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EUROPA-FACHBUCHREIHEfür Metallberufe
VERLAG EUROPA-LEHRMITTEL . Nourney, Vollmer GmbH & Co. KGDüsselberger Straße 23 . 42781 Haan-Gruiten
Europa-Nr.: 18316
5. Aufl age
Fenster-, Türen- und Fassadentechnikfür Metallbauer und Holztechniker
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Autoren:Gressmann, Michael Dipl.-Ing., Oberstudienrat Borken (Hessen)Pahl, Hans-Joachim Dipl.-Ing. (FH), Oberstudienrat HamburgSpaag, Andreas Architektenberater/Fachplaner Fassade Aalen
Lektorat und Leitung des Arbeitskreises:Hans-Joachim Pahl
Illustrationen:Grafi sche Produktionen Jürgen Neumann, 97222 Rimpar
Betreuung der Bildbearbeitung:Zeichenbüro des Verlags Europa-Lehrmittel, Ostfi ldern
Diesem Buch wurden die neuesten Ausgaben der Normblätter und sonstiger technischer Regel-werke zugrunde gelegt. Verbindlich sind jedoch nur die Normblätter mit dem neuestem Ausgabe-datum der DIN (Deutsches Institut für Normung e. V.) selbst. Sie können durch die Beuth Verlag GmbH, Burggrafenstraße 6, 10787 Berlin, bezogen werden.
HaftungsausschlussIn diesem Fachbuch sind die bei Redaktionsschluss aktuellen Begriffe und der heutige Stand der Technik sowie die anerkannten Regeln der Technik berücksichtigt worden.Gleichwohl wird im Einzelfall, dort wo es sich als zweckmäßig zeigte, auch auf historische Bild-beispiele verwiesen.Für mögliche inhaltliche Fehler und Mängel in Text und Bild übernehmen die Autoren und der Verlag keine Haftung.
5. Aufl age 2014Druck 5 4 3 2 1Alle Drucke derselben Aufl age sind parallel einsetzbar, da sie bis auf die Korrektur von Druckfeh-lern untereinander unverändert sind.
ISBN 978-3-8085-1835-9
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalbder gesetzlich geregelten Fälle muss vom Verlag schriftlich genehmigt werden.
© 2014 by Verlag Europa-Lehrmittel, Nourney, Vollmer GmbH & Co KG., 42781 Haan-Gruitenhttp://www.europa-lehrmittel.de
Umschlaggestaltung: braunwerbeagentur, 42477 RadevormwaldSatz: Grafi sche Produktionen Jürgen Neumann, 97222 RimparDruck: Konrad Triltsch, Print und digitale Medien GmbH, 97199 Ochsenfurt-Hohestadt
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Vorwort zur 5. Aufl ageKonstruktionen aus Metall und Glas bestimmen das Bild der heutigen Architektur. Dabei stechen Fassaden mit einem hohen Anteil von Glas-fl ächen bei schlank gehaltenen Metallprofi len ins Auge, und lichtdurch-fl utete Einkaufspassagen lenken den Blick zu interessant gestalteten Lichtdachkonstruktionen mit ihren meist unauffälligen und doch funk-tionalen Sonnenschutzeinrichtungen. In modernen Bürogebäuden mit ihren langen Fluren sind Zwischentüren aus Stahl und Aluminium mit angenehmer Optik wahrzunehmen. Auch hier steht die Transparenz im Vordergrund der Gebäudeplanung. Selbst Brandschutztüren sind für den Betrachter aufgrund ihrer angepassten Gestaltung nicht sofort in ihrer Funktion zu erkennen. Robuste Stahl- oder Aluminiumtüren, als Türanla-gen konzipiert und mit viel Glasanteilen ausgestattet, sind als Eingangs-türen für Gebäudekomplexe zu fi nden und prägen sowohl das Bild von Büro- als auch größeren Wohngebäuden. Hier fi nden wir häufi g Stahl und Aluminium als Rahmenkonstruktion. Daneben sind im Wohnungs-bau hochwertige Kunststofffenster und Türen anzutreffen, die hohe An-teile auf dem Markt der Werkstoffe erworben haben.Aber auch der Werkstoff Holz hat seine Bedeutung und Berechtigung für Fenster, Türen und Wintergärten. Metallbauer und Konstruktionsmecha-niker, sowie Tischler und Holzmechaniker fertigen – je nach Werkstoff – diese Objekte und montieren sie. Verstanden sich diese Fachleute früher rein als Handwerker in der Beherrschunng ihres Materials, so müssen sie doch heute auch Kunden und z. T. Architekten in bauphysikalischen, technischen und konstruktiven Fragen Antwort geben können.
Die Betriebe brauchen qualifi zierte Mitarbeiter, die handwerkliches Ge-schick und technisches Wissen in der täglichen Praxis sicher und präzise anwenden. Dazu benötigen die Mitarbeiter fundierte Kenntnisse in kons-truktiver Technik, Statik, Bauphysik und Werkstofftechnik. Hier konnte das vorliegende Buch eine Lücke schließen, denn die vorher auf dem Markt erschienenen Fachbücher behandelten diese Themengebiete rund um die Fenster-, Türen- und Fassadentechnik recht oberfl ächlich oder zu speziell.
Es liegt den Fachkreisen ein abgerundetes, ausführliches Werk vor, das sich nicht nur an Metallbauer richtet, sondern auch für Tischler, Holz-mechaniker und Glaser das zugehörige Fach wissen vermittelt.
Die vorliegende 5. Aufl age folgt einerseits diesen fortschreitenden tech-nischen Entwicklungen unserer Zeit auf dem Gebiet der Fenster-, Türen- und Fassadentechnik und andererseits auch dem heute noch anhaltenden Prozess der Umstellung der nationalen Norm nach DIN auf europäisch abgestimmte und verabschiedete Normen nach DIN EN. Es macht daher Sinn, in Einzelfällen für eine Übergangszeit die alte Norm neben der neu-en Norm zu benennen und auf Veränderungen hinzuweisen. Dabei soll inEinzelfällen die Angabe der ursprünglichen Normen auch der Orientierung und der Einschätzung und dem Verständnis für die neue Norm dienen.
Das vorliegende Fachbuch wird nicht nur an Berufsschulen und in Werk-stattbibliotheken, sondern auch an Meister- und Techniker-Schulen seine Verwendung fi nden.
Die Autorengruppe wünscht allen Lesern, die sich auf diesem Gebiet um Fachwissen bemühen, eine erkenntnisreiche Lektüre mit Zugewinn für Ausbildung, Studium und Praxis. Anregungen und kritische Hinwei-se nimmt die Autorengruppe gerne entgegen. Senden Sie diese bitte [email protected]. Vielen Dank.
