kritik des prinzips der wiederherzustellenden sinnkonstanz. 1994. in ralph bisschops: "die...

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4 KRITIKDES PRINZIPS DER.WMDF,RIIERZUSTELLENDEN SINNKONSTANZ

4. I Einleilende Beme*rmgen

4.1.1 Die jetzt folgenden Auseinandersetzungen gelten Metaphern-theorien, die implizite oder explizite vom Prinzip der Sinnkonstanzausgehen, welches letztendlich darauf beruht, daB die Priidikation immetaphorischen Satz (das "ist") wortwOrtlich aufgefaBt wird. Dadurch wirddie Metapher nicht nur als Bruch mit dem Kontext angesehen, sondem auchdie interpretatorische Forderung gestellt, daB die Metapher so zu inter-pretieren sei, da8 sie sich wieder mit dem Kontext vertregt. Kurzum: Diejelzt ru besprechenden Autoren meinen alle nicht nur, daR die Metaphereinen Konflikt mit dem Kontext darstelle (diese Annahme ist im Grundekeine Aussage, sondern ein Kriterium, anhand dessen wir Metaphern alsMetaphem identifizieren), sondem auch, daB diese gestOrte Sinnkon-stanz vom Empfiinger wiederherzustellen sei. Auchhierhandelt essich nicht um eine Erkenntnis, sondern um eine Forderung. Und wir werdensehen, daB diese Forderung zu interpretatorischen Einschrinkungenfiihrt, die uns daran hindem, eine Metapher gebtihrlich zu erlEutern.

Anmerkung : Die Wiederherstellung der Sinnkonstznz bei der Interpretationvon Metaphern kann lediglich als p s y ch o I o g i s c h e s F a ktum angesehen undnur im rezeptionstheoretischen Sinn als Erkenntnis ggqgewertet werden: EslieBe sichannehmen, da[! die meisten Empflinger auf diese Weise eine Metapherdeuten. Damit sind die Deutungsmtiglichkeiten der Metapher aber noch langenicht ersch0pft.

4.l.2Obwohl wir Ricoeur den DenkanstoB zur Entfaltung dieserProblematik verdanken, so weicht sie von seiner Problemstellung wiederumentscheidend ab: Ricoeur untemimmt keine Kritik des Prinzips derSinnkonstanz und der daraus hervorgehenden Implikationen, und dies sehrwahrscheinlich, weil er die alternative Deutung der metaphorischenPridikation, welche er selber vorschliigt (die Metaphorisierung des "ist"),nicht in all ihren Konsequenzen rmd interpretatorischen M0glichkeitenentwickelt hat.

4.2 Definifion des Begriffes der Siw*oratara

4.2.1, A. J. Greimas definiert die Sinnkonstrnz (lsotopie) a1s "Ia

74 DIE METAPHER ALS wERTSETZUNG 1. Teil: Ewrgetik iler Metqher

perrnotence d'une base classdmdique hi6ruchisde(')'. Wir gestatten uns,diese Definition wie folgt umzuformulieren: Eine Priidikation hat nur dannSinn (und ist infolgedessen Ubersetzbar), wenn das Subjekt in die vomPradikat bezeichnete Klasse a priori hineinpaBt. In Greimas' Semantik,welche vomehmlich auf die Ermdglichung der mechanischen Ubersetzungausgerichtet ist, fiihrt dies zur Auffassung, da8 in allen Ausdriicken einessinnvollen Segments mindestens ein selbes "Sem" (" clatsAme" genannt - DieGruppe p nennt es "sAme essentiel") gegenwiirtig wiire. .Die Sinnkonstanzwiire also durch die semantische Redundanz gewiihrleistet. 'DerKommissar bellt" wdre dementsprechend ein Bruch mit der Sinnkonstanz,da "bellen' nur von Hunden gesagt werden kann. Im Satz "Der Kommissarschreibt" hingegen ist die Sinnkonstanz durch die Gegenwart eines selbenSers (in casu: "menschlich") in Subjekt und Priidikat verbtirgt.

