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Halbgötter auf der Flucht - Zu P. Oxy. 4708 (Archilochos?) Author(s): Hans Bernsdorff Reviewed work(s): Source: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik, Bd. 158 (2006), pp. 1-7 Published by: Dr. Rudolf Habelt GmbH, Bonn (Germany) Stable URL: http://www.jstor.org/stable/20191140 . Accessed: 12/03/2012 16:51 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. Dr. Rudolf Habelt GmbH, Bonn (Germany) is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik. http://www.jstor.org

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Halbgötter auf der Flucht - Zu P. Oxy. 4708 (Archilochos?)Author(s): Hans BernsdorffReviewed work(s):Source: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik, Bd. 158 (2006), pp. 1-7Published by: Dr. Rudolf Habelt GmbH, Bonn (Germany)Stable URL: http://www.jstor.org/stable/20191140 .Accessed: 12/03/2012 16:51

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HALBG?TTER AUF DER FLUCHT - ZU P. OXY. 4708 (ArCHILOCHOS?)

Die Reste elegischer Distichen auf P.Oxy. 4708 werden von ihrem Erstherausgeber Dirk Obbink

Archilochos zugewiesen1. Das mit Teilen von 28 Versen gr??te Fragment schildert in der ersten H?lfte,

wie die Mysier unter Telephos die Griechen zur?ck zum Strand treiben. Die Erw?hnung ihres

gl?cklichen Erreichens der Schiffe leitet eine R?ckblende ein, die davon erz?hlt, da? die Griechen im

Irrglauben, es handele sich um ihr eigentliches Ziel Troja, an der mysischen K?ste landeten (fr. 1, 13

15, mit den Erg?nzungen Obbinks):

a]o7i?oioi ?' ?? v?a? ?[K]ij7cop[o]'i)? [eoe?av

r?a???? x' aGav?xcov koci ??e?xpeoi, [oi)? 'AyajjiiLivcov "I?aov ei? i?pT)v riye |Liaxr|GO|Li?vo['o?.

In diesem Aufsatz m?chte ich zun?chst (Abschnitt 1) zeigen, da? Obbinks allein auf homerischen

Vorbildern basierende Erkl?rung von Vers 14 nicht befriedigt, dann (Abschnitt 2), da? vielmehr eine

Tradition herangezogen werden mu?, die fast nur nach Homer, vor allem bei Hesiod, dokumentiert ist.

In Abschnitt 3 wird gezeigt, da? einige der in Abschnitt 2 besprochenen Texte mit der vorliegenden Stelle auch erz?hltechnische Gemeinsamkeiten haben und da? die ?hnliche Wortwahl damit in

Zusammenhang steht. Schlie?lich (Abschnitt 4) soll die besondere sprachliche N?he zu einer der unter

Abschnitt 2 angef?hrten Passagen (Hesiod) genutzt werden, um das verlorene Ende von Vers 14 anders

als in der Erstedition zu erg?nzen.

1. Die von Obbink angenommene Syntax wird durch die sicheren Nominative ?lanaaioi (13) und

7ia???? (14) sowie den Singular rr/? (15) sehr plausibel, allerdings macht Obbink die Erkl?rung der

Formulierung rca???? x' a0av?xcov Kai ??e?xpeoi Schwierigkeiten: Zun?chst erw?gt er, ob mit den

??e?xpeoi Agamemnon und Menelaos gemeint sein k?nnten, aber, wie Obbink selbst einwendet, k?nnen

die beiden kaum im selben Sinne wie z. B. Achill oder die Dioskuren als S?hne von Unsterblichen

bezeichnet werden2. Zudem ist nicht nachvollziehbar, wie das Br?derpaar den gesamten Trojazug

vertritt, zumal wenn nach Obbinks Rekonstruktion in 15 Agamemnon zugleich als F?hrer dieses Zuges

genannt wird. Eine bessere Erkl?rung sieht Obbink in der Kombination verschiedener homerischer

Ausdr?cke: Die Griechen sind untereinander Br?der, da sie insgesamt als vieq oder Ko?poi 'A%aicov (A 162 u. 473 u. ?.) bezeichnet werden k?nnen, und S?hne von Unsterblichen, insofern einzelne tats?chlich

Halbg?tter sind, von denen zwei, Askalaphos und Ialmenos, me? "Aprjo? (B 512,1 82) genannt werden.

