ektopia: skizze einer topographischen anatomie in thomas bernhards amras

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A Journal Devoted to the Study of Austrian Literature and Culture Vol. 42 · No. 1 · 2009 Imperial Mystique and Empiricist Mysticism: Inner Colonialism and Exoticism in Musil’s Törleß ROBERT LEMON Rilkes Zwetajewa-Elegie: Eine ars poetica der metaelegischen Schöpfung PETER POR Vorüberlegungen zu Thomas Bernhards Amras JULIANE VOGEL Existenzmöglichkeiten: Versuch über die Auf- lösung des sensomotorischen Schemas in Thomas Bernhards Amras ARMIN SCHÄFER Ektopia: Skizze einer topographischen Ana- tomie in Thomas Bernhards Amras JENS KLENNER … ellipses … epilepsies … ENA JUNG

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A J o u r n a l D e v o t e d t o t h e S t u d y o f A u s t r i a n L i t e r a t u r e a n d C u l t u r e

Vol. 42 · No. 1 · 2009

Imperial Mystique and Empiricist Mysticism: Inner Colonialism and Exoticism in Musil’s Törleß

RobeRt Lemon

Rilkes Zwetajewa-Elegie: Eine ars poetica der metaelegischen Schöpfung

PeteR PoR

Vorüberlegungen zu Thomas Bernhards AmrasJuLiane VogeL

Existenzmöglichkeiten: Versuch über die Auf-lösung des sensomotorischen Schemas in Thomas Bernhards Amras

aRmin SchäfeR

Ektopia: Skizze einer topographischen Ana-tomie in Thomas Bernhards Amras

JenS KLenneR

… ellipses … epilepsies …ena Jung

Modern AustriAn LiterAture, Vol. 42, No. 1. © 2009 ModerN AustriAN literAture ANd Culture AssoCiAtioN

Ektopia: Skizze einer topographischen Anatomie in Thomas Bernhards Amras1

Jens KlennerPrinceton University

Vorüberlegungen: Komplexes Erzählen—Vom Scheitern intertextueller Spurensuche

In Thomas Bernhards Roman Auslöschung: Ein Zerfall (1986) gibt der Protagonist Franz Josef Murau seinem Schüler Gambetti fünf Bücher zum aufmerksamen Studium: Siebenkäs von Jean Paul, Der Prozeß von Franz Kafka, Die Portugiesin von Musil, Esch oder die Anarchie von Hermann Broch und—Amras von Thomas Bernhard. In einem Akt der Selbstkanonisierung, und das scheint am Ende der Lektüre der einzige Zweck, da die Bücher keinerlei Interpretationsschlüssel darstellen, reiht Thomas Bernhard das ihm Liebste seiner eigenen Bücher in den Kanon deutschsprachiger “Höhenkammliteratur” ein.2

Das magere Handlungsskelett des 1964 erschienen Amras, das ähnlich der Welt des Protagonisten gekennzeichnet ist von “der Handlungsarmut der Stadt, der Handlungsarmut der Welt, der Handlungsarmut [seines] Gehirns” (Amras 59), ist schnell skizziert. Ein Brüderpaar überlebt den gemeinschaftlichen Selbstmord der Familie. Vom Onkel werden sie vor dem österreichischen Hygienegesetz gerettet und in einen Turm verbracht, der ihnen sowohl Zuflucht als auch Gefängnis wird. Dort bleiben sie, bis der K. genannte Erzähler seinen an Epilepsie leidenden Bruder Walter tot am Fuße des Turmes auffindet; und auch K. vermag sich, selbst nach einem weiteren Rückzug in ein Forsthaus des Onkels, nicht in einen wie auch immer gearteten sozialen Alltag einzufügen und endet, so ein impliziter Verweis, in einer der anfangs so gefürchteten Anstalten.

Die Erzählung von nur knapp hundert Seiten ist ein Text durchzogen von Auslassungen, Fragmenten, Aphorismen, Briefen, Zitaten, Aufzählungen—Corpora geistes- und naturwissenschaftlicher Lexeme—sowie zahlreichen Verweisen in die Philosophie, Musik, Naturwissenschaft und Literatur.

Doch wie sind diese intertextuellen Verweise und vor allem jene eingangs genannte Geste einer Selbst-Kanonisierung zu verstehen, mit der sich Bernhard rückbezüglich in etwas einfügt, was längst zum wesentlichen Bestandteil seiner Texte geworden ist, nämlich die in mehrfacher Hinsicht gelesene oder zu lesende Liste?

Thomas Bernhard ist ein reduktiver Geist. Die optimierte Verkürzung, mit der er seine Themen durchführt, verleitet […] den Interpreten zum Erzählen. Dieser nimmt sich dann die narrative Lizenz, zu der Thomas

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Bernhard ein so komplexes Verhältnis hat. Er erzählt vom Lesen mehr als Thomas Bernhard je erzählen wird. […] Hier gründen auch die voreiligen Erwartungen hinsichtlich der Präsenz des Gelesenen, und hier wäre auch die Ursache für die weitverbreiteten Einflußmodelle zu suchen, durch die die phantasmagorische Anwesenheit eines Autors im Text eines anderen Autors unterstellt wird. (Vogel 174)

Juliane Vogel bezweifelt “die Gültigkeit solcher bürgerlichen Leseerlebnisse” (174), nämlich die Produktivität von Lesarten, bei denen das quasi bildungs-bürgerliche Vergnügen am Identifizieren und Wiedererkennen solcher Verweise und intertextuellen Einflüsse im Vordergrund steht.