4.3 Krifik des Prhuips der Sinr*owtaru

4.3.1Das Prinzip der Sinnkonstsnz tritt sehr klar bei den Verfechtemder "semischen Analyse" zttage:. Am radikalsten wird es u.E. von MichelLe Guem(D veftreten. Die Metaphernrezeption besttinde darin, da8 derEmpfiinger dazu gezwungen wiirde, vom metaphorischen Predikat alleBedeutungselemente (Seme) zu abstrahieren, die mit dem Kontext inkom-patibel wiireil3). Von dieser Annahme ausgehend begrtindet Michel LeGuern ganz folgerichtig den (aus unserer Sicht allerdings inakzeptablen)Unterschied zwischen Metapher und Symbol:

La diffCrence essentielle ente le symbok et ln mCtqhore consiste danshfonAion que chocun des deux mdcoismes dtibue dlnreprdsentdionmentale qui conespond au signifid habiruel du mot utilisd (: image).Dms ln construction symbolique la perception de l'image est ndcessoire

<r\ Simottique Structurale, S. 96.<2> SAmotique de la mitqhore et de la mitonymie, Pais 1973.€) Figenflich ist der Bruch mit der Sinnkonstaoz keine notwendige Bedingung der

Metaphorizitiit. Denn auch falsche SiiEe (wie George Bush ist ein Boxer), sowieBinsenwahrheiten (Der Mensch ist kein Wolf) oder SiiEe, die in in ihrer vnrtlichenBedeutmg in einer gegebenen Sioration zwar richtig aber unpassend sind, kdnnenmetaphorisch sein. Dadrrch wird die Auseinandersetrung mit den semantischen Theoriendennoch nicht miiBig, denn der Bruch mit der Sinnkonstaoz bleibt (vor allem in der Lyrik)ein hiiulig vorkorrmendes Anzeichen der MetErhorizitiit. SchlieBlich ist es uns auch nichtum den Bruch mit der Sinnkonstanz als solcher zu trn, sondern um die Forderung, die diezu kommentierenden Autoren erheben, daB der Bruch mit der Sinnkonstarzwiederhenwtellen sei. Und diese Forderung krinnte auch in anderen Fiillen von Metaphorikerhoben vuden. Die Bedzunrng der Metapher wiirde in solchen Fiillen verdndert, bis derSaE genau dementspriiche, was flurn (in einer gegebenen Situation) zu h6ren er\ilartete.

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d ln saisie de l'informaion logique contmue dms le message. Aucontroire dms lamCtqhore cet intennddioire n'est pos ndcessaire d latrotsmission de l'informaion, d ce niyeoa on n'utilise pos le signifidgl9bd du mot employd, mois seulement les dldments qui sont compdi-bles avec le contexte. (Op. cit., S. 43)

4.3.2 Obwohl Michel [-e Guern sich zu dieser Frage nicht euBert, soliegt es doch auf der Hand, daB die Kopula hier implizite in ihrer striktprldikativen Bedeutung aufgefa8t wird. Denn nur aufgrund dieserw6rtlichen tnterpretation des "ist" kann Le Guem die Annahme, in derMetapher wtirde das Augenmerk nicht im geringsten auf die urspninglicheBedeutungsbestimmttreit des Subsidiiirsubjekts gelenkt, dieses im Gegenteilunmittelbar auf die mit dem Kontext vertriglichen Bedeutungselementereduziert, auf so radikale weise vertreten. Aus rein semasiologischer Sichtist gegen diesen Standpunkt auchnichts einzuwenden. Allein wirdlr Guernauf diese Weise dem metaphorischen Effekt keineswegs gerecht; nichteinmal die von der klassischen Rhetorik angenommene ornamentaleIristung der Metapher kommt hier zur Geltung.

4.3.3 Dieses Bedenken m0chten wir anhand einer Metapher illustrieren,die Michel Le Guern selber anfiihrt, ndrnlich Blaise pascals Verwendungder Metapher des Schilfrohrs: "Z 'homme est un roseoa, te plus faibk de kndure, mois c'est un rosean pmsont."

