dolmetschen bei der polizei
TRANSCRIPT
Dolmetschen bei der Polizei
Eine Fallstudie zu den Erfahrungen mit
Dolmetscher/innen bei der Polizei in Kärnten
Masterarbeit
zur Erlangung des akademischen Grades
Master of Arts (MA)
an der Karl-Franzens-Universität Graz
vorgelegt von:
Katharina LOMŠEK
am Institut für Theoretische und Angewandte Translationswissenschaft
Begutachterin: Ao.Univ.-Profin
. Maga. Dr
in.phil. Nadja Grbić
Graz, 2018
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DANKSAGUNG
ZAHVALA
Hvala mojim staršem, da sta mi omogočila pot, ki sem si jo izbrala, da sta mi med študijem
stala ob strani, me podpirala in motivirala. Brez vajine pomoči, to ne bi bilo mogoče.
Ein ganz besonderer Dank gilt meinem Freund, auf den ich immer zählen kann. Er hat mir
in schwierigen Zeiten den Rücken gestärkt und in den erfreulichen Momenten mit mir
gefeiert. Des Weiteren hat er immer an mich geglaubt und mich im Rahmen seiner
Möglichkeiten unterstützt.
Ein herzlicher Dank gilt natürlich auch meiner Betreuerin Ao.Univ.-Profin
. Maga.
Drin
.phil. Grbić Nadja. Ihre wertvollen fachlichen Ratschläge haben meine Arbeit nicht
nur inhaltlich enorm bereichert, sondern auch meinen persönlichen Horizont maßgeblich
erweitert.
Großer Dank gebührt auch all jenen, die ihre Zeit geopfert und meine Arbeit in Form von
Interviews inhaltlich bereichert haben. Ohne deren Unterstützung wäre eine empirische
Untersuchung nicht möglich gewesen.
Na tem mestu se zahvaljujem tudi moji lektorici za ves njen čas in trud. Brez njene pomoči
mi ne bi uspelo.
Ein großes Danke auch an meine Freundinnen und Studienkolleginnen für die gemeinsame
Zeit und die gegenseitige Motivation. Durch sie wurde die Studienzeit zu etwas
Besonderem. Ich konnte immer auf sie zählen und hoffe inständig, dass unsere
Freundschaft noch lange erhalten bleibt.
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Inhaltsverzeichnis
Einleitung ...................................................................................................................................................... 5
1 Forschungsfeld und zentrale Konzepte ..................................................................................... 8
1.1 Kommunaldolmetschen/Community Interpreting ........................................................... 9
1.2 Community Interpreting – Akteur/innen .......................................................................... 13
1.2.1 Wer dolmetscht? Konzept der Natural Translation ................................................... 15
1.2.2 Wer dolmetscht? Konzept der Native Translation ..................................................... 17
1.2.3 Herausforderungen für Laiendolmetscher/innen und Probleme der Heranziehung ........................................................................................................................................... 20
1.3 Charakteristika und Herausforderungen des Polizeidolmetschens ........................ 23
1.3.1 Charakteristika ......................................................................................................................... 24
1.3.2 Rollenverständnis ................................................................................................................... 27
1.3.3 Herausforderungen und Anforderungen ....................................................................... 29
2 Die österreichische Polizei als Dolmetsch-Setting ............................................................. 34
2.1 Die österreichische Polizei und Statistik ............................................................................ 34
2.2 Rechtliche Grundlagen .............................................................................................................. 35
2.2.1 Internationale Bestimmungen ........................................................................................... 36
2.2.2 Nationale Bestimmungen ..................................................................................................... 40
2.3 Vernehmung .................................................................................................................................. 43
2.4 Rekrutierung von Dolmetscher/innen ............................................................................... 50
3 Dolmetschen bei der Polizei ........................................................................................................ 57
3.1 Dolmetschen aus Sicht der (angewandten) Translationswissenschaft ................. 57
3.2 Dolmetschen aus Sicht der Polizei ........................................................................................ 62
4 Empirische Studie ........................................................................................................................... 65
4.1 Zielsetzung, Forschungsfrage und Hypothesen ............................................................... 66
4.2 Methode der Untersuchung ..................................................................................................... 67
4.3 Durchführung der Interviews ................................................................................................. 68
5 Auswertung der Interviews ........................................................................................................ 71
5.1 Erfahrungen mit Dolmetscher/innen .................................................................................. 73
5.2 Erfahrungen als Polizeidolmetscher/innen ...................................................................... 79
5.3 Eigenschaften, Kompetenzen und Anforderungen ........................................................ 79
5.4 Herangehensweise an die Zusammenarbeit mit Dolmetscher/innen .................... 82
5.5 Erwartungen ................................................................................................................................. 84
5.6 Sympathie und Vertrauen ........................................................................................................ 85
4
6 Diskussion der Ergebnisse, Beantwortung der Forschungsfragen, Überprüfung der Hypothesen ....................................................................................................................................... 86
Zusammenfassung und Ausblick ...................................................................................................... 93
Literatur ..................................................................................................................................................... 97
Abbildungsverzeichnis ...................................................................................................................... 109
5
Einleitung
In den letzten Jahren erschienen in deutschsprachigen Zeitungen bzw. deren Online-
Portalen einige Artikel (vgl. Wiener Zeitung.at, orf.at, heute.at, derstandard.at) zu
fehlerhaften Dolmetschungen bei der Polizei. Liest man die Artikel genau, so fällt auf, dass
in all diesen Fällen Laiendolmetscher/innen im Einsatz waren. In diesem Zusammenhang
stellt sich zunächst die Frage, warum für diese Zwecke Laiendolmetscher/innen
herangezogen werden, wenn es, so die Annahme, zumindest für weit verbreitete Sprachen
ausreichend ausgebildete Dolmetscher/innen geben müsste. Beispielsweise werden bei
Gericht vorzugsweise ausgebildete bzw. zertifizierte Dolmetscher/innen eingesetzt, deren
Kompetenzen vorab überprüft wurden. Von Interesse ist die Frage, warum diese
Vorgehensweise bei der Polizei nicht angewandt wird.
Grundsätzlich kann nicht davon ausgegangen werden, dass alle ausgebildeten und
zertifizierten Dolmetscher/innen in der Regel bessere Dolmetsch-Leistungen erbringen als
Laiendolmetscher/innen. In dieser Masterarbeit wird daher in erster Linie der Frage
nachgegangen, welche Erfahrungen Polizeibeamt/innen mit Dolmetscher/innen gemacht
haben und ob sich im Laufe der bisherigen Zusammenarbeit mit Dolmetscher/innen
Präferenzen in Bezug auf die Heranziehung zeigten. Ebenso sollen im Rahmen der Arbeit
folgende Fragestellungen genauer beleuchtet werden: Wer ist ein/e Polizeidolmetscher/in,
welche Eigenschaften und Kompetenzen sind für die Ausübung dieser Tätigkeit
ausschlaggebend und aufgrund welcher Kriterien werden Dolmetscher/innen
herangezogen? Es wird von der Hypothese ausgegangen, dass – abgesehen von der
sprachlichen Kompetenz – keine anderen Aspekte beachtet werden. Des Weiteren wird
angenommen, dass es ein vorgeschriebenes Prozedere für die Heranziehung von
Dolmetscher/innen seitens der Polizei gibt, diese Vorgehensweise jedoch aufgrund
persönlicher Präferenzen der Polizist/innen mit den jeweiligen Dolmetscher/innen
vernachlässigt wird. Darüber hinaus wird die Vermutung zu Grunde gelegt, dass
Laiendolmetscher/innen in erster Linie aufgrund ihrer Kostengünstigkeit und im Vergleich
zu ausgebildeten bzw. zertifizierten Dolmetscher/innen leichteren Erreichbarkeit
herangezogen werden.
Um das Thema in einen theoretischen Kontext einzubetten, wird zu Beginn das
Schlüsselkonzept des Community Interpreting vorgestellt. Im Zusammenhang damit
werden verschiedene Definitionen besprochen und daraufhin die Akteur/innen, die in
diesem Bereich tätig sind, näher beleuchtet werden. Des Weiteren werden das Konzept des
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natural translator (Harris 1976) sowie das Konzept des native translator (Toury 2012)
diskutiert werden. Danach wird explizit auf das Polizeidolmetschen eingegangen und
diskutiert werden, welche Besonderheiten dieser Teilbereich des Kommunaldolmetschens
aufweist. In diesem Unterkapitel soll auch auf die Problematik der Gleichsetzung von
Gerichtsdolmetschen und Polizeidolmetschen eingegangen werden.
Im zweiten Kapitel wird der thematische Fokus auf die österreichische Polizei gerichtet
werden. Neben einer Vorstellung der österreichischen Bundespolizei wird ein kurzer
Absatz den öffentlichen Statistiken des Bundesministeriums für Inneres zu Straftaten in
Österreich gewidmet werden, um aufzuzeigen, wie oft die Polizei mit ausländischen
Personen bzw. Straftäter/innen und somit auch mit der Tätigkeit von Dolmetscher/innen
konfrontiert wird. In einem weiteren Unterkapitel wird auf die rechtlichen Grundlagen
eingegangen, nachdem jedem Menschen das Recht auf eine/n Dolmetscher/in und ein
faires Verfahren zusteht. Alle diesbezüglichen Rechte werden in unterschiedlichen
Gesetzen festgehalten. Die Behandlung der gesetzlichen Grundlagen dient dazu, um
aufzuzeigen, dass mittels nicht qualifizierter bzw. erfahrener Dolmetscher/innen laut Berk-
Selingson (2009) die Rechte der Befragten nicht gewahrt werden können.
Daraufhin wird die polizeiliche Vernehmung mit Hilfe von Dolmetscher/innen erläutert.
Hierbei wird zunächst skizziert, wie eine einsprachige Vernehmung abläuft, um dann die
Unterschiede zur bilingualen Vernehmung aufzeigen zu können. Darüber hinaus wird in
einem weiteren Unterkapitel auf die Rekrutierung von Dolmetscher/innen auf Basis der
empirischen Studien zum Einsatz von Polizeidolmetscher/innen von Kadrić (2009) und
Stanek (2011) eingegangen werden.
Im dritten Kapitel wird explizit auf das Polizeidolmetschen eingegangen werden. In der
Literatur (vgl. etwa Stanek 2006; Sauerwein 2006) wird mehrfach darauf hingewiesen,
dass bei der Polizei sowohl professionelle Dolmetscher/innen als auch
Laiendolmetscher/innen zum Einsatz kommen. Deshalb soll dieses Kapitel aus zwei
Perspektiven beleuchtet werden: Einerseits, wie Translationswissenschaftler/innen die
Zusammenarbeit zwischen Profi- bzw. Laien-Dolmetscher/in und der Polizei sehen, und
andererseits, wo die jeweiligen Vor- und Nachteile liegen. Andererseits soll auch der
Standpunkt der Polizei aufgezeigt werden: Wie sehen Polizist/innen die Zusammenarbeit
mit Dolmetscher/innen und was ist ihnen im Rahmen der Kooperation wichtig?
Im Zuge dessen wird auch ein kurzer Abschnitt den Kompetenzen und Aufgaben eines
Polizeidolmetschers/einer Polizeidolmetscherin gewidmet werden. Die Kompetenzen und
Aufgaben werden anhand der Kriterien aus dem Handbuch Dolmetschen im Asylverfahren
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(BMI 2006), die von Stanek (2012) in ihrem Beitrag „Der Polizeidolmetscher:
Übersetzungsmaschine oder Hilfspolizist“ auf die polizeiliche Ermittlungsarbeit übertragen
wurden, diskutiert werden.
Im vierten Kapitel werden zunächst die Forschungsfrage erneut aufgegriffen, das Ziel der
Untersuchung festgelegt und die Hypothesen dargelegt werden. Daraufhin wird die
verwendete Methodik (halbstandardisiertes Expert/innen-Interview mit Leitfaden,
Transkriptionsrichtlinien und qualitative Inhaltsanalyse) vorgestellt und ihre Verwendung
begründet werden. Im nächsten Unterkapitel wird die Herangehensweise erläutert, indem
auf die Kontaktaufnahme und die Interviewdurchführung eingegangen wird und die
Interviewpartner/innen vorgestellt werden. Abschließend werden die Interviews analysiert
und die Ergebnisse diskutiert.
Im Zuge der Recherche wurde festgestellt, dass es schwierig ist, eine klare Grenze
zwischen laienhafter und professioneller Dolmetschung bzw. den Charakteristika von
Laien- und Profidolmetscher/innen zu ziehen. Deshalb sollen in vorliegender Masterarbeit
jene Personen, die keine translationswissenschaftliche Ausbildung genossen haben, als
„Laien“ bezeichnet werden.
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1 Forschungsfeld und zentrale Konzepte
In Österreich gab es bereits ab Mitte der 1980er Jahre das Problem der „mangelhaften
Verständigung zwischen Immigrant/innen und Institutionen“ (vgl. Ahamer 2013:103).
Damals wurde laut Fischer et al. (1995:192) erstmalig auf den Bedarf von
Dolmetscher/innen in diesem Bereich hingewiesen, obwohl dieses Forschungsfeld bis dato
noch keine Benennung gefunden hat. Dennoch war es nicht die Translationswissenschaft,
welche sich zuerst mit diesem Forschungsgebiet auseinandersetzte, sondern die
Sozialwissenschaften, unter die Fischer et al. auch die Linguistik subsumieren (ibid.).
Deshalb ist Community Interpreting noch ein junges Forschungsgebiet in der
Translationswissenschaft (vgl. Pöllabauer 2005:19). Obwohl es Community Interpreting
bereits seit einer geraumen Zeit gibt, wird dieses Tätigkeitsfeld erst seit Beginn der 1990er
Jahre in der Dolmetschwissenschaft erforscht (vgl. Pöllabauer 2002b:197). Unter dem
Begriff „Community Interpreting“ ist im Allgemeinen das Dolmetschen in alltäglichen
Situationen, das heißt im sozialen, juristischen und medizinischen Bereich, zu verstehen
(vgl. Roberts 1997:7). In Österreich hat sich die Bezeichnung Kommunaldolmetschen für
das Community Interpreting etabliert (vgl. Grbić/Pöllabauer 2008:3). Während sich in den
1980er Jahren hauptsächlich die Linguistik mit diesem Thema beschäftigte, ist dieser
Bereich heute in erster Linie für die Translationswissenschaft interessant. Dies spiegelt
sich auch im Anstieg der Publikationszahl zum Thema Community Interpreting wider (vgl.
Grbić/Pöllbauber 2008:10f.).
Schmidt-Glenewinkel (vgl. 2013:8) erläutert in ihrer Arbeit, dass dem Forschungsgebiet
des Kommunaldolmetschens seit der Jahrtausendwende große Aufmerksamkeit gewidmet
wird. Allerdings wird es im deutschsprachigen Raum noch immer vernachlässigt. Denn
obwohl seit den ersten Treffen und Konferenzen einige Forschungsnetzwerke und
Initiativen zu diesem Thema ins Leben gerufen wurden, blieb die Situation weitestgehend
unverändert. Der Dolmetschbedarf in öffentlichen Einrichtungen wird größtenteils noch
immer von Laiendolmetscher/innen gedeckt (ibid.).
Die vorliegende Masterarbeit beschäftigt sich mit dem Polizeidolmetschen, das zum
Bereich des Dolmetschens im juristischen Kontext zählt. Dieser Bereich wird, wie bereits
erwähnt, als Teilbereich des Kommunaldolmetschens gesehen (vgl. Pöllabauer 2005:19).
Aufgrund dessen wird im Folgenden das Konzept des Kommunaldolmetschens erläutert,
um in weiterer Folge eine Abgrenzung von Dolmetschhandlungen bei der Polizei
anzuschließen. Einleitend zum Thema wird auf die unterschiedlichen
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Definitionsmöglichkeiten und die Orte eingegangen, an welchen Dolmetscher/innen zum
Einsatz kommen. Daraufhin werden die Dolmetschenden näher beleuchtet. Abschließend
wird explizit auf den Dolmetschbereich der Polizei eingegangen.
1.1 Kommunaldolmetschen/Community Interpreting
In Österreich assoziiert man mit dem Begriff Dolmetschen meist den Beruf des
Konferenzdolmetschers/der Konferenzdolmetscherin. Das lässt sich laut Pöllabauer
(2000:181) vom Faktum ableiten, dass der Fokus im Ausbildungsbereich lange Zeit auf
dem Konferenzdolmetschen lag. Dadurch ist Community Interpreting, aber auch andere
Untergruppen des Dolmetschens, in der Ausbildung bis vor kurzem beinahe nicht existent.
Konferenzdolmetschen hat daher bereits einen hohen Grad an Professionalität erreicht
(ibid.) Deshalb ist es umso wichtiger, zu erwähnen, dass Community Interpreting die
älteste Dolmetschart der Welt ist (vgl. Roberts 1995:7). Laut Pöllabauer (2000:184) kann
das Community Interpreting als Stiefkind der Translationsswissenschaft bezeichnet
werden. Diese Sichtweise resultiert aus einer mangelnden adäquaten
Ausbildungsmöglichkeit, einem terminologischen Chaos, schlechten Arbeitsbedingungen
und auch mangelnder Anerkennung seitens der Berufskolleg/innen und Klient/innen (vgl.
Pöllabauer 2000:184). Ebenso trägt auch das Fehlen eines allgemein gültigen
Berufskodexes, in dem Richtlinien und Werte wie Unparteilichkeit, Neutralität etc.
festgehalten werden, zum niedrigen Grad der Professionalisierung bei (ibid.).
Sonja Pöllabauer konstatiert, dass Community Interpreting schwer zu definieren ist, da es
sich, abgesehen vom Konferenzdolmetschen, kaum von den üblichen Arbeitsfeldern der
Dolmetscher/innen abgrenzt. Des Weiteren zeigt Pöllabauer auf, dass sich in der Literatur
zahlreiche Definitionen finden, in welchen Community Interpreting inhaltlich
beispielsweise mit den Begriffen „Dialogue Interpreting“, „Public Service Interpreting“
oder „Cultural Interpreting“ gleichgesetzt wird (vgl. Pöllabauer 2002b:197; Roberts
1997:8; Wadensjö 2011:15). Roberts betont in diesem Zusammenhang auch, dass all diese
Termini etwas Gemeinsames haben, nämlich, dass diese Dolmetschform nicht im
Konferenzsetting angewandt wird (vgl. Roberts 1997:8). Im Folgenden sollen diese
unterschiedlichen Bezeichnungen diskutiert werden.
Die ersten Publikationen zum Forschungsthema erschienen in den 1990er Jahren
hauptsächlich in englischer Sprache, in welcher sich auch der Terminus Community
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Interpreting etabliert hat. Im deutschsprachigen Raum festigte sich die Bezeichnung
Kommunaldolmetschen (vgl. Pöchhacker 2000a:39). Pöllabauer (2002b:196f.) zeigt auch
auf, dass dieser Ausdruck eine Lehnübersetzung der englischen Bezeichnung Community
Interpreting ist. Sie konstatiert, dass die erste internationale Konferenz über das
Community Interpreting, die 1995 in Toronto stattfand, als Meilenstein in der Entwicklung
der diesbezüglichen Forschung anzusehen ist (vgl. Pöllabauer 2002a:286).
Der Terminus Community Interpreting wurde wahrscheinlich vom englischen „community
work“ abgeleitet, was bedeutet, dass unbezahlte Dolmetschleistungen von Laien verrichtet
werden (vgl. Pöllabauer 2002a:286). Pöllabauer (2002a:286) unterstreicht in ihrem
Beitrag, dass der Bereich des Community Interpreting von nicht-professionellen
Dolmetscher/innen dominiert wird und professionelle Dolmetscher/innen vermutlich noch
immer in der Minderzahl sind. Die Terminologie, die verwendet wird, um den Bereich des
Dolmetschens in alltäglichen Situationen zu benennen, änderte sich häufig, was eher zur
Verwirrung geführt hat, anstatt zu einer klaren Definition (vgl. Tipton/Furmanek 2016:2).
So wurden seit den 1980er Jahren folgende Bezeichnungen verwendet: ad hoc interpreting,
community interpreting, bilateral interpreting, public service interpreting, liaison
interpreting, dialogue interpreting, cultural interpreting, triad interpreting, u.a. (vgl.
Tipton/Furmanek 2016:3). Die beiden Autorinnen unterstreichen, dass das Benennen
dieser Konzepte nicht isoliert von bestimmten Kontexten erfolgen darf (vgl.
Tipton/Furmanek 2016:3).
Als erste Definitionsmöglichkeit für diesen Bereich soll Pöllabauer zitiert werden, da ihre
Definition im Vergleich als treffendste und deutlichste erscheint: Community Interpreter
sind sogenannte Helfer/innen für Menschen, deren Sprachkenntnisse des Gastlandes noch
nicht ausreichend sind. Deshalb „helfen sie zwei oder mehr Gesprächsparteien“, deren
Wissenshorizont unterschiedlich ist, zu kommunizieren (vgl. Pöllabauer 2002b:197).
Wie bereits erwähnt, hat sich in weiten Teilen der Translationswissenschaft die
Bezeichnung Community Interpreting durchgesetzt, dennoch bevorzugen andere
Translationswissenschaftler/innen diverse Termini, um diesen Bereich des Dolmetschens
im Alltag zu benennen. So ist für Wadensjö (1998) die Bezeichnung Dialogue Interpreting
treffender, da dieser den dialogischen Charakter beim Dolmetschen unterstreicht. Im
Einklang mit Wadensjö sind auch Tipton und Furmanek (2016) und meinen, dass der
Begriff Dialogue Interpreting die Aspekte des Respekts und der Gleichwertigkeit in der
Kommunikation beinhaltet und keinen bestimmten Bereich definiert (vgl.
Tipton/Furmanek 2016:6). Einer Untersuchung von Tipton und Furmanek (2016:6) zufolge
11
waren 2015 die Bezeichnungen Public Service Interpreting und Community Interpreting
die am häufigsten verwendeten Termini für diesen Bereich. Welcher Terminus bevorzugt
wird, resultiert auch aus der Konnotation der unterschiedlichen Wörter. So hat
beispielsweise das Wort community in einigen Ländern eine negative Konnotation,
weshalb im Sprachgebrauch eher der Terminus Public Service Interpreting Verwendung
findet (vgl. Tipton/Furmanek 2016:5). Nach Apfelbaum ist das Community Interpreting
ein bilaterales Dolmetschen, das in vielen Bereichen zum Einsatz kommt, vor allem aber in
den Bereichen Medizin und Recht. Der medizinische Bereich schließt nach dieser
Definition das Dolmetschen im Krankenhaus, beim Arzt und in der Psychotherapie ein,
wohingegen der Bereich „Recht“ das Dolmetschen bei Gericht, bei der Polizei, im
Gefängnis, u.a. beinhaltet (vgl. Apfelbaum 2004:25).
Einen weiteren Versuch, dieses Forschungsfeld zu beleuchten, unternahmen
Jääskeläinen/Kujamäki/Mäkisalo (2011:144). Sie erörtern in ihrem Artikel Probleme der
Professionalisierung in der Translationswissenschaft das Phänomen der Non-Profit-
Translation, wie zum Beispiel freiwilliges Vermitteln bzw. Dolmetschen/Übersetzen.
Dieses Phänomen könnte zum Teil zum Community Interpreting gezählt oder damit
verglichen werden. Non-Profit-Translators können sowohl professionelle Translator/innen
als auch begeisterte Amateur/innen sein. Unabhängig von ihrem Hintergrund scheint ihre
Hauptmotivation aus sehr persönlichen Interessen zu resultieren, denn sie beschäftigen sich
mit Translation, um beispielsweise ihren Mitmenschen zu helfen (vgl.
Jääskeläinen/Kujamäki/Mäkisalo 2011:144). Knapp und Knapp-Potthoff (1985:450)
bevorzugen den Terminus Sprachmittlertätigkeit für das Community Interpreting.
Sprachmitteln bedeutet laut Knapp und Knapp-Potthoff, dass Gespräche ausschließlich in
face-to-face-Interaktionen stattfinden. Das Sprachmitteln ist im Gegensatz zum
Dolmetschen eine alltagspraktische, nicht professionelle Tätigkeit. Sprachmittler/innen
sind nicht nur ein Translationsmedium, sondern sie nehmen in der Situation eine aktive
Rolle ein und haben die Möglichkeit, in Situationen Informationen einzubringen, die zur
Klärung von Missverständnissen dienen und das Gespräch voranbringen. Das bedeutet,
dass der Sprachmittler nicht nur übermittelt, sondern auch vermittelt (vgl. Knapp/Knapp-
Potthoff 1985:451).
Meines Erachtens trifft der Versuch von Pöllabauer (2002), diesen Bereich zu definieren,
für diese Masterarbeit am ehesten zu. Und zwar, dass unter Community Interpreting das
Dolmetschen für Personen, „welche die Sprache des Gastlandes nicht oder nur
unzureichend verstehen und meist einer anderen Kultur als der sprachlichen Mehrheit des
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Gastlandes angehören“, verstanden wird. (vgl. Pöllabauer 2002a:287). Settings, in denen
Community Interpreting praktiziert wird, sind soziale und institutionelle Einrichtungen
(Schule, Polizeistation, Krankenhaus, Asylamt) (ibid.). Gentile (1997:112), der eigentlich
die Bezeichnung Liason Interpreting verwendet und darunter auch das Community
Interpreting subsumiert, stellt fest, dass es sich bei Community Interpreting nicht nur um
Dolmetschen in staatlichen Einrichtungen oder institutionellen Settings handelt, da
Dolmetscher/innen auch in Situationen wie Bankangelegenheiten, Informationsgesprächen
zu Schönheitsoperationen oder Austausch-Arbeitsprogrammen in Firmen erforderlich sein
können.
Im Großen und Ganzen lässt sich Folgendes festhalten: Wenn von Community Interpreting
die Rede ist, handelt es sich hauptsächlich um Dolmetschen im sozialen und kommunalen
Bereich (vgl. Pöllabauer 2003b:36). Charakteristisch hierfür ist, dass oft auf Hilfe von
Laiendolmetscher/innen zurückgegriffen wird, wobei zu bedenken ist, dass deren
sprachliche, kulturelle und soziale Kompetenzen meist lückenhaft sind. Nichtsdestotrotz
kann der Einsatz von Laiendolmetscher/innen auch legitim sein (vgl. Marics 2008:94).
Nach Pöchhacker (2004:23) ist das Laiendolmetschen die Urform des Dolmetschens, da
man sich seit jeher auf zweisprachige Personen ohne Dolmetscherausbildung gestützt hat.
Die Dolmetschwissenschaft konzentrierte sich einige Zeit auch auf die
Professionalisierung des Dolmetschberufes, denn sowohl Dolmetschen als auch
Übersetzen werden als Expert/innentätigkeit gesehen, bei welcher eine fachspezifische
Ausbildung vorauszusetzen ist (vgl. Pöchhacker 2000b:153). Neben der Bezeichnung
Laiendolmetscher/in sind aber noch andere Benennungen in Gebrauch. Harris und
Sherwood prägten 1978 den Begriff „natural translator“, Toury 1995 den Begriff „native
translator“, Knapp und Knapp-Potthoff 1985 den Begriff „Sprachmittler“ (vgl. Marics
2008:94f.). Harris und Sharewood nehmen mit ihrer Sichtweise, der natural translation,
eine Sonderstellung in der Translationswissenschaft ein (vgl. Pöchhacker 2000b:153), denn
sie sind der Meinung, dass Dolmetschen bzw. Sprachmitteln eine angeborene Fähigkeit
Zweisprachiger ist (vgl. Harris und Sherwood 1978:155). Auf die eben genannten Termini
für die Benennung von Laiendolmetscher/innen wird im folgenden Unterkapitel genauer
eingegangen.
13
1.2 Community Interpreting – Akteur/innen
Jääskeläinen/Kujamäki/Mäkisalo (2011:144) sind der Meinung, dass die immer stärkere
internationale Mobilität und die Zunahme an grenzüberschreitenden Kooperationen
mehrsprachige und kulturelle Kompetenzen erfordern, welche wiederum das Wesen von
Translationsprogrammen ausmachen. Durch die fortschreitende Globalisierung entsteht
eine immer größer werdende Nachfrage nach Übersetzungen und Dolmetschungen (ibid.).
Knapp und Knapp-Potthof (1987) konstatieren, dass für die Kommunikation zwischen
zwei unterschiedlichen Sprachkundigen solange eine dritte Partei mit beiderseitigen
Sprachkenntnissen erforderlich sein wird, solange es keine gemeinsame Sprache, eine
lingua franca, gibt.
In internationalen Konferenzen wird der Bedarf an Dolmetschungen von professionellen
Dolmetscher/innen gedeckt. In alltäglichen Situationen kann oder wird diese dritte Partei
auch durch bilinguale Personen vertreten (vgl. Knapp/Knapp-Potthof 1987:182). Einigen
Wissenschaftler/innen zufolge (vgl. Antonini 2015, Knapp-Potthoff 1987, Harris 1978,
Toury 2012) dominieren im Community Interpreting Laiendolmetscher/innen.
Laiendolmetschen, oder auch Non-Professional Interpreting genannt, meint laut Antonini
(2015:277) das Dolmetschen „performed by people who have had no formal training“.
Professionelle Dolmetscher/innen sind Jääskeläinen/Kujamäki/Mäkisalo (2011:146)
zufolge jene Personen, die sich das Leben mit Dolmetsch- bzw. Übersetzungstätigkeiten
finanzieren. Im Zusammenhang damit muss noch erwähnt werden, dass Antonini
(2015:277) zufolge Laiendolmetscher/innen für ihre Dolmetschtätigkeit oft nicht entlohnt
werden. Auch Jääskeläinen/Kujamäki/Mäkisalo (2011:145) konstatieren in ihrem Artikel
zur Professionalisierung des Dolmetschberufes, dass jemand, der Sprachkenntnisse in einer
Sprache hat, auch wenn sie nur gering sind, in der Lage ist zu dolmetschen und dafür nicht
bezahlt werden muss. Dolmetscher/innen sind jedoch nicht einfach „trans-coders“, die
Wort für Wort transferieren, sondern Überträger/innen der Bedeutung des Gesagten und
Kulturvermittler/innen (vgl. Jääskeläinen/Kujamäki/Mäkisalo 2011:145).
Dolmetscher/innen, die im Bereich des Kommunaldolmetschens zum Einsatz kommen,
sind oft auch deshalb nicht professionelle Dolmetscher/innen, da oft auch Sprachen zum
Einsatz kommen, die sich nicht im Lehrplan der Universitäten wiederfinden. Meist sind es
Personen, die die Aufgabe des Dolmetschers/der Dolmetscherin ad hoc übernehmen und
auch der gleichen ethnischen oder sprachlichen Minderheit angehören wie eine/r der
Gesprächsbeteiligten (vgl. Pöllabauer 2000:187). Vorrangig handelt es sich laut Pöllabauer
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(2003a:21) sowie Dussaussois und Mosimann (1998:82) aber um Familienmitglieder oder
nahe Verwandte, Kinder, Bekannte, Freunde, zufällig Anwesende, organisiertes Hilfs- oder
Fachpersonal und inoffizielle Dolmetscher/innen aus der fremdsprachigen Gemeinde.
Demzufolge kann jede beliebige zweisprachige Person als Laiendolmetscher/in eingesetzt
werden (vgl. Martínez-Gómez 2015:417). Deshalb fungieren auch Personen, wie
beispielsweise zweisprachige Mitarbeiter/innen in Institutionen oder Behörden, als
Dolmetscher/innen (vgl. Martínez-Gómez 2015:417). Zu diesen Mitarbeiter/innen zählen
beispielsweise Sprechstundenhilfen, Reinigungskräfte usw. (vgl. Pöllabauer 2002b:200).
Es ist kein Geheimnis, dass fremdsprachiges Personal in Organisationen auch für
Dolmetscheinsätze herangezogen wird. Ebenso ist nicht auszuschließen, dass diese
Personen sogar eine Eignung für das Dolmetschen mitbringen. In diesem Zusammenhang
erscheint es umso wichtiger, das Personal auf derartige Aufgaben vorzubereiten und zu
schulen (vgl. Dussaussois/Mosimann 1998:85).
Wie eben angesprochen, greifen Organisationen bei Bedarf auch auf Personen aus einer
fremdsprachigen Gemeinschaft bzw. auf inoffizielle Dolmetscher/innen zurück.
Grundsätzlich ist bei dieser Personengruppe fragwürdig, ob der/die eingesetzte
Dolmetscher/in aufgrund ihrer ethnischen oder politischen Zugehörigkeit nicht auch andere
Absichten verfolgt. Natürlich könnte man diese Frage auch in Bezug auf professionelle
Dolmetscher/innen stellen, nachdem diese aber meist einem Berufsverband angehören,
kann man sie für nicht zweckdienliche Absichten belangen (vgl. Dussaussois/Mosimann
1998:86).
