Einführung und Evaluation
Dipl.-Psych. Mareike Wickop (Prof. Dr. Alex Bertrams, Universität Mannheim)
“Schulfach Glück”
Agenda
1. Einführung 2. Die Positive Psychologie 3. Das Schulfach Glück
Allgemeines Ziele Inhalte
4. Forschungsarbeiten Erste Evaluationsergebnisse Thema „Zusammenhang zu Schulleistungen“
5. Wichtige Links und praktische Hinweise 6. Diskussion
Gliederung
Einführung
„Wenn man Eltern fragt, was sie sich für ihr Kind am meisten wünschen, lautet die Antwort in aller Regel: ‚Wir wünschen uns nichts sehnlicher, als dass unser Kind glücklich wird‘“
(Fritz-Schubert, 2010, S. 7)
- Streben nach Glück - Großes Interesse daran in den Medien, der populärwissenschaftlichen
Literatur und der Forschung: Erforschung des subjektiven Wohlbefindens: Positive Psychologie
Einführung
Die Positive Psychologie
Schwerpunktverlegung im Vergleich zur „traditionellen Psychologie“ 1998 Martin Seligman bei seiner Antrittsrede als Präsident der American
Psychological Association
Was macht unser Leben lebenswert? Was verbirgt sich hinter dem Begriff „Glück“ und wie lässt es sich positiv
beeinflussen?
Positive Psychologie
Prof. Martin Seligman
Die Positive Psychologie
Wir können ca. 40% unseres Glücksempfindens durch bewusste Handlungen und Gedanken beeinflussen
Vor diesem Hintergrund ist die Einführung des Schulfachs Glück erfolgversprechend
Positive Psychologie
Lyubomirski, Sheldon & Schkade (2005)
Das Set Point Model
Das Schulfach Glück
„Entgegengesetzt“ zum Streben nach Glück: Steigende Anforderungen in der Schule Gewachsene Bildungsaspirationen „PISA-Schock“
Glücksmomente werden in der Schule selten
2007 erstmals Einführung des Schulfachs Glück an der Willy-Hellpach Schule in Heidelberg durch Ernst-Fritz-Schubert
Mittlerweile bieten mehrere Schulen in verschiedenen Bundesländern sowie in Österreich das Schulfach Glück an (Liste mit Referenzschulen auf der Website des Fritz-Schubert-Instituts)
Einführung
Ziele des Schulfachs Glück
1. Übergeordnetes Ziel: Förderung des subjektiven Wohlbefindens der SchülerInnen „die Unterstützung des einzelnen und der Gemeinschaft beim Streben nach
Glück“ (Fritz-Schubert, 2009, S.49)
2. Positive Einflüsse auf die Selbstwirksamkeitserwartung 3. Positive Einflüsse auf Optimismus 4. Positive Einflüsse auf die wahrgenommene soziale Integration im
Klassenverband
Ziele des Schulfachs Glück
Steigerung des subjektiven Wohlbefindens
Begriffsdefinition: Drei Komponenten (Diener, Suh, Lucas & Smith, 1999):
Positiver Affekt Negativer Affekt Lebenszufriedenheit
Forschungsgebiet der Positiven Psychologie Martin Seligman und Sonja Lyubomirski
„Set Point Model“ (Lyubomirski, Sheldon, Schkade, 2005) Weist auf die „Erlernbarkeit“ des subjektiven Wohlbefindens hin
Inhalte des Schulfachs Glück
Steigerung des subjektiven Wohlbefindens
Strategien zur Steigerung des subjektiven Wohlbefindens, die auch im Schulfach Glück umgesetzt werden:
Dankbarkeit üben Optimismus und positives Denken Flow & Signaturstärken Ziele setzten und verfolgen Hilfsbereitschaft und Mitgefühl Bewegung und Körperbewusstsein
Berger, Silver & Stein (2009): Kinder, die über einen Zeitraum von 12 Wochen wöchentlich an einer Yoga-Stunde teilnahmen, berichten über Verbesserungen im subjektiven Wohlbefinden und mehr Ausgeglichenheit als die Kontrollgruppe
Praxisbeispiel: Zielsetzung
Inhalte des Schulfachs Glück
Verbesserung der sozialen Integration
Begriffsdefinition „Ausmaß des Gefühls der Akzeptanz, des Angenommenseins durch die Mitschüler
und Mitschülerinnen als vollwertiges Gruppenmitglied“ (Rauer & Schuck, 2003, S. 10)
Bedeutung sozialer Zugehörigkeit und der Beziehungen zu Gleichaltrigen Need to belong (Baumeister & Leary, 1995) Entwicklung der Kinder
Förderung sozialer Integration Erwerb sozialer Kompetenz Bearbeiten von Gruppenaufgaben Gemeinsame Erlebnisse Gegenseitige Wertschätzung
Inhalte des Schulfachs Glück
Verbesserung der sozialen Integration
Bearbeiten von Gruppenaufgaben Studien zu Auswirkungen von Kooperativem Lernen, jig-saw-classroom
Gemeinsame Erlebnisse Moch (2002): Studie mit Schülern, die an einem einwöchigen Segelausflug
teilnehmen positive Veränderungen in den Einschätzungen des Gruppenzusammenhalts
Praxisbeispiel Komplimente-machen „Warme Dusche“
Inhalte des Schulfachs Glück
Steigerung der Selbstwirksamkeit
Definition und Konstruktbeschreibung Nach Bandura (1977a) bezeichnet Selbstwirksamkeit die Überzeugung von
Personen, dass sie in der Lage sind, bestimmte Handlungen zu organisieren und auszuführen, um angestrebte Ziele erreichen zu können.