Und Le Guern kommentiert:

(...) cette mise m relief de l'atribut daminantfait que lnmdtqhore dePascolreste une mCtqhore: lanotion defragilitd suffi dhtroxmissionde l'informaion logique. (Op. cit., S. 45)

Gesetzt den Fall, die Zerbrechlichkeit (fragilitd - im Gnrnde selber eineMetapher) ware Etsechlich ein den Wortinhalten von "Mensch" und"Schilfrohr" gemeinsames Sem, so w:iren noch zahlreiche andere Meta-phern denkbar, die dieselbe logische Information tibermitteln wtirden, wieetwa "Zweig", "Halm", "Kristallglas", "Porzellantasse", usw, Und wennwir, wie es bei Pascal selber lautet, nur die Schwiiche aus dieser MetapherheraushOren wollen, so ist die Anzatil alternativer M6glichkeiten nahezuungebrenzt: Fliege, Mticke, Wurm, Kiifer, Grashalm usw. Warum alsogerade Schilfrohr? Liegen in diesem Bild nicht noch andere Elemente, diesich zwar nicht auf semantische Einheiten zuriickfiihren lassen, und dennochebenfalls eine Art "Information" (um bei Le Guerns Sprachgebrauch zubleiben) iibermitteln? [,e Guern weiB zwar um diese problematik, alleinrechnet er den nicht semantisch erfaBbaren Teil der Metapher zur Kon-notation, welche er als das Insgesamt der "iddes accessoires" kennzeichnet.Dartiber lesen wir bei ihm sogar sehr Triftiges:

76 DIE METAPflER ALS WERTSDTZUNG 1. Teil: Eneryetik ilet Meq)lut

La puticularitC de la mCtqhore consiste (...) d unir une ddnotdionmarquCe pu un processus de sClection shnique d une connotdionpsyinoUitque qui reste obligde, mhme dnns un contexte restreint.$)

La mdtqhore, tout m faisott qpel d ce mdcanisme de l'image associde,lui 6te cette libertd et ce caractCre qptremtil.ent arbitroire. Elk imposed |espit du lecteur une suimpression pu rqpot"t d l'informdionlogique contenue dow l'CnoncC, une image wsociCe qui corespond dcelle qui s'estformCe dnts l'espit dc l'anteur oumoment ott ilformulnitcet dnoncC.t2)

Allerdings fehlt bei Le Guem jede Angabe, auf welche Weise diese"Assoziationen" herausgefunden werden mtissen. Solches kdrurten wirallerdings nur, wenn wir a priori auch ein klares Bild der Funktion dieserAssoziationenhiitten. kmerhalb von Ir Guerns Semantik, in der allem, wasnicht stricto sensu informativ ist, lediglich ein emotioneller Wert bei.gemessen wit6o, wtirdo die Deunrng der Konnotationen einer Metapher aufdie Aufziihlung der Gefiitrle hinauslaufen, die der Produzent angeblichernpfunden hiitte, oder die er beim Empfiinger hitte hervomrfen wollen. Einsolihes Vorhaben erscheintuns unausftitrbar. AuBerdemberuht es auf einerunzureichenden Konzeption vom Sinn eines literarischen Werkes. DaBdieser nicht in der Intention des Senders gesucht werden kann, ist bereitsvon Wellek & Warren (vgl. Theory of Literaure) ausftihrlich dargelegtworden.

4.3.4Der jetzt folgende Einwand betrifft noch Grundsiitzlicheres.Bleiben wir beim Beispiel Pascals: Ist es wirklich unbestreitbar, da8 eszwischen dem Begriff des Schilfrohrs und dem des Menschen (bzw.zwischen ihren Bedeutungen) ein gemeinsames Element gibt, d' h. einMerkrnal, das bei beiden Objekten strikt identisch ist? I-e Guern sagt' eswiire die Zerbrechlichkeit. Uber den Menschen ausgesagt, ist "zerbrectrlich"jedoch bereits eine Metapher. Auf jeden Fall ist der Mensch nicht aufdieselbe Weise zerbrechlich, wie SchiH es ist (man kann den Menschennicht einfach knicken). Pascal selber gebraucht das Wort "foiblesse".Schwiiche konnte tatsachlich als ein gemeinsames Merkmal angesehenwerden, aber damit haben wir nur einen sehr kleinen Bertihrungspunkt.AuBerdem ist auch das nicht ohne weiteres evident. Hiermit sind wir beiunserem dritten Einwand angelangt.