In einigen Settings werden auch freiwillig engagierte Personen von karitativen
Einrichtungen als Dolmetscher/innen eingesetzt (vgl. Martínez-Gómez 2015:417).
Vollständigkeitshalber soll noch eine weitere Gruppe, und zwar Kinder als
Laiendolmetscher/innen, erwähnt werden. Kinder möchten, laut Harris und Sherwood
(1978), ihren Familienmitgliedern helfen und dolmetschen dadurch in verschiedenen
Situationen. Viele Translationswissenschaftler/innen jedoch finden Situationen, in denen
Kinder als Dolmetscher/in fungieren, problematisch. Da Kinder im Bereich des
Polizeidolmetschens nicht herangezogen werden, soll im Weiteren auch nicht näher darauf
eingegangen werden. Wie bereits erwähnt, kommen in den meisten Settings – also
Krankenhaus, Polizei, Behörden, Schule usw. – Laiendolmetscher/innen zum Einsatz.
Obwohl die Beiziehung Letzterer nicht immer vorteilhaft ist, impliziert eine mangelnde
Ausbildung nicht immer eine schlechte Dolmetschung. Zwar haben diese Personen keine
translatorische Ausbildung genossen, verfügen aber dennoch über Fachkenntnisse in ihrem
15
Bereich (vgl. Antonini/Bucaria 2015:9).
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Kommunaldolmetscher/innen für
Asylwerber/innen, Migrant/innen oder Flüchtlinge, also für Personen, welche im Gastland
oft mit Vorurteilen konfrontiert werden und nur geringes Ansehen genießen, dolmetschen.
Aber auch Behörden, Polizei oder andere öffentliche Institutionen setzen im Rahmen der
Kommunikation mit fremdsprachigen Klient/innen oft Kommunaldolmetscher/innen ein
(vgl. Pöllabauer 2002a:287).
Um die Perspektive der Laiendolmetscher/innen zu verdeutlichen, wird in den folgenden
Unterkapiteln näher auf die Konzepte der Natural und Native Translation eingegangen, da
sie meines Erachtens den ersten Versuch darstellen, dieses Phänomen zu benennen, und
somit als Basis der Erforschung des Laiendolmetschens gelten. Wie bereits erwähnt, sollen
im Rahmen dieser Masterarbeit all jene Personen als „Laien“ bezeichnet werden, die keine
translationswissenschaftliche und translatorische Ausbildung genossen haben.
1.2.1 Wer dolmetscht? Konzept der Natural Translation
Einer der wichtigsten Wissenschaftler, der sich im Rahmen seiner Forschungen dem
Thema des Laiendolmetschens widmete, ist Brian Harris. Er prägte den Terminus natural
translation, der heute als Fundament für das Laiendolmetschen in der
Translationswissenschaft gesehen wird. Harris versteht unter diesem Begriff Übersetzen
und Dolmetschen „done by bilinguals in everyday circumstances and without a special
training for it“ (vgl. Harris/Sherwood 1978:155). Er führt diese Definition noch weiter aus,
indem er konstatiert, dass Bilinguale intuitiv und spontan dolmetschen (vgl. Harris 2010).
Aus dieser Definition lässt sich schließen, dass in alltäglichen Situationen gedolmetscht
wird, was eine der Haupteigenschaften des Community Interpreting ist. Harris konstatiert,
dass zweisprachige Personen automatisch in der Lage sind, zu dolmetschen. Er sieht
Zweisprachigkeit in drei Kompetenzen aufgeteilt: beide verwendeten Sprachen sind je eine
Kompetenz und die dritte, die er als natural translation bezeichnet, ist die Kompetenz,
zwischen diesen Sprachen zu dolmetschen (vgl. Harris 1976:99). Da diese laut Harris eine
angeborene Fähigkeit darstellen, ist er der Meinung, dass bilinguale Personen durch
gezieltes Training ihre Dolmetschkompetenz ausbauen und verbessern können (ibid.:100).
16
Doch Álvarez de la Fuente und Fernández Fuertes (2012:38) sind der Meinung, dass diese
Kompetenz nicht immer zu einer professionellen Fähigkeit weiterentwickelt werden kann.
Harris hat, um den Begriff Natural Translator zu definieren, zweisprachig aufgewachsene
Kinder beobachtet. Dabei stellte sich heraus, dass diese Kinder für ihre Familienmitglieder
als Dolmetscher/innen tätig werden, obwohl ihnen diese Fertigkeit nicht beigebracht wurde
(vgl. Harris 1978:417f.). In weiteren Studien mit Kindern zeigten Harris und Sherwood
(1978:155), dass diese Kompetenz natürlich bzw. angeboren ist, da die untersuchten
Kinder nicht nur sprachlich, sondern auch kulturell vermitteln konnten. Die beiden
Wissenschaftler/innen erklären dieses Phänomen damit, dass die beobachteten Kinder
einzelne Sätze oder Wörter für ihre Familienmitglieder gedolmetscht und die Bedeutungen
gleichzeitig in den sozialen bzw. kulturellen Kontext eingebettet haben, ohne eine
Anweisung zum Sprachmitteln erhalten zu haben (vgl. Harris und Sherwood 1978:168).
Harris ist der Meinung, dass zweisprachige Kinder neben der Dolmetschkompetenz auch
über die Kompetenz der „Conservation of Meaning Across Languages“ (vgl. Harris
1978:420) verfügen. Das bedeutet, dass Kinder aufgrund des thematischen Inhalts
angesichts einzelner Wörter beurteilen können, ob es zwischen den von ihnen
gesprochenen Sprachen Bedeutungsparallelen gibt (ibid.).
Harris und Sherwood haben in deren Studie auch herausgefunden, dass das Alter des
Kindes in Bezug auf die Dolmetschkompetenz eine Rolle spielt. Die Autor/innen fanden
außerdem heraus, dass die untersuchten Kinder im frühen Alter nur für die Familie
dolmetschten und im späteren Alter auch außerhalb der Familie als Dolmetscher/innen
fungierten. Die Beweggründe dazu waren für die Kinder in erster Linie der Spaß und
später dann auch die Notwendigkeit, der Familie zu helfen (vgl. Harris/Sherwood
1978:168f.)
Einige Translationswissenschaftler/innen haben den Begriff der Natural Translation
aufgegriffen und erweitert oder auch kritisiert. Munoz Martin (2011:45) ist beispielsweise
der Meinung, dass nicht alle bilingual aufgewachsenen Personen von Geburt an die
Fähigkeit zu dolmetschen besitzen. Er hält aber fest, dass zweisprachige Personen
theoretisch die Fähigkeit besitzen, zu dolmetschen (Munoz Martin 2011:52), da sie diese
Fähigkeit durch ihren Willen, der Familie zu helfen, erlernen und somit auch ihre
Dolmetschkompetenz entwickeln (Munoz Martin 2011:47). Eine weitere
Wissenschaftlerin, die sich mit dem Konzept von Harris auseinandersetzte, kritisiert seinen
Standpunkt, laut welchem das Dolmetschen in Wirtschaft und Konferenzen lediglich von
professionellen und ausgebildeten Dolmetscher/innen ausgeführt werden kann,
17
wohingegen Natural Translators, oder auch Laindolmetscher/innen genannt, nur im
kommunalen Setting dolmetschen (vgl. Bahadır 2010:26). Nach Bahadır (2010:26) wirft
dies ein eher negatives Licht auf die Natural Translators und somit auch auf das
Kommunaldolmetschen. Des Weiteren meint Bahadir, dass es in Harris’ Konzept an
situativen und gesellschaftlichen Kontexten fehle, in welchen zweisprachige Personen
eingebettet sind (vgl. Bahadır 2010:28). Diese fehlende Komponente wurde später in
Toury’s Konzept des Native Translators (1984) miteinbezogen.
Laut Ahamer (2013:145) kann der Ansatz der Natural Translation von Harris und
Sherwood als Grundlage für das Laiendolmetschen in der Translationswissenschaft
gesehen werden, da sie meinen, dass Translation etwas vollkommen Natürliches und
bilingualen Kindern angeboren ist (vgl. Harris/Sherwood 1978:155). Ahamer (2013:145)
bezieht sich in ihrem Werk jedoch auf den Gedanken von Toury und meint, dass
Bilingualismus zwar eine unabdingbare, aber nicht ausreichende Bedingung für die
Translationskompetenz darstellt. Toury (2012) reagierte auf den von Harris und Sherwood
erforschten Ansatz mit seinem Konzept der Native Translation, auf das im Folgenden
näher eingegangen werden soll.
1.2.2 Wer dolmetscht? Konzept der Native Translation
Ein weiterer Wissenschaftler, der sich – wie bereits angemerkt – kritisch zum Konzept von
Harris äußert, ist Gideon Toury. Er meint, dass die Dolmetschkompetenz nichts
Geschenktes ist, sondern dass man sich diese verdienen muss (vgl. Toury 2012:277f.). Die
Frage, wie sich die Dolmetschfähigkeit äußert und entwickelt, werden in Harris’ Konzept
nicht beantwortet. Deshalb schlägt Toury das alternative Konzept des Native Translators
vor. Toury konstatiert, dass Personen die Rolle des Dolmetschers/der Dolmetscherin
einnehmen, „who [have] gradually grown into that cultural role, with no formal training for
it“ (vgl. Toury 2012:278).
Im Unterschied zu Harris meint Toury, dass die Dolmetschfähigkeit keine natürliche oder
angeborene Kompetenz darstellt, sondern dass man in diese Fähigkeit hineinwächst und
die Entwicklung dieser Kompetenz durch die soziokulturelle Umgebung begünstigt wird
(vgl. Toury 2012:278). Toury meint aber auch, dass Bilinguale sehr wohl prädisponiert für
die Tätigkeit eines Dolmetschers/einer Dolmetscherin sind. Die Fähigkeit zu dieser
Tätigkeit hängt aber vielmehr davon ab, ob diejenige Person über die Kompetenz verfügt,
Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Sprachen zu erkennen, um dann auch
18
Verbindungen herstellen zu können (vgl. Toury 1984:189). Diese Fähigkeit nennt Toury
interlingualism und zieht den Terminus sogar als Überbegriff der Zweisprachigkeit heran.
Obwohl die beiden erwähnten Kompetenzen laut Toury angeboren sind, konstatiert er, dass
diese keine Garantie für die Entwicklung der Dolmetschkompetenz sind (vgl. Toury
1984:189). Denn Toury zufolge bedarf es bei dieser Fähigkeit noch anderer
Voraussetzungen (ibid.:189f.). Als eine der Grundlagen sieht Toury den soziokulturellen
Kontext, in den Native Translators integriert sind und welchem Harris in seinem Konzept
keine Aufmerksamkeit schenkt. In diesem soziokulturellen Kontext gibt es
unterschiedliche Erwartungen, die vorgeben, unter welchen Bedingungen das Dolmetschen
in realen Situationen stattfindet (vgl. Toury 2012:279f.).
Einen zusätzlichen wichtigen Punkt bei der Entwicklung der Dolmetschkomptenz stellen
die soziale Motivation und die soziale Funktion des Dolmetschens dar (vgl. Toury
2012:283). Wie bereits erwähnt, haben Harris und Shewood (1978:168f.) herausgefunden,
dass Kinder im frühen Alter aus Spaß dolmetschen und später eher, um ihrer Familie zu
helfen. Toury empfindet es aufgrund dieses Ergebnisses als wichtig, diesen bilingualen
Personen Feedback zu ihrer Tätigkeit zu geben, damit deren soziale Motivation nicht
verloren geht (vgl. Toury 2012:284). Neben dem Feedback von außen ist aber auch das
eigene Empfinden wichtig, um die persönlichen Dolmetschstrategien reflektieren zu
können (ibid.:285). Durch die Rückmeldungen befinden sich Native Translators in einem
Sozialisierungsprozess, durch welchen sie Routine und Strategien in Bezug auf die
Dolmetschtätigkeit entwickeln (ibid.:285ff.). Der soziokulturelle Kontext sowie die
zeitlichen und räumlichen Faktoren beeinflussen diesen Sozialisierungsprozess. Toury
unterstreicht mit dieser Erkenntnis die Wichtigkeit der soziokulturellen Zusammenhänge
und schließt somit in seinen Augen die Lücke in Harris’ und Sherwoods Konzept.
Summa summarum kann gesagt werden, dass Harris Dolmetschen als eine bei
zweisprachigen Personen angeborene Fertigkeit ansieht, während laut Toury Dolmetschen
eine Fertigkeit ist, die durch Sozialisierung und Hineinwachsen in die Kultur bzw.
Gesellschaft erworben wird. Harris erkennt die Wichtigkeit dieser von Toury aufgezeigten
Aspekte und baut sie schließlich in sein Denken über das Dolmetschen und die
Zweisprachigkeit ein (siehe Abb1.).
19
Abbildung 1: The Progression from Natural to Expert Translator (Harris 2010)
Harris beschreibt in seinem überarbeiteten Konzept Tourys Native Translator als eine
Zwischenstufe zwischen Natural und Expert Translator. Die Fähigkeiten und Kompetenzen
des Expert Translators werden durch formales Training erweitert. Für Harris liegt der
Unterschied zwischen Natural und Native Translators darin, dass Natural Translators
bilinguale Personen sind, die keine Ausbildung oder spezifische Anleitung für das
Dolmetschen und Übersetzen haben und dies daher intuitiv und spontan tun. Der Native
Translator ist hingegen bereits beeinflusst worden, indem er von anderen Personen etwas
gelernt und auch ein wenig Erfahrung erworben hat. Aufgrund der unterschiedlichen
Erfahrungen und der Dauer der Tätigkeit ist es laut Harris notwendig, bezüglich des
Begriffs Natural Translator zwischen dem Beginner Native Translator und dem Advanced
Native Translator zu unterscheiden (vgl. Harris 2010).
Die Konzepte von Harris und Toury haben eines gemeinsam, und zwar, dass in beiden
Konzepten Personen gemeint sind, die bilingual aufgewachsen sind und die die Fähigkeit
des Dolmetschens nicht durch eine facheinschlägige Ausbildung erworben haben. Im
Kontext dieser Masterarbeit werden diese Personen als Laiendolmetscher/innen
bezeichnet.
Vollständigkeitshalber soll noch eine weitere Bezeichnung für das Laiendolmetschen oder
Non-Professional Interpreting genannt werden, und zwar der Terminus Sprachmitteln, der
von Knapp und Knapp-Potthoff (vgl. 1985) geprägt und bereits erwähnt wurde. Mit diesem
Begriff beschreiben die beiden Wissenschaftler/innen jene Tätigkeit, bei der etwas
20
Gesagtes mündlich von einer Sprache in die andere übertragen wird. Sie gehen davon aus,
dass das Sprachmitteln immer in sogenannten alltäglichen und dialogischen „face-to-face-
Interaktionen“ stattfindet (vgl. Knapp/Knapp-Potthoff 1985:451). Neben dem Dolmetschen
bzw. Sprachmitteln übernehmen diese Personen eine aktive Rolle in der jeweiligen
Dolmetschsituation, indem sie beispielsweise Missverständnisse durch Erklärungen oder
Ergänzungen klären bzw. vermeiden (ibid.). Den Autor/innen zufolge ist ein/e
Sprachmittler/in ein „quasi-technisches Translationsmedium“, da er/sie im Unterschied
zum Dolmetscher/zur Dolmetscherin nicht nur sprachliche Botschaften übermittelt (ibid.).
Da der Einsatz von Laiendolmetscher/innen in der Translationswissenschaft umstritten ist,
soll im Folgenden auf die Probleme und Herausforderungen eingegangen werden, die
damit in Zusammenhang stehen.
1.2.3 Herausforderungen für Laiendolmetscher/innen und Probleme
der Heranziehung
Der Einsatz von Laiendolmetscher/innen bringt Vor- und Nachteile mit sich. Als Vorteil
kann gewertet werden, dass sich Ratsuchende in einem Gespräch, das sie nicht verstehen,
aufgrund der Anwesenheit eines Familienmitgliedes, eines/einer Verwandten oder
Bekannte/n nicht alleingelassen fühlen. Auf der anderen Seite kann die Anwesenheit
nahestehender Personen den/die Ratsuchende/n auch hemmen, da es den Betroffenen oft
peinlich ist, vor ihnen über gewisse Themen (z.B. Krankheit, Schulden) zu sprechen. Ein
wesentlicher Nachteil beim Einsatz von Laiendolmetscher/innen ist, dass sie meist
unvorbereitet in das Gespräch gehen und ihnen somit auch der Wortschatz, um
Fachausdrücke und komplexe Sachverhalte übertragen zu können, fehlt (vgl.
Dussaussois/Mosimann 1998:83f.).
Shackman (1988:14 zit. nach Dussaussois/Mosimann 1998:85) stellt den Einsatz von
Laiendolmetscher/innen in Frage und meint dazu Folgendes: „[You] wouldn´t be happy to
give you an amateur doctor or nurse if you were ill. So why an amateur interpreter? It´s
just the same.“
An den/die Dolmetscher/in werden unterschiedliche Erwartungen seitens der
Gesprächsparteien gestellt, wodurch das Gespräch beeinflusst werden kann. Durch die
unterschiedlichen kulturellen Wertesysteme soll er/sie kulturelle Barrieren aufklären und
erklären können (vgl. Pöllabauer 2000:187). Auf die Frage, warum
21
Laiendolmetscher/innen im Bereich Community Interpreting eine so große Rolle spielen,
gibt es unterschiedliche Antworten. Einerseits spricht der Kostenfaktor dafür, da diese
Dolmetscher/innen für ihre Tätigkeit aufgrund ihrer mangelnden Ausbildung nicht entlohnt
werden (vgl. Martínez-Gómez 2015:417, Marics 2006:104) oder auch zu sehr niedrigen
Tarifen arbeiten (vgl. Prunč 2010:268). Des Weiteren existiert gesellschaftlich gesehen das
weitverbreitete Vorurteil, dass Dolmetschen etwas sehr Simples sei und dass jeder, der
zwei Sprachen beherrscht, dolmetschen könne (vgl. Prunč 2010:273). Deshalb fehlt oft das
Verständnis für die Wichtigkeit der Rolle der Dolmetscher/innen und die tatsächliche
Komplexität der Tätigkeit (vgl. Ozolins/Hale 2009:3).
Einer der Hintergründe dieser Tatsache ist, wie bereits erwähnt, dass es kaum ausgebildete
Dolmetscher/innen für Migrant/innensprachen gibt. Deshalb ist diese Personengruppe auf
andere Hilfestellungen angewiesen, worunter sich eben auch Laiendolmetscher/innen
befinden (vgl. Dussaussois/Mosimann 1998:82). Ein weiterer Grund für die Heranziehung
von Laiendolmetscher/innen ist die schlechte Verfügbarkeit von ausgebildeten
Dolmetscher/innen (vgl. Pöllabauer 2002b:199). Andererseits werden
Laiendolmetscher/innen oftmals als Notlösung angesehen oder es wird ganz auf sie
verzichtet (ibid.:200). In Fällen, in denen keinen Dolmetscher/innen für seltenere Sprachen
zur Verfügung stehen, werden auch Dolmetscher/innen für weit verbreitete Sprachen als
Kommunikationsbrücke herangezogen (vgl. Prunč 2011:29). Ein weiterer Grund, weshalb
Laiendolmetscher/innen herangezogen werden, ist auch der Aspekt des Vertrauens. Wenn
zwischen Dolmetscher/in und Auftraggeber/in bereits Vertrauen aufgebaut wurde, kann
das durchaus ausschlaggebend für die Entscheidung zur Heranziehung des
Dolmetschers/der Dolmetscherin sein (vgl. Martínez-Gómez 2015:417).
Der Einsatz von unausgebildeten Dolmetscher/innen kann, wie bereits erwähnt, in
mehrerlei Hinsicht problembehaftet sein. Einerseits können durch die mangelnde
Sprachkenntnis fehlerhafte Inhalte weitergegeben werden. Andererseits ist es für
unausgebildete Dolmetscher/innen schwer, das Essenzielle aus dem Gesagten zu
exzerpieren, wodurch möglicherweise Wichtiges weggelassen oder Neues hinzugefügt
wird. Unausgebildeten Dolmetscher/innen ist eventuell auch nicht bewusst, dass sie mit
den Informationen vertraulich umgehen und persönliche Meinungen außen weglassen
müssen.
Darüber hinaus sind sich Laiendolmetscher/innen in vielen Fällen nicht über die
Wichtigkeit der Beachtung von sozio-kulturellen Gegebenheiten bewusst. So ist es
22
beispielsweise nicht empfehlenswert, bei der Dolmetschung für einen älteren Muslim eine
junge Frau als Dolmetscherin heranzuziehen (vgl. Dussaussois/Mosimann 1998:86f.).
Der Einsatz von Laiendolmetscher/innen kann, insbesondere beim Dolmetschen im
rechtlichen Kontext, auch schwerwiegende Folgen mit sich bringen. Zwar ist dieser
Bereich professionalisiert und gesetzlich abgesichert, jedoch werden in Österreich
aufgrund mangelnder einschlägiger Kodifizierungen immer wieder
Laiendolmetscher/innen eingesetzt (vgl. Marics 2008:96; Pöchhacker 2000a:136).
Marics (2008:122) stellt in ihrer Studie allerdings fest, dass Laiendolmetscher/innen nicht
unbedingt eine schlechte Wahl sind. Die Heranziehung von Laiendolmetscher/innen sollte
sich jedoch lediglich auf weniger förmliche Situationen beziehen. Durch den Einsatz von
Laiendolmetscher/innen kann nicht nur ein vertrauteres Umfeld geschaffen werden,
sondern es können gleichzeitig auch Kosten gespart werden. In komplexeren Situationen
sei aber geraten, professionelle Dolmetscher/innen beizuziehen (ibid.:123). Auch Jekat
(2004:52) spricht in ihrem Artikel von den Unterschieden zwischen professionellen und
untrainierten Dolmetscher/innen. Sie meint, dass in Alltagsgesprächen häufig
Dolmetscher/innen zum Einsatz kommen, die keine translatorische Ausbildung genossen
haben (vgl. Jekat 2004:52). Sie untersuchte Übertragungsmuster von professionellen und
untrainierten Gesprächsdolmetscher/innen und kam zum Ergebnis, dass sowohl
professionelle Dolmetscher/innen als auch untrainierte Zweisprachige dieselben
Übertragungsmuster aufweisen (vgl. Jekat 2004:55). Pöllabauer (2000) ist in ihrem Beitrag
„Nema problema, alles paletti ...? Community Interpreting aus der Sicht von NGOs“ unter
anderem der Frage nach wichtigen persönlichen Eigenschaften von Dolmetscher/innen
nachgegangen. Im Rahmen ihrer Studie ist sie auf folgendes Ergebnis gestoßen: Zu den
wichtigsten Eigenschaften von Dolmetscher/innen zählen Kontaktfreudigkeit, gewandter
Umgang mit Behörden, Interesse für fremde Länder und Kulturen sowie
Vertrauenswürdigkeit. An dritter und vierter Stelle stehen Eigenschaften wie
ausländerfreundlich, große Allgemeinbildung und ein umfassendes Kulturwissen.
Fachwissen, Dolmetschtechnik und Dolmetschausbildung werden unter den Befragten
nicht sehr hoch gewertet. Daraus ist ersichtlich, dass die soziale und kommunikative
Komponente eine wesentlich größere Rolle spielen als die fachlichen bzw. sprachlichen
Kompetenzen (vgl. Pöllabauer 2000:202). Nichtsdestotrotz sollten Dolmetscher/innen,
seien es Konferenzdolmetscher/innen, Gerichtsdolmetscher/innen oder Community
Interperter, über ein „Grundrepertoire an Kompetenzen“ verfügen (vgl. Pöllabauer
2002a:293). Zu diesen Kompetenzen zählen Sprach- und Kulturkompetenz in Ausgangs-
23
und Zielsprache, Vertrautheit mit der Terminologie des Fachbereiches, Transferkompetenz
und Recherchekompetenz. Für Community Interpreter kommen noch zusätzliche
außersprachliche und kulturelle Faktoren hinzu, wie zum Beispiel in emotional belastenden
Situationen zu dolmetschen, in unterschiedlichen Registern zu dolmetschen, sowie der
Umgang mit traumatisierten Klient/innen (vgl. Pöllabauer 2002a:293). Im Bereich des
Community Interpreting ist es daher laut Pöllabauer (2000:200) essenziell, dass
Dolmetscher/innen sowohl sprach- als auch kulturkundliche Kompetenzen besitzen, denn
Urteile oder Diagnosen, die auf mangelnden Sprachkenntnissen oder sprachlichen
Missverständnissen beruhen, können für den/die Auftraggeber/in gravierende Folgen
haben.
Bahadır (2000:211) schreibt, dass die Professionalisierung des Berufes Dolmetscher/in
und/oder Übersetzer/in nur schleppend vorangeht. Das Dolmetschen war jahrzehntelang
als Sache der Migrant/innen bezeichnet worden. Diese Sichtweise besteht auch heute noch,
denn in vielen Kreisen gilt es als selbstverständlich, dass Familienmitglieder oder
Bekannte als natürliche bikulturelle Dolmetscher/innen eingesetzt werden. Für viele ist es
auch von Vorteil, wenn der/die Betroffene seine/ihre Kommunikationskrücken mitbringt,
da dadurch der/die Dolmetscher/in nicht als Profi angesehen werden muss (vgl. Bahadır
2000:212).
Auch im rechtlichen Bereich, der bereits einen gewissen Grad an Professionalisierung
erreicht hat, werden Personen als ad-hoc Dolmetscher/innen vereidigt, obwohl sie keine
translatorische Ausbildung genossen haben (vgl. Prunč 2010:268). Nach Bahadır
(2000:212) befindet sich der deutschsprachige Raum in einer „präprofessionellen Phase
des Dolmetschens“. Da nun der Bereich des Community Interpreting umfassend diskutiert
wurde, soll im Folgenden auf das Handlungsfeld des Polizeidolmetschens eingegangen
werden, das eine Subkategorie bildet.
1.3 Charakteristika und Herausforderungen des Polizeidolmetschens
Seit den 1960er Jahren sind Strafverfolgungsbehörden vermehrt mit der Thematik der
mehrsprachigen Strafverfolgung konfrontiert (vgl. Hofer/General 2012:123), was unter
anderem bedeutet, dass Polizeibeamt/innen bei Vernehmungen zunehmend
Dolmetscher/innen beiziehen mussten (vgl. Perez/Wilson 2007:79). Aufgrund der
fortschreitenden Globalisierung und dem damit in Zusammenhang stehenden erhöhten
Migrationsaufkommen sind der Rechtsbereich bzw. die Ermittlungsbehörden auf
24
qualifizierte Dolmetscher/innen angewiesen, jedoch ist dieser Bereich noch immer eine
Grauzone, in der in erster Linie unqualifizierte Dolmetscher/innen eingesetzt werden (vgl.
Stanek 2011a:11). Das Polizeidolmetschen hat in der Translationswissenschaft laut Böser
(2013:114) im Gegensatz zum Gerichtsdolmetschen bislang wenig wissenschaftliche
Aufmerksamkeit erhalten. Diese Meinung teilen auch Hale und Stanek. Hale (2007:90)
konstatiert, dass dieses Ungleichgewicht wahrscheinlich darauf zurückzuführen ist, dass
das Setting im Gerichtssaal mit seinen vielen Regeln, traditionellen Prozeduren und
Protokollen ein viel interessanteres Forschungsobjekt ausmacht. Stanek (2011b:75) fügt
zudem noch hinzu, dass die wenigen Forschungsarbeiten nicht genügen, um von einer
soliden Grundlagenforschung sprechen zu können. Im Folgenden sollen nun die
Charakteristiken des Polizeidolmetschens besprochen werden.
1.3.1 Charakteristika
Der Großteil der wissenschaftlichen Literatur zum Dolmetschen im rechtlichen Kontext
bezieht sich auf das Gericht und eher weniger auf das polizeiliche Setting (vgl.
Perez/Wilson 2007:79). Zwar gibt es einige wissenschaftliche Arbeiten zur
Polizeidolmetschpraxis, jedoch werden diese anderen Disziplinen zugeordnet, wodurch
auch der Aspekt des Dolmetschens weitgehend unberücksichtigt bleibt. Ein weiterer
Beweis für den gering ausgeprägten Forschungsstand sind die vereinzelt vorhandenen
Erfahrungsberichte von professionellen Dolmetscher/innen oder Behördenvertreter/innen,
welche ohne wissenschaftlichen Bezug verfasst wurden. Nichtsdestotrotz haben all diese
Beiträge laut Stanek (2011b:10) eines gemeinsam: Alle versuchen, auf die Problematik des
Einsatzes unqualifizierter Dolmetscher/innen hinzuweisen und darzulegen, dass klar
festgelegte Standards und eine Abgrenzung der Rolle des Dolmetschers/der Dolmetscherin
bereits längst zwingend nötig sind (ibid.).
In translationswissenschaftlichen Arbeiten liegt der Forschungsschwerpunkt meist auf dem
Gerichtsdolmetschen. Dolmetscher/innen werden aber bereits vor dem Gerichtsverfahren,
zum Beispiel während des Ermittlungsverfahrens, herangezogen. Laut
Translationswissenschaft und Dolmetschverbänden gehört der Bereich des
Polizeidolmetschens zum Einsatzfeld der zertifizierten Gerichtsdolmetscher/innen (vgl.
Stanek 2011a:38, ÖVGD 2018). Auch Pöchhacker zufolge kann das Dolmetschen bei
Gericht und Polizei als eine Einheit betrachtet werden (vgl. Pöchhacker 1997:218).
Nichtsdestotrotz sollen diese Tätigkeitsfelder als Einsatzort der
25
Kommunaldolmetscher/innen gesehen werden, da das Gerichtsdolmetschen ein Teilbereich
des Forschungsfeldes des Community Interpreting ist.
Stanek (2011b:76) konstatiert in ihrem Beitrag, dass die Situation des Polizeidolmetschens
von mangelnden qualitätssichernden Anforderungskriterien und gesetzlichen Regelungen
an Dolmetscher/innen und Übersetzer/innen geprägt ist. Die meisten österreichischen
Gesetze und Regelungen schreiben zwar eine Beiziehung von Dolmetscher/innen für
ausländische und der deutschen Sprache unkundige Personen vor, jedoch nicht die
Hinzuziehung eines/einer hinreichend qualifizierten Dolmetschers/Dolmetscherin (ibid.).
Dieses Phänomen des Einsatzes von unqualifizierten Dolmetscher/innen bestätigen
einzelne wissenschaftliche Studien. Während praktizierende Dolmetscher/innen die
Auswahl von Polizeidolmetscher/innen bemängeln, stellen Polizeibeamt/innen fest, dass
beeidigte Dolmetscher/innen nicht zwingend bessere Dolmetscher/innen sind, weshalb die
Dolmetscher/innen nach eigenen Kriterien ausgewählt werden (ibid.).
Pöchhacker (1997:218) weist darauf hin, dass bei der österreichischen Bundespolizei eine
gesonderte Liste von 500 Dolmetscher/innen vorliegt, die bei Einsätzen herangezogen
werden. Ob diese Listen noch immer Bestand haben, wird im empirischen Teil dieser
Masterarbeit diskutiert. Im Rahmen der StPO1 wurde auch gesetzlich verankert, dass bei
Gericht und bei der Polizei vor allem Personen zu bestellen sind, die in die
Gerichtsdolmetscherliste2 eingetragen sind (vgl. StPO 1975). Zwar sollen gemäß StPO, die
als gesetzliche Grundlage zur Heranziehung von Dolemtscher/innen dient, „vor allem“
Personen, die in eine Dolmetscher/innenliste eingetragen sind, als
Polizeidolmetscher/innen eingesetzt werden (vgl. Ahamer 2013:112), jedoch lässt diese
Formulierung der Polizei freie Hand bei der Auswahl von Dolmetscher/innen (vgl.
ibid.:113).
Ahamer (ibid.) ist der Meinung, dass eine Professionalisierung im Bereich des
Polizeidolmetschens unabdingbar ist. Erst wenn eine bestimmte Ausbildung als
Voraussetzung für die Ausübung einer Tätigkeit gilt, kann dazu eine gesetzliche Grundlage
formuliert werden, die dann den Einsatz von unqualifizierten Bilingualen im Rechtsbereich
ausschließt.