Bei Bernhard zeigen sich deutliche Auflösungserscheinungen eines kanonischen Konsenses. Weder sind jedoch die Referenzen und Bezüge deshalb irrelevant, noch sind sie ausschließlich Produkt und Indikator einer überholten kulturellen Praxis:

Vielmehr steht das Nennen der Namen bei Bernhard in einem komplexen Zusammenhang. Die Lektüre, die anhand dieser Autorennamen ange-zeigt wird, ist auf mindestens doppelte Weise organisiert. Einerseits auf die bürgerliche Lesepraxis bezogen, verweist sie gleichzeitig auf deren historische Bedingtheit. Sie deautomatisiert das Lesen in seinem Anspruch auf Weltaneignung und beruft sich auf Formen der Lektüre, die den Namen des Autors auf andere Weise hüten als die literarische Betriebsamkeit. (Vogel 177)

Das Interessante an diesen Indikatoren von Lektüren bei Bernhard ist, dass eben gerade das “Nennen der Namen” im Vordergrund steht. Was die Lesepraxen im Text angeht, so werden diese lediglich angezeigt, bleiben aber als rhetorische Leerformen stehen; kommentiert wird nurmehr das Verfahren der Deutung.

Bei der Frage, ob es sich bei den Bezügen um Hilfestellungen bei der Sinn-konstruktion handelt, um zu entschlüsselnde “Clues” und Spuren, oder ob sie nicht bei aller konventionellen Zeichenhaftigkeit ihres früheren Sinns verlustig ins Leere verweisen, handelt es sich nicht allein um die Namen literarischer Autoren, Philosophen oder Naturwissenschaftler. In Bezug auf eine der potentiellen narrativen Funktionen einer solchen Häufigkeit von Autorennamen und expliziten oder impliziten Zitaten ist diese Form des intertextuellen Verweises analog etwa zu den zahlreichen, meist naturwissenschaftlichen Lexemen in Amras zu sehen.

Auch sie bilden einen Corpus, der als solches stehen bleibt, betont reduziert auf seine Bestandteile von Büchern, Wörtern, Namen statt Inhalten und Erklä-rungen, auf (Re-)Zitation statt Auslegung.3 Denn wie sich zeigt, bringen auch die Notizen Walters in der Erzählung keinen inhaltlichen Aufschluss, und der naturwissenschaftlich geprägte Bildungskanon des Erzählers wird mit dem Eintritt in den Turm zur leeren Hülse, deren Begriffe allenfalls noch als

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Selbstvergewisserungs- und Beschwörungsformel einer älteren Ordnung dienen.4

Wie derartige Anfangsbeobachtungen zeigen, ist das Auftreten unter-schiedlicher Corpora für Bernhards Amras also in mehrfacher Hinsicht hochrelevant: Das Aufrufen eines Corpus verweist auf ältere Ordnungssysteme, deren kanonisierter Status aber zum Teil fremd und zum kaum noch aktivierbaren kulturellen Sediment geworden ist. Die Bestandteile eines klassischen Bildungs-kanons sind zwar erkennbar aber nicht unbedingt mehr aufrufbar; die Lektüren selber bleiben rein formaler Gestus einer Bildungspraxis, deren Inhalte zumindest unbeschrieben bleiben. Dabei sind ein wesentlicher Aspekt der Corpus-Bildung seine Struktur und seine Grenzverläufe, kanonische Ein- und Ausschlussverfahren, taxonomische Ordnungen und Querbezüge, über die die Ordnung der Dinge als Wissensanordnung immer auch eine räumliche Dimension hat. Die Ordnung der Dinge und des Wissens verweist immer auch auf eine Ordnung des Raums und vice versa. Deshalb werden bei Bernhard Funktion und Struktur der Corpora, ihre spezifischen Topographien, weit relevanter als etwaige Inhaltsbestimmungen und Einflussgeschichten.

Corpora sind also immer auch Körper, res extensa im eigentlichsten Sinne, und ebenso wie Bernhards tierische und menschliche Körper vermögen die Corpora vermittels ihrer Topographien und ihrer materiellen Persistenz Linearität und Narration zu fragmentieren. Durch die Anwesenheit eines Fremdkörpers wird Erzählung unterbrochen und bestehende Ordnung temporär suspendiert.