4.3.5 Wir haben eine Fabel von La Fontaine, in der das Schilf nicht als

<tt op. cit., s- 21.at op. cit., s. 43.o'op. cit., s.75.

4. Kritik ihr biwipt iler Wicilcrlpnuttelbnden Sirul*,ons@a

zerbrechlich, sondern gerade als biegsam dargestellt wird und venn0gedieser Eigenschaft anm Symbol der Uberlebensfiitrigkeit wird: Die Eichewird vom Wind weggerafft, das Schilf dagegen vennag der Sturm nicht zubrechen. An und fiir sich ist die Schwiiche also nicht ohne weiteres als einMerlrnal des Schilfs anzusehen, auf jeden Fall nicht als ein "dtibutdominott", wie tr Guern es wahrhaben will(l). Wir mtissen auf das, waswir im vorigen Kapitel tiber die Emblematik gesagt haben, zuriickgreifen,um der Signifikanz der Pascalschen Metapher niiherzukommen. DieVerwendung der Idee des Schilfrohrs zur Bezeichnung der Schwiiche trittn?imlich wiederholt in der Bibel auf:

Das geknickte Rohr zerbicht er nicht, und den glimmmden Dochtl6s cht er nicht aus : j a er (der Gottesknecht) bingt w i* li ch dos Re cht.Q)Der Hen wird Israel schlngen, d@ es schwotkt wie das Schilfrohr imWosser.Q)Eine Stiike aus Schilfrohr bist du (Agypten)/rr das Haus Isrohls (alsokeine Stritze;.{nr

Es ist sehr watrscheinlich, da8 die Metapher "Der Mensch ist ein Schilf-rohr" durch diese Bibelstellen (vor allem die erste, da sie auch im NeuenTestarnent wiederaufgegriffen wird) motiviert worden ist. Nun gibt es aberzahlreiche Weisen, die Schwiiche bildhaft darzustellen. Deshalb fragt essich, ob die Metaphorik des Schilfrohrs, nicht mehr aussagt, als nur, daBder Mensch den Naturgewalten ausgeliefert wiire. Schwiiche ist niimlichnicht notwendigerweise eine negative Eigenschaft, sie kann auch als7-artheit, Empfindsamkeit und Feinheit gedeutet werden. Der Roheit ist dasErhabene ja sehr oft unterlegen. Das Bild des Schilfrohrs ist aber nicht dazuangetan, diese positiven Aspekte der Schwflche hervorzuheben: Schilf ist eineher primitives Gewiichs. [m Gegensatz zu zatrlreichen anderen Irbewesengeht seine (angebliche) Schwiiche nicht aus einem hohen MaB an Kom-plexitiit hervor. DaB Pascal nun gerade das Schilfrohr zur Bezeichnung desMenschen in seiner Schwiiche herbeizieht - hinsichtlich der Uberlebenschan-cen zieht der Mensch im Vergleich mit dem Schilf immer noch denktirzeren - hat allerdings einen Grund. Es illustriert auf bezeichnende WeisePascals Vision der menschlichen Unzuliinglichkeit, welche sich bei ihm bis

$ Op. cit., S. 45.@ Jes. 42,3. Siehe auch: Mt. 12,20.o) 1. Kiinige, 14: 15(at F-2.29:6

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18 DIE METAPHER ALs \vERTsETzuNG I. Teil: Eneryetik der Metqlwr

zur Selbstverachtung steigert (cf .'. "Le moi est hatssoble"o). Die Metapherwiderspiegelt dementsprechend eine ganze Lebenseinstellung, die erfa8barwird, sobald wir ihren (durch Herkunft und Emblematik gepriigten)Bildwert in Rechnung setzen. Und wer wtirde leugnen, daR die titermitt-lung einer lrbenseinstellung nicht ebenfalls eine Art "Information"darstellt? Denn die Verachtung des Menschlichen mag zwar at Gefiihlen(wie etwa Schwermut, Ekel und Melancholie) AnlaB geben, in erster Linieaber ist sie doch eine Denlarngsart. Ir Guerns (wie auch Jean Cohens(2))emotionalistische Deutung des nicht semantisch erfaBbaren Teils derMetapher geht also nicht an. Auch trifft die Annatrme des Autors, die vonder Metapher erzeugte Stimmung wiire vom Autor bei ihrer ProduktionbewuBt intendiert, nicht notwendigerweise zu: Der Autor braucht sich derIrbenseinstellung, die seine Metaphern signalisieren, nicht notwendigbewu8t zu sein. Wir berufen uns hier auf Wellek & Warrens Literatur-theorie, nach der der Sinn eines literarischen Werkes sich nicht in denAbsichten des Autors auffinden liifJt.