Sommer 2014 Die Autoren
Glas und Scheibe
Fenster
Sonnenschutz-anlagen
Türen
Fassaden
Wintergärten
StatischeVorbemessung
CE-Kennzeichnung
Bauphysik
EDV-Programmeim Betrieb
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1 Glas und Scheibe .................................................................................................. 91.1 Eigenschaften von Flachglas und Isolierverglasung .......................................................... 9
1.2 Funktionsgläser ................................................................................................................... 10
1.2.1 Isolierglas ............................................................................................................................. 111.2.2 Wärmefunktionsglas ........................................................................................................... 121.2.3 Sonnenschutzglas ............................................................................................................... 121.2.4 Schallschutzglas .................................................................................................................. 141.2.5 Brandschutzglas .................................................................................................................. 151.2.6 Sicherheitsglas .................................................................................................................... 171.2.7 Angriffhemmendes Glas ..................................................................................................... 191.2.8 Selbstreinigendes Glas ....................................................................................................... 201.2.9 Zusammenfassung: Funktionsgläser am Bau ................................................................... 20
1.3 Arbeitsregeln für den Umgang mit Isolierglas ................................................................. 21
1.4 Bestimmung der Glasscheibendicke ................................................................................. 22
2 Fenster ......................................................................................................................... 242.1 Unterscheidungsmerkmale ................................................................................................ 25
2.1.1 Konstruktionsart .................................................................................................................. 252.1.2 Öffnungsart .......................................................................................................................... 252.1.3 Rahmenwerkstoff ................................................................................................................ 27
2.2 Aufbau von Fenstern und Fensterwänden ....................................................................... 32
2.3 Maßbezeichnungen ............................................................................................................. 35
2.4 Anforderungen .................................................................................................................... 35
2.4.1 Statik ..................................................................................................................................... 352.4.2 Wärmeschutz ....................................................................................................................... 382.4.3 Feuchteschutz ...................................................................................................................... 402.4.4 Fugendurchlässigkeit und Schlagregendichtheit ............................................................. 412.4.5 Lüftung ................................................................................................................................. 432.4.6 Fenstergröße ........................................................................................................................ 452.4.7 Einbruchhemmung .............................................................................................................. 462.4.8 Schallschutz ......................................................................................................................... 50
2.5 Fensterbeschläge ................................................................................................................ 52
2.6 Herstellung ........................................................................................................................... 57
2.6.1 Aufmaß am Bauwerk .......................................................................................................... 572.6.2 Zuschnitt und Bearbeitung eines Aluminium-Fensters .................................................... 602.6.3 Zuschnitt und Bearbeitung eines Holzfensters ................................................................. 652.6.4 Zuschnitt und Bearbeitung eines Kunststoff-Fensters ..................................................... 68
2.7 Klotzung der Scheibe .......................................................................................................... 70
2.8 Verglasungssystem ............................................................................................................. 73
2.8.1 Verglasung mit Dichtprofi len .............................................................................................. 742.8.2 Verglasung mit Dichtstoffen ............................................................................................... 76
Inhaltsverzeichnis
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2.9 Glasfalz-Bemessung ............................................................................................................ 79
2.10 Dampfdruckausgleich ......................................................................................................... 80
2.11 Montage und Bauanschluss ............................................................................................... 81
2.11.1 Anschlagarten ...................................................................................................................... 81 2.11.2 Einbauarten des Fensters ................................................................................................... 812.11.3 Befestigung am Baukörper ................................................................................................. 822.11.4 Anschlussfuge ..................................................................................................................... 872.11.5 Anforderungen an die Anstrichverträglichkeit des Dichtstoffes ..................................... 942.11.6 Oberfl ächenschutz bei Fenstern und Türen aus Holz ....................................................... 952.11.7 Arbeitsplan ........................................................................................................................... 962.11.8 Außenfensterbänke ............................................................................................................. 97
3 Sonnenschutzanlagen .................................................................................. 983.1 Raumseitige Sonnenschutzanlagen .................................................................................. 99
3.2 Integrierte Sonnenschutzanlagen ................................................................................... 101
3.3 Äußere Sonnenschutzanlagen ......................................................................................... 101
3.3.1 Starre Sonnenschutzanlagen ........................................................................................... 1013.3.2 Bewegliche Sonnenschutzanlagen .................................................................................. 103
3.4 Antriebe .............................................................................................................................. 111
3.5 Steuerungen ...................................................................................................................... 113
4 Türen ........................................................................................................................... 1144.1 Unterscheidungsmerkmale .............................................................................................. 114
4.1.1 Anordnung ......................................................................................................................... 114
4.1.2 Einbauort ............................................................................................................................ 1154.1.3 Bewegungsart .................................................................................................................... 1154.1.4 Bewegungsrichtung und Bezeichnung .............................................................................. 1164.1.5 Bauart ................................................................................................................................. 1194.1.6 Werkstoff ............................................................................................................................ 128
4.2 Beispiel: Stulptür ............................................................................................................... 130
4.3 Sonderbauarten ................................................................................................................. 135
4.3.1 Rauchschutztüren .............................................................................................................. 1354.3.2 Feuerschutztüren ............................................................................................................... 1374.3.3 Feststellanlagen ................................................................................................................. 1454.3.4 Einbruchhemmende Türen ............................................................................................... 1484.3.5 Schallschutztüren .............................................................................................................. 150
4.4 Türrahmen und Zargen ..................................................................................................... 152
4.5 Türschwellen ..................................................................................................................... 156
4.6 Türbeschlag ....................................................................................................................... 157
4.6.1 Türbänder ........................................................................................................................... 1574.6.2 Türschlösser und Zubehör ................................................................................................ 1654.6.3 Türschließer ....................................................................................................................... 171
4.7 Automatiktüren ................................................................................................................. 181
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5 Fassaden .................................................................................................................. 1845.1 Anforderungen .................................................................................................................. 184
5.1.1 Anforderungen aus der Nutzung ..................................................................................... 184
5.1.2 Anforderungen aus der Konstruktion .................................................................................... 184
5.1.3 Anforderungen aus der Form ........................................................................................... 184
5.1.4 Bauphysikalische Anforderungen .................................................................................... 184
5.1.5 Statische Anforderungen .................................................................................................. 184
5.2 Konstruktionsaufbau ........................................................................................................ 185
5.2.1 Schale und Schicht ............................................................................................................ 185
5.2.2 Lage der Fassade ............................................................................................................... 187
5.2.3 Tragwerk- und Fassadenraster ......................................................................................... 188
5.2.4 Montagemöglichkeiten vorgehängter Fassaden ............................................................ 189
5.3 Gestaltmerkmale ............................................................................................................... 191
5.4 Wärmedämmsysteme ....................................................................................................... 193
5.4.1 Warmfassade ..................................................................................................................... 193
5.4.2 Kaltfassade ......................................................................................................................... 194
5.4.3 Kalt-Warm-Fasssade .......................................................................................................... 196
5.5 Merkmale von Fassaden-Bauarten .................................................................................. 197
5.5.1 Kalt-Warm-Fassade ........................................................................................................... 197
5.5.2 Doppelfassade ................................................................................................................... 199
5.5.3 Ganzglasfassade ................................................................................................................ 200
5.5.4 Energiefassaden ................................................................................................................ 203
5.5.5 Intelligente Fassaden ........................................................................................................ 209
5.5.6 Medienfassaden ................................................................................................................ 210
5.5.7 Überkopfverglasung .......................................................................................................... 210
5.5.8 Lichtdachkonstruktionen ................................................................................................... 213
5.6 Einzelheiten zur Fassadentechnik ................................................................................... 218
5.6.1 Wasserführung und Belüftung ......................................................................................... 218
5.6.2 Montage und Lastabtragung ............................................................................................ 221
5.6.3 Montagegenauigkeiten ..................................................................................................... 226
5.6.4 Bauwerksanschlüsse ......................................................................................................... 227
6 Wintergärten ....................................................................................................... 2326.1 Gesetzliche Bestimmungen ............................................................................................. 232
6.2 Lage .................................................................................................................................... 233
6.3 Werkstoffe .......................................................................................................................... 233
6.4 Sonnenschutz und Belüftung ........................................................................................... 234
6.5 Konstruktion ...................................................................................................................... 235
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7 Statische Vorbemessung ........................................................................ 2397.1 Belastung durch horizontale Kräfte ................................................................................. 239
7.2 Belastung durch horizontale und vertikale Kräfte ......................................................... 246
7.3 Belastung durch weitere Kräfte ....................................................................................... 248
8 CE-Kennzeichnung .......................................................................................... 2508.1 Idee und Ziel ...................................................................................................................... 250
8.2 Der Konformitätsnachweis ............................................................................................... 250
8.3 Die werkseigene Produktionskontrolle ........................................................................... 251
9 EDV-Programme im Betrieb ................................................................. 2529.1 Programme für die Auftragsabwicklung ......................................................................... 252
9.2 Programme für Planung und Konstruktion .................................................................... 252
10 Bauphysik ............................................................................................................... 25410.1 Wärmeschutz ..................................................................................................................... 254
10.1.1 Strahlungshaushalt der Erde ............................................................................................ 255
10.1.2 Grundlagen der Wärmelehre ............................................................................................ 255
10.1.3 Energieeinsparverordnung ............................................................................................... 276
10.1.4 Blower-Door-Test ............................................................................................................... 280
10.2 Feuchteschutz .................................................................................................................... 281
10.3 Schallschutz ....................................................................................................................... 291
10.3.1 Entstehung und Ausbreitung des Schalls ....................................................................... 291
10.3.2 Schallmessung, Maßeinheiten ......................................................................................... 292
10.3.3 Schallschutz im Hochbau .................................................................................................. 295
10.3.4 Zusammenfassung ............................................................................................................ 300
10.4 Brandschutz ....................................................................................................................... 302
10.4.1 Brandvorgang ................................................................................................................... 302
10.4.2 Brandverhalten der Baustoffe .......................................................................................... 302
10.4.3 Brandverhalten der Bauteile ............................................................................................. 306
Anhang ............................................................................................................................................. 308
Firmenverzeichnis/Bildnachweis ................................................................................................... 342
Sachwortverzeichnis ....................................................................................................................... 344
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9Glas und Scheibe
1 Glas und ScheibeFenster-, Tür- und Fassadenkonstruktionen wer-den von Metallbauern und Konstruktionsmecha-nikern aus Aluminium-, Stahl- und z. T. aus PVC-Profi len gefertigt. Tischler und Holz mechaniker verarbeiten für diese Konstruktionen Holz- und PVC-Profi le. Die Verarbeiter dieser Profi l-Werk-stoffe kennen ihr Material, so dass in diesem Fachbuch auf die Herstellung dieser spezi-fi schen Profi le verzichtet werden darf. Weniger geläufi g ist in diesen Berufsgruppen das Fach-wissen über den Werkstoff Glas, obwohl ihre Konstruktionen überwiegend verglast ihre Funk-tion erfüllen. Glas am Baukörper hat außerdem in den letzten Jahrzehnten eine herausragende Entwicklung genommen. Moderne Fenster-, Tü-ren- und Fassadenkonstruktionen sind hinsicht-lich ihrer Anforderungen nur im Gesamtver-ständnis mit diesem Werkstoff zu verstehen.