Der/Die beeidete und zertifizierte Gerichtsdolmetscher/in steht speziell für Gerichte und
Behörden – das heißt, auch für die Polizei – zur Verfügung und muss spezifische
1 StPO – Strafprozessordnung 2 Die Gerichtsdolmetscherliste ist eine Liste von beeideten und zertifizierten Gerichtsdolmetscher/innen, die
vom Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz geführt wird und über
http://www.sdgliste.justiz.gv.at/edikte/sv/svliste.nsf/suche online zugänglich ist.
26
Kenntnisse haben (vgl. ÖVGD 2018). Die eben angesprochene Beeidigung ist aber nicht
zwangsläufig eine Garantie für eine ausreichende Qualifikation. Das bedeutet, dass ein/e
beeidigte/r Dolmetscher/in nicht zwingend qualifizierter ist und im Umkehrschluss auch
ein/e nicht beeidigte/r nicht zwingend unqualifiziert (vgl. Stanek 2011a:38f.). Hierbei stellt
sich die Frage, nach welchen Kriterien der/die Polizist/in eine/n Dolmetscher/in auswählt.
Dieser Frage wird unter anderem im Zuge der empirischen Untersuchung nachgegangen.
Die Vernehmung bei der Polizei gehört zur Anfangsphase des gerichtlichen Prozesses und
soll laut Hale (2007:65) nicht unterschätzt werden. Das Recht auf Beiziehung eines
Dolmetschers/einer Dolmetscherin bei der Polizei ist in Australien beispielsweise sogar
noch wichtiger als bei Gericht, da durch gute Dolmetschungen bei den Ermittlungen
Missverständnisse vermieden werden können (vgl. Hale 2007:68).
Für Österreich hält Pöchhacker fest, dass die Kommunikation mit verurteilten
Migrant/innen oft durch Justizwachebeamt/innen oder auch vertrauenswürdige Insassen
mit Fremdsprachenkenntnissen ermöglicht wird. Lediglich Gespräche vor Gericht wurden
von Gerichtsdolmetscher/innen gedolmetscht (vgl. Pöchhacker 1997:219). Die mangelnde
Dolmetschqualität bei Polizei und Gericht ist keine Erscheinung, die nur dem
deutschsprachigen Raum zu schaffen macht, sondern stellt ein europaweites Problem dar
(vgl. Kadrić 2012:106). Doch laut Kadrić (ibid:107) kann dieses Problem nicht alleine der
Polizei zugeschrieben werden, sondern es ist vor allem auf den Mangel an
Dolmetscher/innen für seltene Sprachen zurückzuführen. Obwohl dieser Mangel bereits
länger thematisiert wird, wurden lange keine Initiativen gestartet, um diesem Problem
entgegenzuwirken (ibid.) Seit November 2016 gibt es nun an der Universität Wien einen
Lehrgang zum/zur Akademischen Behördendolmetscher/in und an der Universität Graz
einen Lehrgang zum Kommunaldolmetschen, was als wichtiger Schritt in Richtung
Professionalisierung gesehen werden kann (vgl. UNI Wien).
Laut Stanek (2011a:74) und der translationswissenschaftlichen Literatur sind Beamt/innen
auch zu wenig über die Tätigkeit von Dolmetscher/innen informiert, weshalb viele
Polizeibeamt/innen der Meinung sind, dass jede/r dolmetschen kann, der/die zwei
Sprachen beherrscht.
Um das Dolmetschen bei der Polizei zu professionalisieren, geht es nicht lediglich um die
Ausbildung von professionellen Polizeidolmetscher/innen, sondern auch darum, dass
Polizist/innen geschult werden, um mit Dolmetscher/innen professionell
zusammenarbeiten zu können. Grundsätzlich ist es wichtig, Polizeibeamt/innen und
Dolmetscher/innen die Möglichkeit zu geben, in einer komplementären Partnerschaft als
27
professionelles Team zusammenzuarbeiten, damit die negativen Auswirkungen auf die
Befragung in Zusammenarbeit mit einem/einer Dolmetscher/in minimiert werden und
gleichzeitig allen Beteiligten Gerechtigkeit widerfährt (vgl. Perez/Wilson 2007:93).
Täglich kommen vor europäischen Polizeibehörden, bei Gericht oder in
Gesundheitseinrichtungen rund tausend Dolmetscher/innen zum Einsatz (vgl. Kadrić
2012:93). Kadrić (ibid.:94) schreibt, dass Dolmetscher/innen grundsätzlich dem
normativen Ansatz folgen, das heißt, dass sie die Rolle einer non-person einnehmen.
Dieser Ausdruck beschreibt den Umstand, dass der/die Dolmetscher/in nicht als Person
auftritt, agiert oder denkt, sondern lediglich treu und gewissenhaft überträgt (ibid.). Vor
diesem Hintergrund entsteht möglicherweise mangelndes Vertrauen in Dolmetscher/innen
seitens der Polizei. Denn Untersuchungen haben ergeben, dass bei polizeilichen Verhören
anstelle der Rolle des Dolmetschers/der Dolmetscherin eher die Rolle des/der
Hilfspolizist/in oder Ermittlungshelfer/in wahrgenommen wird (ibid.). Nichtsdestotrotz
wird den Dolmetscher/innen zugestanden, dass durch ihre Einbringung in die
Kommunikation Missverständnisse vermieden und dadurch auch zusätzliche
Informationen gewonnen werden können (ibid.).
Sirol (2011:51f.) ist der Meinung, dass nur Personen, die über umfassende Sprach- und
Kulturkenntnisse verfügen, in der Lage sind, diesen Beruf professionell auszuüben. Eine
noch wichtigere Anforderung sind jedoch die Bedürfnisse des Auftraggebers/der
Auftraggeberin. Deshalb kann man laut Sirol (ibid.) im Tätigkeitsbereich der Polizei nur
dann Erfolg haben, wenn die Anliegen der Auftraggeber/innen in den Mittelpunkt gestellt
werden. Das heißt, dass der/die Dolmetscher/in auf Wunsch der Auftraggeber/innen
seine/ihre sprachlichen und kulturellen Kenntnisse an die Anforderungen und
Besonderheiten einzelner Situationen anpassen können sollte. Gleichzeitig sollte jedoch
jedem/jeder Dolmetscher/in bewusst sein, dass er/sie die Rolle des/der Sprachmittler/in
übernimmt und nicht die Rolle eines/einer interkulturellen Vermittlers/in, Rechtsberaters/in
oder gar Verteidigers/in (vgl. Sirol 2011:52). Nachdem die Rolle des
Polizeidolmetschers/der Polizeidolmetscherin unterschiedlich wahrgenommen wird, soll
im Folgenden ein Überblick über die Rollenverständnisse gegeben werden.
1.3.2 Rollenverständnis
Polizeibeamt/innen sind auf spezifische Befragungstechniken trainiert und müssen nach
einem bestimmten Prozedere vorgehen (vgl. Perez/Wilson 2007:81), worüber sich
28
Dolmetscher/innen im Vorfeld im Klaren sein müssen. Ein angesichts dieser Tatsache
oftmals auftretendes Problem unprofessioneller Polizeidolmetscher/innen ist das
mangelnde Wissen über die Rolle der Dolmetscher/innen im Rahmen der Vernehmung.
Ihnen fehlt es an Dolmetschtechniken und Berufsethik, denn viele denken, dass sie die
Rolle eines Hilfssheriffs einnehmen, wenn sie bei der Polizei dolmetschen (vgl. Ahamer
2013:113). Ebenso schreibt Istomina (2000), dass unausgebildete Dolmetscher/innen bei
der Polizei die Aufklärung von Straftaten, in welche ausländische Tatverdächtige
verwickelt sind, verlangsamen können. Ähnlich wie Ahamer (2013:113) konstatiert sie,
dass Dolmetscher/innen bei Verhören anstelle der Rolle des Dolmetschers/der
Dolmetscherin eher in die Rolle des Hilfspolizisten/der Hilfspolizistin schlüpfen.
Der deutsche Kommunikationswissenschaftler und Soziologe Reichertz Jo (1998:273) hat
in einer Untersuchung die unterschiedlichen Rollen, die ein/e Dolmetscher/in einnehmen
kann, beleuchtet und kommt zu folgendem Schluss:
Mal sitzt der Dolmetscher beim Beschuldigten, mal neben dem Polizisten, mal zwischen den
Parteien. Mal definiert er sich als Übersetzungsmaschine, mal als Kulturtransformator, mal
als Hilfspolizist, mal als Anwalt, mal als Ankläger, mal als Aushändler in Sachen kultureller
Normalität. Mal wird er behandelt als Experte mit Insiderwissen, mal als Komplize, mal als
Sprachcomputer, mal als Handlanger. (Reichertz 1998:273.)
Welche Rolle vom/von der Dolmetscher/in nun tatsächlich eingenommen wird, hängt von
der Person und ihrer Qualifikation ab. Laut Kadrić (2012:94f.) ist diese Rolle sehr
komplex, weshalb es so enorm wichtig ist, die Aufgaben und die geforderte Qualität der
Dolmetschung systematisch darzulegen.
Wadensjös’ (1998) bahnbrechende Leistung bei der Systematisierung der
Dolmetscher/innenrolle in dialogischen Interaktionen und deren Aufgaben hat gezeigt,
dass polizeilichen Vernehmungen von zwei voneinander abhängigen und gegenseitig
beeinflussenden Aktivitäten geprägt werden, und zwar der Gesprächskoordination und der
Gesprächswiedergabe. Daraus schließt Wadensjö (ibid.:27ff.), dass der/die Dolmetscher/in
als „interpreter, broker, middleman, mediator“ wahrgenommen wird.
Auch Sami Sauerwein (2006:35) beschäftigte sich mit den unterschiedlichen Rollen des
Dolmetschers/der Dolmetscherin. Sie kam nach umfangreichen literarischen Analysen3 im
Bereich des Community Interpreting zum Schluss, dass Dolmetscher/innen als
Gesprchächsmanager/innen, Sprachumwandler/innen, Kulturmittler/innen und auch als
dritte aktive Partei gesehen werden (ibid.). Der/Die Gesprächsmanager/in übernimmt
3 Sauerweins Analyse basiert u.a. auf rezipierter Literatur von Knapp/Knapp-Potthoff 1986; Wadensjö 1992; Gentile 1996; Berk-Seligson 1990; Donk 1994; Harris/Sherwood 1978
29
während einer Interaktion eine gesprächsorganisierende Tätigkeit und koordiniert den
Gesprächsverlauf. Der/Die Kulturmittler/in greift aktiv in die Interaktion ein, in dem er/sie
kulturspezifische Unterschiede erläutert und dadurch hilft, Missverständnisse zu
vermeiden. Daraus lässt sich schließen, dass neben dem Sprachumwandeln auch ein
aktives Sich-Einbringen stattfindet, wodurch die Kommunikation stark beeinflusst wird
(vgl. Kadrić 2012:95). Die Rolle des/der Dolmetscher/in hat laut Kadrić (ibid.) einen
großen Handlungsspielraum, der unterschiedlich mit Inhalten gefüllt wird. Der Verlauf
eines polizeilichen Ermittlungsverfahrens und dessen Güte sind insbesondere von der
Qualität der Dolmetschung abhängig (ibid.). Die Qualität des Inhalts hängt alleine
vom/von der Dolmetscher/in und dessen/deren Qualifikation und Selbstverständnis ab
(ibid.).
Professionelle Dolmetscher/innen sind für Kadrić jene, die eine fünfjährige Ausbildung an
einer Universität genossen haben. Semi-professionelle sind hingegen sprachkundige
Personen mit Berufserfahrung, die sich einer Überprüfung bei der
Zertifizierungskommission unterzogen haben. Personen, die diesen beiden Gruppen
angehören und eine Prüfung ablegen, sind in die Gerichtsdolmetscher/innenliste
eingetragen. Des Weiteren ist zu bedenken, dass Sicherheitsbehörden auch in Fällen, in
denen qualifizierte Dolmetscher/innen verfügbar wären, zu nicht-professionellen
Dolmetscher/innen greifen (vgl. Kadrić 2004:81f.). Kadrić (ibid.:82) ist der Meinung, dass
nicht-professionelle Dolmetscher/innen dolmetschtechnisch oder sprachlich nicht
zwingend versagen müssen. Das Problem manifestiert sich darin, dass sich diese Personen
meist ihrer Rolle nicht bewusst sind und nicht wissen, welche Erwartungen an sie gestellt
werden (ibid.). Welche Erwartungen bzw. Anforderungen an Polizeidolmetscher/innen
gestellt werden und mit welchen Herausforderungen man in diesem Bereich konfrontiert
wird, soll im folgenden Kapitel diskutiert werden.
1.3.3 Herausforderungen und Anforderungen
Die Anforderungen, die den Dolmetscher/innen bei der Polizei gestellt werden, sind sehr
vielfältig. So zählen zu den Aufgaben eines Dolmetschers/einer Dolmetscherin bei der
Polizei das Informieren von Beschuldigten über deren Rechte, das Vernehmen von
Beschuldigten oder Zeug/innen, das Transkribieren von Telefongesprächen, das Vom-
30
Blatt-Übersetzen von Dokumenten und auch die Korrespondenz mit ausländischen
(Polizei-)Behörden (vgl. Pöllabauer 2005:29).
Wie bereits erwähnt, ist das Tätigkeitsfeld von Polizeidolmetscher/innen sehr vielfältig.
Unter anderem gehört dazu auch die telefonische Überwachung. Dabei sind
Sprachkenntnisse auf einem hohen fachlichen Niveau nicht besonders gefragt. Wichtig
sind vielmehr Kenntnisse des verwendeten Dialektes, Kultolektes und Regiolektes. In
diesem Sinne kommt es bei solchen Dolmetschungen nicht nur zur wortgetreuen
Übertragung, sondern auch zu einer sinngemäßen Interpretation (vgl. Sirol 2011:49).
Andererseits erfordert das typische Dolmetschen bei Einvernahmen neben einer guten
Sprachkompetenz auch Einfühlungsvermögen und Fingerspitzengefühl (vgl. Sirol
2011:49). Vielen Dolmetscher/innen jedoch mangelt es Istomina (2000:o.S.) zufolge an
kriminalistischem Verständnis und Feingefühl. Dadurch verhalten sie sich ungeschickt und
verspielen somit das Vertrauen der Beschuldigten. Durch mangelndes Vertrauen bleiben
wiederum Informationen verborgen (ibid.).
Polizeidolmetscher/innen können zu jeder Tages- oder Nachtzeit angefordert werden. Die
Dauer des Einsatzes hängt von der Befragungs- oder Verhördauer ab, wobei diese
durchaus acht bis neun Stunden dauern kann (vgl. Ahrens/Kalina 2014:187). Der/Die
hinzugezogene Dolmetscher/in arbeitet in dieser Zeit als Einzelperson, was auch eine
große psychische und physische Belastung darstellen kann.
Des Weiteren haben Polizeidolmetscher/innen kaum Möglichkeiten, sich auf einen Einsatz
vorzubereiten. Einerseits aufgrund der Kurzfristigkeit, andererseits aber auch aufgrund
unterschiedlicher Befragungs- und Verhörstrategien (vgl. Ahrens/Kalina 2014:187).
Das Dolmetschen bei der Polizei hat laut Tipton und Furmanek zwei gegensätzliche
Aspekte, die Dolmetscher/innen bewegen, sich dieser Tätigkeit zu widmen oder von ihr
abzuwenden. Einerseits sind es die unsozialen Arbeitszeiten und auch lange, intensive
Befragungen von inhaftierten Personen, Zeug/innen und Opfern, die abschreckend wirken,
andererseits machen aber die Unvorhersehbarkeit und Vielfalt der polizeilichen Arbeit
dieses Handlungsfeld attraktiv (vgl. Tipton/Furmanek 2016:38).
Die Problematik, dass bei rechtlichen Settings unprofessionelle Dolmetscher/innen
herangezogen werden, ist weitverbreitet (vgl. Istomina 2000:o.S.). Ahrens und Kalina
(2014:191) sind der Meinung, dass die definierten Standards für das
Konferenzdolmetschen auch für das Polizeidolmetschen gelten sollten. Denn laut diesen
Kodizes sollen professionelle Dolmetscher/innen unvoreingenommen, verlässlich, loyal,
objektiv und vertrauenswürdig gegenüber ihren Auftraggeber/innen handeln.
31
Ebenso ist es wichtig zu erwähnen, dass Polizist/innen den Dolmetscher/innen häufig kein
Vertrauen schenken, da die gegenseitigen Erwartungen nicht klar definiert sind.
Dolmetscher/innen, die einem einschlägigen Berufsverband angehören, unterliegen
bestimmten berufsethischen Regeln, was viele Polizist/innen nicht wissen. Deshalb ist es
wichtig, dass der/die Dolmetscher/in und der/die Polizist/in ihre jeweiligen Erwartungen
klar definieren und sich gegenseitig darüber informieren, damit beiderseitiges Vertrauen
aufgebaut werden kann (vgl. Ahrens/Kalina 2014:191f.).
Mulayim et al. (2015) publizierten ein berufsorientiertes Fachbuch zum Thema
Dolmetschen bei der Polizei, in welchem Arbeitsvorschläge für die Zusammenarbeit
zwischen Dolmetscher/innen und Polizist/innen zu finden sind. Die Autor/innen (2015:10)
gehen in ihrem Werk zum Polizeidolmetschen davon aus, dass das sofortige Verstehen und
Verdolmetschen kontextbezogener Bedeutungen von einer Sprache in die andere zu den
Kernkompetenzen eines Dolmetschers/einer Dolmetscherin gehören. Der/Die
Dolmetscher/in soll alles, was von den Parteien gesagt wird, so genau und so vollständig
wie möglich dolmetschen, denn die Parteien entscheiden selbst, was sie hören wollen.
Diese Entscheidung obliegt nicht dem/der Dolmetscher/in (ibid.). Ergänzungen oder
Auslassungen, die Einfluss auf die Beziehung zwischen den Gesprächsparteien nehmen
können, sind zu vermeiden. Dieser Erwartung sollen Dolmetscher/innen Folge leisten
(ibid.:10f.). Die Autoren sind der festen Überzeugung, dass ein solches Bewusstsein und
dadurch auch das angemessene Verhalten entscheidende Qualitätsindikatoren für das
Dolmetschen, auch bei der Polizei, sind (ibid.:11). Damit dieses Bewusstsein geschaffen
werden kann, sind folgende Voraussetzungen erforderlich: „Bilingualism, Biculturalism
[and] Transfer skills“ (vgl. Mulayim et al. 2015:11). Mit Bilingualism ist das Beherrschen
zweier Sprachen – Grammatik, Register, Dialekt – gemeint. Gefordert sind also ein
ausgezeichnetes Verständnis beider Sprachen und die Fähigkeit, sie in unterschiedlichen
Kontexten angemessen zu nutzen. Personen, die zweisprachig sind, verwenden meist im
Beruf, in der Schule oder im Alltag eine Sprache als Hauptsprache und die zweite als
Nebensprache im familiären Umkreis. Den Autoren zufolge impliziert diese Art von
Zweisprachigkeit, dass diese Personen meist nicht in der Lage sind, beide Sprachen in
allen Kontexten einzusetzen (vgl. Mulayim et al 2015:12). Andererseits heißt dies nicht,
dass diese bilingualen Personen nicht als Dolmetscher/innen geeignet sind, denn Mulayim
et al. (2015:12) betonen, dass die Sprache nur ein Bruchteil der Kernkompetenzen zum
Dolmetschen ist.
32
Zum Kriterium Biculturalism meinen die Autoren, dass das Wissen über eine Kultur mit
der Sprache einhergeht. Das bedeutet, ein/e Dolmetscher/in sollte nicht nur ausgezeichnete
Sprachkenntnisse haben, sondern auch ausgezeichnete Kenntnisse über die Kultur der
jeweiligen Sprachen. Grundwissen über die Kultur impliziert aber nicht nur die Kenntnis
über Gepflogenheiten, Werte und Traditionen, sondern auch Wissen im wirtschaftlichen,
administrativen, rechtlichen und sozialen Bereich. Insbesondere für
Polizeidolmetscher/innen sind Kenntnisse im rechtlichen Bereich sowie ein rechtlicher
Sprachjargon unabdingbar (vgl. Mulayim et al 2015:13).
Zweisprachigkeit und Wissen über eine Kultur befähigen aber noch nicht dazu, als
Dolmetscher/in tätig zu werden. Als wichtige Kriterien erweisen sich auch das Anpassen
an das jeweilige Dolmetschsetting und das Beherrschen unterschiedlicher
Translationstechniken. Bei der Polizei kommt größtenteils das konsekutive Dolmetschen
zum Einsatz (vgl. Mulayim et al 2015:15).
Ahrens und Kalina präsupponieren, dass Polizeidolmetscher/innen auch Risiken ausgesetzt
sind. Die beiden Translationswissenschaftlerinnen weisen darauf hin, dass einerseits
seitens der Exekutive auf Datenschutz in Bezug auf den/die Dolmetscher/Dolmetscherin zu
achten ist, und es andererseits gilt, die physische Integrität des/der Polizeidolmetscher/in
zu schützen. Jede Situation sollte vorab bewertet werden, was bedeutet, dass dem/der
Dolmetscher/in eine sichere Sitzposition gegeben und der/die Dolmetscher/in nie alleine
mit dem/der Beschuldigten im Raum gelassen wird. Des Weiteren sollen auch keine
Waffen im Verhörraum gelassen werden. Wenn der/die Dolmetscher/in während des
Verhörs verbal oder physisch bedroht wird, soll er/sie diese Drohung vollständig
dolmetschen, wobei der/die Polizeibeamte/in entsprechend darauf zu reagieren hat (vgl.
Ahrens/Kalina 2014:188).
Für den/die Dolmetscher/in bei der Polizei ist es besonders wichtig, alles zu übertragen,
was gesagt wird, auch wenn Fragen und Antworten mehrmals wiederholt werden – denn
diese Vorgehensweise kann Teil einer bestimmten Vernehmungstaktik sein. Diese
unterschiedlichen Vernehmungsmethoden führen auch zu Problemen, da die spontanen
und überraschenden Fragen seitens des Polizisten/der Polizistin nicht, wie mittels der
Befragungstechnik intendiert, beim/bei der Befragten ankommen und Letztere/r somit Zeit
für Überlegungen bekommt (vgl. Westhagen 2012:506). Eine wichtige Aufgabe des
Polizeidolmetschers/der Polizeidolmetscherin ist es auch, die Mimik und Gestik zu
übertragen, damit körperliche Reaktionen gedeutet werden können (ibid.).
33
Susanne Fischer, öffentlich bestellte und beeidigte Dolmetscherin für Italienisch in Bayern,
dolmetscht gelegentlich auch bei der Polizei. Sie schreibt in ihrem Artikel über fünf
unterschiedliche Herausforderungen des Polizeidolmetschens (vgl. Fischer 2011:87). Als
erstes werden sprachliche Missverständnisse angeführt. Dazu meint Fischer, dass diese
spontan entstehen können, beispielsweise durch Hörfehler, Dialekt und
Doppelbedeutungen in Ausgangs- und Zielsprache. Solche Missverständnisse können
harmlos sein, aber auch schwerwiegende Folgen nach sich ziehen (ibid.:88). Als zweiten
Punkt nennt Fischer interkulturelle Missverständnisse. In diesem Zusammenhang erwähnt
die Autorin, dass ein gezieltes Nachfragen und zusätzliche Erläuterungen diesen
Missverständnissen vorbeugen können (ibid.89). Als dritten Punkt werden Vorurteile
genannt. Laut Fischer (ibid. 89) soll der/die beeidete Dolmetscher/in alle Aussagen treu
und gewissenhaft übertragen. Demnach müssen auch Beleidigungen und Anschuldigungen
gedolmetscht werden. Dem Berufsethos folgend und aufgrund der Neutralität soll sich
ein/e Dolmetscher/in während des Einsatzes nicht zum Gespräch äußern, weshalb Fischer
bei der Verdolmetschung rät, dass man sich distanziert, in dem man von der 1. Person in
die 3. Person wechselt und 1:1 dolmetscht (vgl. Fischer 2011:89f.). Der vierte Punkt ist die
nonverbale Kommunikation. Insbesondere im Rahmen der Wahrheitsfindung bei der
Polizei oder vor Gericht ist es laut Fischer wichtig, auch auf die nonverbale
Kommunikation zu achten, denn oft ist es für die Betroffenen peinlich, über bestimmte
Themen zu sprechen. Sie meint, dass nonverbal verschlüsselte Hinweise aufgegriffen
werden sollten, denn der Dolmetscher fungiert als Sprachohr für die beteiligten Personen
(vgl. Fischer 2011:90). Als fünften Punkt nennt Fischer die äußere Erscheinung und die
persönliche Wahrnehmung. Zu diesem Punkt konstatiert Fischer, dass die erste
Wahrnehmung und Einschätzung des/der Betroffenen das Gespräch beeinflussen können.
Als Beispiel nennt sie den Umgang mit Emotionen – wie geht der/die Polizist/in mit
emotional aufgeladenen Gesprächen um (vgl. Fischer 2011:91). Zusammenfassend für
Fischer kann gesagt werden, dass der/die Polizeidolmetscher/in kulturelle Unterschiede
erkennen und diese durch zusätzliche Erklärungen erläutern sollte. Wichtig dabei ist, dass
auch auf die Grund- und Menschenrechte geachtet wird und in Bezug auf persönliche
Einschätzungen mit Zurückhaltung umgegangen werden soll (vgl. Fischer 2011:92).
Betrachtet man die in Bezug auf das Polizeidolmetschen bestehende praxisorientierte
Literatur, kann zusammenfassend gesagt werden, dass laut der mehrheitlichen
wissenschaftlichen Meinung die Kernaufgabe eines Polizeidolmetschers/einer
34
Polizeidolmetscherin das wortgetreue und neutrale Dolmetschen von Fragen und Aussagen
in einem Gespräch ist. Seine/Ihre Aufgabe ist es nicht, kulturbedingte Beweggründe für
eine Straftat zu erklären. Diese Aufgabe obliegt ausnahmslos dem/der Verteidiger/in. Sirol
(2011:51) schreibt dazu, dass Dolmetscher/innen vor Ort sind, um zu dolmetschen, ohne
eigene Bemerkungen, Ergänzungen und Meinungen einfließen zu lassen oder Inhalte
wegzulassen. Daraus lässt sich schließen, dass die Möglichkeiten und Grenzen eines
Polizeidolmetschers/einer Polizeidolmetscherin klar umschrieben sind (ibid.). Wichtig bei
der Verdolmetschung ist, dass sie protokollfähig ist. Das bedeutet, dass der/die
Dolmetscherin in einem Tempo sprechen soll, das für den/die Protokollführer/in
akzeptabel ist. Das Protokoll ist für den/die Betroffene/n von hoher Wichtigkeit, da nach
dem Gespräch lediglich das zählt, was niedergeschrieben wurde. Dabei muss dem/der
Polizeidolmetscher/in bewusst sein, dass er/sie nicht dazu da ist, Texte zu beschönigen.
Auch die Unterscheidung von wichtigen und unwichtigen Aussagen obliegt nicht dem/der
Dolmetscher/in. Man verdolmetscht alles in einer verständlichen, strukturierten Sprache
(vgl. Sirol 2011:51).
Da nun der Bereich des Polizeidolmetschens erläutert wurde, wird im nächsten Kapitel
zunächst auf die österreichische Polizei eingegangen. Danach werden die rechtlichen
Grundlagen in Bezug auf die Rechte auf Dolmetscher/innen und Dolmetschleistungen
umfassend dargelegt.
2 Die österreichische Polizei als Dolmetsch-Setting
Das Dolmetschen bei der Polizei ist ein sehr interessantes Forschungsgebiet. Zunächst soll
in diesem Kapitel die Tätigkeit der österreichischen Polizei vorgestellt werden. Danach
soll dargelegt werden, welchen Rechtsanspruch auf Dolmetscher/innen bzw.
Dolmetschleistungen es in Österreich prinzipiell gibt. Des Weiteren soll in diesem Kapitel
auch auf die polizeiliche Vernehmung und die Rekrutierung von Dolmetscher/innen
eingegangen werden.
2.1 Die österreichische Polizei und Statistik
Die österreichische Bundespolizei ist ein größtenteils uniformierter und bewaffneter
Wachkörper in Österreich. Die Polizei ist neben anderen Sicherheitsbehörden
(Bundeskriminalamt, Cobra, usw.) unter der Leitung des Innenministeriums für die
35
Verrichtung des Exekutivdienstes zuständig (vgl. BM.I. 2018). Die Aufgaben der Polizei
sind vielseitig, anspruchsvoll und abwechslungsreich. Hauptaufgabe der Polizei ist die
Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung (vgl. polizei.gv.at 2018,
SPG §3). Zusätzlich soll die Polizei „Ansprechpartnerin, Konfliktmanagerin und
Ratgeberin, aber auch Vollzieherin der Gesetze sowie Garantin der Menschenrechte und
Schützerin der Bevölkerung vor Kriminalität sein“ (vgl. BM.I. 2018). In das
Aufgabengebiet der Polizei fallen neben der Aufrechthaltung der öffentlichen Ruhe
beispielsweise auch der Verkehrs- und Kriminaldienst sowie die Mitwirkung bei der
Vollziehung von Bundes- und Landesgesetzen. Die Polizei ist auch als Unterstützung für
Gerichte, Staatsanwaltschaften und Verwaltungsbehörden zu sehen (vgl. BM.I. 2018).
Wie die Kriminalstatistik des österreichischen Bundeskriminalamts zeigt, ist die
Gesamtkriminalität in Österreich in den letzten Jahren leicht rückläufig (vgl. BK 2017:6).
In konkreten Zahlen wurden 2017 bei der Polizei 510.536 Anzeigen bearbeitet. Davon
konnten 255.581 geklärt und 270.630 Tatverdächtige ausgeforscht werden. Letztere teilen
sich in 60,9 Prozent inländische und 39,1 Prozent fremde Tatverdächtige (vgl. BK
2017:20). Anhand dieser Zahl kann man bereits erahnen, wie oft es die Polizei mit
ausländischen Personen zu tun hat und wie oft Dolmetscher/innen eingesetzt werden
könnten. Da aber bei diesen Zahlen lediglich zwischen Österreicher/innen und
Ausländer/innen unterschieden wird, kann man hier nicht von absoluten Zahlen sprechen.
Denn weitere Bedarfsträger/innen von Dolmetschleistungen sind auch österreichische
Tatverdächtige mit Migrationshintergrund.
Das Recht auf die Beiziehung von Dolmetscher/innen und/oder Dolmetschleistungen wird
in unterschiedlichen Gesetzen festgehalten. Da sich diese Masterarbeit mit den
Dolmetschenden bei der Polizei beschäftigt, sollen Bestimmungen bzw. Gesetze, die für
diesen Bereich relevant sind, aufgezeigt werden.
2.2 Rechtliche Grundlagen
Laut Kadrić (2009:65) regeln sowohl nationale als auch internationale Bestimmungen die
Hinzuziehung von Dolmetscher/innen. Einige Gesetze und Konventionen bestimmen das
Recht auf eine/n Dolmetscher/in und einige halten explizit das Recht auf
Dolmetschleistungen fest. All diese Gesetze und Bestimmungen haben aber etwas
Gemeinsames – sie beziehen sich auf den Einsatz von Dolmetscher/innen im
Strafverfahren und bei Gericht.
36
Auf internationaler Ebene spricht man bei rechtlichen Bestimmungen meist von
Konvention, Richtlinien, Grundrechtskatalogen usw., die von diversen Staatenverbünden
oder internationalen Organisationen verfasst und von allen Mitgliedern unterzeichnet
wurden. Dazu zählen unter anderem die Europäische Union, das Europäische Parlament
oder die Europäische Kommission. Auch Staatsverträge zählen zu den internationalen
Bestimmungen. All diese internationalen Rechtsgrundlagen werden von den Ländern auf
nationaler Ebene in verfassungsgesetzliche Bestimmungen übernommen und in die
nationale Rechtslegung eingegliedert, wie z.B. Verwaltungsgesetze, Regulierungen zum
Straf- oder Zivilverfahren sowie Prozessordnungen (ibid.).
Bei den folgenden Bestimmungen handelt es sich um die Sicherstellung eines fairen
Verfahrens und des rechtlichen Gehörs. Da die Kommunikation zwischen Polizei,
Behörden oder Gericht und einer fremdsprachigen Person nur durch eine Dolmetschung
möglich ist, implizieren die Bestimmungen auch das Recht auf eine/n Dolmetscher/in.
Zugleich werden auch die Rechte der Fremdsprachigen gewahrt. Wichtig ist hierbei zu
bedenken, dass das Recht auf ein faires Verfahren nur dann gewährleistet werden kann,
wenn eine reibungslose Kommunikation zwischen Polizei/Behörde/Gericht und
fremdsprachiger Person gegeben ist (vgl. Kadrić 2009:67).