4.3.6 Wir mOchten unsere Bedenken zu Ir Guems semischer Analysewie folgt zusammenfassen:

- Es kann nicht als ausgemacht gelten, daB es zwischen Haupt- und Sub-sidiiirsubjekt notwendig gemeinsame Eigenschaften, (bzw. zwischen den siebezeichnenden Ausdriicke gemeinsame Bedeutungseinheiten) gibt.

- In den Fiillen, wo solche Gemeinsamkeit von Eigenschaften tatsachtchvorliegt, ist mit der Enthtillung dieser gemeinsamen Eigenschaft(en) dieMetapher noch lange nicht zureichend interpretiert, und wird lediglich eineeventuelle Vorbedingung ihrer M0glichkeit visiert.

- [r Guerns Analyse berticksichtigt also nur einen Aspekt der Metapher,niimlich diejenige Information, die sich mit dem Kontext unmittelbarvertriigt (op. cit., 5. 42).

4.3.7 Durch die semische Analyse werden der Deutung der MetapherSchranken gesetzt, die den Ztgangzu sehr wichtigen Einsichtenversperen.Das Prinzip der Sinnkonstanz, nach dem die Metapher nicht nur einenBruch mit der Isotopie des Kontextes darstellt, sondem auch derartinterpretiert werden muB, da0 diese Isotopie wiederhergestellt wird, erweistsich bei der Interpretation einzelner Metaphern als wenig operationell. Dieszeigt sich auf eklatante Weise im Abschnitt, wo rn Sdmantique de lnmitaphoreet de h metunymie von(angeblich) auf Synisthesie beruhenden Metaphem dieRede ist (S. 48 ff.). Da in solchenFiillennicht die geringste Gemeinsamkeit vonBedeutungseinheiten vorgewiesen werden kann, rechnet Michel Le Guern dieseFiguren nicht zu den eigenflichen Metaphern. Dadurch wird eine u. E. sehrwichtige Erscheinungsweise der Metaphorik zur Ausnahme erklirt!

@ Pensies, S 455.(2) siehe $ 2.2.

4. Kritik du Prbuips iler Wizilerhtnuctell4rrden Siro*orrstou

4.4 Die Metrylwruhcoric vonAlbeft Henry

4.4.1 Einer nuancierteren Interpretation der Metapher begegnen wir beiAlbert Henry, in dessen Werk Mdtonymie et Mdtqhore (Paris, I97l).Auch dieser Autor huldigt der Annahme, da8 die Gemeinsamkeit vonEigenschaften die metaphorische Ubertragung motiviere. Allerdingskommen bei ihm auch diejenigen Aspekte des Subsidiiirsubjekts, die es nichtmit dem Hauptsubjekt teilt, mehr zu ihrem Recht. Albert Henry schreibt:

(...) le terme mdtqhoique surchuge de toute sa conception propre -une portie en net A une pattie en flou - le tenne mdtqhoisd. Il seroitexcessif de porler oassi de ln prdsence lfrmte de tout le chunp defigures, dont le tenne mdtqhortque feroit portie, encore que le chunpassociaif dontfoit portie le mCtqhoisant ne puisse pos dtre absolumentdcartC.G)

4.4.2Der Autor leugnet also nicht den Belang der sogenanntenAssoziationen, im Grunde aber handelt es sich nur um ein sehr schwachesZugestiindnis. Es sei auch darauf hingewiesen, daB diese Darstellung derLeistung der Metapher selber metaphorisch ist: Die Metapher wtirde eineArt "stereoskopisches" Schauen bewirken. Der klar erkennbare Teil wiirendie gemeinsamen Seme oder Merkmale, der verschwommene Teil hingegen,das Insgesamt der Assoziationen. Mit diesem Bild werden aber Annatrmenin die Betrachtung hineingeschleust, die, wie wir soeben bereits gezeigthaben, strittig sind. Au8erdem gestattet die psychologistische Deutungdieser Assoziationen keine prizise Analyse ihrer Signifrkanz, die dennoch,wie wir bereits am Beispiel Pascals gesehen haben, deutlich erkennbar undvielleicht von grd8erem interpretatorischem Belang ist als die vermeintli-chen gemeinsamen Merkrnale.