Glas wird bei einer Temperatur von ca. 1550 °C aus einem Rohstoffgemenge erschmolzen. Das Gemenge besteht meist aus dem Glasbildner Quarzsand (Kieselsäure 70 - 72 %), dem Fluss-mittel Soda (etwa 14 %), dem Stabilisator Kalk (etwa 10 %) und verschiedenen Oxiden (z. B. Aluminiumoxid, Magnesiumoxid), die die phy-sikalischen Eigenschaften verbessern. Glas ist zwar ein fester Stoff, in Bezug auf seine Struk-tur und sein Verhalten im Abkühlungsvorgang
entspricht es jedoch einer Flüssigkeit, weil die Schmelze beim raschen Abkühlungsvorgang nicht kristalisiert. Deshalb spricht man bei Glas auch von einer unterkühlten Schmelze.
Bereits während der Steinzeit wurde natür-liches Glas als Speerspitze oder Messer ver-wendet. Seit dem 4. Jahrtausend v. Chr. ist die Kunst der Glasherstellung bekannt. Seit 2000 Jahren ist die Fertigung von durchsich-tigem Glas möglich.
Die Herstellung von Flachglas geschieht heutenach verschiedenen Verfahren. Bei dem veral-teten Fourcault-Verfahren von 1904 wird aus der zähfl üssigen Glasschmelze ein fl aches Glas-band über ein System von Transportwalzenund Führungsrollen gezogen. Beim heuteüberwiegend verbreiteten Float-Verfahren (Bild 1) wird die Glasschmelze „schwimmend“ auf einem Bad von fl üssigem Zinn (Schmelz-temperatur 232 °C) soweit abgekühlt, dass Glas in fester Form heraus gezogen werden kann. Das Float-Verfahren gewährleistet in ho-hem Maße ein planparalleles, verzerrungs-freies Glas mit Glasdicken ab etwa 0,5 mm.Die Ziehgeschwindigkeit mit der das feste Glas aus dem halbfl üssigen Zustand gezogen wird, bestimmt dabei die Glasdicke.
flüssiges Glas
Schmelzwanne(ca. 60 m)
Überlauf-kanal (10 m)
Abhebe-bereich
Kühlkanal(ca. 150 m)
Float - Metallbad(ca. 70 m)
Rohstoffgemengewird geschmolzen
1600 °C 1100 °C 1000 °C 650 °C 20 °C
erdgasbefeuerteBrenner
Regel-schieber
Zone 1Ausschwimmen derGlasschmelze auf Dicke
Zone 2Abkühlen -Schmelze wirdzu festem Glas
Toproller
Gemenge undgeschmolzenes Glas
Zug- und Transportwalzenflüssiges Zinn Schutzgas Abhebewalzen
Bild 1: Float- oder Schwimmverfahren
1.1 Eigenschaften von Flachglas und Isolierverglasung Neben den Kenntnissen über die Werkstoffe Aluminium, Stahl, Edelstahl, Kunststoff und Holz muss ein Fenster- und Fassadenbauer über die Eigenschaften von Glas Bescheid wissen:
• Dichte #: ca. 2,5 g/cm3 (eine 1 m2 große Glasscheibe von 1 mm Dicke wiegt 2,5 kg),• Ritzhärte nach Mohs: 5 bis 6 (Topas: Härte 8),• Elastizitätsmodul Estat: ca. 70000 N/mm2,• Druckfestigkeit jdB: 700 bis 900 N/mm2,
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10 Glas und Scheibe
• Zugfestigkeit jz: ca. 50 N/mm2,• Biegefestigeit von Floatglas: ca. 45 N/mm2,• Biegefestigkeit von Einscheibensicherheitsglas: 120 N/mm2, teilvorgespanntes Glas (TVG): 70 N/mm2,• Längenausdehnungskoeffi zient (Temperaturdehnzahl) a: 0,000009 1/K ( = 9 · 10-6 1/K),• Erweichungstemperatur 560 °C - 580 °C,• Wärmeleitfähigkeit l: 0,8 W/(m · K),• Spezifi sche Wärmekapazität c: 0,72 kJ/(kg · K), • Wärmedurchgangskoeffi zient (Ug- Wert) je nach Scheibenaufbau: 0,5 bis 5,8 W/(m2 · K),• Ug-Wert von Einfachverglasung: 5,8 W/(m2 · K),• Gesamtenergie-Durchlassgrad (g- Wert) von normalem Isolierglas: 60 bis 80 %,• Lichtdurchlässigkeit (Lichttransmissionsgrad) tV: 0,72 % bis 0,88 %, je nach Glasdicke (siehe Anhang, Anlage 1),• Beständigkeit gegen Temperaturdifferenzen Dc über die Scheibenfl äche r technisch entspannte Gläser: 40 K, r thermisch vorgespannte Gläser: 150 K,• Emissionsvermögen (Abstrahlvermögen) von normalen Isolierglas en: ca. 0,89,• Emissionsvermögen von Glas mit „niedrig-emissiven” Beschichtungen: en < 0,1,• Schalldämmung bei 3 mm Glasdicke: 22 bis 24 dB (entspricht etwa der Schalldämmung von 8 mm
Sperrholz),• Isolierfähigkeit: nichtleitend in trockenem Zustand,• Zulässige Spannungen für den statischen Nachweis (siehe Anhang, Anlage 1),• Standard-Glasdicken: 2, 3, 4, 5, 6, 8, 10, 12, 15 und 19 mm,• Standard-Floatglas-Tafel: 1600 mm × 2250 mm × 4 mm.
