spektraltheorie sommersemester 2018 - kit - fakultät für

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Spektraltheorie Sommersemester 2018 Peer Christian Kunstmann Karlsruher Institut f¨ ur Technologie (KIT) Institut f¨ ur Analysis Englerstr. 2, 76131 Karlsruhe e-mail: [email protected] Dies ist eine Vorlesungszusammenfassung, gedacht zur Vorlesungsbegleitung und als Ged¨ achtnisst¨ utze, nicht jedoch als etwas, das f¨ ur sich selbst stehen k¨onnte (wie etwa ein Lehrbuch). Der Besuch der Vorlesung ist durch die Lekt¨ ure in keinem Falle zu ersetzen, es gibt dort noch viel mehr an m¨ undlichen Erkl¨ arungen, Erl¨auterungen und veranschaulichen- den Skizzen, die f¨ ur Verst¨andnis und Einordnung des pr¨ asentierten Stoffes unabdingbar sind. 1

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SpektraltheorieSommersemester 2018

Peer Christian KunstmannKarlsruher Institut fur Technologie (KIT)

Institut fur AnalysisEnglerstr. 2, 76131 Karlsruhe

e-mail: [email protected]

Dies ist eine Vorlesungszusammenfassung, gedacht zur Vorlesungsbegleitung und alsGedachtnisstutze, nicht jedoch als etwas, das fur sich selbst stehen konnte (wie etwa einLehrbuch). Der Besuch der Vorlesung ist durch die Lekture in keinem Falle zu ersetzen, esgibt dort noch viel mehr an mundlichen Erklarungen, Erlauterungen und veranschaulichen-den Skizzen, die fur Verstandnis und Einordnung des prasentierten Stoffes unabdingbarsind.

1

1 Das Spektrum abgeschlossener Operatoren

Notation: i) Wenn nichts underes gesagt wird, sind X, Y und Z komplexe Banachraume.

ii) L(X, Y ) := T : X → Y : T ist linear und beschrankt. Fur T ∈ L(X, Y ) ist dieOperatornorm gegeben durch

‖T‖ := sup‖x‖X≤1

‖Tx‖Y ,

und (L(X, Y ), ‖ · ‖) ist ein Banachraum.

iii) Ein linearer Operator A von X nach Y ist ein linearer Operator A : D(A)→ Y , wobeiD(A), der Definitionsbereich von A, ein linearer Teilraum von X ist. Wir schreiben auchA : X ⊇ D(A)→ Y . Weiter schreiben wir

R(A) := Ax : x ∈ D(A) Bild von A,

N(A) := x ∈ D(A) : Ax = 0 Kern von A.

Wir werden uns mit abgeschlossenen Operator beschaftigen.

1.1. Definition: Ein linearer Operator A von X nach Y heißt abgeschlossen, falls derGraph

Gr(A) := (x,Ax) : x ∈ D(A) ⊆ X × Y

ein abgeschlossener Teilraum von X × Y ist.

Bemerkung: Da A linear ist, ist der Graph Gr(A) ein linearer Teilraum von X × Y . DerRaum X×Y ist bzgl. der durch ‖(x, y)‖ := ‖x‖X+‖y‖Y gegebenen Norm ein Banachraum.

1.2. Lemma: Sei A : X ⊇ D(A)→ Y ein linearer Operator. Dann sind aquivalent:

(i) A ist abgeschlossen,

(ii) D(A) ist ein Banachraum bzgl. der Graphennorm

‖x‖A := ‖x‖X + ‖Ax‖Y .

(iii) Fur jede Folge (xn)n∈N in D(A) und alle x ∈ X, y ∈ Y mit xn → x in X und Axn → yin Y gilt x ∈ D(A) und Ax = y.

Notation: Wir schreiben [D(A)] := (D(A), ‖ · ‖A). Es gilt dann A ∈ L([D(A)], Y ).

2

Beweis. Nach Definition ist Abgeschlossenheit von A aquivalent zur Abgeschlossenheitvon Gr(A), und da X × Y ein Banachraum ist , ist dies aquivalent zur Vollstandigkeit vonGr(A). Da die Abbildung

J : [D(A)]→ Gr(A), x 7→ (x,Ax),

linear, bijektiv und isometrisch ist, ist letzteres aquivalent dazu, dass [D(A)] ein Ba-nachraum ist. Andererseits bedeutet Abgeschlossenheit von Gr(A) in X × Y :

fur jede Folge (xn, Axn) in Gr(A) und (x, y) ∈ X × Y mit (xn, Axn) → (x, y)gilt (x, y) ∈ Gr(A),

was offensichtlich aquivalent zu (iii) ist.

Beispiele: 1) Sei X = Y = (C[0, 1], ‖ · ‖∞), A := ddx

mit D(A) := C1[0, 1]. Dann ist Aabgeschlossen: Wenn fn → f und f ′n → g bzgl. ‖ · ‖∞, dann ist f ∈ C1[0, 1] und f ′ = g [→Analysis I, zum Beweis schreibe fur festes t ∈ [0, 1]:

fn(t) = fn(0) +

∫ t

0

f ′n(s) ds;

nach Voraussetzung gilt fn(t)→ f(t), fn(0)→ f(0) und (wegen gleichmaßiger Konvergenzf ′n → g) weiter

∫ t0f ′n(s) ds→

∫ t0g(s) ds; somit gilt

f(t) = f(0) +

∫ t

0

g(s) ds, t ∈ [0, 1],

woraus folgt f ∈ C1, f ′ = g.]

2) Sei X = Y = L1[0, 1], A := ddx

mit D(A) = C1[0, 1]. Dann ist A nicht abgeschlossen:Wir nehmen g ∈ L1[0, 1] \C[0, 1], etwa g = 1[1/2,1] − 1[0,1/2). Approximiere g in ‖ · ‖1 durcheine Folge (gn) in C[0, 1]. Dann setze

f(t) := |t− 1

2| und fn(t) :=

1

2+

∫ t

0

gn(s) ds.

Wir erhalten fn ∈ C1[0, 1] und f ′n = gn → g in ‖ · ‖1, fn → f in ‖ · ‖∞, insbesondere alsofn → f in ‖ · ‖1. Es gilt aber f 6∈ D(A). [Als konkrete gn kann man hier

gn(t) :=

−1 , t ∈ [0, 1

2− 1

n)

n(t− 12) , |t− 1

2| ≤ 1

n

1 , t ∈ (12

+ 1n, 1]

, n ≥ 3,

nehmen.]

3

3) SeiX = L1[0, 1], Y = C, Af := f(0) mitD(A) = C[0, 1]. Dann ist A nicht abgeschlossen:Setze fn(t) := (1− nt)1[0,1/n](t). Dann gilt fn → 0 =: f in ‖ · ‖1 und Afn = fn(0) = 1→ 1.Hier ist f ∈ D(A), aber Af = f(0) = 0 6= 1.

Kommentar: L1[0, 1] ist ein Banachraum , dessen Elemente Aquivalenzklassen von Funk-tionen sind, die fast uberalle (f.u.) ubereinstimmen. Genau genommen wird hier C[0, 1] alsMenge der Aquivalenzklassen in L1[0, 1] betrachtet, die eine stetige Funktion enthalten.Diese stetige Funktion ist dann in ihrer Klasse eindeutig, und A ist Auswertung dieserFunktion im Punkt 0. Ahnlich muss C1[0, 1] als Teilraum von L1[0, 1] in Beispiel 2) obeninterpretiert werden.

4) Sei p ∈ [1,∞], X = Y = Lp(Ω, µ), wobei (Ω, µ) ein σ-endlicher Maßraum ist. Seim : Ω→ C messbar und

Af := mf mit D(A) := f ∈ Lp(Ω, µ) : mf ∈ Lp(Ω, µ).

Dann ist A abgeschlossen: Gilt fn → f und mfn → g bzgl. ‖ · ‖p, so finden wir Teilfolgenmit fk(n) → f und mfk(l(n)) → g fast uberall. Somit ist mf = g f.u., und wegen g ∈ Lphaben wir f ∈ D(A), Af = g.

Der folgende Satz gehort in den Zusammenhang des Satzes von der offenen Abbildung.

1.3. Satz von abgeschlossenen Graphen: Sei A : X → Y ein linearer Operator. Danngilt

A ist abgeschlossen ⇐⇒ A ist beschrankt.

Beweis. “⇐=” folgt mittels Lemma 1.2, da die Bedingung (iii) klar ist. Zum Beweis von“=⇒”: Nach Lemma 1.2 ist X ein Banachraum bzgl. ‖ · ‖A ≥ ‖ · ‖X . Nach dem Isomor-phiesatz von Banach sind ‖ · ‖X und ‖ · ‖A auf X aquivalent und wir finden also ein C > 0so, dass fur alle x ∈ X gilt

‖x‖X + ‖Ax‖Y = ‖x‖A ≤ C‖x‖X .

Somit ist A : X → Y beschrankt mit ‖A‖ ≤ C.

Notation: Seien A und B lineare Operatoren von X nach Y und sei C ein linearerOperator von Y nach Z. Wir definieren

A+B by (A+B)x := Ax+Bx for x ∈ D(A+B) := D(A) ∩D(B),

CA by (CA)x := C(Ax) for x ∈ D(CA) := x ∈ D(A) : Ax ∈ D(C).

A + B ist ein linearer Operator von X nach Y , und CA ist ein linearer Operator von Xnach Z.

Summe und Produkt von linearen Operatoren sind assoziativ, aber im allgemeinen nichtdistributiv. Im allgemeinen sind Summen oder Produkte von abgeschlossenen Operatorennicht abgeschlossen.

4

Ende Di17.04.18Beispiel: Sei X = l1. Definiere den Operator A fur x = (xk) durch: (Ax)k = kxk−1, falls

k gerade ist, und (Ax)k = 0, falls k ungerade ist, und setze D(A) := x ∈ l1 : Ax ∈ l1.Dann ist A abgeschlossen: Ist x(n) eine Folge in D(A) mit x(n) → x und Ax(n) → y, dann

gilt xk = limn x(n)k fur jedes k, und yk = limn kx

(n)k−1 fur gerades k, yk = 0 fur ungerades k.

Somit ist yk = kxk−1 fur gerade k. Also gilt Ax = y und x ∈ D(A) wegen y ∈ l1.

Hingegen sind B := A+(−A) = 0 mit D(B) = D(A) und C := AA = 0 mit D(C) = D(A)nicht abgeschlossen (sonst ware D(A) abgeschlossener Teilraum von l1, aber D(A) 6= l1 istdicht in l1).

1.4. Lemma (Eigenschaften abgeschlossener Operatoren): Sei A einabgeschlossener linearer Operator von X nach Y , T ∈ L(X, Y ) und S ∈ L(Z,X).Dann gilt:

(a) B := A+ T ist abgeschlossen (hier ist D(B) = D(A)).

(b) C := AS ist abgeschlossen (hier ist D(C) = z ∈ Z : Sz ∈ D(A)).(c) Ist A injektiv, dann ist A−1 abgeschlossen (hier ist D(A−1) = R(A)).

(d) Ist R ist injektiv und abgeschlossen von Y nach Z mit R−1 ∈ L(Z, Y ), dann istD := RA abgeschlossen (hier ist D(D) = x ∈ D(A) : Ax ∈ D(R)).

Beweis. (a) Sei (xn) in D(A) mit xn → x, Bxn → y. Da T beschrankt ist, gilt Txn → Tx.Dann impliziert (A + T )xn → y jedoch Axn → y − Tx. Da A abgeschlossen ist, erhaltenwir x ∈ D(A) und Ax = y − Tx, dh Bx = y.

(b) Sei (zn) eine Folge in D(C) mit zn → z, Czn → y. Da S beschrankt ist, folgt Szn → Sz,A(Szn)→ y. Aber (Szn) ist Folge in D(A), also haben wir Sz ∈ D(A), A(Sz) = y wegenAbgeschlossenheit von A. Wir haben gezeigt z ∈ D(C), Cz = y.

(c) folgt aus Gr(A−1) = (y, x) : (x, y) ∈ Gr(A).(d) Sei (xn) Folge in D(D) mit xn → x und Dxn → z. Wegen R−1 ∈ L(Z, Y ) habenwir Axn = R−1Dxn → R−1z. Da A abgeschlossen ist und D(D) ⊂ D(A), erhalten wirx ∈ D(A) und Ax = R−1z ∈ R(R−1) = D(R). Somit gilt x ∈ D(D) und Dx = z.

1.5. Definition (Spektrum und Resolvente): Sei A : X ⊇ D(A) → X ein linearerOperator. Dann heißt

ρ(A) := λ ∈ C : λI − A : D(A)→ X ist bijektiv und (λI − A)−1 ∈ L(X)

die Resolventenmenge von A und

σ(A) := C \ ρ(A)

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heißt Spektrum von A. Die Abbildung

ρ(A)→ L(X), λ 7→ (λI − A)−1,

heißt Resolvente von A, und fur λ ∈ ρ(A) heißt der Operator

R(λ,A) := (λI − A)−1

Resolvente(noperator) (an der Stelle λ).

Bemerkung: Ublicherweise schreibt man λ−A, (λ−A)−1 statt λI −A, (λI −A)−1. Furλ ∈ ρ(A) gilt

(λ− A)R(λ,A) = IX , R(λ,A)(λ− A) = ID(A).

Weitere Bemerkungen: (a) Ist ρ(A) 6= ∅, dann ist A abgeschlossen.

(b) Ist A abgeschlossen, so gilt ρ(A) = λ ∈ C : λI − A : D(A)→ X is bijektiv.

Beweis. (a) Wir finden λ0 ∈ ρ(A). Dann ist −R(λ0, A) = −(λ0 −A)−1 ageschlossen. Nach1.4(c) ist A− λ0I abgeschlossen, und nach 1.4(a) ist A = (A− λ0I) + λ0I abgeschlossen.

(b) “⊆” ist klar. Zum Beweis von “⊇” sei λ− A : D(A)→ X ist bijektiv. Nach 1.4(a) istλ − A abgeschlossen, und nach 1.4(c) ist (λ − A)−1 : X → X abgeschlossen. Nach demSatz vom abgeschlossenen Graphen erhalten wir (λ− A)−1 ∈ L(X), dh λ ∈ ρ(A).

Beispiele: 1) X = C[0, 1], A = ddx

, D(A) = C1[0, 1]. Wir wissen schon, dass Aabgeschlossen ist. Sei λ ∈ C. Dann ist f := eλ(·) ∈ D(A) und Af = f ′ = λeλ(·) = λf ,also ist λ− A : D(A)→ X nicht injektiv. Wir haben σ(A) = C gezeigt.

2) X = C[0, 1], A0 = ddx

, D(A0) = f ∈ C1[0, 1] : f(0) = 0. Sei λ ∈ C, g ∈ C[0, 1]. Nachbekannten Satzen uber gewohnliche Differentialgleichungen hat das Anfangswertproblem

λf − f ′ = g in [0, 1]; f(0) = 0,

eine eindeutige Losung f ∈ C1[0, 1], gegeben durch f(t) := −∫ t

0eλ(t−s)g(s) ds, t ∈ [0, 1].

Also ist λ − A0 : D(A0) → X bijektiv. Da A0 abgeschlossen ist(!), haben wir gezeigtσ(A0) = ∅, ρ(A) = C. Außerdem gilt

|f(t)| ≤∫ t

0

eReλ(t−s)|g(s)| ds ≤∫ 1

0

eReλs ds ‖g‖∞ =

eReλ−1Reλ

‖g‖∞ , Re λ 6= 0‖g‖∞ , Re λ = 0

,

also

‖R(λ,A0)‖ ≤

eReλ−1Reλ

, Re λ 6= 01 , Re λ = 0

.

Beachte dass dies σ(A0) = ∅ zeigt, ohne dass die Abgeschlossenheit von A0 verwendet wird.

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1.6. Satz (Eigenschaften der Resolvente): Sei A ein abgeschlossener linearer Operatorin X. Dann gilt:

(a) Fur alle λ, µ ∈ ρ(A):

R(λ,A)−R(µ,A) = (µ− λ)R(λ,A)R(µ,A) (Resolventengleichung).

Insbesondere gilt R(λ,A)R(µ,A) = R(µ,A)R(λ,A) fur alle λ, µ ∈ ρ(A).

(b) Fur λ ∈ ρ(A) gilt B(λ, 1/‖R(λ,A)‖) ⊆ ρ(A) und

R(µ,A) =∞∑k=0

(−1)kR(λ,A)k+1(µ− λ)k, µ ∈ B(λ, 1/‖R(λ,A)‖),

wobei die Reihe in Operatornorm konvergiert. Insbesondere ist ρ(A) offen und σ(A) istabgeschlossen, und fur jedes λ ∈ ρ(A) gilt

‖R(λ,A)‖ ≥ 1

d(λ, σ(A)).

Beweis. (a) Schreibe

R(λ,A)−R(µ,A) = R(λ,A) (µ− A)R(µ,A)︸ ︷︷ ︸=IX

−R(λ,A)(λ− A)︸ ︷︷ ︸=ID(A)

R(µ,A) = (µ−λ)R(λ,A)R(µ,A).

(b) Fur jedes µ ∈ C gilt

µ− A = µ− λ+ λ− A = ((µ− λ)R(λ,A) + I)(λ− A).

Fur |µ− λ| < 1/‖R(λ,A)‖ ist der Operator

I + (µ− λ)R(λ,A) ∈ L(X)

invertierbar in L(X) durch eine Neumannreihe und

(I + (µ− λ)R(λ,A))−1 =∞∑k=0

(−1)kR(λ,A)k(µ− λ)k.

Fur diese µ erhalten wir, dass µ− A : D(A)→ X bijektiv ist und dass

(µ− A)−1 = R(λ,A)(I + (µ− λ)R(λ,A))−1 =∞∑k=0

(−1)kR(λ,A)k+1(µ− λ)k

gilt.

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Ende Do19.04.18

— — Einschub: Holomorphie — —

Definition: Sei Ω ⊂ C offen und X ein komplexer Banachraum. Eine Funktion f : Ω→ Xheißt holomorph (oder analytisch) in Ω, wenn fur jedes z0 ∈ Ω der Limes

f ′(z0) := limz→z0

f(z)− f(z0)

z − z0

existiert. In diesem Falle heißt die Funktion f ′ : Ω→ X die (komplexe) Ableitung von f .

Bemerkung: Eine holomorphe Funktion ist stetig:

f(z) = f(z0) +f(z)− f(z0)

z − z0

(z − z0)→ f(z0) + f ′(z0) · 0 (z → z0).

Potenzreihen: Eine (formale) Potenzreihe in X hat die Form

∞∑k=0

ak(z − z0)k

wobei (ak)k∈N0 eine Folge in X ist und z0 ∈ C.

Konvergenzradius: Definiere R ∈ [0,∞] durch 1R

:= lim supk→∞ ‖ak‖1/kX . Dann kon-

vergiert die Potenzreihe oben absolut und gleichmaßig auf kompakten Teilmengen vonB(z0, R) und definiert eine holomorphe Funktion f auf B(z0, R) mit der Eigenschaft

f (k)(z0) = k!ak, k ∈ N0.

Fur kein R > R kann f zu einer holomorphen Funktion auf B(z0, R) fortgesetzt werden.

Beweis. Sei ε ∈ (0, R/2). Wir finden k0 ∈ N mit

‖ak‖1/k ≤ 1

R− εfur alle k ≥ k0.

Fur |z − z0| ≤ R− 2ε haben wir dann

∞∑k=k0

‖ak‖|z − z0|k ≤∞∑

k=k0

(R− 2ε

R− ε

)k<∞.

Differenzierbarkeit zeigt man wie fur skalarwertige Potenzreihen.

Nun sei R ≥ R so, dass f eine holomorphe Fortsetzung g : B(z0, R) → X hat. Furbeliebiges ϕ ∈ X ′ ist dann die Funktion ϕ g : B(z0, R)→ C analytisch und

∞∑k=0

ϕ(ak)(z − z0)k

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konvergiert fur alle |z − z0| < R. Somit gilt fur jedes δ ∈ (0, R):

supk|ϕ(ak)|(R− δ)k <∞.

Nach dem Prinzip der gleichmaßigen Beschranktheit gilt dann

Cδ := supk‖ak‖(R− δ)k <∞ fur jedes δ ∈ (0, R),

woraus folgt

‖ak‖1/k ≤ C1/kδ

R− δfur all δ ∈ (0, R), k ∈ N,

und weiter1

R= lim sup

k‖ak‖1/k ≤ 1

R− δfur alle δ ∈ (0, R).

Fur δ → 0 erhalten wir R ≤ R.

Bemerkung: Der Beweis zeigt die beiden Zugange fur holomorphe Funktionen mit Wertenin einem Banachraum: Man kann zum einen wie fur komplexwertige Funktionen vorgehen,zum underen kann man lineare Funktionale anwenden und auf die Komposition die bekan-nten Ergebnisse fur komplexwertige Funktionen anwenden.

Folgendes sei zur Ubung uberlassen:

Satz: Eine Funktion f : Ω → X ist holomorph genau dann, wenn sie schwach holomorphist, dh wenn ϕ f : Ω→ C holomorph ist fur jedes ϕ ∈ X ′.

— — Ende des Einschubs — —

1.7. Lemma: Sei (cn) eine reelle Folge mit 0 ≤ cn+m ≤ cncm fur alle n,m ∈ N. Denn giltn√cn → c := infk k

√ck fur n→∞.

Beweis. Sei ε > 0. Wir finden m mit m√cm < c+ε. Setze b := maxc1, . . . , cm und schreibe

n > m als n = km+ r mit k ∈ N und r ∈ 1, . . . ,m. Dann gilt

c1/nn = (ckm+r)

1/n ≤ (ckmcr)1/n ≤ (c+ ε)km/nb1/n = (c+ ε)(c+ ε)−r/nb1/n ≤ c+ 2ε

fur große n wegen (c+ ε)−r/nb1/n → 1, n→∞ (hier haben wir ohne Einschrankung b > 0angenommen).

1.8. Korollar: Ist A ein abgeschlossener linearer Operator in X, so ist die Resolventeρ(A)→ L(X), λ 7→ R(λ,A), eine holomorphe Funktion und es gilt

dk

dλkR(λ,A) = (−1)kk!R(λ,A)k+1, k ∈ N0.

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Fur λ ∈ ρ(A) gilt

d(λ, σ(A)) =1

infk ‖R(λ,A)k‖1/k. (+)

Beweis. Der erste Teil ist klar wegen 1.6(b) und der Holomorphie von Potenzreihen. Wirweden 1.7 auf ck := ‖R(λ,A)k‖ an und sehen, dass die rechte Seite von (+) der Konver-genzradius R der Potenzreihe in 1.6(b) ist. Nach dem Einschub gilt ∂B(λ,R) ∩ σ(A) 6= ∅(andernfalls ware die Resolvente auf einer echt großeren Kreisscheibe holomorph, was einWiderspruch ist).

1.9. Satz und Definition: Sei T ∈ L(X) und X 6= 0. Dann gilt σ(T ) 6= ∅, und fur denSpektralradius r(T ) := sup|λ| : λ ∈ σ(T ) von T gilt

r(T ) = limk→∞‖T k‖1/k = inf

k‖T k‖1/k.

Insbesondere ist das Spektrum σ(T ) eine nicht-leere, kompakte Teilmenge von B(0, r(T )) ⊆B(0, ‖T‖).

Beweis. Wir beobachten zunachst, dass fur |λ| > ‖T‖ gilt

λI − T = λ(I − T

λ

),

und dass wir diesen Operator durch die Neumannreihe

(λI − T )−1 = λ−1

∞∑k=0

T k

λk=∞∑k=0

T kλ−(k+1)

invertieren konnen. Der letzte Ausdruck ist eine Potenzreihe in λ−1 mit KonvergenzradiusR := 1/ infk ‖T k‖1/k, konvergiert also fur alle |λ| > 1/R. Somit gilt σ(T ) ⊆ B(0, 1/R), dhr(T ) ≤ 1/R. Die obigen Aussagen zu Potenzreihen zeigen außerdem, dass r(T ) = 1/R fur1/R > 0.

Wir zeigen nun: σ(T ) = ∅ ⇒ X = 0 (im Falle X 6= 0, r(T ) = 0 ist dann σ(T ) = 0).Aus der Potenzreihendarstellung oben erhalten wir auch R(λ, T ) → 0 fur |λ| → ∞. Istσ(T ) = ∅, so ist fur jedes ϕ ∈ L(X)′, die Funktion λ → ϕ R(λ, T ) ganz und beschrankt(da sie gegen 0 geht fur |λ| → ∞). Nach dem Satz von Liouville ist diese Funktion konstant,also konstant = 0. Wir haben also ϕ R(λ, T ) = 0 fur jedes λ und jedes ϕ. Nach Hahn-Banach ist dann R(λ, T ) = 0, folglich X = 0.

Bemerkung: Es gibt Operatoren T mit ‖T‖ = 1, r(T ) = 0 und somit σ(T ) = 0, z.B.

T =

(0 10 0

)in X = C2 mit der Euklidischen Norm. Ende Di

24.04.18

10

1.10. Definition (Feinstruktur des Spektrums): Sei A ein abgeschlossener linearerOperator in X. Wir definieren

σp(A) := λ ∈ C : λI−A is nicht injektiv = λ ∈ C : N(λI−A) 6= 0 (Punktspektrum).

Jedes λ ∈ σp(A) heißt Eigenwert von A und jedes x ∈ N(λI − A) \ 0 heißt Eigenvektorzum Eigenwert λ. Wir definieren außerdem

σr(A) := λ ∈ C : R(λI − A) ist nicht dicht in X (Residualspektrum)

σc(A) := λ ∈ C : R(λI − A) ist dicht aber nicht abgeschlossen in X (stetiges Spektrum)

σap(A) := λ ∈ C : es gibt eine Folge (xn) in D(A) mit ‖xn‖ = 1 fur alle n

und (λI − A)xn → 0 (approximatives Punktspektrum).

Eine Folge (xn) wie in der Definition des approximativen Punktspektrum heißt manchmalein approximativer Eigenwert.

Bemerkung: σp(A) ⊆ σap(A) (setze xn = x, wobei x Eigenvektor).

Beispiele: 1) Ist dimX <∞ und A ∈ L(X), dann gilt σ(A) = σp(A) = σr(A) (A ist eineendlich-dimensionale Matrix, fur die Injektivitat aquivalent zu Surjektivitat ist).

