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Kämpfer gegen den Antisemitismus und Opfer der Shoah Leben und Sterben von Josef Hupka (1875–1944), Ordinarius für Handels- und Wechselrecht an der Universität Wien * Klaus Taschwer 1 Ein gescheiterter Fluchtversuch Es war eine Tat, auf die der niederländische Militärpolizist Gerrit van Kasbergen hätte stolz sein können. Im November 1942 entdeckte er im Grenzgebiet zwischen den Niederlanden und Belgien eine kleine Gruppe verzweifelter Personen. 1 Sie waren von einem Schlepper gegen Geld an die Grenze gebracht worden, weil sie vermutlich über Belgien in jenen Teil Frankreichs gelangen wollten, der von Hitlers Truppen nicht besetzt war – in der Hoffnung, dass Juden dort weniger brutal verfolgt würden als in den Niederlanden. Doch niemand holte die vier Leute von der anderen Seite der Grenze ab. Trotz des großen Risikos für alle Beteiligten gelang es dem erst 22-jährigen Kas- bergen, der von allen nur Cas genannt wurde und im niederländischen Widerstand organisiert war, die kleine Gruppe an einem nahe gelegenen Bauernhof unterzubrin- gen, mit Essen zu versorgen und zu verstecken. Drei aus der Gruppe stammten aus * Der Autor bedankt sich herzlich bei Andrew Parkinson, Stephen Parkinson (Oxford) und Reverend A. J. Parkinson (Newton Abbott) für das großzügig übermittelte Fotomaterial aus dem Familienar- chiv und die Familienerinnerungen, bei Paul Hellmann (Rotterdam) für die Hilfe bei der Rekon- struktion der Fluchtgeschichte und zahllose andere Hinweise, bei Linda Erker (Wien), Sophie Lillie (Wien), Anja Sattelmacher (Berlin), Johannes Feichtinger (Wien), Oliver Hochadel (Barcelona), Johannes Koll (Wien), omas König (Wien), Franz-Stefan Meissel (Wien), omas Olechowski (Wien), Oliver Rathkolb (Wien) und Christian Stifter (Wien) für zahlreiche Hinweise und Verbes- serungen. 1 Für die folgenden Schilderungen vgl. C. A. Dekkers/J. M. [Cas] van Kasbergen, Oranje marechaus- see. „Zonder vrees en zonder blaam“. Marechaussee tijdens de Tweede Wereldoorlog in ondergronds verzet tegen de nazi-onderdrukking, Naarden 1987, S. 70–81; Paul Hellmann, Mijn grote ver- wachtingen. Herinneringen, Amsterdam/Antwerpen 2009, S. 32–34; Paul Hellmann, Klein kwaad. Het proces-Demjanjuk en de speurtocht naar het verraad van mijn vader, Amsterdam/Antwerpen 2011, S. 110–112, sowie Marie Parkinson, Grandma’s memoirs, London 2007, S. 37. Ich danke Paul Hellmann für eine Kopie der Memoiren von Marie Parkinson (geb. Hupka), für den Hinweis auf das Buch von Cas van Kasbergen und seine Übersetzungshilfen. DIESER eSONDERDRUCK DARF NUR ZU PERSÖNLICHEN ZWECKEN UND WEDER DIREKT NOCH INDIREKT FÜR ELEKTRONISCHE PUBLIKATIONEN DURCH DIE VERFASSERIN ODER DEN VERFASSER DES BEITRAGS GENUTZT WERDEN. BEITRAG aus: JOHANNES KOLL (HG.): "SÄUBERUNGEN" AN ÖSTERREICHISCHEN HOCHSCHULEN 1934–1945 ISBN 978-3-205-20336-0 © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR

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Kämpfer gegen den Antisemitismus und Opfer der Shoah

Leben und Sterben von Josef Hupka (1875–1944), Ordinarius für Handels- und Wechselrecht an der Universität Wien*

Klaus Taschwer

1 Ein gescheiterter Fluchtversuch

Es war eine Tat, auf die der niederländische Militärpolizist Gerrit van Kasbergen hätte stolz sein können. Im November 1942 entdeckte er im Grenzgebiet zwischen den Niederlanden und Belgien eine kleine Gruppe verzweifelter Personen.1 Sie waren von einem Schlepper gegen Geld an die Grenze gebracht worden, weil sie vermutlich über Belgien in jenen Teil Frankreichs gelangen wollten, der von Hitlers Truppen nicht besetzt war – in der Hoffnung, dass Juden dort weniger brutal verfolgt würden als in den Niederlanden. Doch niemand holte die vier Leute von der anderen Seite der Grenze ab.

Trotz des großen Risikos für alle Beteiligten gelang es dem erst 22-jährigen Kas-bergen, der von allen nur Cas genannt wurde und im niederländischen Widerstand organisiert war, die kleine Gruppe an einem nahe gelegenen Bauernhof unterzubrin-gen, mit Essen zu versorgen und zu verstecken. Drei aus der Gruppe stammten aus

* Der Autor bedankt sich herzlich bei Andrew Parkinson, Stephen Parkinson (Oxford) und Reverend A. J. Parkinson (Newton Abbott) für das großzügig übermittelte Fotomaterial aus dem Familienar-chiv und die Familienerinnerungen, bei Paul Hellmann (Rotterdam) für die Hilfe bei der Rekon-struktion der Fluchtgeschichte und zahllose andere Hinweise, bei Linda Erker (Wien), Sophie Lillie (Wien), Anja Sattelmacher (Berlin), Johannes Feichtinger (Wien), Oliver Hochadel (Barcelona), Johannes Koll (Wien), Thomas König (Wien), Franz-Stefan Meissel (Wien), Thomas Olechowski (Wien), Oliver Rathkolb (Wien) und Christian Stifter (Wien) für zahlreiche Hinweise und Verbes-serungen.

1 Für die folgenden Schilderungen vgl. C. A. Dekkers/J. M. [Cas] van Kasbergen, Oranje marechaus-see. „Zonder vrees en zonder blaam“. Marechaussee tijdens de Tweede Wereldoorlog in ondergronds verzet tegen de nazi-onderdrukking, Naarden 1987, S. 70–81; Paul Hellmann, Mijn grote ver-wachtingen. Herinneringen, Amsterdam/Antwerpen 2009, S. 32–34; Paul Hellmann, Klein kwaad. Het proces-Demjanjuk en de speurtocht naar het verraad van mijn vader, Amsterdam/Antwerpen 2011, S. 110–112, sowie Marie Parkinson, Grandma’s memoirs, London 2007, S. 37. Ich danke Paul Hellmann für eine Kopie der Memoiren von Marie Parkinson (geb. Hupka), für den Hinweis auf das Buch von Cas van Kasbergen und seine Übersetzungshilfen.

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BEITRAG aus: JOHANNES KOLL (HG.): "SÄUBERUNGEN" AN ÖSTERREICHISCHEN HOCHSCHULEN 1934–1945ISBN 978-3-205-20336-0 © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR

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Österreich: Josef Hupka und seine Frau Hermine waren 1939 aus Wien über die Schweiz in die Niederlande geflüchtet. Der 1903 in Wien geborene Bernhard Hell-mann, der beste Freund des Verhaltensforschers Konrad Lorenz, war bereits in den frühen 1930er Jahren von Wien nach Rotterdam übersiedelt.2 Mit dabei war auch noch Hellmanns damals siebenjähriger Sohn Paul.

Am nächsten Morgen führte ein 15-jähriges Mädchen die Gruppe in den Wald, nur Minuten bevor Nationalsozialisten auftauchten. Dort wurden sie in einem auf-gelassenen Grab versteckt. Kasbergen, der mutige Polizist, konnte das völlig verzwei-felte Ehepaar Hupka nicht nur im letzten Moment davon abhalten, Selbstmord zu begehen. Er arbeitete mit Kollegen vom Widerstand auch noch einen Plan aus, wie die beiden nicht mehr jungen Leute – Josef Hupka war bereits 67, seine Frau Her-mine 54 Jahre alt – unentdeckt nach Amsterdam gebracht werden konnten, denn an eine Flucht über die Grenze war nicht mehr zu denken. In seinen Erinnerungen, die 1987 unter dem Titel Oranje marechausee [Orange/Niederländische Militärpolizei]

2 Zu Bernhard Hellmann vgl. Klaus Taschwer, Konrad Lorenz’ bester Freund, in: Der Standard vom 5. November 2013, http://derstandard.at/1381370977060 [2. Mai 2016].

Abb. 1: Josef Hupka im Jahr 1916, porträtiert von Ferdinand Schmutzer.

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erschienen, zweifelte Kasbergen allerdings, ob er im Fall des Ehepaars Hupka richtig gehandelt hatte.

Wer war dieses ältere Ehepaar aus Wien, das in letzter Verzweiflung über die Grenze flüchten wollte? Wer vor dem Frühjahr 2014 nach „Josef Hupka+Wien“ goo-gelte, erhielt nicht allzu viele Treffer. Einer der ersten Links führte zum Online-Ge-denkbuch der Universität Wien, das einen kurzen Vermerk inklusive Geburts- und Sterbedatum bot. Man erfuhr, dass Hupka ordentlicher Professor für Handels- und Wechselrecht an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät gewesen sei. Dann folgte der oft kopierte Stehsatz vieler Einträge des Gedenkbuchs: „Er wurde im Nationalsozialismus aus rassistischen Gründen verfolgt und 1938 seines Amtes enthoben (zwangspensioniert) und von der Universität Wien vertrieben.“3 Einen Wi-kipedia-Eintrag zu seiner Person gab es bis zum Erscheinen einer Kurzfassung dieses Texts im März 2014 ebenfalls nicht.4 Einschlägige Lexikoneinträge klangen hingegen beeindruckend: Dr. jur. mit 22 Jahren, erste Habilitation mit 26, zweite Habilitation mit 27, außerordentlicher Professor mit 31.

Recherchen im Archiv der Universität ergaben, dass ein Personalakt zu Josef Hupka fehlt.5 Gründlichere Nachforschungen offenbaren freilich nicht nur die be-wegende Lebensgeschichte eines international renommierten Rechtswissenschaftlers, der zahlreiche Standardwerke insbesondere zum Versicherungsrecht verfasst hat. Die Recherchen geben auch Zeugnis von einem engagierten Intellektuellen, der wie kaum ein anderer in der Zwischenkriegszeit gegen jenen Antisemitismus ankämpfte, der das Klima nicht nur an der Universität Wien ab den frühen 1920er Jahren immer nachhaltiger vergiftete.6

3 http://gedenkbuch.univie.ac.at [6. März 2017].4 Klaus Taschwer, Der verlängerte Leidensweg des Josef Hupka, in: Der Standard vom 19. März 2014,

http://derstandard.at/1395056984636 [10. Mai 2016].5 Das liegt daran, dass die Akten des Dekanats der Juridischen Fakultät (jedenfalls jene von 1890

bis 1945) während eines Bombenangriffs am 21. Februar 1945 großteils vernichtet wurden. In der Senatssitzung vom 26. Mai 1945 berichtete Prorektor Richard Meister, dass dabei auch die Perso-nalakten zum größten Teil verbrannt sind. Ich bedanke mich bei Thomas Maisel, dem Leiter des Archivs der Universität Wien (UAW), für diese E-Mail-Auskunft vom 5. März 2014. Vgl. auch An-drea Vetricek, Die Lehrer der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien, die 1938 entlassen wurden, Dissertation Universität Wien 1980, S. 2. Es scheint nicht ganz ausgeschlos-sen, dass diese Verbrennungen zum Schutz der NS-Parteigänger ohne Feindeinwirkung ‚passiert‘ sind; vgl. Christian H. Stifter, Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration. US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Neuorientierung österreichischer Wissenschaft 1941–1955, Wien/Köln/Weimar 2014, S. 343, Fußnote 1463.

6 Für einen Überblick über die antisemitischen Zustände an der Universität in der Zwischenkriegszeit vgl. zuletzt Klaus Taschwer, Hochburg des Antisemitismus. Der Niedergang der Universität Wien im 20. Jahrhundert, Wien 2015; Werner Hanak-Lettner (Hg.), Die Universität. Eine Kampfzone, Wien 2015.