1.2 Funktionsgläser Die im Jahr 2014 in Kraft getretene neu gefasste Energieeinsparverordnung1 stellt hohe Ansprü-che an die Wärmedämmfunktion des Baustoffes Glas. Wie auch in der seit 1995 geltenden 3. Wär-meschutzverordnung1 werden die solaren Wär-megewinne für die Berechnung des Jahres-Heiz-wärmebedarfs von Neubauten berücksichtigt. Dadurch kommt dem Baustoff Glas eine einzigar-tige Rolle zu, denn nur Glas kann solare Energie ohne Zusatzaggregate nutzen. Die Wärmever-luste durch die Verglasung werden mit dem Wär-medurchgangskoeffi zienten (Ug-Wert) gekenn-zeichnet, die solaren Energiegewinne durch den Gesamtenergie-Durchlassgrad (g-Wert). Die Dif-ferenz zwischen Wärmeverlusten und Wärmege-winn bezeichnet man als Energiebilanz (Bild 1).
Durch moderne Fertigungstechniken stehen den Bauherren, Architekten und Metallbauern eine Vielzahl von Funktionsgläsern zur Auswahl, die teilweise nur eine, aber auch eine Vielzahl spe-zieller Funktionen erfüllen. An eine Verglasung kann beispielsweise der Anspruch bestehen, er-höhten Einbruch- und Schallschutz, während der
Heizperiode Wärmeschutz und im Sommer Son-nenschutz zu gewährleisten.
Funktionsgläser unterscheidet man nach ihren Aufgaben:
Wärmefunktionsschicht
g-Wert
Ug -W
ert
Bild 1: Energiefl uss bei einer Verglasung
1 Die erste Fassung der EnEV geht auf das Jahr 2002 zurück. Weitere Fortschreibungen fanden ihren Ausdruck in der EnEV von 2004, von 2007 und 2009.
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11Glas und Scheibe
Abstandhalter-Rahmen aus Aluminium, Edel- stahl oder Kunststoff
InnereDichtungaus Butyl
Trocken- mittel
ÄußereGlas-scheibe
Innere Glasscheibe
Scheibenzwischenraum
Äußere Dichtung aus Thiokol
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Bild 1: Aufbau und Nummerierung einerIsolier glasscheibe.Beispiel: Pos. 2 r äußere Scheibe, innen
Scheibenbreite
Scheiben-höhe
Tropf-kante
Überstand
FreiliegenderTeil des Rand-verbundes
UntereScheibez. B. VSG
Abdeckungoder Siebdruck
ObereObereScheibeScheibeObere
Scheibe
Randverbund
Bild 2: Stufen-Isolierglas
• Isolierglas, • Wärmefunktionsglas, • Sonnenschutzglas, • Schallschutzglas, • Brandschutzglas, • Sicherheitsglas, • angriffhemmendes Glas.
1.2.1 IsolierglasIsolierglas besteht aus zwei (oder mehreren) Floatglasscheiben, die durch einen oder meh-rere Metall- oder Kunststoffrahmen auf einen bestimmten Abstand gehalten werden. An den Rändern sind die Scheiben durch eine innere und äußere Dichtung zum umlaufenden Abstand-halter-Rahmen fest und gasdicht verbunden. Po-sitionszahlen (Bild 1) geben die Lage der Einzel-scheiben an.
Die innere Dichtung aus Butyl sorgt für die Haf-tung zwischen den Glasscheiben und dem Ab-standhalter. Die äußere Dichtung aus Poly-sulfi d (Thiokol) füllt den Raum zwischen den Scheiben kanten und dem Rahmenunterteil aus und dient hauptsächlich einer verbesserten me-chanischen Festigkeit des Scheibenverbundes (Rand verbundes).
Achtung: Polysulfi d (Thiokol) und der Dichtstoff Silikon vertragen sich nicht (Ausnahme: neu-trales Silikon).
Im Scheibenzwischenraum (SZR; meist 16 mm breit) befi ndet sich trockene Luft. Der an der Deckfl äche perforierte Abstandhalter-Rahmen ist mit einem Trockenmittel gefüllt. Geringe Mengen Feuchtigkeit, die trotz doppelt gedich-tetem Randverbund in den SZR gelangt oder aus der Restfeuchte der eingeschlossenen Luft zu Tage tritt, wird vom Trockenmittel absorbiert. Damit wird ein Beschlagen der Scheibeninnen-seiten verhindert (Bild 1). Etwa 70 % aller Iso-lierverglasung kommen heute als Dreischeiben-Isolierverglasung zur Anwendung.
Auch Stufen-Isolierglas (Bild 2) besteht aus zwei Glasscheiben. Dabei schließen die Glas-ränder nicht bündig ab, sondern die Ober-scheibe überlappt die Unterscheibe, wodurch ein ungehinderter Wasserablauf gesichert wird. Das überstehende Scheibenstück darf aus statischen Gründen nicht aufl iegen oder die Scheibe tragen. Der freiliegende Randver-bund bedarf eines besonderen Schutzes durch
UV-beständiges Silikon, Siebdruck oder ein Schattenblech.
Anwendungsbeispiele für Stufen-Isoliergläser sind Ganzglasfassaden und Überkopfvergla-sungen (siehe Kapitel 5.5.3 und 5.5.7).
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12 Glas und Scheibe
Die eingedrungenen kurzwelligen Strahlen (Licht bis zu einer Wellenlänge von 780 nm und Wärmestrahlen bis 2500 nm)2 werden von den Wänden, der Decke, dem Boden und den Ge-genständen im Innenraum absorbiert und zum großen Teil als langwellige Wärmestrahlen wie-der abgegeben. Die Wärmefunktions schicht
0,1
mm
10 n
m
Zinnoxid
Zinnoxid
Silber
Glas
4,0
mm
Bild 1: Aufbau der selektiven Schicht
Wärmefunktions-schichten
Bild 3: Superwarmglas als Dreischeibenkonstruktion
1.2.3 SonnenschutzglasSonnenschutzgläser sind vor allem an Gebäu-den mit großen Glasfl ächen in Südlage von Bedeutung. In Verbindung mit inneren Blend-schutzeinrichtungen (siehe Kapitel 3.1) können sie die Kosten, die eine Klimaanlage verursa-chen würde, deutlich senken (die Kühlkosten können bis zum Vierfachen der Heiz kosten im Winter ausmachen). In der Energieein-sparverordnung (siehe Kapitel 10.1.3) werden
Einfachglas
unbeschichtetes Isolierglas
Wärme- funktionsglas
Energieverlust (Ug-Wert)
5,8W/(m2 · K)
3,0W/(m2 · K)
0,9W/(m2 · K)*
*nach DIN EN
Bild 2: Wärmefunktionsglas im Vergleich
1.2.2 WärmefunktionsglasBeim konventionellen unbeschichteten Zwei-fach-Isolierglas gehen aufgrund der hohen Energie abstrahlung (Emission) der Glas-oberfl äche etwa 65 % der Raumwärme verlo-ren. Ein weiterer Wärmeverlust erfolgt durch Wärmeleitung und Wärmeströmung im luft-gefüllten Scheibenzwischenraum. Der Wärme-durchgangskoeffi zient liegt beim Standard- Isolierglas bei 3,0 W/(m2 · K). Zum Vergleich: der Ug-Wert für Einfachglas liegt bei 5,8 W/(m
2 · K).Beim Wärmefunktionsglas (auch als „Warm-glas” oder „Wärmeschutzglas” bezeichnet) ist hingegen die raumseitige Glasscheibe auf der Innenseite zum SZR mit einer hauchdün-nen Edelmetallschicht versehen (Bild 1), die das Energieabstrahlungsvermögen (Emis-sionsvermögen)1 erheblich mindert. Da die-se Schicht die Sonnenstrahlen fi ltert, wird sie auch als „selektive Schicht” bezeichnet. Für den kurzwelligen Anteil der Sonnenstrahlen – insbesondere im sichtbaren Bereich – ist diese Schicht durchlässig; der Großteil der langwel-ligen Wärmestrahlen aber wird refl ektiert und gelangt nicht in den Innenraum. Die Silber-schicht „trennt” und refl ektiert die Strahlung; die Zinnoxidschicht (neuerdings auch eineBismutoxidschicht) dient der Entspiegelung und schützt vor Oxidation der Silberschicht.