Konstrukt in die sozial-kognitive Lerntheorie integriert (Bandura, 1977a, 1977b, 1986)
Quellen von Selbstwirksamkeit Bewältigungserfahrungen (performance accomplishments) Stellvertretende Erfahrungen (vicarious experience) Rückmeldungen durch Dritte (verbal persuasion) Physiologische und affektive Zustände (physiological and affective states)
Inhalte des Schulfachs Glück
Beeinflussung des Optimismus
Naheliegend, dass das Schulfach Glück diese Variable beeinflussen könnte
Positives Denken in Bezug auf die Zukunft Beispiel: Annäherungsziele, damit verbundene positive Emotionen
Inhalte des Schulfachs Glück
Evaluationsstudie Bertrams, A., Wickop, M., Einspannier, M. (2012)
Hypothesen
1. Die Gruppe der Schüler, die am Schulfach Glück teilgenommen haben (Treatmentgruppe), weist bei Konstanthaltung der jeweiligen Ausgangswerte höhere subjektives Wohlbefinden (bzw. höhere soziale Integration im Klassenverband, höhere Selbstwirksamkeit, höheren Optimismus) auf als die Gruppe der Schüler, die nicht am Schulfach Glück teilgenommen haben (Kontrollgruppe).
2. Die Persönlichkeitsdimension emotionale Stabilität moderiert die in der Hypothese 1 postulierten Effekte.
Das heißt, wir nehmen an, dass der Effekt der quasiexperimentellen Gruppe (Treatmentgruppe vs. Kontrollgruppe) auf das subjektive Wohlbefinden (bzw. die soziale Integration, die Selbstwirksamkeit, den Optimismus) unterschiedlich ausfällt in Abhängigkeit von der Persönlichkeitsdimension emotionale Stabilität.
Evaluationsstudie
Evaluationsstudie
Moderation durch „emotionale Stabilität“
Personen mit niedriger emotionaler Stabilität neigen eher dazu
Negativen Affekt und Stress zu erleben Weisen im Schnitt ein niedrigeres subjektives Wohlbefinden auf Haben eine niedrigere Selbstwirksamkeit Geringeren Optimismus Und ungünstiger ausgeprägte interpersonelle Kompetenzen (und damit vermutlich
eine geringer soziale Integration)
…im Vergleich zu Personen mit höherer emotionaler Stabilität
Evaluationsstudie
Evaluationsstudie Bertrams, A., Wickop, M., Einspannier, M. (2012)
106 Berufsschüler (Baden-Württemberg), 2 Berufsschulen 63% weiblich, 37% männlich; Altersspanne: 15-22 Unterschiedliche Klassen Erhebung mittels Fragebögen
Evaluationsstudie
T1 Baselinemessung
T2 Post-Test
Beginn des Schuljahres 2010/11
Treatmentgruppe: Unterricht im Schulfach Glück Kontrollgruppe: kein Unterricht im Schulfach Glück
Ende des Schuljahres 2010/11
Erfassung der emotionalen Stabilität
Ergebnisse
Der Unterricht im Schulfach Glück scheint sich günstig auf das subjektive Wohlbefinden und die wahrgenommene soziale Integration im Klassenverband auszuwirken Und zwar umso deutlicher, je mehr die Schüler eine emotionale Stabilität
aufweisen Kein Effekt des Schulfachs Glück für die Selbstwirksamkeitserwartung und
den Optimismus
Evaluationsstudie
Diskussion der Ergebnisse
Warum fand sich der Effekt auf das Wohlbefinden und die soziale Integration in Abhängigkeit von der emotionalen Stabilität?