4.5 Dic Gruppe p

4.5.1Von aller Welt bestaunt wurde dre RhCtoique GCndrale derLtitticher Gruppe p, und es ist unleugbar, daB dort in bezug auf dieKlassifizierung und Bezeichnung der rhetorischen Figuren betrlchtlicheArbeit geleistet worden ist. Die Metaphorik aber kommt in diesem Werkentschieden zu kurz: Sie wird als das Produkt einer doppelte Metonymiegekennzeichnet, wobei der metonymische Teil das Haupt- und Subsidiiirsub-

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<D Mitonymie et mitqhore, Paris 1971, S. 67.

80 rrrE METAPHER aLs wERTSETzaNG 1. Teil: Erurgctik ilcr Metqlut

jekt gemeinsarne Sem darstellt. Die Autoren versuchen aber, und dies aufsehr umstiindliche Weise, nachzuweisen, daB nicht jede Gemeinsarnkeit vonSemen eine Metapher begrihden kOnnte: Nur gemeinsame Eigens chaftenoder Teile k6nnten eine metaphorische Ubertragung rechtfertigen. Diegemeinsame Zugeh0rigkeit zu einem selben Organismus, sowie, wasEigenschaftsw0rter anbelangt, der Umsuand, da8 sie auf einen selbenGegenstand zutreffen, kOnnten keine Metaphem veranlassen. Beispiele:"Hand' kann nicht als Metapher fiir "Kopf" fungieren (gemeinsameZugeh0rigkeit) und 'grtin" nicht ftir "flexibel" (gemeinsame Eigenschaftenbeispielsweise einer Birke). Diese Behauptung ist unvertretbar. Fiir denletzten Fall gibt es ein frappantes Gegenbeispiel: "gr[in" kann zwar keineFlexibilitiit bezeichnen, wohl aber die Jugend. "Grtin" kann also alsSubstituent ftir "jung" fimgieren, und dies eben weil junge Zweige oderBhtter griin sind (im Franz0sischen spricht rxrn sogar von "les vertesonndes."). DaI] die Zugeh0rigkeit zu einer selben Gesamtheit die metaphori-sche Ubertragung verhindern wtirde, ist ebenfalls widerlegbar: FrankSinatra soll sein Glied als sein "drittes Bein" bezeichnet haben, eineimmerhin unmiBverstiindliche Metapher!

4.5.28s lii8t sich aber noch Fundamentaleres gegen die These derGruppe p einbringen: Die Kennzeichnung der Metapher als doppelterMetonymie triigt dem unumkehrbaren Charakter der Metapher keineRechnung. Ich kann sagen: "Die Manager der neuen Generation sind jungeW0lfe" . Ich kann dagegen nicht sagen "Die jungen Wtilfe sind die Managerder neuen Generation". Und dies weil das Subsidiiirsubjekt als Inbegriffdes zu bezeichnenden Merkmals auftritt (deshalb braucht es diesesMerlanral, wie wir salrcn, aber noch lange nicht zu besitzen).

4.6 Sclth$folgerungen

4.6.1 Das Prinzip der Sinnkonstanz, das von den besprochenen Autorenals selbsWerstiindlich angenoflrmen wird, besteht daraus, daB:

a) die Metapher einen Bruch mit der [sotopie darstellt;b) dieser Bruch bei der lnterpretation w i e de rh e r g e s te I I t werden muIJ ;c) diese Wiederherstellung der Sinnkonstanz sich dadurch vollzOge, da8

der Empf?inger bei der Rezeption der Metapher nur diejenigen Bedeutungs-einheiten gelten lie8e, die gemeinsame Merkrnale von Haupt- und Subsidiiir-subjelc darstellen wtirden.