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2 Rechtswissenschaftliche Karriere im Eiltempo

Geboren wurde Josef Franz Hupka am 22. Februar 1875 als Sohn des Rechtsan-walts Ludwig Hupka in Wien. Die Volks- und Mittelschule besuchte er dann aber in der südmährischen Stadt Znaim, dem heutigen Znojmo unweit der österreichi-schen Grenze. Hupka bestand mit 17 Jahren, also um zwei Jahre früher als damals üblich, die Matura und begann mit dem Jusstudium an der Universität Wien; da-neben betrieb er auch romanistische Studien.7 1897 promovierte er 22-jährig und konvertierte vom jüdischen Bekenntnis zum Protestantismus.8 Von 1899 bis 1901 forschte Hupka in Leipzig, ehe er sich 1901 in Wien mit dem Buch Die Vollmacht für römisches und deutsches bürgerliches Recht habilitierte und in die niederöster-reichische Finanzprokuratur eintrat. Ein Jahr später wurde Hupka aufgrund seiner umfangreichen Habilitationsschrift auch noch die Lehrbefugnis für Handels- und Wechselrecht zuerkannt.9

7 Vgl. Thomas Olechowski, Josef Hupka, in: Ders./Tamara Ehs/Kamila Staudigl-Ciechowicz, Die Wiener Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1918–1938, Göttingen 2014, S. 385–390.

8 Georg Gaugusch, Wer einmal war. Das jüdische Großbürgertum Wiens 1800–1938, Bd. 1, Wien 2011, S. 340, Fußnote 17; Anna L. Staudacher, Jüdisch-protestantische Konvertiten in Wien 1782–1914, Bd. 1, Frankfurt a.M. u.a. 2004, S. 196, Fußnote 112. Hupkas Taufpate war Franz Ritter von Regenhart Zapory, der damalige Präsident der Gesellschaft der Musikfreunde.

9 Biografische Details zu Hupka finden sich in einschlägigen Nachschlagewerken wie dem Österreichi-schen Biographischen Lexikon (http://www.biographien.ac.at/oebl/oebl_H/Hupka_Joseph_1875_1944.xml [2. August 2016]), in Marcel Klang (Hg.), Die geistige Elite Österreichs. Ein Handbuch der Führenden in Kultur und Wirtschaft, Wien 1936, S. 395, in Sophie Lillie, Was einmal war. Hand-buch der enteigneten Kunstsammlungen Wiens, Wien 2003, S. 525–527, in Vetricek, Die Lehrer, S. 69 f., in einem undatierten Nekrolog von Heinrich Demelius, Hupkas Nachfolger nach 1939 und NSDAP-Mitglied (UAW, Senat S 305.113), und insbesondere in Olechowski, Josef Hupka. Es ist bemerkenswert, dass in den zahlreichen Texten zur Vertreibung der Lehrkräfte an der Juridischen Fakultät sowie zum Antisemitismus an dieser Fakultät Josef Hupka – dem einzigen Ordinarius unter allen NS-Opfern der Universität Wien, der in einem Konzentrationslager umkam – bis zum neuen Text von Thomas Olechowski bisher nicht mehr Aufmerksamkeit zuteilwurde; vgl. unter anderem Oliver Rathkolb, Überlegungen zum Exodus der „Jurisprudenz“, in: Friedrich Stadler (Hg.), Emigra-tion und Exil österreichischer Wissenschaft 1930–1940, Wien/München 1987, S. 276–303; Oliver Rathkolb, Zur Archäologie über österreichische Juristen im Exil, in: Friedrich Stadler (Hg.), Ver-triebene Vernunft II. Emigration und Exil österreichischer Wissenschaft, Wien/München 1988, S. 434–438; Oliver Rathkolb, Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Universität Wien zwischen Antisemitismus, Deutschnationalismus und Nationalismus 1938, davor und danach, in: Gernot Heiß u.a. (Hg.), Willfährige Wissenschaft. Die Universität Wien 1938 bis 1945, Wien 1989, S. 197–232; Ilse Reiter-Zatloukal, Antisemitismus und Juristenstand. Wiener Rechts- und Staats-wissenschaftliche Fakultät und Rechtspraxis vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis zum „Anschluss“ 1938, in: Oliver Rathkolb (Hg.), Der lange Schatten des Antisemitismus. Kritische Auseinanderset-zungen mit der Geschichte der Universität Wien im 19. und 20. Jahrhundert, Göttingen 2013, S.

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Hupka war danach für kurze Zeit Sekretär des Österreichisch-ungarischen Ver-bandes der Privatversicherungsanstalten und hielt ab 1904/05 auch die ersten Vorle-sungen über das Privatversicherungsrecht an der Universität Wien. Das Privatrecht und das Privatversicherungsrecht waren zumindest bis 1918 seine hauptsächlichen Forschungsbereiche. Hupka bemühte sich, das damals noch umstrittene Versiche-rungs- und Versicherungsvertragsrecht so zu verändern, dass es sowohl den Interessen der Versicherten wie auch jenen der Versicherer besser Rechnung trug. Dabei leis-tete er wesentliche Beiträge zur Formulierung der österreichischen Gesetze in diesem Bereich.10 Hupka publizierte auch mehrere Bücher zu diesen Themen: Neben Die Vollmacht (1900) sind Die Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht (1903) sowie Gegenentwurf eines Gesetzes über den Versicherungsantrag (1908) zu nennen.

Nach dem Ersten Weltkrieg wandte er sich stärker Fragen des Wechselrechts zu, das 1912 zwar von 27 Staaten unterzeichnet, aber wegen des Krieges nie ratifiziert worden war. Der Völkerbund organisierte 1930 in Genf eine internationale Konfe-renz, die ein neues Wechselrecht bringen sollte, dabei aber nur bedingt erfolgreich war. Darüber verfasste Hupka sein letztes großes Werk, Das einheitliche Wechselrecht der Genfer Verträge aus dem Jahr 1934.11 Zumindest in den zeitgenössischen Medien galt Hupka übereinstimmend als einer der „namhaftesten Professoren der Fakultät“, als „wissenschaftliche Autorität“ in seinem Fach, als „Gelehrter von Weltrang“ und als „Mann von erprobter Unparteilichkeit“.12 Daneben zeugen seine zahlreichen In-terventionen an der Universität und in der liberalen Presse von einem öffentlichen Intellektuellen, der sich für Gerechtigkeit und die Durchsetzung der Menschenrechte einsetzte.

1910 heiratete Hupka eine Tochter des heute etwas in Vergessenheit geratenen Komponisten Ignaz Brüll, eines engen Freundes von Johannes Brahms. Kurz zu-

183–205. Alle vier genannten Studien beschränken sich im Wesentlichen auf die Erwähnung von Hupkas Tod im KZ/Ghetto Theresienstadt.

10 Werner Ogris, 1884–1984. Einhundert Jahre Rechtswissenschaft im Hause am Ring, in: Günther Hamann/Kurt Mühlberger/Franz Skacel (Hg.), 100 Jahre Universität am Ring. Wissenschaft und Forschung an der Universität Wien seit 1884, Wien 1986, S. 43–64, hier S. 50. Siehe auch den Nekrolog von Demelius, UAW, Senat S 305.113.

11 Vgl. im Detail Olechowski, Josef Hupka, S. 386.12 Vgl. unter anderem Neue Freie Presse (NFP) vom 6. November 1926 oder Der Tag vom 6. Novem-

ber 1926. Höflechner behauptet, Hupka sei sozialdemokratischer bzw. sozialistischer Gesinnung ge-wesen, ohne für diese Behauptung jedoch Belege zu bringen; vgl. Walter Höflechner, Die Baumeister des künftigen Glücks. Fragment einer Geschichte des Hochschulwesens in Österreich vom Ausgang des 19. Jahrhunderts bis in das Jahr 1938, Graz 1988, S. 270, Fußnote 288, und S. 367. Was eher dagegen spricht: Hupkas öffentliche Interventionen erschienen fast ausschließlich in der liberalen NFP.

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vor war Hermine, von der Familie Minni genannt, zum Protestantismus konvertiert. Taufpate war der um zwölf Jahre ältere und bereits seit mehr als zwölf Jahren zum protestantischen Glauben übergetretene Josef Hupka.13

Josef und Hermine Hupka hatten zwei Kinder: Sohn Robert wurde 1919 gebo-ren, Tochter Marie 1924. Das kunstsinnige Ehepaar interessierte und engagierte sich sowohl für Musik als auch – vor allem – für die bildenden Künste. Hupka war un-ter anderem Mitglied der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst und Kuratoriums-mitglied des Österreichischen Museums für Kunst und Industrie. Zu seinen engen Freunden zählten der Kunsthistoriker Josef Meder, der von 1905 bis 1923 die Alber-tina leitete, und der Druckgrafiker und Fotograf Ferdinand Schmutzer, der 1916 ein Porträt Hupkas anfertigte.14 Der Jurist und seine Frau besaßen eine recht bedeutende

13 Vgl. Staudacher, Jüdisch-protestantische Konvertiten, Bd. 1, S. 213.14 Siehe Abb. 1. Dass sich die Hupkas und die Schmutzers gut kannten, geht aus den Tagebüchern

Arthur Schnitzlers hervor, der zwischen 1916 und 1924 mehrere gemeinsame Treffen erwähnt. Ich danke Sophie Lillie für die entsprechenden Belege.

Abb. 2: Hermine und Josef Hupka im Jahr ihrer Heirat 1910.

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Kunstsammlung. Prunkstück war eine Mappe mit 30 Federzeichnungen von Moritz von Schwind aus dem Jahr 1825, die den Titel Die Hochzeit des Figaro trägt und die Ludwig van Beethoven auf dem Totenbett bei sich hatte.15 Hupka hatte sie während des Ersten Weltkriegs von der Tochter des Künstlers um 30.000 Kronen erworben. Zudem besaß er unter anderem mehr als 200 Radierungen und Handzeichnungen von Schmutzer, von dessen früh verstorbenem Schüler Franz Hofer sowie zahlreiche Gemälde. Hupka nahm auch zu kunstpolitischen Fragen Stellung, etwa im Jahr 1925 zur Diskussion um die Veräußerung von Doubletten durch die Albertina.16

3 Antisemitismus an der Universität Wien nach 1918

Wie bereits dargelegt, wurde Hupka mit 31 Jahren außerordentlicher Professor für Handels- und Wechselrecht an der Juridischen Fakultät der Universität Wien, 1915 folgte er Karl Samuel Grünhut als ordentlicher Professur für Handels- und Wechsel-recht nach.17 Es war Hupkas Glück, dass diese Berufung noch vor dem Ende des Ersten Weltkriegs erfolgte, denn nach 1918 wäre dies wohl unmöglich gewesen. „Mit Ausru-fung der Republik [wurde] der Antisemitismus zu einem allgegenwärtigen Phänomen an der Wiener Universität“, erinnert sich der renommierte deutsch-amerikanische Po-litikwissenschaftler Eric(h) Voegelin, der nach dem Ersten Weltkrieg einige Jahre an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät studiert hatte.18 Unmittelbar nach dem Krieg sei zwar noch „eine beträchtliche Anzahl der Ordinarien Juden“ gewesen, welche „die liberale politische Tradition der Monarchie“ vertreten hätten. Doch nach 1918 habe es keine weiteren Ernennungen von Juden zu Ordinarien mehr gegeben. Dadurch wurde auch den jüngeren jüdischen Wissenschaftlern die Chance genom-men, „jemals über den akademischen Grad des Privatdozenten hinauszukommen“.19

15 Zur Schwind-Mappe vgl. Lillie, Was einmal war, S. 525–527; 5. Bericht des Wiener Stadtrates für Kultur und Wissenschaft über die Übereignung von Kunst- und Kulturgegenständen aus den Samm-lungen der Museen der Stadt Wien sowie der Wiener Stadt- und Landesbibliothek vom 22. No-vember 2004, http://www.wienmuseum.at/fileadmin/user_upload/PDFs/Restitutionsbericht_2004.pdf [16. Juni 2016], S. 139–148.

16 Vgl. Josef Hupka, Die „Albertina“-Frage. Separatabdruck aus der NFP, Wien 1925, und gut kontex-tualisierend: Olechowski, Josef Hupka, S. 387.

