< 2.
000:
1 %
< 3.
000:
30
%<
4.00
0: 4
4 %
> 4.
000:
26
%
Kei
n Er
wer
b.<
2.00
0: 4
6 %
< 3.
000:
36
%<
4.00
0: 1
5 %
> 4.
000:
2 %
1 E
rwer
bst.
< 2.
000:
19
%<
3.00
0: 5
8 %
< 4.
000:
22
%>
4.00
0: 0
%
Kei
n Er
wer
b.<
2.00
0: 7
0 %
< 3.
000:
22
%<
4.00
0: 8
%>
4.00
0: 0
%
1 E
rwer
bst.
< 2.
000:
38
%<
3.00
0: 4
3 %
< 4.
000:
17
%>
4.00
0: 2
%
Que
lle: F
iD 2
010.
Eig
ene
Ber
echn
ung
Prog
nos A
G.
IV.Mehrkindfamilien in der Familienpolitik
4.1 Welche Leistungen für Mehrkindfamilien gibt es in Deutschland?
Der Anspruch auf die Leistungen der Familienförderung und des Familienleistungsausgleichs besteht grundsätzlich unabhängig von der Zahl der Kinder in der Familie. Es gibt keine Leis-tung, die sich speziell an Mehrkindfamilien richtet. Stattdessen sind die Anspruchsvorausset-zungen in der Regel vom Alter der Kinder (Höchstaltersgrenze) und der konkreten Einkom-mens-, Erwerbs- und Bedarfssituation der Familie abhängig. Allerdings spielt die Kinderanzahl zum Teil bei der Höhe der Leistungen eine Rolle:
Die einzige bundesweite Geldleistung, die eine gezielte Staffelung der Leistungshöhe nach der Zahl der Kinder in der Familie vorsieht, ist das Kindergeld. Eine besondere Berücksichti-gung der Zahl der Kinder findet auch bei der Nutzung öffentlich geförderter Kinderbetreuung statt. Diese Angebote sehen oftmals entsprechend den landesrechtlichen oder kommunalen Bestimmungen einen reduzierten Elternbeitrag oder eine vorrangige Vergabe von Betreuungs-plätzen vor, wenn bereits ein Geschwisterkind betreut wird. Das Elterngeld berücksichtigt die
Kinder anzahl insofern, als es einen Geschwisterbonus für junge Geschwisterkinder und einen Zuschlag für Mehrlingsgeburten gibt. Beim Wohngeld fließt die Kinderzahl als eine von meh-reren Komponenten in die Berechnung des Leistungsanspruchs ein. Im aktuellen Koalitions-
vertrag ist auch eine Staffelung des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende nach Kinderzahl vorgesehen.55
Daneben sehen viele Leistungen eine gleiche Leistungshöhe je Kind vor, d. h., auch hier wird die Zahl der Kinder berücksichtigt. Zu diesen Leistungen zählen der Kinderfreibetrag, die Absetzbarkeit von Betreuungskosten, die beitragsfreie Mitversicherung in der Kranken- und Pflegeversicherung sowie der Kinderzuschlag.
Überdies gibt es Leistungen, bei denen die Leistungshöhe nach dem Alter der Kinder gestaffelt ist (Unterhaltsvorschuss, Sozialgeld).
Verschiedene Leistungen berücksichtigen weder die Zahl der Kinder noch ihr Alter, sondern sind allein davon abhängig, dass überhaupt ein Kind im Haushalt lebt bzw. gelebt hat (Entlas-tungsbetrag für Alleinerziehende, erhöhtes Arbeitslosengeld I, ermäßigter Beitrag zur sozialen Pflegeversicherung).
55 Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, 18. Legislaturperiode, S. 99.
Tabelle 4‑1: Abhängigkeit zentraler familienpolitischer Leistungen von der Zahl der Kinder in der Familie
Wer hat Anspruch? Wovon ist die Leistungshöhe abhängig?
Kindergeld Eltern von Kindern bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs, unter bestimmten Voraussetzungen bis Vollendung des 25. Lebensjahrs
Abhängig von der Kinderzahl: für das erste und zweite Kind je 184 Euro, für das dritte 190 Euro, für jedes weitere Kind 215 Euro
Kinderfreibetrag Selbe Voraussetzungen wie beim Kindergeld
Gleiche Höhe für jedes Kind, derzeit 7.008 Euro im Jahr
Öffentlich geförderte Kinderbetreuung
Rechtsanspruch für Kinder ab einem Jahr (ab August 2013)
Abhängig von der Kinderzahl: Geschwister-regelungen zu den Elternbeiträgen nach Maßgabe der Bestimmungen der Länder und Kommunen
Steuerliche Absetzbar‑keit von Betreuungs‑kosten
Erwerbstätige Eltern Gleiche Höhe für jedes Kind: zwei Drittel der Aufwendungen, maximal 4.000 Euro pro Jahr je Kind
Entlastungsbeitrag für Alleinerziehende
Alleinstehende Steuerpflichtige, wenn zu ihrem Haushalt mindestens ein Kind gehört, für das ihnen ein Freibetrag oder Kindergeld zusteht
Unabhängig von der Kinderzahl: 1.308 Euro pro Jahr
Laut Koalitionsvertrag: Staffelung nach Kinderzahl geplant
Unterhaltsvorschuss Kinder bis zur Vollendung des zwölften Lebensjahres, die bei einem alleinerzie-henden Elternteil leben und keinen oder keinen regelmäßigen Unterhalt erhalten
Abhängig vom Alter der Kinder: Für Kinder bis unter sechs Jahren 133 Euro pro Monat, für ältere Kinder bis unter zwölf Jahren 180 Euro pro Monat
Ehegattensplitting Verheiratete Unabhängig von der Kinderzahl
Beitragsfreie Mitversi‑cherung der Kinder in der GKV und sozialen Pflegeversicherung
Für Kinder bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs, unter bestimmten Voraussetzungen bis Vollendung des 25. Lebensjahrs
Gleiche Höhe für jedes Kind
Erhöhtes Arbeitslosengeld I
Wenn der Arbeitslose oder Ehegatte bzw. Lebenspartner mindestens ein Kind hat. Es zählen Kinder bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs, unter bestimmten Voraussetzungen bis Vollendung des 25. Lebensjahrs.
Unabhängig von der Kinderzahl: 67 % des vorher verdienten Nettogehalts, anstelle von 60 %
Ermäßigter Beitrag zur sozialen Pflegeversi‑cherung
Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, die Kinder haben oder hatten
Unabhängig von der Kinderzahl: Befreiung vom Zuschlag (0,25 %)
Kindbezogener Anteil am Arbeitslosengeld II (Sozialgeld)
Nicht erwerbsfähige Leistungsbedürftige, in deren Bedarfsgemeinschaft mindestens ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger lebt.
Abhängig vom Alter der Kinder: unter sechs Jahren 224 €, sechs bis 13 Jahre 255 €, 14 bis 17 Jahre 289 €
Kinderzuschlag Alleinerziehende und Elternpaare mit unter 25 Jahre alten Kindern, wenn sie die Mindesteinkommensgrenze über-schreiten, die Höchsteinkommensgrenze unterschreiten
Gleiche Höhe für jedes Kind: maximal 140 Euro pro Monat pro Kind
Kindbezogener Anteil am Wohngeld
Einkommensschwache Personen mit Kindern
Abhängig von der Kinderzahl: höheres Wohngeld bei steigender Zahl der Haus-haltsmitglieder
Elterngeld Für Kinder bis zum 14. Lebensmonat Abhängig von der Zahl der Kinder: 65 % des Nettoeinkommens vor der Geburt + je 300 Euro für das zweite und jedes weitere Mehrlingskind
Geschwisterbonus in Höhe von 10 % (mindestens 75 Euro), wenn mindestens ein weiteres Kind unter drei Jahren oder mindestens zwei weitere Kinder unter sechs Jahren in der Familie leben.
Quelle: Eigene Darstellung Prognos AG.
4.2 Wie bewerten Mehrkindfamilien die familienbezogenen Leistungen in Deutschland?
4.2.1 Nutzung und Bewertung der Leistungen
Die Hälfte der Eltern aus Mehrkindfamilien ist damit zufrieden, wie ihre Familie durch den Staat unterstützt wird. Damit beurteilen sie die Förderung ähnlich positiv wie der Durch-schnitt der Eltern.56 Eine Erklärung hierfür könnten die insgesamt geringeren materiellen Ansprüche dieser Eltern sein.
Mit Blick auf die Bekanntheit der Familienleistungen fällt auf, dass Mehrkindfamilien tenden-ziell besser über die Angebote informiert sind als alle anderen Familien.
