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Page 1: Causes of secondary glaucoma in Paraguay

Andrea Strohl1 · Sara Pozzi2 · Raquel Wattiez2 · Bernhard Roesen1 ·Herminia MinÄo de Kaspar1 · Volker Klauû1

1 Augenklinik der Universität München2 Ophthalmologische Abteilung, Universitätskrankenhaus Asunción, Paraguay

Das Sekundärglaukomin ParaguayUrsachen und ihre Häufigkeitsverteilung*

Zusammenfassung

Hintergrund: In Entwicklungsländern ist dasSekundärglaukom eine häufigere Erblin-dungsursache als in Industrienationen. Ins-besondere zählen Trauma, Katarakt und dieinfektionsbedingte Uveitis zu den Risikofak-toren. Bisher liegen wenig Daten über Ursa-chen und Verlauf sowie Therapieansätze vor.Patienten und Methode: In Paraguay wur-den die Ursachen des Sekundärglaukomsuntersucht, mit dem Ziel, eine Basis für prä-ventive sowie therapeutische Maûnahmenzu schaffen. Bei den Patienten mit Sekun-därglaukom wurde eine Anamnese und eineklinische Untersuchung durchgeführt.Ergebnisse: 8 verschiedene Sekundärglau-komformen konnten diagnostiziert werden,wobei sich 3 Hauptursachen herauskristalli-sierten: das Pseudoexfoliationsglaukom, dasposttraumatische Glaukom und das Neo-vaskularisationsglaukom.Schluûfolgerung: Anhand dieser Ergebnissewerden die Risikogruppen und zugrundlie-genden Erkrankungen des Sekundärglau-koms in Paraguay aufgezeigt und stellen eineOrientierung für die Entwicklung und denfrühzeitigen Einsatz von Präventivprogram-men dar.

Schlüsselwörter

Sekundärglaukom · Ursachen · Blindheit ·Prävention · Paraguay

Weltweit sind etwa 180 MillionenMenschen in ihrer Sehfähigkeit beein-trächtigt, bereits 38 Millionen davon ha-ben ihr Augenlicht ganz verloren. Nachwie vor ist das Glaukom mit 5,2 Millio-nen Erblindeten nach der Katarakt mit16 Millionen und dem Trachom mit 6Millionen eine der häufigsten Erblin-dungsursachen in der Welt [20].

Einem WHO-Bericht folgend be-steht bei mehr als 100 Millionen Men-schen ein Glaukomverdacht, mehr als20 Millionen sind bereits manifest amGlaukom erkrankt. Eine Hochrechnungfür das Jahr 2000 ergibt eine Anzahlvon 66,8 Millionen Erkrankten, darun-ter 6,7 Millionen, die beidseits erblindetsind [18]. Man geht davon aus, daû un-gefähr 80 % der Erkrankten in Entwick-lungsländern zu finden sind [20].

Das Glaukom verursacht durch einepathologische intraokulare Druckerhö-hung als ein wesentlicher Risikofaktoreine Schädigung des Sehnerven, die zueinem irreversiblen Sehverlust führenkann [4]. Die Erfolge von Augenopera-tionen und medikamentöser Therapiesind prognostisch längst nicht so viel-versprechend für den Patienten wie Ka-taraktoperationen, die durch die Wie-derherstellung der Sehkraft eine Steige-rung der Lebensqualität bedeuten. Auf-klärung, Prävention und frühzeitigesEinsetzen von medizinischen Maûnah-men zur Vermeidung der Krankheitsind so unabdingbar [12].

Die Früherkennung des Glaukomsist schwierig, da die Patienten langeZeit keine Sehbehinderung verspürenund sich ihrer Augenerkrankung gar

nicht bewuût sind. Ein Gesichtsfeldver-lust zeigt sich meist erst, wenn ca. 50 %oder mehr ihres Sehnerven zerstört ist,Symptome, wenn 80±90 % irreversibelgeschädigt sind [16]. Daraus ergibt sichdie erschreckende Anzahl von mehr als50 % aller an primärem Offenwinkel-glaukom Erkrankter, die nicht medizi-nisch behandelt werden, wobei die ZahlNichtbehandelter in Entwicklungslän-dern noch höher liegt [9].