Der Corpus als Kategorie des Nicht-Erzählens: Ektopisches Schreiben

Zuerst, um eine solche Architektonik der Ordnungen bei Bernhard quasi “kartographisch” beschreiben zu können, sollen einige Distinktionsmerkmale des Corpus innerhalb seines narrativen Kontexts skizziert bzw. untersucht werden. Worin kann eine solche ek-topische Differenz der Corpora bestehen?5

Die Grundüberlegung zum devianten Potential von Corpora geht aus von einer Beobachtung Jean-Luc Nancys, der darauf seine Forderung nach dem Corpus, nach einer Neubetrachtung seiner Möglichkeiten gründet: “Un corpus n’est pas un discours, et ce n’est pas un récit. C’est un corpus qu’il faudrait donc ici” (46).6 Demzufolge ist der Corpus unterschieden durch seine grundlegend nicht-narrative Struktur: Corpus erzählt nicht, Corpus deutet oder erklärt nicht, und es hat auch an sich keine Aussagestruktur. Dieses Nicht-Erzählen, Nicht-Aussagen beinhaltet für Nancy dort, wo der Corpus in seiner Mehrfachbedeutung als Körper sich selbst zum Gegenstand hat, eine Art Versprechen, nämlich “se taire du corps” (47).7

Hier wird auch der Rückbezug zum Eingangszitat evident, in dem Juliane Vogel über Bernhards reduktive Erzählweise reflektiert, die nicht erklärt, nicht expliziert, und die sich hermeneutischen Einflussmodellen entzieht, in dem sie sich darauf beschränkt, die Präsenz literarischer und anderer Bezüge als

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erkennbare Fremdkörper im Text zu indizieren, ohne ihre Inhalte oder Lektüren im Text auszuführen.

Um diese textuelle Besonderheit des Corpus bei Bernhard zu ergründen, lohnt es sich, Nancy in seinen Überlegungen zur Etymologie dieser Sonderform zu folgen:

Le modèle du corpus est le Corpus Juris, collection ou compilation des Institutiones, Digestes et autres Codices de tous les articles du droit romain. Ce n’est ni un chaos, ni un organisme: le corpus se tient, non pas exactement entre les deux, mais plutôt ailleurs. Il est la prose d’un autre espace, ni abyssal, ni systématique, ni effondré, ni fondé.8 (48)

Neben dem interessanten rechtshistorischen Bezug,9 ist hier die Idee einer “prose d’un autre espace” entscheidend, und, wie wir zeigen werden, für Amras besonders relevant. Bernhard verwendet, zitiert oder konstruiert nicht einfach Corpora, die dann in den literarischen Text hineinmontiert werden.10 Der Grund, warum einflussorientierte und intertextuell-hermeneutische Interpretationsansätze bei Bernhard zu kurz greifen, liegt in eben dieser Prosa eines anderen Raums, welche die Potentialitäten des Corpus zum poetischen Prinzip erhebt.

Für Nancy gleicht das Schreiben vom Körper der Topographie eines unbekannten Gebietes; Corpus bedeutet ein Abschreiten, Durchlaufen und Queren ohne jemals kartographische Repräsentation zu erzielen (im Sinne einer scheinbar objektiven Perspektivierung aus hypothetischer Vogelperspektive). Die Abwesenheit von Übersicht und Unterordnung, von Zusammenfassung unter ein zwingend übergeordnetes Ordnungsprinzip, vermag es Bewegung und Offenheit zu bewahren:

Corpus: repères dispersés, difficiles, lieux-dits incertains, plaques effacées en pays inconnu, itinéraire qui ne peut rien anticiper de son tracé dans les lieux étrangers. Écriture du corps: du pays étranger. Non l’Étranger en tant que l’Être ou que l’Essence-Autre (avec sa vision mortifère), mais l’étranger comme pays: cet étrangement, cet écartement qu’est le pays, en tout pays et en tout lieu. Les pays: ni territoires, ni domaines, ni sols, ces étendus que l’on parcourt sans jamais les ramasser dans un synopsis, ni les subsumer sous un concept. Les pays toujours étrangers—et l’étranger en tant que pays, contrées, parages, passages, traversées, ouverture de paysages, reliefs inattendus, chemins menant à part, à nulle part, départs, retours. Corpus: une écriture qui verrait du pays, l’un après l’autre tous les pays du corps.11 (49–50)

Corpus ist also zu verstehen als eine Art nicht-fixierender Kartographie der Alienität, die möglicherweise in sich eine Alternative zum Schreiben “über” enthält. Bei Bernhard trägt das Schreiben von unbekannten Ausdehnungen, seine fragmentarische Topographie “aller Lande des Körpers” die Signatur einer

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Öffnung des Realen ins Virtuelle. Jedoch hat dieses Schreiben im Zeichen des fremden Körpers ebenso eine Komponente des Gewaltsamen und Bedrohlichen. Es handelt immer auch von erzwungenen Einschlüssen und aufgebrochenen Enklaven. Trotz dieser wesentlichen Unterschiede zu Nancy, bietet Corpus für die Beobachtung Bernhards interessante Anhaltspunkte und gemeinsame Wegmarken, wenn auch häufig unter verändertem Vorzeichen.

