liesen, b.: ziegelstempel aus sinzig. kölner jahrbuch 43, 2010, 443-449

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Kölner Jahrbuch 43, 2010, S. 443 – 449 443 Die Stempel aus der frühkaiserzeitlichen Ziegelei von Sinzig blieben bis auf die knappe Erwähnung des Aus- gräbers J. Hagen unveröffentlicht 1 . Die Erschließung des Sinziger Materials – zum einen Stempel mit dem vermutlich zu TRA aufzulösenden Monogramm, zum anderen solche der 5. Legion – ist jedoch für die Be- urteilung der Versorgung Niedergermaniens mit Bau- keramik durchaus nützlich, zumal die Absatzwege der mindestens zwei Betriebe, die die Legio V Alaudae unterhielt, in erster Linie anhand der Stempel nachge- zeichnet werden können. Hier wird ein Bestand an Stempeln, die aus Sinzig stammen, vorgestellt. Er umfaßt überwiegend Lese- funde aus Privatbesitz 2 . Die von Hagen geborgenen Stücke sind verschollen oder nicht mehr zuweisbar 3 ; lediglich ihr Formular kann zum Teil genannt werden. Einige weitere Exemplare unsicherer Herkunft werden nicht näher besprochen 4 . Die anscheinend erhebliche Bedeutung der Sinziger Ziegelei für Vetera I kann hier erstmals anhand faksimilierter Stempel von beiden Fundorten dargestellt werden 5 . Daß insgesamt nur wenige Stempel in Sinzig gefunden wurden, mag auch auf die Überprägung des Geländes durch die Sigillata- Töpferei des 2. Jahrhunderts zurückzuführen sein 6 ; oder aber größere Teile des Ziegeleibetriebs liegen au- ßerhalb des von Hagen ausgegrabenen Bereichs. Die Stempel der 5. Legion 7 (Kat. 1–10), alle auf Lateres und Tegulae, kommen jeweils einmal vor. Da- von sind sechs auch in Xanten nachweisbar; teilwei- se mit mehreren Exemplaren. Das Bild, wonach die Stempelformen dieser Einheit insgesamt heterogen wirken, verdichtet sich. Ein unvollständig erhaltener Stempel der Legio XV Primigenia 8 (Kat. 11) und ein möglicherweise ebenfalls ZIEGELSTEMPEL AUS SINZIG VON BERND LIESEN 1 HAGEN 1917, 190 f. – Allgemein zur Ziegelei zuletzt VIETEN 2008. – Für verschiedene Hinweise danke ich K. Kleemann (Rema- gen) und D. Schmitz (Xanten) sehr. 2 Den Besitzern sei für die Erlaubnis zur Publikation herzlich gedankt. 3 Laut HAGEN 1917, 190 verblieben die in Sinzig gefundenen Stempel im Museum Remagen. Dort befinden sich heute fünf Stempel mit entsprechender Herkunftsangabe, die aber den von Hagen beschriebenen Stücken nicht sicher zuzuordnen sind. 4 Vgl. die bei VIETEN 2008, 114 f. erwähnten, aber nicht im ein- zelnen beschriebenen Sinziger Funde. Nicht genau bekannt ist auch die Herkunft einiger Stempel im Museum Remagen. 5 Als gesichert gelten kann auch der Vertrieb von Stirnziegeln von Sinzig nach Xanten (LIESEN 2005). 6 SCHMITZ 2002, 342. 7 Allgemein SCHMITZ 2002, 341 ff. 8 Allgemein SCHMITZ 2002, 341. 9 Vgl. HANEL 1995a, 273 f. der andeutet, daß die von ihm irrig als Vorgänger der Tegularia Transrhenana (vgl. SCHMITZ 2002, 342 f.) gesehene TRA eine Vexillation der Legio XV gewesen sein könnte. 10 Allgemein SCHMITZ 2002, 243, der die Stempel für Erzeugnis- se eines Privatzieglers in militärischem Auftrag hält. ROTHENHÖFER 2005, 152 ff. erörtert bei seinem Abriß der zivilen Ziegelproduktion die TRA-Stempel nicht. dieser Truppe zuzuordnendes Bruchstück (Kat. 12), bei- de auf Tegulae, lassen nicht ausgeschlossen erscheinen, daß die 15. Legion nicht nur an ihrem Standort Xanten, sondern auch in Sinzig Baukeramik produzierte. Ein gewisser Bezug deutet sich zudem schon dadurch an, daß in Vetera I die TRA-Stempel fast nur in Bauten der 15. Legion vorkommen 9 . Klarheit in dieser Frage kann durch weitere Grabungen gewonnen werden. Zusammen mit den drei von Hagen geborgenen, hier nicht verzeichneten Exemplaren kennen wir aus Sinzig nunmehr 23 TRA-Stempel 10 in vermutlich 14 Fas- sungen (Kat. 13–35) auf Tegulae, Imbrices, H-förmigen Ziegeln und möglicherweise Lateres. Eine Variante ist

