sicherheitsaspekte bei der prozessentwicklung und kleinmengenproduktion mit mikroreaktoren

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Übersichtsbeitrag Sicherheitsaspekte bei der Prozessentwicklung und Kleinmengenproduktion mit Mikroreaktoren Norbert Kockmann DOI: 10.1002/cite.201100222 Die geschlossene Bauweise, gute Wärmeabfuhr und das kleine innere Volumen von Mikroreaktoren erlauben die sichere Durchführung von anspruchsvollen und gefährlichen Reaktionen. Neben einem robusten und scale-up-fähigen Reaktor müssen die Pumpen, Auffangbehälter und eventuelle Trennoperationen für das Sicherheitskonzept genau betrachtet wer- den. Vier Beispiele mit organometallischen Reaktionen und Nitrierungen erläutern das Vorgehen bei der Prozessentwick- lung unter Sicherheitsaspekten. Zwei Checklisten zur Prozess- und Arbeitssicherheit unterstützen das systematische Vor- gehen bei der Risikoanalyse auf Basis der HAZOP-Methode. Schlagwörter: Anlagenplanung, HAZOP, Mikroreaktor, Prozessentwicklung, Reaktorstabilität, Sicherheitsgespräch, Wärmeübergang Eingegangen: 06. November 2011; revidiert: 17. Februar 2012; akzeptiert: 22. Februar 2012 Safety Aspects during Process Development and Small Scale Production with Microreactors Closed handling, enhanced heat transfer, and the small internal volume of microreactors allow for safe processing of chal- lenging and hazardous reactions. Besides a robust and scalable reactor, pumps, vessels, and separation units have to be considered in the safety concept. Four examples with organometallic reactions and nitrations illustrate various safety aspects during process development. Two checklists assist the systematic approach in the risk assessment on the basis of the HAZOP method. Keywords: HAZOP, Heat transfer, Microreactor, Plant design, Processdevelopment, Reaction runaway, Safety assessment 1 Einleitung Mikroreaktoren bieten mit ihrem geringen inneren Volu- men hervorragende Bedingungen zur Durchführung an- spruchsvoller und gefährlicher Reaktionen und sind ein wichtiger Baustein zur Prozessintensivierung [1, 2]. Kleine Kanalquerschnitte erzeugen einen sehr hohen Wärmeüber- gang und bieten eine sehr gute thermische Reaktionskon- trolle für schnelle und stark exotherme Reaktionen [3]. In der organischen Synthese werden vermehrt anspruchsvolle, exotherme Reaktionen in der Flüssigphase durchgeführt, die häufig eine starke Verdünnung oder niedrige Tempera- turen erfordern [4]. Durch die Art der Reaktionen und die eingestellten Prozessbedingungen werden schnell sicher- heitsrelevante Punkte wichtig, wobei die Sicherheit von Mikroreaktoren häufig nur auf den Apparat bezogen wird [5, 6]. Oft wird aber übersehen, dass extreme Reaktions- bedingungen auch vor oder hinter dem Apparat in Rohrlei- tungen oder Verteilerstrukturen entstehen können [7]. Rea- genzien können z. B. durch Pumpenfehler schon im Zulauf in Kontakt kommen, oder eine unvollständige Reaktion im Mikroreaktor kann zu einer chemischen Reaktion im Reak- torauslass führen. Die Prozessentwicklung und Kleinmengenproduktion mit Mikroreaktoren findet in einer Laborumgebung statt, in der man eine Vielzahl an Geräten wie Pumpen, Sensoren sowie ein Prozessleitsystem in kostengünstiger und flexib- ler Ausführung einsetzen kann. Diese Geräte sind relativ einfach und schnell auf- und umzubauen. Zudem ist die Menge und Art der einsetzbaren Stoffe und Lösungsmittel durch die kleinen Volumina begrenzt, was auch schon einen wesentlichen Beitrag zur Sicherheit leistet [8]. In der Risikoanalyse für Laboranlagen wird das Gefahrenpotenzial diskutiert und Sicherheitsmaßnahmen festgelegt. Dabei Chemie Ingenieur Technik Chemie Ingenieur Technik 2012, 84, No. 5, 715–726 © 2012 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.cit-journal.com Prof. Norbert Kockmann ([email protected]), Techni- sche Universität Dortmund, Fakultät Bio- und Chemieingenieur- wesen, Emil-Figge-Straße 68, 44227 Dortmund, Deutschland. Anlagenplanung 715

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Übersichtsbeitrag

Sicherheitsaspekte bei der Prozessentwicklungund Kleinmengenproduktion mit MikroreaktorenNorbert Kockmann

DOI: 10.1002/cite.201100222

Die geschlossene Bauweise, gute Wärmeabfuhr und das kleine innere Volumen von Mikroreaktoren erlauben die sichere

Durchführung von anspruchsvollen und gefährlichen Reaktionen. Neben einem robusten und scale-up-fähigen Reaktor

müssen die Pumpen, Auffangbehälter und eventuelle Trennoperationen für das Sicherheitskonzept genau betrachtet wer-

den. Vier Beispiele mit organometallischen Reaktionen und Nitrierungen erläutern das Vorgehen bei der Prozessentwick-

lung unter Sicherheitsaspekten. Zwei Checklisten zur Prozess- und Arbeitssicherheit unterstützen das systematische Vor-

gehen bei der Risikoanalyse auf Basis der HAZOP-Methode.

Schlagwörter: Anlagenplanung, HAZOP, Mikroreaktor, Prozessentwicklung, Reaktorstabilität, Sicherheitsgespräch,Wärmeübergang

Eingegangen: 06. November 2011; revidiert: 17. Februar 2012; akzeptiert: 22. Februar 2012

Safety Aspects during Process Development and Small Scale Production with Microreactors

Closed handling, enhanced heat transfer, and the small internal volume of microreactors allow for safe processing of chal-

lenging and hazardous reactions. Besides a robust and scalable reactor, pumps, vessels, and separation units have to be

considered in the safety concept. Four examples with organometallic reactions and nitrations illustrate various safety

aspects during process development. Two checklists assist the systematic approach in the risk assessment on the basis of

the HAZOP method.

Keywords: HAZOP, Heat transfer, Microreactor, Plant design, Process development, Reaction runaway, Safety assessment

1 Einleitung

Mikroreaktoren bieten mit ihrem geringen inneren Volu-men hervorragende Bedingungen zur Durchführung an-spruchsvoller und gefährlicher Reaktionen und sind einwichtiger Baustein zur Prozessintensivierung [1, 2]. KleineKanalquerschnitte erzeugen einen sehr hohen Wärmeüber-gang und bieten eine sehr gute thermische Reaktionskon-trolle für schnelle und stark exotherme Reaktionen [3]. Inder organischen Synthese werden vermehrt anspruchsvolle,exotherme Reaktionen in der Flüssigphase durchgeführt,die häufig eine starke Verdünnung oder niedrige Tempera-turen erfordern [4]. Durch die Art der Reaktionen und dieeingestellten Prozessbedingungen werden schnell sicher-

heitsrelevante Punkte wichtig, wobei die Sicherheit vonMikroreaktoren häufig nur auf den Apparat bezogen wird[5, 6]. Oft wird aber übersehen, dass extreme Reaktions-bedingungen auch vor oder hinter dem Apparat in Rohrlei-tungen oder Verteilerstrukturen entstehen können [7]. Rea-genzien können z. B. durch Pumpenfehler schon im Zulaufin Kontakt kommen, oder eine unvollständige Reaktion imMikroreaktor kann zu einer chemischen Reaktion im Reak-torauslass führen.

