Download - Lebenszeichen 2/2011
schleichendes Fukushima in Brasilien S.8
Südafrika: Land
mit zwei Gesichtern
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Das Infomagazin der Dreikönigsaktionwww.dka.at
schleichendes Fukushima in Brasilien S.8
02021111
Erhältlich: www.dka.at oder im JugscharbüroJ ha
2 INHALT / AKTUELL
www.fachtagung-weltkirche.at
Diözesanbüros der Katholischen Jungschar: Erzdiözese Wien, Tel.: 01/51552-3396, E-Mail: [email protected] • Diözese St. Pölten, Tel.: 02742/324-3361, E-Mail: [email protected]
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Impressum: Herausgeberin und Verlegerin: Dreikönigsaktion, Hilfswerk der Katholischen Jungschar, Wilhelminenstraße 91/2 f, A-1160 Wien Redaktion: Christian Herret Mitarbeit: Martin Eisermann,
Julia Günther, Annemarie Klug, Rudolf Remler-Schöberl, Edith Schnitzer, Claudia Thallmayer, Herbert Wasserbauer Layout: www.habiger.at Korrektorat: Coralie Riedler Fotos: Dreikönigsaktion, CPT Bahia,
Susanne Friess/Misereor, victoria p./Fotolia.com (S.11 oben links) Herstellung: Druckerei Schmitz ZVR: 405326502
FACHTAGUNG WELTKIRCHE – ALLE IM SELBEN BOOTImpulse für ein solidarisches Christentum
Freitag, 22. Juli 2010, 14.00 – Samstag, 23. Juli
2011, 17.30 im Stift Lambach
Was bedeutet globale Solidarität angesichts der
Unterdrückung der Frauen oder der wirtschaft-
lichen Ausbeutung? Welche Bedeutung hat lo-
kal gelebte christliche Solidarität für die Welt-
kirche? Globale Solidarität beginnt mit dem Interesse
für scheinbar ferne Länder und Problemlagen.
Sie braucht die Bereitschaft, nicht nur die Fra-
gen zu hören, sondern auch Antworten zu su-
chen und zu leben: die Bereitschaft zum Enga-
gement.
Tagungsbeitrag inkl. Verpflegung: EUR 50,–
Nächtigung mit Frühstück: EUR 35,–
03 In Zeichen gesetzt 04 Südafrika, Land mit zwei Gesichtern06 Fokus Projektpartner/innen: Bolivien/Südafrika08 Wolken über Caetité – Uranbergbau/Brasilien10 Global Wealth Report 11 Life(with)style12 Projekt & Partner/in
DRUCKFRISCH: JAHRESBERICHT 2010Die Katholische Jungschar und ihre Dreikö-nigsaktion werfen den Blick zurück auf das ver-gangene Jahr. Unser aktueller Jahresbericht informiert Sie über Zahlen und Fakten, Heraus-forderungen und Highlights unserer Arbeit.
EDITORIAL 3
Liebe Leserir nnen und Leser!
Während ich AAnfang Juni diese Zeilen schreibe, tagt die Regionallkok nferenz des Weltltwirtscchaftsforums inni der
Wiener Hofburgg. Dazu werden 500 Gäste aus 30 Staaten erwartet, ddarunter auch Staaata s- undn Regierungssccheh fs
ehemaliger Ostblbloco kstaaten. Aus diesem Grund setzt Österreich dass Schengen-Abkommmen vovorübergehendd aaußer
KrK aft. Ein Schritt zzuru ück in Vor-EU-Zeiten: An Österreichs Grenzen wirrd d wieder kontrollieert. Abeer ist es nicht llegegitim,
diieje enigen, die unseer Wohlergehen lenken, vor „bösen Demonstrant/innnen“ zu schützen?? Denn wiw e wird es unnss seit
Jahhren von der Wirtschc aftskammer eingebläut: „Geht’s der Wirtschaft guut,t geht’s uns allenn gut!“
AllA ss poosis tives Beispiel dieenen uns zwei Länder, in denen die Dreikönigsaktionon seit vielen Jahreen tätig g ist: Brasilienn
unndd Südad frika. Dank gewawaltiger Wirtschaftsanstrengungen haben die beiden LLänder den Sprungng zur wwirtschaftli-
cheenn Grooßmß acht geschafft. Ein Lehrbeispiel der Leitl’schen Diktion? Mitnichtenn. Für einen großenen Teil dder Men-
scheenn sindd diese Wirtschaftsswunder existenzbedrohend: Für das umstrittene Meegakraftwerksprojeke t Belolo Monte im
brasiliaianin scheh n Amazonasgebibiet wurde kurz vor Redaktionsschluss die Baugenehhmigung erteilt. Grroßo e Fläächen des
Regenwwalaldes s werden geflutet ooder ausgetrocknet, Zehntausende von Menschen veertrieben. Im Südenen Brasisiliens
steht die grgrg ößtete Uranmine Lateinnamerikas. Die Menschen leiden unter dem radioakttivi verseuchten Staaub (s.S.S 8).
Südafrika haah t zwwei völlig unterschhiei dliche Gesichter. Während die reiche, überwiegendd weiße Bevölkeruungsschih cht
den gleichenen LLebbene sstil pflegt wie iin n Europa, kämpfen große Teile der Bevölkerung nacch wie vor ums täggliche
Überleben (s.S.SS. 4).
„W„W„ ährend eine kkleeine Schicht vom Wirtsschaftswachstum profitiert, zahlt die Mehrheit der MMenschen die Zechehe“,
brrrinii gt es Claudia ThhT allmmayer von WIDE inn ihrem Artikel (s.S. 10) auf den Punkt. Aber das sindd doch nur Umstel--
lungggsschwierigkeittenne in ded n Ländern des gglobalen Südens, höre ich unsere führenden Ökonomm/innen aufschreieen.
Bei unununs im Sozialstaaatta Östtere reich profitierenn doch alle von einer starken Wirtschaft!