Obbink h?tte noch auf die allgemeine Feststellung verweisen k?nnen, die Hera ihrem Gatten vorh?lt, als

er seinen Sohn Sarpedon aus dem Kampf retten will (n 448-449), wobei der Versanfang mee? ?cGavaxcov Einflu? auf rca?S?? x' aGavaxcov ausge?bt haben d?rfte:

710^01 y?p 7tepi acm) ji?ya npiocjxoio |Li?%ovxai

m?e? a?avaxcov, xo?aiv koxov a?v?v kvr\ceiq. Aber auch diese Homerstellen3 machen den Ausdruck im Papyrus nicht verst?ndlich: Abgesehen davon, da? die Auffassung der Griechen als Br?der k?nstlich wirkt, ist vor allem problematisch, da? es in der

1 Nach Obbink 2005,19 basiert die Zuweisung vor allem auf einem papyrologischen Argument: Der neue, ins 2. Jhd. n.

Chr. zu datierende Papyrus geh?rt zur selben Rolle wie zwei fr?her publizierte Oxyrhynchus-Papyri mit elegischen Resten,

von denen einer (P.Oxy. 854) einen von Athenaios 11, 483 d aus Archilochos zitierten Text enth?lt (fr. 4 W.), der andere

(P.Oxy. 2507) Verse, die m?glicherweise Archilochos zugeschrieben werden k?nnen (Adesp. eleg. fr. 61 W.). Die

Zugeh?rigkeit von P.Oxy. 854 und P.Oxy. 2507 zur selben Rolle hat bereits Henry 1998 gezeigt. 2 Obbink 2005, zu fr. 1,14.

3 Obbinks Hinweis auf West 1966, zu Hes. theog. 240 tekvoc Geoccov scheint mir an dieser Stelle nicht weiterzuhelfen.

2 H. Bernsdorff

Ilias nur wenige wirkliche Halbg?tter unter den Trojak?mpfern gibt4 und diese - sieht man von Achill

und vielleicht Aeneas ab - keine wichtige Rolle in der Handlung spielen. Es ist schwer erkl?rlich, wie

ihr halbg?ttlicher Status auf das ganze Kollektiv ausgedehnt werden kann.

2. Verst?ndlich wird der Ausdruck jedoch, wenn wir ihn auf eine Tradition beziehen, die fast nur nach

Homer belegt ist5: Gem?? ihr bilden die Heroen eine Generation, die durch den trojanischen Krieg von

der Erde verschwand; ihr grunds?tzlich anderer Status gegen?ber den sp?teren Menschen zeigt sich

darin, da? sie insgesamt ,Halbg?tter4 (rpiGeoi) genannt werden und in diesem Sinne sich auch als

,Kinder der Unsterblichen4 auffassen lassen6.

Die Vorstellung begegnet nur einmal bei Homer, M 22-23: Nach Beendigung des trojanischen

Krieges lassen Poseidon und Apollon die Schiffsmauer der Griechen durch die verschiedenen Fl?sse der

Troas zerst?ren; zuletzt wird der Simoeis genannt: Kai Xijioei?, ?0i noXkh ?oaypia Kai xp\)(pa?,?iai K?7T7t?Gov ?v kov?tjgi Kai rpiO?cov y?vo? ?v?pcov.

Locus classicus ist freilich die Schilderung des vierten Geschlechts in Hesiods Erga (156-165):

Amocp 8718? Kai xowo y?vo? Kax? ya?a koc?dij/ev,

atrci? ex' ?XXo x?xapxov ?7ti %0ovi novXv?oxeiprj

Ze?? Kpovi?ri? 7to?r|G?, SiKai?xepov Kai apeiov,

?v?pcov Tipcooov ?eiov y?vo?, o? Ka??ovxai

fijLiiGeoi, 7ipox?pr| yever] Kax' ?rceipova ya?av. Kai xo?? |n?v n6Xe\x?q xe KaKo? Kai yvXonic, aivi]

xo?? jLt?v ?cp' enxan\)X(? 0r)?ri, Ka?|ir|i?i yairj, <?)?,?G? jiapvaji?vou? |ir|?xov ?V?k' Oi?uto?ao,

xo?? ?? Kai ?v vr|?GGiv tm?p jn?ya ?mxjia Ga?xxoari?