Ziel zahlreicher Gesundheitspro-gramme ist es, ein geeignetes Screen-ing-Programm zu entwickeln insbeson-dere für Entwicklungsländer, die nichtüber die kontinuierliche medizinischeBetreuung verfügen wie die Industrie-staaten, um eine frühzeitige Diagnosezu sichern und eine effektive Therapieeinzuleiten. Einfache und sensitive Me-thoden zum Gesichtsfeldscreening unddie Augendruckuntersuchung sindSchwerpunkte dieser Bemühungen.

Trotz mittlerweile weiterer Er-kenntnisse in der Pathogenese, die nichtmehr nur einen gegenüber den Refe-renzwerten erhöhten intraokularenDruck sondern auch vaskuläre und ge-netische sowie ethnologische Faktorenfür die Entstehung der Krankheit ver-antwortlich machen, ist nach wie vordie Augendrucksenkung auf individuell

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Ophthalmologe1999 ´ 96: 359±363 � Springer-Verlag 1999 Glaukom: Übersicht

* Vortrag gehalten auf der 96. Tagung derDeutschen Ophthalmologischen Gesellschaft

A. StrohlUniversitäts-Augenklinik, Mathildenstraûe 8,D-80 336 München

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unterschiedliche Werte das Ziel, um dasRisiko der fortschreitenden Sehnerven-schädigung zu mindern [16].

Die Sekundärglaukome entstehendurch eine primär nichtglaukomatöseAugenerkrankung oder systemische Er-krankung. Sie machen einen Anteil von3,2±22 % an allen Glaukomen aus [10,19]. Zu den Sekundärglaukomen gehö-ren z. B. das Neovaskularisationsglau-kom, das in Folge einer proliferativenRetinopathia diabetica entstehen kannund das posttraumatische Glaukomnach stumpfen oder perforierenden Au-genverletzungen. Eine weitere Ursache,die sich gehäuft in Entwicklungslän-dern findet, ist eine unbehandelte, fort-geschrittene Katarakt. Die Ursachendes Sekundärglaukoms in Entwick-lungsländern unterscheiden sich vondenen in Industrienationen [5].

Durch das Erkennen der zugrunde-liegenden Erkrankung ist die Pathoge-nese jedoch deutlich besser zu fassenals die der Primärglaukome und liefertwichtige Ansatzpunkte für Therapieund Prävention. Mit dem Wissen umseine Entstehung ist die Möglichkeit ge-geben, nicht nur wie bei den Primär-glaukomen symptomatisch, sondernauch zusätzlich kausal zu therapieren.

In Paraguay steht das Glaukomnach Angaben der WHO an zweiter Stel-le der Erblindungsursachen. Die Unter-suchung der Ursachen des Sekundär-glaukoms sind Ziel dieser Studie in Pa-raguay, um durch die Darstellung derRisikogruppen und Risikofaktoren denAusbau von Präventionsmöglichkeitenzur Vermeidung der Erblindung durchdas Glaukom voranzutreiben.

Patienten und Methode

Diese Studie wurde im Zeitraum vomNovember 1996 bis Februar 1997 inAsunción (Paraguay) am Universitäts-klinikum Hospital-de-Clinicas mit lo-kalen Ophthalmologen durchgeführt.

Untersucht wurden alle Primär-und Sekundärglaukompatienten, diesich in der Ambulanz der Augenabtei-lung des Hospital-de-Clinicas vorstell-ten. In die Gruppe der Sekundärglauko-me wurden alle Patienten (n = 61) auf-genommen, bei denen ein sekundärbedingtes Glaukom diagnostiziertwurde. Als Einschluûkriterium gehör-te dazu ein erhöhter Augeninnen-druck ³ 22 mmHg, vorläufig zweitran-

gig waren der Befund der Papille sowiedes Gesichtsfeldes [13]. Zur genauerenDarstellung der Pathogenese wurden in-nerhalb der Gruppe der Sekundärglau-kome Untergruppen nach Diagnose derverschiedenen Subtypen gebildet.

Anhand der Patientenzahlen mitPrimärglaukom (n = 232) des gleichenUntersuchungszeitraumes und derSekundärglaukompatienten (n = 61)konnte ein Verhältnis der Primär- zuSekundärglaukompatienten erarbeitetwerden.