NNicht gaaanzn , meine ich. DDeenn wäw hrend Österreichch eine der geringsten Arbeitslosenraten innerhalb ddere EU aufweist,
ggeehth auchhh bei uns die Sccheeh re zzwischen Arm undd Reich dramatisch auseinander. Eine neue Studie imm Auftrag der
SttS adadt Wienn zeigt: Die Armuutssproboblematik ist in derr Mitte der Gesellschaft angekommen. Facharbeiter/i/innen werden
dudurcrchh schlecccht bezahlte Leihihaarbeeiti er/innen ersetzt uund Akademiker/innen verdingen sich in prekären AAnsn tellungs-
verhr älä tnt issen.. Acht Prozent alalleer „wworking poor“, die Sozialhilfe beziehen, haben einen Lehrabschluss, 114 4 Prozent
sindd AAkaak demikekeer/innen. Ein feiineen s ZwZwischenergebnis eeiner Wirtschaft, bei der es angeblich „allen gut gehht“t .
Österreieichch lliegt mmititi seiner „Milliononärä sddici hte“ weltweit ann fünfter Stelle, gleichzeitig geht dem Staat das Geld d aus.
Ein Sparrpaap keket jagt dddas nächste. Unnsees re RRegierung spart beei den Familien, bei Bildung, im Sozial- und Gesundhheits-
bereich. Imm BeeB reich sststaatlicher Entwwicci klk unngsg zusammenarbeeiti , so zeigt der „AidWatch-Report 2011“, ist Österreeich
mit 0,32 % ddeess BIP bererreits ins Schlussssfefeld dder EU-Staaten abbgeg sackt, nur noch knapp vor den krisengeschüttelteen
Ländern wie PoPoP rttugu al unndn Griechenlandd. ÖÖsteerreichs Entwickluungn spolitik gebe ein „blamables Bild“ ab, sagte
Caritas-Präsiddenne t FrF anz KKüKüberl noch fastt uunterrtrt eibend bei der PPrär sentation des Berichts.
Geht’s der Wirtschchafaft t gut, geehe t’s uns allen gguut!t Daarin mag ein Körncchen Wahrheit liegern. Aber nur, wenn wir uns
verstärkt für eine ggererecechte Ummmverteilung einsseetzt enn. Hier bei uns in ÖsÖsterreich, aber auch weltweit. In diesem Sinne:
einen schönen, erhololsasammen Soommmm er: Setzen wwirr gemmeinsam Zeichen ffür eine gerechte Welt!
Mit lieben Grüßen
Martin Krenn, Bundesvorsitzzeenddn er der KKKatholischen Juungngschah r
In Zeichen gesetzt
BETREFF: GLOBALISIEREN WIR UMVERTEILUNG!
it dde
Der Blick vom Tafelberg ist atemberaubend. Zu seinen Füßen liegt Kapstadt, eine der schönsten Städte der Welt. Auf der einen Seite glänzt der indi-sche Ozean, auf der anderen wogen die Fluten des Atlantiks. In der Ferne hinter der Bergkette der „Zwölf Apostel“ kann man das Kap der Guten Hoff-nung erspähen. Ströme von Tourist/innen aus aller Welt finden den Weg in diese einzigartige Stadt. Es gibt unzählige Ausflugsziele in der näheren Umge-bung. Angefangen von „Game Resorts“, wo man Wildtiere in freier Wildbahn beobachten kann, über die Route 62, die an herrlichen Weingütern (inkl. Weinverkostung) vorbeiführt bis hin zum Hochseefischfang. Wer nur diese Seite kennen-lernt, bekommt rasch den Eindruck, in Südafrika lässt es sich leben wie in Europa. Diese Wahrneh-mung ist auch nicht ganz falsch. Man kann in Süd-afrika wie in Europa leben, vorausgesetzt man ist weiß oder reich. Anders sieht es nach wie vor für den Großteil der schwarzen Bevölkerung aus, und auch viele „Colored“ (alle, die während der Apart-heid nicht als „schwarz“ oder „weiß“ klassifiziert wurden) haben nach wie vor mit dem gesellschaft-lichen und wirtschaftlichen Anschluss zu kämp-fen. Diese „rassische“ Einteilung der südafrikani-schen Bevölkerung war eines der prägenden Elemente des Apartheidregimes. Die Apartheid wurde 1994 zwar offiziell abgeschafft, lebt aber nach wie vor in vielen Köpfen weiter. Hinzu kommt eine neue Form der „Apartheid“, jene zwischen Arm und Reich, wie sie viele unserer Partnerorga-nisationen nennen.
Die neue Form der Apartheid
Khayelitsha (neue Heimat), das riesige Township am Rande von Kapstadt, sieht man vom Tafelberg nicht. Wie viele Menschen dort leben, kann nie-mand wirklich sagen. Schätzungen gehen von mehreren Millionen aus, und es wächst rasant. 75 % der Bewohner/innen, die zu drei Viertel jünger als 29 Jahre alt sind, leben in nicht registrierten, eng aneinander gepferchten Blechhütten oder Minibe-hausungen. Über 70 % der Menschen dort fristen ihr Dasein unter der absoluten Armutsgrenze mit einem Dollar pro Tag. 24 % haben keinen Zugang zur Stromversorgung und 17 % keinen zu Wasser. Arbeits- und Perspektivenlosigkeit, Gewalt, Le-thargie und Frustration prägen das Leben der Menschen in dieser für Außenstehende trostlosen
Gegend ohne jegliche Privatsphäre. Am schlimms-ten ist die Situation in diesem Umfeld für Frauen und Kinder. Viele der Bewohner/innen aus diesen und ähnlichen Townships waren noch nie in ihrem Leben in der schicken „europäischen“ Innenstadt von Kapstadt. Umgekehrt hat die überwiegende Mehrheit der weißen Südafrikaner/innen noch nie einen Fuß in diese Townships gesetzt. Zwei Le-bensrealitäten so nah beieinander und doch so un-endlich weit voneinander entfernt. Diese himmel-schreiende Ungleichheit spaltet das Land. Unterstützt mit Sternsingerspenden arbeiten unse-re Partnerorganisationen daran, dass auch die Aus-gegrenzten ihren Platz im neuen Südafrika finden.