Die Prozessentwicklung und Kleinmengenproduktionmit Mikroreaktoren findet in einer Laborumgebung statt, inder man eine Vielzahl an Geräten wie Pumpen, Sensorensowie ein Prozessleitsystem in kostengünstiger und flexib-ler Ausführung einsetzen kann. Diese Geräte sind relativeinfach und schnell auf- und umzubauen. Zudem ist dieMenge und Art der einsetzbaren Stoffe und Lösungsmitteldurch die kleinen Volumina begrenzt, was auch schoneinen wesentlichen Beitrag zur Sicherheit leistet [8]. In derRisikoanalyse für Laboranlagen wird das Gefahrenpotenzialdiskutiert und Sicherheitsmaßnahmen festgelegt. Dabei

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Chemie Ingenieur Technik 2012, 84, No. 5, 715–726 © 2012 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.cit-journal.com

–Prof. Norbert Kockmann ([email protected]), Techni-sche Universität Dortmund, Fakultät Bio- und Chemieingenieur-wesen, Emil-Figge-Straße 68, 44227 Dortmund, Deutschland.

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muss man die qualitative Analyse, die eher von grundsätz-lichen Überlegungen zur Risikovermeidung ausgeht, vonder quantitativen unterscheiden, in der konkrete Zahlen-werte behandelt werden. Beispielsweise darf ein gewisserGrenzwert nicht überschritten oder unterschritten werdenoder Mengenbegrenzungen müssen eingehalten werden.

In der Produktionsumgebung mit 24 h-Schichtbetrieb isteine andere Logistik möglich. Große Mengen an Lösungs-mittel, Reagenzien und Produkte können in großen Tanksund Rührbehältern eingesetzt werden und erlauben eineProduktion bis in den Tonnenbereich [9]. Für die Produk-tion müssen Reaktorgröße, Pumpen, Messgeräte undProzessleitsystem an die Umgebungsbedingungen der Pro-duktion angepasst werden [10]. Entsprechend dem Gefähr-dungspotenzial müssen auch die Risikoanalyse und dasSicherheitsgespräch aufgebaut sein [11]. Bei Gasphasen-Prozessen sind sicherheitstechnische Untersuchungen imExplosionsbereich schon fortgeschritten [6], allerdings gibtes noch keine Vorschriften für diese Bereiche in Mikroreak-toren.

In diesem Beitrag werden exotherme Reaktionen in derFlüssigphase und deren sicherheitstechnische Behandlungbeschrieben. In Abschn. 2 werden mikrostrukturierte Reak-toren und deren Charakteristik behandelt. Da ein genügendkleiner Rohr- oder Kanaldurchmesser nicht das alleinigeKonstruktionsmerkmal eines sicheren Anlagenbetriebs ist,werden weitere Maßnahmen vorgestellt, die zu einem siche-ren Reaktor- und Anlagenbetrieb gehören. Typische Beispiel-reaktionen zeigen die Anwendung und Umsetzung vonsicherheitstechnischen Maßnahmen mit Mikroreaktoren.Abschließend wird die Prozessentwicklung mit geeignetenSicherheitsbetrachtungen nach der HAZOP-Methode vorge-stellt. Es werden Checklisten zur Prozess- und Arbeitssicher-heit für die Unterstützung der Risikoanalyse angegeben, diejeder Benutzer für sich erweitern und ergänzen muss.

2 Modulare Mikroreaktoren und exothermeReaktionen

Mikroreaktoren können unterschie-den werden in Einkanal-Reaktorenund Apparate mit vielen parallelenKanälen. Beide können wie Rohreak-toren betrachtet werden und bietenden Vorteil eines geschlossenenHandlings von gefährlichen Stoffenund Reaktionen mit vergleichbarkleinem internem Volumen. DieKontrolle der Fluidverteilung auf par-allele Kanäle und Apparate istschwierig, allerdings für die Sicher-heit, Robustheit und auch Qualitätdes Prozesses wichtig. Daher wird imFolgenden ein modulares Reaktorsys-tem aus Platten mit nur einem Kanal

vorgestellt (s. Abb. 1), mit dem viele der hier präsentiertenErgebnisse gewonnen wurden.

Der Mikrokanal in der Reaktorplatte ermöglicht dieschnelle Vermischung der Edukte und ein kontrolliertesVerweilen mit guter Temperaturkontrolle durch intensiveKühlung. Die Reaktorplatte ist eingeklemmt zwischen Alu-miniumplatten, in denen das Kühlmittel mit hohem Durch-satz strömt. Die Reaktorplatte weist ein geringes inneresVolumen von wenigen Millilitern auf. Verschiedene Plattenwerden über extern verlaufende Rohrleitungen mit Schneid-ringverschraubungen miteinander verbunden, womit ver-schiedene Funktionen integriert oder die Verweilzeit unterkontrollierten Prozessbedingungen verlängert wird. Zudemwird damit eine Längenänderung durch thermische Einwir-kung ausgeglichen.

Die gesamte Anlage besteht aus Vorlagebehältern, Pum-pen, Mischer und Verweilstrecken, die in ein temperiertesBad getaucht sind, und ist schnell im Labor ohne große ver-fahrenstechnische Kenntnisse aufgebaut. Dort können ver-schiedene Prozessparameter studiert und optimiert werden.Der robuste Betrieb des Mikroreaktors im Labor ist eineGrundvoraussetzung für das Scale-up eines Prozesses vonersten Teststudien bis hin zur Produktion im Tonnenmaß-stab. Verschiedene Durchflussmengen können schon imLabor getestet werden. Hauptparameter sind die Verweil-zeit, der Druckverlust Dp und die Temperatur im Reaktor,die einen Einfluss auf Umsatz und Ausbeute der Reaktionhaben.

In verschiedenen Arbeiten wurde festgestellt [12 – 14],dass die Mischzeit proportional zum Energieeintrag (Ener-giedissipationsrate) skaliert.

e � Dp wDL q

(1)

Der Energieeintrag hängt vom Druckverlust Dp über dieKanallänge DL, von der mittleren Strömungsgeschwindig-keit w und der Dichte q ab [12]. Die Wärmübertragung wirdbei hohen Durchsätzen in größeren Kanalquerschnitten auf-grund der kleineren spezifischen Oberfläche geringer und

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Abbildung 1. Lonza Flowplate Reaktoren für Prozessentwicklung und chemische Produktion.Links: Plattenaufbau mit Misch- und Verweilkanälen für die Reagenzien im engen Kontaktmit den Kühlkanälen; rechts: typischer Aufbau des Plattenreaktors im A6-Format.

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die Gefahr des thermischen Durchgehens des Reaktors steigt.Diese Vorgänge können auf anschauliche Weise graphischim Semenov-Diagramm in Abb. 2 dargestellt werden.