Das Dilemma jedoch, das den Corpus als poetisches Prinzip hervortreibt und neue Ordnungen des Raums erfordert, ist bei Bernhard wie bei Nancy das Problem des Nicht-Schreibens oder Nicht-Sprechens über den Körper als bloßem Gegenstand von Repräsentation.12 Diese andere Poetik als Prosa der Ektopie und des Schreibens als Abschreiten anderer, außenliegender, deplatzierter Räume unterscheidet sich grundlegend in ihrer Form, die als solche aus den Mustern konventionellen Erzählens herausfällt: “Il faudrait donc un corpus. Discours inquiet, syntaxe casuelle, déclinaison d’occurrences” (49).13

Der Corpus in seiner Historizität und kanonischen Struktur ruft immer schon die Möglichkeit einer anderen Ordnung auf. Die ihm dadurch innewohnende Kraft des Virtuellen durchbricht das Gewebe einer konsistenten und vermeintlich geschlossenen Gegenwart; das Aufscheinen eines epistemischen Bruchs ist immer auch eine Ahnung seiner möglichen Gewalt und gleichzeitig (gewaltsame) Möglichkeit. Der Corpus, ähnlich einem Zeugma, durchbricht zentrifugal als nicht geordnetes Erzählen die grands récits, beendet die “allgemeine, uns wahnsinnig machende große Geschichte” (Amras 9) und erzählt nicht mehr.14

Das Besondere an der Funktion der Corpora innerhalb der Erzählstruktur gründet sich auf ihre fundamentale Andersartigkeit, ihren Fremdkörper-Charakter im narrativen Gefüge: Sie selbst sind an sich zutiefst nicht-narrativ, der Corpus ist, wie es Nancy formuliert hat, weder Diskurs noch Erzählung (46). Der Corpus in seiner Mehrdeutigkeit beinhaltet, wie es Nancy in seinem gleichnamigen Vorschlag einer neuen Fundamentalontolgie des Körpers beschreibt, Fremdartigkeit und Versprechen.

Die folgende Arbeit wird versuchen, bei Thomas Bernhard eine Topographie des Corpus nachzuzeichnen. Brüche und Verschiebungen in der Architektonik der Ordnungen in Amras werden hier zum Gegenstand einer Überlegung, die sich in ihrer Anlage als Anatomie begreift. Nancys Corpus dient als Gegenpart einer solchen Lektüre; die beiden Texte bilden eine Art Doppelgestirn im Zeichen einer “géographie des ectopies multipliées” (104)15—mit dem Corpus als einem heimlichen Projekt der Moderne, bei dem Bernhard die entschieden dunklere Seite darstellt. Bernhards modernistisches Schreiben stellt sich dar als ein fragmentiertes Schreiben, unterbrochen durch Passagen des Nicht-Erzählens. Die nicht-narrativen Elemente erweisen sich als eine ektopisch-poetische Strategie des Ent-Stellten und Abweichenden, als eine Strategie der inkongruenten räumlichen Anordnung. Bernhards Schreiben wird somit zu einem Schreiben der Differenz, das seiner eigenen, devianten Anatomie folgt. In dieser Arbeit gilt es eine Poetik des ektopischen

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Schreibens in Bernhards Amras aufzuzeigen. Dies geschieht mit Hilfe von theoretischen Überlegungen Nancys zum Corpus als einer Fundamentalontologie des Körpers, die in einer Untersuchung von Topographien und Figuren des Raumes fruchtbar gemacht werden sollen. Textuelle Alternativen des Raumes werden als Formen des Corpus zu einer Poetik ektopischen Schreibens zusammengeführt.

“Es bliebe, dem Körper zu schreiben”: Du-Erzählung und Topographie des Friedhofs

Il faudrait donc un corpus. Discours inquiet, syntaxe casuelle, déclinaison d’occurrences. Clinamen, prose inclinée vers l’accident, fragile, fractale. Non le corps-animal du sens, mais l’aréalité des corps: oui, des corps étendus jusqu’au corps mort. Non le cadavre, où le corps disparaît, mais de corps comme quoi le mort paraît, dans la dernière discrétion de son espacement: non le corps mort, mais le mort comme corps—et il n’y en a pas d’autre.

Il faudrait un corpus: une écriture des morts qui n’ait rien à faire avec les discours de la Mort—et tout à faire avec ceci, que l’espace des corps ne connaît pas la Mort (le fantasme de l’espace aboli), mais connaît chaque corps comme un mort, comme ce mort qui nous partage l’étendue de son ci-gît.16 (49)

Was Nancy hier beschreibt, nämlich das Auftreten eines Corpus als einer Art “topo-graphie du cimetière” (49),17 findet sich auch in Amras schon im ersten Teil im Turm, in dem die Stimme der Eltern die Söhne ans Fenster ruft, insbesondere aber im zweiten Teil, in dem sich der Erzähler nach Walters Tod in Aldrans aufhält. Der zweite Teil erscheint fast wie eine makabre Umsetzung einer wörtlichen Lesart von Nancy (avant la lettre), nur in ganz anderer Tonlage, denn hier erfährt der Erzähler, als ein in mehrfacher Hinsicht Überlebender, Aldrans als eine Landschaft, die in ihrer Vertrautheit genau zu einer solchen Topographie des Friedhofs wird, einer ektopischen Schrift der Toten:

