Institut für Geophysik
Die Errichtung des Institutes erfolgte nach mehrjährigen Beratungen und Bestrebungen im Herbst des Jahres 1964, und zwar mit der Bezeichnung „Institut für Erdölgeologie und Angewandte Geophysik“. Die in der internationalen Hochschulstruc - tur eher ungewöhnliche Synthese der Geophysik mit einem anderen Fach entsprang zunächst einmal den begrenzten Ressourcen einer kleinen Hochschule, war aber andererseits als ein Auftrag zu einer engen Zusammenarbeit mit den übrigen Geowissenschaften zu verstehen.
Die Angewandte Geophysik hat an der Montanuniversität Leoben eine längere Tradition. An erster Stelle ist hier Prof. Dr. Hugo Scheuble zu nennen, der nicht nur als Ordinarius für Elektrotechnik wirkte, sondern auch als Dozent für Angewandte Geophysik (Habilitation im Jahr 1924) das Fach lange Jahre bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1953 vertrat. Prof. Scheuble hatte weitgespannte naturwissenschaftliche Interessen und war auch ein hochbegabter Instrumentenbauer. Bei den Wegbereitern der Geophysik ist auch Prof. Dr. Wilhelm Petrascheck, Ordinarius für Geologie und Lagerstättenlehre, zu nennen. Er hat bereits Anfang der 20er Jahre refraktionsseismische Messungen für die Alpine Montangesellschaft in mehreren steirischen Kohlehoffnungsgebieten initiiert. Auch die Bedeutung der Geophysik für die Erdölsuche wurde richtig eingeschätzt, und die magnetischen Messungen im Wiener und Steirischen Tertiärbecken sind als Pionierarbeiten in wirtschaftlich schwierigen Zeiten hoch zu bewerten.
Eine neue Entwicklung setzte im Jahre 1954 ein, als es gelang, Prof. Dr. Bruno Kunz, damals Chefgeophysiker der Rohöl Gewinnungs AG, als Dozent für Angewandte Geophysik zu gewinnen. Dadurch konnte der Bereich der Montan- und Ingenieurgeophysik in der Lehre durch viele praktische Erfahrun
gen bereichert werden, und es wurde vor allem die immer mehr an Bedeutung gewinnende Anwendung der Angewandten Geophysik bei der Erdölsuche, mit der Reflexionsseismik als Basis, verankert. Die im Jahre 1956 erfolgte Einführung einer Studienrichtung Erdölwesen strahlte auch auf unser Fachgebiet aus: ab dem jahre 1958 wurden die geophysikalischen Bohrlochmessungen vom Dir. Dipl.Ing. E. Vögl als eigenständige Lehrveranstaltung gelesen. Bereits wenige Jahre vorher hat Prof. Dr. H. Wiesene- der einen Lehrauftrag „Erdölbetriebsgeologie“ wahrgenommen, der sodann 1957 von Prof. Dr. H. Sto- wasser weitergeführt und ausgebaut wurde.
Das Naheverhältnis der Geophysik zur Geologie und die Unterstützung durch das Institut für Geologie und Lagerstättenlehre wurden - man kann sagen traditionellerweise - unter Prof. Dr. Dr.h.c. W. E. Petrascheck fortgesetzt. Seine Verdienste als Promotor für die Errichtung eines eigenen Geophysikinstituts und für die bis zum Jahre 1970 erfolgte räumliche Unterbringung am Geologischen Institut verdienen es, besonders hervorgehoben zu werden. Der Anstoß und die Unterstützung bei der Etablierung der Paläomagnetik als eigene Forschungsrichtung, die Initiativen für die partnerschaftliche Mitwirkung der Geophysik am Studienzweig Montangeologie und am Hochschulkurs für Prospektion und Bergbau in Entwicklungsländern sind bleibende Verdienste um die Geophysik.