Neben der Anamnese wurden diePatienten klinisch untersucht. Dazu ge-hörte die Visusprüfung, die applana-tionstonometrische Messung des intra-okularen Drucks, die Biomikroskopieund die Gonioskopie. Der Papillenbe-fund wurde mittels direkter oder indi-rekter Ophthalmoskopie erhoben. Lagein ausreichend guter Visus vor, wurdeeine Perimetrie nach Goldmann durch-geführt.

Ein Erhebungsbogen erfaûte dieAnamnese, einschlieûlich der Angabenzu ophthalmologischen sowie systemi-schen Vorerkrankungen und vorange-gangenen Therapien. Ebenfalls wurdendie Ergebnisse der klinischen Untersu-chung und die personenbezogenen Da-ten ± Alter, Geschlecht ± notiert. Nachden Untersuchungsergebnissen konn-ten die Sekundärglaukome klassifiziertund nach ihrer ¾tiologie zugeordnetwerden.

Ergebnisse

Von 293 Partienten waren 232 Primär-glaukompatienten und 61 Sekundär-glaukompatienten.

Unter den Sekundärglaukompati-enten befanden sich 39 (64 %) Männerund 22 (36 %) Frauen. Das Durch-schnittsalter lag bei 56 Jahren. Der jüng-ste Patient war 3 Jahre, der ¾lteste88 Jahre alt. Es zeigten sich je nach ¾tio-logie des Sekundärglaukoms Unter-schiede in der Alters- und Geschlechts-verteilung, die in der Tabelle 1 darge-stellt sind. Insgesamt wurden 73 aneinem Sekundärglaukom erkrankte Au-gen diagnostiziert, 12 Patienten warenbeidseitig und 49 Patienten einseitig be-troffen.

Tabelle 2 zeigt die ¾tiologie undHäufigkeitsverteilung der beobachtetenSekundärglaukome. Innerhalb der ein-zelnen Sekundärglaukomformen wur-

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A. Strohl · S. Pozzi · R. Wattiez · B. Roesen ·H. Miæo de Kaspar · V. Klauû

Causes of secondary glaucomain Paraguay

Summary

Glaucoma is the third-most-frequent causeof blindness in the world, with a total of5.2 million blind people as a result of thisdisease; 80 % live in developing countries. InParaguay, after cataract it is the second-most-frequent-cause. Early detection of therisk factors and groups can help to avoidprogress of this disease. Trauma, cataractand infectious uveitis represent special risksfor developing secondary glaucoma, which isa more frequent cause of blindness in third-world countries than in industrialized na-tions. Until now there has been little dataregarding the causes, disease course, andoptions for therapy. Therefore, secondaryglaucoma was examined in Paraguay to ob-tain information on the situation in LatinAmerica. The aim of the study was to explorethe causes of secondary glaucoma for pro-grams concerning prevention and therapy.From November 1996 to February 1997 pa-tients with secondary glaucoma were exam-ined at the University Hospital of Asunción,Paraguay. After the clinical examination thesecondary glaucomas were classified. Pa-tients with primary glaucoma were includedin the same period of time as well in order toget the rate of secondary glaucoma. Alto-gether 293 patients were examined: 61 withsecondary and 232 with primary glaucoma.The causes of secondary glaucoma in 73 eyeswere: 20 (27 %) with pseudoexfoliationglaucoma, 19 (26 %) with post-traumaticglaucoma, 16 (22 %) with neovascular glau-coma, 4 (5 %) with lens-related glaucoma, 3(4 %) with glaucoma associated with ocularsurgery, 2 (3 %) with pigmentary and 2 (3 %)with corticoid-induced glaucoma. A ratio of4:1 primary glaucomas to secondary glauco-mas was found. The development of specialmeasures for prevention and early therapy isonly possible if the causes of this severe dis-ease are explored. The results of this studyrepresent basic information and could helpto introduce of prevention programs.

Key words

Secondary glaucoma · Causes · Blindness ·Prevention · Paraguay

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den teilweise Untergruppen gebildet,um die Pathogenese deutlicher heraus-zuarbeiten.