Engagierte Arbeit unserer Partnerorganisationen
Die CWD (Catholic Welfare and Development) ist so etwas wie die Caritas der Diözese Kapstadt und bearbeitet ein breites Arbeitsfeld. Die DKA unter-stützt sie im Bereich eines Berufsausbildungspro-grammes für Jugendliche aus den Townships. Ne-ben dem Erlernen von praktischen Tätigkeiten, die für eine Arbeitsstelle in Hotels, Restaurants oder Supermärkten notwendig sind, geht es auch um Persönlichkeitsbildung. Diese Jugendlichen kom-men aus einem schwierigen Lebensumfeld, in dem sie meist wenig Zuneigung oder Geborgenheit er-leben. Das Selbstwertgefühl ist gering und nicht wenige sind traumatisiert. Bei CWD erleben viele zum ersten Mal, dass ihnen jemand zuhört, sich für ihre Gefühle, Ängste und Träume interessiert, und sie erhalten eine (andere) Perspektive für ihr Leben.
„Africa Unite“, eine andere Organisation, die von der DKA unterstützt wird, unterhält einige Begeg-nungszentren in den Townships, wo Kinder und Jugendliche zumindest für einige Stunden einen geschützten Rückzugsraum finden. Sie bekommen dort Unterstützung in Schulbelangen und nehmen an Freizeitaktivitäten teil. Darüber hinaus werden jugendliche Menschenrechtsaktivist/innen ausge-bildet, die bereits ein weitverzweigtes Netzwerk bilden, um einerseits die Bewohner/innen in die-sen Townships über ihre Rechte aufzuklären und andererseits bei auftretenden Konflikten zu ver-mitteln bzw. im besten Fall diese im Vorfeld bereits zu entschärfen. Nach Südafrika strömen auch viele Flüchtlinge und Zuwanderer/innen aus anderen Teilen Afrikas und so kommt es hier auch immer wieder zu Spannungen.
Südafrika
Land mit zwei Gesichtern
Wo Armut und Reichtum nah beieinander liegen
4 FOKUS: SÜDAFRIKA
CWD jobstart: Tischdecken ist Teil der
praktischen Berufsausbildung.– [email protected] –
WFP (Women on Farm Project) arbeitet u.a. mit den Farmarbeiter/innen in den Weinbaugebieten und unterstützt hier vor allem die Frauen. Die Farm arbeiterfamilien leben meist seit vielen Gene-rationen auf der gleichen Farm und sind in allen Belangen dem Farmbesitzer untergeben bzw. aus-geliefert. Wenn der Farmer sie nicht mehr braucht, kann er sie vom einen auf den anderen Tag von seiner Farm werfen und sie verlieren alles, da auch ihre Häuser im Besitz des Farmherrn sind. Frauen stehen in diesem feudalen, patriarchalen System ganz unten und haben am wenigsten Rechte. WFP unterstützt sie, angefangen bei Gesundheitsfragen über die Aufklärung über ihre (Arbeits-)Rechte bis hin zur Durchführung von Kampagnen gegen die Vertreibung von Farmarbeiter/innen.
Noch eine Ebene darüber arbeitet AIDC (Alter-native Information & Development Centre), das Organisationen und Initiativen aus den verschie-denen sozialen Sektoren vernetzt und begleitet und u.a. über 85 Gemeinderadiostationen Hinter-grundinformationen zu Wirtschaft, Politik und Gesellschaft liefert. Dabei werden nationale The-menstellungen mit globalen Entwicklungen ver-knüpft. Südafrika ist eine aufstrebende regionale Wirtschaftsgroßmacht, die über weite Strecken ei-nem neoliberalen Wirtschaftsmodell folgt, von dem nur wenige im Land profitieren.
Die „weißen Elefanten“
Das neue, schöne, große Fußballstadion von Kap-stadt, welches für die WM 2010 in Südafrika erbaut wurde, ist vom Tafelberg aus gut zu erkennen. In allen großen Städten Südafrikas sind diese archi-tektonisch schmucken Bauwerke zu bewundern. Die Fußball-WM vor einem Jahr hat für Momente Menschen zusammengeführt und viele Südafrika-ner/innen auch mit Stolz erfüllt. Fußball ist ja der Sport der Schwarzen. Doch die kurze Euphorie ist verflogen, der versprochene nachhaltige Entwick-lungsschub des Großereignisses ist ausgeblieben. Die lokalen Fußballvereine tragen ihre Spiele in kleineren Spielstätten aus, da sie sich einen Spiel-betrieb in diesen Luxusstätten nicht leisten kön-nen. So sind sie vielfach verwaist und werden als „weiße Elefanten“ bezeichnet. Sie verschlingen viel Geld, haben aber keinen Nutzen für die Bevölke-rung.
Südafrika ist ein Land voll von Widersprüchen. Es ist ein schönes und auch reiches Land, nur ist dieser Wohlstand nach wie vor mehr als ungleich verteilt. Die Partnerorganisationen der DKA arbei-ten auf verschiedenen Ebenen daran, dies zu än-dern, und dafür brauchen sie nach wie vor unsere Unterstützung.
Africa Unite: Ausbilung in Menschenrechts-fragen.
FOKUS: SÜDAFRIKA 5
WFP: Eine Methode, um Farmarbeiterfamilien zu ver treiben, ist, ihre Häuser nicht mehr zu renovieren.
Ein Haus ist oft ein einziger Raum mit vier Blechwänden.
Kinder sind neben Frauen die verletzlichste Gruppe in den Townships.