1 Das Emissionsvermögen en gibt das Verhältnis der von einem Körper abgestrahlten Energiemenge zu der Energie-menge an, die von einem schwarzen Körper unter gleichen Temperaturbedingungen abgestrahlt wird. Je niedriger das Emissionsvermögen, desto kleiner (besser) ist der U-Wert.
2 1 Nanometer = 10–9 m v 0,000001 mm
verringert den Austritt dieser lang welligen Wärmestrahlung (Bild 2). Der so bis auf0,9 W/(m2 · K) verbesserte Ug-Wert erfüllt die Mindestanforderungen der Energieeinsparver-ordnung (EnEV) von Ug = 1,1 W/(m2 · K). Wird zudem die Luft im Scheibenzwischenraum durch ein Edelgas (Argon, Xenon oder Kryp-ton) ersetzt und für den Randverbund Kunst-stoff oder nichtrostender Stahl verwendet, wird der Ug-Wert noch einmal vermindert.
Dreifach verglaste Elemente, bei denen der Randverbund von der Außen- zur Innenschei-be durch die mittlere Scheibe unterbrochen ist (Bild 3), erzielen noch geringere Ug-Werte (bis zu 0,4 W/(m2 · K)). Siehe Anhang, Anlage 2.
Ein Randverbund aus Kunststoff oder Edelstahl mit schwarzer Oberfl äche verringert die Wär-meverluste im Glasrandbereich.
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13Glas und Scheibe
Beispiel:
Bei einer Scheibe (Typenbezeichnung 51/38) mit selektiver Beschichtung gelangen 51 % des einfallenden Tageslichtes in den Innenraum (Lichtdurchlässigkeit tV = 51 %), dagegen nur 38 % der Gesamtenergie (g-Wert 38 %). DieSelektivitätskennzahl beträgt S = 1,34 (Bild 1).
Transmission 33 %
Sonnenschutz- schicht
Reflexion20 %
Lichtdurch-lässigkeit 51 %
Abstrahlung undKonvektion 5 %
Abstrahlung undKonvektion 42 %
Sonnenlicht100 % Einfall
62 % 38 %
Edelgas
außen innen1 2 3 4
Bild 1: Strahlendurchlässigkeit von Sonnenschutzglas
Eine Selektivitätskennzahl S ; 2,0 für norma-le Sonnenschutzgläser kennzeichnet die Gren-ze des physikalisch Machbaren. Ziel eines hochwertigen Sonnenschutzglases ist es, die Gesamt- Energiedurchlässigkeit bei hoher Licht-durchlässigkeit herabzusetzen.
Ein modernes Sonnenschutzglas besteht aus zwei Floatglasscheiben. Der mit Edelgas ge-füllte Scheibenzwischenraum ist durch den Randverbund gasdicht abgeschlossen. Den entscheidenden Unterschied zu anderen Funk-tionsgläsern macht die hauchdünne Beschich-tung aus Edelmetall, die auf der Innenseite der äußeren Scheibe (Bild 1) aufgetragen ist. Diese Schicht selektiert die einfallenden Sonnenstrah-len: Sie refl ektiert den langwelligen Strahlen-anteil (Wärmestrahlung), während das kurz-wellige Tageslicht weitgehend durchgelassen wird. Bei niedrigen Außentemperaturen erfolgt die Selektion in umgekehrter Richtung: Raum-wärme, die durch das Fenster zu entweichen droht, wird von der Beschichtung refl ektiert.
Eine hochwertige Kombination aus Son-nenschutzglas und Warmglas weist einen kleinen Ug-Wert (g für glazing), einen kleinen g-Wert und eine hohe Lichtdurch-lässigkeit (tV) auf.
Neue Entwicklungen sind auf der Glasober-fl äche aufgebrachte thermooptisch varia-ble Polymerwerkstoffe (TOP). Der Brechungs-index der 45 nm dicken TOP-Schicht verändert temperaturabhängig den Brechungsindex:
Mindestanforderungen an den Wärmeschutz festgelegt und wärmeschutztechnische Maß-nahmen empfohlen.
Sonnenschutzgläser schützen das Gebäude-innere durch teilweise Refl exion und Absorp-tion der Sonnenstrahlung über den gesamten Bereich des Sonnenspektrums - also dem UV-Bereich, dem Bereich des sichtbaren Lichts und der langwelligen Wärmestrahlung.
Herkömmliche Sonnenschutzgläser vermin-dern entsprechend ihrer Lichtdurchlässigkeit die Raumhelligkeit. Durch ihre Färbung verän-dern sie die Farbwahrnehmung im Raum. Au-ßerdem absorbieren sie einen Teil der Sonnen-strahlung, erwärmen sich dabei und geben die Wärmestrahlung nach innen ab. Diese her-kömmlichen getönten Sonnenschutzgläser werden im Unterschied zu neueren Entwick-lungen als Absorptionsgläser bezeichnet.
Die Lichtdurchlässigkeit tV gibt den Anteil der direkt durchgelassenen sichtbaren Strahlung im Bereich der Wellenlänge des sichtbaren Lichts von 380 nm bis 780 nm, bezogen auf die Hellempfi ndlichkeit des menschlichen Auges, an. Sie wird in Prozent angegeben und wird (u. a.) von der Glasdicke beeinfl usst. Bedingt durch den unterschiedlichen Eisenoxidgehalt des Glases sind geringfügige Schwankungen möglich. So verfügt Floatglas als Einzelscheibe im sichtbaren Spektralbereich über eine Licht-durchlässigkeit von 87 %. Dabei ist die Bezugs-größe 100 % eine unverglaste Maueröffnung.
Die Selektivitätskennzahl S ist das Verhältnisder Lichtdurchlässigkeit tV zum Gesamtenergie-Durch lassgrad g:
Diese Kennzahl bewertet die Sonnenschutz-gläser in Bezug auf eine erwünschte hohe Lichtdurchlässigkeit im Verhältnis zum je-weils angestrebten niedrigen Gesamtenergie-Durchlassgrad. Eine hohe Selektivitätskennzahl drückt ein günstiges Verhältnis aus.
S =tVg
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14 Glas und Scheibe
Anders aufgebaute Sonnenschutzgläser ar-beiten nach einem photochromen Effekt. Auf den Floatglasscheiben werden auf einer Platin-schicht nanoporöses Wolframoxid und Kataly-satoren aufgetragen. Bei Bestrahlung mit Sonnen licht färbt sich die Scheibe ein. Glä-ser dieser Art werden als Absorptionsgläser bezeichnet. Sie fanden bisher nur bei Brillen-gläsern Anwendung.
Eine andere Entwicklung wird mit „schaltbarem Glas” beschritten. Dabei weist die Floatglas-scheibe im Wesentlichen eine Flüssigkristallbe-schichtung mit einer externen Spannungsver-sorgung und -regelung auf. Mit einer geringen Spannung wird ein Impuls ausgelöst, der im Flüssigkeitskristall einen Ionenaustausch aus-löst und die Scheibe einfärbt. Das Glas zeigt sich dabei in verschieden gestuften Blautönen, die einen Schutz vor Sonnenlicht bewirken. Die Lichttransmission liegt zwischen 50 % und 15 %. Die Ein- und Entfärbung (kein Strom-fl uss) dauert je nach Scheibengröße einige Mi-
Butyldichtung
Alu-Abstand-halter
Polysulfiddichtung
Trocken-mittel
Edelgas-füllung
thermotropePolymer-blendschicht
Wärmefunktions-schicht
außen innen
Bild 2: Isolierverglasung mit thermotroper Schicht
Bild 3: Thermotrope Verglasung links und rechts bei erhöhter Sonneneinstrahlung
Bei Außentemperaturen unter 20 °C wird mehr Wärme durchgelassen; bei Temperaturen über 30 °C trübt sich die Schicht ein und refl ektiert einen großen Teil der Sonnenstrahlung (Bild 1).