17 Zu Grünhut vgl. Josef Hupka, Karl Samuel Grünhut (3. August 1844–1. Oktober 1929) Worte des Gedenkens […], in: Zentralblatt für die juristische Praxis 47 (1929), S. 817–820.

18 Eric Voegelin, Autobiographische Reflexionen, München 1994, S. 24.19 Ebd. Diese Behauptungen sind durch Fakten gedeckt. Für eine detaillierte Auflistung der (jüdischen)

Professoren an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät nach 1918 vgl. Hansjörg Klausin-ger, Academic Anti-Semitism and the Austrian School: Vienna, 1918–1945, Wien 2013, http://epub.wu.ac.at/3983/1/wp155.pdf [9. Mai 2016], S. 25. Für einen Überblick über den Antisemitismus an

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Voegelin, der weder jüdischer Herkunft war noch politisch linke Positionen ver-trat, konnte sich 1928 immerhin noch habilitieren. Auch das wurde an der Universi-tät Wien nach 1918 für jüdische und linke Nachwuchswissenschaftler zu einem im-mer schwierigeren Unterfangen. Als ‚Juden‘ galten freilich nicht nur Wissenschaftler, die mosaischer Konfession waren, sondern auch solche, die – wie Hupka – jüdischer Herkunft, aber längst konvertiert oder ohne Bekenntnis waren. In Wien hatte sich damit im öffentlichen Diskurs, der immer stärker vom Antisemitismus geprägt war, schon vor dem Nationalsozialismus eine ‚rassische‘ Zuschreibung durchgesetzt, die im Wesentlichen dem Prinzip der ‚Nürnberger Gesetze‘ von 1935 entsprach und der sich die Betroffenen schlechterdings nicht entziehen konnten.

Ähnlich wie Voegelin äußerte sich der deutsche Soziologe und Ökonom Max We-ber, der im Sommersemester 1918 kurz an der Juridischen Fakultät der Universität Wien lehrte und ebenfalls nichtjüdischer Herkunft war. 1919 schrieb er in seinen berühmten Essay Wissenschaft als Beruf im Hinblick auf die Aussichten jüdischer Ha-bilitationswerber: „lasciate ogni speranza“.20 Weber spielte damit nicht ganz zufällig auf einen Satz aus Dantes Göttlicher Komödie an, in der dieser Spruch auf der Pforte zur Hölle geschrieben steht.

Tatsächlich geriet die Universität Wien, die sich ab 1919 bezeichnenderweise eine ‚deutsche Forschungs- und Lehranstalt‘ nannte, ab den frühen 1920er Jahren im-mer stärker unter den Einfluss antisemitischer Interessenvertretungen. Diese waren im Falle der Studenten offiziell als Deutsche Studentenschaft (DSt) organisiert und missbrauchten den autonomen universitären Boden ständig für Provokationen, Ran-dale und Übergriffe, bei denen es zwar keine Toten, aber jede Menge Verletzte unter jüdischen oder linken Studierenden gab. Im Falle der Professoren waren es informelle Gruppen wie die Deutsche Gemeinschaft21 und der Deutsche Klub, Professoren-Cli-quen wie die sogenannte Bärenhöhle22 oder der Kreis um Othmar Spann,23 die an der

der Juridischen Fakultät, allerdings ohne Erwähnung Hupkas, vgl. Reiter-Zatloukal, Antisemitismus und Juristenstand, S. 190–198.

20 „Lasst alle Hoffnung fahren [ihr, die ihr hier eintretet].“ Max Weber, Wissenschaft als Beruf, in: Ders.: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, Tübingen 1986 [1919], S. 588.

21 Zu den universitären Interventionen der Deutschen Gemeinschaft vgl. Michael Siegert, Warum Max Adler nicht Ordinarius wurde, in: Neues Forum, November/Dezember 1971, S. 30 f.; Michael Siegert, Numerus Juden raus. Professoren nehmen sich Freiheit der Wissenschaft, in: Neues Forum, Januar/Februar 1974, S. 35–37.

22 Vgl. Klaus Taschwer, Geheimsache Bärenhöhle. Wie eine antisemitische Professorenclique nach 1918 an der Universität Wien jüdische Forscherinnen und Forscher vertrieb, in: Regina Fritz/Grzegorz Rossoliński-Liebe/Jana Starek (Hg.), Alma Mater Antisemitica. Akademisches Milieu, Juden und An-tisemitismus an den Universitäten Europas zwischen 1918 und 1939, Wien 2016, S. 221–242.

23 Vgl. Klausinger, Academic Anti-Semitism.

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Philosophischen und der Juridischen Fakultät bei den meisten Personalentscheidun-gen die politischen Fäden zogen.

Diesen einflussreichen Gruppierungen war gemeinsam, dass sie sowohl deutsch-nationale wie auch christlichsoziale (oder besser: katholisch korporierte) Mitglieder hatten, die in diesen Zweckbündnissen im Kampf gegen Linke, Juden, Freimauer, Atheisten und wohl auch Frauen zumindest bis Ende 1932 gemeinsame Interessen verfolgten; manche – wie der Deutsche Klub – funktionierten noch bis nach dem ‚Anschluss‘ vom März 1938. Diese Netzwerke waren so gut organisiert, dass sich in der gesamten Ersten Republik bei den jährlich wechselnden Rektoren meist jene Kandidaten durchsetzen konnten, die ihrer politischen Haltung entsprachen. Auch der Akademische Senat, das wichtigste Gremium der Universität, dem neben dem Rektor auch die Dekane und Prodekane angehörten, war längst von Antisemiten dominiert. Jedenfalls wurde nach 1918 kein Rektor mehr gewählt, der jüdischer Her-kunft gewesen wäre – anders als vor dem Ersten Weltkrieg.

Bei den Dekanen gab es in 20 Jahren und drei Fakultäten, also insgesamt 60 De-kanen, nur ganz wenige Ausnahmen von der antisemitischen Regel: An der Medi-zinischen Fakultät wurde 1932 unter heftigen Protesten der DSt der Pharmakologe Ernst Peter Pick zum Dekan gewählt. Den offenen Brief gegen dessen Ernennung hatte übrigens auch der spätere Bundeskanzler Josef Klaus (Österreichische Volkspar-tei, ÖVP), schon damals Mitglied des Cartellverbandes, unterzeichnet.24 Ein anderer Dekan jüdischer Herkunft – wenn auch längst konvertiert – war Josef Hupka, der bereits sechs Jahre vor Pick sein Amt an der Juridischen Fakultät angetreten hatte.25

4 Ausschreitungen gegen den „jüdischen Dekan“

Wer nun denkt, dass die antisemitische und nationalsozialistische Unterwanderung der Universität Wien im Jahr 1926 noch nicht so stark war, wird angesichts der Proteste rund um Hupkas Ernennung eines Besseren belehrt. Insbesondere die na-tionalsozialistische Deutschösterreichische Tages-Zeitung (DÖTZ), das Sprachrohr der Nationalsozialisten und damit auch der Deutschen Studentenschaft, hetzte in zahl-reichen Artikeln im Herbst 1926 gegen den ‚jüdischen Dekan‘. Zu Semesterbeginn protestierte die DSt auch ganz offiziell beim Akademischen Senat gegen die ihrer Meinung nach „rechtswidrige Wahl“ Hupkas: Schon im Jahr 1923 habe man näm-

24 Vgl. Hakenkreuzlerdrohungen gegen einen Dekan der Universität Wien, in: Arbeiter-Zeitung (AZ) vom 26. Juni 1932.

25 Der erste Dekan jüdischer Herkunft an der Juridischen Fakultät nach 1918 war Hans Kelsen im Stu-dienjahr 1920/21. Rund um sein Dekanat sind allerdings noch keine Proteste bekannt. Ich verdanke den Hinweis auf Kelsens Dekanat Thomas Olechowski.

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lich „unter dem Beisein der Professoren der Hochschulen Deutschösterreichs und vieler deutscher Professoren“ den Antrag gestellt, „dass künftighin Juden nicht mehr zu Amtswaltern der deutschen Kulturstätten erwählt werden sollen“. Picks Ernen-nung sei zudem „eine schwere Verletzung des Selbstbestimmungsrechtes der deut-schen Bevölkerung“ – sollen doch „künftighin Tausende von Gesuchen und Bitten der Söhne unserer deutschen Heimat von der Gnade und dem freien Ermessen eines Juden abhängig sein, sollen die deutschen Studentenprüfungen unter dem Vorsitz ei-nes Juden machen, […] sollen deutsche Studenten in ihren deutschen Heimat Lande von einem Juden die Doktorwürde empfangen!“26

Um den Druck zu erhöhen, wurde noch zu anderen Formen der Provokation ge-griffen. Die ‚Hakenkreuzler‘, wie die nationalsozialistischen Studierenden damals in den meisten Medienberichten genannt wurden, missbrauchten die Anschlagkästen direkt an der Aula, um mittels rassistisch inszenierter Fotos von Juden die antise-mitische Stimmung zu schüren. Dekan Hupka ließ sich das nicht länger bieten und protestierte bei Rektor Hans Molisch, einem international renommierten Botaniker und prononcierten Deutschnationalen, gegen die Anschläge. „Ganz zufällig“ erfuhr die DÖTZ vom Protest, der im Untertitel eines Hetzartikels der Zeitung wörtlich als der „erste Terrorakt des jüdischen Dekans Hupka“ denunziert wurde.27 Nach wei-teren antisemitischen Provokationen im Text folgte noch eine Ankündigung: „Die akademische Jugend Wiens veranstaltet am Sonnabend eine Einspruchskundgebung gegen die Verjudung der Universität! […] Möge der Freiheitsgeist sie stets erfüllen, um unser Volk von der jüdischen Diktatur zu befreien!“ Konkret hieß es am Flug-blatt, das zur Demonstration aufrief: „Deutsche Studenten! Eure Führer rufen Euch, um am Samstag, den 6. November 1926, um 12:00 Uhr mittags, in einer mächti-gen Kundgebung dagegen Einspruch zu erheben, dass durch die rechtswidrige Wahl des jüdischen Professors Hupka der gesetzlich festgelegte deutsche Charakter unse-rer deutschen Hochschule verletzt wurde! Zeigt durch Euer geschlossenes Auftreten, dass Ihr zu stolz seid, um Unterjochung durch das Judentum stillschweigend hinzu-nehmen! Seid bereit, wenn der Kampfruf für des deutschen Volkes innere Befreiung von

26 Deutschösterreichische Tages-Zeitung (DÖTZ) vom 6. Oktober 1926. Die DÖTZ verfügte über exzellente Kontakte zur Universitätsleitung. Es ist jedenfalls offensichtlich, dass wichtige Antise-miten an der Universität wie Heinrich Srbik, Othenio Abel oder Wenzeslaus Gleispach die DÖTZ als ihr Sprachrohr nützten. Vgl. Klaus Taschwer, Nachrichten von der antisemitischen Kampfzone. Die Universität Wien im Spiegel und unter dem Einfluss der Tageszeitungen 1920–1933, in: Marga-rete Grandner/Thomas König (Hg.), 650 Jahre Universität Wien – Aufbruch ins neue Jahrhundert, Bd. 3: Reichweiten und Außensichten. Die Universität Wien als Schnittstelle wissenschaftlicher Entwicklungen und gesellschaftlicher Umbrüche, Göttingen 2015, S. 121 f.

27 DÖTZ vom 3. November 1926.

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fremder Schmach ertönt!“28 Das Rektorat untersagte immerhin, dass die Kundgebung in der Aula des Universitätsgebäudes am Ring stattfand, wie die liberale Neue Freie Presse berichtete. Deshalb wurde die antisemitische Demonstration auf der Freitreppe vor dem Eingang abgehalten. Weiter hieß es im Bericht über die Kundgebung wie folgt: „Die Freitreppe selbst und beide Rampen sowie das Trottoir vor der Universität waren von völkischen Studenten, zum Teil in Farben, besetzt. […] In einer hierauf verlesenen und einstimmig angenommenen Resolution wurde Einspruch gegen die Wahl des Dekans erhoben, ferner die Forderung aufgestellt, dass eine Statistik die Anzahl der jüdischen Lehrer und Schüler an der Universität bekanntgebe und dass der Numerus Clausus eingeführt werde.“29

Doch auch diese Demonstration fruchtete nichts: Der Akademische Senat, zwar längst von antisemitischen akademischen Würdenträgern durchsetzt, erklärte sich als formal nicht zuständig für die Wahl Hupkas, denn seine Ernennung war durch das Professorenkollegium der Juridischen Fakultät erfolgt. Dort stellte wenige Tage

28 Abgedruckt unter anderem in: Der Tag vom 6. November 1926 [Hervorhebungen im Original].29 NFP vom 6. November 1926, Abendausgabe.