Unterteilt man die Gruppe der Se-kundärglaukome zunächst in die Glau-kome mit okulären und solche mit sy-stemischen Ursachen, so findet manhier eine Verteilung von 64 (88 %) be-troffenen Augen mit okulärer und 9(12 %) mit systemischer Ursache, dieausschlieûlich zu der Gruppe desNeovaskularisationsglaukoms gehören.

Das Pseudoexfoliationsglaukomwar mit 20 (27 %) erkrankten Augen diehäufigste Form des Sekundärglaukoms,das im Rahmen der Studie diagnosti-ziert wurde. Mit 19 (26 %) Augenschlieût sich das posttraumatischeGlaukom an. Hier wurde zunächst diffe-renziert zwischen perforierenden undstumpfen Traumata: es lagen 2 perforie-rende und 17 stumpfe Traumata vor. Ins-besondere führten Trauma-bedingteLinsenverletzungen zu einer pathologi-schen Drucksteigerung des Auges.Dritthäufigstes Sekundärglaukom wardas Neovaskularisationsglaukom mit 16(22 %) Augen. Retinale Gefäûverschlüs-se, Diabetes mellitus und ein arteriellerHypertonus stellten vor allem Risiko-faktoren dar.

Das linseninduzierte Glaukom fandsich bei 7 Patienten jeweils einseitig,entsprechend 10 % der Fälle. Unter-schieden wurde zwischen phakomor-phen oder phakolytischen Glaukomenund einem Sekundärglaukom nach Lin-sendislokationen. Vier Patienten warenvon einem phakomorphen und eine Pa-tientin von einem phakolytischemGlaukom betroffen. Eine Linsendisloka-tion lag bei 2 Patienten vor.

Weitere Sekundärglaukomformenwaren das entzündlich bedingte Glau-kom (n = 4), das postoperative Glau-kom (n = 3), das Steroidglaukom(n = 2) und das Pigmentglaukom

(n = 2). Zusammenfassend läût sichfeststellen, daû in Paraguay das Pseudo-exfoliationssyndrom, okuläre Traumataund Neovaskularisationen die 3 Haupt-ursachen des Sekundärglaukoms waren.

Bei 50 (69 %) betroffenen Augenwurde ein Visus von £ 0,05 festgestellt.Nach der Definition der WHO für Blind-heit sind diese Augen als erblindet zubetrachten. Da bei 38 (52 %) Augen eineBeurteilung der hinteren Augenab-schnitte durch getrübte Medien nichtmöglich war, läût sich nicht mit Be-stimmtheit sagen, daû diese Patientenin Folge einer Papillenläsion durch dasSekundärglaukom erblindet waren. Bei9 erkrankten Augen zeigte sich aller-dings neben Visuswerten £ 0,05 einePapillenexkavation von ³ 0,9. In diesen12 % kann man davon ausgehen, daûdas Sekundärglaukom und seine Folge-schäden zu der Sehminderung geführthaben. Es ist anzunehmen, daû der An-

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Tabelle 1Geschlechts- und Altersverteilung innerhalb der Sekundärglaukomgruppen

Sekundärglaukomgruppe Frauen : Männer[n ]

Durchschnittsalter[Jahre]

Pseudoexfoliationsglaukom 1 : 10 73Posttraumatisches Glaukom 3 : 16 37Neovaskularisationsglaukom 9 : 6 68Linseninduziertes Glaukom 6 : 1 57Entzündlich bedingtes Glaukom 3 : 1 43Postoperatives Glaukom 0 : 3 78Steroidglaukom 0 : 1 39Pigmentglaukom 0 : 1 77

Gesamt 22 : 39 56

Tabelle 2Ursachen und Häufigkeitsverteilung der Sekundärglaukome

¾tiologie Anzahl [n ]

Pseudoexfoliationssyndrom 20 (27 %)

Posttraumatisch 19 (26 %)perforierendes Trauma 2stumpfes Trauma 17Kammerwinkeltrauma 3Linsenbedingt 10Linsen- und Kammerwinkeltrauma 1Hyphäma 4posttraumatische Entzündung 1

Neovaskularisation 16 (22 %)Diabetes mellitus 4arterielle Hypertonie 1Diabetes mellitus und arterielle Hypertonie 2retinaler Gefäûverschluû 7arterielle Hypertonie und Gefäûverschluû 2

Lentogen 7 (10 %)phakomorphes Glaukom 4phakolytisches Glaukom 1Linsendislokation 2

Entzündlich bedingt 4 (5 %)

Postoperativ 3 (4 %)

Steroidinduziert 2 (3 %)

Pigmentdispersion 2 (3 %)

Gesamtanzahl der erkrankten Augen 73 (100 %)

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teil an Sekundärglaukom-bedingter Er-blindung bei weitem höher liegt.