Trans-mission
Trans-mission
Reflexion
Reflexion
Absorption
innenaußen
transparent
a) Außentemperatur ≤ 20 °C
Absorption
innenaußen
opak
b) Außentemperatur ≥ 30 °C
solare Einstrahlung
solare Einstrahlung
Bild 1: Strahlenverlauf durch eine thermotrope Schicht
nuten. Diese Beschichtung wird im Gegensatz zum photochromen System als elektrochromes System bezeichnet. Gläser dieser Art werden als Refl exionsgläser bezeichnet.
Thermotrope Glasbeschichtungen, photo-chromer Sonnenschutz und „schaltbares Glas” fi nden in Isolierverglasungen (Bild 2) und in Fas-saden-Verglasungen ihre Anwendung. Die feh-lende Durchsicht dieses Sonnenschutzglases bei Sonneneinstrahlung kann durch Kombina-tion mit herkömmlicher Isolierverglasung aus-geglichen werden (Bild 3).
1.2.4 SchallschutzglasModerne Schallschutz-Isoliergläser sind nach dem Prinzip ungleicher Scheibendicke, elasti-scher Scheibenkombinationen und dämpfender Scheibenzwischenräume konstruiert. In erster Linie bestimmt die Masse der Schei-ben den Schalldämmwert Rw (in dB): Je grö-ßer die Masse, desto höher ist in der Regel die
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15Glas und Scheibe
Schalldämmung. Daneben bewirkt der zwei-schalige Aufbau mit vergrößertem Scheibenzwi-schenraum eine Verbesserung des Schalldämm-Maßes. Durch die Koppelung der Scheiben mit dem dazwischen liegenden Gaspolster treten Resonanzen auf, die die Schalldämmung im un-teren Frequenzbereich mindern. Eine weitere Verbesserung bringt eine Gießharzeinlage oder eine Schallschutz PVB-Folie zwischen den Einzel-scheiben aus speziellem Verbundglas (Bild 1). Die elastische Einlage dämpft das Schwingverhalten.
Eine Schwergasfüllung im Scheibenzwischen-raum verbessert die Schalldämmwerte um bis zu 5 dB. Als Füllgase kommen Argon, Krypton oder Gasgemische zur Anwendung.
Butyldichtung
Abstandhalter Polysulfid-dichtung
Trockenmittel
Gasfüllung
innen
außen
Gießharzeinlageoder Schall-schutzfolie
Asymmetrischer Scheibenaufbau
Bild 1: Schnitt durch ein Schallschutz-Isolierglas
Die Dicke der Außen- und Innenscheibe muss verschieden sein. Je unterschiedlicher die Scheiben in der Dicke sind, desto höher ist in der Regel der Schalldämmwert. Dabei ist es un-erheblich, ob sich die dickere Scheibe auf der Innen- oder Außenseite befi ndet.
Wichtig ist nicht allein die Schalldämmung des Glases; nur Verglasung, Rahmen und Bauan-schluss zusammen bestimmen die Dämmwir-kung des Fensters.
Wärmefunktions-, Sicherheits- und Sonnen-schutzglas oder durch Sprossen gestalteteGläser sind mit allen schalldämmenden Aus-führungen kombinierbar.
1.2.5 BrandschutzglasNormales Fensterglas (Floatglas) ist für den Brandschutzbereich ungeeignet. Die Glas-scheibe zerspringt bei einseitiger Hitzeeinwir-kung nach kurzer Zeit, großfl ächige Bruchstücke fallen her aus und durch Feuerüberschlag droht eine rasche Ausbreitung des Brandes.
Seit 1977 gibt es Brandschutzverglasungen. Es sind stets komplette Systeme, die aus einem Rahmen, lichtdurchlässigen Brandschutzglä-sern, Halterungen, Dichtungen sowie Befes-tigungsmaterial bestehen. Je nach Aufbau und Konstruktion müssen sie 30, 60, 90 oder120 Minuten den Durchgang von Feuer, Rauch und Wärmestrahlung widerstehen, ohne die Standsicherheit zu verlieren. Es gibt zwei Ar-ten von Brandschutzverglasungen:
• G-Verglasungen der Feuerwiderstandsklasse G, z. B. G 30 = 30 Minuten Widerstandsdauer
• F-Verglasungen der Feuerwiderstandsklasse F, z. B. F 60 = 60 Minuten Widerstandsdauer
Sowohl G- als auch F-Verglasungen sind grund-sätzlich Festverglasungen.
Im Rahmen der europäischen Normung gehört die G-Verglasung zukünftig zur Feuerwider-standsklasse E bzw. EW und die F-Verglasung wird zukünftig der Feuerwiderstandsklasse EI zugeordnet (siehe Anhang, Anlage 11).
G-Verglasungen für Brüstungsbereiche von Fassaden, Trennwänden, Oberlichter von Ret-tungsfl uren und Schrägverglasungen in Dä-chern sind lichtdurchlässige Bauteile, die – ent-sprechend ihrer Feuerwiderstandsdauer – nur die Ausbreitung von Feuer oder Rauch verhin-dern. Man geht davon aus, dass ein Durchtritt der Wärmestrahlung nicht verhindert wird (in der Praxis reduzieren G-Verglasungen die Tem-peratur der nach außen durchtretenden Wär-mestrahlung um etwa die Hälfte). Die meisten G-Verglasungen bleiben im Brandfall durch-sichtig. Vier Glasarten kommen zur Anwen-dung:
• Gussglas mit Drahtnetzeinlage, das im Bruch-fall die Glasscheibe festhält,
• Spezielle VSG oder ESG -Kombinationen,
• Vorgespanntes Borsilikatglas,
• Verbundglas mit Brandschutz-Zwischen-schichten.
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16 Glas und Scheibe
F-Verglasungen sind lichtdurchlässige Bau-teile, die entsprechend ihrer Feuerwiderstands -dauer nicht nur die Ausbreitung von Feuer und Rauch, sondern auch den Durchtritt derWärmestrahlung zur Feuer abgekehrten Sei-te verhindern. Diesen Effekt nennt man
„thermische Isolation“.
Die vom Feuer abgekehrte Oberfl äche darf sich im Mittel um nicht mehr als 140 K erwärmen und ein (beim Brandschutztest) angehaltener Wattebausch darf nicht glimmen oder sichentzünden.
Als F-Brandschutzgläser kommen Mehrfach- Verbundglasscheiben zum Einsatz, bei denen zwei oder mehrere ESG- oder VSG-Scheiben durch Abstandhalter miteinander verbunden sind. Der Zwischenraum ist mit einer glas-klaren Gelschicht als Brandschutzschicht ge-füllt, die im Brandfall die Wärmestrahlung ab-sorbiert. Das Gel besteht aus einem Polymer, in dem eine hoch wasserhaltige Salzlösung eingebettet ist. Im Brandfall bildet sich daraus eine aufgeschäumte wärmedämmende Isolier-schicht, die erhebliche Energiemengen durch das verdampfende Wasser verzehrt.
Wenn die Temperatur in der feuerseitigen Schicht ca. 120 °C erreicht hat, zerspringt die dem Feuer zugekehrte Glasscheibe und die Gelschicht schäumt auf. Erst dann wird dieScheibe undurchsichtig und bildet einen Hitze-schild (Bild 1).
Mit ähnlichem Effekt wirken Brandschutzgläser, die mit Bor-Aluminiumphosphat-Schichten auf-gebaut sind.
