Jura- & Neotektonik im Raum Basel
Exkursion, 10. April 2010
Leitung: Alexandre Kounov, Matěj Peč & Thomas Bader Erstellung des Exkursionsführers: Kamil Ustaszewski
Geologisch-Paläontologisches Institut, Uni Basel
Abb. 1: a. Übersicht der grosstektonischen Einheiten der weiteren Umgebung Basels. Oberrheingraben (URG) und Bresse-Graben (BG) werden durch eine breite Zone mit zahlreichen N- bis NE-streichenden Verwerfungen verbunden, der sog. Rhein-Bresse-Transferzone (RBTZ). Diese Zone ist durch ein ENE-streichendes, paläozoisches Grabensystem vorgezeichnet, welches unter den mesozoischen Sedimenten verborgen liegt. AM = Avant-Mont thrust, BT = Besançon thrust, M = Mandach & Mettau thrusts, MS = Massif de la Serre. b. Modellhafte Vorstellung der tektonischen Bewegungen im Lauf der Zeit unter sich ändernden Spannungsbedingungen. „+“ bedeutet Hebung.
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Beschreibung der Haltepunkte 1. Aussichtsstop bei Bettlach (F) bei Bunkeranlagen an Maginot-Linie N47.511603°, E07.413697° Themen: - Erläuterung des geologischen Rahmens - Blick vom südlichen Rheingraben auf die frontalen Ketten des Faltenjura 2 Koestlach (F), Steinbruch N47.505807°, E07.280336° Lithologie: oolithischer Kalk Formation, Alter: Hauptrogenstein, Bajoc-Bathon (Dogger) Themen: Jurafaltung, Überschiebungen 3. Seppois-le-Haut (F), aufgelassene Kiesgrube N47.530081°, E07.194283° Lithologie, Alter: Sundgau Schotter, Pliozän Themen: Fluviatile Sedimentation, Geröllspektrum, Schüttungsrichtung, Herkunftsanalyse, Flussgeschichte, Neotektonik 4. Réchésy (F), aufgelassener Steinbruch beim Zoll N47.502288°, E07.119120° Lithologie: Konglomerate mit kalkarenitischen Zwischenlagen Formation, Alter: „Sannoisien“ (Unterer Rupel, Oligozän) Themen: Synrift-Sedimentation, Drucklösung - voraussichtliche Mittagspause - 5. Aussichtsstop bei Lugnez JU N47.486436°, E07.104093° Themen: Flussablenkung, Trockentäler 6. Steinbruch bei „La Malcôte“, SE Cornol JU N47.399108°, E07.186562° Themen: Jurafaltung, Mt. Terri Antiklinale 7. St-Ursanne, Auberge „Le Chandelier“ JU N47.365332°, E07.167174° Themen: Jurafaltung, Mt. Terri Antiklinale 8. Steinbruch „La Petite Morée“, W Glovelier JU N47.329472°, E07.178006° Lithologie: Oolithische Kalke, Mittelmiozäne Karstfüllung Formation, Alter: Verena-Oolith, Oberer Oxford (Malm) und mittleres Miozän Themen: Karstbildung, Alter und Kinematik der Jurafaltung, Schersinne an Verwerfungen
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Abb. 5 (links): Lage der Haltepunkte der Exkursion
3Abb. 6 (unten): geologisch-tektonische Detailansicht der Ferrette-Kette und der Ajoie mit Lage der geologischen Profilschnitte (Abb. 14). AF = Allschwil-Bruch, Bl = Blauen Antiklinale, F = Florimont Antiklinale, Fe = Ferrette Antiklinale, FF, = Ferrette-Bruch, Gl = Glaserberg Antikl., La = Landskron Antikl., R = Réchésy Antikl. (aus Ustaszewski and Schmid, 2006)
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Abb 7: Stratigraphische Tabelle der tertiären Sedimente im südlichen Rheingraben und angrenzenden
Jura im Zusammenhang mit der tektonischen Entwicklung. (Ustaszewski and Schmid, 2006)
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Neotektonik im Raum Basel
Abb. 8: Entwicklung des Entwässerungsnetzes im nordwestlichen Alpenvorland vom Miozän bis heute. Pfeile deuten die Fliessrichtung der Flüsse an. Grau schattiert = tertiäre Becken/Gräben; Dünn gestrichelt = Isopachen der pliozänen bis quartären Sedimente; Dick gestrichelte Balken = Wasserscheiden. (aus: Giamboni et al., 2004).