Diskussion

Die Ergebnisse zeigen durch die Unter-suchung der zugrundeliegenden Er-krankung Risikofaktoren des Sekundär-glaukoms auf. Durch die unterschiedli-che Alters- und Geschlechtsverteilunginnerhalb der einzelnen Sekundärglau-komformen ergeben sich weitere An-haltspunkte zu den Risikogruppen.

Pseudoexfoliationsglaukom

Das Alter der Patienten mit Pseudoexfo-liationsglaukom lag durchschnittlichbei 73 Jahren und ist vergleichbar mitAngaben in der Literatur, die neben zuerwähnenden ethnologischen Unter-schieden vor allem das Alter als wichti-gen, prädisponierenden Faktor disku-tieren [6]. Studien zeigten, daû die Prä-valenz des Pseudoexfoliationsglaukomsvon 0,6 % bei einem Patientenkollektivder Altersgruppe von 52 bis 64 Jahrenauf 5 % bei den 75- bis 85 jährigen steigt[3]. Hinsichtlich der ethnologischen Un-terschiede konnte man feststellen, daûdie paraguayische Bevölkerung, mit ei-nem Anteil des Pseudoexfoliationsglau-koms in dieser Untersuchung von 27 %an allen Sekundärglaukomformen, stär-ker betroffen ist als z. B. eine Populationaus Deutschland (14 %) und Kenia (2 %)[14]. Eine erhöhte Prävalenz findet sichebenso in den skandinavischen Ländernund Südafrika [7, 8, 11, 17].

Posttraumatisches Glaukom

Eine Differenzierung des posttraumati-schen Glaukoms in stumpfe und perfo-rierende Traumata ergab erwartungsge-mäû eine Verteilung von 90 % zu 10 %.Gleiches gilt für die Geschlechtsvertei-lung. Es waren 16 Männer und 3 Frauenbetroffen. Das Alter der Patienten lagmit einem Durchschnitt von 37 Jahrendeutlich niedriger als bei den Patientenmit Pseudoexfoliationsglaukom. Beiden Unfällen handelte es sich zum gröû-ten Teil um Arbeitsunfälle im landwirt-schaftlichen Bereich und um Freizeitun-fälle und betraf daher entsprechend jün-gere, männliche Patienten. In bezug aufdie Alters- und Geschlechtsverteilungsowie die Ursachen sind die Ergebnissemit einer durchgeführten Studie zu

dem posttraumatischen Glaukom ver-gleichbar [15]. Dort wurde ebenfalls be-schrieben, daû sowohl bei den stumpfenals auch perforierenden Traumata dieLinsenverletzung in Form einer sekun-dären Katatrakt oder Dislokation dieHauptursache für das Sekundärglau-kom war. Die Verletzung des Kammer-winkels stand an zweiter Stelle. Das pro-zentuale Verhältnis der stumpfen zu denperforierenden Traumata lag dort bei73 % zu 27 % und ist annähernd wie inder vorliegenden Studie.

Neovaskularisaitonsglaukom

Das Neovaskularisationsglaukom bildetbei dieser Untersuchung die drittgröûteGruppe der Sekundärglaukome. EineStudie, die die Ursachen des Sekundär-glaukoms in Nairobi und München ver-glich, zeigte, daû in München eindeutigdas Neovaskularisationsglaukom dieHauptursache war, hingegen das Neo-vaskularisationsglaukom in Nairobinur in 10 % der Fälle feststellbar warund dort das posttraumatische Glau-kom mit einem Anteil von 40 % an ersterStelle lag [14]. Auffallend im Vergleichdazu ist, daû in Paraguay zwar wie inNairobi das posttraumatische Glaukommit 26 % eine der Hauptursachen dar-stellte, aber das Neovaskularisations-glaukom, als häufigste Ursache des Se-kundärglaukoms in Industrienationennur unwesentlich geringer ± in 22 % derFälle ± vertreten war. Innerhalb dieserStudie waren unter den insgesamt 15 Pa-tienten 9 Frauen und 6 Männer mit ei-nem Durchschnittsalter von 68 Jahren.Ein retinaler Gefäûverschluû war diehäufigste Ursache. Vergleichbar mit be-reits erwähnten Literaturangaben ist anzweithäufigster Stelle der zugrundelie-genden Erkrankungen die diabetischeRetinopathie zu nennen.