Insgesamt nutzen Mehrkindfamilien die meisten zentralen Familienleistungen etwa ähnlich häufig wie kleinere Familien. Allerdings zeigen sich einige Besonderheiten: So profitieren Mehrkindfamilien mit drei (37 %) oder vier und mehr Kindern (41 %) erkennbar häufiger von der beitragsfreien Mitversicherung des nicht berufstätigen Ehepartners in der gesetzlichen Krankenversicherung als kleinere Familien (Abbildung 4-1). In diesem Befund spiegeln sich die deutlich geringeren Erwerbstätigenquoten von Müttern in Mehrkindfamilien wider (vgl. Abschnitt 3.1).
Zudem gibt es – aufgrund der festgestellten höheren Transferabhängigkeit (vgl. Abschnitt 3.2) insbesondere unter den Familien mit vier und mehr Kindern – einen deutlich höheren Anteil, die Sozialgeld für ihre Kinder beziehen (7 %), als dies bei den kleineren Familien der Fall ist.
56 Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 5276 (2010), Akzeptanzanalyse I.
Abbildung 4‑1: Anteil der Familien, die verschiedene Familienleistungen nutzen, nach Anzahl der Kinder, 2010
Mit 2 Kindern
Mit 3 Kindern
Mit 4 und mehr Kindern
25 50 75 1000
Prozent
Ehegattensplitting50
4844
Beitragsfreie Mitversicherung desnicht berufstätigen Ehepartners
in der GKV
2937
41
Ermäßigter Beitrag inder Pflegeversicherung
363535
Kinderbetreuung für jüngere Kinder26
2834
Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskostenvon der Steuer
3028
34
Elterngeld 1112
17
Kinderbetreuung für ältere Kinder1414
17
Hartz IV für Kinder (Sozialgeld)47
14
Kinderfreibetrag
Beitragsfreie Mitversicherung der eigenenKinder in der GKV
Kindergeld
77
71
8177
84
9798
99
75
Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 5276 (2010), Akzeptanzanalyse I. Eigene Darstellung Prognos AG.
Die beitragsfreie Mitversicherung des nicht berufstätigen Ehepartners in der Krankenkasse ist für Mehrkindfamilien häufiger als für kleinere Familien als „besonders wichtig“ für ihre Familie einzuschätzen: Dem stimmen 31 Prozent der Mehrkindfamilien mit drei und 34 Prozent der Familien mit mindestens vier Kindern zu. Für Familien mit einem oder zwei Kindern ist sie dagegen weniger häufig besonders wichtig (18 und 31 Prozent).
Weitere Unterschiede hinsichtlich der Bedeutsamkeit familienpolitischer Maßnahmen las-sen sich bei der beitragsfreien Mitversicherung der eigenen Kinder feststellen: Sie ist für drei Viertel der Mehrkindfamilien mit vier oder mehr Kindern besonders wichtig (zum Vergleich: Einkindfamilien: 65 Prozent, Zweikindfamilien: 70 Prozent; Dreikindfamilien: 68 Prozent).
Auffällig ist auch, dass für Mehrkindfamilien das Sozialgeld besonders wichtig ist: 14 Prozent der Mehrkindfamilien mit vier oder mehr Kindern halten diese Leistung für besonders wichtig im Vergleich zu fünf Prozent aller Familien.
Die hohe Bedeutung finanzieller Leistungen – insbesondere für Familien mit vier oder mehr Kindern – konkretisiert sich, wenn danach gefragt wird, wie der Staat Familien unterstützen sollte. Vor die Wahl gestellt, ob Familien eher durch finanzielle Leistungen oder eher durch
Gutscheine für Sachleistungen (z. B. Mittagessen) unterstützt werden sollten, entscheiden sich Familien mit mindestens vier Kindern mehrheitlich (63 %) für Geldleistungen (Vergleichswert aller Familien: 45 %). Zwar überwiegt auch bei Familien mit weniger Kindern die Präferenz für finanzielle Leistungen, jedoch liegt diese nur auf einem Niveau zwischen 43 bis 46 Prozent.
Des Weiteren wünschen sich Mehrkindfamilien eher einen Ausbau der finanziellen Unterstüt-zung als Verbesserungen der Betreuungsinfrastruktur. Bei der Entscheidung zwischen einer Kindergelderhöhung um 30 Euro oder besseren Betreuungsmöglichkeiten präferieren 48 Pro-zent die Erhöhung des Kindergeldes und 35 Prozent den Ausbau der Betreuungsinfrastruktur. Je größer die Familie, desto ausgeprägter präferieren Eltern die Verbesserung der finanziellen Unterstützung.57
4.2.2 Bedeutung des Wohngelds für Mehrkindfamilien
Für Mehrkindfamilien ist das Wohngeld etwas häufiger als für kleinere Familien eine „beson-ders wichtige“ Leistung. Durch das Wohngeld haben Familien mit geringem Einkommen die Möglichkeit, einen Zuschuss zu den Kosten für ihre Wohnung zu erhalten. Als Mietzuschuss kommt es Haushalten zugute, die zur Miete wohnen, als Lastenzuschuss gibt es das Wohngeld für Haushalte, wenn sie ein Eigenheim oder eine Eigentumswohnung haben.
Das Wohngeld wird zwar mehrheitlich von Haushalten ohne Kinder genutzt (66 %). Es gibt jedoch auch überdurchschnittlich viele Familien mit drei oder mehr Kindern im Wohngeld-bezug. Ihr Anteil an allen Wohngeldhaushalten liegt mit zehn Prozent deutlich über ihrem Anteil an allen Privathaushalten (4 %) (Abbildung 4-2).
57 Keddi et al. (2010): Der Alltag von Mehrkinderfamilien – Ressourcen und Bedarfe. Forschungsbericht DJI, Berlin, S. 36f.
Abbildung 4‑2: Haushalte, die Wohngeld beziehen, nach Anzahl der Kinder, 2010
2 Kindern13%
3 Kindern7 %
Wohngeld nach Haushalten mit:
4 und mehr Kindern3 %
1 Kind11 % keinen Kindern
66 %
Quelle: Statistisches Bundesamt 2012, Fachserie 13, Reihe 4. Eigene Berechnung und Darstellung Prognos AG.
Im Zeitverlauf zeigt sich, dass der Anteil der Familien an allen Haushalten im Wohngeldbezug insgesamt rückläufig ist: Im Jahr 2005 lebten noch in 42 Prozent aller Wohngeldhaushalte Kinder (2010: 34 %). Gleichzeitig hat sich der Anteil der Haushalte mit drei und mehr Kindern im Wohngeldbezug jedoch nur minimal reduziert. Der Anteil der Mehrkindfamilie an allen Familien im Wohngeld ist somit weiter gewachsen (2005: 27 %, 2010: 30 %).
Abbildung 4‑3: Anteil der Familien an allen Haushalten mit Wohngeld, nach Anzahl der Kinder, 2005 und 2010
im Vergleich
0 252015105
2005
2010
1 Kind14
11
4
Prozent
4
87
1613mit 2 Kindern
mit 3 Kindern
mit 4 und mehr Kindern
Quellen: Wohngeld- und Mietenbericht 2006 und Statistisches Bundesamt 2012, Fachserie 13, Reihe 4. Eigene Darstellung Prognos AG.
Aus den SOEP/FiD-Auswertungen ist bekannt, dass insgesamt derzeit sieben Prozent der Paarfamilien mit drei Kindern sowie 16 Prozent der Paarfamilien mit vier oder mehr Kindern Wohngeld erhalten (vgl. Abbildung 3-29 in Abschnitt 3.2).
Der durchschnittliche Wohngeldanspruch liegt bei Familien mit drei Kindern bei 213 Euro und damit um 50 Euro höher als bei den Zweikindfamilien sowie um 80 Euro höher als bei den Einkindfamilien. Bis zum sechsten Kind steigt der Wohngeldanspruch um etwa 50 bis 60 Euro pro Kind an, ab dem siebten Kind um 80 bis 100 Euro pro Kind.58
Das Wohngeld wirkt, indem es die Wohnkostenbelastung mindert. Alle Wohngeld-Haushalte mit Kindern profitieren von der Leistung, und der Anteil des Haushaltseinkommens, der für die Miete oder Belastungen (z. B. Zinsen) aufgebracht werden muss, sinkt deutlich um etwa 10 bis 13 Prozentpunkte (Abbildung 4-4).