Im Zuge des generellen Ausbaus der montanistischen Wissenschaften wurde als langfristiges Ziel die Einführung einer Studienrichtung „Angewandte Geopyhsik“ angestrebt und im einschlägigen Bundesgesetz im Jahre 1969 verankert. In Anbetracht der zunehm enden Bedeutung der Erdölwissenschaften schien es gerechtfertigt, ein eigenes Ordinariat für Erdölgeologie zu beantragen, womit dieselbe Struk
tur wie an der TU Clausthal erreicht wäre. Ein weiterer Gesichtspunkt war auch in der Absicht gelegen - einem Wunsch der Industrie entsprechend - eine eigene Ausbildung der Erdölgeologen anzubieten, die ansonsten in Österreich nicht vorhanden ist.
Anläßlich der Reform der Hochschulstruktur im Gefolge des UOG war Anfang der achtziger Jahre eine Zusammenlegung mit anderen Instituten geplant, die jedoch nicht durchgeführt wurde. Die Umbenennung des Instituts für Erdölgeologie und Angewandte Geophysik in „Institut für Geophysik“ unterstrich auch die faktische Entwicklung hin zu einer breiter gefächerten experimentellen Zielsetzung.
In den vergangenen 24 Jahren wurden 120 Diplomarbeiten und 20 Dissertationen angefertigt; ferner erfolgten 3 Habilitationen.
INSTITUTSPERSONAL
O.Univ.Prof. Dr.phil. Dr.rer.nat.h.c.Franz WEBER, Institutsvorstand Ao.Univ.Prof. Dipl.Ing. Dr.mont.Hermann MAURITSCHtit.Ao.Prof. Univ.-Doz. Dipl.Ing. Dr.mont.Rupert SCHMÖLLER, Assistenzprofessor Univ.Doz. Dipl.Ing. Dr.mont.Georg WALACH, Assistenzprofessor Dipl.Ing. Dr.mont. Erich NIESNER, UniversitätsassistentIng. Hans Jörg ATZMÜLLER, Amtssekretär Adelheid TEIBTNER, Kontrollor Franz PUSTERWALLNER, Kontrollor Dipl.Ing. Elmar POSCH, Vertragsbediensteter Dr. Bernhard HOLUB, Vertragsbediensteter Mag. Wolfgang ZEISSL, Vertragsbediensteter Dr. Johannes REISINGER, Vertragsbediensteter Ruth GURTNER, Vertragsbedienstete Brigitte HOLLINGER, Vertragsbedienstete
Dem Institut fachlich zugeordnet sind:
Lehrbeauftragte:Dir. Prof. Dipl.Ing. Dr.mont. Heinrich JANSCHEK Prof. Dr.phil. Arthur KRÖLLUniv.Doz. Dipl.Ing. Dr.mont. Roland MARSCHALL
LEHRE
Die Lehraufgaben des Instituts sind dadurch gekennzeichnet, daß diese in die Ausbildungserfordernisse mehrerer Studienrichtungen, nämlich Erdölwesen, Bergwesen, Markscheidekunde, Montangeologie und Angewandte Geowissenschaften, eingebunden sind. Dabei besteht seit der Errichtung des Instituts ein Schwerpunkt im Erdölwesen, der durch die Errichtung einer W ahlfachgruppe „Spezielle Angewandte Geophysik“ im Jahre 1970 unterstrichen wurde. Auch bei der Studienrichtung Erdwissenschaften/Montangeologie und in jüngerer Zeit beim Studium irregulare Angewandte Geowissenschaften erfolgte die Einrichtung der Wahlfachgruppe „Angewandte Geophysik“.Bild 1: Schweremessung (Gravimeter) im Montafon/Vorarlberg,
Demnach lassen sich folgende Lehrgebiete unterscheiden:
Vorlesung Angewandte Geophysik (2-semestrig) mit Spezialvorlesungen der Angewandten Geophysik für Erdölwesen, Übungen und Seminare, Montangeophysik für Bergleute, Bohrlochgeophysik, Einführungsvortrag mit Übungen. Ferner Spezialvorlesungen für montanwissenschaltliche Ingenieurgeophysik, Petrophysik, Gesteins- und Paläomagne- tik, geophysikalische Gerätekunde, Erdölbetriebsgeologie, Erdöl und Erdgas in Österreich sowie geophysikalische Phänomene und Plattentektonik.