Ein Klingeln außerhalb der Öffnungszeiten im Tageszentrum hat oft nichts Gutes zu bedeuten. Vor allem, wenn es so eindringlich, lan-ge und penetrant erfolgt wie an diesem Morgen. Unsere Sozialarbei-terin unterbricht die Teambesprechung und öffnet die Tür. Paola steht vor ihr, daneben ihre dreijährige Tochter. Im Arm trägt sie ihr Baby, eingewickelt in Decken und Aguayos. Nervös und hektisch schiebt sie sich mit ihrer kleinen Tochter durch die Tür: „Seño, Seño ... es ist tot! Mein Baby ist tot!“, bricht sie heraus und legt den leblosen Körper auf einen Tisch. Sieben kurze Monate dauerte das Leben des Kindes – Durchfall, Unterernährung und die Kälte von El Alto nah-men ihm jede Chance auf eine Zukunft. Paola ist 16 und sucht ihr Überleben auf der Straße.
Es ist nicht der erste Fall dieser Art, trotzdem trifft es einen wie ein harter Schlag ins Gesicht. Denn abgesehen von dem unglaublich trau-rigen Ereignis des Todes eines unschuldigen Säuglings ist es ein di-rekter Spiegel für die aktuelle Situation auf den Straßen von El Alto. Für die Mädchen gehört sexuelle Gewalt zum täglichen Brot, Prosti-tution ist meistens die einzige Möglichkeit, die bleibt, um zu Geld zu kommen. Die Gefahren für den Körper und die Psyche der Mädchen sind jenseits des Tragbaren. Gewalt, Krankheiten, Infektionen, exzes-siver Drogenkonsum und unerwünschte Schwangerschaften sind nur einige der Risiken. Was vor einigen Jahren noch versteckt in ille-galen Bordellen stattfand, ist jetzt Teil des öffentlichen Bildes in be-stimmten Stadtteilen. Zwölfjährige Mädchen, die an einer Straßen-ecke stehen, erwachsene, „normale“ Männer, die sich annähern und mit den Mädchen den Platz verlassen. Nach kurzer Zeit kommt das Mädchen wieder zurück, bald wiederholt sich der Vorgang.
Maya Paya Kimsa ist eine Einrichtung, die direkt auf der Straße arbeitet und sich diesen Situationen anpassen muss. Über gezielte Mädchenarbeit und -gruppen wird auf diese Themen eingegangen. Über den persönlichen Kontakt direkt auf der Straße wird eine Ver-trauensbeziehung hergestellt, was zwar schwer, aber wiederum un-erlässlich ist, um tiefer als zu den oberflächlichen Symptomen zu kommen.
Außerdem verlangt dieses Thema nach mehr Vernetzung denn je, mit Gesundheitssystem, Staatsanwaltschaft, Therapiezentren, ver-schiedenen öffentlichen Stellen, wo es wiederum sehr viel Bewusst-seinsarbeit braucht, denn es überwiegt die Tendenz, für komplexe Probleme wie dieses vereinfachte Lösungsmuster anzuwenden. Und diese verzerren nur die Situation, anstatt langfristige Lösungen zu bringen. Maya Paya Kimsa orientiert sich an beiden Linien. Für uns hat jedes einzelne Mädchen Vor- und Nachnamen, uns interessiert der Mensch. Aber es ist uns auch bewusst, dass eine Lösung struktu-rell erfolgen muss und unsere Verantwortung auch in diesem Bereich liegt. Dafür brauchen wir neue Ideen in gemeinsamer Arbeit mit al-len Verantwortlichen. Diese suchen wir, denn wir brauchen sie, um Situationen wie jene von Paola und ihrem Baby zu verhindern.
Bolivien
AUF DEN STRASSEN VON
EL ALTO
6 PROJEKTPARTNER/INNEN
Martin Bernhofer im Einsatz in den Straßen von El Alto
Für Maya Paya Kimsa steht der Mensch im Mittelpunkt.
Die Mitarbeiter/innen der Initiative
Maya Paya Kimsa sind seit 2003
täglich auf den Strassen von El Alto
unterwegs, um mit professioneller
Sozialarbeit Kinder und Jugendli-
chen auf ihren Weg in eine bessere
Zukunft zu begleiten. Über verschie-
dene Aktivitäten im öffentlichen
Raum und im eigenen Tageszentrum
geht es um die Motivation und die
Stärkung der Persönlichkeit, damit
es zu einer eigenen, freien Entschei-
dung kommt. Die Arbeit erfolgt sehr
individuell und prozessorientiert,
das heißt, die Fortschritte sind
stufenweise, aber vor allem an der
Lebenswelt der Kinder und Jugendli-
chen orientiert.
www.mayapayakimsa.org
– PROJEKTPARTNER/IN –
MAYA PAYA KIMSA
PROJEKTPARTNER/INNEN 7
TCOE, Trust for Community Outreach and Education, ist eine südafrikani-sche Organisation, die von der Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar seit vielen Jahren unterstützt wird. Sie beschäftigt sich vor allem mit der Stärkung von lokalen Organisationen von Kleinbauern und -bäuerinnen. Die lokalen Communi-tys werden als Träger ihrer eigenen Entwicklung wahrgenommen und organisie-ren sich um die von ihnen identifizierten brennendsten Probleme wie ländliche Armut, Landrechte, Wasserrechte und Ernährungssicherung. Sie bilden Assoziati-onen und organisieren Kampagnen zur Durchsetzung ihrer, in der südafrikani-schen Verfassung, verbrieften Rechte.
Auf dem Hintergrund der Tatsache, dass Monsanto, der weltgrößte landwirt-schaftliche Saatgutkonzern, inzwischen alle Saatgutfirmen in Südafrika mit einer Ausnahme aufgekauft hat und gemeinsam mit der südafrikanischen Regierung in großem Ausmaß GMOs (Gentechnisch modifizierter Organismus, engl. genetically modified organism) propagiert, hat TCOE gemeinsam mit ihren Teilorganisationen „Masifunde“ und „Zingiza“ in der Provinz Eastern Cape eine Studie durchgeführt. Ziel war es, die Allianz zwischen der südafrikanischen Regierung und Monsanto aufzudecken und vor allem die verheerenden Folgen dieser Landwirtschaftspolitik auf die Bevölkerung aufzuzeigen. Monsanto kontrolliert einen Großteil des globa-len Saatgutmarktes, ist seit 1968 in Südafrika tätig und seit 1998 im dortigen Saat-gutmarkt aktiv. Er vermarktet inzwischen 50 % des Maissaatguts, davon ca. 60 % GMOs.