Abb. 3: Hermine und Josef Hupka 1927 in Altaussee.

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nach der geschilderten Demonstration Hupkas Kollege Hans Mayer, der ihm ein Jahr später als Dekan nachfolgen sollte, die Vertrauensfrage. Die Professoren spra-chen sich einstimmig für Hupka aus, und zwar auch jene Professoren, „die politisch den randalierenden Hakenkreuzlerstudenten“ nahestanden, wie die Arbeiter-Zeitung berichtete.30 Das eigene Stimmverhalten aufgrund des Drucks der Studenten in we-nigen Wochen zu ändern, wäre wohl doch zu weit gegangen. Mayer jedenfalls ‚büßte‘ sein Engagement für Hupka: Als er ein Jahr später selbst Dekan wurde, hetzten die ‚Hakenkreuzler‘ auch gegen ihn.31

5 Eine „Kulturschande“ an der Universität Wien

Nach dem positiven Votum der Juridischen Fakultät für Hupka setzten die ‚Haken-kreuzler‘, wohl auch motiviert durch die dezidiert deutschnationale Einstellung des Rektors Molisch, ein weiteres Mal nach – und zwar abermals in den Anschlagkästen unmittelbar neben der Aula, an denen täglich Tausende Personen vorbeigingen. Hier war ab Anfang Dezember 1926 unter anderem Folgendes zu lesen: „,Die Juden sind die minderwertigste Köterrasse, die auf der Welt ihr Unwesen treibt.‘ Sie sind ,eine scheußliche Bastardrasse, die größte Promenadenrasse, welche, behaftet mit allen Lastern eines typischen Bastards, überall Fäulnis und Morast verbreitet!‘ Sie wollen ihre Leichen nicht sezieren lassen, weil sonst herauskommen würde, dass ,ihr Kör-per der Sitz aller Abnormitäten ist‘, und dass ihr Gehirn andere Windungen hat als nichtjüdische Gehirne, weshalb gerade der unsinnige Pazifismus nur in jüdischen Gehirnen geboren wurde.“ Außerdem hieß es in dem hier zitierten Bericht in der Neuen Freien Presse, der unter dem Titel Kulturschande an der Universität erschien, dass man bei einem Rundgang durch die Universität „auf Schritt und Tritt haken-kreuzgeschminkte Anschlagtafeln mit den absurdesten und lächerlichsten Hetzereien gegen die Juden“ fände. An der eingangs erwähnten Tafel würden Porträts Hitlers und Bilder aus der Hitler-Bewegung hängen. Das Resümee des langen Artikels, der noch zahlreiche weitere Diffamierungen zitierte, lautete: „An vielen Stellen scheint sich die Universität überhaupt in eine hakenkreuzlerische Kolportageeinrichtung ver-wandelt zu haben.“32

Zeitverzögert hatte der Text Folgen. Nach zwei Wochen wurden die antisemiti-schen und nationalsozialistischen Hetzereien von Rektor Molisch untersagt. Der

30 Die abgeblitzten Radaustudenten, in: AZ vom 12. November 1926.31 Vgl. Klausinger, Academic Anti-Semitism, S. 11, und Jüdisches Diktat an der Universität, in: DÖTZ

vom 12. Juli 1927. 32 Kulturschande an der Universität, in: NFP vom 20. Dezember 1926.

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deutschnationale Botaniker sah sich allerdings in einem Interview mit der Wiener Sonntags- und Montagszeitung auch noch zu folgender Erklärung bemüßigt, die klar-macht, wie sehr die Universitätsverwaltung selbst schon vom Antisemitismus und Deutschnationalismus infiziert war: „Ich brauche wohl nicht zu betonen, daß auch für die Mitglieder des Akademischen Senats der deutsche Charakter der Universität ein unantastbares Heiligtum ist und daß nicht im entferntesten daran gedacht wird, die Tätigkeit der national gesinnten Studentenverbände irgendwie einzuschränken.“33

Schließlich konnte die DÖTZ den Vorwurf der „Kulturschande an der Universi-tät“ und das Verbot der Hetzplakate nicht auf sich sitzen lassen. Unter dem gleichen Titel, nämlich Kulturschande an der Universität und wie immer ohne Autor, sondern bloß „von akademischer Seite“ gezeichnet, war unter anderem zu lesen: „Nicht der Antisemitismus oder Proarismus kann jemals als ‚Kulturschande‘ an der Universi-tät bezeichnet werden! Antisemitismus ist Kulturnotwendigkeit! Kulturschande an der Universität sind jene jüdischen Professoren, die die Jugend (wie Braßloff) durch Zoten sittlich vergiften, die sie (wie Kelsen) durch demokratischen Irrsinn geistig verführen, die sie (wie Adler) durch bolschewistische Blutlehren politisch verderben! Nicht die Knebelung der angeblich ‚antisemitischen‘ Kulturarbeit und der Gehorsam gegenüber der jüdischen Pressediktatur bringt der Alma mater Ruhe und Ansehen, sondern allein die Pensionierung der jüdischen Verführer und Hetzer!“34

6 Hupka und der verlorene Schlüssel des Otto Halpern

Josef Hupka, für lange Zeit der letzte Dekan der Juridischen Fakultät, der jüdischer Herkunft war, wehrte sich nicht nur erfolgreich gegen Attacken der ‚antisemitischen Abwehrkampfs‘, die ihn selbst betrafen. Der angesehene Rechtswissenschaftler trat auch für seine Kollegen ein, wenn diese zu Opfern antisemitischer Diskriminierun-gen an der Universität Wien wurden. Einer der bis vor Kurzem vergessenen Fälle, bei

33 Entfernung der antisemitischen Anschlagtafeln aus der Wiener Universität, in: Wiener Sonntags- und Montagszeitung vom 27. Dezember 1926 [Hervorhebungen im Original].

34 DÖTZ vom 11. Januar 1927 [Hervorhebungen im Original]. Stephan Braßloff war Rechtshistoriker und außerordentlicher Professor für Römisches Recht an der Juridischen Fakultät der Universität Wien. Er starb 1943 im KZ Theresienstadt. Zu ihm vgl. zuletzt Franz-Stefan Meissel, Römisches Recht und Erinnerungskultur – Zum Gedenken an Stephan Brassloff (1875–1943), Wien 2008. Hans Kelsen war einer der bedeutendsten Rechtswissenschaftler des 20. Jahrhunderts. Er verließ die Universität Wien 1929/30, nicht zuletzt, weil er aus politischen und antisemitischen Gründen atta-ckiert und diskriminiert worden war. Max Adler war Jurist, Politiker und Sozialphilosoph, formaliter außerordentlicher Professor für Soziologie und Sozialphilosophie an der Universität Wien; seine Berufung zum Ordinarius wurde von antisemitischen Professoren verhindert, die der Deutschen Gemeinschaft angehörten, vgl. Siegert, Warum Max Adler nicht Ordinarius wurde.

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denen Hupka nicht ganz erfolglos intervenierte, war der des jungen Theoretischen Physikers Otto Halpern, der erstmals 1925 um die Erteilung der Venia legendi an-suchte. Das offizielle Habilitationsverfahren begann mit Verzögerung zwei Jahre spä-ter und entwickelte sich zu einem der skandalösesten Verfahren der österreichischen Universitätsgeschichte. Da Halpern fachlich bestens qualifiziert war, musste man ‚persönliche Gründe‘ für seine vorgebliche Nichteignung finden. Da die Begrün-dung ‚jüdischer Herkunft‘ dem Gleichheitsgrundsatz widersprochen hätte, mussten die Antisemiten wie in vielen ähnlichen Fällen anders argumentieren. Zunächst be-anstandeten Halperns Gegner – deren Wortführer der Historiker und nachmalige NS-Präsident der Akademie der Wissenschaften Heinrich Srbik war –, dass der junge Physiker sozial unverträglich sei. Und mit dieser ‚Begründung‘ wurde Halpern auch von den Kommissionsmitgliedern und danach vom Professorenkollegium abgelehnt.

Dagegen legte Halpern Einspruch ein, zumal Hans Thirring, jener Professor, bei dem Halpern Assistent war und der ihn habilitieren wollte, sämtliche wissenschaft-lichen Mitarbeiter der physikalischen und mathematischen Institute zum Verhalten Halperns befragt und ausschließlich positive Auskünfte erhalten hatte. In dieser Situ-ation mussten die Antisemiten einen anderen Vorwand (er)finden: Halpern habe als 21-jähriger Student den Institutsschlüssel verloren und angeblich auf Nachfrage von Thirring, der – wie den Protokollen zu entnehmen ist – den Vorfall im Übrigen längst vergessen hatte, bei der ersten ‚Einvernahme‘ nicht die Wahrheit gesagt.

Im Akademischen Senat trat Josef Hupka als Prodekan der Juridischen Fakultät in zwei Stellungnahmen für Otto Halpern ein, und zwar jeweils gegen die Mehr-heit des Gremiums sowie gegen seinen entschiedensten Widersacher, den Strafrechtler Wenzeslaus Gleispach, einen der ersten nationalsozialistisch gesinnten Professoren der Universität Wien.35 Im Herbst 1928 gab es dann einen kleinen ‚Knalleffekt‘, der auch medialen Niederschlag fand: Der Verwaltungsgerichtshof, den Halpern mit seinem Rechtsanwalt anrief, gab seiner Beschwerde recht und sah – wohl auch wegen der Ge-gengutachten Hupkas – die Ablehnung der Universität als mangelhaft begründet an.36

Der Streit ging daraufhin über Jahre zwischen Otto Halpern, der Universität, dem Ministerium und dem Verwaltungsgerichtshof hin und her; Hupka gehörte damals indes schon längst nicht mehr dem Akademischen Senat an. Ende 1932 waren auch die zuständigen Richter am Verwaltungsgerichtshof so weit korrumpiert, dass sie der Universität recht gaben, ohne dass sich am lächerlichen Sachverhalt etwas geändert

35 Die beiden Gutachten Hupkas vom 7. Februar und 27. März 1928 finden sich im Hunderte Sei-ten umfassenden Aktenkonvolut des Akademischen Senats der Universität Wien zum Fall Halpern (UAW, dort GZ 800).

36 So berichten unter anderem Der Tag und das Neue Wiener Journal am 21. Oktober 1928 über den Spruch des Verwaltungsgerichtshofs, das Wiener Tagblatt und die NFP an den folgenden Tagen.

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hätte: Halpern sei wegen seiner Persönlichkeit zur Habilitierung nicht geeignet, weil er den Institutsschlüssel verloren und seinem Vorgesetzten nicht die Wahrheit gesagt habe. Vertreten wurde die Universität in der abschließenden Verhandlung vom ka-tholisch-deutschnationalen und jedenfalls antisemitisch eingestellten Dekan Richard Meister. Der Altphilologe und Pädagoge sollte im Studienjahr 1949/50 Rektor der Universität Wien und von 1951 bis 1963 Präsident der Akademie der Wissenschaften sein und galt als wichtigster Berater des ÖVP-Unterrichtsministers Heinrich Drim-mel, der zwischen 1954 und 1964 die universitären Geschicke des Landes bestimmte.