Sozial eingebettete Lernangebote zur Förderung des subjektiven Wohlbefindens
Bei den Schülern mit niedrigerer emotionaler Stabilität könnten Schwierigkeiten mit der Regulation negativer Affekte die Umsetzung der Unterrichtsinhalte erschwert haben
Hingegen fiel es den emotional stabileren Schülern vermutlich leicht, die vermittelten Inhalte unmittelbar zur positiven Beeinflussung ihres subjektiven Wohlbefindens und ihrer sozialen Beziehungen anzuwenden
Evaluationsstudie
Diskussion der Ergebnisse
Warum fand sich der erwartete Effekt auf die Selbstwirksamkeit und den Optimismus nicht?
Genereller Anstieg der Selbstwirksamkeitserwartung über das Schuljahr hinweg es konnte möglicherweise ein existierender zusätzlicher Effekt des Glücksunterrichts nicht statistisch abgesichert gezeigt werden
Optimismus = zuversichtliche Erwartungshaltung an die Zukunft, losgelöst vom eigenen Zutun die Zielsetzung des Schulfachs Glück liegt aber nicht auf der Förderung einer vom eigenen Handeln losgelösten optimistischen Einstellung
Zusammenhang zwischen Optimismus und Glücksempfinden
Evaluationsstudie
Einschränkungen
Schulfach Glück noch ganz neu, zum ersten Mal durchgeführt Relativ kleine Stichprobe Bisher keine Langzeiteffekte geprüft Quasiexperimentelles Design lässt nur eingeschränkt Rückschlüsse auf
Kausalität zu
Evaluationsstudie
Zusammenhänge zu Schulleistungen
1. Subjektives Wohlbefinden und Schulleistungen
Die broaden-and-build-Theorie (Fredrickson, 1998, 2001)
Empirische Befunde z.B. Lyubomirski, Kasri, Zehm & Dickerhoof (2005): glückliche im Vergleich zu
weniger glücklichen Menschen erbringen bessere Leistungen bei Textverständnis-Aufgaben im Rahmen der Graduate Record Examination
z.B. Cacha (1976): glückliche Kinder erreichen höhere Werte in Kreativitätstests Korrelative Studien, Langzeitstudien, experimentelle Studien
Zusammenhang des „Förderprojekts Glück“ und Schulleistungen
Zusammenhänge zu Schulleistungen
2. Soziale Integration und Schulleistungen
In empirischen Untersuchungen überwiegend positive Zusammenhänge zwischen sozialer Kompetenz und Indikatoren von Schulleistungen identifiziert (Jerusalem & Klein-Heßling, 2002)
Qualität sozialer Beziehungen weist Zusammenhänge zur kognitiven Leistung (Rost & Czeschlik, 1994) und zum Schulerfolg (Heller, 1995) auf
Zusammenhang des „Förderprojekts Glück“ und Schulleistungen
Zusammenhänge zu Schulleistungen
3. Selbstwirksamkeit und Schulleistungen
„It should come as no surprise that what people believe they can do predicts what they can actually do“ (Pajares & Miller, 1994, S. 200)
z.B. Jerusalem & Mittag (1999): Unterschiede in der Selbstwirksamkeit schlagen sich in den Noten von Schülern nieder
Zusammenhang des „Förderprojekts Glück“ und Schulleistungen
Erste Ergebnisse - Korrelationen
Ergebnisse der Korrelationsanalyse bzgl. Schulnoten (Grundschule in NRW)
Erste Ergebnisse
AV Deutsch Engl. Sachk. Mathe Sport Musik Kunst
T3_SWB - .08 - .25* - .12 - .30 .077 - .08 - .001
T3_SI - .34** - .29* - .277* - .31** - .24* - .20 - .34**
T3_SW - .03 - .05 - .02 - .06 .114 - .09 .02
** signifikant auf Niveau 0.01; * signifikant auf Niveau 0.05
Wichtige Links
Fritz-Schubert-Institut www.fritz-schubert-institut.de
Schulfach Glück www.schulfachglueck.de
Positive Psychologie www.seligman-europe.com
Kontakt Dipl.-Psych. Mareike Wickop [email protected]
Wichtige Links
Literaturtipps Ernst Fritz-Schubert: „Schulfach Glück – Wie ein neues Fach die Schule verändert“ (16,95€)
Sonja Lyubomirsky: „Glücklich Sein – Warum Sie es in der Hand haben, zufrieden zu leben“ (19,90€)
Martin Seligman: „Flourish: A Visionary New Understanding of Happiness and Well-being.“ (20,45€)
Martin Seligman: „Der Glücks-Faktor - Warum Optimisten länger leben“(8,99€)
Wichtige Links
Sie sind dran!
Fragen? Anregungen? Ideen? Kritik?