2) Sei X = C[0, 1], A = ddx

mit D(A) = C1[0, 1]. Wir haben oben gesehen, dass σ(A) =σp(A) = C. Andererseits hat fur jedes λ ∈ C die gewohnliche Differentialgleichung λf −f ′ = g eine (nicht-eindeutige) Losung f ∈ C1[0, 1] fur jede rechte Seite g ∈ C[0, 1]. Alsogilt R(λI − A) = X fur jedes λ ∈ C und σr(A) = σc(A) = ∅.

1.11. Satz: Sei A ein abgeschlossener linearer Operator in X. Dann gilt:

(a) σap(A) = σp(A) ∪ λ ∈ C : λI − A ist injektiv und (λI − A)−1 ist nicht beschrankt .(b) σ(A) = σap(A) ∪ σr(A).

(c) ∂σ(A) ⊆ σap(A).

Beweis. (a) Sei λ ∈ C und sei λ− A injektiv, Y := R(λ− A). Dann gilt:

(λ− A)−1 : Y → X ist nicht beschrankt

⇔ es gibt (yn) in Y mit ‖yn‖ = 1 und ‖(λ− A)−1yn‖ → ∞⇔ es gibt (zn) in Y mit zn → 0 und ‖(λ− A)−1zn‖ = 1

⇔ es gibt (xn) in D(A) mit ‖xn‖ = 1 und (λ− A)−1xn → 0

Zum Beweis setze zn = yn/‖(λ − A)−1yn‖, yn = zn/‖zn‖ bzw. xn = (λ − A)−1zn, zn =(λ− A)xn. Wir haben also gezeigt

σap(A) \ σp(A) = λ ∈ C : λI − A ist injektiv und (λI − A)−1 ist nicht beschrankt .

11

(b) “⊇” ist klar. Zum Beweis von “⊆” sei λ ∈ σ(A) \ σap(A). Nach (a) ist λ − A injektivund (λ − A)−1 ist beschrankt. Insbesondere ist R(λ − A) abgeschlossen in X. Also giltR(λ− A) = R(λ− A) 6= X (sonst λ 6∈ σ(A)!). Wir haben λ ∈ σr(A) gezeigt.

(c) Sei λ ∈ ∂σ(A). Wir finden eine Folge (λn) in ρ(A) mit λn → λ. Nach 1.6(b) haben wir‖R(λn, A)‖ → ∞. Nach dem Prinzip der gleichmaßigen Beschranktheit finden wir y ∈ X so,dass αn := ‖R(λn, A)y‖ → ∞ (bjedeste, dass αn > 0 fur jedes n). Sei xn := R(λn, A)y/αn,n ∈ N. Denn ist (xn) eine Folge in D(A) mit ‖xn‖ = 1 fur alle n. Weiter gilt

(λ− A)xn = (λ− λn)xn + (λn − A)xn = (λ− λn)xn + y/αn → 0 (n→∞).

Beispiel: Sei X = l2 = (xn)n∈N : ‖(xn)‖l2 :=(∑

n |xn|2)1/2

<∞ und sei L ∈ L(l2) der

Linksshift gegeben durch L(xn) := (xn+1), dh L(xn) = (x2, x3, x4, . . .). Dann gilt ‖L‖ = 1,‖Lk‖ = 1 fur jedes k ∈ N, und somit r(L) = 1. Fur λ ∈ C mit |λ| ≤ 1 gilt

(λ− L)(xn) = 0⇔ ∀n : λxn − xn+1 = 0⇔ ∀n : xn+1 = λnx1.

Fur |λ| < 1 ist (1, λ, λ2, . . .) ∈ l2, also λ ∈ σp(L). Fur |λ| = 1 ist (1, λ, λ2, . . .) 6∈ l2, undλ 6∈ σp(L).

Folglich ist σp(L) = |λ| < 1, σ(L) = σap(L) = |λ| ≤ 1, und σap(L) \ σp(L) = |λ| =1 = ∂σ(L).

1.12. Duale Operatoren: Wir erinnern daran, dass fur T ∈ L(X, Y ) der duale (oderadjungierte) Operator 1 T ′ ∈ L(Y ′, X ′) gegeben ist durch

T ′φ := φ T, φ ∈ Y ′.

Mit der Dualitatsklammer

〈y, φ〉Y×Y ′ := φ(y), fur alle y ∈ Y , φ ∈ Y ′,

kann man dies schreiben als

〈x, T ′φ〉X×X′ = 〈Tx, φ〉Y×Y ′ fur alle x ∈ X, φ ∈ Y ′,

Beispiel: Sei X = Y = l2 und sei L der Linksshift. Wir berechnen L′. Fur X = l2 giltX ′ = l2, wobei die Dualitatsklammer gegeben ist durch

〈(xn), (yn)〉l2×l2 =∑n

xnyn.

1In der Vorlesung bezeichnet wir als “Adjungierte” nur die Hilbertraum-Adjungierte und sprechen de-shalb hier vom “dualen Operator”.

12

Fur (xn), (yn) ∈ l2 ist dann

〈L(xn), (yn)〉 =∞∑n=1

xn+1yn =∞∑n=2

xnyn−1 = 〈(xn), (yn−1)〉,

wenn wir y0 := 0 setzen. Also gilt L′ = R, wobei R der Rechtsshift ist, der durch

R(yn) := (0, y1, y2, y3, . . .)

gegeben ist. Offensichtlich gilt ‖R(yn)‖l2 = ‖(yn)‖l2 , ‖R‖ = 1, r(T ) = 1, und σ(R) ⊆|λ| ≤ 1. Fur |λ| ≤ 1 gilt

(λ−R)(yn) = 0⇔ λy1 = 0,∀n ≥ 2 : λyn = yn−1 ⇔ (yn) = 0.

Somit ist σp(R) = ∅.

Rechenregeln fur duale Operatoren: Folgende Regeln sind leicht zu uberprufen:

(IX)′ = IX′ , (S + T )′ = S ′ + T ′, (αT )′ = αT ′, (ST )′ = T ′S ′

wobei T ∈ L(X, Y ), α ∈ C, S ∈ L(X, Y ) fur die Summe bzw. S ∈ L(Y, Z) fur das Produkt.

Lemma: Fur T ∈ L(X, Y ) gilt

T : X → Y ist ein Isomorphismus⇐⇒ T ′ : Y ′ → X ′ ist ein Isomorphismus.

In diesem Falle gilt (T ′)−1 = (T−1)′.

Erinnerung: Der Bidualraum X ′′ = (X ′)′ = L(X ′,C) von X ist ein Banachraum, und dieAbbildung

J : X → X ′′, x 7→ δx wobei δx : X ′ → C, φ 7→ δx(φ) := φ(x)

ist (nach Hahn-Banach) eine isometrische Injektion. Mit Dualitatsklammern geschriebenist also

〈φ, δx〉X′×X′′ = 〈x, φ〉X×X′ , x ∈ X,φ ∈ X ′.

Ublicherweise identifiziert man X mit dem abgeschlossenen Teilraum J(X) von X ′′. DerRaum X heißt reflexiv, wenn J(X) = X ′′.

Fur T ∈ L(X, Y ) ist T ′′ := (T ′)′ ∈ L(X ′′, Y ′′) und T = T ′′|X , denn fur x ∈ X, φ ∈ Y ′ gilt

〈φ, T ′′δx〉 = 〈T ′φ, δx〉 = 〈x, T ′φ〉 = 〈Tx, φ〉 = 〈φ, δTx〉,

also T ′′δx = δTx fur alle x ∈ X, dh T ′′x = Tx, x ∈ X, wenn wir X und J(X) identifizieren.Ende Do26.04.18

13

Beweis. “⇒”: Es ist

T ′(T−1)′ = (T−1T )′ = (IX)′ = IX′ , (T−1)′T ′ = (TT−1)′ = (IY )′ = IY ′ ,

woraus Invertierbarkeit von T ′ folgt und (T ′)−1 = (T−1)′.

“⇐”: Wir nehmen an, dass T ′ eine Inverse S : X ′ → Y ′ hat. Dann ist T ′′ := (T ′)′ einIsomorphismus X ′′ → Y ′′ nach dem soeben Gezeigten. Da X ein abgeschlossener Teilraumvon X ′′ ist, ist T ′′(X) abgeschlossener Teilraum von Y ′′. Aber T ′′(X) = T (X) ⊆ Y , alsoist T (X) abgeschlossener Teilraum von Y .

Ist φ ∈ X ′ mit φ|T (X) = 0, so ist

〈x, T ′φ〉 = 〈Tx, φ〉 = 0, x ∈ X,

dh T ′φ = 0. Da T ′ injektiv ist, folgt φ = 0. Nach Hahn-Banach haben wir also gezeigt,dass T (X) dicht in Y ist. Da T (X) auch abgeschlossen in Y ist, erhalten wir T (X) = Y ,dh T ist surjektiv.

Da T ′′ injektiv ist, ist auch T = T ′′|X injektiv. Wir haben gezeigt, dass T : X → Y bijektivist. Nach dem Satz von der offenen Abbildung ist T : X → Y ein Isomorphismus.

1.13. Definition: Sei A ein linearer Operator von X nach Y mit D(A) dicht in X. Wirdefinieren den linearen Operator A′ : Y ′ ⊇ D(A′)→ X ′ durch: Fur φ ∈ Y ′, ψ ∈ X ′ setzenwir

φ ∈ D(A′), A′φ = ψ :⇐⇒ ∀x ∈ D(A) : 〈Ax, φ〉Y×Y ′ = 〈x, ψ〉X×X′ .Dann ist D(A′) die Menge aller φ ∈ Y ′, fur welche die Abbildung

D(A)→ C, x 7→ 〈Ax, φ〉,

eine stetige Fortsetzung ψ ∈ X ′ besitzt. Wegen der Dichtheit von D(A) in X ist dieseFortsetzung eindeutig bestimmt (wenn sie existiert). In diesem Falle ist A′φ diese eindeutigbestimmte Fortsetzung ψ.

Bemerkung: A′ ist immer abgeschlossen: Sei (φn) eine Folge in D(A′) mit φn → φ in Y ′

und A′φn → ψ in X ′. Dann gilt fur jedes x ∈ D(A):

〈Ax, y〉 = limn〈Ax, φn〉 = lim

n〈x,A′φn〉 = 〈x, ψ〉,

das bedeutet φ ∈ D(A′) und A′φ = ψ.

Beispiel: X = L2(0, 1), A = ddx

, D(A) = C10 [0, 1] := ϕ ∈ C1[0, 1] : ϕ(0) = ϕ(1) = 0.

Dann ist

D(A′) = f ∈ L2(0, 1) : ∃g ∈ L2(0, 1)∀ϕ ∈ C10 [0, 1] :

∫ 1

0

fϕ′ dx =

∫ 1

0

gϕ dx.

14

Mittels partieller Integration erhalten wir C1[0, 1] ⊆ D(A′) und A′f = −f fur f ∈ C1[0, 1]:Fur ϕ ∈ C1

0 [0, 1] gilt ∫ 1

0

fϕ′ dx = fϕ∣∣∣10−∫ 1

0

f ′ϕdx = −∫ 1

0

f ′ϕdx.

Tatsachlich ist D(A′) die Menge aller f ∈ L2(0, 1), die eine schwache Ableitung g ∈ L2(0, 1)haben, und A′f = −f ′, wobei f ′ die schwache Ableitung von f bezeichnet.

Rechenregeln: (λ−A)′ = λ−A′ fur λ ∈ C und X = Y (allgemein gilt (A+T )′ = A′+T ′

fur T ∈ L(X, Y )). Ist B eine Fortsetzung von A, so ist A′ eine Fortsetzung von B′: A ⊆ B⇒ B′ ⊆ A′. Hierbei schreiben wir A ⊆ B, falls Gr(A) ⊆ Gr(B) (wir identifizieren hier alsodie linearen Operatoren A und B jeweils mt ihrem Graph).

1.14. Satz: Sei A ein abgeschlossener linearer Operator in X, der dicht definiert ist. Danngilt σ(A′) = σ(A) und σp(A

′) = σr(A).

Beweis. Wir beweisen zunachst die zweite Aussage. Fur λ ∈ C gilt

λ ∈ σr(A) ⇔ (λ− A)X 6= y ⇔ ∃φ ∈ Y ′ \ 0∀x ∈ D(A) : 〈(λ− A)x, φ〉 = 0

⇔ ∃φ ∈ D(A′) \ 0 : (λ− A′)φ = 0 ⇔ λ ∈ σp(A′).

σ(A′) ⊆ σ(A): Sei λ ∈ ρ(A). Nach dem eben Gezeigten ist λ 6∈ σr(A) = σp(A′), und folglich

ist λ− A′ injektiv. Sei nun ψ ∈ X ′. Setze φ := R(λ,A)′ψ. Fur x ∈ D(A) gilt dann

〈(λ− A)x, φ〉 = 〈R(λ,A)(λ− A)x, ψ〉 = 〈x, ψ〉.

Also ist φ ∈ D((λ− A)′) = D(A′) und (λ− A′)φ = ψ. Somit ist λ− A′ ist auch surjektiv,und λ ∈ ρ(A) ist gezeigt.

σ(A) ⊆ σ(A′): Sei λ ∈ ρ(A′). Dann gilt λ 6∈ σp(A′) = σr(A), und somit ist Y := (λ −

A)(D(A)) dicht in X.

Wir setzen S := R(λ,A′) ∈ L(X ′). Dann ist S ′ ∈ L(X ′′) und wir definieren R := S ′|X .Wir zeigen, dass R ∈ L(X) die Inverse von λ−A ist. Fur x ∈ D(A) und φ ∈ X ′ haben wir

〈φ, S ′δ(λ−A)x〉 = 〈Sφ, δ(λ−A)x〉 = 〈(λ− A)x, Sφ〉.

Wegen Sφ ∈ D(A′) erhalten wir

〈(λ− A)x, Sφ〉 = 〈x, (λ− A′)Sφ〉 = 〈x, φ〉 = 〈φ, δx〉.

Also haben wir gezeigt S ′δ(λ−A)x = δx fur alle x ∈ D(A). Folglich bildet R das dichte Bildvon λ− A nach X ab, und wir erhalten R ∈ L(X). Außerdem ist R(λ− A)x = x fur allex ∈ D(A). Somit ist λ− A injektiv und Ry = (λ− A)−1y fur alle y ∈ Y . Insbesondere ist(λ − A)−1 ein beschrankter Operator. Da dieser Operator auch abgeschlossen ist, ist seinDefinitonsbereich Y ein abgeschlossener Teilraum von X. Da Y dicht in X ist, erhaltenwir Y = X, und weiter λ ∈ ρ(A) und R = R(λ,A). Ende Do

03.05.18

15

Beispiel: Sei X = l2, L der Linksshift und R der Rechtsshift. Wegen L′ = R gilt dannσr(L) = σp(R) = ∅.

Zwischen dem Spektrum eines Operators und dem Spektrum seiner Resolventen gibt eseinen naturlichen Zusammenhang, der als spectral mapping bezeichnet wird.

1.15. Satz: Sei A ein abgeschlossener linearer Operator in X und λ0 ∈ ρ(A). Dann gilt

σ(R(λ0, A)) \ 0 = 1

λ0 − z: z ∈ σ(A)

.

Außerdem gilt 0 ∈ σ(R(λ0, A)) genau dann, wenn A 6∈ L(X) ist.

Beweis. Wir haben

0 6∈ σ(R(λ0, A)) ⇔ R(λ0, A) : X → X surjektiv ⇔ D(A) = X ⇔ A ∈ L(X),

wobei wir fur die letzte Aquivalenz den Satz vom abgeschossenen Graphen verwendethaben. Sei nun z 6= λ0. Dann gilt

z−A = z−λ0+λ0−A = ((z−λ0)R(λ0, A)+I)(λ0−A) =(R(λ0, A)− 1

λ0 − z

)(z−λ0)(λ0−A),

wobei (z−λ0)(λ0−A) : D(A)→ X bijektiv ist. Somit ist z−A : D(A)→ X bijektiv genaudann, wenn R(λ0, A) − (λ0 − z)−1 : X → X bijektiv ist. Wir erhalten so, dass z ∈ σ(A)aquivalent zu (λ0 − z)−1 ∈ σ(R(λ0, A)) ist.

Bemerkung: Im Beweis haben wir gesehen, dass fur λ0, z ∈ ρ(A) mit z 6= λ0 gilt:( 1

λ0 − z−R(λ0, A)

)−1

=1

λ0 − z(λ0 − A)R(z, A).

Was kann man machen, wenn ein linearer Operator A von X nach Y nicht abgeschlossenist? Naturlich kann man den Abschluss Gr(A) von Gr(A) in X × Y betrachten. Das istjedoch im allgemeinen nicht der Graph eines Operators.

1.16. Definition: Ein linearer Operator A von X nach Y heißt abschließbar, falls er eineabgeschlossene lineare Fortsetzung B : X ⊃ D(B)→ Y besitzt. In diesem Falle besitzt Aeine kleinste abgeschlossene lineare Fortsetzung A, welche der Abschluss von A heisst.

Folgende Eigenschaften sind aquivalent:

• A ist abschließbar,

16

• Gr(A) ist der Graph einer Funktion,

• fur jede Folge (xn) in D(A) mit xn → 0 in X und Axn → y in Y gilt y = 0.

In diesem Falle gilt Gr(A) = Gr(A).

1.17. Satz: Sei A ein dicht definierter linearer Operator in X. Wenn D(A′) dicht ist inX ′, dann ist A abschließbar. Die Umkehrung gilt, falls X reflexiv ist.

Beweis. Wenn D(A′) dicht in X ′ ist, dann ist A′′ := (A′)′ ein abgeschlossener linearerOperator in X ′′. Wir zeigen, dass A′′ eine Fortsetzung von A ist: Fur x ∈ D(A) undφ ∈ D(A′) gilt

〈Ax, φ〉 = 〈x,A′φ〉 = 〈A′φ, δx〉,

also ist δx ∈ D(A′′) und A′′δx = δAx fur alle x ∈ D(A).

Nun sei X reflexiv und D(A′) nicht dicht in X ′. Nach Hahn-Banach finden wir y ∈ X ′′ = Xmit y 6= 0 und

〈y, φ〉 = 0 = 〈0, A′φ〉 fur alle φ ∈ D(A′).

Wir zeigen, dass (0, y) ∈ Gr(A) gilt: Fur (ψ, φ) ∈ X ′×X ′ mit (ψ, φ)|Gr(A) = 0 gilt φ ∈ D(A′)und A′φ = −ψ. Nach der oben gezeigten Eigenschaft von y erhalten wir (ψ, φ)(0, y) = 0.Mittels Hahn-Banach konne wir schließen, dass (0, y) ∈ Gr(A) wie bahauptet. Wegen y 6= 0ist A nicht abschließbar.

17

2 Die Fouriertransformation auf dem Rd

Wir schreiben

Lp(Rd) := f : Rd → C messbar : ‖f‖p :=(∫|f(x)|p dx

)1/p

<∞

fur1 ≤ p <∞.

2.1. Definition: Fur f ∈ L1(Rd) und ξ ∈ Rd setzen wir

f(ξ) :=

∫Rde−2πixξf(x) dx,

wobei xξ = x1ξ1 + x2ξ2 + . . . + xdξd das Skalarprodukt in Rd bezeichnet. Die Funktionf : Rd → C heißt Fouriertransformierte von f .

2.2. Lemma: (a) Fur f ∈ L1(Rd) ist f beschrankt und gleichmaßig stetig und

‖f‖∞ ≤ ‖f‖1.

Die Abbildung f → f ist linear und stetig L1(Rd)→ L∞(Rd).

(b) Sei f ∈ L1(Rd) und y ∈ Rd. Fur τyf := f(· − y) gilt dann τyf(ξ) = e−2πiyξf(ξ), ξ ∈ Rd.

(c) Fur f, g ∈ L1(Rd) und λ > 0 gilt∫f(ξ)g(λξ) dξ =

∫f(λx)g(x) dx.

Beweis. (a) Die Abschatzung ist klar. Fur ξ, η ∈ Rd gilt

|f(ξ)− f(ξ + η)| ≤∫|e−2πixξ − e−2πix(ξ+η)| |f(x)| dx

=

∫|1− e−2πixη| |f(x)| dx indep. of ξ.

Wegen 1 − e−2πixη → 0 (η → 0) fur festes x ∈ Rd und |1 − e−2πixη| ≤ 2 konvergiertdas Integral nach dem Satz uber majorisierte Konvergenz gegen 0 fur η → 0. Also ist fgleichmaßig stetig.

(b) Wir substituieren x = u+ y und erhalten∫e−2πixξf(x− y) dx = e−2πiyξ

∫e−2πiuξf(u) du = e−2πiyξf(ξ).

(c) Wir substituieren x = λy und λξ = η und erhalten nach Fubini∫ ∫e−2πixξf(x)g(λξ) dx dξ =

∫f(λy)

∫e−2πiyηg(η) dη︸ ︷︷ ︸

=g(y)

dy.

18

2.3. Beispiel: Sei d = 1 und h = 1[a,b]. Dann gilt h(0) = b− a und fur ξ 6= 0:

h(ξ) =

∫ b

a

e−2πixξ dx =e−2πibξ − e−2πiaξ

−2πiξ.

Somit h(ξ)→ 0 (|ξ| → ∞), aber h 6∈ L1(R)!

Fur d > 1 und h(x) = 1∏nj=1[aj ,bj ](x) =

∏nj=1 1[aj ,bj ](xj) gilt

h(ξ) =n∏j=1

1[aj ,bj ](ξj), ξ = (ξ1, . . . , ξn) ∈ Rd.

Also erhalten wir auch hier h(ξ)→ 0 fur |ξ| → ∞.Ende Di08.05.182.4. Riemann-Lebesgue-Lemma: Fur jedes f ∈ L1(Rd) gilt f(ξ)→ 0 fur |ξ| → ∞.

Beweis. Der Raum

C0(Rd) := f : Rd → C stetig : f(x)→ 0 (|x| → ∞)

ist bzgl. der Supremumsnorm ‖ · ‖∞ ein abgeschlossener Teilraum des Banachraums

BUC(Rd) := g : Rd → C : g ist beschrankt und gleichmaßig stetig .

Nach Beispiel 2.3 gilt h ∈ C0(Rd) fur Funktionen h der Form h =∑

k ck1Qk , wobei die Qk

kartesische Produkte von kompakten Intervallen sind. Die Menge dieser Trepenfunktionenist dicht in L1(Rd), und wir verwenden 2.2 (a).

2.5. Rechenregeln: Sei f ∈ L1(Rd). Dann glt:

(a) Ist a ∈ R \ 0, so gilt F (F (a·))(ξ) = 1|a|n f( ξ

a), ξ ∈ Rd.

(b) Ist b ∈ Rd, so gilt F (e2πib(·)f)(ξ) = f(ξ − b), ξ ∈ Rd.

(c) Ist zusatzlich x 7→ xjf(x) ∈ L1(Rd), so hat f eine stetige partielle Ableitung nach ξjund

∂ξjf(ξ) = F (x 7→ (−2πixj)f(x))(ξ), ξ ∈ Rd.

Beweis. Der Beweis von (a) ist ahnlich wie fur 2.2(c). Zum Beweis von (b) schreiben wir∫e−2πiξxe2πibx︸ ︷︷ ︸

=e−2πi(ξ−b)x

f(x) dx = f(ξ − b).

zu (c): Fur ξ ∈ Rd, j ∈ 1, . . . , d und h 6= 0 gilt

f(ξ + hej)− f(ξ)

h−F (x 7→ (−2πixj)f(x))(ξ)

=

∫ (e−2πi(ξ+hej)x − e−2πiξx

h+ 2πixje

−2πiξx)f(x) dx.

19

Fur festes x ∈ Rd geht der Term in Klammern gegen 0 fur h→ 0. Außerdem gilt

e−2πiξx(e−2πihxj − 1

h+ 2πixj

)= e−2πiξx

(1

h

∫ h

0

(−2πixj)e−2πitxj dt+ 2πixj

)= e−2πiξx2πixj

(1− 1

h

∫ h

0

e−2πitxj dt).

Dabei ist der Betrag des letzten Terms in Klammern ≤ 2. Die Aussage folgt mittels ma-jorisierter Konvergenz.

2.6. Satz (schwache Ableitungen unter Fouriertransformation): Sei f ∈ L1(Rd)und sei g ∈ L1(Rd) mit ∫

f(x)∂jϕ(x) dx = −∫g(x)ϕ(x) dx

fur alle ϕ ∈ C1c (Rd) (dh fur alle ϕ ∈ C1 mit kompaktem Trager). Dann gilt

g(ξ) = 2πiξj f(ξ), ξ ∈ Rd.

Bemerkung: Die Voraussetzung besagt, dass f eine schwache Ableitung nach xj in L1(Rd)hat. Das gilt insbesondere, wenn f stetig differenzierbar ist und g := ∂jf ∈ L1(Rd) ist.

Beweis. Sei ξ ∈ Rd. Die Idee ist, ϕ(x) = e−2πixξ zu nehmen, aber ϕ 6∈ C1c . Also approx-

imieren wir diese Funktion. Wahle ψ ∈ C1c mit 0 ≤ ψ ≤ 1 und ψ(x) = 1 fur |x| ≤ 1 und

setze ψk(x) := ψ(x/k) und ϕk(x) := e−2πixξψk(x). Majorisierte Konvergenz gibt∫gϕk dx =

∫g(x)e−2πixξψk(x) dx→ g(ξ)

da ψk(x)→ 1 fur jedes x ∈ Rd und |ψk| ≤ 1. Außerdem gilt wegen ϕk ∈ C1c :∫

gϕk dx = −∫f∂jϕk dx = −

∫f(−2πiξj)ϕk dx︸ ︷︷ ︸→2πiξj f(ξ)

−∫f(x)e−2πixξ∂jψk(x) dx︸ ︷︷ ︸

=:A(k)

.

Dabei ist ∂jψk(x) = 1k(∂jψ)(x/k) und also

|A(k)| ≤∫|x|≥k|f(x)| dx · 1

k· ‖∂jψ‖∞ → 0 (k →∞),

da ∂jψ beschrankt ist.

20

2.7. Beispiel: Fur φ(x) = e−π|x|2, x ∈ Rd, gilt

φ(ξ) = e−π|ξ|2

, ξ ∈ Rd.

Wegen φ(x) =∏n

j=1 e−π|xj |2 reicht es, den Falle d = 1 zu betrachten. Dann gilt fur jedes

x ∈ R:φ′(x) = −2πxφ(x).

Nach 2.5(c) und 2.6 erhalten wir fur jedes ξ ∈ R:

2πiξφ(ξ) = φ′(ξ) = −2πxφ(x)(ξ) = −i ddξφ(ξ),

also(φ)′(ξ) = −2πξφ(ξ).