?? Tpoir|v ?yay v 'E^?vri? ?V?k' tidkOjuoio. Ein weiterer Beleg ist in Simonides' Plataia-Elegie aufgetaucht (fr. 11,17b?18 W2)7:

Kai ?7cc?va)|iov 07i[?,ox?p]oiGiv

Tco?rjG' (se. Homer) f]|x]i0?cov KVjiopov y?V?T|[v. Ferner [HesJ fr. 204,96-101 M.-W.:

?ti y?p x?x? |Lir|??xo QecKeka ?pya

Z?\)? \)\|/i?p?|Liexr|c, t|Li??^ai Kax' ?rcdpova ya?av

xi)p?a^ac,f ?i?t] ?? y?vo? jLi?po7icov ?vOpcorccov TtoXkov a?Gx aai gti?CS?, r?p[o]cpaGiv jn?v o?,?G0ai

\jn)%?? ri|ii0?c?[v jllti ?jjxyo 0vr|x]aiGi ?poxoiGi x?icva 0?(ov |xi[vu0]ti[i cp?jo? [ocp]0a?|io?Giv ?pcovxa.

Nach der hier ?bernommenen Erg?nzung Wests in 100-101 verfolgt Zeus mit dem Plan des trojani schen Krieges das Ziel, da? die Heroen, anders als gew?hnliche Menschen, nicht dahinschwinden und

sterben, sondern, wie es in den abschlie?enden Zeilen steht, fernab ein gl?ckliches Dasein fristen.

4 Eine Liste gibt Janko 1992 zu IT 444-9. 5 West 2006, 14 vertritt dieselbe Deutung des Archilochos-Verses (sein Aufsatz ist nach der Einreichung meines

Beitrages erschienen): F?r rca??e? ?Gavaxcov verweist er im wesentlichen auf dieselben Parallelen wie ich (allerdings ohne

[Theokr.] eid. 25, 40-41), legt aber zu Recht besonderes Gewicht auf die von mir nicht angef?hrte Gnome in Pind. Nem. 9,

27 ?v y?p ?a?uovioiGi (po?oic (pe-uyovxi Kai rcai?e? Gecov, die dem Archilochosfragment gedanklich besonders nahe steht,

vgl. auch D'Alessio 2006, 20-21, mit dem Hinweis auf weitere m?gliche Verbindungen zwischen Pind. Nem. 9 und dem

Neufund (auch dieser Aufsatz ist nach Einreichung meines Beitrages erschienen).

6 Vgl. West 1978, zu Hes. erg. 160: ?the word refers to their parentage (cf. riuiovo?, and our , half-brother'), not to semi

devine status"; ferner (sehr klar) Scodel 1982,35.

7 Die N?he dieser Stelle zu M 23 und Hes. erg. 159-160 wird bereits von Clay 2001 und 2005, 29-30 hervorgehoben.

Fantuzzi 2001 zeigt, wie Theokr. eid. 17,5 diese Stelle zu f|pcoe?, xoi rcpoaOev ?cp' f)ui6?(?v ey?vovxo umdeutet.

Zu P. Oxy. 4708 (Archilochos?) 3

Bemerkenswert scheint, da? hier mit x?Kva 0?<?v eine ?hnliche Formulierung wie bei Archilochos

gew?hlt ist, die ebenfalls einen Vers einleitet. Freilich ist die zugrundeliegende Deutung umstritten, und

nach anderen Interpreten bezeichnet x?Kva 0?cov die G?tter selbst8.

Kallinos, ein Zeitgenosse des Archilochos9, beschreibt in fr. 1, 18-21 W. in einer Kampfpar?nese die Belohnung, die den tapferen Kriegern von ihren Mitb?rgern widerfahren wird10:

taxcoi y?p <x?|i7Eavxi 7io0o? Kpax?pocppovo? ?v?po?

0vt|okovxo?, ?cocov ?' ?^io? f||Lii0?cov coc7t?p yap \iw 7rvjpyov ?v o(p0a^|io?Giv opcoaiv

?p??i y?p 7co?A,cov a^ia jlIOWo? ?cov.