2.2.1 Internationale Bestimmungen
In Österreich wurde auf das Recht auf Dolmetschung erstmals im Staatsvertrag von Saint-
Germain (1919) hingewiesen. Der Staatvertrag von Saint-Germain (vgl. StGBl. 1920/303)
regelt unter Abschnitt V den Schutz der Minderheiten innerhalb Österreichs. Laut Artikel
66 Absatz 1 dieses Abschnittes haben alle „österreichischen Staatsangehörigen ohne
Unterschied der Rasse, der Sprache oder Religion“ die gleichen politischen und
bürgerlichen Rechte. Des Weiteren wird im selben Artikel auch festgehalten, dass „nicht
deutschsprechenden österreichischen Staatsangehörigen angemessene Erleichterungen
beim Gebrauche ihrer Sprache vor Gericht in Wort oder Schrift geboten werden“ (vgl.
Staatsvertrag StGBl. 1920/303).
Auch der Staatsvertrag von Wien (vgl. BGBl. 1955/152) regelt unter Artikel 6, dass „allen
unter österreichischer Staatshoheit lebenden Personen ohne Unterschied von Rasse,
Geschlecht, Sprache oder Religion“ die gleichen Rechte zugesichert werden (vgl.
Staatsvertrag BGBl. 1955/152 Artikel 6). Für die in Österreich lebende slowenische und
37
kroatische Minderheit besagt Artikel 7, dass sie das Recht auf ihre eigene Sprache haben
und dass Slowenisch bzw. Kroatisch neben dem Deutschen als Amtssprache in den
Verwaltungs- und Gerichtsbezirken Kärnten, Steiermark und Burgenland gilt (vgl.
Staatsvertag BGBl. 1995/152 Artikel 7). Zusammenfassend kann zu diesen beiden
Staatsverträgen gesagt werden, dass sie allen österreichischen Staatsangehörigen – egal
welcher Angehörigkeit – die gleichen Rechte einräumen. Somit haben in Österreich all
jene Personen, welche die deutsche Sprache nicht oder nur unzureichend beherrschen, das
Recht auf die Inanspruchnahme von Dolmetscher/innen.
Beide Staatsverträge – der Staatsvertrag von Saint-Germain und der Staatsvertrag von
Wien – bilden eine völkerrechtliche Bindung und wurden in das österreichische
Verfassungsrecht übernommen. Das bedeutet, dass jede/r österreichische Staatsbürger/in
aus diesen Bestimmungen direkte Ansprüche ableiten kann (vgl. Kadrić 2009:68f.). Bei
einem genaueren Blick bemerkt man, dass lediglich österreichische Staatsbürger/innen von
diesem Recht Gebrauch machen können und Immigrant/innen, Flüchtlinge usw., die
ebenfalls einer Dolmetschung bedürfen, nicht berücksichtigt werden.
Als weitere Bestimmung im Zusammenhang mit Recht auf Dolmetscher/innen ist die
Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
(BVG BGBl 1964/59) anzusehen, welche seit 1953 gilt (vgl. Ahrens/Kalina 2014:181).
Diese Konvention gehört zu den bedeutendsten Bestimmungen, die mit dem Recht auf
Dolmetschung und Dolmetschleistung in Verbindung gebracht werden. Die EMRK regelt
in Artikel 1, dass die Rechte nicht nur auf die eigenen Staatsbürger/innen beschränkt sind,
sondern allen Menschen, die sich innerhalb einer Jurisdiktion aufhalten, zugesprochen
werden. Die Bestimmungen der EMRK wurden in Österreich ins innerstaatliche Recht
übernommen, wodurch die Rechte auf nationaler Ebene gewährleistet werden können (vgl.
Kadrić 2009:70). Des Weiteren werden in den unterschiedlichen Artikeln der EMRK,
beispielsweise in den Artikeln 5, 6 und 14, auch die Rechte fremdsprachiger Personen
geregelt:
Artikel 5 „Recht auf Freiheit und Sicherheit“ besagt:
(2) Jeder Festgenommene muß [sic!] unverzüglich und in einer ihm verständlichen Sprache
über die Gründe seiner Festnahme und über die gegen ihn erhobenen Beschuldigungen
unterrichtet werden [...]. (EMRK Artikel 5)
Das hieraus abzuleitende Recht kann unmittelbar auf den Bereich des Polizeidolmetschens
umgelegt werden. Jedoch lässt die Formulierung „in einer ihr verständlichen Sprache“
großen Handlungsspielraum, denn sie impliziert nicht den Anspruch auf eine
38
Dolmetschung in der Muttersprache, sondern lediglich eine dem/der Betroffenen
„verständlichen“ Sprache (vgl. Kadrić 2009:71).
Artikel 6 „Recht auf ein faires Verfahren“ besagt:
(3a) Jede angeklagte Person hat mindestens folgende Rechte:
innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten
über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden [...].
(EMRK, Artikel 6)
(3e) [...] unentgeltliche Beiziehung eines Dolmetschers [...], wenn der Angeklagte die
Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder sich nicht darin ausdrücken kann.
(EMRK Artikel 6)
Dieser Artikel beschreibt zwar nur die Situation bei Gericht, kann aber auch auf das
Dolmetschen bei der Polizei umgelegt werden, da die Polizei als eine Vorstufe des
Gerichts angesehen werden kann.
In Artikel 14 der EMRK zum Diskriminierungsverbot wird festgehalten, dass niemand
„wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion, der
politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, der
Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt oder eines
sonstigen Status“ benachteiligt oder diskriminiert werden darf. Dieses Verbot gilt auch vor
Behörden, woraus für die polizeiliche Tätigkeit Folgendes abgeleitet werden kann: Bei
jeder Person, der aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse Nachteile entstehen könnten, ist
ein/e Dolmetscher/in heranzuziehen. In der EMRK wird zwar nicht explizit das Recht auf
Dolmetschung angesprochen, sie impliziert aber dennoch den Einsatz von
Dolmetscher/innen, wodurch die Rechte von fremdsprachigen Personen gesichert werden.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Europäische Menschenrechtskonvention
aufgrund ihrer umfassenden Garantien das „grundlegende Dokument zur Regelung des
Anspruchs auf Dolmetschung“ ist (vgl. Kadrić 2009:72).
Seit Oktober 1999 sind oben genannte Vorgaben auch auf EU-Ebene verbindlich zu
erfüllen (vgl. Ahrens/Kalina 2014:181). 2004 veröffentlichte die Europäische Kommission
einen Rahmenbeschluss zu bestimmten Verfahrensrechten innerhalb der EU, in welchem
„der Zugang zu Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen vor und während eines
Verfahrens sowie Forderungen zur Ausbildung, Qualifikation und Zertifizierung von
Dolmetscher/innen und Übersetzer/innen geregelt sind“ (ibid.). 2010 wurde dieser
Rahmenbeschluss in einer Richtlinie festgehalten. Die europäische Richtlinie 2010/64/EU
39
des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates regelt in Artikel 2 das Recht auf
Dolmetschleistungen. Dieses Recht unterstreicht die Wichtigkeit von Dolmetschleistungen
bei polizeilichen Vernehmungen:
(1) Die Mitgliedsstaaten stellen sicher, dass verdächtigen oder beschuldigten Personen, die
die Sprache des betreffenden Strafverfahrens nicht sprechen oder verstehen, unverzüglich
Dolmetschleistungen während der Strafverfahren bei Ermittlungs- und Justizbehörden
einschließlich während polizeilicher Vernehmungen, sämtlicher Gerichtsverhandlungen
sowie aller erforderlicher Zwischenverhandlungen, zur Verfügung gestellt werden [...].
(Richtlinie 2010/64/EU)
Des Weiteren wird in derselben Richtlinie in Artikel 3 das Recht auf die Übersetzung
wesentlicher Unterlagen geregelt:
(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass verdächtige oder beschuldigte Personen, die die
Sprache des Strafverfahrens nicht verstehen, innerhalb einer angemessenen Frist eine
schriftliche Übersetzung aller Unterlagen erhalten, die wesentlich sind, um zu
gewährleisten, dass sie imstande sind, ihre Verteidigungsrechte wahrzunehmen, und um ein
faires Verfahren zu gewährleisten [...]. (Richtlinie 2010/64/EU)
Ein wesentlicher Bereich wird in den Artikeln 2 und 5 geregelt, nämlich die Qualität der
Dolmetschleistungen. Die genannten Artikel besagen, dass eingesetzte Dolmetscher/innen
in ihrer Tätigkeit eine ausreichende Qualität aufweisen müssen, damit ein faires Verfahren
gewährleistet werden kann. Damit Qualitätsstandards eingehalten werden können,
empfiehlt Artikel 5, Absatz 2, dass die Mitgliedsstaaten „Register mit unabhängigen
Übersetzern und Dolmetschern“, die angemessen qualifiziert sind, einrichten sollen. Diese
Register gelten auch für Behörden und Rechtsbeistände (vgl. Richtlinie 2010/64/EU).
Ein weiterer wichtiger Ausführungsgrund in der EU-Richtlinie ist Absatz 17, der
Folgendes besagt:
(17) Diese Richtlinie sollte gewährleisten, dass es unentgeltliche und angemessene
sprachliche Unterstützung gibt, damit verdächtige oder beschuldigte Personen, die die
Sprache des Strafverfahrens nicht sprechen oder verstehen, ihre Verteidigungsrechte in
vollem Umfang wahrnehmen können und ein faires Verfahren gewährleistet wird. (EU
Richtlinie 2010/64/EU, ABl. 2010/L280/1)
Bei näherer Betrachtung dieses Anführungsgrundes der Richtlinie erkennt man, dass nicht
nur Personen, die die Verfahrenssprache nicht sprechen, sondern auch jene Personen, die
sie nicht verstehen, Bedarfsträger/innen einer Dolmetschung sind.
Zusammenfassend kann zu dieser Richtlinie gesagt werden, dass neben dem Recht auf
eine/n Dolmetscher/in auch eine entsprechende Qualitätssicherung geregelt ist. Des
Weiteren kann erwähnt werden, dass die angeführten internationalen Bestimmungen
40
lediglich ein Teil der vorhandenen Regelungen zum Einsatz von Dolmetscher/innen im
Rechtskontext sind. Darüber hinaus wurden lediglich Bestimmungen vorgestellt, die in
Österreich Anwendung finden und auch auf die Polizei umgelegt werden können.
2.2.2 Nationale Bestimmungen
Neben den internationalen Bestimmungen gibt es auch einige Bestimmungen auf
nationaler Ebene, die sich mit dem Recht auf Dolmetschung auseinandersetzen. Die bisher
angesprochenen Bestimmungen, wie der Staatsvertrag von Saint-Germain (vgl. StGBl. Nr.
303/1920) sowie der Staatsvertrag von Wien (vgl. BGBl. 1964/59) und auch die EMRK
(BGBl. 1964/59) wurden in das nationale Recht, also in die Österreichische
Bundesverfassung, übernommen (vgl. Kadrić 2009:73). Das bedeutet, dass die erwähnten
internationalen Bestimmungen auch als nationale Regelungen betrachtet werden können.
Zusätzlich zu diesen gibt es in Österreich aber noch andere verfassungsrechtliche
Bestimmungen, die das Recht auf Dolmetschung regeln. Eines dieser Rechte regelt die
Geschäftsordnung für Gerichte I. und II. Instanz unter § 83 Absatz 1:
(1) Ist eine Person zu vernehmen, die der deutschen Sprache unkundig ist und sich auch
nicht in einer Sprache ausdrücken kann, deren der Richter und, wenn der Vernehmung ein
Schriftführer beizuziehen ist, auch dieser mächtig ist, so ist ein vertrauenswürdiger
Dolmetsch beizuziehen [...] Der Dolmetsch [...] ist vor seiner Verwendung zu beeiden
(§84). Als Dolmetsch im Sinne dieses Absatzes kann auch ein Richter oder ein anderer
Bediensteter des Gerichtes unter Erinnerung an den bei Antritt des Dienstes abgelegten Eid
[...] verwendet werden. (Geo § 82 Absatz 1)
Dieser Absatz regelt auch, dass ein/e Dolmetscher/in sowohl im streitigen als auch im
außerstreitigen Verfahren „zu Verhandlungen und Beweisaufnahmen (vgl. §§ 207, 213
ZPO) oder im Strafverfahren (vgl. §§ 100, 163, 164, 198 StPO)“ beigezogen wird (vgl.
Geo § 82 Absatz 1). Zwar leitet man von diesen Regelungen in erster Linie die Situation
vor Gericht ab, jedoch finden diese auch bei der Polizei Anwendung, denn jedes
Strafverfahren unterliegt einem Ermittlungsverfahren, das von der Polizei durchgeführt
wird.
Im zweiten Teil dieses Abschnitts wird auch die Heranziehung von Dolmetscher/innen
festgehalten. Interessant dabei ist, dass neben den beeideten Dolmetscher/innen auch
Richter/innen oder sogar andere Bedienstete in die Rolle des/der Dolmetscher/in schlüpfen
41
können. Während die Geschäftsordnung der Gerichte beide Formen gerichtlicher
Verfahren regelt, bestimmt die Strafprozessordnung lediglich über österreichische
Strafverfahren. Diese ist 2008 durch das neugestaltete Strafprozessreformgesetz (vgl.
BGBl I 2004/19) in Kraft getreten. Ab diesem Zeitpunkt sind neben der Polizei und dem
Gericht auch die Staatsanwaltschaft als Auftraggeber/innen an Dolmetscher/innen zu sehen
(vgl. Kadrić 2009:74). Das Strafverfahrensrecht definiert in § 125 StPO Dolmetscher/innen
folgendermaßen: Der/die Dolmetscher/in ist „eine Person, die auf Grund besonderer
Kenntnisse in der Lage ist, aus der Verfahrenssprache in eine andere Sprache oder von
einer anderen Sprache in die Verfahrenssprache zu übersetzen“ (vgl. StPO §125). Der
StPO zufolge ist der/die Dolmetscher/in eine Übersetzungshilfe und wird bestellt, wenn die
vernommene Person der Verfahrenssprache nicht mächtig ist. Zudem sind auch
Schriftstücke in die Verfahrenssprache zu übersetzen (vgl. Kadrić 2009:75).
Dass der/die Dolmetscher/in als Übersetzungshilfe angesehen wird, ist auch unter § 49 Z12
StPO zu finden. Dieser Paragraf und die Bestimmungen zur Übersetzungshilfe werden
unter § 56 Absatz 1 StPO näher erläutert. In Österreich ist die Staatssprache bzw.
Verfahrenssprache die deutsche Sprache (vgl. Bundesverfassungsgesetz B-VG Artikel 8).
Der Absatz besagt, dass jedem/jeder Beschuldigten Übersetzungshilfe zu leisten ist, der/die
sich „in der Verfahrenssprache nicht ausreichend verständigen kann“ (vgl. StPO § 56 Abs.
1; Kadrić 2009:75). Der/Die Dolmetscher/in ist insbesondere für die Rechtsbelehrung, für
Beweisaufnahmen und für Verhandlungen zu bestellen (vgl. Kadrić 2009:75).
Einen ersten Hinweis auf Kompetenzanforderungen für Dolmetscher/innen im
Strafverfahren werden in § 126 Absatz 2 StPO bestimmt. Dieser besagt nämlich, dass
vorrangig Dolmetscher/innen aus der Dolmetscherliste der Justiz zu bestellen sind (vgl.
Kadrić 2009:75).
Wie bereits erwähnt, regelt die Geschäftsordnung für die Gerichte das Recht auf
Dolmetscher/innen in Straf- und Zivilverfahren. Diesem wird – im Gegensatz zur StPO, in
welcher direkt auf dieses Recht hingewiesen wird – in der österreichischen
Zivilprozessordnung (ZPO) kaum Beachtung geschenkt. Die Zivilprozessordnung spricht
zwar in § 64 Absatz 1 Z 1 lit c über die Befreiung von Gebühren der Sachverständigen,
Dolmetscher/innen, Übersetzer/innen usw., jedoch findet man keinen direkten Anspruch
auf Dolmetschleistungen (vgl. Kadrić 2009:76). Lediglich in § 185 Absatz 1a ZPO wird
explizit auf die Beiziehung eines Dolmetschers/einer Dolmetscherin eingegangen. Dieser
Paragraf besagt, dass bei gehörlosen oder stummen Personen bei Gericht ein/e
42
Gebärdensprachdolmetscher/in hinzugezogen werden soll. Ein Hinweis auf das Recht auf
Dolmetscher/innen lässt sich aus §§ 207 und 213 ZPO erschließen. Diese beiden
Paragrafen regeln, dass bei Protokollierung in Verfahren, in denen fremdsprachige
Personen vernommen werden, der/die Dolmetscher/in das Protokoll zusätzlich zum/zu der
vernehmenden Beamten/Beamtin unterzeichnen muss (vgl. Kadrić 2009:77). Die
Regelungen aus der Zivilprozessordnung sind für das Polizeidolmetschen deshalb relevant,
da polizeiliche Ermittlungen im Zivilprozess als Beweismittel dienen können.
Eine weitere nationale Bestimmung, die das Recht auf die Beiziehung von
Dolmetscher/innen regelt, ist das Außerstreitgesetz (AußStrG). Das Außerstreitgesetz ist
die Prozessordnung für miet- und familienrechtliche Verfahren, das 2005 in Österreich in
Kraft getreten ist (vgl. Kadrić 2009:78). Da das Außerstreitgesetz hauptsächlich auf der
Zivilprozessordnung basiert, wird auch hier nicht direkt auf das Recht auf Dolmetschung
verwiesen. Lediglich § 190 Absatz 1 AußStrG regelt die Beglaubigung von
Übersetzungen. Darin heißt es:
(1) Die genaue Übereinstimmung einer Übersetzung mit dem Original ist von einem
allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Dolmetsch unter Beifügung des Datums
der Übersetzung, der Unterschrift und des Siegels des Dolmetschs zu beglaubigen. (vgl.
AußStrG § 190 Abs. 1)
Aus diesem Absatz ist ersichtlich, dass lediglich beeidete und zertifizierte
Dolmetscher/innen dazu befugt sind, eine beglaubigte Übersetzung anzufertigen. Auch
Absatz 2 desselben Paragrafen unterstreicht, dass in erster Linie allgemein beeidete und
gerichtlich zertifizierte Dolmetscher/innen herangezogen werden sollen. Nachdem das
Außerstreitgesetz hauptsächlich in miet- und familienrechtlichen Verfahren zur
Anwendung gelangt, ist der Handlungsbereich des Polizeidolmetschens hierbei
ausgeschlossen. Eine Ausnahme ergäbe sich, wenn es im genannten Verfahren auch zu
einer strafrechtlichen Tätigkeit gekommen wäre.
Da in dieser Masterarbeit Hauptaugenmerk auf das Polizeidolmetschen gelegt wird, soll
abschließend noch auf das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) eingegangen
werden, unter dessen Regelungen auch die Polizei als Verwaltungsbehörde fällt. Auch im
Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz wird in § 39a Absatz 1 explizit auf das Recht
auf eine/n Dolmetscher/in eingegangen:
(1) Ist eine Partei oder eine zu vernehmende Person der deutschen Sprache nicht hinreichend
kundig, stumm, gehörlos oder hochgradig hörbehindert, so ist erforderlichenfalls der der
43
Behörde beigegebene oder zur Verfügung stehende Dolmetscher (Amtsdolmetscher)
beizuziehen. Die §§ 52 Abs. 2 bis 4 und 53 sind anzuwenden.
(2) Als Dolmetscher im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die Übersetzer. (vgl. BGBl.
1991/51)
Nachdem die österreichische Bundespolizei diesem Gesetz unterliegt, ist sie verpflichtet,
gehörlosen, stummen, hochgradig hörbehinderten oder Personen, die der deutschen
Sprache nicht ausreichend mächtig sind, eine/n Dolmetscher/in bzw. Amtsdolmetscher/in
zur Verfügung zu stellen. Amtsdolmetscher/innen sind laut Maurer-Kober (2006:19)
Personen, die sprachkundig, aber nicht zwingenderweise Dolmetscher/innen sind. Damit
kann aus § 39a Absatz 1 AVG abgeleitet werden, dass nicht unbedingt professionelle
Dolmetscher/innen beigezogen werden müssen, sondern Gespräche, Vernehmungen etc.
auch von sprachkundigen Behördenmitarbeiter/innen gedolmetscht werden können, was
mitunter auf eine mangelnde Qualitätssicherung von Dolmetschleistungen bei Behörden
hinweist.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass auf nationaler Ebene im Verfassungsrecht die
grundlegenden Bestimmungen über den Anspruch auf Dolmetschleistungen geregelt
werden. Sowohl die Geschäftsordnung für Gerichte als auch die Strafprozessordnung
beinhalten dazu ausführliche Spezialbestimmungen. Im Zivilrecht gibt es lediglich
rudimentäre Regelungen, sodass auf andere Bestimmungen zurückgegriffen wird.
Nichtsdestotrotz können sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene die
Ansprüche erhoben und Missachtungen geltend gemacht werden (vgl. Kadrić 2009:79).
Auf internationaler Ebene wird in Bestimmungen explizit das Recht auf Dolmetschung in
Zusammenhang mit dem Recht auf Sprache bzw. Nichtdiskriminierung und ein faires
Verfahren festgehalten. Sowohl nationale als auch internationale Bestimmungen werden in
Österreich umgesetzt, wobei jeder im rechtlichen Kontext einen Anspruch auf
Dolmetschleistungen hat. Darunter fällt auch das Dolmetschen bei der Polizei.
Abschließend soll noch gesagt werden, dass nur Regelungen vorgestellt wurden, die auf
das Handlungsfeld der Polizei umgelegt werden können, weshalb die vorgestellte Liste
nicht als vollständig zu betrachten ist.
2.3 Vernehmung
Dem Rechtswissenschaftler Kranjčić (2010:48) zufolge ist der/die Dolmetscher/in als
Gehilfe/Gehilfin der Ermittlungsbehörden zu betrachten. Seine/ihre Grundanforderung ist
44
es, all das, was gesagt wird, zu verdolmetschen, selbst wenn es in den Augen des
Dolmetschers/der Dolmetscherin überflüssig erscheint. Auch Wiederholungen seitens der
Polizeibeamt/innen müssen erneut gedolmetscht werden, da diese oftmals einen Teil der
Vernehmungstaktik darstellen. Wichtig dabei ist, dass der/die Dolmetscher/in nicht selbst
zu interpretieren beginnt (ibid.). Ebenso darf laut Kranjčić (ibid.) der/die Dolmetscher/in
nicht gegen den/die Beschuldigte/n gerichtet werden. Bei Vernehmungen hat der/die
Dolmetscher/in laut Kranjčić (2010:49) auf zwei Arten zu dolmetschen – einerseits in
Richtung des/der Beschuldigten und andererseits in Richtung der
Strafverfolgungsbehörden. Bei ersterem ist zu beachten, dass der/die Dolmetscher/in
den/die Beschuldigte/n so über den Sachverhalt informiert, als würde er/sie der deutschen
Sprache mächtig sein. Bei zweiterer Variante muss der/die Dolmetscher/in so übertragen,
dass die ausgangssprachlich bezweckte Wirkung der Äußerung erzielt wird (ibid.). Für
Kranjčić (2010:49) ist klar, dass die Anforderungen an den/die Dolmetscher/in im
rechtlichen Kontext lediglich durch professionell handelnde, hochqualifizierte
Dolmetscher/innen erfüllbar sind.
Ute Donk und Norbert Schröer haben im Jahre 1994 im Rahmen einer Feldstudie zur
Dolmetschtätigkeit in kriminalpolizeilichen Vernehmungen in Zusammenhang mit der
Reduktion des polizeilichen Tatvorwurfes nachgewiesen, dass gedolmetschte
Vernehmungen zu Defiziten führen und daher die Ermittlungsverfahren häufiger
eingestellt werden müssen (vgl. Jogerst 1996:22). Auch Pöllabauer (2005:35) weist darauf
hin, dass durch die zeitliche Verschiebung zwischen Fragen und Antworten die
kommunikative Einbettung verloren geht, weshalb Polizeibeamt/innen auf gewisse
Ermittlungsstrategien verzichten müssen und somit weniger verwertbare Aussagen erzielen
können.
Ein wesentliches Problem im Bereich des Polizeidolmetschens ist auch, dass die korrekte
Übersetzungsleistung seitens des Dolmetschers/der Dolmetscherin immer wieder
angezweifelt wird – entweder seitens der Polizei oder auch seitens des/der Beschuldigten.
Deshalb wird der/die Dolmetscher/in oft mit der Beschuldigung konfrontiert, nicht richtig
gedolmetscht zu haben (vgl. Donk 1994:40). Donk hat bei ihren Interviews auch
herausgefunden, dass es den Polizeibeamt/innen besonders wichtig ist, dass die
eingesetzten Dolmetscher/innen auch kriminalpolizeilich denken können. So wird Donks
Untersuchungen zufolge beispielsweise erwartet, dass der/die Dolmetscher/in nachhakt,
sofern er/sie in der Mimik, Gestik oder dem Gesagten etwas Auffälliges entdeckt. Daraus
45
resultiert, dass der/die Dolmetscher/in in den Augen einiger Polizist/innen ein/e
Hilfspolizist/in ist (vgl. Donk 1994:42).
Im Gegensatz dazu konstatiert der deutsche Dolmetscher Ronald Hoffmann (2001), der
auch für die Polizei tätig ist, in seinem Beitrag, dass der/die Dolmetscher/in lediglich als
Sprachrohr fungieren und neutral sein soll. Das heißt, der/die Dolmetscher/in ist weder
Rechtsbeistand noch Vernehmungshilfe in einer Vernehmung.
Der/Die Dolmetscher/in vermittelt bei bilingualen Vernehmungen nicht nur zwischen zwei
Sprachen, sondern auch zwischen zwei Kulturen, Gesellschaftssystemen und auch
Rechtssystemen (vgl. Hoffmann 2001). Rechtsysteme können sich sehr voneinander
unterscheiden. Deshalb ist es laut Hoffmann (2001) wichtig, dass der/die Dolmetscher/in
so viel sprachlichen Spielraum besitzt, dass er/sie Rechtsbegriffe nicht nur übersetzt,
sondern gegebenenfalls auch in einer verständlichen Weise erläutert. Laut Donk (1994:55)
kann eine Vernehmung mit Dolmetscher/innenbeteiligung nur dann erfolgreich sein, wenn
der/die Polizist/in und der/die Dolmetscher/in ein eingespieltes Team sind und sich
gegenseitig vertrauen. Nur so wissen beide, welche jeweiligen Erwartungen an sie gestellt
werden.
Ein wesentlicher Faktor des Polizeiinterviews bzw. der Vernehmung ist es, relevante
Fakten für die Untersuchung zu sammeln. Der/Die Polizist/in ist darauf geschult, sich an
die jeweilige Situation anzupassen. In Vernehmungssituationen versetzt er/sie sich in die
Lage des/der Beschuldigten und übernimmt hypothetisch die Schuld des/der Verdächtigen.
Anhand von Befragungstechniken versucht er/sie diese Schuld zu bestätigen bzw. dem/der
Beschuldigten ein Geständnis zu entlocken, ohne herauszufinden, was tatsächlich passiert
ist (vgl. Nakane 2014:7). Nakane (ibid.:8) zufolge sind Polizeiinterviews sowohl als
kommunikative Prozesse als auch als Produkte zu sehen, denn durch die Befragung werden
Beweise gebildet, die in einem späteren Prozess verwendet und hinterfragt werden.
Die polizeiliche Vernehmung in Österreich und Deutschland unterliegt gesetzlichen
Vorgaben, die eingehalten werden müssen, wenn die Aussage in weiteren Verfahren als
Beweismittel dienen soll. Grundsätzlich werden zwei Vernehmungen unterschieden,
nämlich die Vernehmung von Beschuldigten und die Vernehmung von Zeug/innen. Das
Gesetz sieht vor, dass beide Befragten über ihre Rechte belehrt werden müssen und dass
keine verbotenen Vernehmungsmethoden verwendet werden dürfen (vgl. Sauerwein
2006:101). Darüber hinaus ist die polizeiliche Vernehmung ein gesetzlich normierter und
institutionalisierter Prozess, der nur wenig freie Gestaltung zulässt. Damit eine
46
Vernehmung durchgeführt werden kann, bedarf es einer begangenen Straftat oder des
Vorliegens eines Tatverdachts (ibid.).
Bei der Vernehmung der/des Beschuldigten ist charakteristisch, dass er/sie zunächst über
seine/ihre Rechte belehrt wird, woraufhin die Personalien aufgenommen werden. Der/Die
Beschuldigte hat das Recht, die Aussage auf Fragen, die über die Personalien hinausgehen,
zu verweigern. Im Unterschied dazu muss der Zeuge/Zeugin im Rahmen der Vernehmung
auch eine sachbezogene Aussage machen. Das heißt, der/die Zeug/in hat über
Wahrnehmungen, die mit dem/der Täter/in sowie der Tat zusammenhängen, auszusagen
(ibid.:102).
Sauerwein (2006) unterteilt die polizeiliche Vernehmung in fünf Phasen, die gesetzlich
geregelt sind und sowohl in Deutschland als auch in Österreich Anwendung finden:
(1) Eröffnung des Tatvorwurfs bzw. Gegenstand der Vernehmung
(2) Rechtsbelehrung
(3) Befragung zur Person
(4) Befragung zur Sache
(5) Abschluss. (vgl. Sauerwein 2006:107)
Der erste Schritt der Vernehmung ist die Eröffnung des Tatvorwurfes bei der Vernehmung
von Beschuldigten oder die Darstellung des Gegenstandes bei der Vernehmung von
Zeug/innen. Dabei ist vor allem darauf zu achten, dass so wenig Polizeiwissen wie möglich
preisgegeben wird (vgl. Sauerwein 2006:107).
Die zweite Phase umfasst die Rechtsbelehrung. In diesem Schritt müssen dem/der
Beschuldigten bzw. dem/der Zeug/in die jeweiligen Rechte verdeutlicht werden. Zu den
Rechten zählen beispielsweise das Aussageverweigerungsrecht für den/die Beschuldigte/n
und das Zeugnisverweigerungsrecht für den/die Zeug/in. Die Rechtsbelehrung ist dann als
erfolgreich anzusehen, wenn der/die Betroffene keine Zweifel in Bezug auf seine/ihre
Rechte und Pflichten mehr hat (vgl. Sauerwein 2006:107). Wichtig ist dabei auch zu
beachten, dass eine polizeiliche Vernehmung lediglich dann als Beweismittel dient, wenn
die Betroffenen über ihre Rechte aufgeklärt wurden. Ob und inwiefern dies der Fall ist,
geht aus dem abschließenden Protokoll hervor (ibid.:108).
Der dritte und vierte Schritt ist die Befragung. Hierbei unterscheidet man einerseits die
Vernehmung zur Person, andererseits die Vernehmung zur Sache, wobei der/die
Beschuldigte seine/ihre Aussage zur Sache verweigern kann. Bei der Aufnahme der
47
Personalien werden Daten wie Name, Geburtsdatum, Familienstand, Wohnort,
Staatsangehörigkeit und Beruf erfragt. Bei der Vernehmung zur Sache werden, wie
erwähnt, lediglich Zeug/innen befragt. Dabei sollten diese so umfassend wie möglich ihre
Wahrnehmungen in Bezug auf den Tatbestand schildern (ibid.:108f.). Der fünfte und
abschließende Schritt der polizeilichen Vernehmung ist das Protokoll. Die Vernehmung
wird protokolliert und abschließend von allen Beteiligten – Befragte/r, Beamte/e, ggf.
Dolmetscher/in – unterschrieben (ibid.:109).
Das Protokoll kann im Nachhinein auch als „Spiegel der geführten Vernehmung“ gesehen
werden (ibid.:111). Ein Protokoll soll so vollständig und wortgetreu wie nur möglich
gemacht werden, damit einerseits die Staatsanwaltschaft bzw. das Gericht einen
bestmöglichen Eindruck über den/die Befragte/n bekommen, andererseits aber auch, dass
eine außenstehende Person die Vernehmung anhand des Protokolls rekonstruieren kann
(ibid.). In der Praxis ist es jedoch aus taktischen und auch technischen Gründen nicht
möglich, die Vernehmung im Wortlaut niederzuschreiben, weshalb der Beamte/die
Beamtin drei Möglichkeiten zur Protokollierung hat. Erstens die Diktatschrift, was
bedeutet, dass die Aussage als Diktat wortgetreu mitgeschrieben bzw. die Vernehmung
aufgenommen und danach transkribiert wird. Des Weiteren besteht die Möglichkeit einer
Frage-Antwort-Protokollierung. Die dritte Möglichkeit nennt man „sinngemäße
Protokollierung“. Dabei werden Aussagen nur komprimiert niedergeschrieben. Die
Nachteile jeder dieser Protokollierungsarten sind offensichtlich, da jede Art die
Handschrift des Vernehmungsbeamten/der Vernehmungsbeamtin trägt (vgl. Sauerwein
2006:111). Deshalb ist es von Vorteil, wenn zwei oder mehrere Polizeibeamt/innen an
einer Vernehmung beteiligt sind, da die Aufgaben hierbei klar aufgeteilt werden können.