Somit losen φ und φ dieselbe gewohnliche homogene lineare Differentialgleichung. DaLosungen des Anfangswertproblems eindeutig sind, folgt

φ(ξ) = φ(0)φ(ξ) = e−π|ξ|2

, ξ ∈ R,

wegen φ(0) =∫R e−π|x|2 dx = 1.

2.8. Fourier-Inversionsformel: Sei f ∈ L1(Rd) ∩ Cb(Rd) mit f ∈ L1(Rd). Dann gilt furjedes x ∈ Rd:

f(x) =

∫Rde2πixξf(ξ) dξ.

Bemerkung: Die Formel gilt tatsachlich fur alle f ∈ L1(Rd) mit f ∈ L1(Rd) (→ spater).

Beweis. Nach 2.2(b) reicht es, den Falle x = 0 zu betrachten. Sei h(x) := e−π|x|2, x ∈ Rd.

Nach 2.2(c) gilt fur jedes a > 0:∫Rdf(ξ)h(aξ) dξ =

∫Rdf(ax)h(x) dx.

Fur a → 0+ geht die linke Seite gegen∫f(ξ) dξ (verwende majorisierte Konvergenz und

die Voraussetzung f ∈ L1). Da f in 0 stetig ist, konvergiert der Integrand rechts punktweisegegen f(0)h(x). Da f beschrankt ist, folgt mittels majorisierter Konvergenz die Konvergenzder rechten Seite gegen f(0)

∫h(x) dx = f(0).

2.9. Example: f(x) = e−a|x| fur x ∈ R, wobei a > 0. Es gilt

f(ξ) =

∫ ∞−∞

e−2πiξxe−a|x| dx

21

und∫ ∞0

e−2πixξe−ax dx =1

a+ 2πiξ,

∫ 0

−∞e−2πixξeax dx =

∫ ∞0

e2πiyξe−ay dx =1

a− 2πiξ.

Also ist

f(ξ) =1

a+ 2πiξ+

1

a− 2πiξ=

2a

a2 + 4π2ξ2, ξ ∈ R.

Die Funktion f ist stetig und beschrankt und f ∈ L1(R). also gilt nach 2.8:

F(x 7→ 2a

a2 + 4π2x2

)(ξ) = e−a|ξ|, ξ ∈ R.

2.10. Definition und Satz (Faltung): Seien f, g ∈ L1(Rd). Fur fast jedes x ∈ Rd gilty 7→ f(y)g(x− y) ∈ L1(Rd), und fur h, gegeben durch

h(x) :=

∫Rdf(y)g(x− y) dy fur fast alle x ∈ Rd,

gilt h ∈ L1(Rd) und‖h‖1 ≤ ‖f‖1‖g‖1.

Die Funktion h heißt Faltung von f und g (engl. convolution) und wird mit f ∗g bezeichnet.

Beweis. Die Funktion F : (x, y) 7→ f(y)g(x− y) ist messbar und∫ ∫|f(y)g(x− y)| dx dy =

∫|f(y)|

∫|g(x− y)| dx︸ ︷︷ ︸

=‖g‖1

dy = ‖f‖1‖g‖1.

Nach Fubini-Tonelli gilt somit F ∈ L1(Rd × Rd), F (x, ·) ∈ L1(Rd) fur fast jedes x ∈ Rd,und x 7→

∫F (x, y) dy ∈ L1(Rd).

2.11. Lemma: Die Faltung ∗ : L1(Rd) × L1(Rd) → L1(Rd) ist bilinear und stetig, kom-mutativ und assoziativ. Fur f, g ∈ L1(Rd) und ξ ∈ Rd gilt

f ∗ g(ξ) = f(ξ)g(ξ).

Beweis. Bilinearitat und Stetigkeit sind klar wegen 2.10. Kommutativitat und Assozia-tivitat folgen mittels Fubini. Wir zeigen die Formel. Nach Fubini gilt∫

e−2πixξf ∗ g(x) dx =

∫ ∫e−2πixξf(y)g(x− y) dx dy

=

∫e−2πiyξf(y)

∫e−2πi(x−y)ξg(x− y) dx︸ ︷︷ ︸

=g(ξ)

dy = f(ξ)g(ξ).

Ende Di15.05.18

22

2.12. Lemma: Fur f, f ∈ L1(Rd) gilt die Fourier-Inversionsformel 2.8. Insbesondere giltf, f ∈ C0(Rd).

Beweis. Setze h(x) := e−π|x|2

und hn(x) := ndh(nx) fur alle x ∈ R, n ∈ N, sowie fn :=hn ∗ f . Dann gilt (nach FA) fn → f in ‖ · ‖1 und mittels monotoner Konvergenz giltfn = hnf → f in ‖ · ‖1 (man berechne hn). Außerdem sieht man direkt

‖fn‖∞ = ‖hn ∗ f‖∞ ≤ ‖hn‖∞‖f‖1 <∞, n ∈ N.

Wieder nach FA ist fn stetig. Wir konnen also die Formel aus 2.8 auf die fn anwenden underhalten mittels 2.2:

fn = F (fn)(−·) −→ F (f)(−·) bzgl. ‖ · ‖∞.

Wegen fn → f in ‖ · ‖1 folgt f = F (f)(−·) fast uberall.

2.13. Satz (Plancherel): Fur f ∈ L1(Rd) mit f ∈ L1(Rd) gilt f, f ∈ L2(Rd) und

‖f‖22 = ‖f‖2

2.

Beweis. Wegen ‖g‖22 ≤ ‖g‖∞‖g‖1 erhalten wir aus 2.12: f, f ∈ L2(Rd). Nach 2.2 (dancing

hat) gilt ∫Rn|ψ(ξ)|2 dξ =

∫Rnψ(ξ)ψ(ξ) dξ =

∫Rnψ(x)(ψ)∧(x) dx,

und mittels 2.8 erhalten wir

(ψ)∧(x) =

∫Rne−2πiξxψ(ξ) dξ =

∫Rne2πiξxψ(ξ) dξ = ψ(x).

2.14. Satz: Setze S := f ∈ L1(Rd) : f ∈ L1(Rd). Die Fouriertransformation S → S, f 7→f , besitzt eine eindeutige stetige Fortsetzung F : L2(Rn)→ L2(Rn). Diese Fortsetzung Fist linear und bijektiv, und es gilt

‖Ff‖22 = ‖f‖2

2, f ∈ L2(Rd),

undF−1f = σFf, f ∈ L2(Rd), F 4 = IdL2 .

Beweis. Wir mussen nur einsehen, dass S dicht ist in L2(Rd). Dafur reicht es, f ∈ L2(Rn)mit kompaktem Trager durch Funktionen aus S zu approximieren. Das geht mit Mollifiern.

23

2.15. Definition: Der Schwartzraum S (Rd) ist gegeben durch

S (Rd) := ψ : Rd → C : ψ ist C∞ und ∀α, β ∈ Nd0 : x 7→ xβ∂αψ(x) beschrankt ,

wobei wir hier die Multiindexnotation verwenden: Fur α = (α1, α2, . . . , αd), β =(β1, β2, . . . , βd) ∈ Nd

0 setzt man

∂α :=∂α1

∂xα11

∂α2

∂xα22

. . .∂αd

∂xαdd,

|α| := α1 + α2 + . . .+ αd,

α! := α1!α2! · . . . · αd!,β ≤ α :⇔ β1 ≤ α1, β2 ≤ α2, . . . , βd ≤ αd,(α

β

):=

α!

β!(α− β)!=

(α1

β1

)(α2

β2

)· . . . ·

(αdβd

), β ≤ α,

xα := xα11 x

α22 · . . . · x

αdd , x = (x1, x2, . . . , xd) ∈ Cd.

Bemerkung: Multiindexnotation ist praktisch, wenn man mit Ableitungen beliebiger Ord-nung arbeiten muss. Es gilt z.B. die Leibnizregel fur Produkte

∂α(ϕ · ψ) =∑γ≤α

γ

)∂γϕ∂α−γψ,

die man durch Induktion nach |α| zeigen kann.

Bemerkung: Fur ψ ∈ S (Rd) und jedes α ∈ Nd0 gilt offensichtlich, dass ∂αψ und x 7→

xαψ(x) zu S (Rd) gehoren.

2.16. Satz: Fur alle ϕ, ψ ∈ S (Rd) gilt ϕ · ψ ∈ S (Rd).

Beweis. Nach der Leibnizregel gilt fur alle α, β ∈ Nd0:

xβ∂α(ϕ · ψ) =∑γ≤α

γ

)xβ∂γϕ︸ ︷︷ ︸

beschrankt

∂α−γψ︸ ︷︷ ︸beschrankt

.

2.17. Satz: Die Fouriertransformation ψ 7→ ψ ist linear und bijektiv S (Rd)→ S (Rd).

Beweis. Zur Ubung empfohlen.

2.18. Satz: Fur ϕ, ψ ∈ S (Rd) gilt ϕ ∗ ψ ∈ S (Rd).

Beweis. Die Aussage folgt wegen ϕ ∗ ψ = ϕ · ψ aus den Satzen 2.17 und 2.16.

24

2.19. Heisenbergsche Unscharferelation: Sei d = 1. Fur ψ ∈ S (R) gilt

‖xψ‖2‖ξψ‖2 ≥1

4π‖ψ‖2

2.

Beweis. Wir schreiben

2Re 〈xψ, ψ′〉 = 〈xψ, ψ′〉+ 〈ψ′, xψ〉

=

∫Rxψ(x)ψ′(x) + ψ′(x)xψ(x) dx

=

∫Rx(ψ(x)ψ′(x) + ψ′(x)ψ(x)

)dx

= x|ψ(x)|2∣∣∣∞x=−∞

−∫ ∞−∞|ψ(x)|2 dx

= −‖ψ‖22.

Somit ist1

2‖ψ‖2

2 = |Re 〈xψ, ψ′〉| ≤ ‖xψ‖2‖ψ′‖2.

Mithilfe von Plancherel erhalten wir

‖ψ′‖2 = ‖ψ′‖2 = 2π‖ξψ‖2.

Korollar: Fur ψ ∈ S (R) und x0, ξ0 ∈ R gilt

‖(x− x0)ψ‖2‖(ξ − ξ0)ψ‖2 ≥1

4π‖ψ‖2

2.

Ende Do17.05.18

Interpretation: Sei ψ ∈ S (R) mit ‖ψ‖2 = 1. Dann sind x 7→ |ψ(x)|2 und ξ 7→ |ψ(ξ)|2Wahrscheinlichkeitsdichten auf R. Sind X, Y Zufallsvariablen, die entsprechend verteiltsind, und x0 = E(X) =

∫x|ψ(x)|2 dx, ξ0 = E(Y ) =

∫ξ|ψ(ξ)|2 dξ, dann sind ‖(x−x0)ψ‖2 =

σX und ‖(ξ− ξ0)ψ‖2 = σY die Standardabweichungen von X bzw. Y , und die Aussage desKorollars bedeutet

σXσY ≥1

4π,

dh X und Y konnen nicht beide beliebig nahe um x0 bzw. ξ0 lokalisiert sein.

25

3 Fredholmoperatoren und die Spektraltheorie kom-

pakter Operatoren

Wieder sind X und Y Banachraume, wenn nichts anderes gesagt wird.

Erinnerung (Lineare Algebra): Wenn dimX = dim Y <∞ und T ∈ L(X, Y ), dann gilt

dimN(T ) = codimR(T )︸ ︷︷ ︸=:dimY/R(T )

<∞.

3.1. Definition: Ein Operator T ∈ L(X, Y ) heißt Fredholmoperator, falls

α(T ) := dimN(T ) <∞ und R(T ) abgeschlossen ist mit β(T ) := codimR(T ) <∞.

In diesem Falle wird der Index von T definiert durch

indT := α(T )− β(T ).

Die Menge aller Fredholmoperatoren von X nach Y bezeichnen wir mit Φ(X, Y ).

Bemerkung: Ist dimX = dimY <∞, so ist jeder Operator T ∈ L(X, Y ) ein Fredholm-operator vom Index 0. Sind X und Y beliebig und ist T ∈ L(X, Y ) ein Isomorphismus vonX nach Y , so gilt α(T ) = β(T ) = 0 und T ist ein Fredholmoperator vom Index 0.

Der folgende Satz zeigt, dass in der Definition oben die Abgeschlossenheit des Bildes R(T )nicht gefordert werden muss.

3.2. Satz: Sei T ∈ L(X, Y ). Wenn codimR(T ) <∞ ist, dann ist R(T ) abgeschlossen.

Beweis. Wir finden eine Basis [y1], . . . , [yn] von Y/R(T ) und setzen H := span y1, . . . , yn.Dann gilt Y = R(T ) + H und R(T ) ∩ H = 0. Da H vollstandig ist, ist X × H einBanachraum (zB fur die Summennorm) und die Abbildung

T : X ×H → Y, (x, y) 7→ Tx+ y

ist stetig und surjektiv. Nach dem Satz von der offenen Abbildung gilt

γ := inf ‖T (x, y)‖Yd((x, y), N(T ))

: (x, y) 6∈ N(T )> 0.

Wegen

N(T ) = (x, y) ∈ X ×H : Tx = −y = (x, 0) : Tx = 0 = N(T )× 0

gilt fur x 6∈ N(T ):

‖Tx‖Y = ‖T (x, 0)‖Y ≥ γd((x, 0), N(T )) = d(x,N(T )).

Daraus folgt die Abgeschlossenheit von R(T ).

26

Bemerkung: Wir erinnern daran, dass fur einen Banachraum Y und einen abgeschlossenenlinearen Teilraum Z der Quotientenraum Y/Z, gegeben durch

Y/Z := y + Z : y ∈ Y , ‖y + Z‖Y/Z := inf‖y − z‖Y : z ∈ Z = d(y, Z).

ein Banachraum ist. Wenn aus dem Kontext klar ist, was Z ist, schreibt man ublicherweise[y] statt y + Z und q fur die Quotienteabbildung Y → Y/Z, y 7→ [y]. Ein Operator T ∈L(X, Y ) hat eine eindeutige Faktorisierung T = S q, wobei S ∈ L(X/N(T ), Y ) injektivist und q : X → X/N(T ) die Quotientenabbildung ist. S ist gegeben durch S[x] = Tx.

Bemerkung: (a) Seien W und Z Teilraume eines Banachraumes X mit W ∩Z = 0 undX = W + Z. Wir schreiben X = W ⊕ Z, wenn W und Z beide abgeschlossene Teilraumevon X sind. Beachte, dass X = W ⊕Z geau dann, wenn W ×Z → X, (w, z) 7→ w+ z, einIsomorphismus ist bzw. genau dann, wenn es eine Projektion P ∈ L(X) gibt mit P (X) = Zund N(P ) = W .

Ein abgeschlossener Teilraum Z heißt komplementiert in X, wenn es einen (abgeschlosse-nen) Teilraum W von X mit X = W ⊕ Z. Ein solches W heißt Komplement von Z (inX).

Beachte, dass wir im Beweis von 3.2 gezeigt haben, dass H ein Komplement von R(T ) inY ist.

(b) Jeder endlich-dimensionale Teilraum Z von X ist komplementiert in X: Wahle eineBasis z1, . . . , zn von Z und lineare Funktionale ψ1, . . . , ψn ∈ Z ′ so, dass ψj(xk) = δjk. Setzedie ψk mithilfe von Hahn-Banach fort zu φ1, . . . , φn ∈ X ′. Dann ist W :=

⋂nk=1 N(φk) ein

Komplement von Z in X: W ist abgeschlossen, W ∩Z = 0 und X = W +Z (fur x ∈ Xsetze z :=

∑nj=1 φj(x)zj ∈ Z und w := x− z, dann ist φk(w) = φk(x)− φk(z) = 0 fur jedes

k und also w‖W‖).(c) Fur jeden Fredholmoperator T ∈ Φ(X, Y ) ist also N(T ) komplementiert in X undR(T ) ist komplementiert in Y .

3.3. Satz: Φ(X, Y ) ist offen in L(X, Y ) und ind : Φ(X, Y )→ Z ist stetig.

Beweis. Sei T ∈ Φ(X, Y ). Wir zeigen, dass es ein ε > 0 so gibt, dass fur alle S ∈ L(X, Y )gilt

‖S − T‖ < ε =⇒ S ∈ Φ(X, Y ) und indS = indT.

Zunachst finden wir abgeschlossenene Teilraume G von X und H von Y mit

X = N(T )⊕G, Y = R(T )⊕H, dimH <∞.

Beachte R(T ) = T (X) = T (G). Fur jedes S ∈ L(X, Y ) definieren wir

S : G×H → Y, (g, h) 7→ Sg + h.

27

Dann gilt fur beliebige S1, S2 ∈ L(X, Y ):

‖S1 − S2‖ = sup‖(g,h)‖=1

‖S1g + h− (S2g + h)‖ ≤ ‖S1 − S2‖.

Wir werden zeigen, dass T : G × H → Y ein Isomorphismus ist: T ist surjektiv wegenR(T ) = T (G) und der Wahl von H, und T ist injektiv, da aus T (g, h) = 0 folgt Tg = −h ∈R(T )∩H = 0 und T |G injektiv ist. Somit finden wir ε > 0 so, dass jedes S ∈ L(G×H, Y )

mit ‖S − T‖ < ε ein Isomorphismus S : G×H → Y ist.

Sei nun S ∈ L(X, Y ) mit ‖S − T‖ < ε. Dann ist auch ‖S − T‖ < ε und S : G ×H → Ysomit ein Isomorphismus. Wir zeigen nun Ende Di

22.05.18(i) α(S) ≤ α(T ) <∞,

(ii) β(S) ≤ β(T ) <∞,

(iii) ind (S) = ind (T ).

(i): If g ∈ N(S) ∩G then S(g, 0) = 0, und g = 0. Hence N(S) ∩G = 0 und

α(S) = dimN(S) = dim((N(S)⊕G)/G

)≤ dim (X/G) = dimN(T ) = α(T ) <∞.

(ii): G × 0 ist abgeschlossen in G × H, also ist S(G) = S(G × 0) abgeschlossen in

Y . Da S surjektiv ist, gilt Y = S(G) + H. Ist y = S(g) ∈ S(G) ∩H, so folgt S(g,−y) =

S(g)− S(g) = 0 und g = 0, y = 0, da S injektiv ist. Somit ist S(G)⊕H = Y = T (G)⊕Hund

β(S) = codimR(S) ≤ codimS(G) = codimT (G) = codimR(T ) = β(T ) <∞.

(iii): Wir haben schon eingesehen, dass N(S)⊕G ein abgeschlossener Teilraum von X vonendlicher Kodimension ist. Wir finden also einen Teilraum W von X mit dimW <∞ undX = W ⊕N(S)⊕G. Es gilt dann

α(T ) = dimN(T ) = dimN(S)⊕ dimW = α(S) + dimW.

Andererseits istS(G) ⊆ S(X) = S(G⊕W ) = S(G)⊕ S(W )

da beide Teilraume auf der rechten Seite abgeschlossen sind und ihr Schnitt trivial ist (dennS|G⊕W ist injektiv). Somit erhalten wir

β(T ) = codimT (X)(ii)= codimS(G) = codimS(X) + dimS(W ) = β(S) + dimW,

und schließlich

indT = α(T )− β(T ) = α(S) + dimW − (β(S) + dimW ) = indS,

womit der Beweis beendet ist.

28

3.4. Kompakte Operatoren: Nach FA heißt ein linearer Operator T : X → Y kompakt,falls T (BX) kompakt in Y ist, wobei BX := x ∈ X : ‖x‖ ≤ 1 die abgeschlosseneEinheitskugel in X bezeichnet. Die Menge aller kompakten linearen Operatoren von Xnach Y bezeichnen wir mit K(X, Y ). Eigenschaften:

• Jeder kompakte lineare Operator T : X → Y ist beschrankt, dh K(X, Y ) ⊆ L(X, Y ).

• dimT (X) <∞ =⇒ T ist kompakt.

• IX ist kompakt ⇐⇒ dimX <∞.

• K(X, Y ) ist ein abgeschlossener linearer Teilraum von L(X, Y ).

• Sind W , Z Banachraume und S ∈ L(W,X), R ∈ L(X, Y ) und T ∈ K(X, Y ), so giltRT ∈ K(X,Z) und TS ∈ K(W,Y ) (Idealeigenschaft).

Satz von Schauder: Fur T ∈ L(X, Y ) gilt: T ∈ K(X, Y ) ⇐⇒ T ′ ∈ K(Y ′, X ′).

Beweis. “⇒”: Sei T kompakt und (ψn) eine Folge in Y ′ mit ‖ψn‖Y ′ ≤ 1. Setze K := T (BX),was nach Voraussetzung eine kompakte Teilmenge von Y ist. Fur alle n,m ∈ N gilt dann

‖T ′ψn − T ′ψm‖X′ = supx∈BX

|〈x, T ′(ψn − ψm)〉| = supx∈BX

|〈Tx, ψn − ψm〉|

= supy∈K|(ψn − ψm)(y)| = ‖ψn|K − ψm|K‖C(K).

Es reicht also, eine Teilfolge (k(n)) zu finden, fur die (ψk(n)|K) eine Cauchyfolge in C(K)ist. Die Menge M := ψn|K : n ∈ N ist aber nach Arzela-Ascoli relativ kompakt in C(K),denn fur jedes n ∈ N ist zum einen ‖ψn|K‖C(K) = ‖T ′ψn‖X′ ≤ ‖T ′‖ = ‖T‖, zum anderenist ψn Lipschitz-stetig mit Konstante ≤ 1, dh M ist beschrankt und gleichgradig stetig.

“⇐”: Sei T ′ kompakt. Nach dem eben Gezeigten ist T ′′ : X ′′ → Y ′′ kompakt. WegenT ′′JX = JY T ist JY T kompakt. Da JY isometrisch ist, ist dann aber auch T kompakt.

3.5. Satz: Sei K ∈ K(X). Dann gilt I −K ∈ Φ(X) und ind (I −K) = 0.

Beweis. Auf N := N(I −K) gilt IN = K|N ∈ K(N) und somit ist dimN <∞. Wir setzeT := I−K und zeigen, dass R(T ) abgeschlossen ist. Dazu faktorisieren wir T = Sq, wobeiq : X → X/N die Quotientenabbildung ist und S : X/N → X. Dann gilt R(T ) = R(S)und S ist injektiv. Wir behaupten, dass es ein η > 0 so gibt, dass ‖Sw‖ ≥ η‖w‖ fur allew ∈ X/N . Das impliziert Abgeschlossenheit von R(S) = R(T ).

Wir nehmen an, ein solches η existiere nicht. Dann finden wir eine Folge (wn) mit ‖wn‖ = 1und Swn → 0, und eine Folge (xn) in X mit q(xn) = wn, ‖xn‖ ≤ 2. Dann gilt Txn = Swn →0 und d(xn, N) = ‖q(xn)‖ = 1.

Da K kompakt ist, gilt Kxk(n) → y ∈ X fur eine Teilfolge, woraus folgt xn = Txn+Kxn →y und Swn = Txn → Ty. Somit Ty = 0 und y ∈ N . Das widerspricht aber d(y,N) = 1.

29

Nach dem Satz von Schauder ist K ′ ∈ K(X ′), also ist dimN((I −K)′) <∞. Da R(I −K)abgeschlossen ist, erhalten wir

codimR(I −K) = dimX/R(I −K) = dim (X/R(I −K))′

= dim φ ∈ X ′ : φ|R(I−K) = 0 = dim (N(I −K)′) <∞.

Es bleibt ind (I −K) = 0 zu zeigen. Wir betrachten γ : [0, 1] → Z, t 7→ ind (I − tK) = 0(beachte tK ∈ K(X) und somit I − tK ∈ Φ(X) fur jedes t ∈ R). Nach 3.3 ist γ stetig, alsokonstant und ind (I −K) = γ(1) = γ(0) = ind I = 0.

Ende Do24.05.18

3.6. Korollar: Sei K ∈ K(X) und dimX =∞. Dann gilt 0 ∈ σ(K) und fur λ ∈ σ(K)\0ist λ−K ein Fredholmoperator vom Index 0. Fur λ ∈ C \ 0 gilt insbesondere

λ−K ist injektiv ⇐⇒ λ−K ist surjektiv.

und, genauer noch, die folgende Fredholmsche Alternative:

Entweder: (λ−K)x = 0 hat nur die triviale Losung; in diesem Falle hat (λ−K)x = y fur jedesy ∈ X eine eindeutige Losung,

oder: (λ−K)x = 0 hat genau n ∈ N linear unabhangige Losungen und die duale Gleichung(λ −K ′)φ = 0 hat ebenfalls genau n linear unabhangige Losungen; in diesem Fallehat (λ−K)x = y Losungen genau dann, wenn φ(y) = 0 fur jedes φ ∈ N(λ−K ′).

3.7. Korollar: Sei T ∈ L(X, Y ) ein Isomorphismus von X nach Y und K ∈ K(X, Y ).Dann gilt T −K ∈ Φ(X, Y ) und ind (T −K) = 0.

Beweis. Es ist T−1K ∈ K(X), also nach Satz 3.5, T−1(T −K) = IX − T−1K ∈ Φ(X) undindT−1(T −K) = 0. Da T−1 ein Isomorphismus von Y nach X ist, folgt die Behauptung.

Die Aussage in 3.7 ist der Schlussel zu der folgenden wichtigen Storungseigenschaft vonFredholmoperatoren.

3.8. Satz: Sei T ∈ Φ(X, Y ) und K ∈ K(X, Y ). Dann gilt T +K ∈ Φ(X, Y ) und ind (T +K) = indT .

Beweis. Wir verwenden die Konstruktion und die Notationen aus dem Beweis von 3.3 undschreiben

X = N(T )⊕G, Y = R(T )⊕H, dimH <∞,

30

wobei G ein abgeschlossener Teilraum von X ist. Wir setzen S := T −K und betrachtendie Operatoren T , S : G×H → Y . Wieder ist T ein Isomorphismus, und es gilt S = T −K,wobei K(g, h) := Kg. Der Operator K ist kompakt, nach 3.7 gilt also S ∈ Φ(G × H,Y )

und ind S = 0, dh α(S) = β(S). Offenbar ist

(N(S) ∩G)× 0 = (g, 0) ∈ G×H : Sg = 0 ⊆ N(S),

woraus folgt

α(S) = dimN(S) ≤ codimG+ α(S) = α(T ) + α(S) <∞.