Diese Lehrveranstaltungen werden in den höheren Semestern des Zweiten Studienabschnitts abgehalten.
ARBEITSGEBIETE
Der Aufbau der vom Institut heute vertretenen Arbeitsbereiche erfolgte im wesentlichen nach zwei Gesichtspunkten:
1. Aus der Zusammenarbeit mit den wissenschaftlichen Nachbarfächern, zu deren Problemstellungen Beiträge geliefert w erden sollten.
2. Aus den Anforderungen der Praxis, vor allem auch der Industrie, wobei sich wegen des Fehlens einschlägiger Institutionen in Österreich, die Angewandte Geophysik betreiben, ein weites Tätigkeitsfeld anbot.
Da das Institut das einzige seiner Art in Österreich ist, dessen Schwerpunkt auf der Angewandten Geophysik liegt, war die Zielvorstellung von Anfang an auf die Einrichtung eines möglichst breiten Spektrums geophysikalischer Aufschlußverfahren ausgerichtet. Der Ausbau erfolgte unter den begrenzten Rahmenbedingungen personeller und räumlicher Knappheit zunächst mit den weniger aufwendigen Verfahren Magnetik, Geoelektrik, Refraktionsseismik, Geothermie. Ab dem Jahre 1974 konnte die Gravimetrie etabliert werden, 1976 die Reflexionsseismik, 1978 die Bohrlochgeophysik sowie 1983 die induzierte Polarisation. Ein wesentlicher Schwerpunkt in der Forschung betraf die geophysikalische Lagerstättenprospektion unter alpinen Gegebenheiten, wobei die integrierte Arbeitsmethodik von der
Verfahrensanwendung bis zur Interpretation besonderes Gewicht hatte. Von der Aufgabenstellung her erstreckten sich die Forschungen auf Erze, Braunkohle, Industriemineralien und Baurohstoffe. Bedeutende Forschungsergebnisse in methodischer Hinsicht wurden bei den Problemkreisen Untertagegravimetrie, dreidimensionale Störkörperberechnung in den Potentialverfahren, Hochfrequenzreflexionsseismik, Seismostratigraphie kohleführender Sedimente, Lithologieerkundung, induzierte Polarisation auf der Basis der Elektroosmose (Nichterze) erzielt. Ein wichtiger Zweig der Grundlagenforschung des Instituts ist die Paläomagnetik. Zu Fragen über den Alpenbau, die tektonische Rekonstruktion des alpinmediterranen Raumes, die magnetostratigrafische Einstufung geologischer Ereignisse sowie bei den Bewegungsabläufen von Afrika und Europa konnten wichtige Beiträge erarbeitet werden.
Ausgehend von jahrelangen praxisorientierten Arbeiten gewann die geophysikalische Grundwasserforschung zunehmende Bedeutung. Dabei standen neben einer Strukturerkundung hoher Genauigkeit die Erweiterung des Auflösungsvermögens seismischer und geoelektrischer Verfahren, Litholo- gieerkennung, Porositätsbestimmung in situ, bohrlochgeophysikalische Forschungen und Auffindung von Aquiferen in tertiären Schichtgliedern im Mittelpunkt.
Die Ingenieurgeophysik nahm bei der Anwendung auf Fragen des Kraftwerksbaus, Autobahnbaus in alpinen Bereichen und Tunnelbaus ihren Ausgang. Auch hier zeigte sich die Notwendigkeit der Ergänzung durch grundlagenorientierte Forschungen in Richtung Gesteinsklassifikation, Methodik der Auffindung von Störungszonen. In den letzten Jahren kamen dazu Forschungen über Deponiefragen, wie Standortsuche und Altlastenerkundung (Unterscheidung des Deponieinhalts), Nachweis des Erfolges von technischen Maßnahmen, Abschätzung der Folgewirkungen.
