muskuläre aktivierung von arm und schultermuskeln beim doppelstockeinsatz im skilanglauf

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Muskuläre Aktivierung von Arm und Schultermuskeln beim Doppelstockeinsatz im Skilanglauf Walter Rapp 1 , Hans-Christer Holmberg 4 , Stefan Lindinger 2,3 1 Medizinische Universitätsklinik Tübingen – Abt. Sportmedizin, Deutschland 2 IFFB Sport- und Bewegungswissenschaften, Universität Salzburg, Österreich 3 Christian Doppler Labor für “Biomechanik im Skisport”, Salzburg, Österreich 4 Swedish Winter Sports Research Centre, Mid Sweden University, Östersund, Schweden Einleitung Im Skilanglauf stellt die Doppelstock-Technik (DP) eine der Haupttechniken für einen effektiven Vortrieb dar. Speziell in den Disziplinen Sprint und Massenstart hat diese Form der Technik eines explosiven, bilateralen Stockeinsatzes in den letzten Jahren eine zunehmende Bedeutung erlangt. Hochleistungslangläufer legen sehr viel Wert darauf die Technik des Doppelstockeinsatzes zu verbessern (Holmberg et al. 2005), was auch zur Folge hat, dass eine zunehmende Zahl von Studien durchgeführt wurde, in denen die kinematischen und kinetischen Aspekte analysiert wurden. Der Fokus dieser Studien richtete sich vor allem auf die Analyse der Stockzyklen und hierbei insbesondere auf Winkelveränderungen in unterschiedlichen Gelenksystemen sowie auf die Erfassung von Stock-Kräften (Hoffman et al. 1995; Smith et al. 1996; Millet et al. 1998; Nilsson et al. 2004). Auffallend ist jedoch, dass es nur wenige Studien gibt, die die neuromuskuläre Aktivität im Rahmen von funktionellen Bewegungsabläufen im Skilanglauf untersuchen (Holmberg et al. 2005; Komi and Norman 1987; Perrey et al. 1998; Vahasoyrinki et al. 2008). Neuromuskuläre Muster in Ober- und Unterkörpermuskeln bei der Doppelstocktechnik im Sinne von Ein- und Ausschaltmustern und von Aktivierungsintensitäten bei submaximaler Laufgeschwindigkeit wurde nur bei Holmberg et al. 2005 untersucht. Dies hat zur Folge, dass wenig bekannt ist über die neuromuskulären Aktivierungsmuster die notwendig sind um einen effektiven Vortrieb zu generieren. Bei Lauf-und Sprungbewegungen konnte gezeigt werden, dass das Modell des Dehnungs- Verkürzungs-Zyklus (DVZ) vor allem bei schnellen dynamischen Bewegungen einen Benefiz für die Leistungsfähigkeit aufweist (Cavagna 1977; Komi 2000). Eine Kontraktion im DVZ stellt in der menschlichen Motorik die natürlichste und funktionellste Form der muskulären Kontraktion dar. Sie ist charakterisiert durch eine Phase der Voraktivierung, eine bedingt durch hohe Kräfte beeinflusste exzentrische Dehnung mit einer direkt anschließenden konzentrischen Phase. Ziel hierbei ist es die Zeit zwischen exzentrischer Dehnung und der willkürlichen konzentrischen Phase möglichst kurz zu halten. In zahlreichen Studien konnte dabei gezeigt werden, dass während der exzentrischen Phase Energie im tendo-muskulären System gespeichert werden kann, die dann in der nachfolgenden konzentrische Phase eingesetzt werden kann um eine erhöhte mechanische Effizienz zu erzielen (als Review siehe hierzu Komi 1984 und 2000). Der Nutzen des DVZ sehr gut dokumentiert für das Laufen (Mero and Komi, 1987; Kyrolainen et al., 2005) und Springen (Gollhofer and Kyrolainen, 1991; Gollhofer et al., 1992; Avela et al., 2006) und zeigte sich besonders wirksam bei schnellkräftigen Bewegungen mit hohen Gelenkbeschleunigungen (Gollhofer et al., 1992). Studien bezüglicher der Effektivität des DVZ für den Oberkörper wurden erstaunlicherweise jedoch sehr selten durchgeführt (Newton et al., 1997). Bober et al. (1980) zeigten, dass eine höhere muskuläre Belastung in einer Zunahme der Stoßleistung der oberen Extremitäten bewirkt und zu einer Verkürzung der Bewegungszeiten führte, was sie durch die Ausnützung von gespeicherter Energie in der exzentrische Phase erklärten. Gollhofer et al. (1987) verwendeten