Außerdem ist S(G × H) = S(G) + H, und S(G) hat endliche Kodimension und ist alsonach 3.2 abgeschlossen. Wir erhalten

β(S) = codimS(X) ≤ codimS(G) ≤ codim S(G×H) + dimH = β(S) + β(T ) <∞,

und S(X) ist abgeschlossen nach 3.2.

Fur die Berechnung des Index mussen wir genauer hinsehen. Wir setzen G0 := N(S) ∩G,finden ein Komplement G1 von G0 in G, ein Komplement W0 von G0 in N(S) und einKomplement W1 von N(S) +G = W0 ⊕G0 ⊕G1 in X. Dann gilt

α(T ) = dimW1 + dimW0,

β(T ) = dimH,

α(S) = dimW0 + dimG0,

β(S) = codimS(X) = codimS(G1)− dimW1,

und

β(S) = codim (S(G) +H) = codimS(G)− dimH + dim (S(G) ∩H)

= codimS(G)− dimH + dim (S(G1) ∩H).

Nun gilt

dim (S(G1) ∩H) = dim g ∈ G1 : Sg ∈ H = dim (g, h) ∈ G1 ×H : Sg = −h︸ ︷︷ ︸=:V

,

und V ist ein Komplement von G0 × 0 in N(S). Wir erhalten so

α(S) = dimN(S) = dimG0 + dimV = dimG0 + dim (S(G1) ∩H).

Wegen α(S) = β(S) erhalten wir

dimG0 = codimS(G1)− dimH.

31

Wir setzen alles zusammen und haben

indS = α(S)− β(S)

= dimW0 + dimG0 − codimS(G1) + dimW1

= α(T )− codimS(G1) + dimG0

= α(T )− dimH = α(T )− β(T ) = indT,

was den Beweis beendet.

3.9. Satz: Sei K ∈ K(X) und λ ∈ σ(K) \ 0. Setze fur jedes k ∈ N: Nk := N((λ−K)k)und Rk := R((λ−K)k). Dann gilt

(a) Fur jedes k ∈ N, sind Nk und Rk abgeschlossen und dimNk = codimRk <∞.

(b) Es gibt ein kleinstes p ∈ N mit Np = Np+1.

(c) Np+k = Np und Rp+k = Rp fur jedes k ∈ N.

(d) X = Np ⊕ Rp, (λ − K)Np ⊆ Np, ((λ − K)|Np)p = 0 und λ − K : Rp → Rp ist einIsomorphismus.

Insbesondere gilt σ(K) \ 0 ⊆ σp(K).Außerdem ist σ(K) \ 0 endlich oder σ(K) \ 0 = λn : n ∈ N, wobei λn → 0.

Beweis. (a) Wegen (λ−K)k = λk(I−KMk) mit Mk ∈ L(X) gilt nach 3.5, dass (λ−K)k ∈Φ(X) und ind (λ−K)k = 0.

(b) Andernfalls finden wir eine Folge (xn) in X so, dass fur jedes n gilt xn ∈ Nn+1 \ Nn

und 1 = d(xn, Nn) ≤ ‖xn‖ ≤ 2. Fur n > m ist dann

‖Kxn −Kxm‖ = ‖λxn − ((λ−K)xn +Kxm)︸ ︷︷ ︸=:y

und(λ−K)ny = (λ−K)n+1xn +K(λ−K)nxm = 0,

dh y ∈ Nn. Es folgt

‖Kxn −Kxm‖ = ‖λxn − y‖ ≥ |λ|d(xn, Nn) = |λ| > 0,

im Widerspruch zu K ∈ K(X).

(c) Ist (λ−K)p+2x = 0, so ist (λ−K)x ∈ Np+1 = Np und (λ−K)p+1x = 0, dh x ∈ Np+1 =Np. Wir haben Np+2 = Np gezeigt. Nun iterieren wir und verwenden (a).

(d) Fur jedes k ist λ − K : Rk → Rk+1 surjektiv. Also ist λ − K : Rp → Rp surjektiv.Nach 3.5 hat aber (λ − K)|Rp ∈ Φ(Rp) Index 0, so dass λ ∈ ρ(K|Rp). Andererseits gilt

32

λ −K : Nk+1 → Nk fur jedes k, somit λ −K : Np → Np und ((λ −K)|Np)p = 0. WegendimNp <∞ gibt Lineare Algebra σ(K|Np) = λ.Wahlen wir ε > 0 so, dass B(0, ε) ⊆ ρ(K|Rp), so folgt B(λ, ε) \ λ ⊆ ρ(K). Folglich ist 0der einzig mogliche Haufungspunkt von σ(K) \ 0.

Ende Di29.05.18

Beispiel: Sei X = C[0, 1] und definiere V ∈ L(X) durch V f(t) :=∫ t

0f(s) ds. Dann ist

V : X → X kompakt, aber σp(V ) = ∅, da aus λf = V f folgt f(0) = 0 und λf ′ = f , alsof = 0. Nach 3.6 ist also σ(V ) = 0.

Mittels (V nf)(t) =∫ t

0(t−s)n−1

(n−1)!f(s) ds kann man ‖V n‖ ≤ 1

n!zeigen, woraus ebenfalls r(V ) =

0 fur den Spektralradius von V folgt.

Wir werden das 3.9 entsprechende Ergebnis auch fur unbeschrankte Operatoren erhalten,und zwar uber Resolventen.

3.10. Lemma: Sei A ein abgeschlossener Operator in X mit nichtleerer Resolventenmenge.Dann sind aquivalent:

(i) I : [D(A)]→ X ist kompakt,

(ii) es gibt λ0 ∈ ρ(A) so, dass R(λ0, A) ∈ K(X),

(iii) R(λ,A) ∈ K(X) fur alle λ ∈ ρ(A).

In diesem Falle sagen wir, dass A kompakte Resolventen hat.

Beweis. (i)⇒ (ii): Wir wahlen λ0 ∈ ρ(A) und faktorisieren R(λ0, A) = R(λ0, A) I, wobeiR(λ0, A) ∈ L(X, [D(A)]) und I ∈ K([D(A)], X).

(ii) ⇒ (iii): Verwende die Resolventengleichung.

(iii) ⇒ (i): Wahle λ0 ∈ ρ(A) und faktorisiere I = R(λ0, A)(λ0 − A), wobei λ0 − A ∈L([D(A)], X) und R(λ0, A) ∈ K(X).

3.11. Lemma: Sei A ein abgeschlossener Operator in X, λ0 ∈ ρ(A) und z ∈ C \ λ0.Dann gilt

N(z − A) = N((λ0 − z)−1 −R(λ0, A)), R(z − A) = R((λ0 − z)−1 −R(λ0, A)),

Insbesondere ist z − A ∈ Φ([D(A)], X) genau dann, wenn (λ0 − z)−1 − R(λ0, A) ∈ Φ(X).In diesem Falle hat man ind (z − A) = ind ((λ0 − z)−1 −R(λ0, A)).

Beweis. ist eine Ubungsaufgabe.

33

Die Kombination von 3.9, 3.10, und 3.11 ergibt die folgende Version von Theorem 3.9 furunbeschrankte Operatoren.

3.12. Theorem: Sei A ein abgeschlossener linearer Operator in X mit ρ(A) 6= ∅ undkompakten Resolventen, sowie z ∈ σ(A). Setze fur k ∈ N: Nk := N((z − A)k) und Rk :=R((z − A)k). Dann gilt

(a) Fur jedes k ∈ N sind Nk und Rk abgeschlossen und dimNk = codimRk <∞.

(b) Es gibt ein minimales p ∈ N mit Np = Np+1.

(c) Np+k = Np und Rp+k = Rp fur jedes k ∈ N.

(d) X = Np⊕Rp, (z−A)Np ⊂ Np, ((z−A)|Np)p = 0 und A|Rp mit D(A|Rp) = D(A)∩Rp

ist ein abgeschlossener linearer Operator in Rp mit z ∈ ρ(A|Rp).

Insbesondere gilt σ(A) = σp(A). Außerdem ist σ(A) endlich oder σ(A) = zn : n ∈ Nwobei |zn| → ∞.

Beachte, dass fur festes λ0 ∈ ρ(A) der Operator (λ0− z)−1−R(λ0, A) : Rp → Rp nach 3.11und 3.9 ein Isomorphismus ist und dass R(λ0, A)(Rp) = Rp ∩D(A) = D(A|Rp).

Beispiel: Sei X = f ∈ C[0, 1] : f(0) = f(1) und A = ddx

mit D(A) = f ∈ X ∩C1[0, 1] :f ′ ∈ X. Der Oerator A hat kompakte Resolventen und σ(A) = σp(A) = 2πiZ. Furz ∈ σ(A) gilt α(z − A) = 1 = β(z − A).

Fredholmoperatoren als Verallgemeinerung von Isomorphismen zu betrachten fuhrt zumfolgenden Begriff.

3.13. Definition: Sei A ein abgeschlossener linearer Operator in X. Wir definieren daswesentliche Spektrum von A durch

σess(A) := λ ∈ C : λ− A 6∈ Φ([D(A)], X).

Offensichtlich gilt σess(A) ⊆ σ(A).

Beispiel: Gilt dimX < ∞, so ist σess(A) = ∅ fur jedes A ∈ L(X). Ist K ∈ K(X) unddimX = ∞, so gilt σess(K) = 0 (R(K) ist entweder endlichdimensional oder nichtabgeschlossen). Ist A ein abgeschlossener Operator in X mit nichtleerer Resolventenmengeund kompakten Resolventen, so gilt σess(A) = ∅.

Bemerkungen: (a) Es gilt σc(A) ⊆ σess(A).

(b) Nach 3.5 ist σess(A) abgeschlossen, C\σess(A) ist offen, und die Abbildung C\σess(A)→Z, λ 7→ ind (λ− A) ist stetig.

34

(c) Nach 3.11 gilt: Fur λ0 ∈ ρ(A) ist

σess(R(λ0, A)) = 1

λ0 − z−R(λ0, A) : z ∈ σess(A)

.

Wir geben zwei Beispiele.

Beispiel: (a) Sei X = l2 und L der Linksshift L(xn) = (xn+1). Wir wissen σ(L) = |λ| ≤ 1und σp(L) = |λ| < 1 mit α(λ−L) = 1 fur |λ| < 1. Setzen wir X0 := (xn) ∈ l2 : x1 = 0,so ist L : X0 → X bijektiv und sogar isometrisch mit (L|X0)

−1 = R : X → X0, dhLR = IX . Fur |λ| < 1 konvergiert die Reihe

∑∞k=0 λ

kRk+1 absolut in Operatornorm undes gilt

(λ− L)(−∞∑k=0

λkRk+1)

= −∞∑k=0

λk+1Rk+1 +∞∑k=0

λkRk = IX .

Somit ist R(λ − L) = X und β(λ − L) = 0, λ − L ∈ Φ(X) und ind (λ − L) = 1 fur jedes|λ| < 1. Aus der Stetigkeit ddes Index folgt dann σess(L) = |λ| = 1.(b) Sei X = f ∈ C[0,∞) limx→∞ f(x) = 0 mit der Supremumsnorm ‖ · ‖∞, und A = d

dx,

D(A) = f ∈ X ∩ C1[0,∞) : f ′ ∈ X. Fur λ ∈ C und f ∈ D(A) haben wir (λ− A)f = 0genau dann, wenn f ′ = λf , dh f = ceλ(·). Somimt ist σp(A) = Reλ < 0.Fur Reλ > 0 und g ∈ X ist die eindeutige Losung f ∈ D(A) von (λ − A)f = g gegebendurch

f(x) = ceλx − eλx∫ x

0

e−λtg(t) dt,

wobei c = c(g) so gewahlt werden muss, dass limx→∞ f(x) = 0 gilt, dh

c(g) =

∫ ∞0

e−λtg(t) dt.

Es folgt

(λ− A)−1f(x) =

∫ ∞x

eλ(x−t)g(t) dt =

∫ ∞0

e−λsg(x+ s) ds.

Wir erhalten also Reλ > 0 ⊆ ρ(A). Fur Reλ < 0 und g ∈ X ist die eindeutige Losungvon (λ− A)f = g, f(0) = 0 gegeben durch

f(x) =

∫ x

0

eλ(x−t)g(t) dt.

Beachte f ∈ D(A), woraus dann folgen R(λ− A) = X, β(λ− A) = 0, λ− A ∈ Φ(X) undind (λ − A) = 1 fur jedes Reλ < 0. Mit demselben Argument wie in (a) erhalten wir nunσess(A) = Reλ = 0.

35

3.14. Lemma: Sei T ∈ Φ(X, Y ). Dann gilt T ′ ∈ Φ(Y ′, X ′) und

α(T ′) = β(T ), β(T ′) = α(T ), indT ′ = −indT.

Beweis. ist eine Ubungsaufgabe.

Aus diesem Lemma erhalten wir mittiels spectral mapping :

3.15. Korollar: Sei A ein abgeschlossener und dicht definierter linearer Operator in Xmit ρ(A) 6= ∅. Dann gilt σess(A

′) = σess(A) und fur jedes z ∈ C \ σess(A):

α(z − A′) = β(z − A), β(z − A′) = α(z − A), ind (z − A′) = −ind (z − A).

3.16. Satz: Sei A ein abgeschlossener Operator in X und K ∈ K([D(A)], X). Dann sinddie Banachraume [D(A)] und [D(A+K)] isomorph und es gilt

σess(A+K) = σess(A).

Beweis. Der erste Teil ist eine Ubung, und der Beweis der zweiten Aussage verwendet3.8.

Wir geben ein typisches Beispiel.

Beispiel: Sei X = f ∈ C[0,∞) : limx→∞ f(x) = 0 mit Supremumsnorm ‖ · ‖∞, undA = d

dx, D(A) = f ∈ X ∩ C1[0,∞) : f ′ ∈ X. Wir wissen σess(A) = iR.

Sei m ∈ C[0,∞) mit m(t) = 0 fur t ≥ a, wobei a > 0. Dann ist f 7→ mf kompakt von[D(A)] nach X. Wenn wir also Bf := f ′ + mf fur f ∈ D(B) := D(A) setzen, dann istσess(B) = iR.

Durch ein Approximationsargument erhalt man dasselbe fur m ∈ X.

Fur das folgende Beispiel verwenden wir die Fouriertransformation.

Fur s ≥ 0 definieren wir die Besselpotentialraume Hs,2(Rd) durch

Hs,2(Rd) := f ∈ L2(Rd) : ξ 7→ (1 + |ξ|2)s/2Ff(ξ) ∈ L2(Rd)

mit der Norm

‖f‖Hs,2 := ‖ξ 7→ (1 + |ξ|2)s/2Ff(ξ)‖L2 =(∫

Rd(1 + |ξ|2)s|Ff(ξ)|2 dξ

)1/2

.

Offensichtlich gilt H0,2(Rd) = L2(Rd), und Hs,2(Rd) ist ein Hilbertraum bzgl. des Skalarpro-dukts

(f |g)Hs,2 =

∫Rd

(1 + |ξ|2)sFf(ξ)Fg(ξ) dξ.

36

Beispiel: In X = L2(Rd) betrachten wir den Operator A = −∆, definiert auf D(A) =H2,2(Rd) durch

−∆f := F−1(ξ 7→ 4π2|ξ|2Ff(ξ)).

Es gilt ‖f‖2L2 + ‖∆f‖L2 ∼ ‖f‖2

H2,2 , dh die Graphennorm ist aquivalent zu ‖ · ‖H2,2 , und Aist abgeschlossen.

Fur λ ∈ C \ [0,∞) gilt λ ∈ ρ(A) und

R(λ,A)f = (λ+ ∆)−1f = F−1(ξ 7→ (λ− 4π2|ξ|2)−1︸ ︷︷ ︸∈L∞

Ff(ξ)), f ∈ L2(Rd).

Fur λ ≥ 0 gilt N(λ− A) = 0 und R(λ− A) = F−1((λ− 4π2| · |2)H2,2), was dicht ist inL2 (denn es enthalt die dichte Teilmenge

F−1(f ∈ L2 : ∃ε > 0 : f(x) = 0 if |x| ≥ 1ε

or ||x| −√λ

2π| < ε ) ),

aber nicht abgeschlossen in L2 (denn (λ − A)−1 ist unbeschrankt). Somit gilt σ(A) =σess(A) = [0,∞).

3.17. Satz: Fur s > d/2 und γ ∈ (0, s − d/2) ∩ (0, 1) ist der Raum Hs,2(Rd) stetigeingebettet in den Raum

Cγ(Rd) = f ∈ C(Rd) : ‖f‖∞ <∞, supx 6=y

|f(x)− f(y)||x− y|γ

<∞,

Holder-stetiger Funktionen.

Bemerkung: Der Raum Cδ(Rd) ist ein Banachraum bzgl. der Norm

‖f‖Cδ := ‖f‖∞ + supx6=y

|f(x)− f(y)||x− y|δ

,

if δ ∈ (0, 1].

Beweis. Fur f ∈ Hs,2(Rd) schreiben wir

Ff(ξ) = (1 + |ξ|2)−s/2︸ ︷︷ ︸∈L2

(1 + |ξ|2)s/2Ff(ξ)︸ ︷︷ ︸∈L2

∈ L1,

woraus mittels Fourierinversion f ∈ C0(Rd) folgt und

‖f‖∞ ≤ C1‖f‖Hs,2(Rd).

Außerdem gilt sogar |ξ|γFf(ξ) ∈ L1 und

‖ξ 7→ |ξ|γFf(ξ)‖L1(Rd) ≤ C2‖f‖Hs,2(Rd).

37

Nun schreiben wir

f(x)− f(y) =

∫Rd

(e2πix·ξ − e2πiy·ξ)F (ξ) dξ

und erhalten wegen

|e2πix·ξ − e2πiy·ξ| ≤ min2, c|x− y||ξ| ≤ C|x− y|γ|ξ|γ,

dass gilt|f(x)− f(y)| ≤ C ′|x− y|γ ‖| · |γFf‖L1︸ ︷︷ ︸

≤C2‖f‖Hs,2

.

Die stetige Einbettung Hs,2(Rd) ⊆ Cγ(Rd) fur γ ∈ (0,min1, s−d/2) ist damit bewiesen.

Insbesondere gilt fur d = 3 und γ ∈ (0, 1/2): H2,2(R3) ⊆ Cγ(R3).

Istm ∈ L∞(R3) mitm(x) = 0 fur |x| ≥ a und irgendein a > 0, so ist die Abbildung f 7→ mfkompakt H2,2(R3) → L2(R3), da wir sie uber die kompakte EinschrankungsabbildungCγ(R3)→ C(B(0, a)) faktorisieren konnen, wobei γ ∈ (0, 1/2): Die Abbildung H2,2(R3)→Cγ(R3), f 7→ f , ist beschrankt, die Einschrankung Cγ(R3)→ C(B(0, a)), f 7→ f |B(0,a), ist

kompakt (nach Arzela-Ascoli), und die Abbildung g 7→ (m · g)0, wobei h0 die Fortsetzungvon h durch 0 außerhalb von B(0, a) bezeichnet, ist beschrankt C(B(0, a))→ L2(R3).

Nach 3.16 gilt somit σess(−∆ +m) = σess(−∆) = [0,∞). Ende Do07.06.18

38

4 Operatoren in Hilbertraumen

Wenn nicht anderes gesagt wird, bezeichnet H einen komplexen Hilbertraum mit Skalarpro-dukt (·|·).Wir erinnern an die folgenden Eigenschaften eines Skalarproduktes:

• (·|·) ist linear in der ersten Komponente,

• (y|x) = (x|y) fur alle x, y ∈ H,

• aus diesen beiden Eigenschaften folgt, dass (·|·) antilinear in der zweiten Kompo-nente, dh (x|αy + z) = α(x|y) + (x|z) fur alle x, y, z ∈ H, α ∈ C.

• fur alle x ∈ H gilt: (x|x) ≥ 0 und (x|x) = 0 ⇐⇒ x = 0.

aus deisen Eigenschaften folgt, dass x 7→ ‖x‖ :=√

(x|x) eine Norm auf H definiert unddass die Cauchy-Schwarz-Ungleichung

|(x|y)| ≤ ‖x‖‖y‖

fur alle x, y ∈ H gilt.

Ein Raum H mit einem solchen Skalarprodukt (·|·) heißt Hilbertraum , wenn er vollstandig

ist bzgl. der durch das Skalarprodukt induzierten Norm ‖‖.Sei H ′ := L(H,C) der Dualraum von H. Dann ist die Abbildung

JH : H 7→ H ′, y 7→ (·|y)

ist bijektiv, isometrisch und antilinear.

4.1. Definition: Seien H1, H2 Hilbertraume und T ∈ L(H1, H2). Der adjungierte OperatorT ∗ ∈ L(H2, H1) von T ist definiert durch

(x|T ∗y)H1 = (Tx|y)H2 fur alle x ∈ H1, y ∈ H2,

dh T ∗ = J−1H1T ′JH2 , wobei T ′ ∈ L(H ′2, H

′1) den dualen Operator von T bezeichnet. Offen-

sichtlich gilt‖T ∗‖L(H2,H1) = ‖T‖L(H1,H2).

Genauso definieren wir den adjungierten Operator A∗ als Operator von H2 nach H1 fureinen dicht definierten Operator A : H1 ⊇ D(A)→ H2.

Ein Operator S ∈ L(H) heißt selbstadjungiert, falls S∗ = S, normal, falls SS∗ = S∗S, undunitar, falls SS∗ = S∗S = I.

39

Rechenregeln: (T ∗)∗ = T , (S + T )∗ = S∗ + T ∗, (αT )∗ = αT ∗, (ST )∗ = T ∗S∗.

Bemerkung: Fur S ∈ L(H) gilt

S selbstadjungiert ⇐⇒ ∀x, y ∈ H : (Sx|y) = (x|Sy)

S normal ⇐⇒ ∀x, y ∈ H : (Sx|Sy) = (S∗x|S∗y)

S unitar ⇐⇒ S ist bijektiv und isometrisch.

4.2. Lemma: Sei S ∈ L(H).

(a) ‖S∗S‖ = ‖SS∗‖ = ‖S‖2 und S∗S, SS∗ sind selbstadjungiert.

(b) Ist S normal, so gilt

‖S‖ = r(S) = max|λ| : λ ∈ σ(S).

Beweis. (a) Wir haben

‖Sx‖2 = |(Sx|Sx)| = |(x|S∗Sx)| ≤ ‖x‖‖S∗Sx‖,

also‖S‖2 ≤ ‖S∗S‖ ≤ ‖S∗‖‖S‖ = ‖S‖2.

(b) Wir berechnen r(S). Wir verwenden wiederholt (a) und Normalitat von S und erhalten

‖S2‖2 = ‖S2(S2)∗‖ = ‖(SS∗)2‖ = ‖(SS∗)(SS∗)∗‖ = ‖SS∗‖2 = ‖S‖4.

Somit gilt ‖S2‖ = ‖S‖2. Durch Iteration erhalten wir ‖S2k‖ = ‖S‖2k fur jedes k ∈ N,woraus r(S) = ‖S‖ folgt.

4.3. Definition und Lemma: Sei T ∈ L(H) und

W (T ) := (Tx|x) : ‖x‖ = 1

der numerische Wertebereich von T . Dann gilt σ(T ) ⊆ W (T ).

Beweis. Sei λ 6∈ W (T ). Dann ist d := d(λ,W (T )) > 0 und fur x ∈ H mit ‖x‖ = 1:

d ≤ |λ− (Tx|x)| = |((λ− T )x|x)| ≤ ‖(λ− T )x‖ · ‖x‖ = ‖(λ− T )x‖.

Somit ist λ − T injektiv, (λ − T )−1 : R(λ − T ) → H ist beschrankt und R(λ − T ) istabgeschlossen. Nun ist R(λ − T ) dicht genau dann, wenn (λ − T )∗ = λ − T ∗ injektivist. Wegen W (T ∗) = µ : µ ∈ W (T ) gilt d(λ,W (T ∗)) = d(λ,W (T )) = d > 0 und dasArgument von eben zeigt, dass λ− T ∗ injektiv ist.

40

4.4. Folgerung: Ist S ∈ L(H) selbstadjungiert, so ist W (S) ⊂ R und

σ(S) ⊆ [m,M ] ⊆ [−‖S‖, ‖S‖],

wobei m := inf(Sx|x) : ‖x‖ = 1 und M := sup(Sx|x) : ‖x‖ = 1.

Beweis. Fur x ∈ H mit ‖x‖ = 1 gilt

(Sx|x) = (x|Sx) = (Sx|x),

dh (Sx|x) ∈ R, und|(Sx|x)| ≤ ‖Sx‖‖x‖ ≤ ‖S‖.

Der Rest folgt aus 4.3.

Der folgende Satz ist ein erster Spektralsatz fur beschrankte selbstadjungierte Operatoren.Man erhalt einen Funktionalkalkul fur Funktionen, die stetig auf dem Spektrum sind. Wirschreiben pj(λ) = λj fur j ∈ N0, so dass p0 = 1σ(S) und p1 = idσ(S).

4.5. Satz (Funktionalkalkul fur stetige Funktionen): Sei S ∈ L(H) selbstadjungiert.Dann gibt es eine eindeutig bestimmte stetige lineare Abbildung Φ : C(σ(S))→ L(H) so,dass

Φ(p0) = I, Φ(p1) = S, Φ(f · g) = Φ(f)Φ(g), f, g ∈ C(σ(S)),

[Φ ist multiplikativ, dh ein Algebrahomomorphismus.]

Fur jedes f ∈ C(σ(S)) ist der Operator Φ(f) normal,

Φ(f)∗ = Φ(f),

und Φ(f) ist selbstadjungiert genau dann, wenn f reell-wertig ist.

Außerdem ist Φ eine Isometrie, dh ‖Φ(f)‖L(H) = ‖f‖∞,σ(S) fur alle f ∈ C(σ(S)).

Beweis. Fur Polynome p(λ) =∑n

j=0 ajλj setzen wir Φ(p) :=

∑nj=0 ajS

j.Sei P die Algebraaller Polynomfunktionen p : σ(S) → C. Dann ist Φ : P → L(H) ein Algebrenhomomor-phismus, es gilt Φ(p)∗ = Φ(p) und Φ(p) ist normal for jedes p ∈ P. Außerdem ist Φ(p)selbstadjungiert wenn p reellwertig ist. Zudem gilt Φ(p0) = I und Φ(p1) = S.