Diskussion
Literatur Bandura, A. (1977a). Social Learning Theory. Englewood Cliffs, NJ: Prentice-Hall. Bandura, A. (1977b). Self-efficacy: Toward a unifying theory of behavioral change., 84 (2), 191-215. Bandura, A. (1986). Social foundations of thought and action: A social cognitive theory. NJ: Prentice Hall: Englewood
Cliffs. Baumeister, R. F., & Leary, M. R. (1995). The need to belong: Desire for interpersonal attachments as a fundamental
human motivation. Psychological bulletin, 117 (3), 497-529. Berger, D. L., Silver, E. J., & Stein, R. E. (2009). Effects of yoga on inner-city children’s well-being: a pilot study.
Alternative therapies in health and medicine, 15 (5), 36-42. Cacha, F. B. (1976). Figural creativity, personality, and peer nominations of pre-adolescents. Gifted Child Quarterly, 20,
187-195. Deci, E. L., & Ryan, R. M. (1993). Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation und ihre Bedeutung für die Pädagogik.
Zeitschrift für Pädagogik, 39 (2), 223-238. Deci, E. L., Schwartz, A. J., Sheinman, L., & Ryan, R. M. (1981). An instrument to assess adults’ orientations toward
control versus autonomy with children: Reflections on intrinsic motivation and perceived competence. Journal of Educational Psychology, 73 (5), 642-650.
Diener, Ed, Suh, E. M., Lucas, Richard E., & Smith, H. L. (1999). Subjective well-being: three decades of progress. Psychological Bulletin, 12 5(2), 578-302.
Einspannier, M. (2011). Evaluation des „Förderprojekts Glück – Raum für Persönlichkeitsentwicklung und kreatives Schaffen“ an einer Aachener Grundschule (unveröffentlichte Diplomarbeit).
Fredrickson, B. L. (1998). What good are positive emotions? Review of General Psychology, 2 (3), 300-319. Fredrickson, B. L. (2001). The role of positive emotions in positive psychology: The broaden-and-build theory of positive
emotions. American Psychologist, 56 (3), 218-226. Fritz-Schubert, E. (2008). Schulfach Glück: Wie ein neues Fach die Schule verändert (6. Aufl.). Verlag Herder. Fritz-Schubert, E. (2010). Glück kann man lernen: Was Kinder stark fürs Leben macht. Ullstein Hardcover.
Literatur
Literatur Grolnick, W. S., & Ryan, R. M. (1987). Autonomy in children’s learning: An experimental and individual
difference investigation. Journal of Personality and Social Psychology, 52 (2), 890-898. Häcker, H. O., & Stapf, K. H. (2009). Dorsch Psychologisches Wörterbuch (15. Aufl.). Bern: Huber. Heller, K. A. (1995). Schulleistungsprognosen. In R. Oerter & L. Montada (Hrsg.), Entwicklungspsychologie: Ein
Lehrbuch (3. Aufl., S. 983-989). Weinheim: Beltz Psychologie Verlags Union. Jerusalem, M., & Klein-Heßling, J. (2002). Soziale Kompetenz: Entwicklungstrends und Förderung in der
Schule. Zeitschrift für Psychologie, 210 (4), 164–174. Lyubomirski, S., Sheldon, K. M., & Schkade, D. (2005). Pursuing Happiness: The Architecture of Sustainable
Change. Review of General Psychology, 9, 111-131. Lyubomirsky, S., King, L., & Diener, E. (2005). The benefits of frequent Positive affect: Does happiness lead to
success? Psychological Bulletin, 131 (6), 803-855. Moch, M. (2002). Entwicklung von Gruppenstruktur, Zusammenhalt und Selbstvertrauen im Verlauf
erlebnispädagogischer Segelmaßnahmen. Gruppendynamik und Organisationsberatung, 33 (1), 83–96. Pajares, F., & Miller, M. D. (1994). Role of self-efficacy and self-concept beliefs in mathematical problem
solving: A path analysis. Journal of Educational Psychology, 86, 193-203. Rost, D. H., & Czeschlik, T. (1994). Beliebt und intelligent? Abgelehnt und dumm? Eine soziometrische Studie
an 6500 Grundschulkindern. Zeitschrift für Sozialpsychologie, 25 (2), 170-176. Schmitz, B., & Skinner, E. (1993). Perceived control, effort, and academic performance: Interindividual,
intraindividual, and multivariate time-series analyses. Journal of Personality and Social Psychology, 64 (4), 1010-1028.
Rauer, W., & Schuck, K. D. (2003). Fragebogen zur Erfassung emotionaler und sozialer Schulerfahrungen von Grundschulkindern dritter und vierter Klassen: FEESS 3-4. Göttingen: Beltz.
Wickop, M. L. (2011). Förderprojekt Glück – Eine empirische Evaluation eines Trainings zur Persönlichkeitsförderung. (unveröffentlichte Diplomarbeit).
Literatur