Die Wärmeentwicklung der chemischen Reaktion ist alsgekrümmte Linie dargestellt, die Wärmeabfuhr als Geradein Abhängigkeit der Kühlmitteltemperatur T0 und der Reak-tionstemperatur. Die beiden Schnittpunkte der Liniengeben die Betriebszustände des Reaktors an. Der untereSchnittpunkt stellt den stabilen Betrieb dar. Eine Tempera-turerhöhung im Reaktor führt zu einer höheren Wärmeab-fuhr als Wärmeerzeugung und bringt die Reaktortempera-tur wieder zurück auf den Ausgangspunkt. Beim oberenSchnittpunkt ist die Wärmeerzeugung höher als die Wärme-abfuhr, die Reaktortemperatur steigt und kann nicht mehrstabil gehalten werden. Die Gerade der Wärmeabfuhr wirddurch den Wärmeübergang (Steigung) und die Kühlmittel-temperatur T0 (Achsenschnittpunkt) beeinflusst. Wenn beigegebener Wärmeabfuhr die Kühlmitteltemperatur erhöhtwird, fallen beide Schnittpunkte zu einem Punkt zusammen,der den stabilen Grenzbetrieb markiert. Für einen Rohr-reaktor gibt dieser Punkt den kritischen Durchmesser an,mit dem der Reaktor noch stabil betrieben werden kann.

Eine bekannte Auslegungsvorschrift zur Berechnungeines kritischen Rohr- oder Kanaldurchmessers, bei demdie exotherme Reaktion stationär gehalten werden kann,wurde von Frank-Kamenetzkii [16] für Verbrennungspro-zesse vorgeschlagen. Die kinetischen Parameter der chemi-schen Reaktion bestimmen die Schnelligkeit der Wärmeent-wicklung, während der Wärmeübergang im Fluid dieAbkühlrate bestimmt. Der Durchmesser eines Rohres musskleiner sein als der kritische Durchmesser, bei dem dieReaktion instabil wird [17],

dh�crit �8 af

S′tR

� �1

2 (2)

mit af als Temperaturleitfähigkeit des Fluids im Reaktor, tRals charakteristische Reaktionszeit und S′ als Wärmeerzeu-gungspotenzial

S′ � DTad

T0

Ea

RT0(3)

Wenn die konvektive Wärmeübertragung bei der Reak-tionssicherheit berücksichtigt wird, vergrößert sich der kriti-sche Durchmesser und wird berechnet zu

dh�crit � 1�19 af Nu

0�81 S′ � �����S′

� tR

� �1

2 (4)

für eine Reaktion erster Ordnung und mit der Nusselt-ZahlNu, dem dimensionslosen konvektiven Wärmeübergang.Weitere Informationen dazu sind in [17] zu finden. Eineähnliche Betrachtung stark exothermer Reaktionen wurdedurch Renken et al. [18] für die Herstellung von ionischenFlüssigkeiten im Mikroreaktor vorgestellt. Die Betrachtungreaktionskinetischer Parameter mit der Wärmeabfuhr imReaktor gibt eine gute Einschätzung für die thermische Sta-bilität der Reaktion und ist wichtig für die Sicherheit beimSkalieren des Prozesses.

Eine weitere Methode zur Verbesserung der Reaktorstabi-lität bei schnellen, exothermen Reaktionen ist die Auftei-lung eines Eduktstromes und damit die Verteilung derReaktionswärme auf eine größere Fläche. Dieses soge-nannte Multiinjektions-Prinzip ist in Abb. 3 erläutert.

Auf der linken Seite ist die Kanalstruktur in der Multi-injektionsplatte (Flowplate A5 Reaktor) mit vier Mischkanä-len dargestellt. Auf der rechten Seite sind der Temperatur-verlauf eines adiabaten Reaktors und eines gekühlten

Reaktors mit einer und vier Einspeisun-gen qualitativ über die Kanallänge dar-gestellt. Zu Beginn des Kanals unter-scheiden sich die Temperaturverläufedes adiabaten und gekühlten Reaktorskaum. Die Gefahr einer Hotspot-Bildungund eines instabilen Reaktorbetriebs istenorm hoch. Durch die Aufteilung einesEduktes kann die Reaktortemperatur we-sentlich gesenkt werden. Zusammen mitdem Temperaturverlauf in Abb. 3 istauch der Konzentrationsverlauf für vierDosierungen dargestellt, die nicht gleich-mäßig aufgeteilt sind. Durch die geringeMenge in der zweiten Einspeisung kanndie Temperatur am Anfang des Kanalsniedrig gehalten werden. Die Optimie-rung der Zuläufe ist allerdings abhängigvon der Reaktionskinetik und der Reak-torgeometrie und soll hier nicht weitervertieft werden.

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Abbildung 2. Semenov-Diagramm mit Wärmeerzeugung und -abfuhr als Funktion derReaktortemperatur [15]; T in [K] und UV in [106 W m–3K–1 oder kW L–1K–1], Reaktion 1. Ord-nung, k0 = 0,1 s–1, CA0 = 0,5 mol L–1, Ea/R = 5000 K, (–DHR) = –200 kJ mol–1.

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3 Typische chemische Reaktionen

In der Literatur findet man eine fast unüberschaubare Füllean chemischen Reaktionen, die in Mikroreaktoren durch-geführt wurden [1, 4]. Es gibt aber einige Gemeinsamkeitendieser Reaktionen, die im Folgenden skizziert werden. Sehrschnelle, mischkontrollierte Reaktionen werden im Rühr-behälter häufig unter kryogenen Prozessbedingungen oderhoher Verdünnung durchgeführt. Die schnelle Vermi-schung und gute Temperaturkontrolle macht sie zu idealenKandidaten zur Umsetzung in Mikroreaktoren. Zu diesemReaktionstyp gehören organometallische Reaktionen wieLithiierungen [19], Dibal-H-Reduktion (Diisobutyl-Alumi-niumhydrid) [20] oder Grignard-Reaktionen mit Magne-sium-Verbindungen [21]. Weitere schnelle Reaktionen sindAlkylierungen, Bromierungen, Chlorierungen oder Fluorie-rungen von organischen Molekülen.

Schnelle, aber kinetisch kontrollierte Reaktionen sind gutim kontinuierlichen Reaktor zu betreiben, wenn sie nichtlänger als 10 bis 30 min zum vollständigen Umsatz benöti-gen. Dazu gehören Kopplungsreaktionen von instabilenZwischenprodukten [22], Simmons-Smith-Reaktionen, Wit-tig-Reaktionen oder Oxidierungen. Die gute Temperatur-kontrolle und die kontrollierte Verweilzeit sind wesentlicheEigenschaften, die gezielt ausgenutzt werden.

Langsame Reaktionen können durch höhere Tempera-turen oder Konzentrationen kontrolliert beschleunigt wer-den und profitieren vom druckfesten Reaktor und kleineninneren Volumen. Dazu gehören Nitrierungen [23], Ami-nierungen, Methylierungen, Verseifung oder Hydrolyse,Hydrierung oder Dehydrierung, Ozonolyse oder Phasen-transfer-Reaktionen (mit oder ohne Katalyse). Einige dieserReaktionen werden häufig im Rührbehälter mit Kopfkon-densator unter Rückfluss durchgeführt. Bei Mehrphasenge-mischen muss für eine gute Dispersion und hohen Stoff-übergang im Reaktor gesorgt werden.

Bei allen Reaktionen ist zu beachten, dass keine Feststof-fe gebildet werden oder wenigstens kontrolliert aus demReaktor gefördert werden können. Im Folgenden werdenvier Reaktionen mit speziellem Augenmerk auf die Sicher-heit beschrieben. Mehr Details zu den Reaktionen sind inden angegebenen Literaturstellen zu finden.