Kallinos sagt zwar nicht ausdr?cklich, da? mit den Halbg?ttern die Helden der homerischen Epen

gemeint sind, doch darf dies nach allgemeiner Auffassung11 angenommen werden. Ein Indiz daf?r ist

vor allem der 7nSpyo?-Vergleich in 20, der auf die homerische Darstellung des Aias deutet12.

Bemerkenswert ist, da? Kallinos wenige Verse zuvor von der Unvermeidlichkeit des Todes gesprochen hat, die selbst f?r einen Mann mit g?ttlichen Vorfahren bestehe. Damit ist nicht an irgendeine entfernte

Abstammung von G?ttern gedacht, die viele vornehme griechische Familien f?r sich beanspruchten13, sondern an die Heroen, sei es an einzelne wie Achill oder Sarpedon14, sei es an die Gesamtheit der

f|H?0?oi. Dabei wird eine ?hnliche Formulierung15 wie im Neufund benutzt (12-13): o\) y?p kco? 0?vax?v y? qyoyr?v djiapjLi?vov ?axiv

?v?p', 01)8' d Tcpoy?vcov rjt y?vo? ?0avaxcov.

Abgesehen von den Trojak?mpfern wird h?ufig der halbg?ttliche Status der Argonauten hervorgehoben, obwohl nicht alle von ihnen einen g?ttlichen Elternteil hatten16, z. B.:

Pind. Pyth. 4,11-13 (vgl. auch 184 u. 211): 817X8 ?' OWC0?

fi|xi0?oiaiv 'I?aovo? a?%|uax?o vawai?*

K?K?\)X?, 7ca???? vmp%ii(?v x? cpcoxcov Kai 0?COV...

(mit 7ia???? ... 0?<Sv vgl. P.Oxy. 4708, fr. 1,14 rca???? x' ?0avaxcov).

Sp?ter Apoll. Rhod. 1, 548 (bei der Ausfahrt der Argonauten sehen die G?tter): vfja Kai fi|ii0?c?v

?v?pcov y?vo? und Theokr. eid. 22, 29 0?<Sv cp?tax x?Kva.

Formulierungen wie x?Kva/7ca???? 0?cov tauchen auch auf, wenn es um die Bezeichnung einzelner

Heroen geht (z. B. neben dem oben zitierten n 449 t>i??? a0av?xcov vgl. Plat. rep. 391 d Qzox* na?b? x?

Kai ripeo, weiteres bei Gow 1952, zu Theokr. eid. 22, 29). Besondere Hervorhebung verdient eine Stelle, an der ein alter Bauer seinen Eindruck von dem ihm unbekannten Herakles mit derselben Junktur

bezeichnet, die auch P.Oxy. 4708, fr. 1,14 auftaucht ([Theokr.] eid. 25, 38-41): o\) o? y? (prpi KaKcov ?^

?|i|X?vai oi)?? KaKo?aiv ?oiK?xa cp?^va? aw?v,

8 ?berblick ?ber die verschiedenen Deutungsm?glichkeiten bei Hirschberger 2004, zu fr. 110, 98-100 u. 100-101,

neuerdings Clay 2005,29-32.

9 Zur Datierung Gerber 1997,99-100; speziell zum Verh?ltnis zu Archilochos Adkins 1977,59, Anm. 2.

I? Den Gedankengang des Fragments analysiert Leimbach 1978, speziell zur zitierten Stelle 276-277'.

nZ.B.Verdeniusl972,z.St. 12 X 556 to?o? y?p acpiv Tropyo? ?rccoXeo, die einzige Stelle, an der Homer das Wort metaphorisch von einem

Individuum gebraucht, vgl. Adkins 1977, 74 mit Anm. 48, der zudem darauf hinweist, da? das einzige gocko?, das von

Homer mit einem nvpyoq verglichen wird, das des Aias ist (H 219, A 485, P 128). 13

Hervorgehoben von Adkins 1977,66, auch Leimbach 1978,268 paraphrasiert mit ?die S?hne von Unsterblichen". 14 Verdenius 1972, z. St., Adkins 1977,66.