Nach dem Weierstraßschen Approximationssatz ist P dicht in C(σ(S)) bzgl. der Supre-mumsnorm ‖ · ‖∞. Somt mussen wir nur uberprufen, dass Φ : P → L(H) isometrisch ist.Fur p ∈ P gilt

‖Φ(p)‖2 = ‖Φ(p)∗Φ(p)‖ = ‖Φ(p)Φ(p)‖ = ‖Φ(pp)‖ = r(Φ(pp))

= max|λ| : λ ∈ σ(Φ(pp)) = max|pp(µ)| : µ ∈ σ(S) = ‖p‖2∞,σ(S),

41

wobei spectral mapping fur Polynome in S benutzt wird. Wenn Φ(p) selbstadjungiert ist,erhalten wir Φ(p) = Φ(p)∗ = Φ(p), woraus p = p, dh Reellwertigkeit von p, folgt, da Φ jainjektiv ist.

Die gezeigten Eigenschaften von Φ bleiben unter der Approximation stetiger Funktionendurch Polynome erhalten.

Eine erste Anwendung ist

4.6. Lemma: Sei S ∈ L(H) selbstadjungiert und seien m,M wie in Folgerung 4.4. Danngilt m,M ∈ σ(S).

Beweis. Wir beweisen die Assauge fur m und konnen m = 0 annehmen (ansonsten betra-chten wir S −m statt S). Wir finden eine Folge (xn) mit ‖xn‖ = 1 und (Sxn|xn) → 0+.Nach 4.4 gilt σ(S) ⊆ [0,M ]. Die Funktion q(t) :=

√t gehort somit zu C(σ(S)), und wir

setzen√S := Φ(q) ∈ L(H), wobei Φ den Funktionalkalkul aus Satz 4.5 bezeichnet. Dann

ist√S selbstadjungiert, (

√S)2 = S und somit

‖√Sxn‖2 = (

√Sxn|√Sxn) = (Sxn|xn)→ 0 (n→∞).

Wegen√S ∈ L(H) folgt daraus

Sxn =√S(√Sxn)→ 0 (n→∞).

Das bedeutet aber 0 ∈ σap(S).Ende Di12.06.18

Als weitere Anwendung zeigen wir die “Optimalitat” von selbstadjungierten Operatorenbzgl. Abschatzungen fur die Resolventennorm (die Ungleichung “≥” gilt fur jeden Opera-tor).

4.7. Folgerung: Sei S ∈ L(H) selbstadjungiert. Dann gilt fur jedes λ ∈ ρ(S),

R(λ, S) = Φ((λ− (·))−1) and ‖R(λ, S)‖ =1

d(λ, σ(S)).

Beweis. Es gilt

(λ− S)Φ((λ− (·))−1) = Φ(λ− (·))Φ((λ− (·))−1) = Φ(1σ(S)) = I,

und Φ((λ− (·))−1)(λ− S) = I beweist man ahnlich. Beachte dann, dass Φ isometrisch istund dass gilt ‖(λ− (·))−1‖∞,σ(S) = d(λ, σ(S))−1.

42

4.8. Definition: Ein selbstadjungierter Operator S ∈ L(H) heißt positiv, geschriebenS ≥ 0, falls (Sx|x) ≥ 0 fur alle x ∈ H gilt. Ist T ∈ L(H) ein weiterer selbstadjungierterOperator, so schreiben wir S ≥ T , falls S − T ≥ 0, dh also falls (Sx|x) ≥ (Tx|x) fur allex ∈ H.

4.9. Lemma: Sei S ∈ L(H) selbstadjungiert und Φ : C(σ(S)) → L(H) der Funktional-kalkul fur S aus 4.5. Sind f, g ∈ C(σ(S)) reellwertig und f ≥ g, dann gilt Φ(f) ≥ Φ(g) imSinne von 4.8.

Beweis. Es reicht, den Falle g = 0, dh f ≥ 0 zu betrachten. Dann ist√f wohldefiniert,√

f ∈ C(σ(S)), und Φ(f) = Φ(√f√f) = Φ(

√f)Φ(

√f), wobei Φ(

√f) selbstadjungiert ist.

Daraus folgt fur jedes x ∈ H:

(Φ(f)x|x) = (Φ(√f)Φ(

√f)x|x) = (Φ(

√f)x|Φ(

√f)x) ≥ 0.

Wir untersuchen nun zunachst allgemeine selbstadjungierte Operatoren. Dazu erinnern wiran das folgende:l

• x ⊥ y :⇐⇒ (x|y) = 0 fur x, y ∈ H,

• M ⊥ N :⇐⇒ ∀x ∈M, y ∈ N : (x|y) = 0 fur lineare Teilraume M,N ⊂ H,

• M⊥ := x ∈ H : x ⊥ M = x ∈ H : ∀y ∈ M : x ⊥ y fur einen linearen TeilraumM von H.

IstM ein linearer Teilraum vonH, so istM⊥ stets abgeschlossen,M⊥

= M⊥, und (M⊥)⊥ =M . außerdem gilt immer H = M ⊕M⊥, wobei M ⊥M⊥.

4.10. Lemma: Sei S ∈ L(H) selbstadjungiert. Dann gilt:

(a) Fur alle λ, µ ∈ σ(S) mit λ 6= µ: N(λ− S) ⊥ N(µ− S).

(b) Fur jedes λ ∈ σ(S): N((λ− S)2) = N(λ− S).

(c) Der Raum H ist die orthogonale direkte Summe von N(S) und R(S), dh H = N(S)⊕R(S) und N(S) ⊥ R(S).

Beweis. (a) Fur x ∈ N(λ− S) und y ∈ N(µ− S) gilt

λ(x|y) = (λx|y) = (Sx|y) = (x|Sy) = µ(x|y),

und x ⊥ y wegen λ 6= µ.

43

(b) Sei x ∈ N((λ− S)2). Dann gilt

‖(λ− S)x‖2 = ((λ− S)x|(λ− S)x) = (x| (λ− S)2x︸ ︷︷ ︸=0

) = 0,

dh (λ− S)x = 0, und x ∈ N(λ− S). Die andere Inklusion ist klar.

(c) Sei x ∈ N(S) und Sy ∈ R(S). Dann gilt (x|Sy) = (Sx|y) = 0, also ist N(S) ⊥ R(S).Ist andererseits x ∈ H mit x ⊥ R(S), so gilt

‖Sx‖2 = (Sx|Sx) = (x| S2x︸︷︷︸∈R(S)

) = 0,

dh Sx = 0 und x ∈ N(S). Somit ist N(S) = R(S)⊥

.

4.11. Theorem: Sei S ∈ L(H) kompakt und selbstadjungiert und dimH = ∞. Dannexistiert eine reelle Folge (λn)n∈N0 mit λn → 0 und eine orthonormale Folge (en)n∈N0 in Hso, dass

S =∞∑n=0

λn(·|en)en,

wobei die Reihe in Operatornorm konvergiert.

Beachte, dass die λn gerade die Eigenwerte von S sind.

Beweis. Wir wenden Satz 3.9 auf S an. Nach 4.10(b) ist p = 1 fur jedes λ ∈ σ(S) \ 0.Außerdem besteht σ(S) aus einer Nullfolge. Fur jedes λ ∈ σ(S)\0 finden wir eine endlicheOrthonormalbasis von N(λ− S). Wir erhalten so eine orthonormale Folge (en)n∈N , wobeiwir annehmen, dass die zugehorigen Eigenwerte so geordnet sind, dass |λ1| ≥ |λ2| ≥ . . ..Hier ist N = 0, . . . , n0 endlich (wenn σ(S) \ 0 endich ist) oder N = N0.

Wir setzen P :=∑

n∈N(·|en)en. Dann ist P die Orthogonalprojektion auf H1 :=

span en : n ∈ N. Wir setzen H0 := H⊥1 und haben dann fur x ∈ H0 und n ∈ N :

(Sx|en) = (x|Sen) = λn(x|en) = 0.

dh Sx ∈ H0. Also gilt S0 := S|H0 ∈ L(H0). Offensichtlich ist S0 selbstadjungiert und kom-pakt. Nach 3.9 ist σ(S0) \ 0 = ∅, also S0 = 0 nach 4.2(b), und H0 ⊆ N(S). Andererseitsist N(S) nach 4.10(a) orthogonal zu jedem N(λn − S), n ∈ N . Folglich gilt N(S) ⊆ H0,und wir erhalten H0 = N(S). Nach 4.10(c) ist also H1 = R(S). Dann ist aber auch

Sx = SPx =∑n∈N

λn(x|en)en fur alle x ∈ H.

Falls N = 0, . . . , n0 endlich ist, setzen wir λn = 0 fur n > n0 und wahlen eine orthonor-male Folge (en)n>n0 in N(S).

44

Fur x ∈ H und k ∈ N gilt wegen Pythagoras und der Besselschen Ungleichung

‖Sx−k∑

n=0

λn(x|en)en‖2 =∑n>k

|λn(x|en)|2 ≤ ‖x‖2(supn>k|λn|)2,

was Konvergenz der Reihe in Operatornorm zeigt, da ja (λn) eine Nullfolge ist.

4.12. Theorem: Sei G ein weiterer Hilbertraum mit dimG =∞ und T ∈ K(H,G). Danngibt es eine fallende Nullfolge (sn)n∈N0 in [0,∞) und orthonormale Folgen (en)n∈N0 in Hund (fn)n∈N0 in G so, dass

T =∞∑n=0

sn(·|en)fn,

wobei die Reihe in Operatornorm konvergiert.

Beweis. Der Operator T ∗T ∈ L(H) ist kompakt und selbstadjungiert und T ∗T ≥ 0 imSinne von 4.8, also σ(T ∗T ) ⊆ [0, ‖T‖2] nach 4.4. Nach 4.11 erhalten wir eine fallendeNullfolge (sn)n∈N0 und eine orthonormale Folge (en)n∈N0 in H so, dass

T ∗T =∞∑n=0

s2n(·|en)en.

Fur n ∈ N0 mit sn > 0 setzen wir fn := s−1n Ten. Fur n,m ∈ N0 mit snsm > 0 gilt dann Ende Do

14.06.18

(fn|fm) = (snsm)−1(Ten|Tem) = (snsm)−1(T ∗Ten|em) =s2n

snsm(en|em) = δnm.

Wenn N = s ∈ N0 : sn > 0 endlich ist, erweitern wir (fn)n∈N z einer orthonormalenFolge (fn)n∈N0 in G. Ist y ⊥ en fur alle n ∈ N , dann gilt

‖Ty‖2 = (T ∗Ty|y) = 0,

wie man an der Darstellung von T ∗T sieht. Somit gilt fur jedes x ∈ H

Tx = T(x−

∑n∈N

(x|en)en︸ ︷︷ ︸∈N(T )

)+ T

(∑n∈N

(x|en)en

)

=∑n∈N

(x|en)Ten =∑n∈N

sn(x|en)fn =∞∑n=0

sn(x|en)fn.

Der Beweis fur Konvergenz in Operatornorm ist wie in 4.11.

45

4.13. Folgerung: Sei G ein weiterer Hilbertraum und

F(H,G) := T ∈ L(H,G) : dimR(T ) <∞

der Raum der Operatoren endlichen Ranges von H nach G. Dann ist F(H,G) dicht inK(H,G) bzgl. der Operatornorm.

Bemerkung: Diese Resultat ist in allgemeinen Banachraumen falsch (nach einem Gegen-beispiel von Enflo 1973). The Rang eines Operators ist die Dimension seines Bildes (wiefur Matrizen).

4.14. Definition und Bemerkung: Eine Darstellung von T ∈ K(H,G) als Reihe mit denEigenschaften aus 4.12 heißt eine Schmidt-Darstellung von T . Die Folge (sn)n∈N0 ist durchT eindeutig bestimmt (als Wurzeln der fallende Eigenwertfolge von T ∗T ), im allgemeinenaber nicht die orthonormalen Folgen (en) und (fn). Die Folge (sn)n∈N0 heißt die Folge vonsingularen Zahlen des Operators T und wird mit (sn(T ))n∈N0 bezeichnet. Das folgendecharakterisiert die singularen Zahlen eines Operators als Approximationszahlen:

Fur T ∈ K(H,G) und n ∈ N0 gilt

sn(T ) = inf‖T − U‖ : U ∈ L(H,G), dimR(U) ≤ n =: αn(T ).

Die Zahl αn(T ) misst, wie gut sich T durch Operatoren vom Rang ≤ n appoximieren lasst.

Beweis. Sei∑∞

j=0 sj(·|ej)fj eine Schmidt-Darstellung von T . Dann gilt fur n ∈ N0 undx ∈ H nach der Besselschen Ungleichung

‖Tx−n−1∑j=0

sj(x|ej)fj‖2 ≤∞∑j=n

s2j |(x|ej)|2 ≤ s2

n‖x‖2.

Daraus folgt αn(T ) ≤ sn.

Nun sei U ∈ L(H,G) mit dimR(U) ≤ n. Die Einschrankung von U auf den (n + 1)-dimensionalen Teilraum span e0, . . . , en hat nicht-trivialen Kern. Also finden wir y =∑n

j=0 ηjej mit ‖y‖ = 1 und Uy = 0. Nach Pythagoras erhalten wir also

‖T − U‖2 ≥ ‖(T − U)y‖2 = ‖Ty‖2 = ‖n∑j=0

sjηjfj‖2 =n∑j=0

s2j |ηj|2 ≥ s2

n

n∑j=0

|η|2 = s2n.

Somit gilt αn(T ) ≥ sn.

Bemerkung: Fur 1 ≤ p <∞ ist die Schatten p-Klasse definiert als

Sp(H,G) := T ∈ K(H,G) : (sn(T ))n∈N0 ∈ lp

46

und νp(T ) := (∑∞

n=0 sn(T )p)1/p fur T ∈ Sp(H,G). Elemente von S2(H,G) heißen Hilbert-Schmidt-Opertoren und Elemente von S1(H,G) heißen nukleare Operatoren oder, fur G =H, Operatoren der Spurklasse.

In vielerlei Hinsichtmjede konnen die Raume Sp(H,G) als “nicht-kommutative” Analogader Raume lp angesehen werden (siehe etwa §16 in Meise/Vogt “Einfuhrung in die Funk-tionalanalysis”).

Bemerkung: Sind H und G separable unendlich-dimensionale Hilbertraume, so konnendie Folges (en)n∈N0 und (fn)n∈N in 4.11 und 4.12 als Orthonormalbasen von H bzw. Ggewahlt werden. Das ergibt sich aus dem Beweis.

Man beachte auch, dass fur einen kompakten Operator T ∈ K(H,G) der Raum R(T )immer separabel ist. Fur einen selbstadjungerten und injektiven Operator T ∈ K(H) istaußerdem der Raum H separable (denn dann ist H0 im Beweis trivial).

47

5 Der Spektralsatz fur selbstadjungierte Operators

Fur einen selbstadjungierten Operator S ∈ L(H) wollen wir den Funktionalkalkul ausSatz 4.5 zu einem Funktionalkalkul fur beschrankte Borel-messbare Funktionen auf σ(S)fortsetzen.

5.1. Definition: Fur eine kompakte Teilmenge K ⊆ R setzen wir

Bb(K) := f : K → C : f ist Borel messbar und beschrankt ,

versehen mit der Norm ‖f‖∞ := supt∈K |f(t)| (beachte , dass Bb(K) ein Raum von Funk-tionen ist, nicht nur von Aquivalenzklassen!). Dann ist Bb(K) ein Banachraum.

Ist (fn) eine Folge von Funktionen M → C und f : M → C eine Funktion, so schreibenwir fn → f beschrankt punktweise, falls fn → f punktweise und supn ‖fn‖∞ < ∞. Offen-sichtlich ist Bb(K) abgesclossen unter beschrankt punktweiser Konvergenz.

Wir nennen eine Abbildung Ψ : Bb(K)→ L(H) σ-continuous , falls aus fn → f beschranktpunktweise folgt (Ψ(fn)x|y)→ (Ψ(f)x|y) fur alle x, y ∈ H.

5.2. Lemma: Sei K ⊆ R kompakt. Bb(K) ist die kleinste Teilmenge M von CK mit denEigenschaften

(1) C(K) ⊆M ,

(2) M ist abgeschlossen unter beschrankt punktweiser Konvergenz.

Beweis. Sei M0 die kleinste Teilmenge M von CK mit (1) und (2), dh der Durchschmittaller Teilmengen M von CK mit (1) und (2). Da Bb(K) den Eigenschaften (1) und (2)genugt, gilt M0 ⊆ Bb(K).

Fur λ ∈ C \ 0, genugt 1λM0 (1) und (2), so dass M0 ⊆ 1

λM0, dh λM0 ⊆M0.

Ist f ∈ C(K), so genugt M0 − f den Eigenschaften (1) und (2), so dass M0 ⊆M0 − f , dhf+M0 ⊆M0. Somit gilt C(K)+M0 ⊆M0. Sei S := f : f+M0 ⊆M0. Wir haben geradegezeigt, dass C(K) ⊆ S. Ist (fn) eine Folge in S mit fn → f beschrankt punktweise undist g ∈M0, so ist (fn + g) eine Folge in M0 (wegen fn ∈ S) und fn + g → f + g beschranktpunktweise. Nach (2) fur M0 haben wir f + g ∈ M0. Da g ∈ M0 beliebig war, gilt f ∈ S,und (2) ist fur S nachgewiesen. Wir erhalten M0 ⊆ S, dh M0 +M0 ⊆M0.

Somit haben wir gezeigt, dass M0 ein komplexer Vektorraum ist. Außerdem genugt M :=g : |g| ∈ M0 den Eigenschaften (1) und (2), also gilt M0 ⊆ M , dh f ∈ M0 implieziert|f | ∈M0. Da M0 ein Vektorraum ist, erhalten wir

maxf, g,minf, g =1

2((f + g)± |f − g|) ∈M0

48

fur reellwertige f, g ∈M0.

Nun setzen wir F := A ⊆ K : 1A ∈ M0. Dann ist F eine σ-Algebra in K: ∅, K ∈ F istklar wegen 0, 1K ∈ C(K) ⊆M0. Ist A ∈ F, so folgt K \A ∈ F, da M0 ein Vektorraum ist.Ist (Aj)j∈N eine Folge in F, so ist

⋃nj=1Aj ∈ F, da das Maximum einer endlichen Familie

von Funktionen in M0 wieder zu M0 gehort. Schließlich folgt⋃j∈NAj ∈ F aus (2) fur M0.

Ebenfalls nach (2) enthalt F alle Mengen (−∞, b]∩K, b ∈ R, somit alle Borelmengen vonK.Da jedes f ∈ Bb(K) gleichmaßig auf K durch eine Folge (fn) von einfachen Borelfunktionenapproximiert werden kann, erhalten wir Bb(K) ⊆M0.

Ende Di19.06.18

5.3. Lemma: Sei K ⊆ R kompakt. Sind Φ,Ψ : Bb(K)→ L(H) σ-stetig und stimmen aufC(K) uberein, dann gilt Φ = Ψ.

Beweis. Sei

M := f ∈ Bb(K) : Φ(f) = Ψ(f) = f ∈ Bb(K) : ∀x, y ∈ H : (Φ(f)x|y) = (Ψ(f)x|y).

Dann genugt M den Eigenschaften (1) und (2) aus 5.2, also ist M = Bb(K), dh Φ = Ψ.

Der folgende Satz, dessen Beweis wir fur den Moment zuruckstellen, ist essentiell fur denBeweis des Spektralsatzes.

5.4. Satz: Sei K ⊆ R kompakt und φ ∈ C(K)′. Dann gibt es genau eine σ-stetige Fort-

setzung φ ∈ Bb(K)′ von φ. Es gilt ‖φ‖ = ‖φ‖.

Auch das folgende Lemma uber den Zusammenhang zwischen stetigen Sesquilinearformenund linearen Operatoren werden wir im Beweis des Spektralsatzes benutzen.

5.5. Lemma: Sei β : H ×H → C sesquilinear (dh linear in der ersten und antilinear inder zweiten Komponente) und stetig, dh es gibt M ≥ 0 mit

|β(x, y)| ≤M‖x‖‖y‖ fur alle x, y ∈ H.

Dann gibt es einen eindeutig bestimmten Operator B ∈ L(H) mit

β(x, y) = (Bx|y) fur alle x, y ∈ H,

und es gilt ‖B‖ ≤M .

Beweis. Fur jedes x ∈ H gilt β(x, ·) ∈ H ′. Wir definieren Bx := J−1H (β(x, ·)). Dann ist

B linear (da Komposition zweier antilinearer Abbildungen), und ‖Bx‖ ≤ M‖x‖ fur allex ∈ H, dh B ∈ L(H) und ‖B‖ ≤M . Fur x, y ∈ H gilt dann

(Bx|y) = (y|Bx) = (JH(Bx))(y) = β(x, ·)(y) = β(x, y).

Eindeutigkeit von B ist klar.

49

Wir bringen nun den Spektralsatz fur beschrankte selbstadjungierte Operatoren im Hilber-traum.

5.6. Satz (Funktionalkalkul fur beschrankte Borel-messbare Funktionen): SeiS ∈ L(H) selbstadjungiert. Dann gibt es eine eindeutig bestimmte σ-stetige FortsetzungΨ : Bb(σ(S))→ L(H) des Funktionalkalkuls Φ : C(σ(S))→ L(H) aus 4.5. Die AbbildungΨ ist linear und multiplikativ, dh ein Algebrenhomomorphismus, mit ‖Ψ‖ = ‖Φ‖ = 1.Außerdem gilt

(i) fur jedes f ∈ Bb(σ(S)) ist der Operator Ψ(f) normal und Ψ(f) = Ψ(f)∗,

(ii) fur reellwertiges f ∈ Bb(σ(S)) ist Ψ(f) selbstadjungiert,

(iii) fur f ≥ 0 ist Ψ(f) ≥ 0 im Sinne von 4.8.

Warnung: Wir haben ‖Φ(f)‖ = ‖f‖∞ fur f ∈ C(σ(S)) und ‖Ψ(g)‖ ≤ ‖g‖∞ fur alleg ∈ Bb(σ(S)), aber es kann vorkommen, dass ‖Ψ(g)‖ < ‖g‖∞ fur geeignete g ∈ Bb(σ(S))gilt. Zum Beispiel gilt fur λ ∈ σ(S), dass Ψ(1λ) = 0 genau dann, wenn λ 6∈ σp(S).

Beweis. Eindeutigkeit folgt aus 5.3. Zum Beweis der Existenz setzen wir fur x, y ∈ H:

φx,y : C(σ(K))→ C, f 7→ φx,y(f) := (Φ(f)x|y).

Dann gilt φx,y ∈ C(σ(S))′ und ‖φx,y‖ ≤ ‖x‖‖y‖. Außerdem ist die Abbildung H × H 7→C(σ(S))′ sesquillinear.

Nach 5.4 finden wir fur jedes Paar (x, y) ∈ H × H eine eindeutig bestimmte σ-stetige

Fortsetzung φx,y : Bb(σ(S))→ C mit ‖φx,y‖ = ‖φx,y‖ ≤ ‖x‖‖y‖. Wir zeigen, dass (x, y) 7→φx,y sesquilinear ist: Fur α ∈ C und x, y, z ∈ H stimmen die σ-stetigen Funktionale φαx+y,z

und αφx,z + φy,z bzw. φx,αy+z und αφx,y + µx,z auf C(σ(S)) uberein. Nach 5.3 stimmen siealso jeweils auf Bb(σ(S)) uberein.

Fur jedes f ∈ Bb(σ(S)) definieren wir

βf : H ×H → C, (x, y) 7→ βf (x, y) := φx,y(f).

Dann gilt

|βf (x, y)| = |φx,y(f)| ≤ ‖f‖∞‖x‖‖y‖ fur alle x, y ∈ H, f ∈ Bb(σ(S)).

Außerdem ist jedes βf sesquilinear. Nach 5.5 gibt es zu jedem f ∈ Bb(σ(S)) einen eindeutigbestimmten Operator Ψ(f) ∈ L(H) mit

φx,y(f) = βf (x, y) = (Ψ(f)x|y) fur alle x, y ∈ H.

Es gilt ‖Ψ(f)‖ ≤ ‖f‖∞. Klar ist Ψ(f) = Φ(f) fur f ∈ C(σ(S)). Nach Konstruktion istΨ : f 7→ Ψ(f) auf Bb(σ(S)) σ-stetig.

50

Wir zeigen, dass f 7→ Ψ(f) linear ist: Fur α ∈ C und f, g ∈ Bb(σ(S)) gilt

((αΨ(f) + Ψ(g))x|y) = α(Ψ(f)x|y) + (Ψ(g)x|y) = αφx,y(f) + φx,y(g) = φx,y(αf + g)

= (Ψ(αf + g)x|y),

fur alle x, y ∈ H. Aus der Eindeutigkeitsaussage in 5.5 folgt also αΨ(f)+Ψ(g) = Ψ(αf+g),dh Ψ : f 7→ Ψ(f) ist linear.

Fur f ∈ C(σ(S)) ist g 7→ Ψ(fg)−Ψ(f)Ψ(g) σ-stetig und verschwindet auf C(σ(S)), nach5.3 also auf Bb(σ(S)). Wir erhalten Ψ(fg) = Ψ(f)Ψ(g) fur alle g ∈ Bb(σ(S)). Fur festesg ∈ Bb(σ(S)) verschwindet die σ-stetige Abbildung f 7→ Ψ(fg) − Ψ(f)Ψ(g) auf C(σ(S)),nach 5.3 also auf B(σ(S)). Wir erhalten Ψ(fg) = Ψ(f)Ψ(g) fur alle f, g ∈ Bb(σ(S)), dh Ψist multiplikativ.

Wir zeigen (i). Da die Abbildung f 7→ Ψ(f) − Ψ(f)∗ σ-stetig auf Bb(σ(S)) ist und aufC(σ(S)) verschwindet, verschwindet sie nach 5.3 auf Bb(K). Also gilt Ψ(f) = Ψ(f)∗ furalle f ∈ Bb(σ(S)). Fur jedes f ∈ Bb(σ(S)) gilt dann

Ψ(f)Ψ(f)∗ = Ψ(f)Ψ(f) = Ψ(|f |2) = Ψ(f)Ψ(f) = Ψ(f)∗Ψ(f),

so dass Ψ(f) normal ist.

Wir zeigen (ii). Fur reellwertiges f gilt

Ψ(f)∗ = Ψ(f) = Ψ(f),

dh Ψ(f) ist selbstadjungiert. Zum Nachweis von (iii) sei schließlich f ≥ 0, dann ist g :=√f ∈ Bb(σ(S)) und fur x ∈ H gilt

(Ψ(f)x|x) = (Ψ(g2)x|x) = (Ψ(g)Ψ(g)x|x) = (Ψ(g)x|Ψ(g)x) ≥ 0,

wobei wir benutzt haben, dass Ψ(g) selbstadjungiert ist.