3.1 Lithiierung von Acetylen

Die Lithiierung ist eine wichtige Reaktion [24] in der orga-nischen Synthese zur Kopplung verschiedener Molekül-baustein durch einen Lithium-Protonen-Austausch angewünschter Stelle [25, 26] und anschließender Lithium-Salzbildung bei der Kupplung. In Rührbehältern wirddiese Reaktion häufig unter kryogenen Bedingungen biszu –100 °C unter striktem Ausschluss von Feuchtigkeitund Sauerstoff [27, 28] durchgeführt, um Nebenreaktionenzu vermeiden. In Mikroreaktoren kann die Reaktions-temperatur aufgrund des verbesserten Wärmeübergangshöher gewählt werden [29]. Weiterhin sind die schnelleVermischung und die kontrollierte Verweilzeit hilfreichbei der sehr schnellen Reaktion. Im Folgenden wird eineTestreaktion von Acetylen mit n-Butyl-Lithium (BuLi) vor-gestellt.

Bevor die Experimente im Labor gestartet werden konn-ten, wurden in der Risikoanalyse das Gefährdungspotenzialder Reaktion und des Reaktoraufbaus besprochen. KritischePunkte wurden herausgearbeitet und Maßnahmen zurRisikominimierung oder -vermeidung getroffen, die im Fol-genden kurz erläutert werden. Acetylen wird gelöst in Ace-ton in Druckgasflaschen gelagert, um eine unkontrollierteZersetzung zu vermeiden [30]. Spuren von Aceton könnendie gewünschte Reaktion stören und werden daher ineinem Aktivkohlefilter in der Gasleitung absorbiert. In derRohrleitung kann Acetylen sich bei Drücken oberhalb von

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Abbildung 3. Prinzip der Multiinjektionsplatte. Links: Schnitt durch eine Lonza Flowplate Reaktorplatte mit vier Mischkanälen; rechts: Ver-gleich der Temperaturentwicklung entlang der Reaktorlänge mit einfacher und mit vierfacher Zudosierung eines Eduktes.

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2,5 bar (abs) zu Ruß zersetzen. Der Druck in der Rohrlei-tung nach dem Druckminderer an der Flasche ist deswegenauf 1,5 bar (g) begrenzt. Eine Blende in der Rohrleitung hin-ter der Flasche begrenzt den maximalen Durchsatz, damitdie Flasche in einem konventionellen Laborabzug betriebenwerden kann. Der Blendendurchmesser wurde so ausgelegt,dass bei voll geöffneter Flasche und abgerissenem Schlauchnicht mehr als 2 % Acetylen in der Abluft des Laborabzugsist. Die Abluftmenge des Abzugs ist bekannt. Die maximalmögliche Acetylenmenge strömt mit Schallgeschwindigkeitdurch die Blende, womit dann der Durchmesser bestimmtwerden konnte. Die Gasleitung ist an eine Stickstoffleitungangeschlossen, um ein Spülen und sicheres Abfahren derAnlage zu gewährleisten.

Da das gewünschte Produkt Monolithiumacetylid instabilist, wird es in Trimethyl-Silylchlorid (TMSCl) gequenchtund ist so detektierbar im GC (s. Abb. 4). Wichtige, aberunerwünschte Nebenreaktionen sind die Doppel-Lithi-ierung von Acetylen und der Quench von nicht abreagier-tem BuLi. Mehr Informationen zur Reaktion und Verfahrensind in [31] zu finden, hier wird das Augenmerk auf diesicherheitstechnische Umsetzung gelegt.

Vor den ersten Versuchen mit Acetylen wurden die Maß-nahmen aus dem Sicherheitsgespräch vor Ort kontrolliertund dokumentiert. In der ersten Versuchsserie wurde Ace-tylen in Tetrahydrofuran (THF) gelöst und als gesättigteLösung (ca. 3,5 Gew.-% bei 20 °C) im Mikroreaktor mit BuLi(15 Gew.-% in Hexan) vermischt. Das Lösen von Acetylen inTHF wurde im Abzug mit geringem Durchfluss an Acetylendurchgeführt, damit eine unzulässige Anreicherung ver-mieden wird. Aufgrund der brandfördernden Eigenschaftvon BuLi stand ein CO2-Feuerlöscher direkt neben denAbzügen bereit. Zudem bestand die Arbeitskleidung ausschwer-entflammbarem Material.

In der zweiten Versuchsserie wurde Acetylen gasförmigin den Mikroreaktor geleitet, in THF gelöst und anschlie-ßend mit BuLi vermischt. Die Drucklimitierung direkt hin-ter der Acetylen-Flasche auf 1,5 bar (g) bedeutete einen maxi-mal zulässigen Druckabfall über den Reaktor von ca. 1 bar,der während des Versuchs ständig überprüft wurde. Bei Ver-blockungen im Reaktor und unzulässigem Druckanstiegwurde die BuLi-Pumpe abgestellt und die Ventile in denZuleitungen wurden verschlossen. Die THF-Pumpe liefzum Spülen der Anlage eine gewisse Zeit weiter. Weiterhinsind alle drei Zuleitungen mit Rückschlagventilen ausgerüs-

tet, um ein unkontrolliertes Rückströmen zu verhindern(s. Abb. 5). Damit wird eine Reaktion in den Zuleitungendes Reaktors vermieden. Ebenso müssen nach Abstellender Pumpen die Absperrventile in den Zuleitungen sofortverschlossen werden. Diese Betriebsanweisung ist für vieleReaktionssysteme zutreffend und besonders für Zahnrad-pumpen wichtig, da sie eine Rückströmung zulassen. Eineunkontrollierte Rückströmung kann zu Kontakt von Rea-genzien außerhalb des Reaktors führen, was unbedingt ver-mieden werden muss.

Vor den Versuchen wurden die Leitungen und der Reak-tor mit Stickstoff gespült und getrocknet. Dabei wurde auchdie Dichtigkeit überprüft. Die Versuche wurden bei Reaktor-temperaturen von –50 bis –30 °C durchgeführt. Währenddes Abkühlens wurde die Dichtigkeit der Schrauben undDichtungen überprüft. Vor dem Einfüllen der Reagenzienwurde der Reaktor noch mit THF gespült und ebenfalls aufDichtigkeit geprüft.

In Abb. 6 links ist die Reaktorplatte im Flowplate LabReaktor mit den drei Eingangsströmen bei –40 °C dargestellt.Oben links ist deutlich die Gas/Flüssig-Strömung von THFund Acetylen zu erkennen, das nach den ersten Mischkam-mern als Gas verschwindet. An der Einspeisestelle von BuLiist Acetylen vollkommen in THF gelöst. An dieser Stelle desersten Zusammentreffens bildet sich ein Hotspot aus, derzusätzlich zu Nebenreaktionen führen kann. Man erkennthier einen Grauschleier an den Kanalwänden, der entwedervon Verunreinigungen in der THF-Lösung oder der Doppel-Lithiierung des Acetylens stammt. Der Druckverlust imReaktor stieg durch diesen Niederschlag an und führte zumVersuchsabbruch nach wenigen Minuten.

Bei Verwendung der Flowplate A5 Multiinjektionsplatte(4 Mischzonen in einer Platte, s. Abb. 6 rechts) trat bei–40 °C keine Belagbildung, bzw. kein Druckanstieg auf. Inder Reaktorplatte eingeklemmt zwischen Aluminium-Platten mit dem Kühlmittel ist der Wärmeübergang erheb-lich höher und vermeidet einen stark ausgebildeten Hotspotim Mischkanal.