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Kölner Jahrbuch 43 , 2010, S. 443 – 449

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Die Stempel aus der frühkaiserzeitlichen Ziegelei von Sinzig blieben bis auf die knappe Erwähnung des Aus-gräbers J. Hagen unveröffentlicht1. Die Erschließung des Sinziger Materials – zum einen Stempel mit dem vermutlich zu TRA aufzulösenden Monogramm, zum anderen solche der 5. Legion – ist jedoch für die Be-urteilung der Versorgung Niedergermaniens mit Bau-keramik durchaus nützlich, zumal die Absatzwege der mindestens zwei Betriebe, die die Legio V Alaudae unterhielt, in erster Linie anhand der Stempel nachge-zeichnet werden können.

Hier wird ein Bestand an Stempeln, die aus Sinzig stammen, vorgestellt. Er umfaßt überwiegend Lese-funde aus Privatbesitz2. Die von Hagen geborgenen Stücke sind verschollen oder nicht mehr zuweisbar3; lediglich ihr Formular kann zum Teil genannt werden. Einige weitere Exemplare unsicherer Herkunft werden nicht näher besprochen4. Die anscheinend erhebliche Bedeutung der Sinziger Ziegelei für Vetera I kann hier erstmals anhand faksimilierter Stempel von beiden Fundorten dargestellt werden5. Daß insgesamt nur wenige Stempel in Sinzig gefunden wurden, mag auch auf die Überprägung des Geländes durch die Sigillata-Töpferei des 2. Jahrhunderts zurückzuführen sein6; oder aber größere Teile des Ziegeleibetriebs liegen au-ßerhalb des von Hagen ausgegrabenen Bereichs.

Die Stempel der 5. Legion7 (Kat. 1–10), alle auf Lateres und Tegulae, kommen jeweils einmal vor. Da-von sind sechs auch in Xanten nachweisbar; teilwei-se mit mehreren Exemplaren. Das Bild, wonach die Stempelformen dieser Einheit insgesamt heterogen wirken, verdichtet sich.

Ein unvollständig erhaltener Stempel der Legio XV Primigenia8 (Kat. 11) und ein möglicherweise ebenfalls

ZIEGELSTEMPEL AUS SINZIG

VON BERND LIESEN

1 HAGEN 1917, 190 f. – Allgemein zur Ziegelei zuletzt VIETEN 2008. – Für verschiedene Hinweise danke ich K. Kleemann (Rema-gen) und D. Schmitz (Xanten) sehr.

2 Den Besitzern sei für die Erlaubnis zur Publikation herzlich gedankt.

3 Laut HAGEN 1917, 190 verblieben die in Sinzig gefundenen Stempel im Museum Remagen. Dort befinden sich heute fünf Stempel mit entsprechender Herkunftsangabe, die aber den von Hagen beschriebenen Stücken nicht sicher zuzuordnen sind.

4 Vgl. die bei VIETEN 2008, 114 f. erwähnten, aber nicht im ein-zelnen beschriebenen Sinziger Funde. Nicht genau bekannt ist auch die Herkunft einiger Stempel im Museum Remagen.

5 Als gesichert gelten kann auch der Vertrieb von Stirnziegeln von Sinzig nach Xanten (LIESEN 2005).

6 SCHMITZ 2002, 342.7 Allgemein SCHMITZ 2002, 341 ff.8 Allgemein SCHMITZ 2002, 341. 9 Vgl. HANEL 1995a, 273 f. der andeutet, daß die von ihm irrig

als Vorgänger der Tegularia Transrhenana (vgl. SCHMITZ 2002, 342 f.) gesehene TRA eine Vexillation der Legio XV gewesen sein könnte.

10 Allgemein SCHMITZ 2002, 243, der die Stempel für Erzeugnis-se eines Privatzieglers in militärischem Auftrag hält. ROTHENHÖFER 2005, 152 ff. erörtert bei seinem Abriß der zivilen Ziegelproduktion die TRA-Stempel nicht.

dieser Truppe zuzuordnendes Bruchstück (Kat. 12), bei-de auf Tegulae, lassen nicht ausgeschlossen erscheinen, daß die 15. Legion nicht nur an ihrem Standort Xanten, sondern auch in Sinzig Baukeramik produzierte. Ein gewisser Bezug deutet sich zudem schon dadurch an, daß in Vetera I die TRA-Stempel fast nur in Bauten der 15. Legion vorkommen9. Klarheit in dieser Frage kann durch weitere Grabungen gewonnen werden.