Der Schatten Walters, der mir die Geschwindigkeit, die seine Gestalt zurücklegt, erklärt, sein Gesicht, das schon entschwindende … seinen Körper, den nur noch in seinen qualvollen, mühevollen Bewegungsversuchen (Walter) vorhandenen … Er kommt in den Turm und stürzt gleich ans Fenster … seine Gestalt, die dann lauter Gestalten zurückläßt, er, der mit keiner dieser Gestalten mehr übereinstimmt … Es gibt aber keine erste und keine letzte Gestalt des Bruders … keinen Bruder … Walter ist. Wo hast du das schon gehört? Gedacht? Daß hunderttausend, Millionen, Milliarden Gestalten … der Tod unterbricht ja nicht … Mein Verhältnis zu Walter jetzt: er zieht hundertfach seinen Rock aus, geht hundertfach in die Schwarze Küche, liegt auf dem Strohsack … fürchtet sich vor dem Augsburger Messer, hundertfach … aber nicht hundertfach wie ihr ewig … In Aldrans hängt alles mit Walter zusammen. (74–75)

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Dabei handelt es sich um mehr als um Erinnerungen, die sich im Monolog des Erzählers mit Reflektionen, Brieffragmenten und Alltagserzählungen abwechseln. Die Ausdehnung des bewohnten Alltagsraums der fiktionalen Topographie von Aldrans wird überlagert und förmlich durchwirkt von der Gegenwart Walters, die den Raum überformt.

In einem vom Erzähler erlebten Kontinuum wird die Zäsur des Todes (als “Phantasie von der Aufhebung des Raumes”) suspendiert. Es kommt zu einer Vervielfachung, indem Zeitabläufe und eigentlich linear erfahrene Bewegungen simultan präsent werden, Vergangenheit und Gegenwart sich zu einer neuen Topographie durchdringen.18

Im zweiten Teil nach Walters Tod, der auch durch einen narrativen Wechsel zum gelegentlichen Du-Erzähler markiert wird, entsteht häufig eine seltsame Ambiguität. Die oft unklare pronominale Zuordnung des “Du” schwankt zwischen Anrede eines unbestimmten Adressaten, einer konventionalisierten Form des Erzählens, die als vielmehr umgelenkte Form des Ich-Erzählens ins Leere, beziehungsweise Selbstbezügliche geht, und eines Monologes an den Bruder. Der Text wird vom Schreiben des Corpus zum Schreiben an den Körper, der sich in einer Grauzone zwischen dem eigenen und dem fremden des toten Bruders bewegt.

Ordnungen des Raums—Ordnungen des Wissens

Fremder Corpus

In Kommentar zu seiner Existenz in Aldrans, dem Versuch einer auch nur annähernden Mimikry unter den Holzfällern, vermerkt der Erzähler sein Scheitern. Denn obwohl seine Kleider bereits den Geruch von Aldrans angenommen haben (89), bleibt der Habitus doch der bloße Versuch eines “Alibis” (84), wobei der juristische Begriff des Alibis schon auf einen (ungerichteten) latenten Schuldkomplex hindeutet. Der Außenseiter und “Fremdkörper” des Erzählers bleibt für die Holzarbeiter immer sichtbar, immer identifizierbar:

Der auffallendste Fremdkörper in Aldrans bin außer mir ich; man sieht mir nicht an, wer ich bin, was ich bin, wie ich bin … ich sehe keinem an, wie er ist … nur woraus er ist … Was für Möglichkeiten eröffnet auf einmal ein Wort wie das Wort Konstantinopel, das ich in ein paar Leute hineinspreche, die dieses Wort noch niemals gehört haben, wie das Wort Afghanistan, das Wort Monomanie, das Wort Aphasie, das Wort Plastidom … Ich sage auch noch zu unseren Holzfällern Bosporus, und sie fürchten sich.

Prockerhof, Prandlhof, Gaßlhof, Starkenhof, Taxerhof … Sistrans, Ampaß, Ampaß, Sistrans … (89)

Am “Fremdkörper” scheitern die Identifizierungstechniken der Einheimischen, denn seine Oberfläche ist opak und seine externen Attribute gekennzeichnet

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vom Versuch einer erfolglosen Anpassung, welche die visuell orientierten Kategorisierungsverfahren irritieren. Auch die, ebenfalls visuellen, Durch-dringungsversuche bleiben auf der Ebene externer Materialität stehen, ohne Rückschlüsse auf “Inhalte” zuzulassen.

Gleichzeitig ermöglicht diese Konfrontation mit gegenseitiger Fremdheit eine Aufhebung etablierter sozialer Konventionen und Ordnungsmuster. Kom-munikation wird ebenfalls auf ihre Oberfläche reduziert und betont damit die korporale Qualität von Lexemen, die aus einer Wissensordnung in eine andere übertreten, ohne in ihr aufgehen zu können oder vermittelt zu werden. Kommunikation wird dann zu einem “… plötzliche[n] Versickern und Versiegen der oberflächlichen Redensarten …” (86). Die fremdartige Qualität und die fehlende semantische Dechiffrierbarkeit der Wörter, mit denen der Erzähler, sich des Unverstehens seiner Vis-á-vis bewusst, “in ein paar Leute hineinsprich[t]” (89; eigene Hervorhebung) eröffnen dem Sprecher neue Möglichkeiten jenseits konventioneller Konversation. Die Bestandteile eines unbekannten Wissenskanons werden als “Fremdwörter” im eigentlichen Sinne ihres Inhalts und ihrer Ausgangsbedeutung beraubt und opak gemacht, indem der Sprecher sie umfunktioniert. Er verwendet sie nicht, um zu kommunizieren im Sinne einer Informationsvermittlung o.ä., sondern benutzt sie frei von ihrer ursprünglichen Referentialität als quasi-magische Beschwörungsformeln, als Insignien einer anderen Wissensordnung.