Die Geophysik im Kohlenwasserstoffbereich hat international gesehen den Charakter einer Großforschung. Durch die Kontakte mit der Erdölindustrie war es auch möglich, unter den bescheidenen Rahmenbedingungen Forschungsarbeiten auf bestimm-
Bild 2: Tiefenreflexionsseismische Aufnahme mit 48-kanäliger Apparatur vom Schußpunkt Säntis/Schweiz, Entfernung ungefähr 30 km.
ten Spezialgebieten durchzuführen. Zu erwähnen sind Untersuchungen zum Blindzonenproblem in der Refraktionsseismik, der Einfluß tektonischer und lithologischer Faktoren auf die seismischen Geschwindigkeiten in der Molasse, die Anwendung der komplexen seismischen Spurenanalyse zur Litholo- gieerkennung, Optimierung der Planung 3-D seismischer Messungen, Auswertungsmethodik des Gam- maraylogs.
Eine systematische geophysikalische Landesaufnahme gibt es in Österreich - mit Ausnahme der Aeromagnetik - noch nicht, was in krassem Gegensatz zu allen anderen europäischen Staaten ist. Durch die Zusammenfassung und Ergänzung von Projekten verschiedenen Ursprungs sowie durch institutseigene Arbeiten konnten größere Gebiete systematisch vermessen und nach einheitlichen Gesichts
punkten ausgewertet und in Kartenform dargestellt werden. So sind die Steiermark, das südliche Burgenland und der Ostteil von Kärnten in der Gravimetrie mit Detailkarten im Maßstab 1:50.000 fertiggestellt, für Vorarlberg, größere Teile der Böhmischen Masse und die Molassezone in Oberösterreich stehen die Arbeiten vor dem Abschluß. In der Magnetik sind große Teile des Oststeirischen Tertiärbeckens und des Südburgenlandes sowie das Gebiet Rotten- manner und Niedere Tauern und Seetaler Alpen fertiggestellt. Ebenso w urden die größeren inneralpinen Quartärbecken der Steiermark mittels Gravimetrie, Magnetik, Refraktionsseismik und Geoelektrik untersucht.
Im Rahmen der an der Montanuniversität bestehenden montanarchäometrischen Arbeitsgruppe, die sich hauptsächlich der Erforschung der ur- und frühgeschichtlichen M etallgewinnung in Österreich widmet, wurden seit 1976 spezielle archäogeophysi- kalische Untersuchungsmethoden entwickelt und angewendet. Hauptsächlich mit geomagnetischen und geoelektrischen M eßmethoden w urde eine Anzahl von bronzezeitlichen Kupferverhüttungsplätzen, Bergbauen und Bergbausiedlungen nachgewiesen und im Detail erkundet. In Zusammenarbeit mit dem Bundesdenkmalamt, Landeskonservatorium und Universitätsinstituten wird die Archäogeophy- sik in steigendem Maße allgemein zur Vorerkundung und Sicherung kulturell bedeutender Bodendenkmäler im Bereich größerer Bodeneingriffe (Verkehrsbauten) eingesetzt.
Die Erfahrungen in der praxisorientierten Anw endung geophysikalischer Verfahren in größeren Tiefenbereichen legten es nahe, auch bei der Lösung von grundlegenden Fragen des Baus der Ostalpen mitzuwirken. Das Institut hat daher an den beiden geowissenschaftlichen Schwerpunkten des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung „Geologischer Tiefbau der Ostalpen“ und „Frühalpine Geschichte der Ostalpen“ (Leitung: Prof. Dr. H. Flügel) in den Jahren 1974-1983 laufend mit Projekten mitgewirkt. Beim ersten Schwerpunkt erfolgten die Forschungsarbeiten auf einer bis 50 km breiten Traverse, die von den Kalkalpen im Norden über die Grauwackenzone, mittelostalpines Kristallin bis in
den Bereich Koralpe-Saualpe im Süden reichte. Der zweite Schwerpunkt erstreckte sich räumlich auf den Nordostrand der Ostalpen und war den Fragen des Tiefbaues und der geodynamischen Entwicklung im ostalpin-pannonischen Übergangsbereich gewidmet. Die Grenzzone von Ostalpen zu Südalpen - die alpin-dinarische Naht - wurde intensiv mit der Methode der Anisotropie der magnetischen Suszeptibilität bearbeitet.