3.2 Organolithium-Reaktion im Mikroreaktor unterProduktionsbedingungen

Eine weitere Reaktion mit Lithium gehört zu den erfolg-reichsten Reaktionen in Mikroreaktoren bei Lonza [15] und

wird im Folgenden beschrieben. Die zweiwesentlichen Reaktionsschritte in der Her-stellung eines Zwischenproduktes für einenpharmazeutischen Wirkstoff sind in Abb. 7gegeben. Die erste Reaktion mit Hexyl-Lithiumist sehr schnell und wird bei –35 °C im Mikro-reaktor durchgeführt. Die darauf folgende Kopp-lungsreaktion ist ebenfalls schnell, wird imstatischen Mischer durchgeführt und mussnach 30 s mittlerer Verweilzeit gequencht wer-den.

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HH LiH

LiSi Cl

SiH

Acetylen

BuLi

Monolithiumacetylide

TMSCl

SilanETM

Abbildung 4. Lithiierung von Acetylen mit n-Butyl-Lithium (BuLi) und Quenchmit Trimethyl-Silylchlorid (TMSCl).

Anlagenplanung 719

Im Labor wurden mehrere Studien zu dieser Reaktiondurchgeführt. Die Bedingungen für Hexyl-Lithium sindähnlich wie für n-Butyl-Lithium und schon in Abschn.3.1 beschrieben worden. Auch hier sind Rückschlagven-tile und das Schließen der Ventile zur Vermeidung derRückströmung beim Stopp der Pumpen notwendig. Beider Vorbereitung der Pilotkampagnen wurden Risiko-

analysen und Sicherheitsgespräche mit dem Betrieb undweiteren Fachabteilungen geführt. Darin wurden Sicher-heitsmaßnahmen zum Umgang mit den größeren Men-gen an Hexyl-Lithium, u. a. während der Umschlussarbei-ten bei Behälterwechsel, festgelegt. Diese Maßnahmensind auch in die Schulung des Bedienpersonals eingeflos-sen.

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Abbildung 5. Experimenteller Aufbau für kontinuierliches Auflösen von Acetylen in Tetrahydrofuran und anschließender Lithiierung.

a)

b) Abbildung 6. Links: Vermi-schung im Flowplate LabReaktor von THF und Acety-len sowie n-Butyl-Lithiumbei –40 °C. Deutlich ist dieGrauschleier- und Belagbil-dung bei der Zumischungvon BuLi zu erkennen.Rechts: Flowplate A5 Reak-tor mit Multiinjektionsplattefür die zweifache Vermi-schung.

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Es wurden mehrere Kampagnen sind zu diesem Produktbei Lonza im Labor und in der Pilotumgebung durch-geführt. In der größten Kampagne wurden mehr als 2 t Zwi-schenprodukt hergestellt und mehr als 8 m3 Lösungsmittelmit Produkt im Mikroreaktor prozessiert.

3.3 Nitrierung bei Raumtemperatur mit hohenKonzentrationen

Nitrierungen organischer Moleküle sind exotherme Reak-tionen, die oft zu hoch-energetischen Komponenten führen.Die Nitrierung wird als gefährliche Reaktion eingestuft[32, 33], allerdings ist erst die ungewünschte Zersetzung derProdukte bei zu hohen Temperaturen die eigentliche Gefah-renquelle. Daher ist die gute Temperaturkontrolle nebendem kleinen inneren Volumen [34] der Hauptgrund zurDurchführung von Nitrierungen in Mikroreaktoren [35, 36].Ein Beispiel für eine schnelle Nitrierung ist die von Phenol(Abb. 8), die als Modellreaktion untersucht wurde. DieNitrierung von Phenol (1) und andere aromatische Kompo-nenten zeigen ein autokatalytisches Verhalten [37, 38] undbenötigt eine Rückvermischung zum Starten und Beschleu-nigen der Reaktion.

Zur Demonstration des Gefahrenpotenzials der Nitrie-rung wurde in einem 100 mL gekühlten Rührbehälter(Kalorimeter) eine wässrige Phenol-Lösung (24 Gew.-%) vor-gelegt und kontinuierlich Salpetersäure (65 Gew.-%) zudo-siert. Nach einer gewissen Verzögerungszeit steigen derabgeführte Wärmestrom und die Innentemperatur deutlichan. Wenn die Dosierung sofort unterbrochen wird, sinktmit etwas Verzögerung der Wärmestrom wieder. Wird wei-ter dosiert, steigen der Wärmestrom und die Innentempera-tur noch stärker an und die Reaktion gerät außer Kontrolle.In einem kleinen Behälter kann dieser Test für Sicherheits-untersuchungen durchgeführt werden, in einem größerenBehälter darf dieser Zustand nicht auftreten.

Zum Vergleich wurde die Phenol-Nitrierung in einemMikroreaktor durchgeführt [23], wobei die Phenolkonzen-

tration auf 90 Gew.-% erhöht wurde, um eineeinphasige Strömung einzustellen. Die Salpeter-säure wurde wieder mit einer Konzentration von65 Gew.-% zudosiert, wodurch die Reaktionsofort aufgrund der Autokatalyse in der Misch-zone startete. Die Reaktion wurde bei Raumtem-peratur im Mikroreaktor durchgeführt. Bei auto-

katalytischen Reaktionen ist es somit wichtig, hoheStartkonzentrationen und eine Rückvermischung vorzuse-hen, damit die Reaktion schnell und zuverlässig läuft. Ineinfachen Laborversuchen kann dieses Verhalten gutstudiert werden, weil die eingesetzten Mengen gering sindund die Produktlösung am Reaktorausgang durch Verdün-nung oder Abkühlen gequencht werden kann. Die selektiveNitrierung mit hohem Durchsatz eines organischen Sub-strats zur Herstellung eines pharmazeutischen Produktesist von DSM und Corning durchgeführt worden [39]. Zursicheren Prozessführung war hier die gute Temperaturkon-trolle wichtig, wodurch die Zersetzung des hoch-energe-tischen Produktes als Folgereaktionen vermieden wurde.

3.4 Grignard-Reaktion mit Aufteilung einesEduktes

Grignard-Reaktionen gehören zu den meist eingesetztenorganometallischen Reaktionen [40] und wurden schonmehrfach in Mikroreaktoren untersucht [21, 41]. Sie sindsehr schnell, weisen eine starker Wärmetönung auf undwerden im Rührkessel häufig als Suspension unter kryo-genen Bedingungen (< –30 °C) durchgeführt. Zudem wer-den die Reagenzien stark verdünnt, um einen Hotspot ander Dosierstelle zu vermeiden. Beide Maßnahmen unter-drücken Nebenreaktionen, vermeiden aber auch das Durch-gehen der Reaktion. Die oben vorgestellte Multiinjektions-platte mit mehreren Mischzonen und der Aufteilung einesEduktes ist eine weitere Maßnahme zur Vermeidung einesHotspots [21]. In Abb. 9 ist eine Beispielreaktion angeführt,bei der ein Grignard-Reagenz mit einem Säurechlorid zueinem Zwischenprodukt gekoppelt wird.