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Muskuläre Aktivierung von Arm und Schultermuskeln

beim Doppelstockeinsatz im Skilanglauf

Walter Rapp1, Hans-Christer Holmberg

4, Stefan Lindinger

2,3

1Medizinische Universitätsklinik Tübingen – Abt. Sportmedizin, Deutschland 2IFFB Sport- und Bewegungswissenschaften, Universität Salzburg, Österreich 3Christian Doppler Labor für “Biomechanik im Skisport”, Salzburg, Österreich 4Swedish Winter Sports Research Centre, Mid Sweden University, Östersund, Schweden

Einleitung

Im Skilanglauf stellt die Doppelstock-Technik (DP) eine der Haupttechniken für einen effektiven Vortrieb dar. Speziell in den Disziplinen Sprint und Massenstart hat diese Form der Technik eines explosiven, bilateralen Stockeinsatzes in den letzten Jahren eine zunehmende Bedeutung erlangt. Hochleistungslangläufer legen sehr viel Wert darauf die Technik des Doppelstockeinsatzes zu verbessern (Holmberg et al. 2005), was auch zur Folge hat, dass eine zunehmende Zahl von Studien durchgeführt wurde, in denen die kinematischen und kinetischen Aspekte analysiert wurden. Der Fokus dieser Studien richtete sich vor allem auf die Analyse der Stockzyklen und hierbei insbesondere auf Winkelveränderungen in unterschiedlichen Gelenksystemen sowie auf die Erfassung von Stock-Kräften (Hoffman et al. 1995; Smith et al. 1996; Millet et al. 1998; Nilsson et al. 2004). Auffallend ist jedoch, dass es nur wenige Studien gibt, die die neuromuskuläre Aktivität im Rahmen von funktionellen Bewegungsabläufen im Skilanglauf untersuchen (Holmberg et al. 2005; Komi and Norman 1987; Perrey et al. 1998; Vahasoyrinki et al. 2008). Neuromuskuläre Muster in Ober- und Unterkörpermuskeln bei der Doppelstocktechnik im Sinne von Ein- und Ausschaltmustern und von Aktivierungsintensitäten bei submaximaler Laufgeschwindigkeit wurde nur bei Holmberg et al. 2005 untersucht. Dies hat zur Folge, dass wenig bekannt ist über die neuromuskulären Aktivierungsmuster die notwendig sind um einen effektiven Vortrieb zu generieren. Bei Lauf-und Sprungbewegungen konnte gezeigt werden, dass das Modell des Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus (DVZ) vor allem bei schnellen dynamischen Bewegungen einen Benefiz für die Leistungsfähigkeit aufweist (Cavagna 1977; Komi 2000). Eine Kontraktion im DVZ stellt in der menschlichen Motorik die natürlichste und funktionellste Form der muskulären Kontraktion dar. Sie ist charakterisiert durch eine Phase der Voraktivierung, eine bedingt durch hohe Kräfte beeinflusste exzentrische Dehnung mit einer direkt anschließenden konzentrischen Phase. Ziel hierbei ist es die Zeit zwischen exzentrischer Dehnung und der willkürlichen konzentrischen Phase möglichst kurz zu halten. In zahlreichen Studien konnte dabei gezeigt werden, dass während der exzentrischen Phase Energie im tendo-muskulären System gespeichert werden kann, die dann in der nachfolgenden konzentrische Phase eingesetzt werden kann um eine erhöhte mechanische Effizienz zu erzielen (als Review siehe hierzu Komi 1984 und 2000). Der Nutzen des DVZ sehr gut dokumentiert für das Laufen (Mero and Komi, 1987; Kyrolainen et al., 2005) und Springen (Gollhofer and Kyrolainen, 1991; Gollhofer et al., 1992; Avela et al., 2006) und zeigte sich besonders wirksam bei schnellkräftigen Bewegungen mit hohen Gelenkbeschleunigungen (Gollhofer et al., 1992). Studien bezüglicher der Effektivität des DVZ für den Oberkörper wurden erstaunlicherweise jedoch sehr selten durchgeführt (Newton et al., 1997). Bober et al. (1980) zeigten, dass eine höhere muskuläre Belastung in einer Zunahme der Stoßleistung der oberen Extremitäten bewirkt und zu einer Verkürzung der Bewegungszeiten führte, was sie durch die Ausnützung von gespeicherter Energie in der exzentrische Phase erklärten. Gollhofer et al. (1987) verwendeten