Abbildung 4‑4: Durchschnittliche Wohnkostenbelastung59 vor und nach Wohngeld, nach Anzahl der Kinder, 2010
0 10 20 30 40 50
vor Wohngeld
nach Wohngeld
1 Kind39,1
26,6
28,717,1
30,319,3
32,622,42 Kinder
3 Kinder
4 Kinder
Wohnkostenbelastung in Prozent
Quelle: Statistisches Bundesamt 2012, Fachserie 13, Reihe 4. Eigene Darstellung Prognos AG.
4.2.3 Bedeutung des Bildungs- und Teilhabepakets
Seit dem 1. Januar 2011 können Familien, die Sozialgeld nach dem SGB II, Kinderzuschlag oder Wohngeld beziehen, neben der Transferleistung für ihre Kinder zusätzlich Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket beantragen.
58 Statistisches Bundesamt (2012): Wohngeld, Wiesbaden, S. 21.59 Wohnkostenbelastung als Verhältnis der zu zahlenden Miete/Belastung zum Gesamteinkommen.
Unter den anspruchsberechtigten Familien sind es vor allem die Mehrkindfamilien, die von dieser Möglichkeit der direkten Förderung ihrer Kinder bereits intensiv Gebrauch machen. Insgesamt bewerten Eltern mit drei oder mehr Kindern das Paket ähnlich positiv wie der Durchschnitt der Eltern: So halten 70 Prozent der Mütter und Väter das Bildungs- und Teil-habepaket für eine „gute Maßnahme“.60
4.2.4 Bedeutung des Kindergeldes für Mehrkindfamilien
Die mit Abstand wichtigste Familienleistung ist aus Sicht der Mehrkindfamilien – wie auch für alle anderen Familien – das Kindergeld. 91 Prozent der Dreikindfamilien sowie 94 Prozent der Familien mit mindestens vier Kindern halten diese Leistung für besonders wichtig (Vergleichs-wert aller Familien: 87 %). Das Kindergeld stellt für sie eine wichtige Einnahmequelle dar:61 Für 77 Prozent der Familien mit drei Kindern und 88 Prozent der Familien mit vier und mehr Kindern ist das Kindergeld ein ganz normaler Teil des Haushaltseinkommens, der der gesam-ten Familie zugutekommt (Vergleichswert aller Familien: 70 %) (Abbildung 4-5).
Abbildung 4‑5: Wofür Familien das Kindergeld verwenden, nach Anzahl der Kinder, 2010
mit 1 Kind
mit 2 Kindernmit 3 Kindernmit 4 und mehr Kindern
25 50 75 1000
Prozent
Bei uns ist das Kindergeld ein ganz normaler Teil des Haushaltseinkommens, es kommt
der gesamten Familie zugute
6671
7788
25272729
2323
2117
912
1420
Wir geben das Kindergeld gezielt für unserKind aus, z. B. für Kleider, Hobbys, Fahrkarten
für Bus oder Bahn usw.
Wir legen das Kindergeld für unser Kind an
Wir geben das Kindergeldan unser Kind weiter
Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 5276 (2010), Akzeptanzanalyse I. Eigene Darstellung Prognos AG.
Auch die Ergebnisse der Gesamtevaluation der ehe- und familienbezogenen Leistungen unter-streichen die besondere Bedeutung des Kindergeldes bzw. der Kinderfreibeträge für Familien mit drei und mehr Kindern. So wird das Armutsrisiko dieser Familien im Vergleich zu kleine-ren Familien besonders stark reduziert.62
60 Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 6119 (2011), Akzeptanzanalyse II. 61 Eggen, B., Rupp, M. (2006): Kinderreiche Familien, Wiesbaden, S. 104.62 ZEW et al. (2013): Evaluation zentraler ehe- und familienbezogener Leistungen in Deutschland. Endbericht, S. 63.
Siehe auch: DIW (2013): Evaluationsmodul: Förderung und Wohlergehen von Kindern. In Politik beratung kom-pakt 73, S. 74.
Zugleich zählt das Kindergeld zu den wenigen Leistungen, die messbare Effekte auf die Reali-sierung vorhandener Kinderwünsche haben. In langfristiger Perspektive trägt das Kindergeld dazu bei, dass sich mehr Frauen für zwei und insbesondere drei und mehr Kinder entscheiden.63
Erkenntnisse
I Das Kindergeld ist die einzige Familienleistung, die eine gezielte Staffelung nach Anzahl der Kinder vorsieht.
I Insgesamt nutzen Mehrkindfamilien die meisten Familienleistungen etwa ähnlich häufig wie kleinere Familien.
I Mehrkindfamilien profitieren stärker als andere Familien von der beitragsfreien Mitversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung.
I Mehrkindfamilien nehmen häufiger das Wohngeld in Anspruch als kleinere Familien. I Die wichtigste Familienleistung ist für Mehrkindfamilien das Kindergeld.I Mehrkindfamilien präferieren finanzielle Leistungen gegenüber Gutscheinen oder
Sachleistungen.
4.3 Kinderbetreuung
Neben Geldleistungen wie dem Kindergeld nutzen Mehrkindfamilien auch die Angebote der Kinderbetreuung intensiv.
Dabei fallen die Unterschiede zwischen Familien mit drei Kindern und kleineren Familien insgesamt gering aus: Neun von zehn Kindern im Kindergartenalter (drei bis unter sechs Jahren) nehmen Kinderbetreuung in Anspruch.
Tabelle 4‑2: Anteil der Kinder, die Betreuungsangebote nutzen, nach Alter des Kindes und Zahl der Kinder im Haushalt, 2011
Insgesamt
Zahl der Kinder unter 14 Jahren im Haushalt
1 Kind 2 Kinder 3 Kinder4 und mehr
Kinder
1 bis unter 3 Jahren (Kita oder Tagespflege)
36 % 36 % 38 % 31 % (21 %)
3 bis unter 6 Jahren (Kita oder Tagespflege)
89 % 90 % 89 % 89 % 81 %
6 bis unter 14 Jahren (Ganztags‑schule, Hort, Randzeitenbetreu‑ung, Betreuungsangebot in der Schule)
44 % 51 % 44 % 43 % (27 %)
Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 6119 (2011), Akzeptanzanalyse II. Eigene Darstellung Prognos AG. ()= geringe Fallzahlen.
63 ZEW et al. (2013: Evaluation der Wirkung ehe- und familienbezogener Leistungen auf die Geburtenrate/Erfüllung von Kinderwünschen.
Deutlich geringer fällt bei allen Familien der Anteil der betreuten Kinder unter den Ein- bis unter Dreijährigen aus. Mit 31 Prozent befinden sich Kinder aus Familien mit drei Kindern etwas seltener in Betreuung als Kinder mit weniger Geschwistern (36 % bzw. 38 %). Schulkinder aus Familien mit drei Kindern nutzen Nachmittagsbetreuung dagegen etwa ähnlich häufig wie Familien mit zwei Kindern (um 44 %). Deutlich häufiger werden Kinder nachmittags betreut, wenn sie keine Geschwister unter 14 Jahren haben (51 %).
Trotz geringer Fallzahlen deutet sich in der Tendenz an, dass größere Familien mit vier oder mehr Kindern bei der Inanspruchnahme von Betreuung deutlich stärker von kleineren Fami lien abweichen. In allen Altersgruppen fällt der Anteil der betreuten Kinder erkennbar geringer aus. Daraus kann geschlossen werden, dass in diesen Familien die Betreuung stärker innerhalb der eigenen Familie erfolgt. Dies gilt insbesondere für Schulkinder: Während rund 40 Prozent der Schulkinder mit einem oder zwei Geschwistern eine Ganztagsschule, einen Hort, Randzeitenbetreuung oder ein Betreuungsangebot in der Schule besuchen, trifft dies auf etwa jedes vierte Kind mit drei oder mehr Geschwistern zu.64
Warum lassen Mehrkindfamilien ihren Nachwuchs außerfamiliär betreuen oder verzichten auf diese Form der Betreuung? Worin unterscheiden sie sich bei ihren jeweiligen Motiven von anderen Familien?
Mit Blick auf die Ergebnisse der Akzeptanzanalyse wird deutlich, dass sich die Gründe für den Verzicht auf außerfamiliäre Betreuung zwischen Mehrkindfamilien und kleineren Familien nicht besonders stark unterscheiden.
Familien mit vier oder mehr Kindern, die keine Betreuung nutzen, geben mit 42 Prozent besonders häufig an, dass sie ohnehin viel Zeit zu Hause verbringen und den Nachwuchs daher
selbst betreuen können (Vergleichswert aller Familien: 31 %) (Abbildung 4-6). Dieses Ergebnis kann mit der geringeren Erwerbstätigkeit von Müttern in Mehrkindfamilien erklärt werden.