Jedoch ist dies in der Praxis in Österreich und Deutschland auf Grund von Zeit, Kosten
und Personalmangel kaum der Fall (ibid.:112).
Die Vernehmung mit Dolmetscher/innenbeteiligung ist weder in der Kriminalistik noch in
der Translationswissenschaft Forschungsfokus gewesen. In der Kriminalistik ist die
gedolmetschte Vernehmung unter der Rubrik „besondere Vernehmungen“ zu finden,
wobei darüber nur wenige Zeilen zu lesen sind. Auch in Fachzeitschriften wurden nur
wenige Erfahrungsberichte über dieses Thema publiziert. Ebenso hat sich die
Translationswissenschaft bis heute nur vereinzelt mit diesem Thema beschäftigt (vgl.
Sauerwein 2006:127).
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Wie bereits erwähnt, haben ausländische Personen bzw. Personen, die der deutschen
Sprache nicht ausreichend mächtig sind, bei der Polizei, beim Anwalt oder vor Gericht
Anspruch auf rechtliches Gehör, das heißt, jede/r Angeklagte ist unverzüglich in einer
ihm/ihr verständlichen Sprache über die Gründe seiner/ihrer Festnahme bzw.
Beschuldigung in Kenntnis zu setzen (vgl. Sauerwein 2006:128, EMRK Artikel 6). Da in
Österreich die Gerichtssprache Deutsch ist, impliziert dieses Recht auch den Anspruch auf
eine/n Dolmetscher/in. Zwar beziehen sich die damit verbundenen Gesetze auf das
Gerichtsverfahren, da aber die polizeiliche Vernehmung Teil des Ermittlungsverfahrens ist,
gelten diese ebenso für die Polizei (vgl. Sauerwein 2006:128).
Dass der Einsatz eines Dolmetschers/einer Dolmetscherin einen bestimmten Einfluss auf
die polizeiliche Vernehmung hat, steht außer Frage. Im Folgenden sollen nun vier
Hauptursachen aufgezeigt werden, die Sauerwein (2016) zufolge für erschwerte
Vernehmungsbedingungen sorgen.
Als erster Punkt ist hier bereits die Anwesenheit des Dolmetschers/der Dolmetscherin zu
nennen, denn durch seine/ihre Anwesenheit wird der Handlungsspielraum des/der
Polizeibeamt/in erheblich eingeschränkt. Zudem hat der/die Polizeibeamt/in nur einen
indirekten Zugriff auf die zu vernehmende Person, was auch das Erreichen des
Kommunikationsziels erschwert (vgl. Sauerwein 2006:129). Zudem kann der
Polizeibeamte/die Polizeibeamtin die nonverbale Komponente nur über den/die
Dolmetscher/in deuten, was oft zu Fehlinterpretationen führt.
Die zweite Ursache einer erschwerten Vernehmung ist die Veränderung der
Vernehmungstaktik. Zwar kann der Informationsverlust durch die Veränderung der Taktik
vermindert werden, jedoch bedeutet diese Adaptation gleichzeitig eine zusätzliche
Belastung für den Vernehmungsbeamten/die Vernehmungsbeamtin. Kurze und präzise
Fragen können eine bessere Ausgangsposition bringen, jedoch nur dann, wenn diese Taktik
auch vom/von der Dolmetscher/in unterstützt wird (vgl. Sauerwein 2006:129). Ein
wichtiger Aspekt bei der Vernehmung sind auch die Gepflogenheiten und die Mentalität
der zu vernehmenden Person. Wenn man auf diese Rücksicht nimmt, kann eine dienliche
Vernehmungsatmosphäre geschaffen werden. Jedoch befindet sich der/die
Vernehmungsbeamt/in im Zwiespalt, wenn er/sie diese Informationen vom/von der
Dolmetscher/in einholt, da dabei die ungeklärte Kompetenz des/der Dolmetschers/in als
Ethnolog/in zu bedenken ist (vgl. Sauerwein 2006:129).
Der dritte Punkt in Bezug auf die erschwerten Vernehmungsbedingungen ist die
Veränderung des Rollengefüges. Grundsätzlich kann gesagt werden, dass dem/der
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Dolmetscher/in bei der bilingualen Vernehmung ein größeres Aufgabengebiet als dem
Polizeibeamten/der Polizeibeamtin zugeteilt wird. Das Wichtigste bei der Vernehmung ist
der direkte Kontakt zur vernehmenden Person, und dieser kann in einer zweisprachigen
Vernehmung lediglich durch den/die Dolmetscher/in gewährleistet werden. Deshalb
übernehmen Dolmetscher/innen oftmals die Rolle des/der Hilfspolizist/in, und
Vernehmungsbeamt/innen werden zur Schreibkraft degradiert (vgl. Sauerwein 2006:130).
Diese Rollenaufteilung ist jedoch nicht unproblematisch, da der/die Dolmetscher/in oft zu
wenig kriminalistisches Wissen mitbringt, um der Rolle des Hilfspolizisten/der
Hilfspolizistin gerecht zu werden. Oft sieht sich der/die Dolmetscher/in auch der
Erwartung ausgesetzt, in der Situation nicht nur zu übersetzen, sondern auch zu beraten.
Die unterschiedlichen Situationen und Kulturen bringen den/die Dolmetscher/in regelrecht
in einen Rollenkonflikt. Welche Rollen ein/e Dolmetscher/in einnehmen kann, wird im
dritten Kapitel dieser Arbeit beschrieben.
Der vierte und meines Erachtens wohl der wichtigste Punkt, der die Vernehmung
erschwert, ist die Zuverlässigkeit und Qualität des/der Dolmetscher/in, da er/sie
Auswirkungen auf die zu vernehmende Person hat. Während zu Beginn lediglich die
fachlichen Sprachkenntnisse eines Dolmetschers/einer Dolmetscherin von Bedeutung
waren, haben sich die Anforderungen insoweit geändert, als dass nun neben den
sprachlichen und fachlichen Fähigkeiten auch die translatorischen eine bedeutende Rolle
spielen (vgl. Sauerwein 2006:131). Zwar werden bei der Polizei des Öfteren beeidete und
zertifizierte Dolmetscher/innen als Garantie für gute Qualität herangezogen, jedoch stellt
die Vereidigung keine Garantie für translatorische Fähigkeiten des/der Dolmetscher/in dar
(vgl. Beleke 2000:79f. zit. nach Sauerwein 2006:131).
Das Protokoll ist laut dem deutschen Dolmetscher Hoffmann (2001) das wichtigste
Zeugnis jeder Vernehmung und wird am Ende von allen Beteiligten unterzeichnet. Es wird
immer – sowohl in Deutschland als auch in Österreich – in der Gerichtssprache verfasst,
was bedeutet, dass es vor der Unterzeichnung vom/von der Dolmetscher/in rückübersetzt
wird. So hat der/die Befragte zum Schluss noch einmal die Möglichkeit, zu kontrollieren,
ob alles richtig niedergeschrieben wurde (ibid.) Oft kommt es in dieser Situation zu
Unstimmigkeiten über das Gesagte, weshalb die Unterschrift in vielen Fällen verweigert
wird. Diese Uneinigkeiten haben unterschiedliche Ursachen. Eine Ursache können
Übertragungsfehler des Dolmetschers/der Dolmetscherin sein. Weitere Ursachen sind noch
Missverständnisse seitens des Beamten/der Beamtin oder Änderungswünsche vom/von der
Vernommenen (ibid.).
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Hoffmann (2001) schreibt in seinem Beitrag auch über die diversen zur Anwendung
kommenden Dolmetschtechniken bei der Polizei. Er unterscheidet zwischen
konsekutiv/halbkonsekutiv und simultan. Gleichzeitig konstatiert er, dass ihm zufolge die
häufigsten angewendeten Techniken das halbkonsekutive (aufgrund des Dialoges) und das
simultane Dolmetschen (aufgrund der manchmal kurzen Fragen und Antworten) sind.
Zusammenfassend kann für Vernehmungen mit Dolmetscher/innenbeteiligung gesagt
werden, dass Dolmetscher/innen bei ihrer Tätigkeit im Polizeikontext mit
Anschuldigungen zu kämpfen haben. Einerseits werden sie als Gehilfe/in bzw.
Vermittler/in gesehen, der/die hilft, Missverständnisse aus dem Weg zu räumen.
Andererseits werden Dolmetscher/innen als Sprachrohr betrachtet, das zwei
Gesprächsparteien darin unterstützt, Inhalte von einer Sprache in die andere zu
transferieren. Bei näherem Studium der vorhandenen Literatur (Donk 1994; Sauerwein
2006; Hoffmann 2001) wird deutlich, dass die Vernehmungssituation unter
Dolmetscher/innenbeteiligung sowohl für die Polizei als auch für die Dolmetscher/innen
gewöhnungsbedürftig ist und dass ein – mitunter auch negativer – Einfluss auf die
Vernehmung nicht zu vermeiden ist. Hoffmann (ibid.) weist auch darauf hin, dass sich
Vernehmungsbeamt/innen der Tatsache bewusst sein müssen, dass bei einer Vernehmung
mit Dolmetscherbeteiligung Welten aufeinandertreffen.
2.4 Rekrutierung von Dolmetscher/innen
Die polnische Dolmetscherin und Translationswissenschaftlerin Stanek Malgorzata
(2011b:80f.), die sich insbesondere mit der Dolmetschsituation bei der Polizei in
Deutschland beschäftigte, schreibt in ihrem Artikel „Dolmetschen für die Polizei – Ein
Einsatzort beeidigter Dolmetscher“, dass Polizeibeamt/innen Dolmetscher/innen nach
eigenen persönlichen Auswahlkriterien heranziehen. Durch ein Ungleichgewicht in der
Auftragsvergabe und die unzureichend beantwortete Qualifizierungsfrage beschloss die
Polizei eine Neuorganisation in der Vergabe der Dolmetscheinsätze. Dieser
Zuständigkeitsbereich obliegt nun in Deutschland dem Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge (ibid.) und in Österreich dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl.
Voraussetzung, um in die Dolmetscher/innen-Datenbank, die von den deutschen
Bundesämtern geführt wird, aufgenommen zu werden, sind persönliche Zuverlässigkeit
51
und Qualifikationsnachweise. Letztere bedeuten aber nicht zwingend eine Beeidigung
(ibid.:81).
Die in der Literatur erwähnten Gesetze regeln meist nur transkulturelle Gespräche bei
Gericht. Kalina und Ahrens (2014:184) konstatieren, dass auch in anderen rechtlichen
Bereichen, wie beispielsweise polizeilichen Vernehmungen, Handlungsbedarf gegeben ist,
nachdem diese ausschlaggebend für ein Gerichtsverfahren sind. In Österreich gibt es eine
Dolmetscher/innenliste, die vom Bundesministerium für Verfassung, Reformen,
Deregulierung und Justiz geführt wird. In diese Liste werden lediglich Personen
aufgenommen, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen und eine Prüfung ablegen (vgl.
Kadrić 2012:96; ÖVGD 2018). Aktuell sind in der Gerichtsdolmetscher/innenliste rund
780 Personen für 50 verschiedene Sprachen eingetragen (vgl. ÖVGD 2018; SDGListe
Justiz 2018). Seit 2011 bestimmt die Strafprozessordnung, dass Gerichte und
Staatsanwaltschaften sich dieser Personen als Dolmetscher/innen zu bedienen haben (vgl.
Kadrić 2012:96). Dies gilt auch für Sicherheitsbehörden, wenn diese für die Strafjustiz
tätig sind. Die Qualität jedoch unterliegt keiner gesetzlichen Regelung. Ebenso können
Sicherheitsbehörden und Gerichte, sofern keine Dolmetscher/innen der Liste verfügbar
sind, auch andere sprachkundige Personen heranziehen (ibid.).
Der Einsatz von sprachkundigen Personen und somit nicht qualifizierten
Dolmetscher/innen kann, wie schon erwähnt, schwerwiegende Konsequenzen haben. Auch
Pöchhacker (2005) und Kadrić (2012:96) stellen den Einsatz von Laiendolmetscher/innen
und deren Kompetenzen in Frage. Ausschlaggebend dafür war unter anderem die in
Österreich angelegte Polizeiaktion Operation Spring. Bei diesem Großeinsatz der Polizei
wurden mehr als 100 Personen verhaftet. Für die Vernehmungen und das Verfahren
wurden nicht zertifizierte Dolmetscher/innen für Igbo beauftragt, die, wie sich später
herausstellte, nachweislich falsch gedolmetscht und auch nicht die erforderlichen
Kompetenzen aufgewiesen haben (vgl. Kadrić 2012:96; Pöchhacker 2005).
Wie in Kapitel 1.3 bereits erwähnt, wird seitens der Berufsverbände schon länger kritisiert,
dass im rechtlichen Bereich nach wie vor Laiendolmetscher/innen, also Dolmetscher/innen
ohne den Nachweis erforderlicher Sprach-, Sach- und Dolmetschkompetenzen, zum
Einsatz kommen (vgl. Stanek 2011a:21). In erster Linie sind Laiendolmetscher/innen bei
der Polizei Polizeibeamt/innen, (ausländische) Studierende, Familienmitglieder, aber auch
Häftlinge und Migrant/innen (vgl. Stanek 2011a, Istomina 2000).
52
Kadrić befasste sich in ihrer Studie „Polizei.Macht.Menschen.Rechte Rekrutierung von
Polizeidolmetschenden im Lichte empirischer Forschung“ auch umfassend mit der
Rekrutierung von Polizeidolmetscher/innen in Österreich. Im Rahmen der Befragung von
insgesamt 237 Polizeibeamt/innen fand sie heraus, dass zwar 73% der befragten
Polizeibeamt/innen auf die Gerichtsdolmetscher/innenliste zugreifen, 19% jedoch angeben,
dass sie häufig bzw. immer sprachkundige Polizeibeamt/innen heranziehen. In weiteren
19% der Fälle werden häufig „sonstige Sprachkundige“, also Laiendolmetscher/innen,
bestellt. In einigen Fällen kommen aber auch Bekannte oder Angehörige des/der zu
Vernehmenden zum Einsatz (vgl. Kadrić 2012:97). Mehr als die Hälfte gibt an, dass sie bei
Notwendigkeit auch auf die polizeiinterne Liste sprachkundiger Personen zurückgreift. Die
Beweggründe, sprachkundige Personen heranzuziehen, sind unterschiedlich. Einerseits
geschieht dies aus Zeitgründen und andererseits auch dann, wenn keine zertifizierten
Personen zur Verfügung stehen (vgl. Kadrić 2012:96f.).
Summa summarum stellt Kadrić in ihrer Studie fest, dass größtenteils qualifizierte und
zertifizierte Dolmetscher/innen bei der Polizei zum Einsatz kommen. Man sollte bedenken,
dass es für viele Sprachen nur wenige oder gar keine zertifizierten Dolmetscher/innen gibt.
Jedoch stimmen diese Ergebnisse nicht mit den vielen mündlichen und auch schriftlichen
Praxisberichten der Justiz überein, aus welchen hervorgeht, dass nicht vorrangig
zertifizierte bzw. qualifizierte Dolmetscher/innen eingesetzt werden (vgl. Kadrić
2012:100). Auch in der erweiterten Studie von Kadrić wird aufgezeigt, dass bei der
Vielzahl von polizeilichen Vernehmungen der Anteil an Aufträgen für
Gerichtsdolmetscher/innen sehr gering war (2012:102). Wer die Dolmetschtätigkeit im
Vorverfahren bei der Polizei übernommen hat, soll folgende Grafik von Kadrić
demonstrieren (siehe Abb. 2):
53
Abbildung 2: Statistik an drei Wiener Gerichten (vgl. Kadrić 2012:104 Im Vorverfahren bei der Polizei eingesetzte Dolmetschende)
Anhand dieser Grafik ist deutlich ersichtlich, dass lediglich in 14% der Fälle zertifizierte
Dolmetscher/innen beigezogen wurden. Im Großteil der Fälle kommen nicht zertifizierte
Dolmetscher/innen zum Einsatz. Unter Letztere subsumiert man auch die Beamt/innen
selbst oder Angehörige der fremdsprachigen Person (vgl. Kadrić 2012:105).
Die Dolmetschqualität hängt letzten Endes nicht nur von der Kompetenz des
Dolmetschers/der Dolmetscherin, sondern auch vom Verständnis des Beamten/der
Beamtin ab, denn Letztere/r entscheidet über die (Wieder-)Bestellung und setzt somit die
Standards (vgl. Kadrić 2012:105; Stanek 2011a:173; Stanek 2012:515).
Berk-Seligson ist der Meinung, dass Polizeibeamt/innen nicht als Dolmetscher/innen
herangezogen werden sollten, da sie einerseits keine ausreichende Qualifikation aufweisen,
andererseits aber auch keine Erfahrungen in dieser Tätigkeit oder gar mangelnde
Sprachkenntnisse in der Fremdsprache haben (vgl. Berk-Seligson 2011:30). Sie hat in ihrer
Studie herausgefunden, dass Gerechtigkeit und Gleichheit vor dem Gesetz vernachlässigt
werden, wenn Polizeibeamt/innen als Dolmetscher/innen in Vernehmungen agieren. Es
besteht das Risiko, dass der/die Verdächtige die Fragen nicht vollständig versteht und/oder
54
dass die Antwort aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse fehlinterpretiert wird (vgl. Berk-
Seligson 2011:54).
Welche Meinung Berk-Seligson in Bezug auf den Einsatz von Laiendolmetscher/innen bei
der Polizei hat, verdeutlicht folgendes Zitat:
Perhaps it is merely naiveté on the part of law enforcement officers, or simply their lack of
appreciation for the demanding nature of interpreting and translating, but the willingness of
the police to entrust to non-professional interpreters the task of questioning suspects during
investigative policework is playing with fire. (vgl. Berk-Seligson 2009:217)
Als Problematik beim Polizeidolmetschen erweisen sich nicht nur die fehlende
Ausbildung, sondern auch Interessenskonflikte, die entstehen können. Beispielsweise
können Polizeibeamt/innen, die als Dolmetscher/innen auftreten, keine neutrale Position
einnehmen, da ihre Ursprungsfunktion als Polizist/in immer aufrecht bleibt. Das hierbei
entstehende Problem ist, dass der/die Polizeibeamt/in, der/die als Dolmetscher/in fungiert,
zwischen den beiden Rollen hin und her wechselt, um den Bedarf an
Vernehmungsstrategie und Dolmetschung zu decken (vgl. Berk-Seligson 2011:55).
Rückblickend auf das Kapitel, in dem die rechtlichen Grundlagen besprochen wurden,
wird nun deutlich, dass solche Situationen als eine grobe Verletzung der Rechte der
Betroffenen eingestuft werden können.
Die Gründe zur Heranziehung von Laiendolmetscher/innen bei der Polizei sind
unterschiedlich. Wie bereits erwähnt, ist mangelndes Bewusstsein über die Komplexität
dieser Tätigkeit einer davon. Ein weiterer Grund ist die mangelnde Beurteilungskompetenz
im Hinblick auf die Qualität der erbrachten Dolmetschleistungen.
Gradincevic-Savic (2003) zufolge sind Polizeibeamt/innen bereits mit derart schlechten
Dolmetschungen zufrieden, dass sie gar nicht wissen, was eine gute Dolmetschung
ausmacht. Auch Stanek (2011a:163f.) konnte in ihrer Studie durch die Analyse von
Interviews mit Polizeibeamt/innen zeigen, dass mit dolmetschbezogenen Problemen
unterschiedlich umgegangen wird. Während einige aufgrund negativer Erfahrungen ein
hohes Qualitätsbewusstsein erlangt haben, beachten einige Polizeibeamt/innen diese
Problematik kaum. In Zusammenhang damit stellt sich die Frage, was unter
„Dolmetschqualität“ verstanden wird und ob die Vorstellungen mit den
translationswissenschaftlichen Qualitätskriterien übereinstimmen.
In der Translationswissenschaft sind ausgebildete Dolmetscher/innen sprach- und
sachkundige Expert/innen, während dolmetschende Polizeibeamt/innen in die Kategorie
55
der Laiendolmetscher/innen fallen. Möglicherweise schätzen Polizeibeamt/innen, die als
Laiendolmetscher/innen fungieren, die Komplexität der Dolmetschtätigkeit falsch ein,
wodurch sie auch die Qualität der Dolmetschleistung nicht beurteilen können (vgl. Stanek
2011a:167).
Stanek zufolge beurteilen Polizeibeamt/innen die Qualität der Dolmetschung häufig nach
folgenden Kriterien: „Rededauer (im Vergleich zum Original), Redefluss und Häufigkeit
der gestellten Rückfragen“ (ibid.). In der Translationswissenschaft ist jedoch bekannt, dass
die Qualität nicht an den eben genannten Kriterien festzumachen ist, da zum Beispiel die
Rededauer aufgrund unterschiedlicher Sprachkriterien, wie Satzbau oder Wortlänge,
unterschiedlich sein kann. Für die Polizei als Auftraggeberin steht jedoch die Zufriedenheit
im Mittelpunkt, und dieses Kriterium entscheidet über die Wiederbestellung der
Dolmetscher/innen. Somit steht nicht die Fachkompetenz des Dolmetschers/der
Dolmetscherin im Vordergrund, sondern die Regelmäßigkeit bzw. die bereits gemachte
Erfahrung, bei der Polizei zu dolmetschen (Stanek 2011a:40).
Des Weiteren ist hierbei noch anzumerken, dass Polizeibeamt/innen die Zertifizierung
bzw. Beeidigung nicht unbedingt als Qualifikation zum/zur Polizeidolmetscher/in sehen
(vgl. Schlütter-Ellner 2011:38; Piprek 2011:54). Ein weiteres Kriterium für die
Rekrutierung ist die Nähe des Wohnortes eines Dolmetschers/einer Dolmetscherin
(Ahrens/Kalina 2014:186). Des Weiteren stellen die Kosten einen Entscheidungspunkt dar,
weshalb die Heranziehung beeideter Gerichtsdolmetscher/innen häufig missachtet wird, da
diese höhere Honorare verlangen (ibid.). Wenn die Behörden auf Kostensparkurs sind, gilt
der Preis als vorrangiges Kriterium (vgl. Ahrens/Kalina 2014:186; Stanek 2011a:112). An
einigen Polizei-Dienststellen in Deutschland und auch in Österreich gibt es nicht
ausreichend Mittel für komplexe Ermittlungsverfahren, weshalb auf nicht zwangsweise
notwendige Schritte verzichtet wird (vgl. Jogerst 1996:24). Da aber der Verzicht auf
Dolmetscher/innen, wie bereits erwähnt, gesetzeswidrig ist, wird auf günstigere Optionen
wie Laiendolmetscher/innen zurückgegriffen. §126 Absatz 2c StPO appelliert deshalb auch
für Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit bei der Auswahl von
Dolmetscher/innen. Im gleichen Paragrafen ist übrigens auch festgelegt, dass in erster
Linie allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Dolmetscher/innen heranzuziehen
sind, dies aber aufgrund der Verfügbarkeit und Sprache nicht immer möglich ist (vgl. StPO
§ 126).
Zwar gilt dieses Gesetz auch für den Bereich der Polizei, jedoch ist diese nicht zwingend
daran gebunden, beeidete Dolmetscher/innen beizuziehen. Diese Freiheit der
56
Auftragsvergabe zeigt sich auch darin, dass die Aufträge meist über Agenturen oder
Sprachschulen vergeben werden (vgl. Gradincevic-Savic 2003; Istomina 2000). Dadurch,
dass sich die Polizei nicht mit der Suche nach Dolmetscher/innen beschäftigen muss,
werden einerseits Kosten, andererseits aber auch Zeit gespart. Die von der Polizei
beauftragen Agenturen rekrutieren meist verfügbare Laiendolmetscher/innen aus
verschiedenartigen Berufs- und Personengruppen, weshalb der Fokus nicht auf der
Dolmetschqualität liegt (ibid.).
In Deutschland haben Polizei und Agenturen sogar Abkommen, woraus eine Verdrängung
von qualifizierten Dolmetscher/innen resultiert (vgl. Gradincevic-Savic 2003; Istomina
2000). Diese Tatsache zeugt erneut vom mangelnden Qualitätsbewusstsein der Polizei in
Hinblick auf die Dolmetschleistungen. Jedoch ist die Problematik der Heranziehung von
Laiendolmetscher/innen im Polizeisetting nicht alleine der Polizei zuzuschreiben. Des
Öfteren sind qualifizierte Dolmetscher/innen aus unterschiedlichen Gründen nicht
verfügbar, was auch Istomina (2000) in ihrem Artikel darlegt.
In diesem Zusammenhang ist noch zu erwähnen, dass jene Dolmetscher/innen, die
wiederholt nicht zur Verfügung stehen, von der Polizeidolmetscher/innenliste gestrichen
werden. Daraus resultiert die geringe Anzahl an qualifizierten Polizeidolmetscher/innen,
weshalb in weiterer Folge auf Laiendolmetscher/innen zurückgegriffen werden muss (vgl.
Istomina 2000). Ein Grund, weshalb Dolmetscher/innen nicht immer verfügbar sind, ist
auch die Uhrzeit, zu welcher die Aufträge zu erfüllen wären. Denn es ist keine Seltenheit,
dass Dolmetscher/innen spontan in der Nacht oder an Wochenenden rekrutiert werden
(vgl. Stanek 2011a:101).
Nicht nur Verständnisschwierigkeiten sind vorprogrammiert, sondern mangelnde
Sprachkompetenzen führen auch zu ungenauen Dolmetschungen oder dem Weglassen von
wichtigen Informationen (vgl. Pöchhacker 2005; Berk-Seligson 2011). Information ist ein
wichtiges Schlagwort für die polizeiliche Vernehmung, denn für die Polizei ist die genaue
Informationsübermittlung enorm wichtig. Aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse kann es
zu Sinnverschiebungen zwischen Original und Dolmetschung kommen (vgl. Berk-Seligson
2011). Zum Schluss soll noch erwähnt werden, dass bei der Polizei neben
Laiendolmetscher/innen auch ausgebildete Dolmetscher/innen bestellt werden. Da
Laiendolmetscher/innen jedoch mehrfach eingesetzt werden, sollte dieses Kapitel zeigen,
worin die Gründe dafür liegen.
57
3 Dolmetschen bei der Polizei
Das Dolmetschen bei der Polizei kann aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet
werden. Im Laufe der Recherche im Rahmen vorliegender Arbeit wurde festgestellt, dass
die Wege in Bezug auf die Anforderungen (siehe dazu Kapitel 1.3.3) aus angewandter
translationswissenschaftlicher Sicht und polizeilicher Sicht auseinandergehen. Deshalb soll
in den folgenden Unterkapiteln jeder Sicht genügend Raum gegeben werden, damit später
im empirischen Teil die Sichtweise der Vergangenheit (– da bereits in der Literatur
festgehalten –) mit der aktuellen Lage verglichen werden kann.
3.1 Dolmetschen aus Sicht der (angewandten)
Translationswissenschaft
Der rechtliche Kontext beinhaltet neben dem Gerichtsdolmetschen auch noch andere
Settings, die bisher weniger beleuchtet wurden. Stanek (2011a:11) ist der Meinung, dass
der Bereich des Polizeidolmetschens in der Translationswissenschaft noch nicht
ausreichend untersucht und auch wissenschaftlich thematisiert worden ist. Auch Pöllabauer
(2005:20) konstatiert, dass der Polizeibereich in der Dolmetschwissenschaft noch wenig
Aufmerksamkeit gefunden hat und dass viele Auftraggeber/innen nicht genügend
sensibilisiert sind, was die Komplexität des Dolmetschprozesses betrifft. Unter anderem
trifft das auf das Dolmetschen bei der Polizei zu (vgl. Perez 2015:310). Laut Perez
(2015:310) ändert sich die Forschungsintensität zum Polizeidolmetschen zurzeit jedoch
stark. Vor allem folgende Faktoren tragen dazu bei, dass das Polizeidolmetschen mehr in
den Fokus der Translationswissenschaft rückt: Erstens steigt der Bedarf an
Dolmetschungen im rechtlichen Kontext stetig an, zweitens sieht das Gesetz vor, dass für
einen fairen Prozess jede/r ein Anrecht auf eine Dolmetschung hat, und drittens steigt das
Bewusstsein, dass Dolmetscher/innen ein wichtiger Bestandteil des Ermittlungsverfahrens
sind (vgl. ibid.).
Laut ÖVGD (2018) stehen zertifizierte Gerichtsdolmetscher/innen nicht nur für ein faires
Gerichtsverfahren, sondern auch für das Ermittlungsverfahren zur Verfügung, das heißt
„für Gerichte und Behörden (Polizei, Asylbehörden usw.)“.
Pöllabauer ist wie Berk-Seligson der Meinung, dass die Beeidigung von
Dolmetscher/innen keine Garantie zur Qualifizierung der Dolmetscher/innen für die
58
Tätigkeit vor Gericht oder auch anderen außergerichtlichen Settings darstellt (vgl.
Pöllabauer 2005:23, Berk-Selingson 1990:204).
Es wird zunehmend über die Notwendigkeit der Professionalisierung von
Dolmetscher/innen im Rechtsbereich diskutiert. Bisher fokussierten Forschungsarbeiten
vor allem das Gerichtsdolmetschen. Doch bevor ein/e Dolmetscher/in bei Gericht zum
Einsatz kommt, gibt es ein Ermittlungsverfahren, das von den Ermittlungsbehörden, der
Polizei, durchgeführt wird. Stanek (2011a:15) zufolge werden aus Sicht der Wissenschaft
am Dolmetsch-Einsatzort der Polizei auch beeidete Gerichtsdolmetscher/innen eingesetzt,
obwohl die Dolmetschwissenschaft diesem Aspekt kaum Aufmerksamkeit schenkt.
Aufgrund der fortschreitenden Globalisierung sind die Ermittlungsbehörden jedoch
durchaus auf qualifizierte Dolmetscher/innen angewiesen (ibid.:11).
Laut Stanek (2011a:15) werden durch den Einsatz unqualifizierter Dolmetscher/innen die
Grundsätze der Europäischen Menschenrechtskonvention (vgl. Art.5 II, Art. 6 III a, e
EMRK) verletzt, da die geforderte Dolmetschqualität nicht geliefert werden kann.
Pöllabauer (2005:20) weist darauf hin, dass die Unerforschtheit des Bereiches
Polizeidolmetschen nicht auf mangelndes Interesse zurückzuführen ist, sondern eher auf
die schwere Zugänglichkeit dieses Forschungsfeldes, allein aufgrund des Datenschutzes.
Pöllabauer (2006:231) schreibt in ihrem Beitrag, dass sich eine Großzahl an Publikationen
auf den/die Dolmetscher/in bei Gericht konzentriert, selbst wenn die Rede von
Dolmetschen im rechtlichen Kontext ist. Sie ist der Meinung, dass sich zwar viele
Wissenschaftler/innen, auch aus anderen Disziplinen, mit dem Dolmetschen im rechtlichen
Kontext auseinandergesetzt haben, davon jedoch nur eine Handvoll, die sich auch mit der
Thematik bei der Polizei oder im Asylwesen beschäftigt hat (ibid.:232). Laut Pöllabauer ist
das Handlungsfeld von Dolmetscher/innen bei Gericht klar geregelt und es lässt sich auch
eine gewisse Professionalisierung erkennen. Bei außergerichtlichen Settings gibt es kaum
klare Regelungen in Bezug auf die Tätigkeit von Dolmetscher/innen, beispielsweise das
Dolmetschen bei der Polizei (vgl. Pöllabauer 2005:22). Trotz Bemühungen zur
Professionalisierung des Community Interpreting seitens der Berufsverbände für
Dolmetscher/innen werden weiterhin nicht-professionelle Dolmetscher/innen in diesem
Bereich eingesetzt. Der Einsatz dieser Dolmetscher/innen ist unter anderem auch auf die
laut Pöllabauer (2005:24) inakzeptable Honorierung der Dolmetschleistungen
zurückzuführen, weshalb dieser Tätigkeitsbereich für professionelle Dolmetscher/innen
unattraktiv wird. Berk-Seligson (2009) befasste sich ebenfalls mit dem Handlungsfeld der
Polizeidolmetscher/innen. Ihr Forschungsfokus liegt unter anderem auf der Rolle, die
59
Dolmetscher/innen bei der Polizei einnehmen, und kommt zum Schluss, dass
Polizeidolmetscher/innen nicht nur als Dolmetscher/innen agieren, sondern auch andere
Rollen übernehmen, wie die des/der Vernehmungsbeamt/in. Zudem werden des Öfteren
nicht professionelle Dolmetscher/innen eingesetzt. Diese beiden Faktoren gefährden
Pöllabauer zufolge die Rechte der Befragten (vgl. Pöllabauer 2005:44). Auch Krouglov hat
sich umfassend mit der Thematik des Dolmetschens bei der Polizei beschäftigt und kam
zum Schluss, dass Dolmetschleistungen im polizeilichen Setting als „act of necessary and
therefore intense interpersonal and intercultural communication“ (vgl. Krouglov 1999:285)
verstanden werden. Ebenso hat sich Ackermann (1997) umfassend mit dem Thema
Dolmetschen bei der Polizei beschäftigt. Basierend auf den Minimalanforderungen von
Jogerst (1996) hat sie folgendes „Kompetenzmodell des Dolmetschens bei Polizei und
Gericht“ entwickelt (vgl. Ackermann 1997 zit. nach Pöllabauer 2005:29).