das Modell um Ermüdungseffekte bei einer Extensions- Flexionsbewegung der Arme zu untersuchen. Sie beobachteten eine Zunahme sowohl in der exzentrischen als auch der konzentrischen Kontraktionszeit wobei die konzentrische Periode mehr beeinflusst war, woraus die Autoren folgerten, dass das elastische Verhalten in der exzentrischen Phase effizienter ist. All diese Studien jedoch, sind konzipiert als Laborstudien. Das Ziel dieser Studie war es deshalb die neuromuskuläre Aktivierung von Muskeln des Oberarmes während des DP-Einsatzes im Skilanglauf bei sukzessiv steigenden Laufgeschwindigkeiten zu untersuchen. Methoden

Zwölf Skilangläufer des schwedischen Nationalteams (Alter: 22 ± 1.8 Jahre; Größe: 177.8 ± 3.9 cm; Gewicht: 70.6 ± 5.0 kg; VO2max 70.2 ± 1.7 ml•kg-1) nahmen an der Studie teil. Die Athleten waren alle erfahren mit Rollerskiern auf einem Laufband zu fahren und wurden über die Inhalte, als auch das Ziel der Studie aufgeklärt bevor sie ihr schriftliches Einverständnis zur Teilnahme gaben. Studiendesign

Alle Tests wurden auf einem Laufband (Rodby, Sodertalje, Sweden) und dem gleichen Skirollertyp (Pro-Ski C2, Sterners, Nyhammar, Sweden) absolviert. Die Athleten absolvierten separate Läufe bei 4 submaximalen Geschwindigkeiten (9, 15, 21 und 27 km·h-1) und einer individuellen maximalen Geschwindigkeit (vmax). Zwischen jeder Geschwindigkeitssteigerung wurde eine 4 minütige Pause eingelegt. Kinematische und Kinetische Analyse

Karbonfaserstöcke, die in der Länge individuell der Körpergröße angepasst werden konnten, wurden mit einem Kraftsensor ausgestattet um die vertikalen axialen Stockkräfte zu erfassen. Der Kraftsensor (Hottinger–Baldwin Messtechnik GmbH, Darmstadt, Germany) war direkt unterhalb des Griffes angebracht. Nähere Details bezüglich der Validierung und Kalibrierung des Kraftsensors sind bei Holmberg et al (2005) beschrieben. Der Ellbogen-Winkel wurde mittels eines Zweiachsen-Goniometers (Penny & Giles, UK) erfasst, der an der lateralen Seite des rechten Armes angebracht war und bei hängendem Arm 180° repräsentierte. Das analoge Signal der Stockkraft diente in der anschließenden Signalanalyse zur Erfassung der Stockkontaktzeit und der maximalen. Der Ellbogenwinkel wurde verwendet um die maximale Beugung im Ellenbogen als auch die Zeit bis zum Erreichen der maximalen Beugung zu erfassen. EMG

Die neuromuskuläre Aktivierung wurde mittels Oberflächen EMG von den Muskeln Pectoralis (PEC), Latissimus dorsi (LAT), teres major (TER) Triceps brachii (TRI) und Bizeps brachii (BIC) erfasst. Einmaloberflächenelektroden (Ag/AgCl, Fa. Skintact, Leonhard Lang GmbH, Innsbruck, Austria) wurden auf dem Muskelbauch in Faserrichtung fixiert. Die Haut wurde zuvor durch Abrasieren der Haare und Entfernen der obersten Hornhautschicht mittels Sandpapier präpariert, um einen Hautwiderstand kleiner 5 kOhm zu gewährleisten. Die Datenakquise erfolgte mittels des 16-Kanal Dataloggersystems „Biovision“ (Hanno Ernst, Werheim, Deutschland). Die Aufnahmefrequenz betrug für alle Kanäle 2000 Hz. Um Hintergrundgeräusche von niedrigen und hohen Frequenzen zu eliminieren wurden die EMG-Kanäle Hardwaremäßig Bandpass gefiltert (10-500 Hz). Zur Amplituden Normalisierung der EMG-Signale wurde eine maximale isometrische Kontraktion (MVC) für jeden Muskel durchgeführt. Die MVC Position wurde hierbei so ausgewählt, so dass eine Position eingenommen wurde, in der eine maximale Aktivierung zu möglich war.