Dieser Corpus fremder und damit “frei” gewordener Lexeme wird zum eigentlichen Indikator von zu Alienität gewordener Alterität, der, wie der mutwillige Zeitvertreib des Erzählers demonstriert, auch ein soziales Machtgefälle anzeigt.

Ebenso signifikant ist jedoch die andersartige Beschaffenheit eines zweiten Corpus, der in unmittelbarer Juxtaposition zu erstgenannten Fremdwörtern auftaucht, nämlich die syntaktisch nicht integrierte Aufzählung von Ortsnamen aus dem lokalen Umfeld von Aldrans. Aus der letzten Sequenz “Sistrans, Ampaß, Ampaß, Sistrans” lässt sich ableiten, dass es sich hierbei um Stationen einer täglichen Fahrt oder Wanderung handelt, hin und zurück, wieder und wieder benutzte Wege einer vertraut-monotonen Geographie des Alltäglichen, deren Toponymik jedoch ebenso wie eine Beschwörungsformel oder ein Mantra räumlicher Bewegung und Verortung aufgesagt wird. (Ganz abgesehen davon, dass derlei Ortsnamen für den Landesunkundigen und Außenstehenden ebenso bedrohlich-magische Begriffe sein könnten wie ein die Holzfäller einschüchterndes “Bosporus”.) Das Unwissen hinsichtlich der Ortsnamen führt zur Unmöglichkeit einer kartographischen Verortung und zur Orientierungslosigkeit der Ortsunkundigen.

Deutlich werden hier zwei Corpora gegeneinander gestellt. Wortkörper aus ganz unterschiedlichen Wissensordnungen, deren Elemente untereinander durch unterschiedliche Anordnungsprinzipien und Proximitätsbeziehungen zueinander veranlagt und die—neben einem deutlichen Element der Zufälligkeit—unterschiedlichen Selektionskriterien unterworfen sind: Fremdwörter gegen

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Toponyme, Lexeme gegen Namen, phobische versus affine Reaktion, abstrakter Bildungskanon eines Buchwissens versus Erfahrungskanon des Alltäglichen und Lokalen, etc. Fremdheit wird kontrastiert mit einer Geographie des Bekannten und Vertrauten, wobei diese Zuordnung nicht als fixe Binarität vorgenommen wird, sondern als perspektiveabhängige Relation. Auch die scheinbare Rück-versicherung des Immergleichen erweist sich als wenig stabil und trotzdem, wie sich zeigt, bleibt auch das Lokale, Alltägliche, mit Kindheitserinnerungen Verbundene, allzu fremd.

Denn in Konfrontation stehen alternative Ordnungen des Wissens, zu denen auch der Zugang auf unterschiedliche Weise geregelt ist. Selbst wenn der Erzähler sowohl die Vertrautheit alltäglicher Wiederholung und täglicher Gänge oder Routen geltend zu machen sucht, sowie eine Intimität kindlicher Erfahrung, so bleibt ihm doch der Zutritt zu der eng mit den Orten verbundenen Arbeits- und Wohngemeinschaft verwehrt. Die strenge soziale Ordnung, die über räumliche Zuschreibungen und den damit verbundenen Zugehörigkeiten geregelt ist, scheint rigide.

Überhaupt ist für die von Bernhard entworfene fiktionale Welt, die Beschaffenheit des Raums, überaus aufschlussreich, sei es für die soziale Struktur, in der sich der Erzähler zu kontextualisieren suchen muss, sei es für die Psychogeographie der Erzählerwelt.19 Eines der herausragendsten Merkmale dieser Topographien ist die Figur der Enge. Unmittelbar räumliche Enge findet sich in der bühnenraumähnlichen Beschreibung der Wohnung und Straße am Abend des Selbstmordes sowie im Turm, den schmalen, hohen Stadthäusern, der grabähnlichen Grube im Garten oder dem Epileptikersessel. Besonders im schmalen Treppenhaus des Internisten wird die Engführung der räumlichen und textuellen Verkürzung deutlich. Die scheinbar unendliche Treppe, deren Stufenzahl vom Protagonisten addiert, multipliziert, dividiert, berechnet wird, entpuppt sich nicht als befreiende Himmelsleiter sondern als beklemmender Schacht (48). Das Zählen und Wiederzählen der Stufen verlangt nicht nur vom Erzähler höchste Aufmerksamkeit, sondern verweist auch auf das primäre Leseerlebnis Bernhardscher Texte selbst, deren Sätze, trotz ihrer metastasenartigen Verzweigungen eine beklemmende Enge aufweisen und zu äußerster Lesegenauigkeit mahnen, wenn man als Leser von Parataxe zu Parataxe immer tiefer in das Satzgeflecht gezogen wird. Bernhards Satzkonstruktionen scheinen sich mit dem Minimalen und Nötigsten zufriedenzugeben, das erzählend Notwendige aber wird weggelassen, was zu einer inhaltlichen Engführung führt aus der der Leser zu entkommen versucht. “Zusammenpferch[end]” (51) und verkürzend wirkt auch die Türszene in der Praxis des Internisten. In einem Brief an Hollhof schildert K. sein Erlebnis mit der Tür neben dem Epileptikersessel, in deren Spalt er gleichzeitig ein schmales Landgesicht und sich selbst an mehreren wechselnden Orten sieht. Die Türen eröffnen aber keinen Zugang zu neuen Ereignisplätzen und verlängern somit den Raum nicht, sondern verkürzen und