Zusammen mit den drei von Hagen geborgenen, hier nicht verzeichneten Exemplaren kennen wir aus Sinzig nunmehr 23 TRA-Stempel10 in vermutlich 14 Fas-sungen (Kat. 13–35) auf Tegulae, Imbrices, H-förmigen Ziegeln und möglicherweise Lateres. Eine Variante ist

Bernd Liesen

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7 (Abb. 1,6)Stempel:[L] ● V ● LVCI Λ / [VAL]ERI ● SABINITegulaFaksimiles: HANEL 1995, 689 Nr. G174–G178. – HANEL 1995a, Taf. 158,G178 (Xanten/Vetera I)

8Stempel:LEG V / SEVERIZiegelform unbekanntLit.: HAGEN 1917, 190. – CIL XIII,6,12145,2

9 (Abb. 2,1) Stempel:] ● VATegula

10 (Abb. 2,2)Stempel:].V / ]ILITegula

11 (Abb. 2,3)Stempel: ]XV[ Tegula

12 (Abb. 2,4)Stempel:LE X[ Tegula

13 (Abb. 3,1)Stempel: TRATegulaFaksimile: Nr. 14

14 (Abb. 3,2)Stempel: TRATegulaFaksimile: Nr. 13

15 (Abb. 3,3)Stempel:TRA TegulaFaksimile: Nr. 16

16 (Abb. 3,4)Stempel:TRALater oder H-förmiger ZiegelFaksimile: Nr. 15

17 (Abb. 3,5)Stempel:

11 So HANEL 1995a, 272. Die für eine sichere Zuordnung dienli-che Neubearbeitung der Funde von Vetera I kann hier nicht gelei-stet werden.

12 BRANDL 1999, 241 f.13 HANEL 1995a, 280. Hinzu kommt Köln: SCHMITZ 2004, 318

Nr. III,1–III,8.

mit sechs Stücken belegt, von zwei weiteren sind je zwei vorhanden. Zwei der Stempel haben Parallelen in Köln. Diese Gruppe zeichnet sich durch eine anscheinend recht große Zahl an Fassungen aus; so unterscheidet D. Schmitz immerhin acht für den Kölner Fundstoff.Unter den von N. Hanel anhand des Materials von Ve-tera I gebildeten drei Typen verbirgt sich schon allein nach Ausweis der stark differierenden Größen offen-bar eine nicht näher zu beziffernde Zahl an Varianten11. Die zum Teil nur geringen Unterschiede zwischen den einzelnen Ausprägungen mögen allerdings mitunter auf Abnutzung der Stempelstöcke, unterschiedlichen Schwund oder unsorgfältiges Einpressen zurückzufüh-ren sein. Die Datierung in claudisch-neronische Zeit bedarf keiner weiteren Erörterung12, und auch die Zu-sammenstellung der Fundorte durch Hanel kann nur unwesentlich erweitert werden13.

Katalog

1Stempel:L V AVZiegelform unbestimmtLit: HAGEN 1917, 190. – CIL XIII,6,12145,1

2 (Abb. 1,1) Stempel: L V [B] TegulaFaksimile: STEINER 1911, 50 Nr. 7; Taf. 24,7 (Xanten ?)

3 (Abb. 1,2)Stempel:L × V × PTegulaFaksimile: HANEL 1995b, 709 Nr. G510. – HANEL 1995a, Taf. 160,G510 (Xanten/Vetera I)

4 (Abb. 1,3)Stempel:L V + IV[L] (?)TegulaFaksimile: STEINER 1911, 50 Nr. 10; Taf. 24,10 (Xanten/Für-stenberg)

5 (Abb. 1,4)Stempel:LEG [V] / LAETI LaterFaksimiles: HANEL 1995b, 699 Nr. G349–G352. – HANEL 1995a, Taf. 159,G350 (Xanten/Vetera I)

6 (Abb. 1,5)Stempel:L ● V ● PV[LI]TegulaFaksimiles: HANEL 1995b, 693 f. Nr. G256–G262. – HANEL 1995a, Taf. 158,G258 (Xanten/Vetera I)

Ziege ls tempel aus S inz ig

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Abb. 1. Sinzig, Ziegelstempel. M 1:1.