Zur qualitativen und quantitativen Auswertung wurde die Software Myoresearch (Version 1.06.50, Noraxon, Scottsdale, USA) benutzt. Die Rohsignale wurden gleichgerichtet und um signifikante Aktivierungscharakteristiken darzustellen, wurden von jeder Laufbedingung 10 aufeinanderfolgende Stockeinsätze aufsummiert und gemittelt. Als Triggersignal diente hierzu der initiale Kraftanstieg des Stocksensors (Stockein) (Abbildung 1). Anhand des Signales des Stocksensors wurden die maximalen Stockkräfte als auch Kontaktzeit ausgewertet. Das Goniometersignal des Ellenbogens diente zur Aufteilung in eine Flexionsphase (Stockein bis Minimum Ellbogenwinkel) und in die Extensionsphase (Min bis Stockauf) (Abbildung 1)

Abbildung 1: Beispiel einer gemittelten Signalkurve für die quantitative Parametrisierung.

Links die Stockkraft und Winkelsignale, rechts das synchrone EMG-Signal. Die umrandeten

Areale repräsentieren die Zeitfenster für die Berechnung des EMG. Die Auswertung des EMG-Signales erfolgte über die Berechnung von mittleren EMG-Amplituden. Für die Phase der Voraktivierung wurde ein konstanter Zeitraum von 100ms vor dem Stockeinsatz ausgewertet. Anhand des Winkelsignales erfolgte eine Unterscheidung in eine Flexionsphase in der der Ellbogen gebeugt wird und in die darauf folgende Streckung bis zum Abheben des Stockes (Stockauf) (Abbildung 1). Für jeden Muskel wurde zusätzlich noch die Zeit berechnet wann das EMG-Signal 10% der MVC-Bedingung vor dem Stockkontakt überschreitet. Die Zeit von diesem Schwellenwert bis zum Stockeinsatz wird als Einschaltzeit bezeichnet. Statistik

Berechnet wurden Mittelwerte und Standardabweichungen über alle Parameter. Unterschiede wurden mittels ANOVA für Messwiederholung geprüft und das Signifikanzniveau auf p<0,05 festgelegt. Ergebnisse

In der Ergebnisdarstellung wird ausschließlich auf den triceps brachii Bezug genommen. Dies deshalb, weil die Erfassung des Winkelsignales nur eine Aussage bezüglich der Kinematik im Ellbogengelenk zulässt. Die anderen Muskeln agieren primär als Schultermuskeln und können aufgrund der mangelnden kinematischen Erfassung des Schultergelenkes nicht eindeutig einer Bewegungsphase zugeordnet werden. Kinematische und kinetische Ergebnisse

Am Beispiel eines Probanden ist der Verlauf des Ellbogenwinkels und der Stockkraft über die Geschwindigkeiten dargestellt (Abbildung 2). Die Stockkontaktzeit verringert sich von 652 ± 41 ms bei 9 km•h-1 auf 251 ± 8 ms bei vmax (p<0.05). Im gleichen Zeitraum nehmen die Stockkräfte im Mittel aller Läufer von 140 N ± 26 N auf 252 ± 23 N zu, während sich die Zeit

der Ellbogenflexion signifikant reduzierte (219 ± 16 ms auf 89 ± 4 ms) auf vmax (beide p<0.05).

Abbildung 2: Ellbogenwinkel und Stockkraft am Beispiel eines Läufers. Mit zunehmender

Laufgeschwindigkeit kann eine Zunahme der Stockkraft und eine Zunahme der Ellbogenflexion

in kürzerer Zeit beobachtet werden. Einschaltzeit

Die Einschaltzeiten zeigen für den TRI eine signifikante Zunahme auf nahezu 250ms bei der maximalen Laufgeschwindigkeit (Abbildung 3). Das gleiche trifft für die anderen Muskeln zu, wobei bei den niederen Geschwindigkeiten kaum, oder im Falle des PEC, sogar eine negative Einschaltzeit zu beobachten ist. Die Einschaltzeit dieser Muskeln ist im Vergleich zum TRI etwas kürzer.

Abbildung 3. Mittelwert und SD der Einschaltzeiten für den TRI (links) und die Muskeln LAT,

TER, PEC. Bei 9km/h ist kaum ein Voraktivierung erkennbar, im Falle des PEC wird diese

sogar negativ.