Eastern Cape ist eine der ärmsten südafrikanischen Provinzen , die noch 16 Jah-re nach dem Ende der Apartheid an den Folgen der damaligen Bantustan-Politik zu leiden hat, als Millionen schwarze Südafrikaner/innen aus ihrem eigenen Staat ausgegliedert , die Männer zur Arbeit in den Minen gezwungen wurden und Frau-en, Kinder und alte Menschen in den Dörfern zurückblieben. Die funktionierende traditionelle Kleinlandwirtschaft mit integriertem Ackerbau, Viehzucht, Land- und Wassernutzungssystem wurde zerschlagen. Seit dem Ende der Apartheid versu-chen nun Millionen von Kleinbauernfamilien auf ihren kleinen Flecken Land, ohne die minimalste Infrastruktur und Unterstützung durch öffentliche Dienstleistun-gen zu überleben. Landwirtschaftliche Subventionen, wie in der westlichen Welt üblich, gibt es nicht. Sie sind in der neoliberalen Agrarpolitik nicht vorgesehen.
Die Reaktion der südafrikanischen Regierung auf diese Situation ist eine andere. So wurde 2003 in Eastern Cape das sogenannte „Massive Food Production“-Pro-gramm begonnen, wobei in großem Stil GMO-Saatgut (Mais, Baumwolle und Soja) Verwendung findet und ein zentralisiertes, auf Monokultur basierendes, kommer-zielles Landwirtschaftskonzept mit allen negativen Konsequenzen für die Umwelt (Auslaugung der Böden, Verschmutzung des Wassers, unbekannte Folgen des Kon-sums von Genprodukten) angewendet wird.
Wie die Studie herausgefunden hat, ist dieses Konzept völlig ungeeignet, Ernäh-rungsunsicherheit und Armut zu lindern, und ist kein Ersatz für eine echte Land- und Agrarreform unter Einbeziehung der lokalen Bevölkerung. TCOE wird weiter-hin mit einem ganzheitlichen Ansatz, einer breiteren ländlichen Entwicklungsstrategie, arbeiten und Unterstützung für ein an die Ökologie und die Menschen angepasstes Landwirtschaftssystem mobilisieren, denn „Land ist mehr als nur ein elementares Produktionsmittel, es ist die materielle Basis für eine dynamische Entwicklung von menschlichem und sozialem Leben und Leben überhaupt.
Südafrika
ERNÄHRUNGSSICHER-HEIT BEDROHT
Der Saatgutkonzern Monsanto und neoliberale Agrarpolitik
Eastern Cape ist eine der ärmsten südafrikanischen Provinzen.
TCOE (Trust for Community Outreach
and Education) unterstützt Landlose,
Landarbeiter/innen und Kleinbau-
ernfamilien, ihre Landrechte einzu-
fordern, indem sie Aufklärungsarbeit
leistet und ihren Zusammenschluss
in Landwirtschaftsgruppen fördert.
Bereits 300 Initiativen mit mehr als
2000 Mitgliedern wurden in den Pro-
vinzen Eastern Cape, Western Cape
und Limpopo gegründet.
– PROJEKTPARTNER/IN –
TCOE
8 RUBRIK8 GESELLSCHAFT(S)POLITIK
Im März 2011 richtet sich die weltweite Aufmerk-samkeit auf Fukushima. Dort steigt weißer Rauch aus dem havarierten Reaktor II und kündigt der Weltöffentlichkeit den Super-GAU an. Doch nicht nur über Fukushima steigt radioaktiv verseuchter Rauch auf. Auch über Caetité ziehen weiße Wolken. Hier, im staubigen Süden Bahias, im semiariden Sertão, im Armenhaus Brasiliens steht die größte Uranmine Lateinamerikas. Durch nahezu tägliche Sprengungen werden gigantische Staubwolken voll strahlender Uranpartikel aus der Mine in die Lüfte gewirbelt, die sich kilometerweit auf Häuser, Wälder, Gärten, Auen, Flüsse und Seen legen. Hier wird der nukleare Treibstoff gewonnen, der die Kernkraftwerke dieser Welt am Leben erhält. Seit Jahren, Tag für Tag, weiße Wolken voll radioakti-vem Uranstaub.
In Caetité und den benachbarten Landkreisen Lagoa Real und Livramento de Nossa Senhora le-ben ca. 30.000 Menschen, die unmittelbar unter den Auswirkungen dieser Uranmine leiden. Seit dem Jahr 2000 fördert hier der teilstaatliche Atomkon-zern INB (Indústrias Nucleares do Brasil) nach An-gaben von regionalen Umweltgruppen im Jahres-durchschnitt ca. 400 Tonnen Yellow-Cake, Uran rohstoff für die Herstellung von nuklearen Brenn stäben. Viele kleine traditionelle Landge-meinden leben direkt im Umfeld der Mine. Auf ihre Dächer, ihre Landwirtschaft, ihre Tiere, ihre Was-serreservoirs und ihre Kinder rieselt täglich der verseuchte Staub.
In erschreckender Weise wird in Caetité deut-lich, welche gravierenden Folgen die Kernenergie nicht nur am Ende, beim Super-GAU in Fukushi-ma, provoziert. Der gesamte Kreislauf dieser Ener-gieproduktion offenbart ein Desaster. Von den un-gelösten Problemen einer Endlagerung, die einen ökologischen und ökonomischen Alptraum für künftige Generationen bedeutet, bis hin zur ersten Förderung des Treibstoffs in den Uranbergwerken. Unbemerkt und vergessen von der Weltöffentlich-keit haben die Menschen in der Umgebung von Caetité keine andere Möglichkeit mehr, als ver-seuchtes Wasser zu trinken. Unzählige Menschen leiden an Krebserkrankungen. Besonders auffällig ist nach Aussagen von Priestern und Ärzten der Region das überdurchschnittliche Vorkommen von Leukämie und Hirntumoren.