In dieser Beispielreaktion wurden zwei Eduktströme(Säurechlorid mit 10 Gew.-% in THF und Grignard-Reagenzmit 13,5 Gew.-% in THF) im Mikroreaktor mitGesamtmassenstrom von 18 g min–1 bei 20 °C vermischt.Die Reaktionsenthalpie von (–DHR) = –260 kJ mol–1 führt zueiner adiabaten Temperaturerhöhung DTad von ca. 70 K. Am

Ausgang wurde die Produktlösung inWasser gequencht. Bei jeweils einemTeilstrom je Edukt wurde eine Pro-duktausbeute von ca. 21 % erzielt.Das Grignard-Reagenz wurde aufge-teilt, um auch hier die Wärmetönungauf mehrere Mischkanäle zu vertei-len. Bei zwei Teilströmen erhöhtesich die Produktausbeute auf fast30 %, bei vier Teilströmen auf mehr

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R' H Li R' Li

R' Li R''W

X R'R''W LiX

+ +

+ +

1)

2)

Abbildung 7. Lithiierung und Kopplung zur Herstellung eines Zwischenproduktes.

Abbildung 8. Nitrierung von Phenol (1) ergibt Mononitro-Isomere (2) und (3) als Hauptpro-dukte [23]. Einige Nebenprodukte wie Hydroquinon (4), Dinitrophenole (5, 6) und anderePolymere werden auch gebildet. Das kommerziell wichtigste Isomer ist p-Nitrophenol (2).

Anlagenplanung 721

als 36 %. Bei thermisch instabilen Produkten oder Neben-produkten kann durch die Verminderung des Hotspotsauch eine Erhöhung der Sicherheit erreicht werden.

4 Prozess- und Anlagenentwurf für densicheren Betrieb

Eine sichere Reaktionsführung in Mikroreaktoren ist nichtper se gegeben. Das geschlossene Handling, kleine Mengenund gute Reaktionskontrolle erhöhen die Sicherheit beianspruchsvollen Reaktionen. Mit bekannter Reaktionskine-tik und -wärme sowie bekanntem Wärmeübergang imReaktor kann der kritische Durchmesser für eine stabileReaktionstemperatur bestimmt werden. Das Aufteilen einesZustroms in der Multiinjektionsplatte ist eine wirkungsvolleMethode zur Kontrolle stark exothermer Reaktionen. In Ver-teiler- und Sammlerstrukturen kann sich reaktives Materialakkumulieren und zu unkontrollierten Zuständen führen.Weiterhin ist die nähere Umgebung des Reaktors wichtig,wie Zuleitungen, die Produktleitung oder Auffangbehälter.Ein Anstieg der Reaktoraustrittstemperatur während desBetriebs kann ein Indikator für eine unvollständige Reak-tion im Reaktor sein. Die Reaktion kann aus dem Reaktortreten und in den Leitungen, in den sich anschließendenApparaten oder Auffangbehältern zu unkontrolliertenZuständen führen. Rückschlagklappen und Absperrventilein den Zuläufen sowie Mengenbegrenzungen bei Gas-flaschen dienen zur weiteren Absicherung der Reaktor-peripherie. Zusätzliche Maßnahmen wie Lösungsmittel-schrank, Auffangwannen und besondere Abzugshaubenoder eine Schutzhülle (Glovebox oder ähnliches) um dieAnlage erhöhen die Sicherheit von Anlagen.

Ein genereller Punkt bei der Anlagensicherheit ist, dasskein Medium aus den Leitungen und Verbindungen austre-ten darf. Vor Inbetriebnahme muss auf Dichtheit geprüft wer-den, ebenso beim Abkühlen oder Erwärmen. Weitere De-tails und Maßnahmen werden im Folgenden beschrieben.

4.1 Prozessentwicklung im Labor

Reaktorauswahl oder -gestaltung sowie die Prozessentwick-lung beginnt im Labor mit kinetischen Studien und Unter-suchungen zu limitierenden Transportprozessen. Die Strö-mungsgeschwindigkeit und der Druckabfall über den

Reaktor sind sehr wichtig für die Vermischungseigenschaf-ten. Basierend auf diesen Daten werden Pilotstudien mitdem Ziel durchgeführt, die Produktionsanlage so realistischwie möglich im Labor zu simulieren.

Um schnell einen Produktionsprozess und die zugehöri-ge Anlage zur Verfügung zu haben, müssen zu Beginn vieleInformationen über das chemisch-physikalische Systemgewonnen werden. Sicherheitstechnische Informationenwie kinetische Daten über Reaktionszeit und thermischeDaten über die Reaktionswärme oder adiabate Temperatur-erhöhung sind dabei sehr wichtig. Am Anfang eines Projek-tes ist häufig die Wärmetönung der Reaktion nicht bekannt.Die Messung der Austrittstemperatur des Reaktors ist des-wegen eine wesentliche Kontrolle der Reaktionsführungund -kontrolle. Die ersten Versuche werden mit geringemVolumenstrom und ausreichender Verweilzeit im Reaktordurchgeführt, damit die Austrittstemperatur ungefähr derKühltemperatur entspricht. Wenn der Durchsatz bei glei-chem Reaktoraufbau erhöht wird, deutet eine höhere Aus-trittstemperatur häufig direkt auf eine unvollständige Reak-tion hin. Allerdings ist die chemische Analyse desAustrittsstromes ein genauerer Indikator für die Vollstän-digkeit der Reaktion, steht – bei GC- oder HPLC-Analysen –jedoch mit erheblichem zeitlichem Verzug zur Verfügung.Das ist für eine sichere Durchführung der Versuche nichtausreichend. Daher ist man während der Versuchsdurch-führung auf Online-Messdaten angewiesen, die zumindestTrends der Reaktion erkennen lassen.

Der Einfluss der Temperatur auf die Reaktionsführungist wichtig und in Laborversuchen zu überprüfen. Eine zuhohe Temperatur kann zu unerwünschten Nebenreaktio-nen oder gar extreme Beschleunigung der Reaktion führen,während eine niedrige Temperatur einen unvollständigenUmsatz zur Folge haben kann. Das kann ebenfalls zu einerhöheren Konzentration von nicht abreagiertem Material amAusgang des Reaktors und einer Reaktion außerhalb desReaktors führen. Das sichere Starten der Reaktion im Reak-tor, das Temperaturprofil entlang des Reaktors und dasAbfahren durch Kühlung, Verdünnung oder Spülen mitLösungsmittel muss für einen sicheren Betrieb getestet undin Arbeitsanweisungen festgelegt werden.

Der Temperaturverlauf der Reaktion kann durch baulicheTrennung von Reaktor und Verweilmodulen erfolgen. Bei-spielsweise werden die Edukte kühl gemischt, dannerwärmt zum Beschleunigen oder Ausreagieren der Reak-tion. Durch den modularen Aufbau der Reaktoren undVerweilstrecken können auch andere Temperaturprofile ein-gestellt werden, die dem optimalen Verlauf der Reaktionentsprechen. Da komplexere, kontinuierlich betriebeneAnlagen häufig mit weitgehender Automatisierung betrie-ben werden müssen, kann schon im Labor das Regelungs-konzept erstellt werden. Zudem kann eine weitgehendeAutomatisierung die Sicherheit und Reproduzierbarkeitgegenüber manueller Fahrweise erhöhen.

Bei neuen Reaktionstypen sollte eine Risikoanalyse oderein Sicherheitsgespräch mit den entsprechenden Fachabtei-

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ClCl

OMg

Br

BrMgCl

OCl

+ +

Grignard Acid-Cl Product

Abbildung 9. Grignard-Reagenz und Säurechlorid zur Bildungeines Zwischenproduktes, DTad ≈ 70 °C.