Aktivierungscharakteristik

Die mittleren EMG Amplituden zeigen für alle analysierten Perioden (Voraktivierung, Flexion, Extension) eine signifikante Zunahme mit der Erhöhung der Laufgeschwindigkeit. Am deutlichsten ist dieser Zuwachs in der Flexionsphase ausgeprägt der bei der maximalen Laufgeschwindigkeit über 70% der MVC-Bedingung erreicht. In keinem Fall übersteigt das EMG jedoch die Aktivierung der MVC-Bedingung.

Abbildung 4.Mittelwerte und SD für die mittleren EMG Amplituden des TRI in Prozent von

MVC. Pfeile zwischen der Flexion und Extensionsphase repräsentieren signifikante

Unterschiede zwischen diesen Phasen. Diskussion

Die meisten Studien zum DVZ beziehen sich auf Lauf-und Sprungbewegungen der unteren Extremitäten. Nur wenige Studien (Gollhofer et al 1987, Newton et al 1997) untersuchten das Modell des DVZ für die oberen Extremitäten. Für den Skilanglauf konnte von Holmberg et al (2005) gezeigt werden, dass die oberen Extremitäten eine hohe Relevanz für die Leistungsfähigkeit insbesondere bei kurzen Laufdistanzen haben. Dies gilt speziell für die Disziplin Sprint und das Finishing im klassischen Stil. Mit zunehmenden Laufgeschwindigkeiten wird nicht nur der metabolische Anspruch der Muskulatur größer, vielmehr muss sich auch das neuromuskuläre System an die zunehmenden Krafteinwirkungen anpassen. Wie von Komi (1984 und 2000) gezeigt, ist eine Kontraktion in DVZ äußerst Effizient in der Kompensation hoher Kräfte wie sie vor allem bei schnellen, explosiven Bewegungen auftreten. Es wurde gezeigt, dass der Vorteil einer Kontraktion im DVZ vor allem darin zu sehen ist, dass höhere Kräfte besser absorbiert werden können (Gollhofer & Kyrolainen 1991) und, dass die Speicherung von elastischer Energie im tendomuskulären System und die Wiedereinsetzung dieser Energie eine höhere mechanische Effizienz ermöglicht. Voraussetzung hierfür ist, dass vor einer exzentrischen Belastung der Muskel adäquat vorinnerviert wird. Aus unseren Resultaten kann deutlich gezeigt werden, dass die Voraktivität signifikant mit zunehmender Laufgeschwindigkeit zunimmt. Wie auch von Lindinger et al (2007) gezeigt, nehmen bei hohen Laufgeschwindigkeiten die Stockkräfte signifikant zu und die beobachtbaren zeitlichen Flexionszeiten im Ellbogen reduzieren sich auf weniger als 100 ms. Als Konsequenz dieser schnellen Bewegung ist es notwendig, dass die neuromuskuläre Aktivierung möglichst effektiv abläuft. Vergleichbar zu bekannten Studien, die das Laufen (Kyrolainen et al 2005; Mero et al 2001; Komi&Gollhofer 1997) und Springen untersuchten, kann auch aus unseren Ergebnissen geschlossen werden, dass die Voraktivität das neuromuskuläre System mit einer adäquaten Steifigkeit versorgt, um die beim Stockeinsatz zu erwartenden hohen Dehnungsbelastungen zu kompensieren. Desweiteren erhöht die Voraktivität die Sensibilität der Muskelspindeln durch eine Erhöhung der Alpha-Gamma- Koaktivierung. Die erhöhte Sensibilität der Spindeln führt zu einer Zunahme in der Erregbarkeit von Ia-Afferenzen und konsequenterweise zu einer leichteren Erregung von Alpha-Motoneuronen was wiederrum in einer Zunahme der EMG Aktivierung resultiert. Die zunehmende Aktivierung direkt nach dem Stockeinsatz kann als Konsequenz dieses Vorganges betrachtet werden. Zusammen mit der Zunahme der Voraktivität ist es von