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verengen ihn eher, da K. immer zur gleichen Stelle zurückkehrt—“… immerfort kehrte ich um …” (59). Weil durch die so entstehenden Zentripetalkräfte jegliche Situationsveränderung verhindert wird und Handlung nicht voranschreiten kann, wird die Erzählung unterbrochen. In einer fast kafkaesken Situation sind Leser und Protagonist gezwungen die räumlichen und textuellen Ausflüchte nicht wahrzunehmen und vor der Tür zu verweilen. Amras ist in diesem Sinne geradezu paradigmatisch für Bernhards Werk, betrachtet man die Dominanz räumlicher Figuren der Abschließung, der En- und Exklaven—eine Betrachtung, die hier nur kursorisch geschehen soll und auf den zweiten Teil “In Aldrans” fokussiert, da nicht nur die Turm-Metaphorik des ersten Teils sondern auch diesbezügliche Raumstrukturen bereits sehr aufschlussreich behandelt scheinen.20

Es gilt Amras als Ökotop zu lesen. Die poetischen Prinzipien eines ekto-pischen Schreibens in Amras werden im Folgenden verdeutlicht an einer genaueren Untersuchung seiner räumlichen Figurationen so wie seiner narrativen Ordnung des Raumes als auch seiner höchst heterogenen Topographie.

Figuren: Einschlüsse, Ausschlüsse

Der (winterliche) Aufenthalt in Aldrans beginnt bald mit einem Szenario, welches die bedrohliche Macht solcher strukturierenden Kräfte erahnen lässt, die auch außerhalb von Stadt und Turm am Werke sind—seien sie sozialer oder ökologischer Art: “Im Schladminger bis zu den Lärchen hinauf, bis auf die Baumgrenze; ein ersticktes Rehrudel unter der Lawine; sofort erinnerte ich mich an das fürchterliche Getöse nach Mitternacht” (74). Was hier sich mit dem tierischen Tod ankündigt, und noch scheinbar unter bloße Beobachtung eines natürlichen, ländlich-gebirglichen Schauspiels fällt, wird jedoch zur allegorischen Kippfigur, deren verbale Reihung den Fokus vom Inhalt selbst-referentiell auf die Form verschiebt, und auf die Sprache selbst: “Der Bach ist zu, der Frühling ist zu, der Sommer ist zu, der Winter ist zu, Menschen, Tiere, Empfindungen, alles … das gesprochene Wort, das die Welt einfach abschließt” (81). Der Abschluss, der hier die Kälte des Eingeschlossenen und Zugefrorenen evoziert und den Einzelnen zu isolieren vermag, entsteht durch Sprache, nicht durch das geschriebene Wort sondern die biblische Wucht des gesprochenen, das durch seine performative Macht Festlegung und Verschluss produziert. Die Überformung des zuerst als natürlich gegeben beschriebenen Raumes durch die soziale Macht der Sprache führt zu einer (An)Ordnung, die in ihrer ein- wie ausschließenden Ge-walt gleichermaßen klaustrophobisch wirkt.

Ähnlich interessante Formphänomene der Schließung lassen sich in der Psychogeographie des Erzählers ablesen: “Du machst eine Tür auf, eine zweite, dritte, vierte, fünfte, du machst hinter dir wieder alle zu und läufst weiter (immer wiederkehrende Vorstellung Walters) … du machst immer mehr Türen auf, schließlich fallen sie hinter dir zu und zerquetschen dich jedesmal …” (83). Noch

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deutlicher als in der Praxis des Internisten eröffnen auch hier die Türen keinen neuen Raum, sondern führen in die Enge und Kürze des Raums.

Die ebenfalls nicht anders als klaustrophob zu nennende, traumartige Vorstellung Walters überträgt sich hier auf den erzählenden Bruder, den seit dem Tode Walters immer wieder auftretenden Du-Erzähler.21 Deutlich wird hier die bedrohliche, alptraumhafte Qualität, die sich nicht nur in der kafkaesken Vorstellung einer nicht enden wollenden Flucht von Türen, einer permanenten Aufschiebung und Fluchtbewegung, manifestiert, sondern in der lebensbedrohlichen Vorstellung des Eingeschlossen- oder Zerquetschtwerdens. Die aktive Suchbewegung, der Versuch einen Raum zu öffnen in den eingetreten werden kann, wird anfangs noch begleitet von einem pflichtschuldigen, kindlich-wohlerzogenen Schließen der Tür hinter sich. Dann jedoch kippt die Situation um in panisches und wahlloses Aufstoßen von immer mehr Türen, und die Handlungsmacht verschiebt sich von der Figur auf die Türen, die selbstständig zufallen und den nachlässigen Erzähler einquetschen.22