Ein weiterer, häufig genannter Grund ist, dass die Unterstützung durch Familie und Freunde ausreichend ist. Mehrkindfamilien greifen grundsätzlich ähnlich häufig auf familiale und soziale Netzwerke zurück wie kleinere Familien. Allerdings gibt es durchaus Unterschiede, wer unterstützt: Die Bedeutung der Großeltern nimmt mit zunehmender Kinderzahl ab. So helfen „nur“ in knapp der Hälfte der Mehrkindfamilien die Großeltern „häufiger mal“ bei der Betreu-ung, während dies in über 70 Prozent der Ein- und Zweikindfamilien vorkommt. Dafür ist es jedoch in den Familien mit drei Kindern (40 %) bzw. vier oder mehr Kindern (55 %) üblicher, dass sich die Geschwister an der Betreuung beteiligen.65
64 Keddi et al. (2010): Der Alltag von Mehrkinderfamilien – Ressourcen und Bedarfe. Forschungsbericht DJI, Berlin, S. 57.
65 Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 5276 (2010), Akzeptanzanalyse I. Eltern mit Kindern, auf die noch aufgepasst werden muss.
Abbildung 4‑6: Gründe gegen die Nutzung von Kinderbetreuungseinrichtungen, nach Anzahl der Kinder, 2010
Mit 2 Kindern
Mit 3 Kindern
Mit 4 und mehr Kindern
25 50 75 1000
Prozent
Wir haben genug Unterstützung durch Familienangehörige, Freunde oder Bekannte,
wir brauchen keine Unterstützung bei der Betreuung
413838
Das Kind ist noch zu jung füreine Betreuungseinrichtung
1617
21
Es ist für das Kind generell besser, wenn es zu Hausebzw. von Verwandten betreut und gefördert wird
und nicht in einer Betreuungseinrichtung
2727
20
Das Kind soll möglichst viel Zeit mitseinen Geschwistern verbringen
1221
19
Wir möchten nicht, dass andere Personen,z. B. Betreuer oder Erzieher, Einfluss
auf unser Kind nehmen
67
14
In meinem Umfeld ist es üblich, dass Kindernicht in einer Betreuungseinrichtung
betreut werden
89
7
Mein Kind möchte nicht in eine Betreuungseinrichtung
610
6
Eine Kinderbetreuungseinrichtung bzw.eine Tagesmutter ist zu teuer
1720
4
Ich bzw. mein Partner verbringen ohnehin viel Zeit zu Hause und können das Kind daher gut betreuen
33
35
42
Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 5276 (2010), Akzeptanzanalyse I. Eigene Darstellung Prognos AG.
Anders als in kleineren Familien spielen die Kosten der Betreuung aus Sicht der Eltern von vier und mehr Kindern kaum eine Rolle bei der Entscheidung gegen Betreuung. Nur vier Prozent der Familien mit vier oder mehr Kindern befürchten, dass die Betreuung zu teuer wäre (Ver-gleichswert aller Familien: 16 %). Von den Mehrkindfamilien mit drei Kindern sehen hingegen 20 Prozent die Kosten als Grund gegen die Inanspruchnahme von Betreuung (Abbildung 4-6). Dieser starke Unterschied lässt sich möglicherweise mit der Staffelung der Elternbeiträge erklären, die in der Regel mit zunehmender Kinderzahl degressiv ausgestaltet ist. Denkbar ist auch, dass aufgrund der hohen Transferabhängigkeit ohnehin viele Familien beitragsbefreit ist. Zudem kommen die Betreuungskosten als Grund vielleicht für Eltern von vier und mehr Kindern seltener infrage, weil sie weniger konkret über eine Erwerbsaufnahme nachdenken und sich die Kostenfrage noch nicht gestellt hat.
Analysen der Akzeptanzanalyse zeigen, dass Familien mit drei bzw. vier Kindern durch-schnittlich 162 bzw. 169 Euro pro Monat für die Kinderbetreuung ausgeben. Familien mit einem Kind wenden hierfür durchschnittlich 144 Euro, Familien mit zwei Kindern 147 Euro auf, d. h. rund 20 Euro weniger auf. Hinzu kommen Kosten für das Mittagessen in Höhe von 80 Euro bei Familien mit vier und mehr Kindern sowie 66 Euro bei den Dreikindfamilien. Bei einem Kind liegt der entsprechende Betrag bei 48 Euro.66
Bemerkenswert ist, dass Mehrkindfamilien mit vier oder mehr Kindern mit 20 Prozent sogar seltener als Familien mit zwei oder drei Kindern die Auffassung vertreten, dass die Betreuung in der Familie für das Kind generell besser sei.
Werden die Motive für die Inanspruchnahme von Kinderbetreuungsangeboten in den Blick genommen, so fällt auf, dass sich Mehrkindfamilien wie kleinere Familien von der außer-familiären Betreuung vor allem positive Effekte auf die Entwicklung ihrer Kinder erhoffen. So versprechen sich etwa 73 Prozent der Familien mit vier und mehr Kindern eine bessere Vorbereitung ihrer Kinder auf die Schule. Dies ist auch für zwei Drittel der Familien mit zwei oder drei Kindern ein Grund. Überdies ist es auch Familien mit drei und mehr Kindern wich-
tig, dass ihre Kinder in der Betreuung den Umgang mit anderen Kindern lernen.
66 Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 5276 (2010), Akzeptanzanalyse I. Eltern mit Kindern, auf die noch aufgepasst werden muss.
Abbildung 4‑7: Gründe für die Nutzung von Kinderbetreuungseinrichtungen, nach Anzahl der Kinder, 2010
Mit 2 Kindern
Mit 3 Kindern
Mit 4 und mehr Kindern
25 50 75 1000
Prozent
Weil mein Kind auf diese Weise mit anderenKindern spielen kann
7165
73
Weil es dann besser auf die Schule vorbereitet ist6667
73
Weil mein Kind so schon früh gefördert wird,z. B. beim Basteln oder Malen
626160
Weil mein Kind so den Umgang mit anderenKindern lernt
7773
60
Weil es gut für die Sprachentwicklungmeines Kindes ist
5351
49
Weil ich bzw. wir beide berufstätig sind55
5232
Damit ich auch mal Zeit für mich habe, damitauch mein Partner mal Zeit für sich hat
2427
30
Weil es so üblich ist1211
25
Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 5276 (2010), Akzeptanzanalyse I. Eigene Darstellung Prognos AG.
Mit zunehmender Kinderzahl wird es für Eltern zudem relevanter, durch die Betreuung mehr zeitliche Spielräume für sich selbst zu schaffen. Allerdings geben nur knapp ein Drittel der Familien mit vier oder mehr Kindern an, dass sie außerfamiliäre Kinderbetreuung nutzen, um berufstätig sein. In Familien mit zwei oder drei Kindern ist dies mit über 50 Prozent für deutlich mehr Eltern wichtig (Abbildung 4-7).
Dieser Befund bedeutet jedoch nicht, dass Kinderbetreuung für Mehrkindfamilien eine gerin-gere Bedeutung für die praktische Vereinbarkeit von Familie und Beruf hat als für kleinere Familien. Im Gegenteil:
Ergänzende Hinweise aus der Gesamtevaluation der ehe- und familienbezogenen Leistungen deuten darauf hin, dass die Kinderbetreuung besonders starke Effekte auf die Erwerbsent-scheidungen von Müttern aus Mehrkindfamilien entfaltet. Ohne die öffentlich subventionierte Kinderbetreuung würden sich die Partizipationsquoten von Müttern mit drei und mehr Kin-dern um 5,1 Prozentpunkte verringern. Dieser Rückgang fällt deutlich stärker aus als bei Müt-tern mit nur einem (minus 1,7 Prozentpunkte) oder zwei Kindern (minus 2,4 Prozentpunkte).67
Eltern, die für ihre Kinder Betreuungsangebote nutzen, sind hiermit alles in allem sehr zufrie-den. Knapp zwei Drittel der Eltern von unter 16-jährigen Kindern fällen ein positives Urteil über die Betreuung ihres (jüngsten) Kindes in der Kindertageseinrichtung oder Schule. Im Vergleich von Mehrkindfamilien und Familien mit einem oder zwei Kindern zeigen sich dabei keine wesentlichen Unterschiede. Allerdings liegt der Anteil der Mehrkindfamilien, die sehr zufrieden sind, rund sechs Prozentpunkte über den Anteilen sehr zufriedener Familien mit einem oder zwei Kindern.68
Erkenntnisse
I Mehrkindfamilien nutzen öffentliche Betreuung ähnlich häufig wie kleinere Fami-lien. Lediglich Familien mit vier oder mehr Kindern lassen ihre Kinder etwas seltener betreuen.