Linseninduziertes Glaukom

Das linseninduzierte Glaukom machtemit 7 erkrankten Augen einen Anteilvon 10 % aus. Das Durchschnittsalterder Patienten betrug 57 Jahre. Dasphakomorphe Sekundärglaukom warin allen 5 Fällen Folgeschaden einer lan-ge vorbestehenden, beidseitigen Kata-rakt. Dementsprechend lag bei diesenPatienten das Durchschnittsalter bei71 Jahren und ist ähnlich verteilt wiebei den Patienten mit Pseudoexfolia-

tions-, Neovaskularisationsglaukomund postoperativem Glaukom.

Die spontane Linsendislokation alsweitere Ursache des linseninduziertenSekundärglaukoms fand sich bei einem39 jährigen Mann und einem vierjähri-gen Mädchen. Schlieût man diese beidenPatienten in die Berechnung des Durch-schnittsalters ein, errechnet sich dasobengenannte Alter von 57 Jahren. Beidem 39 jährigen Patienten konnte keineheriditäre Erkrankung oder ein trauma-tisches Ereignis als Ursache für die Dis-lokation festgestellt werden. Hingegennahm man bei der Vierjährigen ein be-kanntes Marfansyndrom als Prädisposi-tionan. Eine spontane Dislokation ist ty-pisch für diese Erkrankung [13]. Die Ka-tarakt ist eine der häufigsten Augener-krankungen in Paraguay und mit 60 %die Erblindungsursache Nummer eins.Die groûe Bedeutung der Katarakt zeigt,daû das Sekundärglaukom als eine mög-liche Komplikation bzw. Folgeerkran-kung nicht zu vernachlässigen ist.

Augenärztliche Versorgungin Paraguay

Nach Information der Christoffel-Blin-denmission gibt es in Paraguay 120 Au-genärzte, die zu 90 % in Asunción prak-tizieren. In den gröûten ProvinzstädtenEncarnación sind 4, in Ciudad del Este3 und Villarica 2 Augenärzte vertreten.Auf die 5 Millionen Einwohner Para-guays kommen 120 Augenärzte, das ent-spricht einem Augenarzt pro 41.666 Ein-wohner [1]. In Deutschland gibt es 6.119Augenärzte, mithin ein Augenarzt pro13.379 Einwohner, das sind etwa dreimalso viele Augenärzte pro Einwohner [2].Paraguay und andere Länder mit ver-gleichbarer Situation zeigen immer wie-der, daû letztlich eine bessere medizini-sche Versorgung stark von der politi-schen und wirtschaftlichen Lage des je-weiligen Landes abhängt. Speziell dieVersorgung von Augenerkrankungen inParaguay ist sehr notdürftig ± bedingtdurch die geringe Anzahl von Augen-ärzten und Krankenhäusern mit oph-thalmologischen Abteilungen sowie de-ren Konzentration in Asunción. VielePatienten hatten lange Tagesreisen teil-weise von bis zu 10 Stunden mit öffentli-chen Verkehrsmitteln hinter sich, umeine augenärztliche Versorgung zubekommen. Diese zeitlichen und finan-ziellen Faktoren spielten in der Ent-

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scheidung, wie und vor allem wann ei-nen Augenarzt aufgesucht wurde, einegroûe Rolle.

Ansätze für eine primäre Präventionim Vorfeldder Sekundärglaukomenstehung

In dieser Studie erwiesen sich okuläreTraumata als eine der Hauptursachenfür ein Sekundärglaukom. Es zeigtesich, daû Arbeitsunfälle im ländlichenBereich gehäuft auftraten. Die Förde-rung von Schutzvorkehrungen am Ar-beitsplatz sind sicherlich ein konkreterAnsatzpunkt für eine Primärpräventi-on. Ferner konnte in vorliegender Stu-die gesehen werden, daû weitere Augen-erkrankungen, vor allem die Retinopa-thia diabetica, vaskuläre Schädigungendurch systemische Erkrankungen unddie Katarakt, schwerwiegende Risiko-faktoren darstellen. Eine primäre Prä-vention gilt hier letztlich den zugrunde-liegenden Erkrankungen.