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Abb. 9: Die Isohypsenkarte der ursprünglich weitgehend ebenen Basis der Sundgau Schotter westlich von Basel (verändert nach Giamboni et al. 2004) zeigt deutlich ein System von ENE- bis NE-streichenden Antiklinalen und Synklinalen. Diese streichen annähernd senkrecht zur heutigen grössten horizontalen Hauptspannung im Grundgebirge (zusammenlaufende schwarze Pfeile unten links), die aus der Auswertung von Erdbeben abgeleitet werden kann. Der Abstand der Isohypsen beträgt 10 m, die Höhenlage ist in Meter über dem Meer angegeben. (Ustaszewski and Schmid, 2007)
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Abb. 10: ad Stop 3. (a) konjugierte Abschiebungen in den pliozänen Sundgauschottern. Der Versatz ist am besten am Versatz von dm-mächtigen Sandlagen erkennbar (b). Darstellung der gemessenen Abschiebungsflächen in einer stereographischen Projektion (untere Halbkugel) zeigt Extension in NE-SW-Richtung an (c). (Ustaszewski and Schmid, 2007)
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Abb. 12: Topographie und schematische Gewässernetz-Entwicklung im Tafeljura der Ajoie
(aus Giamboni et al., 2004)
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Abb. 14: Profilschnitte durch die Ferrette-Kette. Lage der Schnitte aus Abb. 6 ersichtlich. (aus Ustaszewski and Schmid, 2006)
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Abb. 15: Profilschnitt durch die Florimont-Antiklinale. Man beachte, dass der N-Schenkel steiler als der S-Schenkel ist (durch die frühtertiäre Dehnungstektonik bedingt). Die Anhebung des S-Schenkels ist nach der Ablagerung der Sundgauschotter entstanden, was man aus der Übereinstimmung der Fallwinkel von Sundgauschotter und mesozoischen Schichten sieht. (aus Giamboni et al., 2004)
Abb. 16: modellhafte Vorstellung der Entwicklung der Florimont- und Réchésy-Antiklinale.
a. Subsidenz während dem Frühtertiär (Priabon – frühes Aquitan) in Verbindung mit der Rheingrabendehnung, b. regionale Hebung (spätes Aquitan – frühes Burdigal), gefolgt von Sedimentation mittelmiozäner Sedimente (Bois de Raube Fm.), c. fragliche leichte Stauchung im Spätmiozän – Frühpliozän im Zusammenhang mit der Jurafaltung, d. lokale Einebnung, gefolgt von Ablagerung der Sundgauschotter, e. Post-2.9 Ma Faltung in Zusammenhang mit der kompressiven/transpressiven Reaktivierung paläozoischer Verwerfungen im Basement. Figur nicht massstabsgetreu. (aus Giamboni et al., 2004)
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Abb. 17. ad Stop 8. oberjurassische Kalke am S-Ende der Caquerelle-Antiklinale. Die Kalke sind von
subvertikalen, NNE-streichenden Karstspalten durchsetzt, welche Sedimente der OMM und OSM enthalten. Die Wände der Karstspalten werden von sinistralen Blattverschiebungen erfasst, welche teilweise wiederum entlang schichtparalleler Verwerfungen versetzt werden. (aus Ustaszewski and Schmid, 2006)
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Auswahl weiterführender Literatur: Zeitschriftenartikel, technische Berichte und Dissertationen: Becker, A., Der Faltenjura: geologischer Rahmen, Bau und Entwicklung seit dem Miozän,
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