Halpern war schon 1928 zuerst zu Werner Heisenberg nach Leipzig und danach in die USA gegangen. Nach einer erfolgreichen internationalen Karriere kehrte er in den 1960er Jahren für drei Jahre nach Wien zurück. Er wurde damals „von Öster-reich in keiner Weise wegen seiner Verdienste um die Physik geehrt, da seine Feinde heute noch zum größten Teil in Amt und Würde sind“, wie sich ein Physiker-Kollege einige Jahre später erinnerte.37 Richard Meister hingegen erhielt alle nur denkbaren akademischen Ehrungen seiner Universität, inklusive eines Ehrendoktorats. Otto Halpern starb 1982 im Exil in London. Laut seiner Tochter Maria Rhode „liebte er Österreich und besonders Wien bis an sein Lebensende“ – trotz aller Unannehmlich-keiten, die man ihm hier bereitete.38

7 Einspruch gegen die ‚völkische‘ Studentenordnung von 1930

Der Fall Halpern war nicht die einzige Kontroverse zwischen Hupka und Wenzeslaus Gleispach, einem überzeugten Nationalsozialisten, der für das Studienjahr 1929/30 zum Rektor gewählt wurde. Hatte sein Vorgänger in diesem Amt, der Theologe und Kardinal Theodor Innitzer, noch für Ruhe und Ordnung an seiner Universität sorgen können, verfolgte Gleispach – Heimwehr-Mitglied und bekennender NS-Sympathi-sant – eine diametral entgegengesetzte Politik. Unterstützt wurde er dabei durch den neuen Unterrichtsminister, den bereits erwähnten Historiker Heinrich Srbik, der im Herbst 1929 von der Universität am Ring ins Ministerium am Minoritenplatz ge-wechselt war. Gemeinsam sorgten die beiden Antisemiten für einen unrühmlichen Wendepunkt in der österreichischen Universitätsgeschichte.

Bereits Gleispachs Amtseinführung am 6. November 1929 legt nahe, dass an der Universität Wien früh Zustände herrschten, die jene an deutschen Universitäten nach

37 Dieser Kollege war vermutlich Leopold Halpern, der mit Otto Halpern weder verwandt noch ver-schwägert war. Das vierseitige Gedächtnisprotokoll findet sich im Archiv der Zentralbibliothek für Physik und wurde vermutlich um 1970 diktiert. Ich danke Peter Graf für das Auffinden und die Bereitstellung dieses Dokuments.

38 Persönliche Auskunft in einer E-Mail vom 10. Dezember 2012.

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1933 und in Österreich nach dem ‚Anschluss‘ vorwegnahmen. Nationalsozialistische Studierende in Uniform und farbentragende Studenten hatten bei der Inauguration die Rampe besetzt, wie sich Zeitzeuge Wolfgang Speiser erinnerte, „sodaß die Ehren-gäste unter Polizeischutz und Bundespräsident [Wilhelm] Miklas von Gummiknüp-pel schwingenden Polizisten geschützt zum Festsaal geleitet werden mussten“.39

Einige Wochen zuvor hatte die DÖTZ rechtzeitig zu Semesterbeginn unter dem Titel Rasse und Wissenschaft. Die fortschreitende Verjudung unserer Hochschulen eine Auflistung jener Lehrer der Universität Wien veröffentlicht, die jüdischer Herkunft waren. Dazu gab es die implizit formulierte Aufforderung, deren Lehrveranstaltun-gen an der Universität Wien zu meiden.40 Begleitet war der gesamte Herbst von gewaltsamen Übergriffen der Studierenden an der Technischen Hochschule und an der Universität Wien, wo – wie schon in den vorangegangenen Jahren – der Anatom Julius Tandler und sein Institut das Hauptangriffsziel der Antisemiten waren.41 Als neuer Rektor der Universität unterstützte Gleispach die deutsche Studentenschaft nicht nur dabei, sondern auch in ihrem Kampf für einen Numerus clausus: Am 1. Fe-bruar 1930 billigte die Rektorenkonferenz Gleispachs Entwurf zu einer neuen Stu-dentenordnung, die unter seinem Rektorat am 20. März 1930 vom Akademische Senat der Universität Wien beschlossen wurde.

Die Verordnung bestand im Wesentlichen darin, das sogenannte Volksbürgerprin-zip als entscheidendes Kriterium für die Studentenschaft einzuführen: Die ordentli-chen Hörer der Universität Wien gleicher Abstammung und Muttersprache sollten eine ‚Studentennation‘ bilden. Das war freilich nichts anderes als eine Art Einteilung nach rassi(sti)schen Kriterien: Jüdischen oder konfessionslosen Studierenden sollte auf diese Weise der Zugang zur Universität Wien möglichst erschwert oder am besten verunmöglicht werden. Während just zu dieser Zeit in Deutschland antidemokrati-sche Entwicklungen an den Universitäten gerade zurückgedrängt wurden, preschte man in Wien mit dem Entwurf vor.42

Die Veröffentlichung dieser Studentenordnung am 9. April 1930 führte sofort zu heftigen Diskussionen. Allein in den ersten 14 Tagen nach der Proklamation des

39 Wolfgang Speiser, Zeitzeuge, in: Stadler (Hg.), Vertriebene Vernunft II, S. 907.40 DÖTZ vom 13. Oktober 1929.41 Vgl. Birgit Nemec/Klaus Taschwer, Terror gegen Tandler. Kontext und Chronik der antisemitischen

Attacken am I. Anatomischen Institut der Universität Wien, 1910 bis 1933, in: Rathkolb (Hg.), Der lange Schatten des Antisemitismus, S. 163 f.

42 Der volle Wortlaut der Studentenordnung findet sich in Höflechner, Baumeister, S. 363–365. Die nach wie vor gründlichste Arbeit zur Studentenordnung ist die Studie von Brigitte Lichtenberger-Fenz, „… deutscher Abstammung und Muttersprache“. Österreichische Hochschulpolitik in der Ersten Republik, Wien/Salzburg 1990, S. 84 ff.

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Texts erschienen in den österreichischen Tageszeitungen Dutzende von Artikeln: In der nationalsozialistischen und katholisch-reaktionären Presse (also im Wesentlichen der DÖTZ und der Reichspost) wurde die Gleispach’sche Ordnung eindeutig befür-wortet, in der liberalen und linken Presse ebenso eindeutig abgelehnt. Der erste Uni-versitätsprofessor, der sich in dieser Angelegenheit zu Wort meldete, war Josef Hupka. In einem umfangreichen Artikel in der Neuen Freien Presse machte der Rechtswissen-schaftler auf die rassistischen Implikationen der Studentenordnung aufmerksam – und darauf, dass sie das „physische und bekanntlich recht problematische Merkmal“ der Abstammung „zum juristischen Prinzip einer neuartigen öffentlich-rechtlichen Gliederung der Studentenschaft und ihrer Einverleibung in die behördliche Verfas-sung und Verwaltung der Universität“ erhebe. Zudem zerpflückte er ihre rechtlichen Grundlagen und kam zum eindeutigen Schluss, „daß die Studentenordnung der ver-fassungsmäßigen Grundlage ermangelt“.43

43 Die Studentenordnung der Universität Wien, in: NFP vom 23. April 1930, Morgenblatt.

Abb. 4: Hupka kritisiert auf der ersten Seite der Neuen Freien Presse die Gleispach’sche Studentenordnung.

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Für Hupkas Stellungnahme gab es postwendend öffentliches Lob von den Vertre-tern der Deutschdemokratischen Hochschülervereinigung, die nichts mit der Deut-schen Studentenschaft zu tun hatte und sich sogar dezidiert gegen diese stellte. Sie schrieben tags darauf in der Neuen Freien Presse: „Es war uns allen eine große Freude und Genugtuung, daß sich endlich ein Hochschullehrer – bis heute der einzige – ge-funden hat, der es wagt, öffentlich zu der vielerörterten Frage des Studentenrechtes den demokratischen Standpunkt zu verteidigen. Genehmigen Sie, hochverehrter Herr Professor, den Ausdruck unserer unwandelbaren Hochachtung und Verehrung.“44

Hier ist nicht der Ort, auf die weiteren Debatten über die Studentenordnung und ihre rechtliche Problematik einzugehen.45 Ihre Verfassungsmäßigkeit wurde jeden-falls angefochten, und die Argumentation des Antrags auf Prüfung stützte sich stel-lenweise wörtlich auf den Text Josef Hupkas in der Neuen Freien Presse.46 Gleispachs Entwurf hingegen wurde nicht nur vom Akademischen Senat der Universität Wien, sondern letztlich auch von einigen prominenten Rechtswissenschaftlern unterstützt, unter anderem von Ludwig Adamovich sen., damals Professor für Staats- und Verwal-tungsrecht an der Universität Graz.47 Später war Adamovich der letzte Justizminister des austrofaschistischen Regimes; nach 1945 amtierte er als erster Nachkriegsrektor der Universität Wien (bis 1947) und von 1946 bis 1955 als Präsident des Verfas-sungsgerichtshofs.

Trotz dieser Unterstützung wurde die Studentenordnung im Juni 1931 vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben, und zwar in erster Linie deshalb, weil es dem Akademischen Senat an Kompetenz ermangelt habe. Gleichzeitig stellte der Verfas-sungsgerichtshof fest, dass eine Gliederung der Studenten nach der Nationalität nicht dem Gleichheitsgrundsatz widerspreche. Damit war zwar die Studentenordnung aufgehoben, der ihr zugrunde liegende Ordnungsgedanke, das Volksbürgerprinzip, jedoch gebilligt.48 An der Universität Wien und anderen Hochschulen kam es nach der Bekanntgabe des Urteils dennoch zu heftigsten Unruhen; die Universität Wien und andere Hochschulen mussten für etliche Tage geschlossen werden. Ein Alum-nus der Universität, der damalige Bibliothekar der Arbeiterkammer, Journalist und Schriftsteller Fritz Brügel, schämte sich angesichts der Vorfälle und des Verhaltens der Universitätsleitung so sehr, dass er Ende 1931 seine zehn Jahre zuvor erworbene

44 Der Artikel des Professors Dr. Hupka über die Studentenordnung, in: NFP vom 24. April 1930.45 Für eine umfangreichere Rekonstruktion vgl. Lichtenberger-Fenz, „… deutscher Abstammung und

Muttersprache“, S. 84–138, und Höflechner, Baumeister, S. 360–388.46 Vgl. Lichtenberger-Fenz, „… deutscher Abstammung und Muttersprache“, S. 99 und 116.47 Vgl. Höflechner, „Baumeister“, S. 385; Lichtenberger-Fenz, „… deutscher Abstammung und Mut-

tersprache“, S. 129.48 Vgl. Lichtenberger-Fenz, „… deutscher Abstammung und Muttersprache“, S. 128 f.

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Doktorurkunde fein säuberlich zerriss, ans Rektorat schickte und darum bat, aus den Absolventenlisten gestrichen zu werden.49

8 Josef Hupka und die österreichische Dreyfus-Affäre

Am öffentlichkeitswirksamsten war Josef Hupkas Engagement im Fall Halsmann, einem der größten Justizirrtümer der Ersten Republik, der als die ‚österreichische Dreyfus-Affäre‘ auch weit über die Landesgrenzen hinaus für Aufsehen sorgte.50 Der aus Riga stammende Student Philipp Halsmann, der später als Fotograf weltberühmt werden sollte,51 hatte im September 1928 während eines Aufenthalts in Tirol mit seinem Vater Morduch Max Halsmann, einem jüdischen Zahnarzt, eine Wanderung in den Zillertaler Alpen unternommen. Der Vater kam dabei unter bis heute nicht restlos geklärten Umständen ums Leben. Die Indizien sprachen eindeutig für einen gewaltsamen Tod, vermutlich wurde er Opfer eines Raubmords. Es gab jedenfalls keinen einzigen konkreten Hinweis, dass der 22-jährige Sohn schuldig war, der sich während der Wanderung von seinem Vater getrennt hatte. Trotz Philipp Halsmanns Unschuldsbeteuerungen und ungeachtet fehlender Tatmotive wurde er verhaftet und ab dem 13. Dezember vor ein Innsbrucker Geschworenengericht gestellt. Zahlreiche Journalisten und Juristen fanden sich ebenso unter den Beobachtern wie Psychologen und Psychiater. Josef Hupkas Rolle ist nicht ganz klar: Er dürfte jedenfalls in Inns-bruck gewesen sein und gehörte womöglich zum Team von Halsmanns Verteidiger, dem Wiener Anwalt Richard Preßburger. Nach vier Tagen fällten die Laienrichter ein skandalöses Urteil: zehn Jahre Kerker.