4.6.2Wir stellen indes folgende Gegenbehauptungen auf:a) Die faktische Anwesenheit von gemeins:Imen Eigenschaften zwischen

Haupt- und Subsidiiirsubjekt ist strittig. Und in den Fiillen, wo ein selbesPredikat (wie etwa "schwach") auf beide Subjekte zutrifft, so fragt es sichimmer noch, ob wir nicht mit unterschiedlichen Manifestationen dieserEigenschaft zu tun haben (der Mensch ist nicht auf dieselbe Weise schwach,wie ein Schilfrohr es ist). Diese Annatrme werden wir in den folgenden

4. Kritik iler bituipr der Wieilcrhanustellcnden Silnkorutoa

Abschnitten anhand zahlreicher Beispiele verstiirkt herausarbeiten.b) Sogar in den Fillen, wo nun von gemeinsamen Eigenschaften

sprechen kdnnte, wird durch die Einschriinkung der Deutung der Metapherauf die Herausschiilung dieser gemeinsamen Eigenschaften ein eherunwesenflicher Aspelt der Metapher anvisiert. Wir haben vielmehr denEindruck, da8 diese angebliche Gemeinsamkeit von Eigenschaften nur einenVorwand darstellt, um ein bestimmtes Emblem zur Kennzeichnung desHauptsubjeks heranzuzieheill). Die Signifikanz dieses Emblems ist vongrdBerem interpretatorischem Belang als die Bedingung der M0glichkeit'seiner Beistellung.

Die Signifikanz des Emblems, mit all ihren existentiellen lmplikationen(siehe das Beispiel Pascals), kann aber, solange das Prinzip der Sinnkon-stanz gilt, nicht zur Geltung kommen. Dieses Prinzip mu8 also aufgehobenwerden. Dies wiirde darauf hinauskommen, da8, im Verlauf des Deutungs-prozesses, das "ist" seine urspriingliche askriptive Funktion verklre. DieIdee der Sinnkonstanz wtirde in diesem Deutungsproze$ zwar erhaltenbleiben, aber nur als AnlaB, eine Metapher als Metapher aufzufassen. [MitRecht hei$t es in der Rhdtoique gCndrale der Gruppe p: "(...) le seul faitde I'dcart est chargC de sens: il signifie prdcisdment rhdtoique, c'est-d-direLittdrdure, Podsie, Humour, etc." (5.42)l Daran wiirde aber nicht mehrdie Forderung gekntipft werden, den Bruch mit der Isotopie wieder zuflicken. Mit anderen Worten: Die Priidikation als solche (oder das "ist")wiirde zur Metapher. Damit wiire Ricoeurs Vorschlag bestlitigt.

Jetzt fragt sich allerdings, inwiefern dieser Vorschlag nicht im Wider-spruch zu unseren vorigen Behauptungen steht: tn den vorigen Abschnittenhaben wir so ausdriicHich auf die priidikative Funktion der Metapherhingewiesen. Diese Funlrtion geriit aber durch die Metaphorisierung des"ist" wiederum ins Wanken. Sttinden die Dinge schlieBlich doch anders?

(1) Die vorgefa$te Meinung, eine Metapher wiirde nur drch eine reale Aldichkeiterdglicht, kaon selber wiedenrm als Angelpunkt einer rhetorischen Strategie verqendet

"rerden: WennJ. M. I"e Pen die ftaoz6sische Nation als eine Familie daxstellt, so qpekuliert

er darauf, daB sein Publilom die gravierenden Unterschiede zwischen demZusarme.nhorigkeitsgefiihl, das innerhalb einer Femile herrscht, und dem gegenseitigenWohluollen, das Landslzute einander entgegenbringen, ribersieht. Die eigentliche AussagedieserMetapher istaber, da8 eine Nationwie einFamilienclanfunktionierenwihdeundauchso zu firnltionieren hiitte. Das fiir den Zusarmenhalt einer Nation qpezilische gegenseitigeWoblurcllen wird als Blutsverwandtschaft ungedeutet, und mit allen damitzusarenhiiogendentribalenKonnotationenbehaftet. DieAbdicbkeitwirdhieroffenkundigvenrrcndet, um dem Srrbjekt der Rede (bzw. der Nation) ein Predikat (Familie)zuzuschreiben, das ihm fremd ist.

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