Große Bedeutung hatten für das Institut jene längerfristigen Forschungen, die in internationaler Zusammenarbeit ausgeführt wurden. Hier ist zunächst die Beteiligung am Internationalen Geodynamik-Projekt in den Jahren 1972-1979 zu erwähnen, wo eine größere österreichische Arbeitsgruppe (Leitung: Prof. Dr. F. Steinhauser) aus allen einschlägigen geophysikalischen Institutionen tätig war. Dieses Geodynamikprojekt brachte einen enormen Ansporn für die Österreichische Geophysik, die erstmals als geschlossene Forschergruppe von einer auch mit dem Ausland vergleichbaren Größenordnung auftrat, wobei auch die systematische Verbesserung der instrumentellen Ausstattung entscheidend vorangetrieben wurde. Die Leobner Arbeitsgruppe bearbeitete gravimetrische und magnetische Traversen vom oststeirischen Tertiär bis ins südliche Wiener Becken, die wichtige Erkenntnisse zur Litho- logie der Oberkruste brachten. Es erfolgten refraktionsseismische Untersuchungen in Schlüsselgebieten am Alpenostrand zur Klärung des Deckenbaus, Forschungen zum geothermischen Zustand im Ostteil der Ostalpen und gesteinsphysikalische Untersuchungen und paläomagnetische Messungen. Wissenschaftlich besonders ergiebig war die Beteiligung am Alpenlängsprofil 1975, einer von den französischen Westalpen bis nach Westungarn etwa im Streichen des Alpenkörpers angelegten refraktionsseismischen Linie zur Untersuchung der Struktur von Kruste und oberem Mantel. Dabei war Leoben Einsatzzentrale für die Arbeiten im Ostabschnitt. Bei reflexionsseismischen Messungen einer Großsprengung im Lavantsee konnten erstmals Reflexionen nicht nur aus der Unterkruste und von der Mohoro- vicic-Diskontinuität, sondern auch aus dem oberen Erdmantel registriert werden.
Die Europäische Geotraverse (EGT) ist ein seit 1982 laufendes Großforschungsprojekt im Rahmen der European-Science Foundation, bei der eine breite Geotraverse vom Nordkap bis Nordafrika (Tunis) interdisziplinär mit allen zur Verfügung stehenden Methoden untersucht wird. Es w erden hierbei verschieden alte Gebirgsstämme von den alten Schilden im Norden bis aus jüngster geologischer Zeit gequert und somit wesentliche Beiträge zum Bauplan und zur Geodynamik der Erde insgesamt erzielt. Die Leobner Arbeitsgruppe ist im Übergangsbereich Westalpen-Ostalpen tätig (Bildl).
Bei den gravimetrischen Messungen konnte neben den problem orientierten Fragestellungen hinsichtlich der Tiefenstruktur eine gravimetrische Übersichtskarte von Vorarlberg-Westtirol erstellt werden, die zusammen mit den analogen Kartenwerken der Schweiz und Oberitaliens die Basis für weiterführende regionale Forschungen bietet. Durch die Einbindung von Absolutschweremessungen eröffnen sich neue Möglichkeiten zur internationalen Zusammenarbeit. Sehr ergebnisreich hinsichtlich des Baus der Unterkruste und der Mohorovicic- Diskontinuität waren tiefenreflexionsseismische Messungen im Weitwinkelbereich, bei denen Großsprengungen auf benachbarten Schweizer Profilen als Energiequelle genutzt wurden (Bild 2).