15 Ferner besteht eine Ber?hrung zwischen Kallin. fr. 1, 21 W. (vom heroengleich verehrten Krieger) ?p?ei y?p tioKXx?v

a^ia uxyuvo? ?cov und v. 5 unseres Fragments in der Rekonstruktion Wests (bei Obbink 2005, z. St.) koc? r?ox[e ujo?voc; ?cov von dem die Griechen in die Flucht schlagenden Telephos (Hinweis von I. Heckel).

1" Vgl. Apoll. Rhod. 2,1223: luocKapcov o%e?ov aiumo? ?icyeyocoycac und Campbell 1994, zu Apoll. Rhod. 3,365-6.

4 H. Bernsdorjf

oi?v xoi ji?ya d?o? ?7ti7ip?7C?i. r\ p? vv 7ia?5?c;

?0av?xcov xoioi?? ji?x? 0vr|xo?aiv ?aai.

Dabei k?nnte der Alte 7ca???? ?0av?xcov nat?rlich im Sinne von ,G?ttern' meinen, der Leser kennt

allerdings die halbg?ttliche Abkunft des Herakles und wird vom Erz?hler durch Ai?? ?XKijno? uio? in 42 und 'AjLicpixp'?covi?Ori in 71 an die Familienverh?ltnisse erinnert.

Mit der vorgeschlagenen Erkl?rung von Tca???? ?0av?xcov in P.Oxy. 4708, fr. 1, 14 l??t sich nun

auch die Bezeichnung der Heroen als ????cp?oi verstehen; allerdings ist dabei - anders als Obbink dies

zu tun scheint17 - ?0av?xcov nach dem o%fj|ia ?nb koivo? zu erg?nzen, so da? damit nicht das

geschwisterliche Verh?ltnis der Heroen untereinander, sondern das zu den Unsterblichen bezeichnet ist.

Diesem Ausdruck liegt die ?berlegung zugrunde, da? jeder Sohn eines Gottes und einer Sterblichen

(oder vice versa) als Bruder, genauer als Halbbruder18, einen Gott haben kann, der aus der Verbindung

seines g?ttlichen Vaters mit einer g?ttlichen Mutter entstanden ist19. Diese Auffassung der Heroen l??t

sich m. W. im Griechischen sonst nicht belegen. Doch scheint es bemerkenswert, da? zumindest in der

r?mischen Dichtung seit Vergil das Verh?ltnis von Halbg?ttern zu ihren g?ttlichen Halbbr?dern mit

frater hervorgehoben werden kann:

Verg. Aen. 1, 667 (Venus zu Amor): frater ... Aeneas ... tuus, von Aeneas ?hnlich auch Tibull. 2, 5,

39; Ov. am. 3, 9, 13; her. 7, 31-32; von Hercules: Sen. Here. f. 907-908 (Hercules ruft die G?tter an):

fraterque quisqu?s incolit caelum meus non ex noverca frater, [Sen.] Here. O. 1313 (?ber Mars) est

frater quidem, sed ex nouerva; ferner, durch eine Metonymie kompliziert, Stat. silv. 3, 1, 41 multo

fratre (i.e. vino) madentem (sc. Herculem), ?hnlich silv. 4, 6, 56-57 tenet haec marcentia fratris pocula.

Nat?rlich bestehen Unterschiede zu der Verwendung von ????cp?oi (?0av?xcov) in der angenom

menen Bedeutung: Bei den R?mern ist von der br?derlichen Beziehung zwischen Individuen die Rede,

nur an der Stelle aus dem Hercules Furens von der Beziehung zwischen einem Individuum und einem

Kollektiv. Au?erdem ist allen diesen Beispielen ein spielerisch-pointierter Ton eigen, den man in

fr?harchaischer Poesie nicht ohne weiteres voraussetzen will20. Aber immerhin zeigen sie doch, da? die

favorisierte Interpretation von ????xp?oi (?0av?xcov) nicht auf einer modernen Konstruktion beruht,

sondern schon von Dichtern der Antike (vielleicht auch in fr?herer Zeit, als es unsere ?berlieferung

bezeugt) poetisch genutzt wurde. Einen guten Sinn h?tte die Formulierung auch an unserer Stelle, da sie

den Topos von der Gemeinschaft zwischen G?ttern und Heroen21 durch zwei Richtungen des verwandt

schaftlichen Verh?ltnisses verdeutlicht: mit 7ia???? ?0av?xcov in der vertikalen, mit ????,cp?oi (?0av?

xeov) in der horizontalen Richtung.