Wir mussen nun den Beweis von 5.4 nachholen. Dazu finden wir zunachst eine Darstellungdes Dualraums von C([a, b]), wobei [a, b] ⊆ R ein nicht-triviales kompaktes Intervall ist.Das folgende dient der Vorbereitung.

5.7. Funktionen von beschrankter Variation und Stieltjes-Integral: Wir nenneneine Funktion g : [a, b] → C von beschrankter Variation (auf [a, b]) und schreiben g ∈BV ([a, b]), falls

‖g‖BV := sup n∑

j=1

|g(tj)− g(tj−1)| : n ∈ N, a = t0 < t1 < . . . < tn = b<∞.

Fur f ∈ C([a, b]) und g ∈ BV ([a, b]) definieren wir das Stieltjes-Integral von f bzgl. gdurch ∫ b

a

f(t) dg(t) = lim[ n∑j=1

f(ξj)(g(tj)− g(tj−1))],

51

wobei a = t0 < t1 < . . . < tn = b, ξj ∈ [tj−1, tj] fur j = 1, . . . , n, und der Limes furmax |tj − tj−1| → 0 betrachtet wird (das Argument fur die Existenz dieses Grenzwerts istahnlich zum Fall g(t) = t , welcher das Riemann-Integral gibt). Die Abschatzung∣∣∣ ∫ b

a

f(t) dg(t)∣∣∣ ≤ ‖f‖∞‖g‖BV .

ist dann offensichtlich.

Bemerkung: (a) Jede monotone Funktion g : [a, b] → R ist von beschrankter Variationund ‖g‖BV = |g(b)− g(a)|.(b) Jede reellwertige Funktion von beschrankter Variation ist die Differenz von zwei mono-ton wachsenden Funktionen.

(c) Ist g ∈ C1([a, b]), so ist g von beschrankter Variation, ‖g‖BV =∫ ba|g′(t)| dt, und∫ b

a

f(t) dg(t) =

∫ b

a

f(t)g′(t) dt.

Dies gilt auch fur so-genannte absolut-stetige Funktionen g : [a, b]→ C. Ende Do21.06.18(d) Setzen wir BV0([a, b]) := g ∈ BV ([a, b]) : g(a) = 0, so ist (BV0([a, b]), ‖ · ‖BV ) ein

Banachraum. Auf BV ([a, b]) ist hingegen ‖ · ‖BV keine Norm wegen etwa ‖1[a,b]‖BV = 0.

(e) Eine Funktion von beschrankter Variation hat in jedem Punkt t ∈ [a, b] einseitigeGrenzwerte. Fur jedes g ∈ BV ([a, b]) gibt es eine abzahlbare Menge M ⊆ [a, b] so, dass gin jedem t ∈ [a, b] \M stetig ist.

5.8. Satz: Sei [a, b] ⊆ R ein nicht-triviales kompaktes Intervall. Jedes φ ∈ (C[a, b])′ hateine Darstellung als ein Stieltjes-Integral

φ(f) =

∫ b

a

f(t) dg(t), f ∈ C[a, b],

wobei g ∈ BV0([a, b]) und ‖φ‖ = ‖g‖BV .

Beweis. C[a, b] ist ein abgeschlossener Teilraum von Bb([a, b]), und nach Hahn-Banach hatφ eine Fortsetzung ψ ∈ Bb([a, b])

′ mit ‖ψ‖ = ‖φ‖. Wir definieren g : [a, b] → C durchg(a) = 0 und g(t) := ψ(1[a,t]) fur t ∈ (a, b]. Dann gilt fur a = t0 < t1 < . . . < tn = b und

52

εj = sgn (g(tj)− g(tj−1)), j = 1, . . . , n:

n∑j=1

|g(tj)− g(tj−1)| = ε1g(t1) +n∑j=2

εj(g(tj)− g(tj−1))

= ε1ψ(1[a,t1]) +∑j

εnj=2(ψ(1[a,tj ])− ψ(1[a,tj−1]))

= ψ(ε11[a,t1] +

n∑j=2

εj1(tj−1,tj ]

)≤ ‖ψ‖‖ε11[a,t1] +

n∑j=2

εj1(tj−1,tj ]‖∞ ≤ ‖φ‖.

Somit gilt ‖g‖BV ≤ ‖φ‖.Jedes f ∈ C[a, b] ist gleichmaßig stetig und somit konvergiert

f(a+b− an

)1[a,a+ b−an

] +n∑k=2

f(a+ kb− an

)1(a+(k−1) b−an,a+k b−a

n]

gegen f fur n→∞ in Bb([a, b]). Folglich gilt

φ(f) = ψ(f) = limn→∞

f(a+b− an

)ψ(1[a,a+ b−an

]) +n∑k=2

f(a+ kb− an

)ψ(1(a+(k−1) b−an,a+k b−a

n])

= limn→∞

n∑k=1

f(a+ kb− an

)(g(a+ kb− an

)− g(a+ (k − 1)b− an

))

=

∫ b

a

f(t) dg(t),

womit die gewunschte Darstellung bewiesen ist. Uber die Abschazung in 5.7 erhalten wirdaraus

|φ(f)| ≤ ‖f‖∞‖g‖BV , f ∈ C[a, b],

dh ‖φ‖ ≤ ‖g‖BV .

5.9. Diskussion und Beweis von 5.4: Die Funktion g ∈ BV0[a, b] in 5.8 ist nicht ein-deutig bestimmt. Wir erhalten Eindeutigkeit, wenn wir verlangen, dass g in jedem Punktt ∈ (a, b] rechtsseitig stetig ist. Fur stetiges f andert dies die Integrale

∫ baf(t) dg(t) nicht,

und in der Situation von 5.8 wird auch die Norm ‖g‖BV nicht geandert. Wir gehen imfolgenden von solch einer Funktion g aus. Wir definieren nun

g : R→ C, t 7→ g(t) :=

0 fur t < a,g(a+) fur t = a,g(t) fur t ∈ (a, b],g(b) fur t > b.

53

Dann ist g ist von beschrankter Variation auf R und rechtsseitig stetig. Durch µ((c, d]) =g(d) − g(c) fur alle −∞ ≤ c < d ≤ ∞ wird ein eindeutig bestimmtes komplexes Maßµ auf den Borel-Mengen von R induziert (insbesondere ist µ σ-additiv). Die Funktiong(t) = µ((−∞, t]) entsprihht dabei der Verteilungsfunktion von µ. Das komplexe Maßkann geschrieben werden als

µ = µ1 − µ2 + i(µ3 − µ4),

wobei µj, j = 1, 2, 3, 4, positive endliche Maße auf den Borelmengen von R sind, dieaußerhalb von [a, b] verschwinden. Wir setzen ‖µ‖ := ‖g‖BV (beachte, dass ‖g‖BV [a,b] =‖g‖BV (I) fur jedes kompakte Interval I ⊇ [a, b] mit min I < a gilt). Die µj konnen so

gewahlt werden, dass ‖µ‖ =∑4

j=1 µj(R) gilt.

Jede beschrankte Borel-messbare Funktion f : R→ C kann bzgl. µ integriert werden, und∫f dµ :=

∫f dµ1 −

∫f dµ2 + i

(∫f dµ3 −

∫f dµ4

).

Insbesondere konnen auch beschrankte Borel-messbare Funktionen f : [a, b]→ C integriertwerden. Fur f ∈ C[a, b] gilt dabei∫

[a,b]

f dµ =

∫ b

a

f(t)dg(t) = φ(f)

wobei in der Mitte das Stieltjes-Integral aus 5.7 steht und g und φ wie in 5.8 sind.

Durch f 7→∫

[a,b]f dµ ist also eine Fortsetzung ψ ∈ Bb([a, b])

′ von φ ∈ C([a, b])′ gegeben

und der Lebesguesche Kovergenzsatz (angewendet auf jedes der µj) gibt die σ-Stetigkeitvon ψ:

Ist (fn) eine Folge beschrankter Borel-messbarer Funktionen (dh supn ‖fn‖∞ < ∞), diebeschrankt punktweise gegen f ∈ Bb([a, b]) konvergiert, so gilt

∫fn dµ →

∫f dµ, dh

ψ(fn)→ ψ(f).

Wir haben 5.4 fur den Fall K = [a, b] bewiesen. Zum Beweis des Satzes fur allgemeinesK setzen wir a := minK, b := maxK und stellen fest, dass C([a, b]) → C(K), f 7→ f |K ,surjektiv ist. Damit ist C(K) ein Quotient von C([a, b]), also C(K)′ ein abgeschlossenerTeilraum von C([a, b])′.

Es reicht, die Surjektivitat fur reellwertige Funktionen einzusehen. Die Menge [a, b] \ Kist disjunkte Vereinigung von hochstens abzahlbar vielen offenen Intervallen Ij = (aj, bj).Wir setzen eine reellwertige Funktion f ∈ C(K) zu einer Funktion F ∈ C[a, b] fort, indem

wir F (t) :=t−ajbj−aj f(aj) +

bj−tbj−aj f(bj) fur t ∈ Ij setzen und F (t) := f(t) fur t ∈ K. Dann

gilt F |K = f , ‖F‖∞,[a,b] = ‖f‖∞,K und f 7→ F ist sogar linear. Alternativ kann man denfolgenden allgemeinen Satz verwenden.

Fortsetzungssatz von Tietze-Urysohn. Sei X ein metrischer Raum, A ⊂ Xabgeschlossen und f : A→ R stetig und beschrankt. Dann gibt es eine stetige beschrankteFortsetzung F : X → R von f mit supF (X) = sup f(A) und inf F (X) = inf f(A).

54

Im Beweis setzt man z.B. F (x) := infy∈A(f(y)d(x, y))/d(x,A) fur x ∈ X \ A. Siehe etwaDieudonne, Foudations of Modern Analysis.

5.10. Definition: Sei A ein linearer Operator in H, dh A : H ⊇ D(A)→ H ist linear.

(i) A heißt symmetrisch, falls (Ax|y) = (x|Ay) fur alle x, y ∈ D(A).

(ii) Ist A dicht definiert, so heißt A selbstadjungiert, falls A = A∗.

Wir erinnern daran, dass in der Situation von (ii), der adjungierte Operator A∗ von Agegeben ist durch

x ∈ D(A∗) und A∗x = y ⇐⇒ ∀z ∈ D(A) : (Az|x) = (z|y).

Bemerkung: Ist A dicht definiert in H, so ist A symmetrisch genau dann, wenn A ⊆ A∗,wobei A ⊆ A∗ bedeutet, dass fur x ∈ D(A) gilt x ∈ D(A∗) und A∗x = Ax.

Insbesondere ist jeder selbstadjungierte Operator symmetrisch. Außerdem ist jeder selbst-adjungierte Operator abgeschlossen.

Bemerkung: Ist A symmetrisch, so ist (Ax|x) ∈ R fur alle x ∈ D(A) wegen

(Ax|x) = (x|Ax) = (Ax|x).

5.11. Lemma: Ist A dicht definiert und symmetrisch in H, dann ist A abschließbar derAbschluss A ist symmetrisch.

Beweis. Nach der Bemerkung oben gilt A ⊆ A∗, und A∗ ist stets abgeschlossen. Also giltauch A ⊆ A∗. Außerdem gilt A∗ = (A)∗, was man anhand der Definition zeigen kann.

Erinnerung: In der Situation von 5.11 gilt nach 1.17 (da H ja reflexiv ist):

A ist abschließbar ⇐⇒ A∗ ist dicht definiert.

Der Beweis dort zeigt außerdem, dass in diesem Fall gilt A = (A∗)∗. Ende Di26.06.18

5.12. Lemma: Sei A symmetrisch und abgeschlossen. Dann ist fur jedes z ∈ C \ R derOperator z − A injektiv und R(z − A) ist abgeschlossen. Ist R(z − A) = H, so gilt‖R(z, A)‖ ≤ 1/|Im z|.

55

Beweis. Da A symmetrisch ist, gilt fur x ∈ D(A) und ξ + iη ∈ C mit η 6= 0 nach derBemerkung vor 5.11:

‖(ξ + iη − A)x‖2 = (ξ2 + η2)‖x‖2 − 2Re ((ξ + iη)x|Ax) + ‖Ax‖2

= (ξ2 + η2)‖x‖2 − 2ξ(x|Ax) + ‖Ax‖2

= η2‖x‖2 + ‖(ξ − A)x‖2 ≥ η2‖x‖2.

Da ξ + iη − A abgeschlossen ist, folgt die Behauptung.

5.13. Satz: Ist A ein selbstadjungierter Operator in H, so gilt σ(A) ⊆ R und ‖R(z, A)‖ ≤|Im z|−1 fur jedes z ∈ C \ R.

Beweis. Wir haben (z − A)∗ = z − A fur jedes z ∈ C. Fur z ∈ C \ R sind nach 5.12 dieOperatoren z − A, z − A injektiv und R(z − A) ist abgeschlossen. Nun gilt

R(z − A)⊥ = y ∈ H : ∀x ∈ D(A) : ((z − A)x|y) = 0 = N((z − A)∗) = N(z − A) = 0,

dh R(z − A) = H, und wir erhalten z ∈ ρ(A). Die Normabschatzung ist aus 5.12.

5.14. Satz: Fur jeden dicht definierten Operator A in H sind die folgenden Aussagenaquivalent:

(i) A ist abschließbar und A ist selbstadjungiert.

(ii) A ist symmetrisch und σ(A) ⊆ R.

(iii) A ist symmetrisch und es gibt z ∈ C \ R so, dass z − A∗ und z − A∗ injektiv sind.

Beweis. (i) =⇒ (ii): Ist A selbstadjungiert, so ist A und damit auch A symmetrisch. σ(A) ⊆R gilt nach 5.13.

(ii) =⇒ (iii): Nach 5.11 ist A symmetrisch. Weiter gilt (A)∗ = A∗. Fur z ∈ C \R gilt somitz, z ∈ σ(A∗) und z − A∗, z − A∗ sind injektiv.

(iii) =⇒ (i): Nach 5.11 ist A abschließbar und A ⊆ A∗ = (A)∗. Nach 5.12 (samt Beweis)folgt aus der Voraussetzung z, z ∈ ρ(A), und daraus dann z, z ∈ ρ(A∗). Wir erhaltenρ(A) ∩ ρ(A∗) 6= ∅, was wegen A ⊆ A∗ nur fur A = A∗ sein kann.

Bemerkung: Wir haben hier verwendet: Sind B,C abgeschlossene Operatoren in einemBanachraum X mit B ⊆ C und gibt es λ ∈ ρ(B) ∩ ρ(C), so folgt B = C.

Zum Beweis beachte, dass λ − C : D(C) → X bijektiv ist, so dass λ − B : D(B) → Xnicht surjektiv sein kann, wenn D(B) eine echte Teilmenge von D(C) ist.

56

5.15. Definition: Ein dicht definierter symmetrischer Operator A in H heißt wesentlichselbstadjungiert, falls sein Abschluss A selbstadjungiert in H ist.

Bemerkung: Nach 5.14 ist ein dicht definierter und symmetrischer Operator A wesentlichselbstadjungiert genau dann, wenn die Operatoren i−A∗ und −i−A∗ beide injektiv sind.Wir kommen spater darauf zuruck.

Wir werden den Funktionalkalkul von Satz 5.6 auf unbeschrankte selbstadjungierte Opera-toren A ausdehnen. Dies geschieht mittels einer orthogonalen Zerlegung von H bzgl. einesbeschrankten selbstadjungierten Operators B, der Resolventen von A enthalt.

5.16. Lemma: Sei A selbstadjungiert in H und sei

B :=1

2i(R(i, A)∗ −R(i, A)), C :=

−1

2(R(i, A) +R(i, A)∗).

Dann sind B,C ∈ L(H) selbstadjungiert, es gilt BA ⊆ AB = C, B ist injektiv und0 ≤ B ≤ I (im Sinne von 4.8).

Beweis. Selbstadjungiertheit von B und C ist klar. Wegen R(i, A)∗ = R(−i, A) erhaltenwir leicht BA ⊆ AB. Wegen AR(λ,A) = λR(λ,A)− I gilt

AB =1

2i(AR(−i, A)− AR(i, A)) =

1

2i(−iR(−i, A)− iR(i, A)) = C.

Nach 5.12 gilt ‖R(±i, A)‖ ≤ 1, und wir erhalten B ≤ I. Fur x ∈ H und y = R(i, A)x gilthingegen

(Bx|x) =1

2i((x|R(i, A)x)− (R(i, A)x|x)) = Im (x|R(i, A)x) = Im ((i−A)y|y) = (y|y) ≥ 0.

Somit ist B ≥ 0. Andererseits impliziert Bx = 0, dass y = 0 und weiter x = 0, da R(i, A)injektiv ist. Somit ist B injektiv.

Bemerkung: Nach der Resolventengleichung 1.6(a) gilt

B =1

2i(R(−i, A)−R(i, A)) =

1

2i((2i)R(i, A)R(−i, A)) = R(i, A)R(i, A)∗,

und die Eigenschaften von B folgen auch aus dieser Darstellung.

Wir verwenden den Funktionalkalkul Ψ aus 5.6 fur den Operator B und schreiben f(B) :=Ψ(f) fur f ∈ Bb(σ(B)). Ist f definiert auf einer Obermenge von σ(B), so schreiben wirsf(B) := (f |σ(B))(B). Beachte, dass σ(B) ⊆ [0, 1] wegen 5.16 und 4.3 und dass 0 6∈ σp(B)nach 5.16.

57

5.17. Satz: Sei A ein selbstadjungierter Operator in H, und seien B, C wie in 5.16. Furjedes n ∈ N definiere θn, sn : R → R durch θn := 1( 1

n+1, 1n

] und sn(t) := 1tθn(t), und setze

Pn := θn(B). Dann gilt

(a) Fur jedes n ∈ N ist Pn eine orthogonale Projektion in H und

PnA ⊆ APn = sn(B)C ∈ L(H).

(b) Fur Hn := R(Pn) gilt Hn ⊆ D(A), A(Hn) ⊆ Hn und Hn ⊥ Hk fur alle n, k ∈ N mitn 6= k. Der Operator An := A|Hn ∈ L(Hn) ist selbstadjungiert im Hilbertraum Hn.

(c) Es gilt

x =∑n∈N

Pnx fur alle x ∈ H (Konvergenz in H)

und

D(A) = x ∈ H :∑n∈N

‖APnx‖2 <∞

Ax =∑n∈N

APnx fur alle x ∈ D(A) (Konvergenz in H).

(d) Fur jedes n ∈ N gilt

σ(An) ⊆ σ(A) ∩([−√n,−√n− 1] ∪ [

√n− 1,

√n]).

Beweis. (a) Wegen tsn(t) = θn(t), t ∈ R, erhalten wir Bsn(B) = θn(B) = Pn. Somit giltnach 5.16:

APn = ABsn(B) = Csn(B)(∗)= sn(B)C ∈ L(H)

(mehr zur Gleichheit (∗) unten im Beweis von (d)). Weiter gilt wegen 5.16:

PnA = Bsn(B)A = sn(B)BA ⊆ sn(B)AB = sn(B)C = APn.

Nach 5.6 gilt P 2n = Pn und P ∗n = Pn.

(b) Jedes Hn ist ein abgeschlossener Teilraum von H und also selbst ein Hilbertraum. Nach(a) gilt APn ∈ L(H), also Hn ⊂ D(A) und fur x ∈ Hn:

PnAx = APnx = Ax, dh Ax ∈ Hn.

Somit ist A(Hn) ⊆ Hn. Fur x ∈ Hn, y ∈ Hk und n 6= k gilt nach 5.6:

(x|y) = (Pnx|Pky) = (PkPn︸ ︷︷ ︸=0

x|y) = 0,

und somit Hn ⊥ Hk. Schließlich ist An ∈ L(Hn) selbstadjungiert in Hn, da Symmetrie vonA vererbt wird.

58

(c) Wir setzen P0 := 10(B) und H0 := P0(H) = R(P0). P0 ist eine orthogonale Projektionund BP0 = (0 ·10)(B) = 0 nach 5.6, also H0 ⊆ N(B) = 0 nach 5.16. Somit gilt P0 = 0.

Wegen 5.6 erhalten wir also

IH = 1[0,1](B) = 1(0,1](B) + P0 = 1(0,1](B).

Es giltm∑n=1

θn = 1( 1m+1

,1] → 1(0,1] beschrankt punktweise fur m→∞.

Wegen 5.6 erhalten wir fur jedes x ∈ H,

‖m∑n=1

Pnx− x‖2 = ‖1(0, 1m+1

](B)x‖2 = (1(0, 1m+1

](B)x|1(0, 1m+1

](B)x)

= (1(0, 1m+1

](B)x|x)→ 0 (m→∞),

da 1(0, 1m+1

] → 0 beschrankt punktweise fur m → ∞. Da die Summanden orthogonal sind,

folgt ‖x‖2 =∑

n∈N ‖Pnx‖2. Fur x ∈ D(A) ist also

Ax =∑n∈N

PnAx =∑n∈N

APnx und∑n∈N

‖APnx‖2 = ‖Ax‖2 <∞.

Nun sei x ∈ H mit∑

n∈N ‖APnx‖2 < ∞. Dann konvergiert∑

n∈NAPnx in H, und wegen(b) erhalten wir

xm :=m∑n=1

Pnx ∈ D(A), Axm =m∑n=1

APn

fur jedes m ∈ N, und xm → x in H, Axm → y :=∑

n∈NAPnx in H fur m → ∞. Da Aabgeschlossen ist, folgt x ∈ D(A) und Ax =

∑n∈NAPnx.

(d) Sei n ∈ N. Dann ist Hn invariant unter B, da BPn = Bθn(B) = θn(B)B nach 5.6. Wirsetzen Bn := B|Hn . Da B mit Resolventen von A kommutiert, ist der Raum Hn invariantunter Resolventen von A. Also gilt f”ur jedes λ ∈ ρ(A), dass λ ∈ ρ(An) und

R(λ,An) = R(λ,A)|Hnist (insbesondere ist σ(An) ⊆ σ(A)): Fur λ ∈ ρ(A) ist der Operator λ − An als Ein-schrankung von λ− A injektiv. Außerdem gilt fur y ∈ Hn und x := R(λ,A), dass x ∈ Hn

und (λ− An)x = (λ− A)R(λ,A)y = y, dh λ− An : Hn → Hn ist surjektiv. Somit gilt furjedes n ∈ N,

Bn = R(i, An)R(−i, An), B−1n = (i− An)(−i− An) = 1 + A2

n.

Wegen σ(Bn) ⊆ [ 1n+1

, 1n] nach 5.6 gilt somit σ((1 + A2

n)−1) ⊆ [ 1n+1

, 1n]. Wegen spectral

mapping folgt daraus σ(A2n) ⊆ [n− 1, n] und schließlich

σ(An) ⊆ [−√n,−√n− 1] ∪ [

√n− 1,

√n],

womit (d) gezeigt ist.

59

Ende Do28.06.18Bemerkung: Aus 5.17 folgt auch

σ(A) =⋃n∈N

σ(An) =⋃n∈N

σ(An)

wobei fur die letzte Gleichung verwendet wird, dass nach (d) fur jede Cauchy Folge in⋃n σ(An) ein n0 ∈ N und eine konvergente Teilfolge in σ(An0) gibt. Wir erhalten so

σ(A) ∩ (−√n,−√n− 1) ∪ (

√n− 1,

√n) = σ(An) ∩ (−

√n,−√n− 1) ∪ (

√n− 1,

√n)

fur jedes n ∈ N.

In 5.17 haben wir den Raum H orthogonal zerlegt in abgeschlossene Teilraume Hn, n ∈ N,so, dass Hn ⊆ D(A), An := A|Hn ∈ L(Hn) und An selbstadjungiert in Hn ist und einembeschrankten Teil des Spektrums von A entspricht. Wir wenden nun 5.6 auf jeden derOperatoren An an und definieren so den Funktionalkalkul fur A fur beschrankte Borel-messbare Funktionen auf dem Spektrum σ(A).

5.18. Satz: Sei A ein selbstadjungierter Operator in H und fur jedes n ∈ N seien Pn, Hn,An wie in 5.17. Fur f ∈ Bb(σ(A)) definieren wir

f(A)x :=∑n∈N

f(An)Pnx, x ∈ H.

Dann ist f(A) ∈ L(H) wohl-definiert, ‖f(A)‖ ≤ ‖f‖∞, und die Abbildung

Ψ : Bb(σ(A))→ L(H), f 7→ f(A),

ist ein Algebrenhomomorphismus mit Ψ(1σ(A)) = I, Ψ((z− (·))−1) = R(z, A) fur z ∈ C\R.

Fur f ∈ Bb(σ(A)) gilt Ψ(f)∗ = Ψ(f). Insbesondere ist jedes f(A) normal, f(A) ist selb-stadjungiert fur reellwertiges f , und f(A) ≥ 0 fur f ≥ 0.

Konvergiert fm → f beschrankt punktweise fur m→∞, so gilt fm(A)x→ f(A)x fur jedesx ∈ H.

Beweis. Wegen f(An) ∈ L(Hn) mit ‖f(An)‖ ≤ ‖f‖∞,σ(An) ≤ ‖f‖∞,σ(A) gilt∑n∈N

‖f(An)Pnx‖2 ≤ ‖f‖2∞,σ(A)

∑n∈N

‖Pnx‖2 = ‖f‖2∞,σ(A)‖x‖2, x ∈ H.

Also konvergiert∑

n f(An)Pnx und

‖f(A)x‖ =(∑n∈N

‖f(An)Pnx‖2)1/2

≤ ‖f‖∞,σ(A)‖x‖.

60

Daraus folgt, dass Ψ : Bb(σ(A))→ L(H) linear und stetig ist mit Norm ≤ 1. Ψ(1σ(A)) = IHfolgt aus 5.17(c). Fur x ∈ H und z ∈ C \ R gilt (wegen 5.17(d) und Beweis)

R(z, A)x =∑n∈N

R(z, A)Pnx =∑n∈N

R(z, An)Pnx.

Nach 4.7 gilt R(z, An) = (z − (·))−1(An) fur jedes n ∈ N, also ist R(z, A) = Ψ((z − (·))−1)gezeigt.

Beachte, dass fur jedes m ∈ N gilt

Pmf(A)x =∑n∈N

Pmf(An)Pnx = f(Am)Pmx.