„Jeden Morgen taste ich meinen Körper ab, ob ich nicht irgendwo einen Tumor erspüre. Beson-ders die Angst vor einem Tumor in meinem Gehirn, den ich nicht gleich spüren kann, lässt mich nicht
los“, teilt Elinilde, 28 Jahre alt, mit. Die junge Bahia-nerin lebt mit ihrer Familie in Riacho da Vaca, ei-nem kleinen Dorf, das unmittelbar an die Uranmi-ne grenzt. Als medizinische Dorfhelferin begleitet sie die Kranken in der kleinen Landgemeinde, in der seit jeher ihre Vorfahren leben. Sie weiß um die vielen Tumor- und Krebserkrankungen der letzten Jahre, sie weiß um das missgebildete Vieh, das im Stall ihrer Nachbarn steht. Weg von hier kann und will sie nicht mehr. Wer konnte, hat die Gemeinde schon verlassen – zurück bleiben die Armen. Zu-rück bleibt auch ihre alte Mutter, die Elinilde auf keinen Fall alleine lassen wird. Ihr Grundstück würde heute sowieso niemand mehr kaufen. In die-sem Dorf, mit Panoramablick auf die Uranmine, gilt nach unabhängigen Untersuchungen von Greenpeace sowohl das Wasser als auch das Land als stark radioaktiv belastet. Riacho da Vaca liegt direkt im Fallgebiet der uranverseuchten Staub-wolken, welche von der Mine hertreiben.
Die Menschen in Caetité werden sich bewusst, dass ihre Probleme mit den weltweiten Prozessen der gegenwärtigen Globalisierung zu tun haben. Und sie beginnen, sich zu wehren, sie fragen nach, fordern Transparenz und Konsequenz. Pe. Osvaldi-no ist Stadtpfarrer in Caetité. Als einer von weni-gen redet er frei und ohne Angst über die Probleme seiner Region. Er spricht im Radio, er besucht die Menschen in den kontaminierten Gebieten, gibt Fernsehinterviews. Er wird zum Sprachrohr für viele, die sich ohnmächtig fühlen und ihre Stimme schon verloren glaubten. Spricht man mit Pe. Osval-dino und seinen Begleiter/innen über Caetité, so wird ein Grundgefühl besonders deutlich: Angst. Angst und damit verbunden das Gefühl, von den politisch Verantwortlichen im Stich gelassen zu werden. Die Menschen sind völlig desinformiert, verunsichert und haben den Eindruck, bewusst im Unklaren gelassen zu werden. Sie fühlen sich ohn-mächtig, als „Spielzeug in einem globalen Spiel um Macht und Profit“, wie es eine Mitstreiterin von Pe. Osvaldino ausdrückt. Zum einen herrscht die Angst vor Krankheiten, es gibt keine klaren Infor-mationen über Strahlungen, Wasserverseuchun-gen und Unfälle in der Mine. Wer hier zu viele Fra-gen stellt, bekommt sehr schnell die Macht der Nuklearindustrie zu spüren. Pe. Osvaldino war der Erste, den die INB vergeblich versuchte, durch Kla-gen zum Schweigen zu bringen. Dabei hat die Atom industrie jedoch nicht mit der eigenwilligen Mentalität der Sertão-Bewohner/innen gerechnet. Am Tag der Gerichtsverhandlung gegen Pe. Osval-
Brasilien
WOLKEN ÜBER CAETITÉ Uranbergbau bedroht die Gesundheit von Tausenden Menschen
BERICHT 9GESELLSCHAFT(S)POLITIK 9
dino erlebt Caetité seine erste große Demonstrati-on – eine Rebellion im Sertão. „Dass man uns das Land wegnimmt, das Wasser verseucht, ist schon schlimm genug“, meint die 83-jährige Dona Lour-dinha, den Rosenkranz fest um ihre knöchrige Hand geschlungen, „aber dass man nun den Pfar-rer vor Gericht schleppt, nur weil er die Wahrheit sagt, ist zu viel für uns!“ Und so folgt die einfache Landarbeiterin der Kundgebung mit vielen Tau-send anderen Menschen aus Caetité, mit Transpa-renten, mit Singen, Beten und Sprechchören, wel-che Freiheit für Pe. Osvaldino fordern. Pe. Osval dino wurde nicht verurteilt. Was jedoch bleibt, ist die Angst.
Beängstigend ist nun, dass seit wenigen Tagen Pe. Osvaldino anonyme Drohungen übers Telefon bekommt. Seine Familienangehörigen und die Nachbarn werden von Unbekannten aufgesucht und über den Aufenthalt des Priesters ausgefragt. Der renommierte brasilianische Menschenrechts-verband DHESCA hat schnell reagiert und Pe. Os-valdino in ein nationales Schutzprogramm aufge-nommen. Einschüchtern lassen wird sich Pe. Osvaldino nicht, die Menschen in Caetité und die internationale Präsenz sind momentan sein größ-ter Schutz. In den kommenden Tagen werden die Bewohner/innen von Caetité eine Umweltwoche begehen. Sie wollen sich bei Experten über die Um-weltsituation der Region informieren. Auch wer-den sie öffentlich einen Dokumentarfilm vorfüh-ren, der die Uranproblematik in Caetité beleuchtet. Im März wurde die Dokumentation von einem deutschen Filmteam vor Ort gedreht.