722 N. Kockmann

lungen durchgeführt werden. Falls schon Erfahrungen miteinem Reaktionstyp oder einem reaktiven Edukt bestehen,kann auf vorherige Risikoanalysen aufgebaut werden. Ver-änderte Bereiche der Prozessparameter Temperatur, Druckoder Konzentration können auch zu einer erneutenBetrachtung der Sicherheit führen. Beim Hochskalierenund begleitend zum Aufbau einer größeren Anlage istjeweils ein spezielles Sicherheitsgespräch mit allen Beteilig-ten notwendig.

Höhere Durchsätze erhöhen auch das Reaktionsvolumenund Gefährdungspotenzial, das in der Risikoanalyse nähergeprüft werden muss. Mehr Aufmerksamkeit muss fürStartup- und Shutdown-Prozeduren im Teillastbetrieb sowieRückführungen mit potenzieller Akkumulation aufgewendetwerden. Modulare Reaktoraufbauten mit standardisiertengeometrischen Verhältnissen und abgestimmter Anordnungerleichtern das Scale-up vom Labor in den größeren Maßstabohne das Risiko eines weiteren Technologiesprungs. Sicher-heitsbetrachtungen können teilweise nach gründlicher Über-legung und Abschätzung für die neue Prozessumgebungübernommen werden. Dabei hilft ein systematisches Vorge-hen, die im Folgenden auf Basis der HAZOP-Methode vor-gestellt wird. Zur Unterstützung werden auch zwei Check-listen zur Prozess- und Arbeitssicherheit angegeben.

4.2 HAZOP-Studie im Anlagenbau

Die HAZOP-Studie (Hazard and Operability), oder auchPAAG (Prognose, Auffinden der Ursache, Abschätzen derAuswirkungen, Gegenmaßnahmen) genannt, ist eineetablierte Maßnahme im Anlagenbau zur Festlegung undÜberprüfung von Sicherheitsmaßnahmen [11]. Eine ähnli-che Methode ist die Fehlermöglichkeits- und Einfluss-Ana-lyse (FMEA), die auch häufig zur Überprüfung derSicherheit angewandt wird. Die HAZOP-Studie wirdgewöhnlich zum Ende des Basic Engineerings durch-geführt, wenn schon viele Informationen über den Prozessvorliegen, aber noch ausreichend Freiheit zur Änderungvon Prozessbereichen besteht. Verschiedene Planungsab-teilungen wie auch der Kunde (und evtl. spätere Betreiber)sind daran beteiligt. Auf Basis der aktuellen Prozessplanungmit Fließbild (evtl. Rohrleitungs- & Instrumentierungs-Schemata) sowie der Prozessbeschreibung gehen die Teil-nehmer die Anlage schrittweise durch und besprechen allemöglichen Betriebsfälle. Ziel der HAZOP-Studie ist dieVerbesserung der Anlagensicherheit und Betreibbarkeit(Operability) sowie die Verhinderung von Umweltbeein-trächtigungen.

Zu Beginn jedes Schrittes wird eine sinnvolle funktionaleEinheit des Prozesses wie ein Apparat oder ein Regelkreis(mit Sensor, Stellglied und gesamter Strecke) festgelegt. Fürjeden wichtigen Prozessparameter wie Temperatur, Druck,Durchfluss, Füllstand oder Konzentration wird eine Soll-funktion für den Auslegungsfall vorgegeben. Jede Störungder Sollfunktion wird durch Leitworte (mehr, weniger, nicht

vorhanden, anders, etc.) untersucht mit den Auswirkungenauf benachbarte und verbundene Einheiten. Auch dieBetrachtung sinnvoller Kombinationen von Störungen gibtwichtige Erkenntnisse zum Verhalten der Anlage und Hin-weise zur Verbesserung. Abweichungen werden identifi-ziert und mögliche Folgen mit einer Eskalationskette disku-tiert. Die Auswirkungen werden mit Einfluss auf dieÜberwachung und Steuerung der Anlage, auf Alarme, Not-eingriffe oder Abschaltungen beschrieben. Auswirkungs-begrenzende Maßnahmen werden diskutiert und notwen-dige Verbesserungen festgelegt. Zur Umsetzung derMaßnahmen werden klare Zuständigkeiten und Terminedefiniert und nach einer Frist überprüft.

Speziell für Anlagen mit mikrostrukturierten Apparatengibt es spezifische Anforderungen für die Sicherheitsbe-trachtung. Besondere Aufmerksamkeit kommt den Schnitt-stellen der Apparate zur konventionellen Umgebung zu.Bevorzugt dort können unkontrollierte Zustände auftreten,wie das Austreten der Reaktion aus dem Reaktor oder derRückströmung in die Zuleitungen. Zudem ist es schwierig,den Prozesszustand im mikrostrukturierten Apparat genauzu messen, weil es kaum geeignete Messtechnik dafür gibt.Daher kommt wieder den Schnittstellen eine hohe Bedeu-tung zu. Bei installierten Sensoren sind aufgezeichneteTrends häufig wichtiger als die eigentlichen Absolutwerte.Aus diesen lassen sich Veränderungen hin zu unzulässigenBetriebszuständen ablesen, so dass rechtzeitig reagiertwerden kann. Eine weitere Fehlerquelle kann die unreflek-tierte Übertragung von Erfahrungen mit konventionellenApparaten auf mikrostrukturierte Apparate sein. Ebensomüssen Laborergebnisse beim Scale-up genau betrachtetund im neuen Zusammenhang interpretiert werden.

Bei Risikoanalysen und Sicherheitsgesprächen sindChecklisten eine wichtige Hilfe für eine Vorgehensstrukturund eine Unterstützung, dass nichts vergessen wird. ImFolgenden werden zwei Checklisten zu Bereichen der Pro-zesssicherheit und Arbeitssicherheit beschrieben. Diesesind speziell für Prozesse und Umgebungen für mikro-strukturierte Apparate und Anlagen aufgestellt, erhebenaber keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Jeder Anwendersoll und muss seine eigene Erfahrung einbringen und dieseListen leben lassen.

4.3 Checkliste zur Prozesssicherheit

Die Liste ist nach Hauptgruppen eingeteilt und enthältSchlagworte, die Hinweise in den Sicherheitsgesprächenliefern können. Diese Liste ersetzt nicht das eigenständigeDenken.

Prozessparameter:

– Druck (Reaktion, Druckerhöhung, Ansprechdruck, Absi-cherung, Prüfdruck), Druckräume, Konstruktionsmateri-al (Apparate, Rohrleitungen, Gebinde), Geometrie undWandstärke, Festigkeit

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Anlagenplanung 723

– Temperaturabsicherung, Materialwahl, Heiz-Kühl-System(Medium, Leistung, Bereich, Ausfall, etc.)