Somit haben wir fur f, g ∈ Bb(σ(A)) und x ∈ H:

(gf)(A) =∑n∈N

(gf)(An)Pnx =∑n∈N

g(An)f(An)Pnx =∑n∈N

g(An)Pnf(A)x = g(A)(f(A)x),

und Ψ ist multiplikativ. Da die Summanden orthogonal sind, gilt fur f ∈ Bb(σ(A)) undx, y ∈ H:

(f(A)x|y) =∑n∈N

(Pnf(A)x|Pny) =∑n∈N

(f(An)Pnx|Pny)Hn

=∑n∈N

(Pnx|f(An)∗Pn)Hn =∑n∈N

(Pnx|f(An)Pn(y))Hn

= (x|f(A)y),

woraus f(A)∗ = f(A) folgt.

Die Aussagen zu Normalitat, Selbstadjungiertheit und Positivitat erhalten wir wie gehabt.Sei (fm)m∈N eine Folge in Bb(σ(A)), die beschrankt punktweise gegen eine Funktion fkonvergiert. Da Ψ linear ist, konnen wir f = 0 annehmen. Wir haben nun zunachst furden Funktionalkalkul aus 5.6, dass fm(An)x → 0 fur m → ∞ fur alle n ∈ N und x ∈ Hn:Schreibe

‖fm(An)x‖2 = (fm(An)∗fm(An)x|x) = (|fm|2(An)x|x)→ 0,

da |fm|2 → 0 beschrankt punktweise. Somit gilt fur festes x ∈ H:

fm(An)Pnx→ 0 fur jedes n ∈ N.

Setzen wir M := supm∈N ‖fm‖∞, so gilt fur jedes N ∈ N:

‖fm(A)x‖2 =∑n∈N

‖fm(An)Pnx‖2 ≤N∑n=1

‖fm(An)Pnx‖2 +M∑n>N

‖Pnx‖2.

Fur ein gegebenes ε > 0 finden wir N so, dass M∑

n>N ‖Pnx‖2 ≤ ε/2, und dann m0 so,

dass∑N

n=1 ‖fm(A)Pnx‖2 ≤ ε/2 fur alle m ≥ m0. Damit ist fm(A)x→ 0 in H gezeigt.

61

Bemerkung: Man kann zeigen, dass Ψ : Bb(σ(A)) → L(H) mit den angegebenen Eigen-schaften eindeutig bestimmt ist.

Außerdem kann man zeigen, dass Pn = (θn ψ)(A), wobei ψ(z) = 11+z2

, so dass Pn = ηn(A)gilt, wobei ηn = 1(−

√n,−√n−1]∪[

√n−1,

√n).

Wir reißen kurz einen weiteren Aspekt des Spektralsatzes fur selbstadjungierte Operatorenan.

5.19. Spektralmaße: Sei A ein selbstadjungierter Operator im Hilbertraum H und Ψ derFunktionalkalkul aus 5.18. Fur alle x, y ∈ H ist durch

µx,y : B(R)→ C, M 7→ µx,y(M) := (Ψ(1M)x|y) = (1M(A)x|y),

ein komplexes Borelmaß auf R gegeben. Fur x = y ist µx,x ein positives endliches Maß mit

µx,x(R) = (1R(A)x|x) = (x|x) = ‖x‖2,

dh fur x ∈ H mit ‖x‖ = 1 ist µx,x ein Wahrscheinlichkeitsmaß auf R.

Fur jedes f ∈ Bb(σ(A)) hat man die Darstellung

(f(A)x|y) =

∫f(λ) dµx,y(λ).

Dies schreibt man als

f(A) =

∫f(λ) dE(λ),

wobei das Spektralmaß oder die Spektralzerlegung E von A gegeben ist durch

E : B(R)→ L(H), M 7→ E(M) := Ψ(1M) = 1M(A).

Beachte, dass E nicht σ-additiv bzgl. der Operatornormtopologie ist. Nach 5.18 ist aberB(R)→ H, M 7→ E(M)x, σ-additiv fur jedes x ∈ H. Fur f ∈ Bb(R) und x ∈ H gilt dann

‖f(A)x‖2 = (f(A)x|f(A)x) = (|f |2(A)x|x) =

∫|f |2 d(E(·)x|x).

Man kann so auch f(A) als (i.a.) unbeschrankten Operator in H fur jede Borel-messbareFunktion f : σ(A)→ C definieren auf

D(f(A)) = x ∈ H :

∫|f |2 d(E(·)x|x) <∞,

siehe etwa Rudin, Functional Analysis.

Der folgende Satz ist eine weitere Version des Spektralsatzes (hier ohne Beweis, siehe etwaDavies, Spectral Theory and Differential Operators).

62

5.20. Spektralsatz (Multiplikatorversion): Sei A ein selbstadjungierter Operator imseparablen Hilbertraum H. Dann gibt es einen σ-endlichen Maßraum (Ω,A, µ), eine mess-bare Funktion m : Ω→ σ(A) und einen unitaren Operator U : H → L2(µ) so, dass

D(A) = x ∈ H : m · Ux ∈ L2(µ), Ax = U−1(m · Ux).

Den Funktionalkalkul fur A erhalt man dann aus dem Funktionalkalkul fur den Multip-likationsoperator f 7→ m · f in L2(µ).

Wir kommen zuruck zur Frage nach der Selbstadjungiertheit von symmetrischen Opera-toren in der Situation von 5.12.

5.21. Lemma: Sei A symmetrisch und abgeschlossen. Fur λ, µ ∈ C\R mit Imλ · Imµ > 0gilt

codimR(λ− A) = codimR(µ− A).

Beweis. Sei λ ∈ C \R. Wir zeigen die Behauptung fur µ ∈ C \R mit |λ−µ| < |Imλ|. DasLemma folgt dann z.B. mit λ = ±in und n→∞. Wir setzen X := [D(A)]. Nach 5.12 istλ− A injektiv und Y := R(λ− A) ist abgeschlossen. Setze Z := X × Y ⊥ und betrachte

z − A : X × Y ⊥ → H, (x, y) 7→ (z − A)x+ y, z ∈ C \ R.

Fur z = λ ist dieser Operator bijektiv mit Inverser Rh := ((λ−A)−1Ph, (I − P )h), wobeiP die Orthogonalprojektion von H auf Y bezeichnet. Ist |µ− λ| < |Imλ|, so ist

µ− A = λ− A+ (µ− λ)π1 = (IH + (µ− λ)π1R)λ− A,

wobei π1 : X × Y ⊥ → H, (x, y) 7→ x, und ‖π1R‖ = ‖(λ − A)−1P‖L(H) ≤ 1/|Imλ| nach5.12. Somit gilt

(µ− A)−1 = R∞∑k=0

(−π1R)k(µ− λ)k

und µ− A ist bijektiv X × Y ⊥ → H. Insbesondere gilt R(µ − A) + Y ⊥ = H. Außerdem

gilt fur x ∈ D(A) mit (µ− A)x = −y ∈ Y ⊥, dass µ− A(x, y) = 0, also x = 0 = y, worausfolgt R(µ − A) ∩ Y ⊥ = 0. Somit ist Y ⊥ ein Komplement in H sowohl fur R(λ − A) alsauch fur R(µ− A), insbesondere ist codimR(λ− A) = codimR(µ− A).

Ende Di03.07.18

Bemerkung: Der Beweis ist sehr ahnlich zu denen fur Fredholmoperatoren. Die Zahlenn±(A) := codimR(±i, A) heißen Defektindizes. Man kann zeigen, dass A genau dann eineselbstadjungierte Erweiterung hat, wenn n+(A) = n−(A).

Ist A zusatzlich positiv, dh (Ax|x) ≥ 0 fur alle x ∈ D(A), dann kann man genauso zeigen,dass n+(A) = n−(A) = codim (µ + A) fur jedes µ > 0. In diesem Fall hat A immerselbstadjungierte Fortsetzungen.

63

6 Sektorielle Operatoren und holomorpher Funktio-

nalkalkul

6.1. Die Dirichletform: Wir erinnern an den Divergenzsatz :

Sei Ω ⊆ Rd ein beschranktes Gebiet mit ∂Ω ∈ C1 und U ⊇ Ω offen. FurF ∈ C1(U) gilt ∫

Ω

divF dx =

∫∂Ω

ν · F dσ,

wobei ν : ∂Ω→ Rd die außere Einheitsnormale bezeichnet.

Setzen wir F = v∇u, so erhalten wir

Folgerung: Ist Ω ⊆ Rd ein beschranktes Gebiet mit ∂Ω ∈ C1 und U ⊇ Ω offen, so gilt furu ∈ C2(U) und v ∈ C1(U):∫

Ω

∇u · ∇v dx = −∫

Ω

(∆u)v dx+

∫∂Ω

∂u

∂νv dσ. (∗)

Nun sei Ω ⊆ Rd ein beliebiges Gebiet. Fur u, v ∈ W 1,2(Ω) definieren wir

a(u, v) :=

∫Ω

∇u · ∇v dx.

Dann ist a : W 1,2(Ω) ×W 1,2(Ω) → C sesquilinear, es gilt a(u, v) = a(v, u) fur alle u, v ∈W 1,2(Ω) und

Re a(u, u) =

∫Ω

|∇u|2 dx ≥ 0.

Beachte, dass gilt

(u|v)W 1,2 =

∫Ω

∇u · ∇v + uv dx = a(u, v) + (u|v)L2

‖u‖2W 1,2 =

∫Ω

|∇u|2 + |u|2 dx = Re a(u, u) + ‖u‖2L2 .

Insbesondere ist a(·, ·) + (·|·)L2 ein Skalarprodukt auf W 1,2(Ω) und W 1,2(Ω) ist bzgl. diesesSkalarproduktes vollstandig. Dasselbe gilt fur den in W 1,2(Ω) abgeschlossenen Teilraum

W 1,20 (Ω) = C∞c (Ω)

‖·‖W1,2.

Der Raum W 1,20 (Ω) besteht aus den Funktionen, die “auf dem Rand ∂Ω von Ω ver-

schwinden”, in dem Sinne, dass sie sich in der W 1,2-Norm durch C∞-Funktionen, derenTrager eine kompakte Teilmenge von Ω ist, approximieren lassen. Da C∞c (Ω) dicht inL2(Ω) ist, sind auch W 1,2

0 (Ω) und W 1,2(Ω) dicht in L2(Ω).

64

Wir werden den Laplaceoperator mit Dirichlet- und mit Neumann-Randbedingungen inbeliebigen Gebieten Ω ⊆ Rd mithilfe der Dirichletform a auf W 1,2

0 (Ω) bzw. auf W 1,2(Ω)definieren. Dazu beachten wir, dass wir fur beschranktes Ω mit C1-Rand und eine offeneObermenge U von Ω haben:

• Fur u ∈ C2(U) mit u = 0 auf ∂Ω und v ∈ C∞c (Ω) gilt

a(u, v) =

∫Ω

(−∆u)v dx = (−∆u|v)L2 .

• Fur u ∈ C2(U) mit ∂u∂ν

= 0 auf ∂Ω und v ∈ C1(U) gilt

a(u, v) =

∫Ω

(−∆u)v dx = (−∆u|v)L2 .

Wir werden die Moglichkeit, lineare Operatoren (insbesondere selbstadjungierte) durchSesquilinearformen zu definieren, in großerer Allgemeinheit untersuchen.

6.2. Sesquilinearformen: Sei H ein Hilbertraum und V ⊆ H ein dichter Teilraum. EineSesquilinearform a : V × V → C heißt

• symmetrisch, falls a(u, v) = a(v, u) fur alle u, v ∈ V ,

• akkretiv, falls Re a(u, u) ≥ 0 fur alle u ∈ V ,

• sektoriell, falls es ein ω ∈ [0, π/2) gibt mit a(u, u) ∈ Σω fur alle u ∈ V , wobeiΣ0 := [0,∞) und

Σω := z ∈ C \ 0 : |arg z| ≤ ω ∪ 0 fur ω ∈ (0, π/2).

In diesem Fall heißt a sektoriell vom Winkel ω.

Ist a sektoriell vom Winkel ω, so ist a akkretiv und

|Im a(u, u)| ≤ tanω Re a(u, u), u ∈ V.

Die zu a adjungierte Form a∗ : V × V → C ist definiert durch a∗(u, v) = a(v, u). Klar ist(a∗)∗ = a; a = a∗ ⇔ a ist symmetrisch; a ist akkretiv ⇔ a∗ ist akkretiv; a ist sektoriellvom Winkel ω ⇔ a∗ ist sektoriell vom Winkel ω.

Fur jedes Sesquilinearform a sind

Re a :=1

2

(a + a∗

), Im a :=

1

2i

(a− a∗

)symmetrische Sesquilinearformen und es gilt a = Re a + i Im a.

65

WARNUNG: Es ist (Re a)(u, u) = Re(a(u, u)

)fur alle u ∈ V , aber (Re a)(u, v) ist i.a.

nicht reell! Entsprechendes gilt fur Im a.

Abschatzungen: Ist a sektoriell vom Winkel ω, so gilt fur alle u, v ∈ V :

|(Re a)(u, v)| ≤ Re a(u, u)1/2 Re a(v, v)1/2,

|(Im a)(u, v)| ≤ (tanω) Re a(u, u)1/2 Re a(v, v)1/2,

|a(u, v)| ≤ (1 + tanω) Re a(u, u)1/2 Re a(v, v)1/2.

Beweis. Die erste Ungleichung ist Cauchy-Schwarz, und die dritte Ungleichung folgt ausden ersten beiden. Zm Beweis der zweiten Ungleichung konnen wir ohne Einschrankungannehmen, dass (Im a)(u, v) reell ist (sonst multiplizieren wir u mit einem geeigneten γ ∈ Cmit |γ| = 1). Dann gilt

(Im a)(u, v) =1

4

((Im a)(u+ v, u+ v)− (Im a)(u− v, u− v)

),

wegen der Sektorialitat von a also

|(Im a)(u, v)| ≤ tanω

4

((Re a)(u+ v, u+ v) + (Re a)(u− v, u− v)

)=

tanω

2

(Re a(u, u) + Re a(v, v)

).

Fur jedes α > 0 gilt also

|(Im a)(u, v)| = |(Im a)(αu, α−1v)|

≤ tanω

2

(α2 Re a(u, u) + α−2 Re a(v, v)

).

Ist Re a(v, v)Re a(u, u) = 0 folgt die Behauptung fur α → 0+ oder α → ∞. Ist

Re a(v, v)Re a(u, u) 6= 0, so folgt die Behauptung mit α =(Re a(v, v)/Re a(u, u)

)1/4.

Bemerkung: Ist a : V × V → C sektoriell vom Winkel ω und δ > 0, so definiert

(u|v)V := (Re a)(u, v) + δ(u|v)H

ein Skalarprodukt auf V (in der Regel nimmt man δ = 1, alle diese Skalarprodukte sindaquivalent). In diesem Fall heißt die Sesquilinearform a abgeschlossen (auf V ), falls Vbzgl. (·|·)V ein Hilbertrtaum ist. Offensichtlich ist a abgeschlossen genau dann, wenn a∗

abgeschlossen ist.

Beispiel: In 6.1 ist die Dirichletform a symmetrisch, sektoriell vom Winkel 0 undabgeschlossen sowohl auf W 1,2(Ω) als auch auf W 1,2

0 (Ω). Wir konnen also den folgendenSatz in beiden Situationen anwenden.

66

6.3. Satz: Sei H ein Hilbertraum und V ⊆ H ein dichter Teilraum. Sei a : V ×V → C eineSesquilinearform, die sektoriell vom Winkel ω und abgeschlossen ist. Definiere den linearenOperator A in H dadurch, dass fur alle u, f ∈ H gilt:

u ∈ D(A) und Au = f :⇐⇒ u ∈ V und ∀v ∈ V : a(u, v) = (f |v).

Dann ist A ein abgeschlossener Operator in H, D(A) ist dicht in (V, (·|·)V ), es gilt σ(A) ⊇Σω und

‖R(λ,A)‖L(H) ≤ 1/d(λ,Σω) fur alle λ ∈ C \ Σω.

Weiter gilt (Ax|x)H ∈ Σω fur alle x ∈ D(A). Definiert man auf diese Weise einen Operatorzur adjungierten Form a∗, so erhalt man den Operator A∗. Insbesondere ist A selbstad-jungiert in H, wenn a symmetrisch ist.

Ende Do05.07.18Bemerkung: Beachte, dass durch die Vorschrift (wegen Dichtheit von V in H) tatsachlich

ein linearer Operator definiert A in H wird. Dieser wird als der zu a assoziierte Operatorbezeichnet, was manchmal A ∼ a notiert wird.

Beweis. Wir bezeichnen mit V ∗ den Antidualraum von (V, (·|·)V ), dh den Raum aller steti-gen antilinearen Funktionale φ : V → C. Wir betrachten den Operator

B : V → V ∗, u 7→ a(u, ·) + (u|·)H ,

der nach den Abschatzungen in 6.2 stetig ist. Fur u ∈ V mit ‖u‖V = 1 gilt

‖Bu‖V ∗ = sup‖v‖V =1

|a(u, v) + (u|v)H | ≥ |a(u, u) + (u|u)H | ≥ Re a(u, u) + ‖u‖2H = ‖u‖2

V = 1,

also ist B injektiv und R(B) abgeschlossen in V ∗. Außerdem ist R(B) dicht in V ∗, sonstgabe es (wegen Reflexivitat von V und Hahn-Banach) ein v ∈ V mit B(u)(v) = 0 furalle u ∈ V , was wegen der Abschatzung eben nicht sein kann. Somit ist B : V → V ∗ einIsomorphismus und hat eine stetige Inverse R : V ∗ → V mit Norm ≤ 1.

Wir identifizieren H mit seinem Antidualraum H∗. Da V dicht und stetig in H eingebettetist, ist die Injektion H∗ → V ∗ stetig. Also haben wir stetige Einbettungen V → H =

H∗ → V ∗. Hier wird also h ∈ H identifiziert mit (h|·)H∣∣∣V∈ V ∗.

Nun setzen wir R := R|H . Dann gilt R ∈ L(H) und R ist injektiv (da R injektiv ist).Wir definieren A := R−1− IH . Dann ist A ein abgeschlossener linearer Operator in H und(A+ 1)−1 = R ∈ L(H), dh −1 ∈ ρ(A). Weiter gilt fur u, f ∈ H:

u ∈ D(A), Au = f ⇐⇒ R(f + u) = u ⇐⇒ u ∈ V und R(f + u) = u

⇐⇒ u ∈ V und Bu = u+ f

⇐⇒ u ∈ V und ∀v ∈ V : a(u, v) + (u|v)H = (u|v)H + (f |v)H

⇐⇒ u ∈ V und ∀v ∈ V : a(u, v) = (f |v)H .

67

D(A) ist dicht in V : Es gilt D(A) = R(R) = R(H). Da R : V ∗ → V ein Isomorphismus ist,reicht zu zeigen, dass H = H∗ dicht in V ∗ ist. Andernfalls gabe es aber v ∈ V mit v 6= 0und (h|v)H = 0 fur alle h ∈ H, was zum Widerspruch ‖v‖H = 0 fuhrt.

Fur alle u ∈ D(A) gilt offensichtlich (Au|u)H = a(u, u) ∈ Σω. Sei nun der Operator B zurForm a∗ definiert durch

v ∈ D(B) und Bv = g :⇐⇒ v ∈ V und ∀w ∈ V : a∗(v, w) = (g|w).

Dann gilt fur u ∈ D(A) und v ∈ D(B): u, v‖V ‖ und

(Au|v) = a(u, v) = a∗(v, u) = (Bv|u) = (u|Bv).

Es folgt v ∈ D(A∗) und A∗v = Bv, dh B ⊆ A∗. Wegen −1 ∈ ρ(B) und −1 ∈ ρ(A∗)(was aus −1 ∈ ρ(A) folgt) erhalten wir B = A∗. Ist a symmetrisch, so ist a∗ = a und wirerhalten A = A∗, dh A ist selbstadjungiert.

Beispiele: (1) Ist Ω ⊆ Rd ein beliebiges Gebiet, so ist der Dirichlet-Laplace −∆D auf Ωder Operator, der zur Dirichletform a aus 6.1 auf VD = W 1,2

0 (Ω) assoziiert ist, und derNeumann-Laplace −∆N auf Ω ist der Operator, der zur Dirichletform a aus 6.1 auf VN =W 1,2(Ω) assoziiert ist. Beachte, dass zwar VD ⊆ VN gilt, dass aber D(−∆D) 6⊆ D(−∆N)ist, da wegen −1 ∈ ρ(−∆D) ∩ ρ(−∆N) sonst −∆D = −∆N ware.

(2) Sei Ω ⊆ Rd ein beschranktes Gebiet mit ∂Ω ∈ C1 und a : Ω → Cd×d beschrankt und

messbar so, dass ξta(x)ξ ∈ Σω fur fast alle x ∈ Ω, alle ξ ∈ Cd und ein ω ∈ [0, π/2). Es gebe

η > 0 mit

Re ξta(x)ξ ≥ η|ξ|2 fur fast alle x ∈ Ω und alle ξ ∈ Cd.

Dann ist die Sesquilinearform

a(u, v) =

∫Ω

(a(x)∇u) · ∇v dx, u, v ∈ V = W 1,2(Ω),

sektoriell vom Winkel ω und abgeschlossen in H = L2(Ω). Der assoziierte Operator istformal gegeben durch Au = −div (a(·)∇u) mit Randbedingung ν · a(·)∇u = 0 auf ∂Ω.

6.4. Abschließbare Formen: Sei H ein Hilbertraum und V ⊆ H ein dichter Teilraum,sowie a : V × V → C eine sektorielle Form, die nicht abgeschlossen ist. Man kann a aufnaturliche Weise zu einer Sesquilinearform a auf der Vervollstandigung V von (V, (·|·)V )fortsetzen. Diese Form ist wieder sektoriell vom selben Winkel. Um Satz 6.3 anwenden zukonnen, muss man V als Teilraum von H realisieren. Das geht genau dann, wenn gilt:

Fur jede ‖ · ‖V -Cauchyfolge (un) in V mit ‖un‖H → 0 gilt ‖un‖V → 0.

Man bezeichnet solche Formen als abschließbar. Die Bedingung ist aquivalent dazu, dassdie stetige Fortsetzung der Einbettung J : V → H, u 7→ u, auf V injektiv ist. In diesemFall bezeichnet man a als Abschluss von a.

68

Beispiele: (1) Ist A dicht definiert und symmetrisch in H mit (Ax|x) ≥ 0 fur alle x ∈D(A), so definiert a(u, v) := (Au|v) auf V := D(A) eine symmetrische Sesquilinearform,die sektoriell vom Winkel 0 ist. Diese Form ist abschließbar (vgl. Ubungsaufgabe) und

der Abschluss dieser Form ist assoziiert zur sogenannten Friedrichs-Fortsetzung von A.Beachte, dass A selbstadjungiert in H ist mit (Au|u) ≥ 0 fur alle u ∈ D(A).

(2) Sei H = L2(0, 1), V = C[0, 1] und a : V × V → C gegeben durch a(u, v) = u(0)v(0).Dann ist a symmetrisch und sektoriell, aber nicht abschließbar. Betrachte etwa un(t) =(1 − nt)1[0,1/n](t). Dann ist (un) Cauchy bzgl. ‖u‖V =

√|u(0)|2 + ‖u‖2

L2 mit ‖un‖L2 → 0,aber ‖un‖V → 1. Ende Di

10.07.186.5. Quadratwurzeln: Sei A selbstadjungiert in H mit (Ax|x) ≥ 0 fur alle x ∈ D(A)und seien Pn, Hn und An, wie in 5.17.Wir definieren den Opeartor A1/2 durch

D(A1/2) = x ∈ H :∑n

‖A1/2n Pnx‖2 <∞,

A1/2x =∑n

A1/2n Pnx fur x ∈ D(A1/2).

Dann gilt D(A) ⊆ D(A1/2) und D(A) ist dicht in D(A1/2) bzgl. der Graphennorm vonA1/2. Weiter ist A1/2 selbstadjungiert in H und A1/2 ≥ 0, sowie A1/2A1/2 = A, dh

D(A) = x ∈ D(A1/2) : A1/2x ∈ D(A1/2), Ax = A1/2A1/2x fur x ∈ D(A).

Beweisskizze. Fur die Operatoren An ∈ L(Hn) konnen wir 5.6 verwenden, insbesondere ist

A1/2n selbstadjungiert in Hn mit A

1/2n A

1/2n = An. Fur x ∈ D(A) gilt nach Cauchy-Schwarz∑

n

‖A1/2n Pnx‖2 =

∑n

(AnPn|Pnx) ≤(∑

n

‖AnPnx‖2)1/2(∑

n

‖Pnx‖2)1/2

= ‖Ax‖‖x‖,

also haben wir D(A) ⊆ D(A1/2). Die Menge aller x ∈ H mit Pnx 6= 0 nur fur endlich viele nliegt in D(A) und ist dicht in D(A1/2) bzgl. der Graphennorm von A1/2. Klar ist Symmetrievon A1/2. Wegen −1−A = (i±A1/2)(i∓A1/2) ist i±A1/2 surjektiv. Selbstadjungiertheitfolgt dann aus 5.12 und 5.14. Der Nachweis der algebraischen Eigenschaft ist leicht.

Sei nun V dicht in H und a : V ×V → C symmetrisch, sektoriell und abgeschlossen, sowieA ∼ a. Dann gilt

D(A1/2) = V und ‖A1/2u‖H = a(u, u) fur u ∈ V .

Beweis. Fur u ∈ D(A) ⊆ D(A1/2) ∩ V gilt

a(u, u) = (Au|u) = (A1/2u|A1/2u) = ‖A1/2u‖2H ,

und D(A) ist dicht sowohl in(D(A1/2),

(‖u‖2

H + ‖A1/2u‖2H

)1/2)als auch (nach 6.3) in(

V,(a(u, u) + ‖u‖2

H

)1/2). Daraus folgt die Behauptung.

69

Square Root Prblem (Kato ’61/’62: Sei V dicht in H, a : V × V → C symmetrisch,sektoriell und abgeschlossen, sowie A ∼ a, B ∼ Re a. Gilt D(B1/2) = D(A1/2) und‖B1/2u‖ ∼ ‖A1/2u‖? Hierbei wird B1/2 uber den holomorphen Funktionalkalkul definiert(siehe unten).

Die Antwort ist i.a. “Nein” (McIntosh). Die Antwort ist “Ja” fur elliptische Operatoren inDivergenzform A = −div (a(·)∇) auf dem Rd (McIntosh et al. ’01).