I Wie kleinere Familien verzichten Mehrkindfamilien auf Betreuung, da die Unterstüt-zung durch Familie und Freunde ausreichend ist oder sie ohnehin viel Zeit zu Hause verbringen.
I Mehrkindfamilien, die Betreuung nutzen, erhoffen sich wie kleinere Familien vor allem positive Effekte auf die Entwicklung ihrer Kinder.
67 DIW (2013), Evaluationsmodul Förderung und Wohlergehen von Kindern, Endbericht, S. 112.68 Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 5276 (2010), Akzeptanzanalyse I. Eigene Darstellung Prognos AG.
4.4 Ansatzpunkte für eine Mehrkindfamilienpolitik
4.4.1 Ansatzpunkte aus dem europäischen Vergleich
Im europäischen Vergleich lassen sich nur sehr wenige Beispiele für Instrumente und Maßnahmen finden, die explizit auf Mehrkindfamilien abstellen.
Am weitesten verbreitet sind Kindergeldleistungen, die nach Kinderzahl gestaffelt sind: I So beträgt die allgemeine Familienbeihilfe in Österreich 105,40 Euro pro Kind und Monat.
Die Familienbeihilfe erhöht sich monatlich beim zweiten Kind um 12,80 Euro, bei drei Kin-dern um 47,80 Euro, bei vier Kindern um 97,80 Euro und für jedes weitere Kind um 50 Euro.69
I In Schweden erhöht sich das Kindergeld von 120 Euro pro Kind um 17 Euro für das zweite Kind bis zu 328 Euro für das fünfte und weitere Kind.70
I In Irland erhalten Familien ein Kindergeld von 130 Euro pro Kind, das ab dem vierten Kind erhöht wird.71
I In Frankreich wird das Kindergeld erst ab dem zweiten Kind gewährt. Die Höhe ist auch hier nach der Anzahl der Kinder gestaffelt (bei zwei Kindern 128 Euro, bei drei Kindern 293 Euro, bei vier Kindern 458 Euro, für jedes weitere Kind 165 Euro).72
Die besondere Situation wird zum Teil auch bei den Elterngeld‑ und Mutterschutz‑Regelungen berücksichtigt:I In Frankreich verlängert sich ab dem dritten Kind die Dauer des Mutterschutzes um zehn
Wochen auf 26 Wochen. Zudem kann das Elterngeld („Complément de libre choix d’activité“) anstelle von sechs Monaten, bei zwei oder mehr Kindern bis zu drei Jahre bezogen werden.73 Elternteile, die drei oder mehr Kinder betreuen und vollständig aus der Erwerbstätigkeit aussteigen, können anstelle des regulären Elterngeldes ein erhöhtes Elterngeld beantragen („Complément optionnel de libre choix d’activité“). Sie erhalten 819 Euro pro Monat für maximal zwölf Monate.74
I Schwedische Eltern erhalten, wenn sie nach der Geburt eines Kindes Elternzeit nehmen,
80 Prozent des Brutto-Einkommens vor der Geburt. Beim darauffolgenden Geschwister-kind kann eine Geschwindigkeitsprämie („speed premium“) greifen: Werden Mütter wieder schwanger, bevor das zuletzt geborene Kind ein Jahr und neun Monate alt ist, steht ihnen dasselbe Elterngeld zu wie beim zuvor geborenen Kind. Begründet wird die Leistung damit, dass viele schwedische Frauen nach der Elternzeit ihre Erwerbstätigkeit von Voll- auf Teil-zeit reduzieren und infolgedessen beim nächsten Kind einen Nachteil beim Elterngeldbezug hinnehmen müssten.75
69 http://bmwa.cms.apa.at/cms/content/attachments/2/4/4/CH0617/CMS1358171662595/familienbeihilfe,_ mehrkindzuschlag_dez_2012.pdf, letzter Zugriff am 17.07.2013.
70 http://www.forsakringskassan.se/wps/wcm/connect/3573e1a0-c838-4e7c-bf65-c634544bc55d/barnbidrag_ flerbarnstillagg_eng.pdf?MOD=AJPERES, letzter Zugriff am 17.07.2013.
71 http://www.citizensinformation.ie/en/social_welfare/social_welfare_payments/social_welfare_payments_to_families_and_children/child_benefit.html, letzter Zugriff am 17.07.2013.
72 http://www.caf.fr/aides-et-services/s-informer-sur-les-aides/petite-enfance/les-allocations-familiales-af-0, letzter Zugriff am 05.12.2013. Gilt für den Zeitraum 1. April 2013 bis 31. März 2014
73 http://www.caf.fr/aides-et-services/s-informer-sur-les-aides/petite-enfance/le-complement-de-libre-choix- d-activite, letzter Zugriff am 17.07.2013.
74 http://vosdroits.service-public.fr/F15110.xhtml, letzter Zugriff am 17.07.2013.75 Aktuell wird in Frankreich über erhebliche Kürzungen der Steuervorteile nachgedacht. http://www.forsakrings-
kassan.se/wps/wcm/connect/ba654f19-9293-49d6-b30d-153ea9510e97/F %C3 %B6r %C3 %A4ldrapenning_FK_4070+Fa_de.pdf?MOD=AJPERES&CACHEID=ba654f19-9293-49d6-b30d-153ea9510e97&useDefaultText= 0&useDefaultDesc=0, letzter Zugriff am 17.07.2013.
Eine Besonderheit der französischen Familienförderung ist das Familientarifsplitting. Dabei wird das zu versteuernde Einkommen der Familie durch die Anzahl der Familienmitglieder geteilt. Das dritte und jedes weitere Kind wird mit dem Faktor 1,0 doppelt so stark berücksich-tigt wie das erste und zweite Kind (jeweils 0,5). Die Steuerminderung pro Kind ist jedoch gede-ckelt auf einen maximalen Betrag von rund 2.000 Euro pro Kind, d. h., jedes Kind vermindert die Steuerschuld maximal um diesen Betrag.76
Im direkten Vergleich zeigt sich, dass Familien mit ein oder zwei Kindern durch das aktuelle Recht in Deutschland sogar stärker entlastet werden, als würde das französische Familien-tarifsplitting auf den deutschen Einkommensteuertarif übertragen. Auch Familien mit drei Kindern werden überwiegend großzügiger behandelt als unter dem französischen System. Ausnahme ist ein Bereich zwischen 75.000 und 100.000 Euro zu versteuerndes Einkommen.77
4.4.2 Ansatzpunkte aus Ländern und Kommunen
Länder und Kommunen sind neben dem Bund wichtige familienpolitische Akteure, die ins-besondere die Lebensbedingungen der Familien vor Ort gestalten können, bspw. durch die Bereitstellung von Kinderbetreuungsinfrastruktur oder Angebote der Familienbildung. Darüber hinaus fördern die Bundesländer Familien je nach eigener politischer Schwerpunkt-setzung, wobei die meisten Leistungen einkommensabhängig sind und weniger in einem Zusammenhang mit der Kinderzahl stehen.
Soweit Mehrkindfamilien durch die Geburt von Mehrlingen entstehen, erhalten sie in eini-gen Bundesländern einmalige Finanzhilfen. Beispielsweise gewährt Baden-Württemberg zur
Unterstützung von Familien mit Mehrlingsgeburten (ab Drillinge) je Kind einen einkommens-unabhängigen und steuerfreien Zuschuss von 2.500 Euro je Kind. Vergleichbare Programme existieren in Hessen und Niedersachen.
Eine eindeutige Staffelung nach der Kinderzahl sehen die Landeserziehungsgelder vor, die im
Anschluss an das Bundeselterngeld und ggf. parallel zum Betreuungsgeld und in Baden-Würt-temberg, Bayern, Thüringen und Sachsen ausgezahlt werden. Mehrkindfamilien können von dieser Leistung profitieren, da sich das Landeserziehungsgeld für dritte und weitere Kinder auf monatlich 250 bis 300 Euro beläuft, für erste und zweite Kinder dagegen 150 bis 200 Euro gezahlt werden.
Ein weiterer Leistungsbereich der Bundesländer betrifft die Förderung im Wohnungsbau durch die grundsätzlich einkommensabhängige Vergabe von Darlehen. Mehrkindfamilien können davon profitieren, wenn die Darlehenshöhe mit der Anzahl der Kinder um einen fes-ten Betrag erhöht wird. Das Bayerische Wohnungsbauprogramm sieht beispielsweise vor, dass Haushalte mit Kindern für jedes Kind einen Zuschuss von 1.500 Euro erhalten. Zusatzdarlehen
76 http://www.ambafrance-de.org/Frankreich-modernisiert-die, letzter Zugriff am 06.12.2013. Aktuell wurde eine Kürzung auf 1.500 Euro beschlossen.