– Konzentration: Akkumulation von Reaktanden (Batch,Semi Batch, kontinuierlich), Verwechslung der Kompo-nenten, Reihenfolge, Kontamination, Vermischung

– Durchflussmenge, falsche Richtung, Absperrungen

Reaktionskinetik:

– Thermische Stabilität (Autokatalyse, Deflagration), Reak-tionswärme und adiabate Temperaturerhöhung

– Kontrolle Reaktionsgeschwindigkeit, Anreicherung vonKomponenten

– Wärmestau, Explosion/Detonation (Gas, Staub, Ex-Gren-zen, Zündenergie)

– Gasentwicklung (Gasart, Geschwindigkeit), Feststoffbil-dung, Ablagerung

– Oxidationsempfindlichkeit, Brennverhalten, Flamm-punkt, Zündtemperatur (T-Klasse), Reib- und Schlagem-pfindlichkeit

– Katalysator, Deaktivierung, unvollständiger Umsatz

Prozess:

– Ein-/Ausfahren, Prozessunterbrechung/Notkühlung/Ener-gieausfall

– Betrieb ohne Personal, Überwachung

Umgebung:

– Elektrostatik, elektrische Leitfähigkeit, Fließgeschwindig-keit, Ex-Überwachung

– Gebindetypen (Art, Größe, Wärmestau, Elektrostatik)– Lagerung, Zwischenlagerung (Temperatur, Zeit, Katalyse)– Entsorgung, Abfälle

Neben der Prozesssicherheit ist auch die Arbeitssicher-heit bei gefährlichen Medien und Prozessen genauer zubehandeln. Häufig sind diese Bereiche schwer zu trennenund sollten daher gemeinsam betrachtet werden. Die-einzelnen Schwerpunkte hängen von vielen Randbedingun-gen ab.

4.4 Checkliste zur Arbeitssicherheit

Die Arbeitssicherheit betrifft u. a. den Personenschutz umdie Ablage herum, hat aber auch Auswirkungen auf dieAnlage und Komponenten sowie auf die Anlagenfahr-weise.– Offenes Handling (z. B. Staub, Gas, Dämpfe), Einfüllen,

Umfüllen, Probenahme, Transport, Undichtigkeiten, spe-zielle Einwirkungen (Lärm, Vibration, Druck, Tempera-tur, Strahlung, Feuchtigkeit)

– Unfallgefahr (z. B. Stolperstellen, Zugänglichkeit, heißeOberflächen), mechanische Gefährdung, Quetschen,Ausgleiten, thermische Gefährdung durch Kontakt

– Toxikologische, pharmatoxikologische, biologische Eigen-schaften der Medien, Schutzkleidung und Arbeitsvor-

schriften, Kontakt mit chemischen/biologischen Stoffen(Atem, Haut, Augen), Biosafety (z. B. Wirkung vonMikroorganismen)

– Reinigung (z. B. Dekontamination, Inaktivierung, Desin-fektion), Dekontamination nach Havarie, Desinfektion(Person/Gebinde/Instrumente, etc.)

– Havariekonzept, Notfallkonzept, Schnittstellen (Analytik,Entsorgung, Sanitätsdienst, Feuerwehr)Die obige Liste beschreibt nur einige Punkte in Bezug auf

die Anlage. Die Anlagenumgebung muss für die gesamteBetrachtung hinzu gezogen werden.

5 Zusammenfassung

Die Sicherheitsdiskussion in den letzten Jahren hat gezeigt,dass Mikroreaktoren in der Forschung und in der Industrieakzeptiert sind und sie vermehrt eingesetzt werden. Einwichtiger Aspekt dabei ist die sichere Handhabung vongefährlichen, schnellen und stark exothermen Reaktionenin Apparaten mit kleinem innerem Volumen. Risikoanaly-sen und Sicherheitsgespräche sind schon im frühen Sta-dium der Prozessentwicklung wichtig, bei neuer, unbekann-ter Chemie schon vor den ersten Testversuchen. Für dieRisikoanalyse ist eine ganzheitliche Betrachtung mit Reak-tor und Reaktion, Trennverfahren und Aufbereitung, Pum-pen und Lagerbehälter notwendig. Wesentliche Punktesind, dass der Prozess nicht außer Kontrolle geraten darf,dass sich keine gefährlichen Stoffe akkumulieren dürfenund dass keine Stoffe unkontrolliert austreten können.Dazu wurden verschiedene Maßnahmen im Beitrag disku-tiert. Beim Anfahren der Anlage muss die Reaktion sichergestartet werden, während beim Abstellen der Anlage keineAkkumulation von gefährlichem Material auftreten darf.Die Reaktion muss kontrolliert im Reaktor bleiben.

Sicherheitskonzepte und -maßnahmen wurden am Bei-spiel verschiedener Reaktionen (Lithiierungen, Nitrierungund Grignard-Reaktion) und unterschiedlicher Anlagenauf-bauten diskutiert. Auf Basis der HAZOP-Methode kann inden Risikoanalysen systematisch die Anlage und das Sicher-heitskonzept entwickelt werden. Zur Unterstützung dienenChecklisten, die Erfahrungen und bestehende Konzeptewiderspiegeln.

Die hier präsentierten Beobachtungen und Empfehlun-gen aus praktischen Erfahrungen decken nur einen kleinenBereich ab und werden sicher noch wachsen müssen. Fürdie Zukunft ist es wichtig, weitere Erfahrungen aus demProduktionseinsatz mikrostrukturierter Apparate zu gene-rieren und in die Diskussion einzubringen, um mehrVertrauen in die Robustheit zu gewinnen. Dabei sindGasphasenreaktionen und deren Explosionsregime sowiestark exotherme Flüssigphasenreaktionen noch genauer zuuntersuchen. Noch weniger ist bekannt über exothermeMehrphasenreaktionen, die gleichzeitig ein gute Durch-mischung und Dispersion sowie exzellente Wärmeabfuhrbenötigen.

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Der Autor möchte seinen ehemaligen Kollegen bei derLonza AG, Visp, seinen herzlichen Dank für die groß-artige Unterstützung aussprechen. Insbesondere seienhier Wilhelm Quittmann, Michael Gottsponer, LeanderBiffiger und Eberhard Irle erwähnt.

Formelzeichen

af [m2s–1] Temperaturleitfähigkeit des FluidsCA [mol m–3] Konzentration der Schlüssel-

komponentedh [m] hydraulischer DurchmesserEa [J mol–1] Aktivierungsenergie(–DHr) [J mol–1] ReaktionsenthalpieDL [m] KanallängeNu [–] Nußelt-ZahlDp [Pa] DruckverlustR [J mol–1K–1] universale GaskonstanteS′ [–] WärmeproduktionspotenzialtR [s] ReaktionszeitT0 [K] Temperatur am Reaktoreinlass und

des KühlmittelsDTad [K] adiabate TemperaturerhöhungUV [W m–3K–1] volumetrischer Wärmeübergangs-

koeffizientw [m s–1] mittlere Strömungsgeschwindigkeite [m2s–3] Energiedissipationsrateq [kg m–3] Dichte

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Norbert Kockmann stu-dierte Maschinenwesen ander TU München und pro-movierte auf dem Gebietder Belagbildung in Wär-meübertragern an derUniversität Bremen. Ab1997 arbeitete er bei Mes-ser Griesheim, Krefeld, alsProjektleiter im Anlagen-bau und wechselte2001 an die UniversitätFreiburg. Dort baute er die

Arbeitsgruppe Mikroverfahrenstechnik auf und habili-tierte sich 2007. Er arbeitete als Laborleiter für kontinu-ierliche Reaktionstechnik bei der Lonza AG, Visp, undentwickelte eigene Mikroreaktoren und Prozesse fürdie pharmazeutische Produktion. Prof. Kockmann wur-de 2011 auf den Bayer-Stiftungslehrstuhl Apparate-design der TU Dortmund berufen und beschäftigt sichmit modularen Apparaten und Transportvorgängen inMikrokanälen.

Anlagenplanung 725

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