Die Leute aus Caetité sind bei ihrer Umweltwo-che auch nicht mehr alleine. Sie bekommen nun Besuch aus Santa Quitéria, einer kleinen Stadt im brasilianischen Bundesstaat Ceará. Dort wird bald die zweite Uranmine Brasiliens eröffnet. Pe. Osval-dino trifft sich mit den Betroffenen, er klärt auf. Er wird seinen Kampf für die Grundrechte der Men-schen weiterführen, egal ob in Santa Quitéria oder in Caetité. Solange in seiner Pfarre auffallend viele Menschen an Leukämie und Tumoren erkranken, unbemerkt von den Augen der Weltöffentlichkeit, wird er nicht lockerlassen. Während die Welt ge-schockt nach Fukushima schaut, leiden auch in Caetité Menschen an den Folgen radioaktiver Strahlung, vielleicht auch bald in Santa Quitéria. So bleiben, neben dem Versagen der politischen Verantwortlichen, dies die auffallenden Parallelen zwischen Caetité und Fukushima, zwischen dem Anfang und dem Ende des atomaren Wahnsinns: die weißen Wolken und der schleichende Tod.
Der Autor, Martin Eisermann,
lebt seit zwei Jahren in Caetité
und forscht als Philosoph an der
Universität Freiburg im Bereich der
politischen Ethik über die Entwick-
lung der Menschenrechte in einer
globalisierten Welt. Er arbeitet dabei
eng mit unseren Partnerinnen und
Partnern von der Landpastoral Bahia
(CPT) zusammen.
– DER AUTOR –
MARTIN EISERMANN
Auf die Wasserreservois rieselt täglich
radioaktiver Staub.
Mehr als 30.000 Menschen leiden unmittelbar unter den Auswirkungen der Uranmine.
10 GLOBAL WEALTH REPORT
Österreich liegt mit seiner „Millionärsdichte“ weltweit an fünfter Stelle – kürzt aber die Entwicklungszusammenarbeit, spart bei Familien, Bildung, Forschung und Sozialem. In Österreich gibt es rund 37.000 Millionär/innen, davon 297 superreiche Haushalte mit einem Vermögen von mehr als 100 Millionen Dollar (Standard vom 1./2.6.2011). Das Privatvermögen – Immobilien nicht mitgerechnet – stieg in Öster-reich um 7 % auf 656 Milliarden US-$.
Es ist skandalös, dass weltweit die breite Bevölkerung die Lasten der globalen Finanzkrise zu tragen hat, während in Österreich Vermögenssteuern tabu sind und auch die Steuerbelastung der Banken noch immer unter dem Niveau von 2002 liegt (eb. Standard vom 1./2.6.2011). Das massive Auseinanderdriften von Arm und Reich ist auf Dauer unhaltbar, denn die wachsende Konzentration der Privatvermögen trägt zur Instabilität der globalen Finanzmärkte bei, weil es nur zum geringen Teil in die reale Wirtschaft, sondern in hohem Maß in spekulative Anlageformen fließt. Aufgrund dieser Umverteilung von unten nach oben sind weitere „Blasenbildung“ und die nächste Krise vorprogrammiert.
Besonders frivol ist es, wenn ein Land mit einer „Millionärsdichte“ wie Österreich seine ohnehin bescheidenen Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit als Folge der Wirtschaftskrise kürzt. Das entwicklungspolitische Frauennetzwerk WIDE for-dert deshalb, dass Österreich die im Finanzrahmen beschlossenen Kürzungen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit rückgängig macht und über Banken-, Finanztransaktions- und Vermögenssteuern die Entwicklungszusammenarbeit in der seit Jahrzehnten zugesagten Höhe von 0,7 % des BNE finanziert (derzeit liegt das Volumen bei 0,3 % des BNE).
Die Kürzungen betreffen vor allem die direkte Entwicklungsförderung und da vor allem die Förderung von Frauen, obwohl gerade das ein wichtiges und Erfolge verzeichnendes Prinzip der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit ist. Laut OECD fließen nur sehr wenig Mittel direkt an Frauenorganisationen in Ent-wicklungsländern, die sich für die Rechte und die Verbesserung der Lebenssituation besonderes benachteiligter Gruppen einsetzen. Von 402 Mio. US-$ budgetierter bi-lateraler österreichischer Entwicklungszusammenarbeit (Durchschnitt 2008/09) gingen nur 3 Mio. US-$ direkt an Frauenorganisationen.
WIDE fordert eine breite gesellschaftliche Diskussion über Umverteilung von Vermögen ebenso wie über die Bewertung und Verteilung von bezahlter und unbe-zahlter Arbeit. Dabei muss auch das Paradigma von Wirtschaftswachstum als unab-dingbare Voraussetzung für Wohlstand hinterfragt werden. Während eine kleine Schicht vom Wachstum ungeheuer profitiert, zahlt die große Mehrheit der Mensch-heit die Zeche – durch Überarbeitung, Hunger und Armut, Zerstörung der Biodiver-sität und der menschlichen Lebensgrundlagen. Es braucht eine politische Willens-bildung, um demokratische, auf den Menschenrechten basierende Alternativen durchzusetzen!
Während die Entwicklungsländer Wirtschaftswachstum brauchen – allerdings ein ökologisch nachhaltiges und auf Regionalentwicklung anstatt auf den Export ausgerichtetes Wachstum –, ist die Wachstumsideologie in den Industriestaaten zu hinterfragen. Zukunftsfähig ist nur ein sich am Gemeinwohl orientierendes Wirt-schaftssystem, in dem die weltweite Armutsvermeidung oberste Priorität hat. Die geringere „Millionärsdichte“ wird für alle verkraftbar sein.
Gesellschaft(s)politik
UMVERTEILUNG DRINGEND NÖTIG
Der Global Wealth Report zeigt:
Österreich liegt bei der Millionärsdichte weltweit an fünfter Stelle, kürzt aber bei
Entwicklungszusammenarbeit, Bildung, Forschung und Sozialem.
– Claudia Thallmayer [email protected] –
Die große Mehrheit der Menschheit zahlt die Zeche der globalen Finanzkrise.
„Women in Development Europe“
ist ein entwicklungspolitisches
Frauennetzwerk, das wirtschaftliche,
politische, soziale und kulturelle
Machtverhältnisse aus feminis-
tischer Perspektive thematisiert.