3. Aufschlu?reich ist auch eine erz?hltechnische Betrachtung der Stelle, an der die untersuchte

Formulierung im neuen Papyrus auftaucht: Sie erf?llt die Funktion eines Scharniers, indem sie

einerseits Subjekt eines am Ende von 13 zu erg?nzenden Pr?dikats der Haupterz?hlung (Telephos

schl?gt die Griechen in die Flucht) ist, andererseits einen Vers einleitet, in dem die R?ckblende (wie die

Griechen nach My sien gelangt waren) beginnt, deren erstes Pr?dikat T|y? als Objekt offenbar ein

Relativpronomen regiert, das sich auf rca???? x' ?0av?xcov Kai ???^cp?oi bezieht. Nach der Termino

logie der Erz?hltechnik beschrieben22, geschieht in der so eingeleiteten R?ckblende Folgendes: Zum

17 Obbink 2005,32 ?the sons of the immortals and brothers".

18 Zu oc?etapeo? als ,Halbbruder' vgl. N 695 = O 334 mit LfgrE 1,139,15-17 (E. Risch). 19 Ein und derselbe Heros ist also der Sohn des einen Unsterblichen und zugleich der Bruder eines anderen; in ?hnlicher

Weise kann Eupeithes co 434 die M?rder der Freier als Ttai?cov xe Kaoiyvr|TC?v te (povfja? bezeichnen (?hnlich a> 484).

20 Es sei freilich daran erinnert, da? Papyrusfunde gerade der letzten Jahrzehnte an der archaischen Dichtung Z?ge

offenbart haben, die man vorher f?r ,hellenistisch' gehalten hatte, vgl. Parsons 2001, 61-62, mit Verweis auf die K?lner

Epode des Archilochos oder die simonideischen Elegienreste auf P.Oxy. 3965.

21 Locus classicus ist Hes. fr. 1,6-7 M.-W.

22 Dazu Martinez/Scheffel 2005,39-44 (Raffung), 47-49 (Distanz); Bartels, 2004,12-13.

Zu P. Oxy. 4708 (Archilochos?) 5

einen wird viel st?rker zeitraffend erz?hlt als in der vorausgehenden und wahrscheinlich auch in der

nachfolgenden Erz?hlung (wohl ab 22) ?ber die Schlacht zwischen Mysiern und Griechen, zum anderen

wird die ,Ordnung4 der Erz?hlung ver?ndert, indem gegen die Chronologie die Vorgeschichte

eingef?hrt wird (Analepse)23. Beide Verfahren sind erhebliche Eingriffe des Erz?hlers, der auf diese

Weise besonders stark in das Bewu?tsein des Lesers tritt; man spricht von der ,Profilierung' des

Erz?hlers, die zugleich die Distanz des Lesers/H?rers vom Erz?hlten vergr??ert. Da der Erz?hler wie

auch sein Publikum einer Gegenwart angeh?ren, die vom Zeitalter der Heroen betr?chtlich entfernt ist, l??t sich also sagen, da? wir uns an einer Stelle der Erz?hlung befinden, an welcher der grunds?tzliche

Abstand zwischen der Heroenzeit und der Gegenwart durch erz?hlerische Mittel besonders betont wird.

Die Charakteristik der Heroen als Halbg?tter f?gt sich in diesen Kontext ein, da sie die Differenz zu den

Menschen der Gegenwart inhaltlich bezeichnet.

In diesem Verfahren trifft sich der Neufund mit anderen der oben angef?hrten Texte, die den

halbg?ttlichen Status der Trojak?mpfer herausstellen: Simon, fr. 11,17b?18 W2 verwendet fi(i]i0ecov am

Ende seines Hymnos an Achill (also einer poetischen Form, die von vorneherein den Sprecher stark

hervortreten l??t), vor der Verabschiedungsformel %a?pe (19) und der ?berleitung ocw?p ?yco (20), mit

welcher der Sprecher zur Verherrlichung der Plataiak?mpfer ?berleitet (sie entspricht derjenigen, die

Homer einst f?r die Griechen vor Troja leistete). Auch hier f?gt sich also die distanzierende

Bezeichnung der Trojak?mpfer als Halbg?tter in den formalen und inhaltlichen Charakter des Kontexts.

