Große Übung Fall 7
Überblick Wiederholung
- Straßenverkehrsdelikte: § 315b und § 315c StGB
- Diebstahl und Raub: § 242 und § 249 StGB
- Erpressung (§§ 253, 255) und räuberischer Diebstahl (§ 252
StGB)
Überblick – Straßenverkehrsdelikte I
Verkehrsstraftaten
Öffentlicher und privater Bahn-, Schiffs- und
Luftverkehr gem. §§ 315, 315a, 316
Öffentlicher Straßenverkehr gem. §§ 315b, 315c, 316
Eingriffe von außen § 315
Gefährdung des Verkehrs von innen heraus gem. § 315a,
316
Gefährdung des Straßenverkehrs von innen heraus gem. §
315c, 316
Eingriffe von außen § 315b
Überblick Straßenverkehrsdelikte II
1. Straßenverkehrsdelikte:
- § 316: Trunkenheit im Verkehr- § 315 c: Gefährdung des Straßenverkehrs- § 315 b: Gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr- § 142: Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort
2. Typische zusammenhängende Delikte:
- Tötungs- und Körperverletzungsdelikte, insb. §§ 222, 229- § 323 c: Unterlassene Hilfeleistung- § 221: Aussetzung- § 316 a: Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer- § 323 a: Vollrausch
Gefährdung des Straßenverkehrs gem. § 315 c I
I. Tatbestand
1. Objektiver Tatbestand
a) Tathandlung
aa) Führen eines Fahrzeugs
bb) im fahruntüchtigen Zustand (Nr. 1a
oder 1b)
ODER cc) grob verkehrswidrig begangene
Verfehlung nach Nr. 2a – 2g
b) dadurch konkrete Gefahr für
Leib oder Leben eines anderen Menschen
oder eine fremde Sache von bedeutendem
Wert
2. Subjektiver Tatbestand (Vorsatz,
Rücksichtslosigkeit [str.])
II./ III. Rechtswidrigkeit und Schuld
Beachte: Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen gem. § 315 c III
Tathandlungen
gem.
§ 315c Abs. 1
Nr. 1 – Führen eines Fahrzeugs im
fahruntüchtigen ZustandNr. 2 – grob verkehrswidriges
und rücksichtsloses Verhalten
Rauschbedingte
Fahruntüchtigkeit gem. Nr. 1a
Fahruntüchtigkeit infolge geistiger
und körperlicher Mängel gem. Nr. 1b
Absolute
Fahruntüchtigkeit Relative
Fahruntüchtigkeit
Konkrete Gefahr
Eine Gefahr liegt vor, wenn nach den konkreten Umständen die
Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts derart gesteigert ist,
dass sein Eintritt „nahe liegt“
Die Gefahr ist konkret, wenn die Sicherheit einer bestimmten
Person oder Sache durch das Verhalten des Täters so stark
beeinträchtigt wird, dass es nur noch vom Zufall abhängt, ob
das Rechtgut verletzt wird oder nicht („Beinahe-Unfall“).
Probleme bei § 315 c
- Problem: Gefährdung von Mitfahrern
- Problem: Gefährdung von Tatbeteiligten
- Problem: Gefährdung des Tatmittels
- Problem: Pflichtwidrigkeitszusammenhang
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Fall 1
Aufgrund strömenden Regens stiftet A den B an, trotz dessen
erheblichen Alkoholkonsums (1,5 Promille) mit Bs Auto nach
Hause zu fahren. A weiß wie B selbst, dass B zu viel Alkohol
getrunken hat. A nimmt billigend in Kauf, dass B einen Unfall
verursacht. Aufgrund seiner Fahruntüchtigkeit steuert B das
Auto in den Straßengraben. A wird leicht verletzt. Auch das
Fahrzeug – ein Mietwagen – erleidet erheblichen Schaden.
Strafbarkeit von B und A?
Lösung Fall 1
B: I. § 315c I Nr. 1a
a. Führen eines Fahrzeugs im Straßenverkehr
b. absolute Fahruntüchtigkeit (BAK 1,5 Promille)
c. konkrete Gefährdung von Tatobjekten:
aa. A? Tatbeteiligter, da Anstifter gem. § 26Inklusions- vs. Exklusionsthese, nach h.M. (-)
bb. Mietwagen, erheblicher Schaden?