WIDE mobilisiert für Frauenrechte
weltweit und setzt sich für globale
Gerechtigkeit ein.
www.wide-netzwerk.at
– HINTERGRUND –
WIDE
– TIPP: NACHHALTIGE LEBENSZEICHEN –
Der Ausstoß an klimaschädlichen Treibhausgasen
hat im vergangenen Jahr ein neues Rekordhoch
erreicht – der höchste Wert, der seit Beginn der
Messungen aufgezeichnet wurde. Im Jahr 2010
betrug der weltweite Kohlendioxid-Ausstoß 30,
6 Gigatonnen (+1,6 Gigatonnen). Dabei lässt sich
mit einem klimafreundlichen Lebenswandel auch die
Geldbörse schonen.
Was tun mit dem Ersparten? In eine klimaschonende
Zukunft investieren:
www.fairshare.at
5x KLIMA & BÖRSEL SCHONEN
Entwicklungspolitische NGOs sehen
sich einer Vielzahl von Herausforde-
rungen ausgesetzt. Neben der Frage
nach ihrer politischen Aufgabe und
Rolle stehen sie unter Rechtferti-
gungsdruck, was die Wirksamkeit
ihrer Arbeit und die Verwendung
ihrer Mittel angeht. Gleichzeitig
stehen sie unter Profilierungszwang,
um ehrenamtliche wie finanzielle
Unterstützung aus der Gesellschaft
zu bekommen. Das Buch untersucht
anhand der Strategieentwick-
lungsprozesse in sechs deutschen
Organisationen (Brot für die Welt,
Caritas International, Deutsche
Welthungerhilfe, Kindernothilfe,
terre des hommes und World Vision),
welche Herausforderungen für NGOs
in der Entwicklungspolitik bestehen,
wie sie darauf reagieren und welche
Probleme dabei zutage treten.
VS-Verlag Wiesbaden, ISBN: 978-3-
531-16348-2, Preis: 39,90 EUR
LIFE(WITH)STYLE 11
LIFE(WITH)STYLE
BUCHTIPP: – REZEPT –
GAZPACHO
Zutaten für 4 Portionen
½ kg Kirschtomaten
½ Salatgurke
1 grüne Paprikaschote, geschält und entkernt
1 rote Paprikaschote, geschält und entkernt
2 zerdrückte Zehen Knoblauch
1 Zwiebel
750 ml passierte Tomaten
250 ml kalte Gemüsebrühe
75 ml Olivenöl
50 ml weißer Balsamico
Salz und Pfeffer
1 kleine Chilischote ohne Kerne
Zucker
Zubereitung
Das Gemüse in feine Würfel schneiden und in eine
Schüssel geben. Tomatenpüree mit Gemüsebrühe,
Essig, Öl, Knoblauch und Chili vermischen und über
das Gemüse geben. Mit Salz, Pfeffer und Zucker
abschmecken und richtig kalt (auf Eis) servieren.
Dazu passt geröstetes Bauernbrot, mit Knoblauch
abgerieben, leicht gesalzen und mit Olivenöl beträu-
felt. Super an heißen Hochsommertagen!
Ersparnis in Euro (in CO2)
Bibliothek statt Bücher kaufen € 100 (3 kg)
Zähneputzen ohne
laufendes Warmwasser € 70 (9 kg)
Rote Ampel – Motor aus € 60 (140 kg)
Reifendruck prüfen € 50 (150 kg)
Duschen statt Baden € 50 (75 kg)
KINDERRECHTE SCHÜTZEN1/2 Kinder sind in sehr unter-
schiedlicher Weise von Ausbeu-
tung und Verletzung ihrer Rechte
betroffen und bedürfen daher
besonderen Schutzes. Die Organi-
sation „Salvatorian Pastoral Care
for Children“ (SPCC) sieht ihre
Aufgabe in der Umsetzung der Kin-
derrechte auf Pfarrebene. Geleitet
wird sie dabei von der Vision einer
kinderfreundlichen Gemeinschaft,
in der Kinder gut leben können.
3 SPCC begann im Juni 2002 mit
dem Aufbau eines Kinderschutz-
programmes in drei Pfarren der
Diözese Novaliches in Quezon City
(Metro Manila) mit einer Gesamt-
bevölkerung von etwa 2,1 Milli-
onen Menschen. Der Großteil der
Bevölkerung lebt in Armut. SPCC
hilft beim Aufbau des Program-
mes und übergibt es schrittweise
an die Pfarrverantwortlichen zur
selbstständigen Durchführung.
4 SPCC bildet sogenannte „Kin-
derrechtsadvokat/innen“ (Kinder,
Jugendliche und Erwachsene)
aus. Diese werden sensibilisiert,
Kinderrechtsverletzungen zu
erkennen, und haben die Aufga-
be, Missbrauchsfälle an SPCC zu
melden. SPCC geht diesen Fällen
nach und interveniert selbst
durch Beratung oder Gespräche
mit den Familien. Wenn das nicht
möglich ist, wendet sich SPCC
an die zuständigen Behörden und
Organisationen.
5 Auf diözesaner Ebene wurde eine
Abteilung für Kinder- und Frau-
enpastoral eingerichtet, die von
Sr. Adel Abamo SDS geleitet wird
und die Gründung eines entspre-
chenden Netzwerkes bewirkt hat.
6 Eine Ausweitung des Pro-
grammes auf weitere Pfarren ist
geplant.
Unterstützen Sie SPCC
Kennwort SPCC
Empfängerin: Katholische Jung-
schar Österreichs, Dreikönigsaktion
Bank: Bank für Tirol und Vorarlberg
Kontonummer: 130-211100
BIC: BTVAAT22
IBAN: AT79 1630 0001 3021 1100
Registrierungsnummer: 1210
Philippinen
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– PROJEKT PARTNER/IN –
P.b.b. Verlagsort 1160 Wien 02Z031829M
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