(1) Persönliche Zuverlässigkeit und Integrität der DolmetscherInnen,
(2) Sprachliche und fachliche Kompetenz
(3) Die „korrekte“ Übersetzung
(4) Kooperatives Verhalten von DolmetscherInnen und BeamtInnen
(5) DolmetscherInnen als „Randfiguren“ – emotionales Verhalten und Neutralität
(6) Hervorragende Kenntnisse der sozialen und kulturellen Besonderheiten
(7) Hohe Frustrationstoleranz
(8) Berufsethos und Sicherheit. (vgl. Ackermann 1997 zit. nach Pöllabauer 2005:29)
Unter Punkt 3 wird die korrekte Übersetzung erwähnt. Unter „korrekt“ ist hierbei eine
möglichst wortgetreue Übersetzung zu verstehen (vgl. Pöllabauer 2005:110).
Stanek orientierte sich in ihrem Aufsatz „Dolmetschen bei der Polizei“ (2011a) an den
unterschiedlichen Mindestanforderungen, die im Rahmen des BM.I-Projektes zum
Asyldolmetschen im Jahre 2006 im Handbuch „Dolmetschen im Asylverfahren“
dargestellt wurden. Sie konstatiert, dass die aufgezählten Kriterien ohne Weiteres auf den
Polizeibereich übertragen werden können (siehe Abb. 3-5).
61
Abbildung 3-5: Handlungsrichtlinien (vgl. Stanek 2011:104ff.)
Die angeführten Handlungs- bzw. Verhaltensrichtlinien wurden, wie bereits erwähnt, im
Rahmen des Asylprojektes von den Mitgliedern des Netzwerkes „Sprachen-Rechte“, von
NGO-Mitgliedern sowie Dolmetscher/innen und Vertreter/innen der Universitäten Graz
und Wien erstellt. Im Rahmen dieser Masterarbeit dienen sie später – im empirischen Teil
– als Forschungsgrundlage, da sich die Frage stellt, inwiefern Polizeibeamt/innen
tatsächlich Wert auf diese Kriterien legen und ob diese Kriterien auch seitens der
ausgewählten Dolmetscher/innen eingehalten werden. Die Handlungsrichtlinien beinhalten
meines Erachtens die wichtigsten Eckpunkte einer Dolmetschsituation, weshalb es von
Interesse ist, ob diese in der Praxis auch tatsächlich Anwendung finden. Nachdem Stanek
der Meinung ist, dass diese Richtlinien ohne Weiteres auf die Situation bei der Polizei
62
übertragen werden können, soll diese Behauptung im Rahmen der empirischen Analyse
dieser Masterarbeit überprüft werden.
3.2 Dolmetschen aus Sicht der Polizei
Stanek (2011b:78) hat in ihrer Forschungsarbeit zum Dolmetschen bei der Polizei in
Deutschland die Sichtweise einiger Exekutivbeamter/Exekutivbeamtinnen über die
gebräuchliche Auftragsvergabe und Qualifizierung festgehalten. Sie hat herausgefunden,
dass Polizeibeamt/innen die Dolmetscher/innenwahl häufig aufgrund persönlicher
Vorlieben treffen. Die Wahl des/der Dolmetscher/in resultiert aus der bisherigen
Zusammenarbeit bzw. den Erfahrungswerten mit den diversen Dolmetscher/innen. Fällt in
den Augen der Polizeibeamt/innen der/die Dolmetscher/in positiv auf, wird er/sie wieder
bestellt. War die Erfahrung negativ, ist der/diejenige Dolmetscher/in diskreditiert.
Jedem/Jeder von Stanek befragten Polizeibeamt/in ist bewusst, dass er/sie durch seine/ihre
individuellen Auswahlkriterien Einfluss auf die Dolmetschqualität hat (vgl. Stanek
2011b:78).
Die befragten Polizeibeamt/innen sind der Meinung, dass die geführten
Dolmetscher/innenlisten einerseits ineffektiv sind, da sie ein enormes Ungleichgewicht bei
der Auftragsverteilung begünstigen (ibid.). Andererseits ist es für Polizeibeamt/innen aber
auch schwer, Dolmetscher/innen zu finden, da es seitens der Behörden keine normierte
oder zeitlich terminierte Bestellungspflicht gegenüber den beeideten und zertifizierten
Dolmetscher/innen gibt. Letztere sind oftmals zum Zeitpunkt der Suche telefonisch nicht
erreichbar oder aufgrund anderer Aufträge nicht verfügbar (ibid.).
Was die Dolmetscher/innenauswahl über Vermittlungsagenturen betrifft, gehen die
Meinungen der Polizeibeamt/innen auseinander. Einerseits sehen sie diese Möglichkeit als
Erleichterung, da dadurch viel Zeit und auch Kosten gespart werden können. Andererseits
sind die Polizeibeamt/innen nicht sonderlich von der Zusammenarbeit mit den vermittelten
Dolmetscher/innen angetan, da ihre Eignung seitens der Büros nicht überprüft wird. Bei
einer Überprüfung der Qualifikation seitens der Büros ist neben der Ausbildung auch die
Berufserfahrung ausschlaggebend, da diese für viele Polizeibeamt/innen vorrangig ist. Des
Weiteren kommt noch hinzu, dass qualifizierte Dolmetscher/innen nur ungern mit
Vermittlungsagenturen zusammenarbeiten, da die Honorierung aufgrund der relativ hohen
Vermittlungsprovision sehr gering ist (vgl. Stanek 2011b:78f.).
63
Polizeibeamt/innen arbeiten unter enormem Zeitdruck, weshalb sie auf erfahrene
Polizeidolmetscher/innen zurückgreifen, die ihre Teamfähigkeit bereits unter Beweis
gestellt haben (vgl. Stanek 2011b:80). Die positiven Erfahrungen bezüglich der
Zusammenarbeit mit Dolmetscher/innen betreffend, kommt auch Pöllabauer (2005:454) in
ihrer Untersuchung zum Fazit, dass es an umfassenden Schulungen für Dolmetscher/innen
bei der Polizei sowie für die Polizei bedarf.
Die bilinguale polizeiliche Vernehmung ist kein alltägliches Faktum, weshalb sie von
Polizeibeamt/innen auch als problematisch eingestuft wird. Zwar wird die Kommunikation
durch eine/n Dolmetscher/in erst ermöglicht, jedoch müssen Polizeibeamt/innen auf die
herkömmlichen Vernehmungsstrategien verzichten, da sie den/die Betroffene/n nicht direkt
ansprechen können. Des Weiteren können die gleichen Strategien auch deshalb nicht
angewandt werden, da Dolmetscher/innen meist in Bezug auf Fragetechniken oder
Vernehmungsstrategien nicht ausreichend geschult sind (vgl. Pöllabauer 2005:107).
Seitens den von Donk (1996:167) befragten Polizeibeamt/innen wird erwartet, dass
Dolmetscher/innen kriminalistisch kompetent sind, eigeninitiativ agieren und teilweise
auch die Rolle des Hilfspolizisten/der Hilfspolizistin übernehmen.
Der deutsche Dolmetscher und jahrelange Präsident des Bundesverbandes der Dolmetscher
und Übersetzer in Deutschland, André Lindemann (2006), schrieb über seine eigenen
beruflichen Erfahrungen und hielt in seinem Beitrag „Übersetzungsmaschine oder
Hilfspolizist“ fünf unterschiedliche Rollen fest, die Dolmetscher/innen bei der Polizei
einnehmen können. Zum einen können Dolmetscher/innen die Rolle des/der
denunziatorisch agierenden Hilfspolizisten/Hilfspolizistin übernehmen – d.h., die Rolle
eines/einer autoritären Polizisten/Polizistin. Dadurch verspielen sie das Vertrauen aller
Beteiligter und werden ein Hindernis für die Vernehmung (vgl. Lindemann 2006:28). Zum
anderen können Dolmetscher/innen die Rolle des/der sprachinkompetenten
Hilfspolizisten/Hilfspolizistin einnehmen. Dabei bemühen sich Dolmetscher/innen, einen
kooperativen Kontakt zum/zur Beschuldigten aufzubauen, jedoch können aufgrund
mangelnder sprachlicher Kompetenz lediglich Personalien und/oder der Sachverhalt auf
sehr oberflächlicher Ebene ermittelt werden (vgl. Lindemann 2006:28; Donk/Schröer
1995, zit. nach Pöllabauer 2005:108).
In der dritten Rolle werden Dolmetscher/innen zu Übersetzungsmaschinen. Diese Rolle
nehmen Dolmetscher/innen dann ein, wenn der Auftrag vom/von der Polizeibeamt/in
direkt geäußert wird. In diesen Fällen wird der/die Beschuldigte vom Polizeibeamten/von
der Polizeibeamtin direkt angesprochen, wobei er/sie auch testet, ob der/die Beschuldigte
64
ihn auch tatsächlich nicht versteht (vgl. Lindemann 2006:28; Donk 1996:171, zit. nach
Pöllabauer 2005:109).
Bei der vierten Rollenmöglichkeit übernehmen Dolmetscher/innen die Funktion des/der
Vernehmungsbeamten/Vernehmungsbeamtin. Dolmetscher/innen leiten die Vernehmung
und Polizeibeamt/innen mutieren zu Schreibkräften. Diese Rolle kommt laut Donk
(1996:177) nur dann zur Anwendung, wenn Polizist/innen Dolmetscher/innen implizit
dazu auffordern.
Die letzte und fünfte Rolle, die eingenommen werden kann, ist die Rolle als
Erfüllungsgehilfe. Dolmetscher/innen stehen laut Lindemann dabei unter dem Druck
des/der Polizeibeamt/in und versuchen, all dessen/deren Wünsche umzusetzen (vgl.
Lindemann 2006:28; Pöllabauer 2005:110).
Jogerst (1996) untersuchte die Zusammenarbeit von Polizei und Dolmetscher/innen und
erstellte aufgrund dessen eine Art Katalog von Minimalanforderungen an
Dolmetscher/innen, die von der Polizei gewünscht sind. Zu den Anforderungen zählen die
ständige Erreichbarkeit und die Einhaltung von Terminen. Zudem soll der/die
Dolmetscher/in gute Kenntnisse des Strafverfahrensrechts des jeweiligen Landes besitzen,
in dem er/sie dolmetscht. Auch ein fundiertes Wissen über das Personenstandsrecht des
Herkunftslandes der/des Befragten sind wichtig. Als letzten Punkt wünscht sich die Polizei
noch eine diktatsichere Formulierung der Übersetzung (vgl. Jogerst 1996:24).
Auch Stanek führt in ihrem Aufsatz Anforderungen an den/die Dolmetscher/in aus
polizeilicher Sicht an. Aus polizeilicher Sicht sollte der/die Dolmetscher/in
- bei Straftaten mit höherem Schweregrad besonders vertrauenswürdig sein,
- ständig verfügbar und abrufbar sein (nachts, frühmorgens, am Wochenende),
- über Expertenwissen verfügen, das heißt, er sollte Kenntnisse über unterschiedliche
Dialekte, Slangbegriffe, Subkulturen usw. haben,
- detektivisches Gespür haben, um mögliche Geheimsprachen oder Codes
entschlüsseln zu können und
- selbstbewusst und stressresistent sein (vgl. Stanek 2011:101f.).
Anhand dieser Aufzählung kann man erkennen, dass von Dolmetscher/innen ein breites
Spektrum an Wissen erwartet wird, jedoch wird dem Aspekt des Vertrauens mehr
Bedeutung beigemessen. Polizeibeamt/innen unterscheiden laut dieser Aufzählung je nach
Schwere der Straftat und sind somit bei leichteren Straftaten auch mit weniger
vertrauenswürdigen Dolmetscher/innen zufrieden.
65
Die Gerichtsdolmetscherin Gradincevic-Savic (2003) erwähnt im Interview ähnliche
Anforderungen wie Stanek. In Anbetracht der von Stanek (ibid.) genannten Anforderungen
stellt sich Gradincevic-Savic (2003) die Frage, ob Polizeibeamt/innen bereits an schlechte
Dolmetschleistungen von Laiendolmetscher/innen gewöhnt sind und sich keine gute
Verdolmetschung mehr vorstellen können, da weiterhin Laiendolmetscher/innen eingesetzt
werden.
Im Rahmen der nun nachfolgenden empirischen Untersuchung ist es von Interesse, welche
Kriterien in den Augen der Polizei eine/n qualifizierte/n Dolmetscher/in ausmachen. Sind
es Kompetenzen, die im Rahmen der Zertifizierung gar nicht abgefragt werden, oder ist die
Beeidigung ausschlaggebend? Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie viel
kriminalistisches Verständnis der/die Dolmetscher/in mitbringen soll, damit er/sie die
Dolmetschtätigkeit zufriedenstellend ausüben kann. All diesen Fragen soll sich der
empirische Teil dieser Masterarbeit widmen.
4 Empirische Studie
Der zweite Teil der vorliegenden Masterarbeit beschäftigt sich mit der empirischen
Untersuchung der im theoretischen Teil behandelten Thematik. Demgemäß soll in den
folgenden Kapiteln untersucht werden, welche Erfahrungen Polizist/innen mit
Dolmetscher/innen gemacht haben. Das bedeutet, dass der Forschungsfokus auf die Praxis
gerückt wird, um später die Meinungen und Ansichten der Polizist/innen zu diskutieren
und mit den dargelegten Inhalten des theoretischen Teils zu vergleichen. Um
Forschungsmaterial für den empirischen Teil zu erhalten, wurden Polizist/innen von
unterschiedlichen Polizeidienststellen aus Kärnten interviewt.
Im Folgenden sollen nun zuerst die Forschungsfragen und Hypothesen präsentiert werden,
um danach auf das Ziel der Untersuchung eingehen zu können. Danach sollen die
Forschungsmethoden zur Datenaufbereitung und Datenerhebung vorgestellt und begründet
werden. In einem weiteren Kapitel werden der Interviewleitfaden und die geführten
Interviews diskutiert, woraufhin die erhaltenen Daten analysiert werden sollen.
Abschließend werden die Ergebnisse zusammengefasst, um die gestellten
Forschungsfragen zu beantworten und die aufgestellten Hypothesen zu bestätigen oder zu
widerlegen.
66
4.1 Zielsetzung, Forschungsfrage und Hypothesen
Ziel dieser Arbeit ist es, die Erfahrungen von Polizist/innen in der Zusammenarbeit mit
Dolmetscher/innen zu untersuchen. Wie im theoretischen Teil bereits angesprochen,
werden bei der Polizei sowohl professionelle als auch Laiendolmetscher/innen
herangezogen. Ebenso wurde festgehalten, dass die Ausbildung keine Garantie für eine
qualitativ hochwertige Dolmetschung darstellt, was vice versa bedeutet, dass
Laiendolmetscher/innen durchaus auch professionelle Leistungen erbringen können.
Anhand der empirischen Untersuchung soll herausgefunden werden, wie Polizist/innen die
Zusammenarbeit mit Dolmetscher/innen empfinden und ob es Unterschiede zwischen den
Dolmetscher/innen gibt. Des Weiteren soll dargelegt werden, wie zertifizierte
Dolmetscher/innen im Vergleich zu Laiendolmetscher/innen von Polizeibeamt/innen im
Rahmen der Ausübung ihrer Tätigkeit wahrgenommen werden und auf welche
Charakteristika besonderer Wert gelegt wird
Um dem empirischen Teil Struktur zu geben, dienen folgende Forschungsfragen als Gerüst
der Untersuchung:
Zuerst soll der Frage nachgegangen werden, wer in den Augen von Polizist/innen ein/e
Dolmetscher/in ist, also, welche Eigenschaften und/oder Kompetenzen dieser Person
zugeschrieben werden und auch als Voraussetzung dienen. Im Weiteren wird untersucht,
ob es ein Standardprozedere bei der Heranziehung von Dolmetscher/innen gibt und was
die Gründe für die jeweilige Auswahl von Dolmetscher/innen sind. Zusätzlich soll noch
die Frage beantwortet werden, welche Auswahlkriterien beim Engagement von
Laiendolmetscher/innen bzw. professionellen Dolmetscher/innen herangezogen werden.
Aus den eben vorgestellten Forschungsfragen werden folgende Hypothesen abgeleitet:
Zum einen wird davon ausgegangen, dass Personen, die beider involvierter Sprachen
mächtig sind, als Dolmetscher/innen angesehen werden und dass auf andere Aspekte kaum
geachtet wird. Es wird auch die Hypothese aufgestellt, dass es ein Standardprozedere gibt,
dass vom Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz
vorgegeben wird, jedoch wird dieses von Polizist/innen, die bereits Erfahrungen mit
Dolmetscher/innen gemacht haben, zugunsten persönlicher Präferenzlisten vernachlässigt.
Es wird auch davon ausgegangen, dass in erster Linie Laiendolmetscher/innen
herangezogen werden, da sie sowohl kostengünstiger als auch leichter erreichbar sind als
67
ausgebildete bzw. zertifizierte Dolmetscher/innen und dass das persönliche Vertrauen eine
zentrale Rolle bei der Auswahl spielt.
Im Zuge der Recherche wurde festgestellt, dass es schwer ist, eine klare Grenze zwischen
laienhafter und professioneller Dolmetschung bzw. den spezifischen Charakteristika von
Laien- und Profidolmetscher/innen zu ziehen. Deshalb sollen in vorliegender Masterarbeit
jene Personen, die keine translationswissenschaftliche Ausbildung genossen haben, als
„Laien“ bezeichnet werden.
4.2 Methode der Untersuchung
Um die empirische Untersuchung wissenschaftlich nachvollziehbar zu machen, sollen im
Folgenden die im Rahmen der empirischen Untersuchung verwendeten Methoden
dargelegt und argumentiert werden. Grundsätzlich gliedert sich die vorliegende
Untersuchung in drei große Schritte: Datenerhebung, Datenaufbereitung und
Datenauswertung. Als Erhebungsmethode wurde das qualitative halbstandardisierte
Interview gewählt. Diese Methode wurde im Rahmen dieser Untersuchung als die
geeignetste Methode der Datenerhebung erachtet, da der thematische Rahmen durch den
Gesprächsleitfaden vorgegeben ist, jedoch den konkreten Gesprächsverlauf weitestgehend
offenlässt und somit ein natürliches Gespräch zwischen den Befragten und dem
Interviewer ermöglicht (Hug/Poscheschnik 2010:104). Die offen gestellten Fragen bieten
den Polizeibeamt/innen die Möglichkeit, ihre persönliche Perspektive darzulegen.
Die erhaltenen Daten wurden im nächsten Schritt, der Datenaufbereitung, transkribiert.
Eine Transkription dient dazu, mündliche Informationen lesbar zu machen (vgl.
Hug/Poscheschnik 2010:136). Bei der Transkription ist es wichtig, zu unterscheiden, was
essentiell für die Analyse ist (vgl. Gläser/Laudel 2004:188). Deshalb sollen vor der
Transkription selbst Transkriptionsrichtlinien festgehalten werden, anhand welcher
bestimmt wird, wie transkribiert werden soll (vgl. Hug/Poscheschnik 2015:135f.).
Gläser/Laudel (2010:193) konstatieren, dass es keine allgemein gültigen
Transkriptionsrichtlinien gibt, da jede/r Forscher/in, je nach Untersuchungsziel, eigene
Transkriptionsregeln erstellen kann (Gläser/Laudel 2010:193). In der vorliegenden
Masterarbeit wurden als Basis für die Transkription der Interviews die
Transkriptionsrichtlinien von Froschauer und Lueger (2003:223f.) zur Hilfe genommen.
Diese Richtlinien wurden vereinfacht, da der Forschungsfokus auf dem Inhalt der
68
gegebenen Antworten der Befragten liegt und nicht auf den parasprachlichen oder
nonverbalen Merkmalen. Bei der Transkription wurde daher den Dialekten und Pausen
keine Beachtung geschenkt, da sie für die Auswertung nicht relevant sind. Dialektbedingte
Ausdrücke (z.B. „konn“ statt „kann“) wurden an die Standardsprache angepasst,
stilistische Ungereimtheiten wurden jedoch beibehalten. Die Zeichensetzung und das
gesetzte Satzende erfolgten aufgrund der Intonation. Füllwörter wie „ähm“ oder
Reaktionen wie „mhm, ok“ wurden nicht transkribiert. Um die Anonymität der
interviewten Personen zu wahren, wurden Namen von Personen oder Einrichtungen sowie
Orten ausgelassen.
Zur leichteren Lesbarkeit wurden die Transkripte mit Zeilenangaben nummeriert und die
teilnehmenden Personen mit folgenden Kürzeln gekennzeichnet: Die interviewende Person
mit „I“ und die Interviewpartner mit „IP“ und der jeweiligen Kennnummer (1-10).
Nonverbale Äußerungen, wie zum Beispiel Lachen, stehen in runden Klammern.
Unverständliche Passagen wurden mit runden Klammern und Fragezeichen (?)
gekennzeichnet.
Die transkribierten Interviews wurden im nächsten Schritt ausgewertet. Für die
Auswertung wurde die Methode der qualitativen Inhaltsanalyse gewählt, da durch diese
Methode Texte inhaltlich analysiert werden können. Für die Analyse werden ähnliche
Textpassagen in Sinn-Einheiten gegliedert und Kategorien zugeteilt. Die gebildeten
Kategorien teilen sich in deduktive und induktive Kategorien. Die deduktive Kategorie ist
jene, die bereits auf theoretischer Basis gebildet wurde, wohingegen induktive Kategorien
aus der Analyse heraus entstehen (Hug/Poscheschnik 2010:151). Diese Methode wurde
gewählt, um verschiedene Aspekte des Themas tiefgehender zu beleuchten, da dadurch bei
der Erstellung des Interviewleitfadens nicht bedachte Aspekte ebenfalls diskutiert werden
können.
4.3 Durchführung der Interviews
Die Kontaktaufnahme mit den Interviewpartner/innen erfolgte per Telefon oder mittels
eines persönlichen Gespräches. Alle Interviews wurden zwischen dem 4. und 15. Juni 2018
durchgeführt. Die interviewten Polizist/innen arbeiten in unterschiedlichen Kärntner
Polizeidienststellen, und zwar in den Abteilungen der Kriminalistik, der Fremdenpolizei
bis hin zur Präventionsarbeit. Insgesamt wurden zehn Polizist/innen zu ihren Erfahrungen
69
mit Dolmetscher/innen interviewt, wobei ein Interview im Durchschnitt fünfzehn Minuten
dauerte. Der Interviewort wurde in allen Fällen von den Interviewpartner/innen bestimmt,
wobei die Wahl immer auf ein Sprechzimmer bei der Polizei fiel.
Der Ablauf der Interviews gestaltete sich relativ ähnlich. Zu Beginn wurden die
Interviewpartner/innen begrüßt, die Fragestellerin stellte sich kurz vor, und danach wurden
erneut die Beweggründe für die Durchführung der Untersuchung erläutert. Daraufhin
wurde allen Interviewpartner/innen eine vertrauliche Behandlung der Daten unter strikter
Wahrung der Anonymität zugesichert. Dies beinhaltet auch die Versicherung, dass die
Transkripte der Interviews nicht veröffentlicht werden, um mögliche Rückschlüsse auf
dahinterstehende Personen zu vermeiden. Aufgrund dieser Tatsache werden die
Interviewpartner/innen auch nicht vorgestellt.
Nachdem die organisatorischen Eckpunkte geklärt waren, wurden die
Interviewpartner/innen gebeten, möglichst frei und offen über ihre Erfahrungen in Bezug
auf die Zusammenarbeit mit Dolmetscher/innen zu erzählen. Um die Gedanken anzuregen,
wurden allgemeine Fragen gestellt, damit den Erzählungen keine Grenzen gesetzt wurden.
Der Leitfaden diente lediglich dazu, den sog. „roten Faden“ zu behalten.
Bei den durchgeführten Interviews wurden folgende Fragen gestellt:
Einleitung:
Könnten Sie mir ein bisschen über Ihre Tätigkeit als Polizist/in erzählen?
Haben Sie bereits mit Dolmetscher/innen gearbeitet? Erzählen Sie darüber.
Eigenschaften:
Wenn Sie sich eine/n Dolmetscher/in vorstellen, an welche Eigenschaften denken
Sie?
Ablauf / Vorbereitungen:
Wie gehen Sie vor, wenn Sie erfahren, dass Sie mit einer fremdsprachigen Person
konfrontiert werden? Können Sie ein Szenario beschreiben?
Gibt es institutionelle Vorgaben für die Auswahl von Dolmetscher/innen? /
Gibt es bestimmte Voraussetzungen, die Dolmetscher/innen erfüllen müssen, damit
sie als Polizeidolmetscher/innen rekrutiert werden?
Nach welchen Kriterien wählen Sie persönlich eine/n Dolmetscher/in aus?
70
Wie ist Ihre Herangehensweise an eine Vernehmung mit Dolmetscher/innen-
Beteiligung? Gibt es Unterschiede zur einsprachigen Vernehmung?
Hauptteil / Während einer Vernehmung / eines Auftrages:
Was ist in Ihren Augen eine gute Dolmetschung?
Welche Rolle(n) sollte Ihrer Meinung nach der/die Dolmetscher/in einnehmen?
o Was darf der/die Dolmetscher/in während einer Vernehmung?
o Was darf der/die Dolmetscher/in während einer Vernehmung nicht?
Welche Erwartungen haben Sie an den/die Dolmetscher/in?
Welche Aufgaben erteilen Sie dem/der Dolmetscher/in?
Was bedeutet für Sie „Professionalität“ im Zusammenhang mit Dolmetscher/innen?
Für welche Sprachkombination haben Sie schon Dolmetscher/innen bestellt?
o Haben Sie selbst auch schon einmal eine Vernehmung gedolmetscht?
o Gibt es Unterschiede zwischen den Sprachen bei der Vernehmung?
Nach dem Auftrag / Erfahrungen:
Wie würden Sie Ihre bisherige Zusammenarbeit mit Dolmetscher/innen
beschreiben?
Haben Sie bereits Erfahrungen mit nicht-professionellen Dolmetscher/innen bzw.
Laiendolmetscher/innen gemacht? (Nicht professionell in diesem Zusammenhang
bedeutet, dass sie keine Translationsausbildung genossen haben.) Erzählen Sie
darüber.
Was war der Grund, dass Sie Laiendolmetscher/innen herangezogen haben?
Gibt es in Ihren Augen Unterschiede zwischen Laiendolmetscher/innen und
speziell dafür ausgebildeten Dolmetscher/innen? Wenn ja, welche?
Wenn bestimmte Fragen bereits durch die Erzählungen der Polizeibeamt/innen beantwortet
wurden, so wurden diese nicht erneut gestellt.
An dieser Stelle soll ein großer Dank an alle Polizist/innen ausgesprochen werden, die sich
bereit erklärt haben, ein Interview zu führen. Beim jedem Interview herrschte eine
angenehme Atmosphäre, und somit konnte sich das Interview wie ein natürliches Gespräch
entfalten.
71
5 Auswertung der Interviews
Bevor mit der Analyse des Datenmaterials begonnen werden konnte, bestimmt die
qualitative Inhaltsanalyse nach Froschauer/Lueger (2003), Hug/Poscheschnik (2010) und
weiteren, dass ein Kategoriensystem entwickelt wird. Diese Kategorien helfen dabei, das
Interview zu gliedern und alle Daten qualitativ zu durchleuchten. Bereits vor
Analysebeginn, also bei der Erstellung des Interviewleitfadens, wurden vier Kategorien
gebildet, durch welche Antworten in Bezug auf die Zusammenarbeit mit
Dolmetscher/innen festgehalten werden können. Die vier deduktiven Kategorien des
Kategoriensystems sind:
K1. Erfahrungen mit Dolmetscher/innen
K2. Erfahrungen als Polizeidolmetscher/innen
K3. Eigenschaften und Kompetenzen
K4. Herangehensweise an die Zusammenarbeit mit Dolmetschern
Kategorie 1 befasst sich, wie es sich bereits aus der Bezeichnung der Kategorie ableiten
lässt, mit den Erfahrungen der Polizist/innen mit Dolmetscher/innen. In dieser Kategorie
soll das Hauptaugenmerk auf den Erfahrungen der Polizist/innen mit professionellen
Dolmetscher/innen und auch deren Erfahrungen mit Laiendolmetscher/innen liegen.
Außerdem soll beleuchtet werden, ob es Unterschiede zwischen diesen beiden Gruppen
gibt.
Der Fokus der Kategorie 2 liegt auf den Erfahrungen der Polizist/innen bezüglich diverser
Situationen, in denen sie selbst als Dolmetscher/innen agiert haben. In dieser Kategorie
soll festgehalten werden, wie es den Polizist/innen im Rahmen dieser Herausforderung
ergangen ist und auch, für welche Sprachen sie gedolmetscht haben.
Kategorie 3 umfasst einerseits Eigenschaften und Kompetenzen, die Polizist/innen
einem/einer Dolmetscher/in zuschreiben, und andererseits Anforderungen, die ein/e
Dolmetscher/in mitbringen muss, um als Polizeidolmetscher/in aufgenommen zu werden.
72
In dieser Kategorie sollen auch die Professionalität von Dolmetscher/innen und die
Qualität von Dolmetschleistungen näher diskutiert werden.
Der Fokus der Kategorie 4 liegt auf der Herangehensweise an die Zusammenarbeit mit
Dolmetscher/innen. Das heißt, es sollen sowohl die Heranziehung von Dolmetscher/innen
als auch die Auswahlkriterien beleuchtet werden. Außerdem sollen die vorbereitenden
Maßnahmen bzw. das Prozedere diskutiert werden.
Während der Interviewführung und auch später beim Transkribieren und Bearbeiten des
Datenmaterials wurde festgestellt, dass noch weitere interessante Aspekte von den
teilnehmenden Interviewpartnern genannt wurden, denen in dieser empirischen
Untersuchung ebenfalls Raum gegeben werden soll. Die später gebildeten Kategorien sind:
K5. Erwartungen
K6. Sympathie und Vertrauen
Kategorie 5 befasst sich mit den Erwartungen der Polizist/innen an die Dolmetscher/innen
in Bezug auf die Dolmetscherrolle. Es soll erläutert werden, was in den Augen der
Polizist/innen ein/e Dolmetscher/in beim Einsatz darf und was nicht. Ebenso soll(en) die
Rolle(n) der Dolmetscher/innen diskutiert werden.
Der Fokus von Kategorie 6 liegt auf der persönlichen Ebene, der Sympathie und dem
Vertrauen. Wie groß der Aspekt des Vertrauens zwischen Polizist/in und Dolmetscher/in
ist und welche Auswirkungen die persönliche Ausstrahlung auf den Einsatz bei der Polizei
hat, soll näher beleuchtet werden.
Im Folgenden soll jede Kategorie gesondert diskutiert werden, um aufzuzeigen, wie die
Sichtweise der Polizist/innen zu jedem dieser Punkte ist.
73
5.1 Erfahrungen mit Dolmetscher/innen
Im Laufe der Interviews stellte sich heraus, dass die Häufigkeit der Zusammenarbeit mit
Dolmetscher/innen je nach Abteilung variiert. Beispielsweise haben jene Polizist/innen, die
in der Fremdenpolizei tätig sind, täglich mit Dolmetscher/innen zu tun, während andere
Polizist/innen, die keiner bestimmten Polizeigruppe zugeteilt werden, lediglich zwei- bis
dreimal in der Woche auf eine/n Dolmetscher/in zurückgreifen müssen. Alle Polizist/innen
arbeiten nach dem gleichen Grundsatz:
„Sobald er/sie nicht Deutsch als Muttersprache hat, wird ein/e Dolmetscher/in
herangezogen.“ (IP10:Z43f.)