Bezeichnenderweise l??t sich hier auch M 22-23 anf?hren24, wie gesagt die einzige Stelle in Ilias

und Odyssee, an der rpiGeo? von den Trojak?mpfern insgesamt gebraucht wird: Hier erkl?ren Homer

interpreten das Auftauchen der singul?ren Sichtweise des Heroischen schon seit langem mit dem

besonderen erz?hltechnischen Charakter der Verse, in denen der Erz?hler in einer Prolepse auf die

Zerst?rung der Schiffsmauer und damit ein Ereignis nach dem trojanischen Krieg vorgreift und dabei

?in ebenso singul?rer Weise aus der sp?teren Zeit auf die Heroenwelt von einst zur?ckblickt"25. Oder in

der gl?nzenden Formulierung Karl Reinhardts: ?Es ist die Stelle, da zum einzigen Male, im R?ckblick, das r?hmende Beiwort ?Halbg?tter" (f|(Li?9eoi) dem Heroengeschlechte gegeben wird (12.23), dasselbe, das von Hesiod an zur Gattungsbezeichnung wird. Hervorgehoben wird damit die Distanz, sowohl die

zeitliche wie die der Gr??e, die das Heroengeschlecht vom heutigen unterscheidet."26

Die Forschung hat l?ngst erkannt, da? diese Ilias-Stelle in ihrer Sicht auf die Heroenwelt eng mit

Kallinos fr. 1 W. verwandt ist27: Dort soll den tapferen Kriegern eine Verehrung in Aussicht gestellt werden, welche die f?r gew?hnliche Menschen weit ?bersteigt; daher die distanzierte Sicht auf die

homerischen Helden, wie sie das Adjektiv an den ?brigen hier betrachteten Stellen bewirkt.

?brigens bezeichnet auch Catulls Peleusepyllion die Argonauten an einer Stelle als heroes, ... deum

genus, welche die Differenz zwischen Heroenzeit und Gegenwart des Erz?hlers inhaltlich betont

23 Zu Analepsen und Prolepsen in der Ilias Jong 1987,81-90. 24 Die erz?hltechnische ?hnlichkeit zwischen dieser Passage und der eben betrachteten Simonidesstelle hat schon Clay

2001, 183 angedeutet: ?the comprehensive vision of the Trojan War with which Simonides brings his proem to a close most

closely resembles Homer's similarly synoptic view at the beginning of the twelfth book of the Iliad".

25 Schadewaldt 1938, 118, Anm. 1, vgl. auch Krafft 1963, 117. Scodel 1982, 48 setzt diesen Charakter der Passage in

Beziehung zur Gesamtkomposition der Ilias: ?At its very center, the poem places its events far away in a past which becomes

remote and fated not only to end, but to vanish." Wichtig f?r unseren Zusammenhang ist auch die Analyse der Stelle bei

Jong 1987, 88-89, die herausstellt, da? die vorliegende Prolepse eine ?hnliche Funktion erf?llt wie sonst Analepsen, mit

denen der homerische Erz?hler die Geschichte von Gegenst?nden (z. B. Agamemnons Skeptron in B 101-108) nachtr?gt und

ihnen so Bedeutung verleiht: da die Mauer erst vor kurzem gebaut worden war, w?hle der Erz?hler hier das Verfahren, nicht

die Vergangenheit, sondern die Zukunft der Mauer darzustellen.

26 Reinhardt 1961,405-406. 27 Adkins 1977, 73-74: ?r)ux0?cov occurs only once in Homer (Iliad 12.23), in a passage in which the poet is reminisc

ing about the Greek warriors before Troy from the point of view of a later age. Callinus desires a similar effect. The brave

warrior of his own day will have the worth of an Homeric hero, now viewed as a veritable demigod."