WIRKUNGSBEREICH DES INSTITUTES
Die Angewandte Geophysik untersucht die Erdkruste mit spezifischen physikalischen Meßverfahren im Hinblick auf die Lösung von angewandten Fragestellungen, insbesonders einer wirtschaftichen Nutzung. Das Fach ist somit mit jenen montanistischen und geotechnischen Fächern auf das engste verknüpft, deren Tätigkeit ebenfalls in einem Konnex zur Erdkruste steht, insbesondere der Rohstoffforschung. Dies ist bereits bei der Darstellung der Lehraufgaben angeklungen, wo das Institut in 5 Studienrichtungen eingebunden ist. Im Bereich des Erdölwesens ist die Angewandte Geophysik, insbesonders die Reflexionsseismik, die wichtigste Prospektionsmethode. Jede Tiefbohrung auf Erdöl und
Erdgas wird heute nur nach gründlicher geophysikalischer Voruntersuchung abgeteuft. Die weltweit sicher nachgewiesenen großen Reserven an Kohlenwasserstoffen sind ein überzeugender Beweis für die Leistungsfähigkeit der Geophysik. Durch die zunehmende Verbesserung von Instrumenten und Auswertungsverfahren hat sich aber die Reflexionsseismik auch neue Anwendungsmöglichkeiten bei der Untersuchung bereits entdeckter und produzierter Vorkommen geschaffen. Die Bohrlochgeophysik endlich ist heute eine weitgehend eigenständige Disziplin, deren Entstehung und wissenschaftliche Anwendung auf das engste mit dem Erdölbereich verbunden ist. Die Paläomagnetik ermöglicht letztlich die paläogeografische Rekonstruktion von Lagerstättenbildungsräumen. Diese Projekte erfolgten in breiter internationaler Kooperation, wobei die Partner aus Großbritannien, Frankreich, Italien, Schweiz, Bundesrepublik Deutschland, DDR, Ungarn und CSFR kamen.
Die Tätigkeit des Angewandten Geophysikers im Bergbau auf feste mineralische Rohstoffe wird als eigenes Fachgebiet „Montangeophysik“ definiert. Es ist in der Arbeitsweise dadurch gekennzeichnet, daß im Gegensatz zum Erdölwesen keineswegs eine Dominanz einer Methode existiert, sondern vielmehr ein großes Spektmm von Meßverfahren sich entwickelt hat und heute zur Anwendung gelangt. Der Aufgabenbereich des Geophysikers umfaßt heute keineswegs nur die Aufsuchung und Abgrenzung von Lagerstätten, sondern auch Untersuchungen während der Abbauphase (Gesteinsklassifikation, Stabilitätsfragen, Erschütterungsmessungen etc.) und nach der Einstellung des Betriebes (Wirkung von Sanierungsmaßnahmen, Halden und Hohlraumprobleme).
Das Gebiet der Markscheidekunde ist von der wissenschaftlichen Grundlage her vor allem mit der Gravimetrie verbunden. In zunehmendem Maße w erden geophysikalische Meßverfahren auch bei der Bergschadenkunde eingesetzt und haben sich bei Fragen der Hohlraumerkundung, Absenkungsbeobachtungen, Rutschungen, hydrologischen Problemstellungen bewährt.
Die Rohstoffgewinnung ist heute in viel größerem Ausmaß als in früheren Jahren mit der Umweltproblematik konfrontiert. Hier hat sich für die Angewandte Geophysik ein neuer Aufgabenbereich ergeben, für den speziell angepaßte Meß- und Auswertungsroutinen geschaffen werden mußten. Am weitesten fortgeschritten ist die Entwicklung bei den Deponiefragen, angefangen von der Standortsuche bis zu Langfristbeobachtungen.
ZUKÜNFTIGE FORSCHUNGSVORHABEN UND ENTWICKLUNG DER INSTITUTSSPEZIFISCHEN ARBEITSBEREICHE
In der angewandten Forschung mußte in den letzten Jahren kurzfristig eine Profiländerung vorgenommen werden. Von der öffentlichen Hand wird
Bild 3: Untertägige geophysikalische Bohrlochmessung mit tragbarer Apparatur.