Im Zuge der vielen Gespräche stellte sich heraus, dass die Befragten Polizeibeamt/innen
die Bezeichnungen „professionelle/r Dolmetscher/in“ und „Laiendolmetscher/in“ synonym
verwenden. Sie unterscheiden sehr wohl zwischen „guten“ und „weniger guten“
Dolmetscher/innen, jedoch kann diese Unterscheidung nicht mit der Differenzierung
zwischen professionelle/r Dolmetscher/in und Laiendolmetscher/in gleichgesetzt werden.
In der Theorie unterscheiden Polizeibeamt/innen drei Arten von Dolmetscher/innen –
Sprachkundige, geprüfte Dolmetscher/innen und gerichtlich beeidete Dolmetscher/innen,
jedoch wird diese Unterscheidung in der Praxis kaum beachtet. Eine weitere interessante
Unterteilung der Polizist/innen war auch Folgende:
„Es gibt, so wie überall, Fähige, Fähigere und es gibt Gute“ (IP1:Z32).
Im Laufe der Gespräche wurde jedoch deutlich, dass diese Unterscheidung bei vielen
Polizeibeamt/innen sozusagen nur am Papier erfolgt, „weil ich frage ja nicht: Haben Sie
eine abgeschlossene Ausbildung oder nicht?“ (IP6:Z380). Das Hauptkriterium stellt für sie
der Faktor der guten Zusammenarbeit dar.
Einige Polizist/innen sehen die Zusammenarbeit mit den Dolmetscher/innen sogar als Teil
ihrer Arbeit, da sie tagtäglich mit vielen ausländischen Personen konfrontiert werden.
Viele betonen auch, dass aufgrund der Flüchtlingskrise die Frequenz der Zusammenarbeit
mit Dolmetscher/innen gestiegen ist.
Einige Polizist/innen unterscheiden auch zwei Arten von Dolmetschtätigkeiten. Eine ist die
Ad-hoc-Dolmetschtätigkeit und die andere das Beratungsgespräch bzw. die präventive
Rechtsaufklärung. Der Unterschied zwischen diesen beiden Arten liegt darin, dass bei der
74
ersten Variante spontan ein/e Dolmetscher/in herangezogen wird und bei der zweiten ein/e
Dolmetscher/in ausgewählt wird, der/die auch auf das Gespräch vorbereitet wird.
Viele Polizist/innen geben an, dass früher die meisten Angelegenheiten unter
Zuhilfenahme der englischen Sprache gelöst werden konnten, wohingegen heute auch viele
andere Sprachkenntnisse gefragt wären. Im Großen und Ganzen ist den Polizist/innen egal,
in welcher Sprache die Vernehmung geführt wird. Wichtig ist, dass der/die Dolmetscher/in
Inhalte nicht aus dem Zusammenhang reißt und dass die Vernehmung sinngemäß
protokolliert werden kann.
In Bezug auf die Vorbereitung auf eine Vernehmung mit Dolmetscher/innenbeteiligung
geben die meisten Polizist/innen an, sich nicht mehr vorzubereiten, da sie schon unzählige
Vernehmungen gemacht haben und wissen, wie sich der Ablauf gestaltet. Jedoch
besprechen sie den Sachverhalt vor Vernehmungsbeginn trotzdem mit dem/der
Dolmetscher/in, um ihn/sie vorzubereiten bzw. einzubinden. Viele Polizist/innen stimmen
mit der Aussage eines Kriminalpolizisten überein, wenn er meint:
„Aus meiner Erfahrung ist es sehr gut, wenn der Dolmetscher schon vorher mit in
die Ermittlungen eingebunden ist.“ (IP7:Z80f.)
Diese Ansicht beruht darauf, dass sich der/die Dolmetscher/in so besser vorbereiten kann
und die Zusammenarbeit dadurch erleichtert wird. Die wenigen Polizist/innen, die
angaben, sich vorzubereiten, achten zusätzlich noch drauf, welche/n Dolmetscher/in sie
auswählen. Sie wählen jene/n Dolmetscher/in, die ihnen für die jeweilige Situation
geeignet erscheint und im Zweifelsfall zusätzlich deeskalierend auf das Gegenüber wirkt.
Grundsätzlich haben jedoch sowohl Polizist/innen als auch Dolmetscher/innen keine
Vorbereitungszeit, da jederzeit etwas passieren kann und dann binnen kürzester Zeit ein/e
Dolmetscher/in organisiert werden muss.
Was die Fragen während einer Vernehmung betrifft, konstatieren einige, dass es keine
vorgefertigten Fragenprogramme gibt, da man auch keine Zeit für die Vorbereitung hat
und sich die Fragen teilweise im Laufe der Vernehmung ergeben. In anderen
Polizeigruppen ist es anscheinend jedoch Usus, die Vernehmung nach einem
vorgeschriebenen Leitfaden durchzuarbeiten. In diesem Fall geben die Polizist/innen an,
dass die Zusammenarbeit mit Dolmetscher/innen, die bereits öfters eine Vernehmung mit
Leitfaden gedolmetscht haben, leichter ist, da diese den Ablauf bereits kennen. Die
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befragten Polizeibeamt/innen haben angemerkt, dass sich der Ablauf einer Vernehmung
nicht ändert, wenn ein/e Dolmetscher/in beteiligt ist. Die einzigen Unterschiede sind
„dass noch eine dritte Person da ist, der Dolmetsch, der uns das übersetzt, und es verzögert
sich zeitlich ein bisschen“ (IP3:Z86fff.).
Polizist/innen gestalten bei jeder Vernehmung neue Fragen und je nach Erfahrungsgrad des
Dolmetschers/der Dolmetscherin können auch Zwischenfragen gestellt werden. Einige
haben diesbezüglich angegeben, dass es nicht bei jedem/jeder Dolmetscher/in möglich ist,
Zwischenfragen zu stellen. Deshalb betonen Polizist/innen im Gespräch immer wieder,
dass durch den mehrmaligen Einsatz eines Dolmetschers/einer Dolmetscherin – egal ob
Sprachkundige/r, Geprüfte/r oder Gerichtsdolmetscher/in – die Zusammenarbeit optimiert
werden kann, da die Dolmetscher/innen ebenso ein Gefühl für die Situation entwickeln.
Ein Nachteil für die Vernehmung, der durch die Zusammenarbeit mit Dolmetscher/innen
entsteht, ist der Informationsverlust. Die Polizeibeamt/innen haben dafür Verständnis,
„weil der/die Dolmetscher/in einfach nicht alles übersetzt und auch nicht alles übersetzen
kann, was der da daherredet“ (IP7:Z183f.).
Bei längeren Einsätzen werden deshalb mehrere Dolmetscher/innen organisiert, damit
diese sich abwechseln und Pausen einlegen können, die Vernehmung aber trotzdem
weitergeführt werden kann.
In Bezug auf die Zusammenarbeit geben alle Polizist/innen an, dass sie durchwegs positive
Erfahrungen gemacht haben. Je öfter man mit einem/einer Dolmetscher/in
zusammengearbeitet hat, desto leichter wird es.
Was die Erfahrung zur Zusammenarbeit je nach Sprache betrifft, nennen alle, dass es auf
die Person ankommt und nicht auf die Sprache. Jede/r Dolmetscher/in vertritt seine eigene
Sprache und die Zusammenarbeit wird neben dem positiven Ergebnis der Vernehmung
auch mit persönlichen Kriterien, wie Freundlichkeit und Persönlichkeit, bewertet.
Beim Interview stellte sich heraus, dass die Polizei bezüglich der Kontaktierung von
Dolmetscher/innen des Öfteren mit Schwierigkeiten konfrontiert ist. Viele
Polizeibeamt/innen geben an, nicht immer das Glück zu haben, den/die gleiche/n
Dolmetscher/in heranziehen zu können, da nicht jede/r zu jeder Tages- und Nachtzeit
sofort verfügbar ist. Die Befragten geben auch an, dass einige Dolmetscher/innen
überhaupt nicht erreichbar seien. Solche werden nach mehreren Versuchen nicht mehr
herangezogen. Eine Aussage, die diese Sichtweise bestätigt, lautet:
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„Aber den ruft man dann nie mehr, das ist dann vorbei.“ (IP2:86f.)
Wie eben erwähnt, sind einige Polizeibeamt/innen der Meinung, dass es immer auf die
Person bzw. deren Charakter ankommt. Einige betonen jedoch, dass die positive
Zusammenarbeit auch immens von der zu dolmetschenden Sprache abhängt. Sofern im
Vernehmungsprozess eine Sprache verwendet wird, der sie auch selbst in bestimmtem
Ausmaß mächtig sind, falle die Zusammenarbeit leichter, da sie sofort wissen, ob der/die
Dolmetscher/in richtig dolmetscht.
Was die Auswahl der Dolmetscher/innen betrifft, geben einige Polizist/innen an,
ausschließlich Dolmetscher/innen von der Gerichtsdolmetscher/innen-Liste zu holen,
während andere auch auf Sprachkundige bzw. Laiendolmetscher/innen zurückgreifen.
Jene Polizist/innen, die auch auf Sprachkundige bzw. Laiendolmetscher/innen
zurückgreifen, betonen, dass Laien bzw. Sprachkundige eine genauso gute Leistung
erbringen wie geprüfte und/oder beeidete Dolmetscher/innen, da „die ja eben auch der
Sprache mächtig [sind]“ (IP2:Z158). Der Faktor der Erfahrung zählt, was bedeutet: Je öfter
man bei der Polizei zum Einsatz kommt, desto besser und erfahrener wird man in der
Dolmetschtätigkeit.
Die einzigen Unterschiede ergeben sich laut Angaben der Beamt/innen möglicherweise in
der Qualität, wobei der Begriff Qualität sehr unterschiedlich interpretiert wird. Für die
einen bedeutet Qualität, dass der/die Dolmetscher/in die Sprache sowohl in Wort und
Schrift beherrscht, während für die anderen lediglich das Beherrschen der gesprochenen
Sprache zählt, da nicht mehr gebraucht wird. In diesem Zusammenhang geben einige
Polizist/innen an, dass sie froh sind, auf Sprachkundige zurückgreifen zu können, da es für
einige Sprachen in Kärnten gar keine eingetragenen Dolmetscher/innen gibt. Es gibt auch
Fälle, bei denen man Dolmetscher/innen aus anderen Bundesländern oder auch Ländern
heranziehen muss, was noch mehr Zeit in Anspruch nimmt.
Grundsätzlich gibt es keine bestimmten Beweggründe bzw. Entscheidungsgrundsätze, in
welchen Fällen ein/e Laie/Laiin oder ein/e professionelle/r Dolmetscher/in herangezogen
werden, denn ausschlaggebend sind Erreichbarkeit, Nähe, Erfahrung und Persönlichkeit.
Einige Polizist/innen ziehen Laien im Falle einer schnellen Informationsbeschaffung
heran, d.h. im Falle von kleineren Amtshandlungen und in Fällen, wo die nötigsten
Informationen umgehend aufgenommen werden müssen. In so einem Fall kann es sein,
dass ein/e Dolmetscher/in auch per Telefon dazugeschaltet wird.
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„Wir haben auch schon diese Variante, dass wir zum Beispiel mit gewissen Dolmetschern
uns soweit verständigt haben, dass wir sie telefonisch kontaktieren dürfen. Wenn der dann
zur Verfügung steht, dann gibt er mir halt Frage-Antwort-Spiel übers Telefon.“
(IP8:Z91ff.)
Laien/Laiinnen werden auch dann herangezogen, wenn nur wenige Dolmetscher/innen
einer Sprache vertreten sind. Auch die Zeit, zu welcher Dolmetscher/innen gerufen
werden, ist ausschlaggebend, denn viele sind in der Nacht nicht verfügbar.
Als die Polizist/innen direkt auf den Unterschied zwischen Laien- und professionellen
Dolmetscher/innen angesprochen wurden, haben diese angemerkt, dass sie keinen
Unterschied erkennen können, da sie selbst nicht vom Fach sind. Den einzigen
Unterschied, den sie eventuell nennen würden, ist, dass ein/e professionelle/r
Dolmetscher/in die Fragen klarer und verständlicher vermittelt als ein/e Laie/in. Doch die
Ausbildung ist für viele nicht maßgebend, denn das Wichtigste in den Augen der befragten
Polizeibeamt/innen ist, dass die Zusammenarbeit zufriedenstellend ist.
Alle Befragten geben an, dass die Zusammenarbeit nach mehrmaligem Heranziehen
leichter fällt, weil der/die Dolmetscher/in bereits weiß, was von ihm/ihr erwartet wird.
Ebenso geben alle Polizist/innen an, noch nie Probleme mit Dolmetscher/innen gehabt zu
haben, da einerseits immer die gleichen Dolmetscher/innen herangezogen werden und
andererseits durch die klaren Vorgaben keine Probleme entstehen können. Viele
Polizeibeamt/innen stützen sich auch auf die Erfahrungswerte der Kolleg/innen, was die
Auswahl der Dolmetscher/innen betrifft. Untereinander wird darüber gesprochen, wer gute
Leistungen erbringt/erbracht hat und wer eher nicht mehr zu konsultieren sei.
Des Weiteren ist es hierbei auch wichtig, diesbezüglich zwischen den einzelnen
Polizeiabteilungen zu unterscheiden. Polizeibeamt/innen, die in der kriminalpolizeilichen
Gruppe tätig sind, geben an, ausschließlich geprüfte Dolmetscher/innen einzusetzen, da
dadurch die Beweiskraft nicht in Frage gestellt wird. In Bezug auf die Beweiskraft geben
andere Polizeibeamt/innen noch an, dass sie immer auf eine/n Dolmetscher/in
zurückgreifen und nie selbst versuchen, eine Vernehmung zu dolmetschen, da durch eine
externe Person die Vernehmung und somit auch die Dolmetschung glaubwürdiger sind.
Obwohl alle Polizist/innen eingangs meinten, dass sie bisher keine Probleme mit
Dolmetscher/innen hatten, erwähnten im Laufe des Gesprächs trotzdem einige
Polizist/innen negative Erfahrungen. So wird beispielsweise die unnötige Ausdehnung der
Vernehmung angeführt. In so einem Fall beabsichtigt der/die Dolmetscher/in vermutlich,
78
eine höhere Gebührennote herauszuholen. Andererseits werden hierbei auch fehlerhafte
Übersetzungen oder Telefonate des Dolmetschers/der Dolmetscherin während der
Vernehmung genannt. Alle Polizist/innen konstatieren, dass im Fall einer negativen
Erfahrung derjenige/diejenige Dolmetscher/in nach Möglichkeit nicht mehr herangezogen
und aus der Liste gestrichen wird. Zwei Polizist/innen haben zusätzlich betont, dass auf der
Gerichtsdolmetscher/innenliste Dolmetscher/innen vermerkt sind, die keine
entsprechenden Kompetenzen aufweisen und unrichtigerweise auf die Liste gelangt sind:
„Es sind ein paar dabei, wo ich nicht weiß, wie der in die Liste reinkommt, von der
Kompetenz her, wo dann genau weißt, er kann ihm die Frage jetzt nicht stellen, weil
Mundart und ein, ich weiß nicht, ein Buch lesen, hat mit unserem Beruf nichts zu tun.“
(IP1:Z179ff.)
Die meisten befragten Polizist/innen verfügen bereits über ihre „Dolmetscher/innen des
Vertrauens“, die sie im Bedarfsfall heranziehen. Ob das jetzt ein/e Sprachkundige/r, ein/e
geprüfte Dolmetscher/in oder ein/e Gerichtsdolmetscher/in ist, spielt im Großen und
Ganzen keine Rolle. Prioritär ist, dass sich der/die Dolmetscher/in und das Gegenüber
verständigen können. Ein weiteres wichtiges Kriterium ist auch, dass der/die
Dolmetscher/in das Land und die Kultur kennt, da so zusätzliche Informationen gewonnen
werden können.
Einige Polizist/innen erlauben den Dolmetscher/innen ihres Vertrauens, dass sie mit der zu
vernehmenden Person die Fragen vorab durchgehen, damit dem Gegenüber alles
verständlich ist, bevor das Protokoll geschrieben wird.
Ein weiterer interessanter Aspekt ist, dass Polizist/innen versuchen, eine/n Dolmetscher/in
heranzuziehen, der sich altersmäßig im Nahbereich des/der zu Befragenden befindet, da
dies ebenso eine enorme Auswirkung auf die Vernehmung hat. Ein Polizist gibt an, dass er
die Erfahrung gemacht habe, dass ältere Dolmetscher/innen nicht mehr auf dem neuesten
Stand sind und somit jüngere zu vernehmende Parteien missverstehen oder nicht
vollständig dolmetschen (I8:Z390f.).
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der Persönlichkeit und Erfahrung des
Dolmetschers/der Dolmetscherin hinsichtlich deren Heranziehung eine enorme Bedeutung
zukommt. Seitens einiger Polizeibeamt/innen wird der fachlichen Ausbildung der
Dolmetscher/innen wenig bis gar keine Aufmerksamkeit geschenkt, da andere Kriterien im
Vordergrund stehen. Andere Beamt/innen wiederum schätzen es sehr, mit qualifizierten
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Dolmetscher/innen zusammenzuarbeiten, da diese in weiterer Folge auch bei erweiterten
Ermittlungsmaßnahmen und bei Gericht eingesetzt werden können.
5.2 Erfahrungen als Polizeidolmetscher/innen
Während der Interviews hat sich herausgestellt, dass einige Polizeibeamt/innen bereits
selbst eine Vernehmung gedolmetscht haben. Im Rahmen der Tätigkeit bei der Polizeit gibt
es die Möglichkeit, eine sprachliche Zusatzqualifikation zu erwerben, um auch als
Dolmetscher/in herangezogen werden zu können. Alle Polizist/innen, die bereits
gedolmetscht haben, geben an, dass es sehr herausfordernd war und sie Schwierigkeiten
hatten, da ihnen nicht alle Wörter eingefallen sind. Ein Polizist hat seine Erfahrung
kompakt zusammengefasst:
„Schuster, bleib bei deinem Leisten. Gewisse Dolmetschertätigkeiten sollten einfach von
externen Profis abgearbeitet werden.“ (IP5:Z278f.)
Auch andere Polizist/innen haben eine ähnliche Meinung, denn man sollte die Sprache
schon in ausreichendem Ausmaß beherrschen, um dolmetschen zu können. Alle geben an,
dass es Vorteile mit sich bringt, wenn man eine Fremdsprache spricht, da man dadurch die
nötigsten Informationen selbst aufnehmen kann. Jedoch sei es für die Vernehmung selbst
besser, eine/n externe/n Dolmetscher/in heranzuziehen. Durch eine/n externe/n
Dolmetscher/in ist es auch leichter, bei Gericht zu beweisen, wie die Vernehmung
abgelaufen ist. Am Ende der Vernehmung wird das Protokoll vom Dolmetscher/von der
Dolmetscherin erneut übersetzt und danach von allen an der Vernehmung Beteiligten
unterzeichnet. Somit arbeitet man unter dem Vier-Augen-Prinzip, und die Vernehmung
wird nicht in Frage gestellt.
5.3 Eigenschaften, Kompetenzen und Anforderungen
In Bezug auf die Eigenschaften und Kompetenzen von und Anforderungen an
Dolmetscher/innen sind die befragten Polizist/innen sehr ähnlicher Meinung. Das
Wichtigste für die meisten befragten Polizist/innen ist, dass der/die Dolmetscher/in die
beiden zu übersetzenden Sprachen in Wort und Schrift beherrscht. Obwohl das
Beherrschen der Sprache eine wichtige Voraussetzung ist, geben einige an, dass speziell in
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letzter Zeit viele „muttersprachliche Übersetzer/innen oder Dolmetscher/innen“ eingesetzt
werden mussten, da es nicht ausreichend Dolmetscher/innen für gewisse Sprachen gibt.
Diese Dolmetscher/innen beherrschten die deutsche Sprache nicht in ausreichendem
Ausmaß, weshalb man in diesen Situationen sozusagen noch eine/n Übersetzer/in für
den/die Übersetzer/in benötigt hätte (IP1:42f.). Die Polizei erwartet sich, dass der/die
Dolmetscher/in professionell agiert. Professionalität wird von den befragten
Polizeibeamt/innen allerdings unterschiedlich interpretiert.
Die meisten geben diesbezüglich an, dass der/die Dolmetscher/in professionell ist, wenn
er/sie aktiv mitarbeitet, sich loyal gegenüber dem Beamten/der Beamtin verhält, pünktlich
erscheint, die österreichischen Gesetze kennt, rechtskonform agiert und sich mit den
kulturellen Unterschieden in Bezug auf die übersetzenden Sprachen auskennt. Des
Weiteren wird ein/e Dolmetscher/in als professionell eingestuft, wenn er/sie sich im
Vorfeld selbst informiert, worum es bei einem gewissen Sachverhalt geht, ein gepflegtes
Auftreten sowie eine Selbstkompetenz aufweist und weiß, wann er/sie eine Pause braucht.
Ein weiteres Kriterium ist zu guter Letzt die Seriosität bei der Abrechnung.
Eine andere Auslegung des Begriffes Professionalität ist, dass der/die Dolmetscher/in
professionell gehandelt hat, wenn „von der Staatsanwaltschaft keine Rückfragen kommen,
weil da irgendwie vielleicht was Falsches hineingeschrieben wurde“ (IP4:Z79f.). Auch die
korrekte und exakte Wiedergabe von Inhalten sowie das Unterlassen von Verzerrungen
wird unter dem Begriff Professionalität subsumiert.
Die herangezogenen Dolmetscher/innen sollen eine für die Vernehmungssituation
passende persönliche Ausstrahlung besitzen, zuhören können, flexibel sein, sich nicht in
das Gespräch einmischen, auf das Gegenüber eingehen können und auch ein gewisses
Fachwissen über bestimmte Abläufe besitzen.
Einige Polizeibeamt/innen möchten auch, dass sich der/die Dolmetscher/in in ihre
Tätigkeit hineinversetzen und Verständnis dafür aufbringen kann. In diesem
Zusammenhang wurde auch von mehreren Beamt/innen der Wunsch geäußert, dass der/die
Dolmetscher/in sich in die Rolle des Hilfspolizisten/der Hilfspolizistin begibt. Was das
bedeutet, soll in der Kategorie 5 (Erwartungen) näher beleuchtet werden.
Für die Polizist/innen ist es auch wichtig, dass der/die Dolmetscher/in die Rechte und
Pflichten der zu vernehmenden Person kennt – also die Rechte und Pflichten eines Opfers,
eines/einer Beschuldigten und eines Zeugen/einer Zeugin. Diese müssen den
Gesprächsprotagonist/innen im Rahmen der Vernehmung verständlich dargestellt werden.
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Um dies gewährleisten zu können, müssen die Dolmetscher/innen in ihrer Sprache äußerst
flexibel sein. Flexibilität in der Sprache bedeutet auch, dass der/die Dolmetscher/in der zu
vernehmenden Person die seitens des Polizeibeamten/der Polizeibeamtin verwendeten
Fachbegriffe verständlich erklären kann.
Die Fragen, die während einer Vernehmung gestellt werden, sollen so authentisch wie
möglich transportiert werden. Im Prinzip soll die Frage auf eine Art und Weise
gedolmetscht werden, als ob der/die Polizist/in die Frage selbst stellt.
Der/Die Dolmetscher/in soll im Rahmen einer Vernehmung auch Sachverhalte erkennen
können. Insofern wird seitens einiger Polizist/innen auch ein wenig kriminalistisches
Verständnis und taktisches Gespür in Bezug auf die Vernehmung vorausgesetzt:
„Dass er einfach ein bisschen ein kriminalistisches Gespür auch hat und versteht, das was
ich den fragen will oder was ich von dem wissen will.“ (IP7:Z56f.)
Des Weiteren soll er/sie auch die Mentalität der zu vernehmenden Person verstehen, um so
einerseits gut auf ihn/sie eingehen und andererseits auch deeskalierend wirken zu können.
Der/Die Dolmetscher/in soll auch keine Informationen nach außen weitergeben und
äußerste Diskretion walten lassen.
Eine der wichtigsten Voraussetzungen ist das Vertrauen. Der/Die Dolmetscher/in soll
vertrauenswürdig sein, denn der Polizeibeamte/die Polizeibeamtin hat nur die Möglichkeit,
über den/die Dolmetscher/in mit dem Gegenüber zu kommunizieren.
Auch die Nähe und der Bekanntheitsgrad des Dolmetschers/der Dolmetscherin spielen eine
wichtige Rolle. Attribute wie Loyalität und Kompetenz werden ebenso großgeschrieben.
Des Weiteren soll der/die Dolmetscher/in Einfühlungsvermögen bzw. ein Gespür für
Menschen haben, damit auf das Gegenüber besser eingegangen und die Gesamtsituation
besser eingeschätzt werden kann.
Wichtig ist auch, dass der/die Dolmetscher/in neutral auftritt. Das bedeutet, dass er/sie sich
weder auf die Seite der Polizei noch auf die zu vernehmende Seite ziehen lässt.
Ein weiterer essentieller Aspekt ist die Offenheit und Ehrlichkeit des Dolmetschers/der
Dolmetscherin. Dieses Attribut spielt besonders in Situationen eine Rolle, in denen eine
unparteiische Vernehmung durch persönliche Kenntnis oder Nähe einer zu befragenden
Person seitens des Dolmetschers/der Dolmetscherin nicht zu gewährleisten wäre.
Den Polizist/innen ist wichtig, dass der Dolmetscher bestimmte Sachverhalte auch ohne
das Tätigen von Niederschriften besprechen und das Gespräch anschließend so
82
zusammenfassen kann, dass es einen Sinn ergibt. Dabei soll das Prinzip „kurz, bündig und
sachlich“ (IP1:Z118) im Hinterkopf behalten werden.
Ein wesentlicher Aspekt im Rahmen der Dolmetschertätigkeit ist es, dass der/die
Dolmetscher/in seinen/ihren Job glaubwürdig und gut macht.
Als gelungene Dolmetschung bezeichnen Polizeibeamt/innen eine Vernehmung, die im
Grunde so abläuft wie eine einsprachige, und wenn die zu vernehmende Person das Gefühl
hat, sie wurde in ihrer Würde ernst genommen und verstanden. Zudem soll der/die
Dolmetscher/in deeskalierend wirken und auch in unterschiedliche Sprachformen wechseln
können, ohne dabei das Gegenüber in seiner Menschlichkeit zu verletzen. Eine gute
Dolmetschung wird auch daran gemessen, „wenn ich die Fragen so beantwortet bekommen
habe, wie ich sie gestellt habe, oder wie ich es mir ungefähr vorgestellt habe“ (IP6:Z294f.).
In den Augen der Polizist/innen wurde gut gedolmetscht, wenn man sich mit dem/der
Dolmetscher/in sozusagen blind versteht und wenn das Gegenüber verstanden hat, worum
es geht.
Wichtig ist, dass das Gesamtbild der Dolmetscher/innen-Tätigkeit am Ende passt. Dies
impliziert, dass der/die Dolmetscher/in verständlich dolmetscht und dass am Ende der
Vernehmung ein Ergebnis ersichtlich ist. Dolmetscher/innen, die diesbezüglich einen
schlechten Eindruck hinterlassen, werden nicht mehr bestellt. Im Großen und Ganzen ist
den Polizeibeamt/innen wichtig, dass der/die Dolmetscher/in hauptsächlich das tut, was
von ihm/ihr verlangt wird, also dass er/sie objektiv und neutral dolmetscht.
5.4 Herangehensweise an die Zusammenarbeit mit Dolmetscher/innen
Wenn Polizeibeamt/innen mit einer fremdsprachigen Person konfrontiert werden, müssen
sie eine/n Dolmetscher/in heranziehen. Jene Dolmetscher/innen, die bei der Polizei
eingesetzt werden, sind auf einer Dolmetschliste gelistet. Diese Liste wird von der
Landespolizeidirektion jedes Bundeslandes gesondert geführt. Die Landespolizeidirektion
gibt auch vor, in erster Linie die von ihnen geprüften Dolmetscher/innen einzusetzen. Erst,
wenn von dieser Liste niemand verfügbar ist, kann auf andere Dolmetscher/innen
zurückgegriffen werden.
Alle im Rahmen der Untersuchung befragten Polizeibeamt/innen geben an, immer
Dolmetscher/innen von dieser Liste zu verständigen. Entweder kontaktieren sie die
Dolmetscher/innen selbst, oder die zentrale Leitstelle übernimmt die Kontaktaufnahme.
83
Zudem gibt es noch die Liste der gerichtlich beeideten und zertifizierten
Dolmetscher/innen:
„Es gibt auch gerichtlich beeidete Sachverständige im Bereich der Sprache, auf die können
wir theoretisch auch zurückgreifen, aber grundsätzlich haben wir in unserem Dienstvollzug
auf diese von der Landespolizeidirektion vorgegebenen Dolmetscher und
Dolmetscherinnen zurückzugreifen.“ (IP5:Z161fff.)
Um in die Dolmetschliste aufgenommen zu werden, muss man sich bei der
Landespolizeidirektion des jeweiligen Bundeslandes bewerben und einen
Befähigungsnachweis erbringen, dass man die Sprachen auch tatsächlich in Wort und
Schrift beherrscht. Zudem sind ein einwandfreier Leumund und Vertrauenswürdigkeit
Voraussetzung. Danach kommt es zu einem Aufnahmegespräch. Erst bei dessen positivem
Verlauf wird man in die Liste aufgenommen. Wenn sich genügend Dolmetscher/innen für
eine Sprache auf der Liste befinden, gibt es einen Aufnahmestopp.
Einige Polizist/innen geben auch explizit an, dass es bei der Vernehmung eigentlich keine
Rolle spielt, ob man gerichtlich beeidet oder einfach zweisprachig bzw. sprachkundig ist.
Lediglich bei Gericht ist es wichtig, dass der/die Dolmetscher/in gerichtlich beeidet ist.
Alle Beamt/innen erklären, dass immer auf Dolmetscher/innen zurückgegriffen wird, mit
welchen sie bereits gute Erfahrungen gemacht haben und bei welchen sie wissen, dass sie
für die Vernehmung geeignet sind. Viele Polizist/innen treten auch persönlich mit den
Dolmetscher/innen in Kontakt, wenn sie wissen, dass diese auf der Liste eingetragen sind.
Alle Polizist/innen teilen beim Interview mit, dass sie für die geläufigen Sprachen
mindestens zwei gute Dolmetscher/innen haben, auf die sie zurückgreifen.
„Ich habe von jeder Sprache, fast schon von jeder Sprache, also den geläufigen, einen
guten Dolmetsch und den fordere ich an.“ (IP1:Z82f.)
Wenn jedoch keine dieser Dolmetscher/innen verfügbar ist, dann nennen die Polizist/innen
die Auswahl „ein Glücksspiel“. Es gibt auch Dolmetscher/innen, die die verwendeten
Sprachen nicht perfekt beherrschen, und eine solche Zusammenarbeit empfinden
Polizeibeamt/innen als mühsam. Außerdem verfälscht eine solche Zusammenarbeit auch
das Protokoll. Alle Beamt/innen sind davon überzeugt, dass man bereits zu Beginn der
Vernehmung und den ersten gesprochenen Sätzen weiß, ob der/die Dolmetscher/in
geeignet ist oder nicht.
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5.5 Erwartungen
Die persönlichen Erwartungen der Polizist/innen an eine/n Dolmetscher/in überschneiden
sich großteils. In erster Linie ist es wichtig, dass der/die Dolmetscher/in seine/ihre Arbeit
korrekt erledigt.
Ein Polizist äußerte sich direkt dazu, was er sich von seinem/seiner Dolmetscher/in
erwartet:
„Also, ich brauche schon einen Dolmetscher, der ein bisschen was auf der Platte hat.“
(IP7:Z99f.)
Wichtig ist auch, dass der/die Dolmetscher/in bei der Auftragserteilung ehrlich ist und
zuverlässig Auskunft darüber erteilen kann, ob er/sie diesen Auftrag bewältigen kann. Es
gibt bestimmte Delikte und Themen, die von diversen Dolmetscher/innen abgelehnt
werden, wie beispielsweise eine Vergewaltigung. Hierbei erwarten die Beamt/innen
vom/von der Dolmetscher/in die Fähigkeit, sich diesbezüglich schon im Vorfeld selbst gut
genug einschätzen zu können:
„Sie sollen machen, für das, wofür sie bezahlt werden, das heißt, er soll ja oder nein sagen,
ja ich komme, wenn er kommt, soll er sagen, ich kann das.“ (IP1:Z141f.)