Bedeutung, dass eine ausreichende Steifigkeit des Muskels sichergestellt wird, um die Muskeln im Bereich des Ellenbogens und der Schulter in ausreichendem Maße auf die Belastung im Moment des Stockeinsatzes vorzubereiten. Eine erhöhte Steifigkeit dieser Gelenke ist notwendig, um den Impuls der Stöcke über die Körpersegmente in eine effektive Vorwärtsbewegung umzuleiten. Aus einer funktionellen Sichtweise kann die zunehmende Voraktivität auch als Sicherheitsmechanismus interpretiert werden, der das muskuläre und skeletäre System vor einer Überlastung schützen soll. Zusätzlich ist zu beachten, dass die Kapazität eines Muskels elastische Energie zu speichern nur in einem voraktivierten Muskel möglich ist (Cavagna 1977, Bosco 1982 Magnusson et al 2008). Die neuromuskulären Muster zeigen eine klare Zunahme in der Voraktivierung als auch in der Phase der schnellen Flexion im Ellbogen. Beide Beobachtungen sind eindeutige Zeichen einer muskulären Vorbereitung, die alle Charakteristika einer Kontraktion im DVZ aufweist. Die Zunahme im EMG in der Dehnungsphase wird desweiteren beeinflusst durch Reflexmechanismen (Gollhofer et al 1990) und der schon erwähnten Speicherung von Energie im tendo-muskulären System. Im DVZ spielt die Integration von Reflexmechanismen eine wichtige Rolle in der Bewegungsausführung (Nicol&Komi 1998, Dietz et al 1979, Kyrolainen et al 2005). In Anlehnung an Gollhofer et al. (1990) wurde gezeigt, dass die exzentrische Phase einer Bewegung beeinflusst ist durch mono- und polysynaptische Reflexmechanismen. Im Laufen und Springen wird diese reflexbeeinflusste Phase definiert zwischen 30 ms und 120 ms nach einer initialen Krafteinwirkung. In unserem experimentellen Aufbau kann eine deutliche Flexion mit zunehmenden Winkelgeschwindigkeiten im Ellenbogengelenk nach dem Stockeinsatz beobachtet werden. Bei 21 km•h-1 ist die Flexionszeit bei 137 ms, was mit der von Gollhofer bezeichneten Reflexphase sehr gut übereinstimmt. In diesem Teil der Bewegung erfährt der TRI eine schnelle Flexion was einer Dehnung des Muskels entspricht. Diese Dehnung kann als Ursache für eine reflektorische Erregung, speziell bei höheren Dehnungsbelastungen, angesehen werden. Unsere Resultate zeigen höhere EMG Werte in der Beugephase bei Geschwindigkeiten die höher als 21 km•h-1 liegen. Bedingt durch die höheren Dehnungsgeschwindigkeiten in der exzentrischen Phase kann diese reflektorische Aktivierung zu einem zusätzlichen Aktivierungsbeitrag beitragen, um die Phase der Dehnung möglichst kurz zu halten und eine möglichst schnell folgende konzentrische Aktivierung zu gewährleisten. Ein weiterer Aspekt der eine Rolle spielt ist die effektive Aktivierung von möglichst vielen Muskelfasern. Von Eberstein & Goodgold (1985) wurde gezeigt, dass langsame Muskelfasern eine Aktivierungszeit von ca. ~100 – 140 ms bis zum Erreichen des Spannungs- und somit Kraftmaximums aufweisen, schnelle hingegen bereits nach ~55 – 85 ms. Hieraus ist zu folgern, dass in der Phase der exzentrischen Dehnung (hier Flexion im Ellbogen) bei schnellen Bewegungsabläufen langsame Muskelfasern nur einen Effekt haben, wenn Sie bereits vor dem Kraftanstieg aktiviert werden. Setzt man dies voraus, dann wäre durch diese zeitliche Koordination in der Phase der Dehnung die höchstmögliche Anzahl an Muskelfasern in einem kurzen Zeitabschnitt rekrutierbar. Aus den vorliegenden Ergebnissen kann gefolgert werden, dass die Prinzipien eines DVZ auch für die oberen Extremitäten gelten. Für die Trainingspraxis sollte dies zur Folge haben, dass explosive und schnellkräftige Krafteinsätze auch in das Training von Skilangläufern integriert werden sollte. In besonders gilt dies für die kurzen Disziplinen. Wie Stöggl 2007 zeigen konnte ist der positive Effekt einer explosiven Bewegungsausführung für die Dauerleistungsfähigkeit von Skilangläufern nachweisbar.

Danksagung

Die Autoren danken den Mitgliedern des Schwedischen Skiverbandes für die bereitwillige Teilnahme an der Studie. Literatur Avela J, Finni J, Komi PV (2006) Excitability of the soleus reflex arc during intensive stretch-shortening

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