77 Die geringere Entlastungswirkung des franz. Familientarifsplittings liegt zum einen daran, dass die steuerliche Entlastungswirkung des derzeitigen Kinderfreibetrags deutlich über der Entlastungswirkung eines Splittingfak-tors für ein Kind in Höhe von 0,5 liegt, und zum anderen daran, dass der Splittingvorteil im französischen System gedeckelt ist. Ochmann, R., Wrohlich, K. (2013): Familiensplitting der CDU/CSU: Hohe Kosten bei geringer Entlas-tung für einkommensschwache Familien. In: DIW Wochenbericht 36.
in Abhängigkeit von der Kinderzahl sehen auch Förderprogramme anderer Bundesländer vor, z. B. Baden-Württemberg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen.78 Aus Perspektive einer gezielten Förderung von Mehrkindfamilien ist Hamburg erwähnens-wert, da der Zuschlag zum Baudarlehen für Familien mit drei Kindern überproportional ansteigt. Darüber hinaus werden Familien mit zwei oder mehr Kindern bei der Auswahl der zu fördernden Anträge vorrangig behandelt (z. B. in Hessen).
Weitere finanzielle Landesleistungen für Mehrkindfamilien sind beispielsweise von der Kin-derzahl abhängige Zuschüsse für Familienerholung (Saarland) oder die finanzielle Förderung durch die Stiftung Familie in Not (Niedersachsen).
Vergünstigungen im Alltag können Mehrkindfamilien durch sogenannte Familienpässe erhalten. In Sachsen ermöglicht diese einkommensunabhängige Leistung den Mehrkindfamilien den kostenlosen Eintritt zu staatlichen Einrichtungen wie Museen, Sammlungen, Burgen und Schlössern. Ähnlich ausgestaltet ist der Familienpass in Baden-Württemberg. Zwar gibt es in weiteren Bundesländern (z. B. Hessen, Sachsen-Anhalt) auch Familienpässe, diese sind jedoch
nicht explizit auf Mehrkindfamilien ausgerichtet.
Auch einzelne Kommunen bieten im Rahmen freiwilliger Leistungen Familienpässe an.79 Sie können auch über die Festlegung der Gebühren für kommunale Dienstleistungen – vom Schwimmbadbesuch bis zur ÖPNV-Nutzung – nach der Kinderzahl staffeln. Der zentrale fami-lienpolitische Zuständigkeitsbereich der Gemeinden liegt jedoch vor allem in der Organisation und Bereitstellung von Kinderbetreuung. Über ihre Satzungen können Kommunen beispiels-weise die Kriterien für die Elternbeiträge in Betreuungseinrichtungen festlegen. Die Satzungen können diesbezüglich nicht nur einen sozialen Ausgleich durch die Beitragsstaffelung nach dem Einkommen vorsehen, sondern auch Geschwisterregelungen mit Beitragsermäßigungen beinhalten: Beispielsweise sind in Jena für die Inanspruchnahme einer Kindertagesbetreuung für zweite Kinder nur 70 Prozent der Grundbeitrages fällig, für dritte Kinder nur 40 Prozent.
Für vierte und weitere Kinder werden gar keine Gebühren erhoben.
Auch die Zuweisung preisgebundenen Wohnraums ist eine klassische Steuerungsfunktion der Kommunen. In Abhängigkeit von ihrem Einkommen können Personen einen Wohnberechti-gungsschein erhalten. Dieser ermöglicht es, preisgebundene Wohnungen zu beziehen, die von den Kommunalverwaltungen nach Dringlichkeitskatalogen vergeben werden. Jeder Antrag auf eine Wohnungsvermittlung wird in einen Dringlichkeitskatalog eingestuft. Mehrkindfamilien mit Wohnberechtigungsschein, die gemessen am Verhältnis von Personen und Wohnräumen außergewöhnlich beengt leben, werden bei der Zuweisung von preisgebundenen Wohnungen verstärkt berücksichtigt.
78 Vgl. http://www.baufoerderer.de/1-2-0-0-0.html, letzter Zugriff am 17.07.2013.79 Eine Übersicht der Landkreise und Kommunen, die einen Familienpass anbieten, findet sich auf der Internetseite
des Verbandes kinderreicher Familien e. V. unter http://www.deutschlandfamilienkarte.de/familienkarten.html
4.4.3 Exkurs: Angebote der Wohlfahrtsverbände für Mehrkindfamilien
Nicht nur der Staat, sondern auch die Wohlfahrtsverbände unterstützen Mehrkindfamilien durch ihre allgemeinen Angebote für alle Familien.
Die Eltern von Mehrkindfamilien sind bei der Geburt ihres ersten Kindes meist weitaus jünger als Eltern mit einem oder zwei Kindern. Für sie ist es daher besonders wichtig, dass sie ihrer Lebenssituation angemessene Unterstützung erhalten. So ist es beispielsweise oftmals not-wendig, die jungen Eltern bei der Weiterführung und erfolgreichen Beendigung ihrer Aus-bildung zu unterstützen. Nur so können sie ihre Familien später adäquat versorgen. Ein Beispiel ist hier die Beratungsstelle „Junge Eltern und Beruf“ des Caritasverbandes für die Diözese Würzburg. Sie berät und begleitet junge Eltern, die Kind und Ausbildung miteinander verein-baren möchten.
Besondere unterstützende Angebote für junge Eltern helfen diesen, ihren Alltag zu meistern. Hier kann das Angebot „Check in“ des DRK genannt werden, das sich an junge Mütter wendet. Im Kontaktzentrum erhalten diese Beratung und Unterstützung und bekommen die Mög-lichkeit, sich auszutauschen. Zudem können sie themenbezogene Angebote und individuelle Begleitung in Anspruch nehmen. Die Beratung junger Mütter und Väter ist auch ein Schwer-punkt des Evangelischen Dienstes für Erziehung der Diakonie Gladbeck-Bottrop-Dorsten. Weiterhin gibt es spezielle Wohngruppen für junge Eltern wie das Angebot „NOMEK – nicht ohne mein Kind“ des DRK-Kreisverbandes Rostock. Hier werden die Eltern im Alltag unter-stützt und begleitet und erhalten zudem eine schulische oder berufliche Orientierung.
Wenn Mehrkindfamilien durch Zwillings- oder Mehrlingsgeburten entstehen, haben sie ggf. einen spezifischen Unterstützungsbedarf. Beim offenen Zwillingseltern- und Kindertreffen des DRK-Kreisverbands Güstrow können Erfahrungen und Informationen ausgetauscht und spezielle „Zwillingsfragen“ diskutiert werden.
Des Weiteren vermitteln Wohlfahrtsverbände ehrenamtlich Helfer: Der Großelterndienst des Diakonischen Werkes Hannover entlastet Eltern, indem die „Wunschgroßeltern“ die Kinder vom Kindergarten abholen, mit ihnen spielen oder bei den Hausaufgaben helfen. Auch die Familienpaten der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe unterstützen Familien, die sich vom Alltag überfordert fühlen. Im „Frühchen-Projekt“ des DRK Kreisverbandes Berlin-City unter-stützen ehrenamtliche Mitarbeiter nach der Entlassung aus dem Krankenhaus die Familien. Sie kümmern sich um das Neugeborene oder die Geschwisterkinder und sind als Ansprech-partner für die Eltern da. Aber auch Jugendliche können Mehrkindfamilien unterstützen. So werden im DRK-Projekt „Juki – Jugendliche für Kinder“ Jugendliche zu Babysittern ausgebildet und verpflichten sich im Gegenzug, für ca. drei Stunden pro Woche Kinder aus Familien in schwierigen Lebenslagen zu besuchen und etwas mit ihnen zu unternehmen.
Bedürftige Mehrkindfamilien können Unterstützungsmaßnahmen wie die Kleiderläden oder Kleiderkammern nutzen. In der „Modetruhe“ des DRK-Kreisverbandes Odenwald können gut erhaltene Kleidungsstücke kostenfrei, gegen eine kleine Spende oder zu günstigen Preisen erworben werden. Neben Bekleidung werden aber auch Möbel, Haushaltsgegenstände und Elektronikartikel günstig angeboten, wie in den Kaufhäusern der Diakonie Weißenburg- Gunzenhausen.