F-Verglasungen bieten den gleichen Feuer-schutz wie massive Wände der gleichen Feu-erwiderstandsklasse. Die in Bild 2 dargestellte Verglasung der Feuerwiderstandsklasse F 90 besteht aus vorgespannten Einscheiben-Si-cherheitsgläsern und einem Floatglas in der Mitte. Die beiden Zwischenräume sind mit ei-ner Gelschicht gefüllt. Häufi g werden F-Ver-glasungen in Feuerschutztüren eingebaut.
innen
1 3
4
6
5
2
außen
1 Dübel nach bauaufsichtlicher Zulassung2 Stahl-Eindrehanker3 Mineralwolle nicht brennbar DIN 4102 - Klasse A4 Hartholz zum druckfesten Unterbauen5 F 90-Wand6 Dichtungsmasse, Baustoffklasse B 2
Bild 2: Einzelheiten einer F 90-Verglasung
a)
Vor dem Brand a), transparent undnach dem Brand b), undurchsichtig.
b)
Bild 1: Brandschutzglas F 30/EI 30
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17Glas und Scheibe
1.2.6 Sicherheitsglas Diese Funktionsgläser sollen aktiven Schutz (Einbruchschutz) und passiven (Schutz vor Ver-letzungen) ermöglichen. Zu den Sicherheitsglä-sern gehören:
• Einscheiben-Sicherheitsglas (ESG),
• Teilvorgespanntes Glas (TVG),
• Verbundsicherheitsglas (VSG),
• Drahtglas.
Das Einscheiben-Sicherheitsglas ist ein ther-misch vorgespanntes Floatglas. Die Scheibe wird nach dem Zuschneiden und evtl. anderer Arbeiten gleichmäßig auf ca. 600 °C erhitzt und anschließend mit kalter Luft abgeblasen. Durch die unterschiedlich rasche Abkühlung zwischen der Glasoberfl äche und dem Glasinneren ste-hen die äußeren Scheibenfl ächen unter Druck-spannung, während das Scheibeninnere unter Zugspannung steht (Bild 1).
Beim Bruch zerfällt das Glas durch Zerstörung der Oberfl ächenspannung schlagartig in ein Netz von kleinen stumpfkantigen Bruchstü-cken, die untereinander lose zusammen hängen (Bild 2). Dadurch ist die Verletzungsgefahr er-heblich verringert.
Die verzögerte Zerstörung von ESG ohne er-kennbare äußere Einwirkung wird als Spontan-bruch bezeichnet.
Verwendung fi ndet es bei Ausfachungen von Treppengeländern, Glasinnentüren, Rauch-schutztüren, Sporthallen (Ballwurfsicherheit), Fassaden, im Heizkörperbereich (kein Span-nungsbruch), Glasvitrinen und Umwehrungen aller Art.
ESG kann aufgrund seiner Vorspannung nach-träglich nicht mehr geschnitten, geschliffen oder gebohrt werden. Beschädigungen der Oberfl ä-che, Kantenverletzungen oder unsachgemäßer Transport führen zum Bruch der Scheibe.
Glasscheibe
Brenner-flammen
1. Erwärmen 2. sofort anschließendesAbkühlen
kalteLuft
Dru
ckD
ruck
Dru
ckD
ruck
Zu
gZ
ug
Dru
ck
Dru
ck
Zu
g
Bild 1: Herstellung von ESG
Bild 2: Bruchbild von ESG
Gemäß DIN 18516-4 müssen ESG-Scheiben ei-nen Heißlagerungstest (Heat-Soak) durchlaufen, wenn sie als hinterlüftete Außenwandbeklei-dung eingesetzt werden.
Teilvorgespanntes Glas (TVG) entsteht durch einen ähnlichen Herstellungsprozess wie ESG: Auch hier wird die Glasscheibe auf über 600 °C erhitzt, dann aber wesentlich langsamer abge-kühlt. Dadurch entsteht im Glas eine erhöhte Wi-derstandsfähigkeit gegen thermische und me-chanische Belastung, die zwischen den Werten von Floatglas und ESG liegt. TVG ist dem Float-glas und ESG vorzuziehen, wenn die Belastbar-keit von Floatglas nicht ausreicht, aber ESG we-gen seiner Krümelstruktur im Zerstörungsfall nicht die geforderte Resttragfähigkeit bietet. Im Zerstörungsfall lösen sich keine Bruchstücke – allseitige Lagerung der Scheibe vorausgesetzt(siehe S. 18, Bild 1).
Wie beim ESG müssen auch beim TVG mecha-nische Bearbeitungen (Bohren, Ausschneiden, Kantenbearbeitung) vor dem Verfestigungs-prozess erfolgen. In der Praxis wird Teilvor-gespanntes Glas als Verbundsicherheitsglas (VSG) verarbeitet. Erst durch diese Verarbei-tung wird es zum hochwertigen Sicherheitsglas.
ESG ist schlagfest, elastisch und unempfi nd-licher gegen Temperaturwechsel als normales Floatglas.
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18 Glas und Scheibe
Verbundsicherheitsgläser (VSG) bestehen aus zwei oder mehr übereinanderliegenden Glas-scheiben, die durch zähelastische, hochreiß-feste Polyvinyl-Butyral-Folien (PVB-Folien) zu einer Einheit verbunden sind.
Beim Bruch der Glasscheibe haften die Bruch-stücke an der Folie und es können sich keine scharfkantigen Glassplitter lösen (Bild 1). Die verglaste Öffnung bleibt verschlossen und teil-weise durchsichtig. Mit Kombinationen aus mehreren Scheiben und verschieden dicken PVB-Folien (0,35 mm bzw. 0,7 mm) oder Gieß-harzen verbessern sich der Schallschutz und die Einbruchhemmung. Es kann sogar eine durch-schusshemmende Wirkung erzielt werden.
Anwendungen: Überkopfverglasungen (als in-nere Scheibe muss VSG oder Drahtglas ein-gesetzt werden), Schulen, Eingangsbereiche öffentlicher Gebäude, Sportstättenbau, Ein-bruchschutz, Schutz vor Durchschuss und Sprengwirkung, Schallschutz. VSG erlaubt eine Kombination mit anderen Gläsern wie Guss-glas, Ornamentglas, Drahtspiegelglas, Sonnen-schutzglas und Wärmeschutzglas.
Glas-scheiben
Klebe-folie
Aufbau Bruchbild
Bild 2: Aufbau und Bruchbild von VSG
Bild 1: Bruchbild von TVG
Alarm-scheibe
Verlängerung
Stecker
Außen:ESG
Leiterschleife
Innen:VSG
Abstandhalter-Rahmen
Bild 3: Alarmglas mit der Leiterschleife auf der Angriffseite (außen). Außenscheibe: ESG, Innenscheibe: VSG
Panzerglas ist Verbundsicherheitsglas mit min-destens vier Scheiben und 25 mm Dicke. Stö-rend wirkt sich bei diesem Glas die Verzerrung durch Lichtbrechung aus.
Drahtglas ist Gussglas mit einem eingewalzten Stahldrahtnetz. Bei einer Beschädigung springt zwar die Scheibe, die Scherben bleiben aber durch das Drahtnetz verbunden. Die Drahtein-lage kann im Bereich der Schnittkante zu rosten anfangen, wenn sie dem Wetter ausgesetzt wird. Rost führt durch Expansion zu Beschädigungen des Glases. Anwen dung en: Rauchschutztüren, Hallentore, Überdachungen.
Beim Alarmglas ist in der oberen Ecke einer Isolierglasscheibe eine elektrische Leiterschlei-fe eingebrannt, die mit einer Alarmanlage ver-bunden wird (Bild 3). Geht die Scheibe zu Bruch, wird die Leiterschleife unterbrochen und ein Alarm ausgelöst.
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19Glas und Scheibe
1.2.7 Angriffhemmendes GlasHerkömmliches Glas setzt in aller Regel bei verschlossenen Türen und Fenstern dem Ein-brecher den geringsten Widerstand entgegen. Deshalb erheben öffentliche Einrichtungen, die Post, Banken, Sparkassen und die Versiche-rungswirtschaft im Verband „VdS Schadenver-hütung GmbH”1 Mindestanforderungen an das Bauteil Glas.