6.6. Operatoren mit kompakter Resolvente: Sei V dicht in H, a : V × V → Csymmetrisch, sektoriell und abgeschlossen, sowie A ∼ a. Dann sind aquivalent

(i) A hat kompakte Resolventen,

(ii) die Einbettung V → H ist kompakt,

(iii) A1/2 hat kompakte Resolventen.

In diesem Falle kann man die Eigenwerte von A (mit Vielfachheit gezahlt) der Große nachordnen 0 ≤ λ1 ≤ λ2 ≤ . . . und es gilt fur jedes n ∈ N die “Minimax”-Formel

λn = infλ(L) : L ⊆ V, dimL = n,

wobei λ(L) = maxa(u, u) : u ∈ L, ‖u‖ = 1.

Beweis. Wir wahlen eine zugehorige orthonormale Folge (en) aus Eigenvektoren. Dann

gilt Au =∑

j λj(u|ej)ej, A1/2u =∑

j λ1/2j (u|ej)ej, sowie a(u, u) =

∑j λj|(u|ej)|2. Klar

ist λ1 = infa(u, u) : u ∈ V . Sei nun n ≥ 2 und Mn := spane1, . . . , en. Dann giltλ(Mn) = λn. Sei umgekehrt L Teilraum von V der Dimension n und Pu :=

∑n−1j=1 (u|ej)ej

die Orthogonalprojektion in H auf Mn−1. Aus Dimensionsgrunden finden wir u0 ∈ L mit‖u0‖ = 1 und Pu0 = 0, dh mit u0 ⊥ ej fur j = 1, . . . , n− 1. Es ist dann

a(u0, u0) =∞∑j=n

λj|(u0|ej)|2 ≥ λn

∞∑j=n

|(u0|ej)|2 = λn‖u0‖2 = λn.

Die Aussage ist bewiesen.

Mehr dazu findet man in Abschnitt 4.5 von Davies: Spectral Theoy and Differential Oper-ators.

Beispiele: (1) Sei Ω ⊆ Rd ein beschranktes Gebiet, dann ist die Einbettung W 1,20 (Ω) →

L2(Ω) kompakt. Wir konnen die Formel also auf den Dirichlet-Laplace auf Ω anwenden.

(2) Sei Ω ⊆ Rd ein beschranktes Gebiet mit ∂Ω ∈ C1, dann ist die Einbettung W 1,2(Ω) →L2(Ω) kompakt. Wir konnen die Formel also auf den Neumann-Laplace auf Ω anwenden.

70

6.7. Spektralprojektionen: Sei A ein abgeschlossener Operator in einem BanachraumX. Es gelte σ(A) = σ0 ∪ σ1, wobei σ0 ∩ σ1 = ∅, σ0 kompakt ist und σ1 abgeschlossen. Wirfinden endlich viele geschlossene stuckweise C1-Kurven Γ in C \ σ(A) so, dass

n(z,Γ) =

1 , z ∈ σ0

0 , z ∈ σ1,

wobei n(z,Γ) := 12πi

∫Γ

dζζ−z die Windungszahl ist, die angibt, wie oft der Punkt z von Γ im

mathematisch positiven Sinne umlaufen wird. Sei

P :=1

2πi

∫Γ

R(λ,A) dλ =1

2πi

∫ 1

0

R(γ(t), A)γ(t) dt

wobei γ : [0, 1]→ C eine regulare Parametrisierung von Γ ist und das Integral ein Riemann-Integral mit Werten in L(X) ist.

Der Operator P hat die folgenden Eigenschaften:

(a) P ∈ L(X) und P 2 = P , dh P ist eine Projektion.

(b) P kommutiert mit A, dh fur x ∈ D(A) gilt Px ∈ D(A) und APx = PAx. Weiter giltX0 := R(P ) ⊆ D(A).

(c) Setzen wir A0 := A|X0 , so gilt A0 ∈ L(X0) und σ(A0) = σ0.

(d) Sei X1 := N(P ) und A1 definiert als die Einschrankung von A auf D(A1) := D(A)∩X1. Dann ist A1 ein abgeschlossener linearer Operator in X1 und σ(A1) = σ1.

Fur den Beweis benotigen wir das Folgende.

6.8. Holomorphe Funktionen mit Werten in einem Banachraum: Der CauchyscheIntegralsatz und die Cauchysche Integralformel gelten fur X-wertige holomorphe Funktio-nen f : Ω→ X: ∫

Γ

f(z) dz = 0 and1

2πi

∫Γ

f(z)

z − z0

dz = f(z0)

wenn Γ eine endliche Familie von geschlossenen stuckweise C1-Kurven ist n(z,Γ) = 0 furalle z 6∈ Ω und n(z0,Γ) = 1.

Beweis von 6.7. (a) P ∈ L(X) ist wohldefiniert, da t 7→ R(γ(t), A)γ(t) stuckweise stetig istmit Werten in L(X). Nach dem Cauchyschen Integralsatz hangt P nicht von der speziellenWahl von Γ ab, so dass wir eine andere Familie Γ′ finden mit n(λ,Γ′) = 1 fur alle λ ∈ Γ(Γ′ umlauft alle Punkte von Γ genau einmal) und n(µ,Γ) = 0 fur alle µ ∈ Γ′. Somit ist Γ

71

“innerhalb” von Γ′. Nach der Resolventengleichung und 6.8 gilt dann

P 2 =( 1

2πi

)2∫

Γ

∫Γ′R(λ,A)R(µ,A) dµ dλ

=( 1

2πi

)2∫

Γ

∫Γ′

R(λ,A)−R(µ,A)

µ− λdµ dλ

=1

2πi

∫Γ

1

2πi

∫Γ′

1

µ− λdµ︸ ︷︷ ︸

=1

R(λ,A) dλ+( 1

2πi

)2∫

Γ′

∫Γ

R(µ,A)

µ− λdλ︸ ︷︷ ︸

=0

=1

2πi

∫Γ

R(λ,A) dλ = P.

(b) Tatsachlich ist t 7→ R(γ(t), A)γ(t) sogar stuckweise stetig mit Werten in L(X, [D(A)]),somit gilt P ∈ L(X, [D(A)]), insbesondere also R(P ) ⊆ D(A). Wir haben also

AP =1

2πi

∫Γ

AR(λ,A) dλ,

wobei t 7→ AR(γ(t), A)γ(t) stuckweise stetig mit Werten in L(X) ist. Fur x ∈ D(A) giltAR(λ,A)x = R(λ,A)Ax, woraus APx = PAx folgt. Ende Do

12.07.18(c) und (d): Da P ∈ L(X) eine Projektion ist, ist X0 = R(P ) ein abgeschlossener Teilraumvon X. Nach (b) gilt A0 : X0 → X0. Aus der Abgeschlossenheit von A folgt die von A0,somit ist A0 ∈ L(X0). Offensichtlich kommutiert P mit den Resolventen von A, weshalbX0 invariant unter den Resolventen von A ist. Daraus folgt σ(A0) ⊆ σ(A), und R(λ,A0) =R(λ,A)|X0 fur λ ∈ ρ(A).

Fur µ ∈ σ1 setzen wir

Rµ :=1

2πi

∫Γ

R(λ,A)

µ− λdλ.

Dann gilt Rµ|X0 ∈ L(X0), und wegen AR(λ,A) = λR(λ,A)− IX haben wir

(µ− A0)Rµ|X0 =1

2πi

∫Γ

(µ− A)R(λ,A)|X0

µ− λdλ = P |X0 +

1

2πi

∫Γ

IX0

µ− λdλ = IX0 .

Da Rµ|X0 mit µ−A0 kommutiert, gilt auch Rµ|X0(µ−A0) = IX0 . Somit ist µ ∈ ρ(A0) undR(µ,A0) = Rµ|X0 . Wir haben gezeigt σ(A0) ⊆ σ0.

Genauso ist X1 invariant unter den Resolventen von A, und folglich σ(A1) ⊆ σ(A). Furµ ∈ σ0 sei

Rµ :=1

2πi

∫Γ

R(λ,A)

µ− λdλ.

Dann kommutiert Rµ ∈ L(X, [D(A)]) mit den Resolventen von A, also auch mit P , undRµ|X1 ∈ L(X1). Fur x ∈ X1 gilt

(µ− A)Rµx =1

2πi

∫Γ

R(λ,A)x dλ︸ ︷︷ ︸=Px=0

+1

2πi

∫Γ

x

µ− λdλ = −x.

72

Da Rµ mit A kommutiert, erhalten wir µ ∈ ρ(A1) und R(µ,A1) = −Rµ|X1 . Also istσ(A1) ⊆ σ1 gezeigt.

Die Zerlegung X = X0⊕X1 fuhrt zu der Zerlegung(A0

00A1

)von A mit Definitionsbereich

X0⊕D(A1). Damit ist klar, dass σ(A) = σ(A0)∪ σ(A1). Wegen σ(Aj) ⊆ σj (j = 0, 1) undσ0 ∩ σ1 = ∅ folgt σ(Aj) = σj fur j = 0, 1.

6.9. Der Dunfordsche Funktionalkalkul: Sei A ein beschrankter linearer Operator inX. Dann ist σ(A) kompakt.

(1) Sei U ⊆ C eine offene Umgebung von σ(A). Dann finden wir eine endliche Familie vongeschlossenen stuckweise C1-Kurven Γ mit n(z,Γ) = 1 fur z ∈ σ(A) und n(z,Γ) = 0 furz 6∈ U . Sei f : U → C eine holomorphe Funktion. Setze

f(A) :=1

2πi

∫Γ

f(λ)R(λ,A) dλ.

Dann gilt f(A) ∈ L(X) und die Definition hangt nicht von der Wahl von Γ ab.

(2) Die Abbildung Ψ : f 7→ f(A) ist linear und multiplikativ (also ein Algebrenhomomor-phismus), und

pn(A) = An fur alle n ∈ N0, wobei pn(λ) := λn,

dh Ψ ist ein Funktionalkalkul fur den Operator A fur Funktionen, die holomorph in einerUmgebung von σ(A) sind.

Beweis. (1) ist klar. (2): Linearitat ist klar. Der Beweis der Multiplikativitat ist ahnlichzu den Argumenten im Beweis von 6.7(a). Daraus folgt

pn(A) =1

2πi

∫Γ

λnR(λ,A), dλ = p1(A)n, n ∈ N0.

Außerdem gilt Ap0(A) = p1(A)p0(A). Somit mussen wir noch p0(A) = IX zeigen. Wirwenden 6.7 mit σ0 = σ(A) und σ1 = ∅ an. Dann gilt A1 ∈ L(X1) (da A ∈ L(X)), undσ(A1) = σ1 = ∅. Also ist X1 = 0, X0 = X, und p0(A) = P = IX .

6.10. Sektorielle Operatoren: Sei X ein Banachraum und ω ∈ [0, π). Ein linearer Op-erator A in X heißt sektoriell vom Winkel ω, falls σ(A) ⊆ Σω und fur jedes θ ∈ (ω, π) einMθ > 0 existiert mit

‖R(λ,A)‖ ≤ Mθ

|λ|fur alle λ ∈ C \ Σθ.

Warnung: Die Definition dieses Begriffes in der Literatur ist nicht einheitlich!

Beispiel: Sei V dicht im Hilbertraum H, a : V ×V → C sektoriell vom Winkel ω ∈ [0, π/2)und abgeschlossen, sowie A ∼ a. Dann ist A sektoriell vom Winkel ω. Insbesondere ist einselbstadjungierter Operator A mit A ≥ 0 sektoriell vom Winkel 0.

73

6.11. Holomorpher Funktionalkalkul fur sektorielle Operatoren: Sei ω ∈ [0, π), Asektoriell vom Winkel ω im Banachraum X und zusatzlich D(A) dicht in X, A injektivund R(A) dicht in X.

Bemerkung: (ohne Beweis) Ist R(A) dicht in X, so ist A injektiv. Die Umkehrung gilt,wenn X reflexiv ist.

Bemerkung: Fur alle x ∈ X gilt λ(λ + A)−1x → x (λ → ∞) und A(λ + A)−1x → x(λ→ 0+), hier soll λ > 0 reell sein.

Beweis. Es gilt M := supλ>0 ‖λ(λ + A)−1‖ < ∞ und supλ>0 ‖A(λ + A)−1‖ ≤ M + 1. Esreicht also, Konvergenz auf einer dichten Teilmenge einzusehen. Fur x ∈ D(A) gilt

λ(λ+ A)−1x− x = −A(λ+ A)−1x = −λ−1 λ(λ+ A)−1Ax︸ ︷︷ ︸beschr.

→ 0 (λ→∞),

und fur x = Ay ∈ R(A) gilt

A(λ+ A)−1x− x = −λ(λ+ A)−1x = −λA(λ+ A)−1y︸ ︷︷ ︸beschr.

→ 0 (λ→ 0+).

Ende Di17.07.18Fur θ ∈ (0, π) bezeichne Σ0

θ das Innere von Σθ, und H∞(Σ0θ) sei die Menge aller holomor-

phen Funktionen ϕ : Σ0θ → C, fur die es ε, C > 0 gibt mit |ϕ(z)| ≤ C min|z|ε, |z|−ε fur

alle z ∈ Σ0θ.

Beispiel: Es gilt ϕ(z) = z(1+z)2

= 11+z− 1

(1+z)2∈ H∞(Σ0

θ) fur jedes θ ∈ (0, π).

Fur θ ∈ (ω, π) und ϕ ∈ H∞(Σ0θ) setzen wir

ϕ(A) :=1

2πi

∫Γσ

ϕ(λ)R(λ,A) dλ,

wobei Γσ = ∂Σσ mit σ ∈ (ω, θ) parametrisiert ist durch γσ(t) = |t|e−iσsgn (t), t ∈ R, und dasIntegral ein absolut konvergentes uneigentliches Riemann-Integral mit Werten in L(X) ist(oder ein Bochner-Integral. Beachte dabei, dass auf Γσ gilt

‖ϕ(λ)R(λ,A)‖ ≤ CMσ|λ|−1 min|λ|ε, |λ|−ε = CMσ min|λ|ε−1, |λ|−1−ε.

Nach dem Cauchyschen Integralsatz hangt die Definition nicht von σ ∈ (ω, θ) ab: Manschneide fur ω < σ < σ < θ und 0 < r < R die Menge Σσ \ Σσ mit B(0, R) \ B(0, r) undintegriere ϕ(λ)R(λ,A) uber den Rand. Nach Cauchy ist das = 0. Die Abschatzungen desIntegranden uber |λ| = R bzw. |λ| = r lauten . rε−1 bzw. . R−ε−1 mit Intervalllange ∼ rbzw. ∼ R. Die Integrale uber diese Teile gehen also gegen 0 fur r → 0+ bzw. R→∞.

74

Die Abbildung H∞0 (Σ0θ) → L(X), ϕ 7→ ϕ(A) ist linear und multiplikativ. Der Beweis fur

Multiplikativitat ist dabei ahnlich zu 6.9. Man muss nur beachten, dass mittels Cauchy furg ∈ H∞0 (Σ0

θ) gilt1

2πi

∫Γσ

g(λ)

λ− µdµ =

g(λ) , λ ∈ Σ0

σ

0 , λ 6∈ Σσ.

Klar ist außerdem, dass ϕ(A) mit den Resolventen von A kommutiert.

Eine erste Erweiterung: Fur

F ∈ H∞0 (Σ0θ) + span

1

1 + z, 1

=;E(Σ0θ),

dh fur F (z) = ϕ(z) + a1+z

+ b mit ϕ ∈ H∞0 (Σ0θ) setzen wir

F (A) := ϕ(A) + a(1 + A)−1 + bI ∈ L(X).

Dann ist E(Σ0θ) → L(X) linear und multiplikativ. Linearitat ist wieder klar. Zum Beweis

der Multiplikativitat sei G = ψ+ c1+z

+ d ∈ E(Σ0θ). Wir betrachten das Produkt mit F von

oben. Von den neun Termen mussen wir uns nur aψ1+z

, cϕ1+z

und ac(1+z)2

naher ansehen.

Lemma 1: Fur ϕ ∈ E(Σ0θ) gilt

(1 + A)−1ϕ(A) =1

2πi

∫Γσ

ϕ(λ)

1 + λ

R(λ,A)dλ.

Zum Beweis beachte wieder (1+A)−1R(λ,A) = (1+λ)−1(R(λ,A)−R(−1, A)) und verwendeden Cauchyschen Satz fur Sektoren.

Lemma 2: Ist F ∈ H∞0 (Σ0θ)+span(1+z)−1 holomorph auf einer Umgebung von B(0, δ),

so gilt

F (A) =1

2πi

∫Γσ,δ

F (λ)R(λ,A) dλ,

wobei Γσ,δ = ∂(Γσ ∪ B(0, δ)) naturlich parametrisiert ist, dh der Rand wird mitGeschwindigkeit 1 durchlaufen, wobei das umrandete Gebiet links liegt. Fur δ < 1 giltaußerdem

(1 + A)−1F (A) =1

2πi

∫Γσ,δ

F (λ)

1 + λR(λ,A) dλ.

Beweis. Nach Cauchy ist die Aussage klar fur ϕ ∈ H∞0 . Wir mussen sie also nur furF (z) = (1 + z)−1 einsehen, dh wir mussen zeigen

(1 + A)−1 =1

2πi

∫Γσ,δ

R(λ,A)

1 + λdλ.

Fur R > 1 integrieren wir dazu uber den Rand von (C \ (Σθ ∪ B(0, δ)) ∩ B(0, R). NachCauchy ist dieses Integral = −R(−1, A) = (1 + A)−1. Fur |λ| = R hat man fur denIntegranden die Abschatzung . R−2, wobei die Intervalllange ∼ R ist. Das Integral uberdiesen Teil lasst sich also abschatzen . R−1 und verschwindet fur R → ∞. Die zweiteFormel beweist man so ahnlich wie Lemma 1.

75

Mittels Lemma 1 und Lemma 2 folgt die Multiplikativitat. Wir erhalten außerdem, dassfur ϕ(z) = z(1 + z)−2 = (1 + z)−1 − (1 + z)−2 gilt ϕ(A) = A(1 +A)−2. Dieser Operator istinjektiv.

Beispiel: Fur t > 0 ist F (z) = e−tz ∈ H∞0 (Σθ) + span(1 + z)−1. Es gilt dann e−tAe−sA =e−(t+s)A fur alle t > 0. Nimmt man δ = 1/t, so erhalt man als Normabschatzung

‖e−tA‖ ≤ Mσ

π

∫ ∞1/t

e− cos(σ)tr dr

r+Mσt

∫ 2π

0

e−Re (teiα/t)/t dα,

wobei die rechte Seite unabhangig von t ist. Somit gilt supt>0‖e−tA‖ < ∞. Man kannzeigen, dass z → e−zA analytisch ist auf einem geeigneten Sektor (→ beschrankt analytischeHalbgruppen, Evolutionsgleichungen).

Ubrigens gilt fur jedes ϕ ∈ H∞0 (Σ0θ) mittels Abschatzung des Kurvenintegrals

supt>0 ‖ϕ(tA)‖ <∞.

6.12. Unbeschrankter Funktionalkalkul: In der Situation von 6.11 sei F : Σ0θ → C

holomorph und so, dass es ein g ∈ H∞0 (Σ0θ) mit Fg ∈ H∞0 (Σ0

θ) und g(A) injektiv gibt. Einsolches g heißt Regularisierer fur F . Man setzt dann

F (A) := g(A)−1(Fg)(A),

dh fur x, y ∈ X gilt x ∈ D(F (A)) und F (A)x = y genau dann, wenn (Fg)(A)x = g(A)yist. Beachte, dass F (A) abgeschlossen ist.

Beispiel: Gibt es ein C > 0 mit |F (z)| ≤ C max|z|−n, |z|n, so ist fur m > n die Funktionz 7→ zm(1 + z)−2m ein Regularisierer fur F .

F (A) ist wohldefiniert: Sei h ein weiterer Regularisierer fur F . Dann ist auch gh ein Reg-ularisierer fur F und (Fg)(A)x = g(A)y ist aquivalent zu h(A)(Fg)(A)x = h(A)g(A)y.Links steht (Fgh)(A)x = g(A)(Fh)(A)x und rechts g(A)h(A)y. Somit ist dies aquivalentzu (Fh)(A)x = h(A)y.

F 7→ F (A) ist “linear”: Ist g Regularisierer fur F und h Regularisierer fur G, so ist ghRegulariserer fur F und fur G. Linearitat ist jetzt leicht zu zeigen.

F 7→ F (A) ist “multiplikativ”: Es gilt F (A)G(A) = (FG)(A) auf D(F (A)G(A)) =D(G(A)) ∩D((FG)(A))

Beweis. Sei g Regularisierer fur F und h Regularisierer fur G. Dann ist gh Regularisiererfur FG. Sei nun zunachst x ∈ D(G(A)) und G(A)x = y ∈ D(F (A)) und F (A)y = z. Dannist

(FGgh)(A)x = (Fg)(A)(Gh)(A)x = (Fg)(A)h(A)y = h(A)(Fg)(A)y = h(A)g(A)z = (gh)(A)z,

also x ∈ D((FG)(A)) und (FG)(A)x = z. Sei umgekehrt x ∈ D(G(A))∩D((FG)(A)) undy = G(A)x, z = (FG)(A)x. Zu zeigen ist dann y ∈ D(F (A)) und F (A)y = z. Es ist abergh Regularisierer fur F und

(gh)(A)z = (FGgh)(A)x = (Fg)(A)(Gh)(A)x = (Fg)(A)h(A)y = (Fgh)(A)y,

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woraus dies folgt.

6.13. Gebrochene Potenzen: Fur α ∈ R sei Fα(z) := zα. Dann hat Fα Regularisiererund Aα := Fα(A) ist wohldefiniert. Fur alle α, β ∈ R gilt dann

AαAβ = Aα+β auf D(AαAβ) = D(Aβ) ∩D(Aα+β).

6.14. Beschrankter H∞-Kalkul: Jedes F ∈ H∞(Σ0θ) besitzt Regularisierer und F (A) ist

ein wohldefinierter abgeschlossener Operator in X. Man sagt, dass A einen beschranktenH∞(Σ0

θ)-Kalkul besitzt, falls ein C > 0 existiert mit

‖F (A)‖ ≤ C‖F‖∞,Σ0θ

fur alle F ∈ H∞(Σ0θ).

Man kann zeigen, dass dies genau dann der Fall ist, wenn es ein C > 0 gibt mit

‖ϕ(A)‖ ≤ ‖ϕ‖∞,Σ0θ

fur alle ϕ ∈ H∞0 (Σ0θ).

Das liegt i.w. an dem sogenannten “Konvergenzlemma”. Fur mehr dazu und zum be-schrankten H∞-Kalkul verweisen wir auf Kapitel 5 in

M. Haase: The Functional Calculus for Sectorial Operators, Birkhauser 2006,

bzw. Section 9 in

P. Kunstmann, L. Weis: Maximal Lp-Regularity for Parabolic Equations,Fourier Multiplier Theorems and H∞-Functional Calculus, in Functional Ana-lytic Methods for Evolution Equations, Springer Lecture Notes 1855, Springer2004, pp. 65–312.

Beispiel:2 Fur m ∈ N betrachten wir in L2(Rd) den Operator Ende Do19.07.18

A :=∑|α|=2m

aα∂α mit D(A) := W 2m,2(Rd),

wobei aα ∈ C fur |α| = 2m. Fur u ∈ W 2m,2(Rd) und ξ ∈ Rd gilt

Au(ξ) =∑|α|=2m

aα∂αu(ξ) =∑|α|=2m

aα(2πiξ)αu(ξ).

Beachte (2πiξ)α = (2πi)|α|ξα, so dass

Au(ξ) = 2π2m(−1)m∑|α|=2m

aαξα

︸ ︷︷ ︸=:a(ξ)

u(ξ), ξ ∈ Rd,

2In der Vorlesung nur fur m = 1 und sehr knapp.

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undAu = F−1(ξ 7→ a(ξ)u(ξ)).

Die Funktion a : Rd → C, ξ 7→ a(ξ), heißt Symbol des Differentialoperators A. Offen-sichtlich gilt

|a(ξ)| ≤ C|ξ|2m, ξ ∈ Rd,

fur C := (2π)2m∑|α|=2m |aα|. Der Operator A heißt elliptisch, falls es ein η > 0 gibt mit

|a(ξ)| ≥ η|ξ|2m, ξ ∈ Rd.

Dies gilt genau dann, wenn a(ξ) 6= 0 fur alle ξ ∈ Rd \ 0 (man kann dann η := inf|a(ξ)| :|ξ| = 1 nehmen, da |a(ξ)| = |ξ|2m|a(ξ/|ξ|)| ≥ η|ξ|2m fur ξ ∈ Rd \ 0).Ist A elliptisch, so ist A abgeschlossen in L2(Rd), da das Quadrat der Graphennorm

‖u‖22 + ‖Au‖2

2 = ‖u‖22 + ‖Au‖2

2 =

∫Rd

(1 + |a(ξ)|2)|u(ξ)|2 dξ

aquivalent ist zu∫Rd

(1 + |ξ|4m)|u(ξ)|2 dξ, dh to

∫Rd

(1 + |ξ|2)2m|u(ξ)|2 dξ = ‖u‖2H2m,2 .

Der Operator A ist unitar aquivalent zum Multiplikationsoperator f 7→ a · f mit Defini-tionsbereich f ∈ L2 : a · f ∈ L2, und wir haben somit

σ(A) = a(ξ) : ξ ∈ Rd.

Gilt a(ξ) ∈ Σω fur ein ω ∈ [0, π), so ist A sektoriell vom Winkel ω in L2(Rd); beachte dazu,dass fur λ 6∈ Σω gilt

(λ− A)−1f = F−1(ξ 7→ (λ− a(ξ))−1f(ξ))

und somit ‖(λ− A)−1‖ = ‖λ− a(·))−1‖ = 1/d(λ, σ(A)).

Ist θ ∈ (ω, π), so gilt fur ϕ ∈ H∞0 (Σ0θ), dass der Operator ϕ(A) das Symbol

ξ 7→ 1

2πi

∫Γσ

ϕ(λ)

λ− a(ξ)dλ = ϕ(a(ξ))

ha, wobei die Cauchyformel fur Sektoren verwendet haben. Wir erhalten so die Abschatzung

‖ϕ(A)‖ ≤ ‖ϕ‖∞,Σω , ϕ ∈ H∞0 (Σ0θ),

und A hat einen beschrankten H∞(Σ0θ)-Kalkul fur jedes θ ∈ (ω, π).

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