Wichtiger und entscheidender fürdie Vermeidung des Sekundärglaukomserscheint die sekundäre Prävention:eine frühzeitige Diagnose und Therapie.Mit dem Wissen über die hauptsächlichverursachenden Erkrankungen ist einbewuûter Umgang mit der Grunder-krankung im Hinblick auf eine Glau-komentstehung möglich. Das heiût z. B.im Falle der Diabetiker oder Katarakt-patienten: eine regelmäûige Augenun-tersuchung, um rechtzeitig glaukoma-töse Veränderungen zu diagnostizieren.Gleiches gilt für Patienten nach Augen-entzündungen und Augenoperationen.

Bezüglich der Pseudoexfoliations-und Pigmentglaukome ist es wiederumvon Bedeutung, die Risikogruppen ± be-stimmte Altersgruppen oder ethnolo-gisch prädisponierte Gruppen ± beson-ders zu beachten und durch engmaschi-ge Kontrollen ausreichend präventiv tä-tig zu sein. Ein wichtiger Punkt ist dieAufklärung des Patienten über seine Er-krankung, seinen akuten Befund unddie daraus möglicherweise resultieren-den Folgeerkrankungen, die wie im Fal-le eines unbehandelten Sekundärglau-koms, zu irreversiblen Schäden bis hinzur Erblindung führen können. Ziel ei-ner intensiven Betreuung durch den Au-genarzt ist es, dem Patienten die Bedeu-tung einer regelmäûigen Kontrollunter-suchung und Therapie klarzumachen.

Viele Patienten zögerten selbst inakuten Fällen, wie zum Beispiel demposttraumatischen Glaukom lange, bissie einen Augenarzt aufsuchten. ¾hnli-ches Verhalten konnte man auch beiden anderen Patientengruppen beob-achten. Kataraktpatienten, Patientenmit Neovaskularisationsglaukom oderPseudoexfoliationsglaukom wiesenschwerwiegende, fortgeschrittene Be-funde auf, die zeigten, daû sie erst spätoder sogar zu spät ein Augenarzt kon-sultiert hatten. Daraus wird deutlich,wie wichtig es ist, bei der Bevölkerungein Krankheitsbewuûtsein zu schaffen,das sie sofort nach dem Auftreten ersterSymptome zu einem frühzeitigem Arzt-besuch veranlaût, um das Fortschreitender Erkrankung aufzuhalten und eineErblindung zu vermeiden.

Fazit für die Praxis

Nach der Katarakt und dem Trachom stehtdas Glaukom an dritter Stelle in der Häufig-keit der Erblindungsursachen in der Welt. Bei3,2 bis 22 % handelt es sich um ein Sekun-därglaukom, Hauptursachen hierfür stellendas posttraumatische, das Pseudoexfolia-tions- und das Neovaskularisationsglaukomdar. Häufig bleiben die Patienten sehr langeunerkannt und unbehandelt, präventiveMaûnahmen sind daher dringend erforder-lich. Ein längerfristiger Ansatz zur Präventionist in jedem Fall der landesweite Ausbau ei-ner augenärztlichen Versorung, um denMenschen schnellen Zugang zu einer ad-äquaten Betreuung und Behandlung zu er-möglichen. Ein erster Schritt dahingehendwäre zum Beispiel die Ausbildung paramedi-zinischen Personals der peripheren Kranken-stationen, Augendruckmessungen bei Risi-kopatienten und bereits bekannten Glau-kompatienten vorzunehmen und somit eineArt Screening-Programm durchzuführen.Sinnvoll ist diese Initiative vor allem in denländlichen, medizinsch unterversorgten Be-zirken. Eine Sensibilisierung für die Bedeu-tung der Glaukomerkrankung ± sowohl derPrimär- als auch Sekundärglaukome ± vonSeiten des medizinischen Personals und derPatienten ist absolute Grundvoraussetzungaller präventiven und therapeutischen Maû-nahmen.

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