Einige Polizist/innen äußerten auch die Erwartung, dass sich der/die Dolmetscher/in so
schnell wie möglich zum Ort des Geschehens begibt und nicht aufgrund eines
möglicherweise höheren Honorars zeitverzögert erscheint. Ebenso erwarten sich
Polizist/innen, dass der/die Dolmetscher/in den Ablauf bei der Abrechnung kennt und
diese auch seriös abwickelt.
Die meisten befragten Polizist/innen sehen im/in der Dolmetscher/in eine Art
Hilfspolizist/in und wünschen sich, dass der/die Dolmetscher/in aktiv mitarbeitet sowie
versucht, die Sache zu klären.
Bei prinzipieller Sprachunkenntnis in Bezug auf die zu befragende Person ist der/die
Polizist/in vollkommen auf den/die Dolmetscher/in angewiesen. In diesem Zusammenhang
betonten einige Polizist/innen ihre Erwartungen bezüglich der Fähigkeit des
eigenständigen, analytischen Denkens von Seiten des Dolmetschers/der Dolmetscherin,
wie folgendes Zitat demonstriert:
„Ein guter Dolmetscher, der denkt natürlich auch mit, das ist ganz wichtig, weil im
Sachverhalt, dass er da nicht nur ein Computer ist, wo du ihn fütterst und er spuckt aus,
auch im Prinzip auch mitdenkt und die Chronologie auch erfasst.“ (IP5:Z209ff)
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Manche Polizist/innen erwähnten ausdrücklich, dass sie es „ganz toll“ fänden, wenn
der/die Dolmetscher/in wie ein/e zweite/r Polizist/in agieren würden.
„[...] sondern so wie ein zweiter Polizist, das ist meine Wunschvorstellung, oder wo ich
sage, das wäre ganz toll, wenn er so eine Stufe erreichen könnte.“ (IP6:Z136f.)
Er/Sie darf zwar nicht die Leitung der Vernehmung übernehmen, aber er/sie kann durchaus
neue Fragen aufwerfen und nachfragen. Viele Polizist/innen meinten auch, dass ein/e
gute/r Dolmetscher/in selbst mitdenkt und nachfragt.
In diesem Zusammenhang geben viele Polizist/innen dem/der Dolmetscher/in einen großen
Spielraum, wenn das Vertrauensverhältnis passt. Die Polizist/innen betonen zudem jedoch
noch, dass die Leitung der Vernehmung und die Beurteilung der Situation beim
Polizisten/bei der Polizistin bleibt und diese Verantwortung nicht vom/von der
Dolmetscher/in übernommen werden darf. Das heißt, er/sie darf sich nicht in die
Amtshandlung einmischen, weder gedanklich, gesetzlich noch auf irgendeine andere Art
und Weise.
Des Weiteren sollte der/die Dolmetscher/in sich möglichst nicht betroffen fühlen oder
sogar Mitleid mit der zu vernehmenden Person haben, sondern sachlich bleiben und keine
Emotionen einbringen. Der/Die Dolmetscher/in soll alles übersetzen, was vom Gegenüber
verbal oder per Gestik/Mimik mitgeteilt wird – vom Gesagten bis hin zu den geäußerten
Empfindungen. Er/Sie soll alles aufnehmen und auf einer sachlichen Ebene weiterleiten.
Von besonderer Wichtigkeit ist, dass der/die Dolmetscher/in sich neutral verhält und
Hausverstand besitzt. Polizist/innen sind auf den/die Dolmetscher/in angewiesen, weshalb
sie für jede Hilfe dankbar sind. Nichtsdestotrotz sollte der/die Dolmetscher/in seiner/ihrer
Rolle gerecht werden und nur das tun, was von ihm/ihr verlangt wird. Die jüngeren
befragten Polizist/innen geben zusätzlich noch an, dass es ihnen wichtig ist, nach der
Zusammenarbeit mit Dolmetscher/innen in Kontakt zu bleiben, um so „Erfahrungswerte
auszutauschen und voneinander zu lernen“ (IP9:Z167). Durch das gegenseitige Feedback
kann die zukünftige Zusammenarbeit optimiert werden.
5.6 Sympathie und Vertrauen
Im Laufe der Interviews kristallisierte sich heraus, dass das Vertrauen und die Sympathie
eine enorme Rolle spielen. Polizeibeamt/innen sprachen oft von „Glückssache“, wenn sie
eine/n ihnen unbekannten Dolmetscher/in heranziehen mussten.
86
Wie bereits oben beschrieben, urteilt ein/e Polizist/in laut eigenen Aussagen schon nach
den ersten paar Sätzen über die Fähigkeit oder Unfähigkeit des Dolmetschers/der
Dolmetscherin. Insgesamt ist den Beamt/innen Vertrauen besonders wichtig, da sie durch
die mangelnde Sprachkenntnis gewisse Unsicherheitsgefühle haben, die seitens des
Dolmetschers/der Dolmetscherin gelindert werden:
„Weil ich oft das Gefühl habe, weil du verstehst die Sprache ja teilweise nicht und da ist
man auch oft unsicher, und wenn der Dolmetscher dann Sicherheit ausstrahlt, dann tut das
dem Ganzen auch genüge.“ (IP5:71ff.)
„Weil es gibt für den Polizisten nichts Schlimmeres, wenn man die Sprache nicht versteht.“
(IP7:Z40).
Für Polizist/innen ist es sehr unangenehm, die Sprache des Gegenübers nicht interpretieren
zu können. Einige Polizist/innen gaben auch an, bestimmte Vernehmungen abgebrochen
zu haben, wenn sie das Gefühl hatten, dass nicht ordnungsgemäß gedolmetscht wurde und
die Vertrauensbasis nicht gegeben war.
6 Diskussion der Ergebnisse, Beantwortung der
Forschungsfragen, Überprüfung der Hypothesen
Um die Forschungsfragen der vorliegenden Masterarbeit zu beantworten und die in Kapitel
4.1 aufgestellten Hypothesen zu überprüfen, wurden zehn Polizist/innen von
unterschiedlichen Polizeidienststellen zu ihren Erfahrungen mit Dolmetscher/innen
befragt. Eckpunkte der Kooperation zwischen Polizeibeamt/innen und Dolmetscher/innen
wurden im vorangegangenen Kapitel vorgestellt. Bei der Analyse fiel auf, dass es bei den
Antworten der befragten Polizeibeamt/innen kaum widersprüchliche Aussagen und
Meinungen gibt. Im Folgenden sollen die erhaltenen Daten mit den im theoretischen Teil
bereits angeführten Handlungs- bzw. Verhaltensrichtlinien von Stanek (2011a:104ff.)
verglichen und erläutert werden. Wie bereits erwähnt, wurden die angeführten
Verhaltensrichtlinien im Rahmen eines Asylprojektes erstellt. Stanek vertritt die Meinung,
dass diese Handlungs- und Verhaltensrichtlinien ohne Weiteres bei der Polizei angewendet
werden können. Diese Sichtweise wird nun genauer analysiert.
Als erste Verhaltensrichtlinie wird die Neutralität genannt. Zusammengefasst für die erste
Verhaltensrichtlinie konstatiert Stanek, dass der/die Dolmetscher/in die Polizei
87
aufmerksam machen soll, wenn er/sie in einem Interessenskonflikt ist. Des Weiteren darf
er/sie keine persönlichen Meinungen in das Gespräch einbringen (vgl. Stanek 2011a:104).
Ebenso hat sich aus den Interviews ergeben, dass die Neutralität bzw. Offenheit von
enormer Wichtigkeit sind, da laut Polizist/innen sonst die Gefahr besteht, dass
Falschaussagen gemacht werden.
Die zweite Richtlinie besagt, dass der/die Dolmetscher/in genau und vollständig
dolmetschen soll und keine Emotionen, Interpretationen oder Kommentare äußern darf
(vgl. ibid.:104f.). Auf der einen Seite stimmen Polizist/innen mit dieser Aussage überein,
da sie auf den/die Dolmetscher/in angewiesen sind und nur jene Informationen erhalten,
die der/die Dolmetscher/in weitergibt. Auf der anderen Seite wünschen sich einige
Polizist/innen jedoch, dass der/die Dolmetscher/in bewertet, ob beispielsweise die
angegebenen Personalien stimmen oder nicht. Dies wird jedoch nur von
Dolmetscher/innen verlangt, die aus demselben Land stammen wie die zu vernehmende
Person.
Verschwiegenheit ist die dritte Verhaltensrichtlinie, welche sowohl in der Theorie als auch
in der Praxis sehr hoch angepriesen wird (vgl. Stanek 2011a:105). Die Polizist/innen haben
angemerkt, dass es sehr wichtig sei, dass der/die Dolmetscher/in die erhaltenen
Informationen nicht weitergibt, denn dies kann einerseits hinderlich für das
Ermittlungsverfahren sein, andererseits verletzt es auch die Privatsphäre.
Die vierte Richtlinie unterstreicht den Aspekt der Professionalität. In Staneks Richtlinien
werden unter Professionalität das „Kennen von Dolmetschtechniken, das eigene
Rollenbild, das Korrigieren von entstandenen Fehlern, die Vorbereitung und das
Weiterbilden“ verstanden. In der Praxis wird Professionalität, wie bereits beschrieben,
anders interpretiert (vgl. ibid.). Aus praktischer Sicht ist es nicht von ausschließlicher
Bedeutung, ob der/die Dolmetscher/in eine entsprechende Ausbildung hat oder nicht, da
oft ein Mangel an qualifiziertem Personal herrscht, die Polizist/innen teils jedoch dringend
Übersetzungsleistungen benötigen. Des Weiteren wünschen sich viele Beamt/innen
ausdrücklich, dass der/die Dolmetscher/in auch die Rolle des Hilfspolizisten/der
Hilfspolizistin übernimmt, was impliziert, dass der/die Dolmetscher/in sich in das
Gespräch einbringt, mitdenkt und mitwirkt. Teilweise führt dies im Optimalfall auch zum
Erhalt zusätzlicher Informationen.
Der Aspekt der Vorbereitung wird in der fünften Verhaltensrichtlinie genauer besprochen.
Diese besagt, dass der/die Dolmetscher/in das Recht haben soll, sich vorab zu informieren
und vorzubereiten und eventuell auch Einsicht in die Akten bekommen. Stanek und auch
88
die Polizist/innen zählen diesen Aspekt zur Professionalität (vgl. ibid.). Jedoch wird die
diesbezügliche Herangehensweise auf unterschiedliche Art und Weise verstanden. Laut
Stanek (ibid.) sollte jede/r Dolmetscher/in das Recht haben, sich vorzubereiten. In Bezug
auf Aussagen seitens der Polizist/innen stellte sich jedoch heraus, dass dies bei normalen
Vernehmungen nicht möglich ist. Amtshandlungen passieren zu jeder Tages- und
Nachtzeit, und die Polizei hat nur begrenzte Zeitressourcen zur Verfügung, um bestimmte
Person zu vernehmen. Das bedeutet, dass der/die Dolmetscher/in ebenso spontan reagieren
muss wie die Polizei.
Aus den Gesprächen wurde auch klar, dass die Polizist/innen den/die Dolmetscher/innen
vor Vernehmungsbeginn in die Sache einweihen und erklären, wie der Plan aussieht. Sie
betonen, dass ein/e gute/r Dolmetscher/in diese Vorinformationen dann auch in die
Vernehmung integrieren kann. Aufgrund dieser Aussagen ist zu erkennen, dass ein/e gute/r
Dolmetscher/in stets auf alle Bereiche der polizeilichen Tätigkeit vorbereitet sein sollte
und nach der gegebenen Vorinformation vor Ort keine zusätzliche Vorbereitungszeit mehr
braucht bzw. brauchen darf.
Die sechste Verhaltensrichtlinie stellt die Transparenz dar. Laut Stanek (2011a:106) sollte
der/die Dolmetscher/in sich das Einverständnis holen, wenn er/sie etwas umformulieren
möchte oder wenn es keine entsprechenden Ausdrücke in der Fremdsprache gibt. Der/Die
Dolmetscher/in sollte nicht auf eigene Hand versuchen, Fragen oder Antworten
umzuformulieren oder zu erläutern.
Laut den Gesprächen mit der Polizei wird dieser Aspekt sehr unterschiedlich betrachtet,
denn einerseits darf sich der/die Dolmetscher/in nicht in die Amtshandlung einmischen,
andererseits sollte der/die Dolmetscher/in die Fragen so genau wie möglich dolmetschen,
während die Antworten auf die wichtigsten Eckpunkte zusammengefasst werden können.
Diese Aussagen widersprechen sich, da durch das Zusammenfassen einige Informationen
ausgelassen werden und eigentlich dem/der Dolmetscher/in die Selektion der Inhalte
überlassen wird.
Die siebente und letzte Verhaltensrichtlinie befasst sich mit dem eigenständigen Vorgehen
des Dolmetschers/der Dolmetscherin. Diese Richtlinie besagt, dass der/die Dolmetscher/in,
wenn notwendig, Pausen einlegen kann, die Gesprächsteilnehmer/innen darauf ansprechen
darf, wenn sie zu schnell sprechen, und dass der/die Dolmetscher/in den/die Sprecher/in
unterbrechen kann, wenn lediglich dadurch eine genaue und zeitnahe Verdolmetschung
gewährleistet werden kann. Ebenso soll der/die Dolmetscher/in Rückfragen stellen, wenn
etwas sprachlich oder auch akustisch nicht verstanden wurde. Jedoch sollte der/die
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Dolmetscher/in zuerst nachfragen, ob das Rückfragen erlaubt ist. Des Weiteren gibt Stanek
(2011a:106) an, dass der/die Dolmetscher/in die Polizeibeamt/innen bei der
Vernehmungsführung nicht unterstützen darf. Dieser Punkt erlangt in der Praxis sowohl
Zustimmung als auch Kritik.
Wie bereits erwähnt, haben einige befragte Polizist/innen ausdrücklich den Wunsch
geäußert, dass der/die Dolmetscher/in wie ein/e zweite/r Polizist/in an der Vernehmung
teilnimmt und dass er auch Fragen stellen darf, wenn bereits auf etwas hingedeutet wurde.
Bevor jedoch neue Fragen gestellt werden, sollte der/die Dolmetscher/in mit dem
Polizisten/der Polizistin Rücksprache halten, damit der Beamte/die Beamtin weiterhin die
Kontrolle über die Vernehmung hat.
In Bezug auf die Vernehmung ist noch wichtig zu erwähnen, dass Polizist/innen dem/der
Dolmetscher/in vertrauen, dass er/sie eine Selbstkompetenz hat und weiß, wann er/sie
Pausen braucht oder bekannt gibt, wenn er/sie etwas nicht versteht. In diesem
Zusammenhang ist es spannend, dass in den Gesprächen mit der Polizei zwar das Zuhören
und Nicht-Unterbrechen bzw. das Aussprechenlassen, jedoch nie das Sprechtempo oder
die zeitnahe Verdolmetschung angesprochen wurden.
Zusätzlich zu diesen Verhaltensrichtlinien sind im Laufe der Analyse einige neue Aspekte
aufgetaucht, welchen ebenfalls Raum gegeben werden soll. Während der Analyse ist
aufgefallen, dass es zwei unterschiedliche Abrechnungsmethoden gibt. So haben
Gerichtsdolmetscher/innen eine eigene Honorarnote, und die restlichen
Polizeidolmetscher/innen, sowohl die geprüften als auch die Sprachkundigen, haben eine
eigene Gebührennote. Ein Polizist hat in diesem Zusammenhang angegeben, dass er aus
Kostengründen – aufgrund der steigenden Staatskosten – nicht immer
Gerichtsdolmetscher/innen beizieht. Deshalb sei es von Vorteil, wenn man auch andere
Dolmetscher/innen engagieren könne. Diese würden zwar nicht schlechter bezahlt, jedoch
werde bei Letzteren nach dem Motto „Arbeitszeit ist Verrechnungszeit“ gearbeitet.
Ein ebenso interessanter Aspekt ist, dass der Dienstort und auch die Abteilung für die
Häufigkeit der Zusammenarbeit mit Dolmetscher/innen ausschlaggebend sind. Es zeigte
sich, dass Polizeistationen in Grenznähe oder räumlicher Nähe zu Urlaubsregionen
häufiger mit ausländischen Personen konfrontiert sind und demgemäß öfter auf
Dolmetschleistungen zurückgreifen.
Da nun die erhaltenen Daten analysiert und die Praxis mit der theoretischen
Forschungsgrundlage verglichen wurde, werden im Folgenden die für die vorliegende
90
Masterarbeit formulierten Forschungsfragen beantwortet sowie die aufgestellten
Hypothesen überprüft.
Die erste Frage, die gestellt wurde, beschäftigte sich mit der Sichtweise der Polizist/innen
darüber, wer ein/e Dolmetscher/in ist und welche Eigenschaften und/oder Kompetenzen
einem/einer Dolmetscher/in zugeschrieben werden. Laut der Meinung vieler Polizist/innen
kann Jede/r ein/e Dolmetscher/in sein, denn wichtig ist nur, dass man die zu übersetzende
Sprache und die deutsche Sprache beherrscht. Es wird zwar zwischen Sprachkundigen,
Geprüften und gerichtlich beeideten Dolmetscher/innen unterschieden, jedoch wird bei der
Heranziehung kein großer Wert darauf gelegt, welcher genannten Gruppe der/die
Dolmetscher/in angehört. Die Polizist/innen sind froh, wenn sich jemand findet, der ihnen
in dieser Situation helfen kann und dem sie vertrauen können. Bezüglich der benötigten
Eigenschaften wird neben der Sprachkenntnis die Qualität der Arbeit und die
Professionalität bei der Handlungsweise angesprochen. Dass Professionalität von
jedem/jeder Polizist/in unterschiedlich interpretiert wird, wurde bereits ausführlich erklärt
und soll daher an dieser Stelle nicht noch einmal dargelegt werden.
Eine weitere Fragestellung im Rahmen dieser Masterarbeit war, ob es ein
Standardprozedere bei der Heranziehung von Dolmetscher/innen gibt und wer dieses
Standardprozedere vorgibt. Ebenso wurden die Beweggründe untersucht, die zur
Entscheidung führen, welche/r Dolmetscher/in geholt wird.
Insgesamt wurde von den Polizist/innen konstatiert, dass es diesbezüglich ein
Standardprozedere gibt. Die Landespolizeidirektion hat zu diesem Zweck eine
Dolmetschliste erstellt, von der die Polizist/innen ihre Dolmetscher/innen beziehen
können. Ebenso gibt die Landespolizeidirektion vor, dass ausschließlich Personen von
dieser Liste herangezogen werden dürfen. Erst im Falle, dass niemand von der Liste
verfügbar ist, darf sich ein Beamter/eine Beamtin nach anderen Möglichkeiten umsehen.
Die Beweggründe, bestimmte Dolmetscher/innen heranzuziehen, wurde von den
Polizist/innen klar definiert. Wer sich bereits bewährt und gute Leistungen erbracht hat,
wird erneut für eine Dolmetschung herangezogen. Ob das nun Laien bzw. Sprachkundige,
Geprüfte oder gerichtlich beeidete Dolmetscher/innen sind, spielt im Prinzip keine Rolle,
denn laut den Beamt/innen können alle die gleiche Leistung erbringen.
Die letzte zu beantwortende Forschungsfrage dieser Masterarbeit lautet, worin die
Entscheidungsgründe liegen, dass Laiendolmetscher/innen herangezogen werden bzw. den
professionellen Dolmetscher/innen vorgezogen werden. Aus den Gesprächen wurde klar,
dass Polizist/innen nicht zwischen Laien und Profis unterscheiden bzw. sogar alle
91
gleichsetzen. Wichtig ist, dass der/die Dolmetscher/in vertrauenswürdig ist, dass mit
ihm/ihr bereits gute Erfahrungen gemacht wurden und dass er/sie in der Nähe und schnell
verfügbar ist.
Hinsichtlich der eben beantworteten Forschungsfragen wurde von der Hypothese
ausgegangen, dass Personen, die beider involvierter Sprachen mächtig sind, als
Dolmetscher/innen angesehen werden und dass auf andere Aspekte kaum geachtet wird.
Diese Hypothese kann im Großen und Ganzen bestätigt werden, da Polizeibeamt/innen
meist glücklich darüber sind, dass sich „irgendjemand“ zur Verfügung stellt und ihnen
hilft, da adäquate Dolmetscher/innen schwer zu finden sind.
Des Weiteren wurde die Hypothese aufgestellt, dass es auch seitens des
Bundesministeriums für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz ein
Standardprozedere hinsichtlich der Personalauswahl gibt, jedoch wird dieses von
Polizist/innen, die bereits Erfahrungen mit Dolmetscher/innen gemacht haben, zugunsten
persönlicher Präferenzlisten vernachlässigt. Diese Hypothese kann somit bestätigt und
teilweise widerlegt werden. Zwar gibt es ein Standardprozedere, das jedoch von der
jeweiligen Landespolizeidirektion vorgegeben wird und lediglich die Auswahl der zu
konsultierenden Dolmetscher/innen betrifft. Deshalb kann gesagt werden, dass
Polizist/innen das vorgegebene Prozedere prinzipiell einhalten. Die persönlichen
Präferenzlisten betreffend kann gesagt werden, dass Polizist/innen, die oft mit
Dolmetscher/innen zusammenarbeiten, zwar immer wieder die gleichen
Dolmetscher/innen engagieren, jedoch die Vorgabe – in der Dolmetschliste akkreditiert –
berücksichtigen.
Es wurde auch davon ausgegangen, dass in erster Linie Laiendolmetscher/innen
herangezogen werden, da sie sowohl kostengünstiger als auch leichter erreichbar sind als
ausgebildete bzw. zertifizierte Dolmetscher/innen. Ebenso wurde präsupponiert, dass das
Vertrauen eine zentrale Rolle bei der Auswahl spielt.
Diese Hypothese kann teilweise bestätigt und teilweise widerlegt werden. In dieser
Masterarbeit wurde eingangs davon ausgegangen, dass all jene, die keine
Translationsausbildung genossen haben, als Laien gesehen werden. Im Rahmen der
Analyse wurde jedoch festgestellt, dass die Polizist/innen – je nach Abteilung – nicht
immer zwischen Laiendolmetscher/innen und ausgebildeten Dolmetscher/innen
unterscheiden, sondern diese Bezeichnungen teils sogar synonym verwenden. Die
ausschlaggebenden Entscheidungsgründe für die Heranziehung von Dolmetscher/innen
sind Erreichbarkeit, Nähe, Persönlichkeit und Vertrauen. Wer diese Aspekte erfüllt und
92
zudem bereits gute Leistungen erbracht hat, wird herangezogen. Der Teil der Hypothese, in
welcher das Vertrauen angesprochen wird, kann bestätigt werden. Alle Polizist/innen
erwähnten mehrfach, dass eine gute Zusammenarbeit auf der Persönlichkeit des
Dolmetschers/der Dolmetscherin basiert und eine gewisse Vertrauensbasis gegeben sein
muss. Ansonsten sei eine gute Kooperation nur schwer vorstellbar.
93
Zusammenfassung und Ausblick
Ziel der vorliegenden Masterarbeit war es, festzustellen, welche Erfahrungen Polizist/innen
mit Dolmetscher/innen gemacht haben. Um über die Erfahrungen mit den
Polizeibeamt/innen sprechen zu können, stellte sich zunächst die Frage, wer in den Augen
von Polizist/innen ein/e Dolmetscher/in ist, also, welche Eigenschaften und/oder
Kompetenzen dieser Person zugeschrieben werden und auch als Voraussetzung dienen. Ein
weiterer Schwerpunkt der Untersuchung war, ob es ein Standardprozedere bei der
Heranziehung von Dolmetscher/innen gibt und was die Gründe für die jeweilige Auswahl
von Dolmetscher/innen sind. Zusätzlich wurde noch der Frage nachgegangen, welche
Auswahlkriterien beim Engagement von Laiendolmetscher/innen bzw. professionellen
Dolmetscher/innen herangezogen werden.
Anhand dieser Forschungsfragen wurde die Hypothese abgeleitet, dass Personen, die
beider involvierter Sprachen mächtig sind, als Dolmetscher/innen angesehen werden und
dass auf andere Aspekte kaum geachtet wird. Es wurde auch davon ausgegangen, dass es
ein Standard-Auswahlprozedere gibt, das vom Bundesministerium für Verfassung,
Reformen, Deregulierung und Justiz vorgegeben wird, dieses jedoch von Polizist/innen,
die bereits Erfahrungen mit Dolmetscher/innen gemacht haben, zugunsten persönlicher
Präferenzlisten vernachlässigt wird. Schließlich wurde auch die Hypothese aufgestellt, dass
bei Amtshandlungen bzw. Vernehmungen in erster Linie Laiendolmetscher/innen
herangezogen werden, da sie sowohl kostengünstiger als auch leichter erreichbar sind als
ausgebildete bzw. zertifizierte Dolmetscher/innen und dass das persönliche Vertrauen eine
zentrale Rolle bei der Auswahl spielt.
Zu diesem Zwecke wurde im theoretischen Teil zunächst das Praxisfeld des
Kommunaldolmetschens, in welches das Polizeidolmetschen fällt, erörtert. Im Zuge dessen
wurden die Grundlagen des Kommunaldolmetschens erläutert und die Akteur/innen dieses
Bereiches beschrieben. Aus der Literatur ging hervor, dass neben professionellen
Dolmetscher/innen auch Laiendolmetscher/innen in diesem Feld eingesetzt werden.
Anhand des Konzeptes der Natural Translation von Harris (1978), der Native Translation
von Toury (1984) sowie des Konzeptes Sprachmitteln von Knapp/Knapp-Pothoff (1985)
wurde versucht, zu diskutieren, was unter Laiendolmetschen verstanden wird. In diesem
Zusammenhang wurde festgestellt, dass im Prinzip jede/r, der/die zwei Sprachen
beherrscht, als Dolmetscher/in agieren könnte.
94
Daraufhin wurden einige in der translationswissenschaftlichen Literatur vorgestellten Vor-
und Nachteile der Heranziehung von Laiendolmetscher/innen besprochen.
In einem weiteren Kapitel wurde die Polizei als Institution vorgestellt. Im Zuge dessen
wurden auch die rechtlichen Grundlagen, die Polizist/innen einhalten müssen, besprochen.
Des Weiteren würde erläutert, welche Rechten und Pflichten dem Gegenüber im Rahmen
von Strafdelikten bzw. Vernehmungen zugesprochen werden. In diesem Zusammenhang
kann festgehalten werden, dass jede Person, die bei der Polizei oder vom Gericht
einvernommen wird, das Recht auf die Beiziehung eine/n Dolmetscher/in hat. Diese
Rechte und Pflichten werden in unterschiedlichen Gesetzen, Richtlinien und Konventionen
festgehalten. Die wohl wichtigste und bekannteste in diesem Zusammenhang ist die
Europäische Menschenrechtskonvention.
Als Forschungsbasis wurden die bereits erarbeiteten Sichtweisen der
Translationswissenschaft und die Sichtweisen der Polizei in Bezug auf die
Zusammenarbeit mit Dolmetscher/innen genommen. Immer wieder wird im Rahmen
translationswissenschaftlicher Studien der Umstand beschrieben, dass der Bereich des
Polizeidolmetschens bisher noch zu wenig beachtet wurde. Des Weiteren wird in der
Translationswissenschaft noch immer diskutiert, wessen Zuständigkeitsbereich das
Dolmetschen bei der Polizei ist und dass bei der Polizei eigentlich fast ausschließlich
Gerichtsdolmetscher/innen herangezogen werden sollten. Ein vermuteter Grund, warum in
diesem Bereich mehr Dolmetscher/innen aus anderen Bereichen oder auch
Laiendolmetscher/innen herangezogen werden, ist die im Vergleich zu zertifizierten
Dolmetscher/innen niedrige Vergütung.
Die polizeiliche Sichtweise, die in der vorhandenen Literatur dargestellt wird, geht davon
aus, dass die Beeidigung keine Garantie für gute Leistungen darstellt. Ebenso wird die
Zusammenarbeit mit Dolmetscher/innen von der Polizei laut Literatur eher als
problematisch eingestuft.
Im Rahmen der empirischen Studie wurden die Erfahrungen von Polizist/innen in Kärnten
in Bezug auf die Zusammenarbeit mit Dolmetscher/innen untersucht. Dafür wurden zuerst
die für diese Masterarbeit relevanten Forschungsfragen und Hypothesen vorgestellt und
das Ziel festgelegt. Für die Untersuchung wurde das qualitative Interview als
Forschungsmethode ausgewählt. Diese Methode gibt zwar einen Interviewleitfaden vor,
jedoch kann das Gespräch offen und frei gestaltet werden. Dadurch werden die
Interviewpartner/innen in ihren Erzählungen nicht eingeschränkt und die Fragen dienen
lediglich als roter Faden. Für die Auswertung der erhaltenen Daten wurde die Methode der
95
qualitativen Inhaltsanalyse gewählt, da diese es ermöglicht, die unterschiedlichen
Interviews auf inhaltlicher Ebene zu vergleichen.
Forschungsinteresse der empirischen Untersuchung waren die Erfahrungen mit
Dolmetscher/innen, die Entscheidungsgründe für die Auswahl der Dolmetscher/innen
sowie das Standardprozedere bei der Auswahl. Es wurde davon ausgegangen, dass
Polizist/innen jene Dolmetscher/innen heranziehen, die sich bewährt haben, was durch die
Untersuchung auch bestätigt wurde. Des Weiteren wurde davon ausgegangen, dass es ein
Standardprozedere für die Abwicklung mit Dolmetscher/innen-Beteiligung gibt, dieses
jedoch aufgrund persönlicher Präferenzen missachtet wird. Dazu kann gesagt werden, dass
die einzige Vorgabe der Landespolizei – Heranziehung von Dolmetscher/innen, die auf der
Liste geführt werden – durchwegs beachtet wird. Es stellte sich auch heraus, dass
Polizist/innen sich jener Dolmetscher/innen bedienen, mit welchen sie bereits gute
Erfahrungen gemacht haben. Im Falle einer negativen Erfahrung oder wiederholter
mangelnder Erreichbarkeit werden die Dolmetscher/innen von dieser Liste entfernt.
Eine wichtige Erkenntnis ist, dass ein/e professionell handelnde/r Dolmetscher/in für die
Polizei ein absolutes Muss ist. Professionalität wird jedoch nicht an der Ausbildung
gemessen, sondern an Merkmalen wie Erreichbarkeit, Neutralität, Persönlichkeit und
Vertrauen. Ebenso werden Attribute wie Pünktlichkeit, die Kenntnis der Gesetze und
Selbstkompetenz hoch angesehen. Werden diese Kriterien erfüllt, so entspricht man den
Erwartungen der Polizei und wird als Polizeidolmetscher/in herangezogen.
Abschließend kann gesagt werden, dass Polizeibeamt/innen im Großen und Ganzen gute
Erfahrungen mit Dolmetscher/innen gemacht haben. Die Ausbildung eines
Dolmetschers/einer Dolmetscherin wird seitens der befragten Polizeibeamt/innen oftmals
nicht als relevant erachtet, denn dieser Aspekt ist, ebenso wie die Beeidigung, keine
Garantie für gute Dolmetschleistungen.
Wichtig an dieser Stelle ist noch anzumerken, dass die erhaltenen Informationen eine
Momentaufnahme darstellen und weder auf ganz Kärnten noch auf alle österreichischen
Polizeidienststellen umgelegt bzw. verallgemeinert werden darf.
In Hinblick auf weitere Forschungen wäre es noch interessant zu vergleichen, welche
Erfahrungen Dolmetscher/innen im Rahmen der polizeilichen Tätigkeit gemacht haben und
welchen Einfluss das persönliche Verhältnis, das bei vielen Polizist/innen als
Voraussetzung für die Heranziehung gilt, auf die Vernehmung oder auch die zu
vernehmende Person hat.
96
Schlussendlich ist die wichtigste Erkenntnis, die aus der empirischen Untersuchung
hervorgeht, folgende: Persönlichkeit in Kombination mit Sprachkenntnis sind
ausschlaggebend für die Rekrutierung als Polizeidolmetscher/in.
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109
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: The Progression from Natural to Expert Translator (Harris 2010) ........ 19 Abbildung 2: Statistik an drei Wiener Gerichten (vgl. Kadrić 2012:104 Im
Vorverfahren bei der Polizei eingesetzte Dolmetschende) .......................................... 53 Abbildung 3-5: Handlungsrichtlinien (vgl. Stanek 2011:104ff.) .......................................... 61