Fremd (+), aber Tatfahrzeug? Nach h.M. (-)
Konsequenz: § 315c I Nr. 1a (-)
II. § 316 I (+)
A. §§ 316 I, 26
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Gefährlicher Eingriff in des Straßenverkehr gem. § 315 b I
I . Tatbestand
1. Objektiver Tatbestand
a) verkehrsfremder Eingriff (Nr. 1 – 3)
b) dadurch Beeinträchtigung der Sicherheit
des Straßenverkehrs
c) dadurch konkrete Gefahr für
Leib oder Leben eines anderen Menschen
oder eine fremde Sache von bedeutendem
Wert
2. Subjektiver Tatbestand
II./ III. Rechtswidrigkeit und Schuld
Vorsatz-/Fahrlässigkeitskombinationen gem. § 315 b IV und V
Zweckentfremdung des Fahrzeugs i.S.d. § 315 b
- Grundsatz: nur verkehrsfremde Eingriffe
- Ausnahme: Verkehrsteilnehmer pervertiert den Verkehrsvorgang
zu einem Eingriff in den Straßenverkehr, d.h. er verhält sich nicht
nur verkehrswidrig, sondern sogar verkehrsfeindlich
Voraussetzung:
- Objektive: grobe Einwirkung auf den Verkehr
- Subjektiv muss der Täter verkehrsfeindlich handeln +
Schädigungsvorsatz
Fall 2
T fährt auf der Flucht vor der Polizei mit seinem Auto gezielt auf
den Polizeibeamten P zu, um ihn zur Freigabe des Weges zu
erzwingen.
Lösung: Nach neuerer Rspr. des BGH hängt Strafbarkeit des T
wegen § 315b I Nr. 3 davon ab, ob T mit bedingtem
Schädigungsvorsatz handelt!
Diebstahl gem. § 242
I. Tatbestand
1. Objektiver Tatbestand
a) fremde bewegliche Sache
b) Wegnahme
2. Subjektiver Tatbestand
a) Vorsatz
b) Zueignungsabsicht
aa) Vorsatz dauernder Enteignung
bb) Absicht vorübergehender Aneignung
c) Rechtswidrigkeit der beabsichtigten Zueignung
d) Vorsatz bzgl. Rechtswidrigkeit der beabsichtigten Zueignung
II. Rechtswidrigkeit
III. Schuld
Wegnahme
3-Schritt-Prüfung:
- Ursprünglicher Gewahrsamsinhaber
- Begründung neuen Gewahrsams (h.M.: Apprehensionstheorie)
- Durch Bruch
Gewahrsamsbegriffe:
- Faktischer Gewahrsamsbegriff
tatsächliche Sachherrschaft und natürlicher Herrschaftswille
- Faktisch- sozialer Gewahrsamsbegriff
tatsächliche Sachherrschaft und natürlicher Herrschaftswille – nach der
Anschauung des täglichen Lebens
- Sozial-normativer Gewahrsamsbegriff
Nach sozialer Anschauung bestehende Zuordnung einer Sache zu einer
Person, kraft derer der Zugriff auf die Sache als soziale Störung
empfunden wird
Wegnahme
Einzelne Problembereiche des Gewahrsams
- Gewahrsamslockerung
- Gewahrsam innerhalb und außerhalb generell beherrschter
Räume
- Mitgewahrsam
- Gewahrsam im Rahmen sozialer
Abhängigkeitsverhältnisse
Wegnahme
Gewahrsamsbruch
Die Wegnahme setzt einen Gewahrsamswechsel gegen/ohne den
Willen des Gewahrsamsinhabers voraus
Einverständnis setzt voraus:
- Verzicht des Gewahrsamsinhabers
- ausreichend ist natürlicher Wille
- Irrtümer unbeachtlich
Zueignungsabsicht
Vorsatz bzgl. dauernder Enteignung
- wenigstens Eventualvorsatz
- dauerhaft, ohne Rückführungswillen
- Abgrenzung zu: strafloser Gebrauchsanmaßung (vgl. aber: §§
248b, 290)
Vorübergehende Aneignungsabsicht
- dolus directus 1. Grades
- wenigstens vorübergehend
- Abgrenzung zu: straflose Sachentziehung (vgl. aber: §§ 303,
274, 133)
Raub gem. § 249 I
I. Tatbestand
1. Objektiver Tatbestand
a) Einsatz eines qualifizierten
Nötigungsmittels
aa) Gewalt gegen eine Person
ODER bb) Drohung mit gegenwärtiger
Gefahr für Leib oder Leben
b) Wegnahme einer fremden beweglichen
Sache
c) Finalität / Kausalität (str.)
2. Subjektiver Tatbestand
a) Vorsatz
b) Zueignungsabsicht
II. Rechtswidrigkeit
III. Schuld
Wegnahme beim Raub
- Ursprünglicher Gewahrsamsinhaber
- Begründung neuen Gewahrsams
- Durch Bruch (gegen/ ohne den Willen des Gewahrsamsinhabers)
Problem: Einverständnis beim Raub ist immer zwangsbedingt
Wann liegt ein Einverständnis vor?