Bernd Liesen

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Abb. 2. Sinzig, Ziegelstempel. M 1:1.

TRATegula ?Faksimiles: Nr. 18–22

18 (Abb. 3,6)Stempel:TRAImbrex.Faksimiles: Nr. 17.19–22

19 (Abb. 3,7)Stempel:TRALater oder H-förmiger ZiegelFaksimiles: Nr. 17–18.20–22

20 (Abb. 3,8)Stempel:TRA TegulaFaksimiles: Nr. 17–19.21–22

21 (Abb. 3,9)Stempel:TRATegula Faksimiles: Nr. 17–20.22

22 (Abb. 3,10)Stempel:TRATegulaFaksimiles: Nr. 17–21

23 (Abb. 3,11)Stempel: TRA Tegula ?

24 (Abb. 3,12)Stempel:TRATegula

25 (Abb. 4,1) Stempel:TRATegula

26 (Abb. 4,2) Stempel: TRATegula

27 (Abb. 4,3)Stempel:TRAImbrex

Ziege ls tempel aus S inz ig

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Abb. 3. Sinzig, Ziegelstempel. M 1:1.

Bernd Liesen

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Abb. 4. Sinzig, Ziegelstempel. M 1:1.

28 (Abb. 4,4)Stempel: TRA ImbrexFaksimile: LIESEN 2001, 457 Nr. M/14; 459 Abb. 111, M/14

29 (Abb. 4,5)Stempel:TRA Later oder H-förmiger Ziegel

30 (Abb. 4,6)Stempel:TRA Tegula

31 (Abb. 4,7)Stempel:TRA H-förmiger Ziegel

32 (Abb. 4,8)Stempel:TRA TegulaFaksimile: SCHMITZ 2004, 318 Nr. 3,III; 383 Nr. III,8

33–35Stempel: TRA Ziegelform unbekanntLit.: HAGEN 1917, 190.

Ziege ls tempel aus S inz ig

449

Anschrift: Dr. Bernd Liesen, Provinzialstr. 35, 46499 Hamminkeln.

Literatur

BRANDL 1999: U. Brandl, Untersuchungen zu den Ziegel-stempeln römischer Legionen in den nordwestlichen Pro-vinzen des Imperium Romanum. Katalog der Sammlung Julius B. Fritzemeier. Passauer Universitätsschr. Arch. 6 (Rahden 1999).

HAGEN 1917: J. Hagen, Römische Sigillatatöpferei und Zie-gelei bei Sinzig. Bonner Jahrb. 124, 1917, 170–191.

HANEL 1995a: N. Hanel, Vetera I. Die Funde aus den römi-schen Lagern auf dem Fürstenberg bei Xanten. Text und Tafeln. Rheinische Ausgr. 35 (Köln 1995).

HANEL 1995b: N. Hanel, Vetera I. Die Funde aus den römi-schen Lagern auf dem Fürstenberg bei Xanten. Katalog. Rheinische Ausgr. 35 (Köln 1995).

LIESEN 2001: B. Liesen, Die Grabungen südlich und west-lich des Kölner Doms. II. Glas, organische Reste, Stein-baumaterial, Objekte aus Ton. Kölner Jahrb. 34, 2001, 333–471.

LIESEN 2005: B. Liesen, Römische Antefixe aus der Ziegelei von Sinzig. Kölner Jahrb. 38, 2005, 783–785.

ROTHENHÖFER 2005: P. Rothenhöfer, Die Wirtschaftsstruk-turen im südlichen Niedergermanien. Untersuchungen zur Entwicklung eines Wirtschaftsraumes an der Periphe-rie des Imperium Romanum. Kölner Stud. Arch. Röm. Prov. 7 (Rahden 2005).

SCHMITZ 2002: D. Schmitz, Militärische Ziegelproduktion in Niedergermanien während der römischen Kaiserzeit. Kölner Jahrb. 35, 2002, 339–374.

SCHMITZ 2004: D. Schmitz, Die gestempelten Ziegel des rö-mischen Köln. Kölner Jahrb. 37, 2004, 223–447.

STEINER 1911: P. Steiner, Xanten. Sammlung des Niederrhei-nischen Altertums-Vereins. Kataloge west- und süddeut-scher Altertumssammlungen 1 (Frankfurt a. M. 1911).

VIETEN 2008: A. Vieten, Die römische Ziegelei am Rheinu-fer von Sinzig. Heimatjahrb. Kreis Ahrweiler 65, 2008, 113–116.

Abbildungsnachweis:

Fotos: Brigitte Berning (Hamminkeln)