Bild 4: Paläo- und gesteinsmagnetisches Labor in Gams bei Rothleiten.
die Aufsuchung wichtiger Rohstoffe (Kohle, Erze) nicht mehr gefördert, für die aber ein beachtliches Forschungspotential aufgebaut worden war. Um dieses auch in Zukunft nutzen zu können, wird in verstärktem Maße eine Kooperation mit ausländischen Partnern gesucht. Weiters wird forciert auf die geophysikalische Grundwassersuche, insbesonders auf Tiefengrundwässer, und auf Probleme der Umwelt eingegangen. Es ist auch beabsichtigt, in verstärktem Maße die Ingenieurgeophysik auszubauen, zumal bei den für die Zusammenarbeit in Frage komm enden Instituten und der Industrie Partner gegeben sind, die die Bedeutung der Geophysik richtig einzuschätzen wissen.
Das Erdölwesen wird auch in Zukunft in Anbetracht seiner großen wirtschaftlichen Bedeutung ein besonders wichtiger Arbeitsbereich sein. Auf dem Gebiet der reflexionsseismischen Akquisition werden sich die Forschungsvorhaben - allein wegen der hohen Kosten - auf Spezialfragen beschränken, wobei die Scherwellenseismik und Hochfrequenzreflexionsseismik hervorzuheben sind. Zügig ausgebaut wird der Bereich des Processings, der wegen der beschränkten Rechnerkapazität erst in den Anfängen steht. Die Forschungsvorhaben beziehen sich auf die seismische Modellierung, synthetische Seismogram-
me, komplexe seismische Spurenanalyse, Absorption seismischer Wellen, lithofazielle Untersuchungen.
Die Bohrlochgeophysik ist ein äußerst zukunftsträchtiges Forschungsgebiet, das zu den spezifischen Arbeitsbereichen des Leobener Geophysikinstituts zählt (Bild 3).
Wie bereits eingangs erwähnt, konnte die Selbständigkeit des Instituts gewahrt werden, eine Gliederung in Abteilungen wegen der Beschränktheit an personellen und räumlichen Ressourcen wurde als unzweckmäßig erachtet, obwohl entsprechende qualifizierte Leitungsstrukturen vorhanden sind. Es w urden vielmehr Arbeitsgruppen für folgende Fachgebiete installiert, die sich w egen ihrer Flexibilität sehr gut bewährt haben: Petrophysik, Paläomagne- tik, Bohrlochgeophysik, Ingenieurgeophysik, Ar- chäogeophysik.
Da der Personalstand des Instituts seit dem Jahre 1972 unverändert ist und keine Aussicht auf Erfüllung der diesbezüglichen Wünsche besteht, wurde seit zwei Jahrzehnten versucht, durch Forschungsprojekte der Grundlagen- und Auftragsforschung eine Erweiterung des Personalstandes zu erreichen. Dadurch war es möglich, die Arbeitsgruppen in der erforderlichen Mindestgröße einzurichten, was aber bezüglich der notwendigen Kontinuität mit erheblichen Belastungen der Projektleiter verbunden war.
Bild 5: Apparatur zur thermischen Reinigung von Gesteinsproben im Labor Gams.
Auch die Gründung des Instituts für Angewandte Geophysik der Forschungsgesellschaft Joanneum, das derzeit in Personalunion geleitet wird, erfolgte unter diesem Gesichtspunkt, da dadurch die kritische Mindestgröße für wichtige Arbeitsbereiche erreicht werden konnte.
Seit 1976 ist in Gams bei Rothleiten eine Außenstelle des Instituts für Geophysik der Montanuniversität in Betrieb (Bild 4).
Es werden dort besonders empfindliche Messungen der magnetischen Eigenschaften natürlicher und synthetischer Gesteine durchgeführt (Bild 5).
Der Paläomagnetismus der natürlichen Gesteine wird benützt, um paläogeografische Rekonstruktionen von Krustenteilen vorzunehmen. Dazu ist das Labor mit drei Spinnermagnetometern, vier Reini- gungsapparaten (Wechselfeld und thermisch), Suszeptibilitätsbrücken, Sättigungsmagnetsystemen und ab 1989 einem Cryogenmagnetometer ausgestattet. Ebenso werden die Änderungen des Erdmagnetfeldes gemessen. Das Instrumentarium wurde über Forschungsprojekte beim Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung sowie des Jubiläumsfonds der Nationalbank angeschafft.