Angriffshemmende Verglasungen werden nach ihrer Schutzwirkung in durchwurfhemmende, durchbruchhemmende, durchschusshemmendeund sprengwirkunghemmende Gläser unterteilt. Alle diese Gläser bestehen auf unterschiedlich aufgebautem Verbundsicherheitsglas (VSG).
Durchwurfhemmende Verglasungen (A-Gläser)gliedern sich in fünf Gruppen mit steigender Schutzwirkung:
Verglasungen der Gruppe P1A müssen ei-nen Aufprall einer 4,11 kg schweren Stahlku-gel (ø 100 mm, Härte: 60 bis 65 HRC) aus 1,5 m Höhe dreimal aushalten, ohne zu zerspringen.
In der Gruppe P2A beträgt die Fallhöhe 3 m, in der Gruppe P3A 6 m, in den Gruppen P4A und P5A beträgt die Fallhöhe 9 m. In derWiderstandsklasse P5A wird der Versuch drei-mal wiederholt (3 × 3 Versuche). Die DIN EN 356 legt weitere Einzelheiten zu den Versuchs-abläufen fest.
Durchbruchhemmende Verglasungen (B-Gläser): In der B-Klasse werden die Verglasungen in drei Widerstandsklassen gegen Durchbruch eingeteilt: P6B bis P8B mit steigendem Sicher-heitsgrad. Die Eignungsprüfung erfolgt mit ei-ner maschinell geführten Axt, die mit einer de-fi nierten Energie auf die Scheibe trifft (Bild 1). Dabei wird die Anzahl der Schläge ermittelt, um eine 400 mm × 400 mm große Durchbruch-öffnung zu schlagen. In der Gruppe P6B sind es 30 bis 50 Schläge, in der Gruppe P7B 51 bis 70 Schläge und für Glas aus der Gruppe P8B sind es mehr als 70 Schläge.
Der VdS hat zur Prämienfestsetzung fünfKlassen DH1 bis EH3 eingeführt.
Ausklink-mechanismus
Axt, 2 kg
Halteeinrichtung fürdie Glasprobe
Spannfeder
Scheibe1100 x 900
Angriffseite Pos. 1
1100
900
Bild 1: Prüfeinrichtung für durchbruchhemmende Verglasungen
Durchschusshemmende Verglasungen (C-Gläser) In der C-Klasse kommen Panzergläser zum Ein-satz, die eine verbesserte Einbruchhemmung aufweisen. Bei der Prüfung werden mit unter-schiedlichen Geschossen aus Pistole und Ge-wehr und verschiedenen Schussentfernungen drei Einschüsse in vorgeschriebenem Abstand platziert. Dabei darf das Geschoss die Scheibe nicht durchdringen.
Es gibt fünf Widerstandklassen C1 bis C5. Zu-sätzlich wird unterschieden in nicht split-ternde Verglasung (NS) und Verglasungen mit
„Splitterabgang” (S). Splitterfreie Verglasung wird dort eingesetzt, wo sich im Ernstfall Per-sonen unmittelbar hinter der Scheibe befi ndenkönnen.
Die DIN EN 1522 ordnet den Widerstand ge-gen Durchschuss acht Klassen zu: FB1 bis FB7 und FSG (Kaliber 12,0; Geschossmasse 31 g, Schuss entfernung 10 m).
1 Bis 1995 Verband der Sachversicherer (VdS). Es ist ein Unter-nehmen des „Gesamtverbandes der Deutschen Versiche-rungswirtschaft“.
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20 Glas und Scheibe
1.2.9 Zusammenfassung: Funktionsgläser am Bau1
Glasarten Einsatzbereich
Einfachverglasung Scheunen, Kellerfenster, unbeheizte Räume, Dachluken
Doppelverglasung(Isolierglas)
Üblich in allen beheizten Räumlichkeiten im privatenund beruflichen Bereich
Dreifachverglasung(Isolierglas)
Üblich in allen beheizten Räumlichkeiten, an die besondereWärme- und Schallschutzsanforderungen bestehen
Treppengeländer, Brüstungen, Ganzglastüren, Oberlichter,Bereiche, wo Menschen in das Glas fallen können
Treppengeländer, Brüstungen, Fahrstuhltüren und -schächte,Oberlichter, Bereiche, wo Menschen in das Glas fallen können
Wohnhäuser und Büros, die vor Einbrechern besonders geschützt werden sollen
Einscheiben-Sicherheitsglas(ESG)
Verbundsicherheitsglas(VSG)
DurchwurfhemmendesSicherheitsglas (VdS: A 1–3)
DurchbruchhemmendesSicherheitsglas (VdS: B 1–3)
Abseits gelegene exklusive Wohnhäuser, Museenund Ausstellungsräume
Sprengwirkungshemmende VerglasungenEine Verglasung ist sprengwirkunghemmend, wenn sie unter den defi nierten Prüfungsbedin-gungen einer Druckwelle von 50 bis 100 kPa (Beanspruchungsart ER1) bis zu 250 kPa (Be-anspruchungsart ER4) einen längeren Zeitraum Widerstand entgegensetzt, ohne dass eine durchgehende Öffnung entsteht.
Die Sicherheitsgläser lassen sich innerhalb der einzelnen Klassen kombinieren. Auch sind Kom-binationen mit anderen Funktionen möglich.
Beispiel:
Durchschusshemmende Isolierverglasung C4 mit Durchbruchhemmung nach P8B, zusätz-licher Schallschutz Rw,R > 45 dB und Warmglas mit einem Ug-Wert von 1,0 W/(m2 · K). Zu beach-ten ist, dass je nach Widerstandsklasse Glas- gewichte bis zu 180 kg/m2 auftreten können.
1.2.8 Selbstreinigendes GlasMit dem Ziel, die Betriebskosten für die Rei-nigung von Glasfl ächen für Fenster, Winter-gärten, Fassaden und Dachfl ächen zu senken, wurden mit Beginn der Jahrtausendwende von der Glasindustrie Gläser mit selbstreini-gender Oberfl äche entwickelt. Dabei handelt es sich um eine Titandioxid-Beschichtung, die als photo katalytische Oberfl äche wirkt.
Diese Schicht baut organische Schmutz-ablagerungen (z. B. Ruß aus Autoabgasen,Blütenstaub) aus der Umgebungsluft mit Hilfe der UV-Strahlung des Tageslichtes ab. Sie wirkt als dauerhafter Katalysator und hat hydro phile Eigenschaften. Das heißt, dass Regenwasser sich auf dieser Oberfl äche als Film ausbreitet und abläuft – ohne Wassertropfen oder Trock-nungsrückstände zu hinterlassen.
Die zeitlichen Abstände für die Reinigung der Glasoberfl ächen durch Reinigungspersonal werden dadurch deutlich vergrößert und damit die laufenden Betriebskosten verringert.
Die photokatalytische Oberfl äche darf nicht mit Silikon in Verbindung gebracht werden. Kratzer bildungen durch z. B. Transport und Montage sind unbedingt zu vermeiden. Bei der Montage ist darauf zu achten, dass die photo-katalytische Oberfl äche nach außen zeigt.
Diese Glasfl ächen sind nicht für den Innen-bereich geeignet, da hier die UV-Strahlung im Gebäudeinneren zu gering ist, um den photo-katalytischen Effekt zu erzielen. Hier kommen hydrophobe Beschichtungen auf der Basisfl uorierender Silane zum Einsatz, die die fl ä-chige Ausbreitung des Wassers auf der Glas-oberfl äche verhindert und die Tröpfchen-bildung fördert (Lotus-Effekt). Dadurch wird das Abfl ießen des Wassers auf der Glasober-fl äche und damit die Selbstreinigung gefördert.
1 Aus M&T Metallhandwerk und Technik 3/2001 S. 17
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