Haben Eltern von Mehrkindfamilien einen Migrationshintergrund und kennen sich deshalb nicht mit den örtlichen Bildungs- und Betreuungsmöglichkeiten aus, können sie die jeweiligen Informationsangebote der Wohlfahrtsverbände nutzen. Das Projekt „KURVE – kultursensible Vermittlung von Erziehungskompetenzen“ des DRK-Kreisverbandes Freiburg ist eng mit Schu-len, Stadtteilprojekten, Kitas und anderen Angeboten im Stadtteil vernetzt und kann so Hil-festellung bieten. Auch die Sozialpädagogische Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene und Familien mit Migrationshintergrund des Caritasverbands Hochrhein bietet Hilfestellung zum Beispiel bei Problemen in der Schule.
Mehrkindfamilien entstehen auch durch Patchwork-Konstellationen. Patchwork-Familien haben oft Trennungserfahrungen gemacht, die die neue Familiensituation belasten können. Das Beratungszentrum der Diakonie Würzburg bietet hierfür Beratung, Trennungsbegleitung und Gruppenarbeit für Erwachsene und Kinder an.
Auch wenn es um die körperliche und psychische Regeneration von Erschöpfungszuständen geht, können die Wohlfahrtsverbände Mehrkindfamilien unterstützen. So hilft beispielswei-se die Kur- und Erholungsberatung des Caritasverbandes Ostfriesland unter anderem bei der Antragstellung und der Vorbereitung auf die Maßnahme, empfiehlt die passende Klinik und führt Gespräche mit den Krankenkassen. Während des Aufenthaltes können weitere Angebote in Anspruch genommen werden. So gehören zum Kursangebot des DRK-Nordsee-Kurzent-rums Friesland auch die Thematisierung schwieriger Eltern-Kind-Interaktionen und die Ent-wicklung von Handlungsalternativen.
Die Wohlfahrtsverbände können darüber hinaus als Akteure im kommunalen Netzwerk passgenaue Angebote für Mehrkindfamilien entwickeln. Im Projekt „Lebensqualität für Gene-rationen“ des Kreisverbandes Kronach des Bayerischen Roten Kreuzes vermittelt eine Betreu-ungs- und Versorgungsmanagerin wichtige Dienstleistungen für Familien. Auch das Familien-Kompetenz-Zentrum der Caritas Au-Haidhausen kann auf ein ausgebautes Netzwerk zwischen den Angeboten für Familien in den Bereichen Bildung, Betreuung, Beratung und Begegnung zurückgreifen. Durch die Vernetzung mit anderen Einrichtungen im Stadtteil wird den Fami-lien der Zugang zu den unterschiedlichen Angeboten erleichtert.
V.Zusammenfassung der Ergebnisse
Mehrkindfamilien sind ein fester Bestandteil der Familienlandschaft in DeutschlandAktuell leben in Deutschland rund 861.000 Mehrkindfamilien, darunter 172.000 Familien mit vier oder mehr minderjährigen Kindern. Damit ist etwa jede neunte Familie mit minderjähri-gen Kindern eine Mehrkindfamilie. In den Mehrkindfamilien leben rund 3,5 Millionen min-derjährige Kinder. Das bedeutet, mehr als jedes vierte Kind (27 Prozent) wächst in Deutschland mit mindestens zwei Geschwistern auf.
Der Anteil der Mehrkindfamilien in Deutschland ist zwar seit der Wiedervereinigung stabil, war zuvor jedoch deutlich höher: 1975 zählte noch knapp jede fünfte Familie zu den Mehr-kindfamilien. Insgesamt handelt es sich bei den Mehrkindfamilien um einen äußerst hetero-genen Familientyp. Werden verschiedene zentrale soziodemografische Faktoren betrachtet, so zeigt sich, dass 36 Prozent aller Mehrkindfamilien der gesellschaftlichen Mitte zugeordnet werden können. Sie verfügen über mittlere Bildungsniveaus und leben in einer durchschnitt-lich guten wirtschaftlichen Situation. Im Vergleich dazu sind 30 Prozent der Mehrkindfami-lien ressourcenreich im Hinblick auf Bildung und Einkommen und 23 Prozent sind ressour-cenarm. Mehrkindfamilien mit einem alleinerziehenden Elternteil machen elf Prozent aller Mehrkindfamilien aus.
Weitere Erkenntnisse lassen sich über Mehrkindfamilien ableiten, wenn sie mit kleineren Familien verglichen werden. Dabei wird deutlich, dass sich Mehrkindfamilien mit drei Kin-dern – und damit die Mehrheit aller Mehrkindfamilien (80 Prozent) – hinsichtlich Bildung,
Erwerbstätigkeit und Finanzierung des Lebensunterhalts weniger stark von kleineren Fami-lien unterscheiden als Familien mit vier oder mehr Kindern.
Mehrkindfamilien haben „pro Kopf“ ein geringeres Einkommen zur Verfügung als kleinere FamilienAbsolut betrachtet, erzielen Mehrkindfamilien ein ähnlich hohes Nettoeinkommen wie klei-nere Familien. Pro Kopf steht ihnen jedoch im Durchschnitt ein geringeres Einkommen zur Verfügung. Dies gilt insbesondere für Familien mit vier oder mehr minderjährigen Kindern. Diese Familien sind auch häufiger auf soziale Unterstützungsleistungen angewiesen und tragen ein höheres Armutsrisiko.
Eine besondere finanzielle Belastung sehen Familien mit vier und mehr Kindern insbesondere in den Ausgaben für Lebensmittel, Mobilität, Kleidung sowie die Bildung der Kinder.
Mehrkindfamilien vereinbaren Familie und BerufFür Mehrkindfamilien stellt sich die Frage nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ebenso wie für kleinere Familien: Denn in Mehrkindfamilien mit drei Kindern ist es eben-so wahrscheinlich, dass beide Elternteile erwerbstätig sind, wie dass nur der Vater arbeitet. Zugleich ist festzustellen, dass das männliche Alleinverdienermodell von Mehrkindfamilien deutlich seltener als ideal angesehen wird, als es tatsächlich gelebt wird. So liegt der Anteil der Paarfamilien, in denen derzeit nur der Vater erwerbstätig ist, mit 45 Prozent deutlich über dem Wunschwert (31 % der Familien).
Zwischen Familie und Erwerbstätigkeit: Mütter in MehrkindfamilienMütter mit drei und vor allem mit vier oder mehr Kindern unterscheiden sich in vielfacher Hinsicht von Müttern mit weniger Kindern:
So beginnt die Phase der Familiengründung bei Frauen, die später drei oder mehr Kinder haben, rund ein Jahr früher als bei Frauen mit zwei Kindern sowie rund drei Jahre früher als bei Frauen, die nur ein Kind zur Welt bringen.
Knapp die Hälfte der Mütter mit vier oder mehr Kindern hat einen niedrigen Bildungsab-schluss. Auch Mütter mit drei Kindern sind mit einem Anteil von 27 Prozent fast doppelt so häufig gering qualifiziert wie Mütter mit weniger Kindern. Für Mütter mit drei Kindern gilt jedoch, dass sie zugleich ebenso häufig gut qualifiziert sind wie Mütter mit weniger Kindern. Kurz gesagt, haben somit sowohl niedrig als auch gut qualifizierte Mütter besonders häufig drei Kinder.
Mütter aus Mehrkindfamilien sind insgesamt erkennbar seltener erwerbstätig als Mütter mit weniger Kindern, vor allem wenn in ihrem Haushalt vier oder mehr minderjährige Kinder
leben (49 % bei drei bzw. 29 % bei vier und mehr Kindern vs. 66 % im Durchschnitt aller Mütter). Jedoch können sich nur wenige Mütter vorstellen, dauerhaft dem Arbeitsmarkt fernzubleiben. Im Dossier ziehen eine ganze Reihe von Befunden die klassische Vorstellung in Zweifel, dass
Mütter mit vielen Kindern ausschließlich „Hausfrauen“ sein wollen:
Je älter das jüngste Kind ist, desto häufiger sind Mütter aus Mehrkindfamilien erwerbstätig, wenngleich in der Regel in Teilzeit. Seit 2007 entscheiden sich auch Mütter mit drei und mehr Kindern immer häufiger für eine Erwerbsaufnahme. Vor allem die Erwerbsbeteiligung von Müttern, deren jüngstes Kind zwischen einem und drei Jahre alt ist, hat sich dynamisch entwi-ckelt. Der mit dem Elterngeld und dem Ausbau der U3-Betreuung einhergehende Wandel der Erwerbsneigung von Müttern zeigt sich somit ebenso bei Müttern aus Mehrkindfamilien.