Das umstrittene Urteil wurde angefochten, in ganz Europa wurde dagegen pro-testiert – im Laufe der folgenden Monate unter anderem von Albert Einstein und Thomas Mann. Es war zu offensichtlich, dass antisemitische Vorurteile eine entschei-

49 Vgl. Sabine Lichtenberger/Herbert Posch, „… ein Vorbild geistiger und menschlicher Integrität“. Fritz Brügels Protest gegen antidemokratische, antisemitische und deutschnationale Tendenzen an der Universität Wien 1931, in: Zwischenwelt, Januar 2012, S. 27–33.

50 Für eine gute Überblicksdarstellung in Buchform vgl. Martin Pollack, Anklage Vatermord. Der Fall Philipp Halsmann, Wien 2002; zuletzt aus psychiatrischer Perspektive und unter besonderer Be-rücksichtigung des Antisemitismus sowie von Hupkas Beitrag vgl. Kenneth J. Weiss, Bearing false witness: Psychiatric testimony in Nazi-influenced Austria, 1928–1929, in: The Journal of Psychiatry & Law 40 (2012), S. 185–218. Die Halsmann-Affäre wurde 2008 unter dem Titel Jump! mit Patrick Swayze verfilmt und lieferte den Stoff für etliche populäre Darstellungen, auch in Romanform.

51 Philipp Halsmann, der sich später Philippe nannte, arbeitete vor allem für das Magazin Life, für das er über hundert Coverfotos lieferte. Bekannt wurde er unter anderem für sein Porträt Albert Einsteins – und dafür, dass er viele der porträtierten Personen springen ließ. Hiervon leitet sich der in der vorherigen Fußnote genannte Filmtitel Jump! ab.

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dende Rolle bei der Urteilsfindung gespielt hatten. Der Oberste Gerichtshof hob das Urteil schließlich auf. Knapp ein Jahr später wurde das Verfahren unter hef-tigen öffentlichen Protesten der Nationalsozialisten und anderer Antisemiten wie-der aufgenommen. Diesmal übernahm der Innsbrucker Rechtsanwalt Franz Pressler die Verteidigung. Halsmann wurde am 19. Oktober 1929 erneut wegen Totschlags verurteilt, diesmal zu vier Jahren Haft. Eine entscheidende Rolle spielte dabei ein psychiatrisches Gutachten der Medizinischen Fakultät Innsbruck, in dem psycho-analytische Begriffe wie ‚Ödipuskomplex‘ in missbräuchlicher Art und Weise gegen Halsmann verwendet wurden.

Schließlich führten weitere Interventionen aus dem Ausland – insbesondere jene des ehemaligen französischen Premierministers Paul Painlevé – dazu, dass Halsmann am 30. September 1930 auf Antrag von Bundeskanzler Johann Schober von Bundes-präsident Miklas begnadigt und zugleich des Landes verwiesen wurde. Eine wichtige Vermittlerrolle kam dabei der Wiener Salonnière Bertha Zuckerkandl zu, der Schwä-gerin von Georges Clemenceau, die das entscheidende französische Protestschreiben Bundeskanzler Schober direkt überbrachte. Zuckerkandl erinnerte sich später in ih-ren Memoiren, dass auf diese Weise „ein furchtbares Unrecht verhindert“ worden sei. Außerdem fügte sie an, dass bereits zwei Jahre lang „Männer von hohem geistigen Rang, allen voran Professor H., für die Ehre und das Leben eines Unschuldigen“ gekämpft hätten.52

Mit Professor H. war Josef Hupka gemeint, der nichts unversucht gelassen hatte, Halsmanns Unschuld zu beweisen – und dem dessen Begnadigung durch die öster-reichische Regierung nicht weit genug ging: Er veröffentlichte am Wochenende vom 29./30. November 1930 in der Neuen Freien Presse einen umfangreichen Text in zwei Teilen, in dem er noch einmal auf die zahllosen Ungereimtheiten im Beweisverfahren hinwies und eine volle Rehabilitierung Halsmanns forderte. Unter dem Titel Fiat ius-titia argumentierte Hupka, dass der Fall durch den Gnadenakt nämlich „nur für die erledigt ist, deren Rechtsgewissen sich mit der formellen Autorität der res iudicata zu beruhigen vermag“. „Wer dagegen nicht ertragen kann, daß ein Mensch ohne einen Schatten von Beweis des schändlichsten Verbrechens schuldig befunden wurde und auch nach der endlichen Befreiung von Rechts wegen weiter als schuldig gilt, für den ist es innerer Zwang, von dem Urteil der Innsbrucker Geschworenen an das Urteil der

52 Bertha Zuckerkandl, Österreich intim. Erinnerungen 1892–1942, Wien 1981 [1970], S. 184. Zur Intervention Painlevés vgl. auch Nicole Emanuel, Philippe Halsman, a Personal Story, in: In Touch. The Newsletter of the American Friends of the Jewish Museum Hohenems, Inc. 9 (2008), http://www.jm-hohenems.at/static/uploads/2011/12/2008-01-afjhm-newsletter.pdf [6. Februar 2017], S. 8–13.

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Welt zu appellieren.“53 Was folgte, war eine leidenschaftliche und zugleich brillante Dekonstruktion des Beweisverfahrens, das zu dem Fehlurteil geführt hatte. Hupka erhielt für seinen Text von der Redaktion der Neuen Freien Presse insgesamt drei ganze Seiten eingeräumt – mehr als 25 DIN-A4-Manuskriptseiten.54 Und Hupka schloss seinen Text mit einem aufrüttelnden Appell an den Staat, die Ungerechtigkeit aus der Welt zu schaffen, die man Halsmann angetan hatte: „Das Unglück, das Philipp Hals-mann widerfahren ist, die Zerstörung seiner Jugend durch die Qual und Schmach einer zweijährigen Gefängnissklaverei, kann keine Macht wieder gutmachen. Aber Ehrenpflicht des Staates ist es, das Unrecht zu tilgen, daß ein grundlos Verurteilter im öffentlichen Leben noch immer als der Urheber eines schändenden Verbrechens gilt. Das Mittel ist gegeben und die Voraussetzung auch.“55

Zwei Wochen nach der Veröffentlichung von Hupkas öffentlichkeitswirksamer An-klage gegen das Innsbrucker Urteil sah sich auch Sigmund Freud genötigt, gegen das psychiatrische Gutachten der Medizinischen Fakultät der Universität Innsbruck Stel-lung zu nehmen.56 Hupka sprach in der Folge auch persönlich bei Schober in dessen Funktion als Justizminister vor – ohne Erfolg.57 Das einzige Resultat bestand darin, dass auf Antrag Hupkas einer der entscheidenden psychiatrischen Gutachter, Anton Werkgartner, von der Staatsanwaltschaft aufgefordert wurde, noch einmal zu seinem Gutachten Stellung zu beziehen. Werkgartner, 1927 an der Universität Wien habili-tiert, ab dem folgenden Jahr an derselben Universität Titularprofessor und spätestens seit 1930 Sympathisant der Nationalsozialisten,58 sah keine Veranlassung, an seinem in der Hauptverhandlung eingenommenen Standpunkt etwas zu ändern. Neue Indi-zien für die Unschuld Halsmanns waren freilich erdrückend: So wurde erst nach den beiden Verhandlungen publik, dass weder an Halsmanns Kleidung noch an seinem Oberkörper Blutspuren gefunden worden waren. Mit der Erklärung Werkgartners war der Fall zwar für die Staatsanwaltschaft, nicht aber für Hupka erledigt. In einer

53 Fiat iustitia, in: NFP vom 29. November 1930.54 Eine leicht erweiterte Version des Texts erschien 1931 auch als Buchkapitel unter dem Titel Die

Nichtigkeit der Urteilsgrundlagen, in: Der Fall Halsmann, Wien 1931, S. 93–135.55 Fiat justitia, in: NFP vom 30. November 1930 [Hervorhebung im Original].56 NFP vom 14. Dezember 1930.57 Vgl. Pollack, Anklage Vatermord, S. 304.58 Werkgartner trat übrigens 1936 der damals noch illegalen NSDAP bei und wurde 1939 außeror-

dentlicher Professor in Graz. Von 1946 bis 1952 war er offiziell entlassen. Zwischen 1952 und 1956 wurde er erneut außerordentlicher Professor und Direktor des Gerichtsmedizinischen Instituts der Universität Graz, von 1956 bis 1961 sogar ordentlicher Professor. 1956 war er Dekan der Medizi-nischen Fakultät in Graz. 1962 erhielt er das Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse ver-liehen. Vgl. Ernst Klee, Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945, Frankfurt a.M. 2005 [2003], S. 669 f.

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famosen Polemik zerlegte er die Inkonsistenzen von Werkgartners Gutachten und die Inkonsequenz der Staatsanwaltschaft, das Verfahren nicht wieder aufzunehmen. Hupkas sarkastisches Resümee, das ebenfalls in der Neuen Freien Presse veröffentlicht wurde, lautete: „Es bleibt somit vorläufig wahr, daß das Blut vom Täter wegspritzt.“59

Hupka beschränkte sich bei seinen Interventionen aber nicht auf antisemitisch motiviertes Unrecht. So unterzeichnete er im Frühjahr 1930 einen Appell an den Strafrechtsausschuss des Nationalrats, den sogenannten ‚Homosexuellenparagrafen‘ abzuschaffen und homosexuelle Beziehungen zwischen erwachsenen Männern bei gegenseitigem Einverständnis zu erlauben. An seiner Rechts- und Staatswissenschaft-lichen Fakultät war Hupka der einzige Unterstützer des Appells, dem sich etliche Prominente wie Sigmund Freud, Arthur Schnitzler, Hermann Swoboda und Stefan Zweig anschlossen. Es sollte jedoch bis 1971 dauern, bis der umstrittene Paragraf aus dem Strafgesetz eliminiert wurde.60

59 Neue Aktenstücke zum Fall Halsmann, in: NFP vom 19. Juli 1931.60 Ich verdanke diese Hinweise Olechowski, Josef Hupka. Über den Appell wurde in der AZ vom 16.

Mai 1930 berichtet.

Abb. 5: Als öffentlicher Intellektueller schrieb Josef Hupka vor allem in der Neuen Freien Presse gegen das Unrecht und die antisemitische und nationalsozialistische Hetze an. Dass sich Hupka aufmerksam mit seinem politischen Umfeld auseinandersetzte, belegt das Exemplar der von den Nationalsozialisten herausgegebenen National-Zeitung am Schreibtisch.

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1934 wurde Hupka in den Zentralvorstand der Österreichischen Liga für Men-schenrechte gewählt.61 Die älteste Menschenrechtsorganisation Österreichs war erst 1926 gegründet worden und vollzog nach dem ‚Anschluss‘ von 1938 vorsorglich ihre Selbstauflösung.