BGH: äußeres Erscheinungsbild
- Geben: Einverständnis (+) Wegnahme (-)
- Nehmen: Einverständnis (-) Wegnahme (+)
h.L.: Restfreiwilligkeit: innere Willensrichtung des Opfers
- Droht Gewahrsamsverlust auch ohne Opfermitwirkung Wegnahme (+)
- Ist Opfermitwirkung an Gewahrsamsverschiebung erforderlich
Wegnahme (-)
Final- oder Kausalzusammenhang
Nach h.M. ist – im Gegensatz zu § 240 – zwischen
Nötigungsmittel und Wegnahme keine objektive Kausalität
erforderlich (str.). Ausreichend ist Finalität, die vorliegt, wenn das
Nötigungsmittel subjektiv als Mittel zur Wegnahme dienen soll
Raum-zeitlicher Zusammenhang
Nötigungshandlung muss unmittelbar zur Wegnahme eingesetzt
werden, d.h. Nötigung und Wegnahme müssen raum-zeitlich eng
zusammenliegen
Erpressung gem. § 253
(Räuberische Erpressung gem. §§ 253, 255)
I. Tatbestand
1. Objektiver Tatbestand
a) Einsatz eines (qualifizierten) Nötigungsmittels
c) Vermögensschaden
d) Vermögensverfügung / Kausalität (str.)
2. Subjektiver Tatbestand
a) Vorsatz
b) Bereicherungsabsicht
II. Rechtswidrigkeit
1. Allgemeine Rechtfertigungsgründe
2. Verwerflichkeit gem. § 253 II (nur bei einfacher Erpressung)
III. Schuld
Erfordernis einer Vermögensverfügung
Problem: Muss das abgenötigte Opferverhalten eine
Vermögensverfügung darstellen?
h.L.: Exklusivitätslösung
Aufgrund des Exklusivitätsverhältnisses zwischen § 249 und § 255
verlangen §§ 253, 255 eine Vermögensverfügung als Opferverhalten
( innere Willensrichtung des Opfers, vgl. § 249)
BGH: Konkurrenzlösung
§ 249 ist lex specialis, § 255 ist lex generalis; Vermögensverfügung ist
nicht erforderlich, ausreichend ist, dass das Nötigungsmittel einen
Vermögensschaden verursacht
Räuberischer Diebstahl gem. § 252
I. Tatbestand
1. Objektiver Tatbestand
a) Vortat: Diebstahl oder Raub
b) Einsatz eines qualifizierten
Nötigungsmittels
c) Bei einem Diebstahl auf frischer Tat
betroffen
2. Subjektiver Tatbestand
a) Vorsatz
b) Beutesicherungsabsicht
II. Rechtswidrigkeit
III. Schuld
Vortat des § 252
Jede Form der vollendeten Wegnahme: § 242 und § 249
- Nötigungseinsatz vor Gewahrsamswechsel § 249
- Nötigungseinsatz nach Gewahrsamswechsel § 252
Auf frischer Tat betroffen
„Tatfrische“
h.L.: Beendigungsstadium
maßgeblich ist materielles Beendigungsstadium der Vortat als zeitliche
Grenze für das Betroffensein i.S.d. § 252
Auf frischer Tat betroffen
„Betroffensein“
Rspr.
Raum-zeitliches Zusammentreffen, wenn der Täter der Entdeckung
zuvor kommt
h.L.
Raum-zeitliche Wahrnehmung des Täters als Person, nicht als Täter
a.A.
Raum-zeitliche Wahrnehmung als Täter
Achtung: Das „Betroffensein“ muss nach allen Ansichten zum
Zeitpunkt der „Tatfrische“ erfolgen
Beutesicherungsabsicht
Zielgerichteter Wille des Täters, in fortbestehender
Zueignungsabsicht zu verhindern, dass ihm der erlangte
Gewahrsam zugunsten des Bestohlenen wieder entzogen wird
1. Handlungsabschnitt: Das Geschehen rund um den Edeka-Laden
A. Versuchter Totschlag gem. §§ 212 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1, 12Abs. 1
StGB
Problem: bedingter Tötungsvorsatz
B. Diebstahl gem. § 242 Abs. 1
Problem: Rechtswidrigkeit der Zueignung
C. Schwerer räuberischer Diebstahl gem. §§ 252, 250 Abs. 2 Nr. 1, Nr.
3b
D. Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr gem. §§ 315b Abs. 1 Nr.
3, Abs. 3, 315 Abs. 3 Nr. 1b
Problem: Pervertierung des Fahrzeugs zur Waffe
E .Gefährliche Körperverletzung gem. §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, 5
F. Fahrlässige Körperverletzung gem. § 229
G. Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort gem. § 142 Abs. 1 Nr. 1
H. Konkurrenzen
2. Handlungsabschnitt: Das Geschehen rund um die Werkstatt
A. Raub gem. § 249 Abs. 1
B. Räuberische Erpressung gem. §§ 253, 255
Problem: Erfordernis einer Vermögensverfügung
C. Pfandkehr gem. § 289 Abs. 1
Problem: Vereitelungsabsicht
D. Nötigung gem. § 240
E. Konkurrenzen und Endergebnis