Derzeit nicht erwerbstätige Mütter äußern zudem oftmals (43 %) den Wunsch, später wieder eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Die Erwerbsmotivation fällt ähnlich hoch aus wie bei Müt-tern mit einem oder zwei Kindern. Mütter mit vier oder mehr Kindern haben jedoch im Ver-gleich zu Müttern mit drei Kindern etwas seltener den Wunsch, wieder erwerbstätig zu sein (34 %). Für sie hat der Beruf auch eine deutlich geringere Bedeutung.
Festzustellen ist auch, dass Müttern aus Mehrkindfamilien geringere zeitliche Spielräume zur Verfügung stehen, einen Beruf auszuüben: So steigt bei ihnen der erforderliche Zeitaufwand für die Hausarbeit. Knapp die Hälfte der Mütter mit vier oder mehr Kindern hat den Eindruck, oft unter Stress zu stehen. Bei Müttern mit zwei oder drei Kindern betrifft dies etwas weniger Mütter. Insgesamt zeigt sich also, dass viele Mütter mit drei oder mehr Kindern sowohl Fami-lie als auch Beruf leben wollen. Die Vereinbarkeit beider Lebensbereiche ist für sie im Alltag jedoch besonders herausforderungsvoll.
Zwischen wirtschaftlicher und familiärer Verantwortung: Väter in MehrkindfamilienIm Gegensatz zu Müttern unterscheiden sich Väter von drei oder mehr Kindern in geringerem Ausmaß von Vätern mit weniger Kindern.
Väter mit drei Kindern sind ebenso häufig hoch qualifiziert wie Väter mit nur zwei Kindern. Allerdings gibt es auch einen etwas erhöhten Anteil Geringqualifizierter. Wie bei den Müttern findet also mit steigender Kinderzahl eine Verschiebung von mittleren zu niedrigen Abschlüs-sen statt. Überdurchschnittlich viele gering qualifizierte Väter gibt es unter den Vätern mit vier oder mehr Kindern (32 %).
Auch in puncto Erwerbstätigkeit unterscheiden sich Väter nur wenig voneinander: Unabhän-gig von der Kinderzahl gehen neun von zehn Vätern arbeiten, in aller Regel in Vollzeit. Gerin-ger ist die Erwerbsbeteiligung von Vätern mit vier oder mehr Kindern.
In Relation zu anderen Vätern (39 % mit einem bzw. 42 % mit zwei Kindern) haben erwerbstä-tige Väter mit drei oder mehr Kindern besonders häufig den Eindruck, zu wenig Zeit für ihre Kinder zu haben (ca. 50 %). Dies könnte darauf hindeuten, dass sich Väter von Mehrkindfami-lien im Beruf überdurchschnittlich engagieren und bspw. Zusatzschichten übernehmen, um der Rolle des Familienernährers gerecht werden zu können. Ebenso könnte dies Ausdruck davon sein, dass Väter gerne mehr familiäre Verantwortung übernehmen würden.
So sagen Väter aus Mehrkindfamilien selbst, dass sie gerne mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen würden. Offensichtlich können sie dieses Bedürfnis nach mehr gemeinsamer Zeit zumindest partiell über die Partnermonate des Elterngeldes realisieren. Denn der Anteil der Väter, die mindestens drei Monate das Elterngeld beziehen, steigt erkennbar mit der Kinder-zahl an, von 16 % bei einem Kind auf 33 % bei vier oder mehr Kindern. Väter von vier oder mehr Kindern sind somit die Spitzenreiter bei der Dauer der Inanspruchnahme von Elternzeit.
Bildung und Förderung der KinderEltern aus Mehrkindfamilien legen viel Wert darauf, dass ihre Kinder schon möglichst früh gefördert werden.
Dies spiegelt sich auch darin wider, dass Mehrkindfamilien öffentliche Betreuungsangebote ähnlich häufig nutzen wie kleinere Familien. Lediglich Familien mit vier oder mehr Kindern lassen ihre Kinder etwas seltener betreuen. Mehrkindfamilien, die Betreuung nutzen, erhoffen sich dabei wie kleinere Familien vor allem positive Effekte auf die Entwicklung ihrer Kinder.
Insgesamt erleben jedoch insbesondere Familien mit vier und mehr Kindern die anfallenden Ausgaben für die Bildung der Kinder stärker als kleinere Familien als finanzielle Belastung. Häufiger als Eltern mit weniger Kindern geben Eltern aus Mehrkindfamilien zudem an, dass sie ihre Kinder gerne stärker fördern würden, sich dies jedoch finanziell nicht leisten können.
Wohnsituation von Mehrkindfamilien kann in einigen Regionen problematisch werdenAllgemein lässt sich feststellen, dass Mehrkindfamilien häufiger in der eigenen Wohnung leben als kleinere Familien. Doch auch bei der Wohnsituation wird ein Unterschied zwischen Mehrkindfamilien mit drei Kindern und größeren Mehrkindfamilien deutlich: Sind vier oder mehr Kinder vorhanden, fällt die Eigentumsquote geringer aus.
Wie zufrieden Mehrkindfamilien mit ihrer Wohnungsgröße sind, hängt im Wesentlichen davon ab, ob sie Mieter oder Eigentümer sind. Durch den Erwerb einer Wohnung schaffen sich Eigentümer ein adäquates Wohnumfeld und sind in der Regel mit ihrer Wohnsituation zufrie-den. Weniger zufrieden mit der Wohnsituation sind Mehrkindfamilien in gemietetem Wohn-raum. 55 Prozent der Mehrkindfamilien, die zur Miete wohnen, halten ihre Wohnung für zu klein.
Auch wenn es Fälle gibt, in denen Mehrkindfamilien mit großen Schwierigkeiten bei der Suche nach einem ausreichend großen und bezahlbaren Wohnraum konfrontiert sind, kann noch nicht generell von einer Wohnungsnot für Mehrkindfamilien gesprochen werden. Insbeson-dere Mehrkindfamilien, die sich aufgrund geringer Einkommen durch die Mietkosten stark belastet werden, profitieren vom Wohngeld. In Härtefällen werden Mehrkindfamilien, die sehr beengt wohnen, von den kommunalen Wohnungsämtern bei der Vergabe sozial geförderter Wohnungen vorrangig behandelt.
Dennoch ist festzustellen, dass sich in bestimmten Städten und Regionen die Wohnungspreise so entwickeln, dass Familien besonders stark belastet sind.
Mehrkindfamilien profitieren von den Leistungen der FamilienpolitikDas Dossier zeigt, dass Mehrkindfamilien die meisten zentralen Familienleistungen etwa ähn-lich häufig nutzen wie kleinere Familien. Das heißt, Leistungen, die kleineren Familien nutzen, unterstützen auch Mehrkindfamilien. Die wichtigste Familienleistung ist in den Augen der Mehrkindfamilien das Kindergeld. Dies ist auch derzeit die einzige Familienleistung des Bun-des, die eine gezielte Staffelung nach Anzahl der Kinder vorsieht. Etwas wichtiger als kleineren Familien ist für Mehrkindfamilien die beitragsfreie Mitversicherung des nicht berufstätigen Ehepartners in der gesetzlichen Krankenversicherung. Dies hängt damit zusammen, dass die
Eltern aus Mehrkindfamilien meist verheiratet sind und häufiger nur ein Elternteil erwerbs-tätig ist.
Herausgeber:Bundesministeriumfür Familie, Senioren, Frauenund JugendReferat Öffentlichkeitsarbeit 11018 Berlinwww.bmfsfj.de
Erstellt durch: Prognos AG Geschäftsstelle des Zukunftsrats Familie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Bezugsstelle:Publikationsversand der Bundesregierung Postfach 48 10 0918132 RostockTel.: 030 182722721Fax: 030 18102722721Gebärdentelefon: [email protected]: [email protected]
Für weitere Fragen nutzen Sie unser Servicetelefon: 030 20179130 Montag–Donnerstag 9–18 Uhr Fax: 030 18555-4400E-Mail: [email protected]
Einheitliche Behördennummer: 115* Zugang zum 115-Gebärdentelefon: [email protected]
Artikelnummer: 2BR25Stand: Dezember 2013, 1. Auflage Gestaltung: www.avitamin.de Druck: Silber Druck oHG, Niestetal * Für allgemeine Fragen an alle Ämter und Behörden steht Ihnen auch die einheitliche
Behördenrufnummer 115 von Montag bis Freitag zwischen 8.00 und 18.00 Uhr zur Verfügung. Diese erreichen Sie zurzeit in ausgesuchten Modellregionen wie Berlin, Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen u. a.. Weitere Informationen dazu finden Sie unter www.115.de.
Diese Broschüre ist Teil der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung; sie wird kostenlos abgegeben und ist nicht zum Verkauf bestimmt.