6 H. Bernsdorjf

(Catull. 64, 23) und formal durch die Gru?formel den Erz?hler in gleicher Weise wie Simonides an der

oben betrachteten Stelle profiliert.28

4. Mit Hesiods Schilderung des Heroengeschlechts verbinden die vorliegende Passage noch weitere

gemeinsame Formulierungen29: Mit P.Oxy. 4708, fr. 1, 15 "iXiov j?? ?epf|v rrys |Lia%r|oo|Li?vo['u? vgl. Hes. erg. 165 ?? Tpo?riv ocyocycov.

Angesichts dieser sprachlichen N?he ist zu erw?gen, ob am Ende von Vers 14 als Subjekt von frye

ein Ausdruck erg?nzt werden kann, der den hesiodeischen Subjekten von ayocycov (161 7i?A8|x?c xe

kock?c Kai (pt>?,07U? oc?vT|) inhaltlich n?her st?nde als Obbinks 'AyajLiejiivc?v30. M?glich w?re die Junktur

ji?poc oc?v?c, die in ?hnlichen Kontexten, darunter auch als Subjekt von ayeiv, begegnet31. Der

Pessimismus, der aus ji?poc spr?che32, tr?fe sich mit dem hesiodeischen oo?eoe (erg. 163) und dem

simonideischen f||Li]i0?c?v coK-ojiopov yevef|[v (fr. 11, 18 W2), zu dem ?berdies ein entfernterer Anklang in |u?poc

~ (bic?iiopov entst?nde. Man k?nnte einwenden, da? diese Erg?nzung die Beschreibung des

Trojazuges stark metaphysisch auflade, doch zeigt ein Blick auf die Betonung des Schicksals bei der

Flucht der Griechen in 7 (f| x?ooc ?t] |uo?poc Gecov ecpo?ei), da? dies eine den Text durchziehende Sicht

ist, die Archilochos zudem auch andernorts wichtig gewesen zu sein scheint33.

Literatur

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2^ Das Hervortreten des Erz?hlers in Catull. c. 64, 22-30 insgesamt analysiert jetzt Bartels 2004,45-46.

2^ M?glicherweise besteht auch ein Anklang zwischen uct%r|GOuivo[D? und erg. 163 |?apvoc|jivoi)c (Hinweis von I.

Heckel).

3^ Obbink 2005 z. St. verweist auf Ibyk. PMGF S 151,19-21 f|pcooc? egQ[Xov? /tc?v] u?v Kpe?cov 'Ayocu?[uva>v] / ocp%e.

31 S 465 (Hephaistos ?ber Achill) ote uiv uopo? aiv?? ikocvoi sowie das homerische Adjektiv ocivouopo?; uopo? (aivo?) als Subjekt von ayeiv: hymn. Horn. Bacch. 8 (von den Tyrrhenern): tou? ?' f|ye KaK?? uopo? (also ayeiv ebenfalls im

Imperfekt), Quint. Smyrn. 10, 332 a ?0i uiv ji?poc aivo? ayeaice, man beachte schlie?lich auch die Verwendung von aivo? in

der oben angef?hrten Hesiod-Passage erg. 161 (p\)?,07ti? aivf).

32 ?(Zuteilung, zugeteiltes) Schicksal, Tod" LfgrE 3,255,42 (H. W. Nordheider).

33 Betonung des Schicksals m?glicherweise auch in den Versen 2 und 24 der Neufundes (vgl. Obbink 2005, 37);

Obbink 2005, 21 verweist auf die Gnome in Archil, fr. 16 W., welche die Macht der uo?pa betont und zu den Resten von fr.

6, 11 des neuen Papyrus pa?t. Die von Obbink 2006, 2 referierte Erg?nzung des Endes von Vers 14 durch Livrea ([o?c Ai?c

aioa) nimmt in ?hnlicher Weise wie mein Vorschlag einen Ausdruck f?r ,Schicksal' als Subjekt. Allerdings lassen sich f?r

die bei Livreas Erg?nzung entstehende Formulierung keine so engen Parallelen finden wie f?r die oben von mir erwogene.

Ich danke I. Heckel, R. Leimbach, L. Lenz (alle Frankfurt/M.) und M. Fantuzzi (Macerata) f?r die kritische Lekt?re fr?herer

Versionen dieses Aufsatzes.

Zu P. Oxy. 4708 (Archilochos?) 7

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Frankfurt am Main Hans Bernsdorff