9 Stellungnahme gegen Gewalt an den Hochschulen

Nicht alle Interventionen Hupkas waren so öffentlich wie jene im Fall des Homose-xuellenparagrafen oder von Philipp Halsmann. Dies lässt darauf schließen, dass der Antrieb für seinen Einsatz für Gerechtigkeit nicht mediales Geltungsbedürfnis war, sondern zivilgesellschaftlicher Courage entsprang. Mitunter hielt sich Hupka völlig im Hintergrund, um antisemitisches Unrecht mutig zu bekämpfen – indem er es schlicht bezeugte. Als es beispielsweise im Oktober 1932 zu den bis dahin schlimms-ten Übergriffen nationalsozialistischer Studenten an der Universität Wien und ande-ren Hochschulen der Stadt kam, nahm Hupka in „rein privater Arbeit“ und einzig in seiner Eigenschaft als verantwortungsbewusster Universitätslehrer 34 Protokolle von betroffenen und zum Teil völlig eingeschüchterten Studierenden auf und beglaubigte deren schriftliche Aussagen.62

Die traurige Bilanz der Gewaltorgie waren mehrere Dutzend Schwerverletzte ge-wesen. Unter den Opfern befanden sich auch Studierende aus den USA, was für ei-nen diplomatischen Eklat und ausführliche Berichterstattung in der New York Times sorgte. Nach der Aufnahme der Protokolle schickte Hupka diese eindrückliche, rund 200 Seiten umfassende Dokumentation des frühen NS-Terrors an den verantwortli-chen Rektor Othenio Abel, der die brutalen Ausschreitungen der nationalsozialisti-schen Studenten letztlich zu verantworten hatte. In Hupkas Begleitschreiben hieß es unter anderem: „Ich bitte Eure Magnifizenz, das hier vorgelegte Material einer ein-gehenden persönlichen Durchsicht zu unterziehen und ihm im Akademischen Senat die ernste Prüfung zu verschaffen, die es im Interesse der Ehre und des kulturellen Ansehens unserer Hochschule verdient. Die Legitimation zu dieser Bitte schöpfe ich aus dem Recht und der Pflicht jedes akademischen Lehrers, auch als einzelner das

61 Vgl. Olechowski, Josef Hupka.62 Den einzigartigen Aktenbestand dieser Protokolle hat Linda Erker entdeckt. Vgl. Dies., „Jetzt weiss

ich ganz, was das ‚Dritte Reich‘ bedeutet – die Herrschaft schrankenloser, feiger Brutalität.“ Eine Momentaufnahme der Universität Wien im Oktober 1932, in: Lucile Dreidemy u.a. (Hg.), Ba-nanen, Cola, Zeitgeschichte: Oliver Rathkolb und das lange 20. Jahrhundert, Bd. 1, Wien/Köln/Weimar 2015, S. 177–190. Die Einschätzung, dass es sich um eine „rein private Arbeit“ handelte, stammt aus einem Brief von Rektor Oswald Menghin vom 27. Januar 1936 an Rudolf Köstler, zit. nach ebd., S. 179, Fußnote 7.

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Wesen und die Würde der Universität gegen alle Angriffe zu verteidigen, von wel-cher Seite immer sie kommen mögen. […] Was sich in den Tagen vom 17. bis zum 26. Oktober 1932 zugetragen hat, zeigt eindringlich, dass es allerhöchste Zeit ist, den akademischen Boden von politischen Terror zu befreien und die Sicherheit der Ehre, des Lebens und der Gesundheit, die hier für einen Teil der Studierenden verloren gegangen ist, mit allen gesetzlich gebotenen Mitteln wiederherzustellen.“63

Hupkas mutige Solidarisierung mit den verfolgten jüdischen Studierenden blieb, wie wir heute wissen, ohne Folgen. Die Spirale der nationalsozialistischen Gewalt an der Universität Wien drehte sich im Studienjahr 1932/33 unter dem Rektorat des NS-Sympathisanten Othenio Abel ungebremst weiter. In dessen Amtszeit kam es zu zahlreichen weiteren Gewalttaten, die zum Teil noch schlimmer waren als jene im Oktober 1932.

10 Verfolgung durch die Nationalsozialisten

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten am 12. März 1938 wurde vom neuen Regime Oswald Menghin für kurze Zeit als Unterrichtsminister und am 15. März der Botaniker Fritz Knoll als Rektor der Universität eingesetzt. Eine seiner ersten Aufgaben war es, die Universität „vor allem rasch und gründlich von allen je-nen Professoren und Dozenten [zu befreien], die als Lehrer an einer nationalsozialis-tischen Hochschule nicht geeignet waren“, wie es in einem zeitgenössischen Bericht heißt.64 Diese Aufgabe erledigte Knoll tadellos und administrierte damit die wohl größte politisch und rassistisch motivierte Entlassungsaktion, die es je an einer Uni-versität gab: Bis zum 23. April 1938 waren 252 Universitätslehrerinnen und -lehrer von der Universität Wien entfernt, darunter Josef Hupka.

Zu seinem Nachfolger als Ordinarius für Handels- und Wechselrecht wurde am 28. Januar 1939 Heinrich Demelius ernannt, der ein Schüler Hupkas war und dieses Fach zuvor an der Hochschule für Welthandel vertreten hatte. Demelius war nach eigenen Angaben ab 1940 als Blockleiter der Wiener Ortsgruppe Hietzing mit der Wahrung der Geschäfte betraut. Seinen Beitritt zur NSDAP mit dem 1. Januar 1941 rechtfertigte er nach dem Krieg als Akt der Dankbarkeit und bezeichnete das Ansu-chen um Parteimitgliedschaft als „eher dumm“ denn „schlecht“. Er hoffte 1945, „was mir das wichtigste ist, auch in den sieben Jahren des Nationalsozialismus im großen

63 Schreiben von Josef Hupka an Othenio Abel vom 28. November 1932, zit. nach Erker, „Jetzt weiss ich ganz“, S. 179.

64 Bereichsstudentenführung Süd-Ost (Hg.), Jahrbuch der Deutschen Studentenschaft an den Ost-markdeutschen Hochschulen, Wien 1938, S. 60.

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und ganzen ein anständiger Mensch gewesen zu sein“.65 Die Frau seines Bruders, die jüdischer Herkunft war, kam im November 1945 freilich zu einer anderen Einschät-zung: „Ideologisch ist er unter allen Akademikern, die ich kenne, der größte und unbeirrbarste Nazi. […] Er hat sich die ganzen 7 Jahre nicht im Geringsten unserer angenommen, sondern im Gegenteil noch versucht, meinen Mann dahin zu beein-flussen, sich von der Jüdin scheiden zu lassen […]. Ganz unter dem Einfluss seiner Schwiegermutter und seiner Frau, Siebenbürger Sachsen und wütende Nazifrauen, stehend, hat er jeden Rechtsbegriff verloren. […] Für meinen Schwager war der Na-tionalsozialismus keine Verirrung, sondern eine Herzenssache. […] Es dürfte wohl kaum im Interesse eines demokratischen Staates liegen, die Heranbildung der Jugend weiter in den Händen eines Mannes zu belassen, der jeden Andersrassigen ansieht wie ein fremdes, wildes Tier.“66

Demelius konnte seine Lehrtätigkeiten im Wintersemester 1945/46 sowohl an der Universität Wien wie auch an der Hochschule für Welthandel fortsetzen, wurde aber im April 1946 vom Lehramt enthoben. Diese Zwangspause sollte nur knapp drei Semester lang bis zum Wintersemester 1947/48 dauern. Ende 1948 erhielt er auch wieder seine ordentliche Professur. Für das Studienjahr 1952/53 wählte ihn die Fakultät das erste Mal zum Dekan, das zweite Mal 1961/62. Von studentischen Protesten gegen diese Dekanswahlen ist nichts bekannt. Demelius wurde 1962 wirk-liches Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und emeritierte erst 1965 mit 72 Jahren.67

Ausgerechnet Demelius war es, der irgendwann nach 1945 einen Nekrolog über Hupka als Rechtwissenschaftler verfasste. Der Text ist eineinhalb Seiten lang, wurde nie veröffentlicht und war bis 2014 die einzige Würdigung Hupkas seitens seiner Alma mater – neben dem schon erwähnten knappen Eintrag im Gedenkbuch.68 Angesichts dieser lange klaffenden wissenschafts- und universitätshistorischen Forschungslücke stellt sich die Frage, ob es Zufall war, dass ausgerechnet jener Rechtswissenschaftler, der sich in der Zwischenkriegszeit am erfolgreichsten gegen den universitären An-tisemitismus zur Wehr setzte, bei Universitätshistorikern nach 1945 bis weit in das

65 Österreichisches Staatsarchiv/Archiv der Republik, Personalakt Demelius, zit. nach Roman Pfefferle/Hans Pfefferle, Glimpflich entnazifiziert. Die Professorenschaft der Universität Wien von 1944 in den Nachkriegsjahren, Göttingen 2014, S. 212.

66 Zit. nach ebd., S. 213.67 Für eine Kurzbiografie von Demelius vgl. Kamila Staudigl, Heinrich Demelius, in: Olechowski/Ehs/

Staudigl-Ciechowicz, Die Wiener Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät, S. 356–358.68 UAW, Sign. Senat S 305.113. Mittlerweile liegt neben der kompetenten Würdigung von Olechowski

(Josef Hupka) noch eine zweite rechtshistorische Einordung vor: Franz-Stefan Meissel, Zum wissen-schaftlichen Werk Josef Hupkas, unveröffentlichtes Vortragsmanuskript, 9 Seiten (2015).

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21. Jahrhundert hinein so wenig Aufmerksamkeit fand. Gewiss hat auch zum Ver-gessen beigetragen, dass ihm ein NS-Parteigänger nachfolgte, der bis 1965 Professor blieb, und dass etliche Antisemiten oder Unterstützer antisemitischer Maßnahmen wie Richard Meister oder Ludwig Adamovich sen., die zum Teil direkte Opponenten Hupkas in der Zwischenkriegszeit waren, nach 1945 nicht nur in der Universität und der Universitätspolitik wichtige Positionen bekleideten.

Die Vorfälle rund um Josef Hupka spätestens nach 1926 legen jedenfalls nahe, dass die bestimmenden Kräfte an Österreichs Universitäten und Hochschulen – und insbesondere an der Universität Wien – sehr viel weniger Opfer als Wegbereiter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Österreich waren und eine wesentliche Rolle bei der Radikalisierung des innenpolitischen Klimas spielten. Hupka hat sich als einer der wenigen mutig dagegen gewehrt. Umso mehr Hochachtung verdient er heute.

Zurück zu seinem Schicksal nach seiner Entlassung im Jahr 1938: Als erste indi-viduelle Verfolgungsmaßnahme gegen seine Person verfügte das Devisenfahndungs-amt am 12. Mai 1938 die Sperre von Hupkas Bankkonto wegen der ‚Gefahr der Verschleppung von Vermögenswerten in das Ausland‘. Dann machte man sich an sein Vermögen und das seiner Frau heran, insbesondere an das Prunkstück ihrer wertvollen Kunstsammlung, die erwähnte Zeichnung Die Hochzeit des Figaro.69 Wie die Restitutionsexpertin Sophie Lillie 2003 rekonstruierte, wurde die Mappe den Hupkas von den Städtischen Sammlungen abgepresst – zwar noch verhältnismäßig gut bezahlt, aber unter Ausnützung der Zwangslage, in der sich das Ehepaar be-fand. Entsprechend kam die Wiener Restitutionskommission in der Sitzung vom 7. September 2004 einhellig zur Ansicht, dass es sich bei der Mappe von Moritz von Schwind um ein zu restituierendes Objekt handelte. Der Verkauf der Mappe erzielte bei einer Sotheby’s-Auktion am 13. Juni 2006 einen Preis von umgerechnet rund 250.000 Euro.70

Bereits vor dem erzwungenen Verkauf am 18. März 1939 war Hupkas Vermögen wohl vor allem wegen der zu entrichtenden ‚Reichsfluchtsteuer‘ für seine Kinder wesentlich geschmolzen. Damit konnte Hupka immerhin die Ausreise seines 1919 geborenen Sohns Robert nach England ermöglichen. Die fünf Jahre jüngere Tochter

69 Für detailliertere Darstellungen der Aneignung der Schwind-Mappe und ihrer Restitution vgl. Lillie, Was einmal war, S. 525–527, und 5. Bericht des Wiener Stadtrates für Kultur und Wissenschaft, S. 139–148.

70 Siehe Sotheby’s, 19th Century European Paintings [...], http://www.sothebys.com/en/auctions/ecatalo-gue/lot.pdf.L06101.html/f/14/L06101-14.pdf [9. Mai 2016], sowie die Berichte im Standard vom 8. und 13. Juni 2006, http://derstandard.at/2465712 [9. Mai 2016] und http://derstandard.at/2479610 [9. Mai 2016].

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Marie stellte im September 1938 ihren Antrag auf Ausreise nach England, am 12. Ja-nuar 1939 reiste auch sie aus Wien ab. Es war der letzte Tag, an dem sie ihre Eltern sah.71 Josef Hupka war laut seiner Tochter Marie auch Anfang 1939 noch nicht zur Flucht zu bewegen. Er habe darauf bestanden, dass er nach 38 Dienstjahren für die Universität ein Anrecht auf seine Pension habe, und er wollte nicht auf die Wohltä-tigkeit anderer Leute angewiesen sein, wie Marie Parkinson in ihren unveröffentlich-ten Memoiren schrieb.72

11 Vergebliche Fluchtversuche

Ende März 1939 wurde Josef Hupka dann die Pension gestrichen.73 Zu diesem Zeit-punkt waren die Flüchtlingsquoten in allen Botschaften längst überschritten. Des-halb flüchteten Josef und Hermine Hupka vermutlich Mitte Juli 1939 nach Zürich, wo es ihnen aber nicht gelang, Asyl zu erhalten. Wahrscheinlich kamen sie Mitte August 1939 in Amsterdam an. Dort schien die Rettung abermals greifbar nahe: Die Hupkas hatten laut Marie Parkinson für den 9. September 1939 einen Flug von Amsterdam nach London gebucht. Doch am 1. September brach der Zweite Welt-krieg aus, die Flüge wurden gestrichen.74

Das war nicht der letzte geplante Fluchtversuch, der nur knapp scheiterte. Insbe-sondere ihr Sohn Robert ließ nichts unversucht, seine Eltern zu retten: Er reiste im November 1939 von England in die USA, um von dort aus eine Ausreise von Josef und Hermine Hupka in die Vereinigten Staaten zu organisieren. Vermutlich bat Ro-bert Hupka die Leitung der Columbia University in New York, seinen Vater für eine Stelle an der dortigen Juridischen Fakultät in Betracht zu ziehen. Wie die Tochter in ihren unveröffentlichten Erinnerungen schrieb, scheiterten angeblich im letzten

71 Parkinson, Grandma’s memoirs, S. 8. 72 Ebd. Marie Parkinson erinnerte sich aber auch an einen Vorfall am Abend der Novemberpogrome:

Ihr Vater sei damals von SS-Leuten gefasst und mit Hunderten jungen und älteren Männern wie Vieh in ein Gymnasium getrieben worden. Als ein junger SS-Mann Josef Hupka erkannte, habe er ihn gefragt: „Aber Herr Professor, was tun Sie hier?“ Die Antwort ihres Vaters: „Ich bin ein dreckiger Jude.“ Der SS-Mann befahl Hupka, hinter einer Tür zu warten, und wenige Minuten später durfte er nach Hause gehen. Marie Parkinson vermutete, dass ihr Vater dem Mann womöglich zuvor einmal geholfen hatte. Denn wann immer es Studentenunruhen an der Universität Wien gegeben hatte – und das war ab Mitte der 1920er Jahre ziemlich oft –, habe Hupka seinen Vorlesungssaal als eine Art Schutzraum angeboten und sich mutig in den Eingang gestellt, wenn die Unruhestifter eindringen wollten. Vgl. ebd., S. 6 f.

73 Vetricek, Die Lehrer, S. 69.74 Parkinson, Grandma’s memoirs, S. 42.

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Augenblick auch Pläne, nach Südamerika zu emigrieren.75 Die Ursache lag darin, dass die deutsche Luftwaffe in einem Überraschungsangriff im Mai 1940 Rotterdam nahezu dem Erdboden gleichmachte und Deutschland die Niederlande okkupierte. Das war auch der Zeitpunkt, an dem der briefliche Kontakt zwischen Josef Hupka und seinem Sohn abriss, der angesichts der Ereignisse in den Niederlanden einen Nervenzusammenbruch erlitt und über mehrere Monate in psychiatrischer Behand-lung war. Robert fühlte sich schuldig, seine Eltern nicht rechtzeitig gerettet zu haben – eine Schuld, unter der er sein weiteres Leben lang leiden sollte.76

75 Ebd.76 Kopie eines E-Mails von Arthur Fierro, einem engen Freund von Robert Hupka, an Andrew Par-

kinson vom 8. März 2014. Robert Hupka, der zunächst Schauspieler werden wollte, machte einen Kunst-Bachelor 1942, war Aufnahmeleiter für die Plattenfirmen RCA Records und Columbia Records sowie bis zu seiner Pensionierung Kameramann für CBS. Bekannt wurde Hupka für seine Fotos des Dirigenten Arturo Toscanini, die 1963 auch als Buch veröffentlicht wurden. Außerdem war Hupka der Autor eines Bildbandes mit Fotos von Michelangelos Pietà. Er starb im Jahr 2001.

Abb. 6: Die letzte Aufnahme von Hermine und Josef Hupka, 1942 in den Niederlanden.

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BEITRAG aus: JOHANNES KOLL (HG.): "SÄUBERUNGEN" AN ÖSTERREICHISCHEN HOCHSCHULEN 1934–1945ISBN 978-3-205-20336-0 © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR

Kämpfer gegen den Antisemitismus und Opfer der Shoah 487

Das Ehepaar Hupka verbrachte spätestens die Jahre 1941 und 1942 in der nieder-ländischen Stadt Bilthoven, in unmittelbarer Nachbarschaft von Irene Hellmann, der Mutter von Bernhard und der Großmutter von Paul Hellmann. Das Haus, in dem sie sich versteckt hielten, gehörte einer Frau, die im Widerstand tätig war und ‚Tante Kee‘ genannt wurde. Dort trafen sich weitere Widerstandskämpfer, und in dem Haus wurden auch Waffen versteckt.77

Irgendwann dürften die Verzweiflung und die Angst so groß geworden sein, dass die Hupkas rund um den 12. November 1942 den Fluchtversuch über die Grenze wagten. Für Paul Hellmann war es im Rückblick eine Aktion ohne jede Aussicht auf Erfolg. Tatsächlich scheiterte die Aktion – dank der Hilfe Cas van Kasbergens immerhin relativ glimpflich. Paul Hellmann und sein Vater sahen einander zwischen dem 12. und dem 14. November 1942 zum letzten Mal. Paul Hellmann überlebte den Krieg dank mehrerer glücklicher Fügungen bei einer niederländischen Familie. Sein Vater hingegen wurde kurze Zeit nach dem Fluchtversuch verraten. Ende März 1943 deportierten ihn die nationalsozialistischen Schergen mit 1.263 weiteren Men-schen ins Konzentrationslager Sobibór. Bernhard Hellmann gehörte zu den 1.200 Personen in diesem Zug, die den 2. April 1943 nicht überlebt haben.

Josef und Hermine Hupka haben die Monate nach ihrer gescheiterten Flucht nach Belgien vermutlich in permanenter Angst verbracht, verraten und entdeckt zu werden. Im Frühling 1944 wurden auch sie von den nationalsozialistischen Besat-zern festgenommen. Die besonders brutale Verfolgung der Jüdinnen und Juden in den Niederlanden stand im Übrigen unter der Leitung des aus Wien stammenden Reichskommissars Arthur Seyß-Inquart. Der ehemalige Rechtsanwalt, Kurzzeitkanz-ler und hochrangige SS-Offizier hatte ziemlich genau 30 Jahre zuvor als Student der Rechtswissenschaften Vorlesungen bei Josef Hupka an der Universität Wien gehört.78

Hermine und Josef Hupka kamen, so wie etwa ein Jahr zuvor Bernhard Hellmann, ins berüchtigte Durchgangslager Westerbork, von wo aus die Züge in die Konzentra-tions- und Vernichtungslager in Osteuropa abfuhren. Am 5. oder 7. April wurden die beiden von Westerbork mit Transport XXIV/5 mit 285 anderen Verfolgten ins KZ Theresienstadt/Terezín deportiert. Hier endete die lange Leidensgeschichte von Josef Hupka am 23. April 1944.79 Die genauen Umstände seines Todes sind nicht bekannt, angeblich starb er an einem Herzleiden80 – das war freilich eine der standardisierten

77 Mitteilung von Paul Hellmann vom 11. März 2014.78 Ich bedanke mich bei Johannes Koll (WU Wien) für diesen Hinweis.79 Vgl. auch http://www.holocaust.cz/de/opferdatenbank/opfer/150332-joseph-hupka/ [16. Juni 2016].

240 der 289 Deportierten kamen in Theresienstadt um.80 So eine 1947 erstellte Todeserklärung; vgl. Olechowski, Josef Hupka. Das ehemalige NSDAP-Mit-

glied Demelius, der Nachfolger Hupkas, schrieb in seinem Nekrolog, dass „eine unmenschliche

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488 Klaus Taschwer

Todesursachen im Konzentrationslager/Ghetto Theresienstadt. Für seine Frau Her-mine war das Martyrium immer noch nicht zu Ende: Die Nationalsozialisten depor-tierten sie am 9. Oktober 1944 von Theresienstadt nach Auschwitz, wo sie zwei Tage später ermordet wurde.

All das erfuhr der Militärpolizist Cas van Kasbergen nach 1945 vom Roten Kreuz. Angesichts der traurigen Tatsachen hatte er Gewissensbisse, dass er Josef und Her-mine Hupka im November 1942 vom Selbstmord abgehalten hatte, wie er in seinem Memoiren festhielt: Denn mit seiner tapferen Rettungstat hatte er bloß ihre Leidens-wege verlängert. Er selber, ein Held mit hohen moralischen Ansprüchen, starb am 4. Februar 2014.

12 Postskriptum

Zwischen dem Erscheinen der eingangs genannten Kurzfassung dieses Texts im Früh-jahr 2014, dem Anfertigen dieser Langfassung (ebenfalls im Frühjahr 2014) und deren Erscheinen in der vorliegenden gedruckten Form vergingen gut drei Jahre. In dieser Zeit kam es zur Rückholung von Josef Hupka ins kollektive Gedächtnis der Universität Wien und seiner Fakultät, was am Ende dieses Texts nicht unerwähnt bleiben soll. So publizierte Thomas Olechowski 2014 eine Würdigung Hupkas aus rechtswissenschaftlicher Sicht.81 Ein Jahr später fand im Rahmen der 650-Jahr-Feier der Universität Wien eine von Franz-Stefan Meissel und Thomas Olechowski kura-tierte Ausstellung unter dem Titel Bedrohte Intelligenz statt, die auch auf Josef Hupka und sein tragisches Schicksal einging.82 Die Zeithistorikerin Linda Erker dokumen-tierte ebenfalls 2015 in einem Aufsatz Josef Hupkas Engagement zugunsten verprü-gelter Studierender.83

Schließlich benannte die Rechtswissenschaftliche Fakultät unter der Leitung von Dekan Paul Oberhammer im gleichen Jahr ein Sitzungszimmer nach Josef Hupka um. Anlässlich der Festveranstaltung, die am 14. April 2015 begangen wurde, wür-digten Oberhammer und Franz-Stefan Meissel, Professor für Römisches Recht, in

Idee“ Hupka „in das Judenlager Theresienstadt brachte, wo er schon schwer krank eingelangt, nach wenigen Wochen im Mai 1944 […] starb“. Hupka fehlt im Totenbuch Theresienstadt, das die öster-reichischen Opfer auflistet – allerdings eben nur jene, die direkt aus Wien ins KZ deportiert wur-den; vgl. Mary Steinhauser und Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hg.), Totenbuch Theresienstadt – damit sie nicht vergessen werden. Deportierte aus Österreich, Wien 1987 [1971].

81 Vgl. Olechowski, Josef Hupka.82 Vgl. den Katalog zur Ausstellung in Zeitungsform: Bedrohte Intelligenz. Von der Polarisierung und

Einschüchterung zur Vertreibung und Vernichtung im NS-Regime, Wien 2015, S. 10 und 47.83 Erker, „Jetzt weiss ich ganz“.

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Kämpfer gegen den Antisemitismus und Opfer der Shoah 489

Vorträgen die Bedeutung Hupkas als Dekan und Rechtswissenschaftler.84 Im Rah-men der Veranstaltung, die von der Wiener Rechtshistorischen Gesellschaft organi-siert wurde, war auch eine Kurzfassung des vorliegenden Textes zu hören. Stephen Parkinson, ein Enkelsohn Josef Hupkas, kam aus Oxford angereist und brachte der Fakultät als Geschenk einen Originaldruck jenes Porträts seines Großvaters mit, das am Beginn dieses Beitrags zu sehen ist (Abb. 1). Dieses Porträt hängt seit April 2015 im Josef-Hupka-Zimmer der Universität Wien.

84 Vgl. Meissel, Zum wissenschaftlichen Werk. Zur Veranstaltung vgl. Rückholung ins kollektive Uni-Gedächtnis, in: Der Standard vom 22. April 2015, <derstandard.at/2000014663646> [16. Juni 2016].

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