Ähnliches ließe sich an anderen Passagen beobachten, wie dem Tod des Wegmachers, dessen Ursache unklar bleibt, da das aus dem Ohr austretende Blut kollektiv verschwiegen wird (87), oder der Vielzahl der Beengtheits-Passagen in den Beschreibungen von Gebirgstalexistenz. “Das Gebirge ist gegen die Menschen; die Grausamkeit, mit der die hohen Gebirge die Menschen erdrücken … die Methoden des Grauens des in die Gehirne der Menschen vorgerücktes Gesteins” (84).23

All diese Skizzen der erzählten Welt erscheinen zutiefst klaustrophobisch und dem Erzähler aufs Äußerste verhasst, jedoch zeigt er sich gleichzeitig mit diesen Raumstrukturen der Geschlossenheit so verbunden, dass jede Öffnung zur Bedrohung wird. Narrative Öffnungen und Ausflüchte, und seien sie nur ein Ratschen, ein Gerede, sind überaus verhasst: “… wir haßten, verachteten alles Ausgesprochene, Zuendegeredete … Wir waren ja, wie Sie wissen, Feinde der Prosa, uns ekelte vor der geschwätzigen Literatur, vor dem dummen Erzählerischen […]” (63). Unmittelbar gekettet an die voller Abscheu als krankhaft beschriebenen Auswirkungen generationenalter “Hochgebirgsinzucht” (94) ist das Gefühl einer verinnerlichten Agoraphobie, welche die Brüder schon als Kinder mit Schwindelgefühl erfüllt, sobald sich auch nur ein Fenster öffnet. Die mitunter ersehnte Öffnung nach einem imaginierten Außen erweist sich nicht nur als Möglichkeit sondern ebenso als gewaltsamer Einbruch, der zur Bedrohung für die Existenz von Brüdern und Familie wird. Ähnliches gilt auch für ein Umblättern einer Buchseite und symbolisch verknüpfen sich hier Topodemographie, Psychogeographie und eine Produktion realer und imaginierter Räume, in deren Ordnungen sich Raum und Epistem verschränken.

So gesehen kann, ja muss Amras gelesen werden als Ökotop, als kleinste beobachtete Einheit bernhardscher Biotopographie, an der sich Raum-phänomene und Wissensordnungen ablesen lassen, die solche Ordnungs- und Durchbrechungsmuster reflektieren.

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Ordnungen des Wissens—Ordnungen des Raums

Die Wunderkammer

Eine mögliche Formation, in der sich das dynamisch-relationale Verhältnis von Wissen und Raum verortet bzw. in einer bestimmten Konstellation kristallisiert, ist das Prinzip der Wunderkammer. Als einer jener Topoi, die auch Bernhard in einer quasi-archäologischen Bewegung der Kontrastierung epistemischer Ordnungen der Gegenwart mit früheren kanonischen Schichten von Wissensproduktion aufsucht, spielt die Wunderkammer als Strukturprinzip und besonderer Ort auch in Amras eine Rolle.24

Die Wunderkammer, viel mehr als nur Freak-Show oder Raritätenkabinett, ist in ihrer Grundstruktur ein Corpus von ausgewählten Objekten, das in sich Elemente einer archaischen, meist viel älteren Ordnung der Dinge versammelt. Die scheinbar willkürliche Ansammlung von Objekten gewinnt erst in ihrer Verortung innerhalb der Wunderkammer als Institution ihre eigentliche Bedeutung, oder wie es Giorgio Agamben in The Man without Content formuliert:

Only seemingly does chaos reign in the Wunderkammer, however: to the mind of the medieval scholar, it was a sort of microcosm that reproduced, in its harmonious confusion, the animal, vegetable, and mineral macrocosm. This is why the individual objects seem to find their meaning only side by side with the others, between the walls of a room in which the scholar could measure at every moment the boundaries of the universe. (30)

Im Vordergrund steht im Kontext der Wunderkammer die Bedeutung von Kollokation und von Proximitätsbeziehungen für die Ordnung des Wissens, die hier so offensichtlich eine räumliche ist. Beim Durchqueren der Kammer erschließt sich Sinn durch komplexe Beziehungen des Nebeneinanders, durch Nähe und Ferne einzelner Objekte beim mäandernden Durchwandern des Besuchers.

Vergleichbares gilt auch für Elemente des lexikalischen Corpus innerhalb der spezifischen kumulativen Sinnkonstruktion (bei Bernhard innerhalb eines fragmentarischen oder durch Aufzählung temporär suspendierten Erzählens), die immer auch auf die eigene Flexibilität und damit Instabilität verweist. Nicht nur gewährt der Corpus immer nur sichtfensterartige Ausblicke auf seine selektive Sammlung; über die grundlegende Permutierbarkeit seiner Elemente verweist er immer auch auf die eigene Gemachtheit und damit auf die Kontingenz und den transitorischen (wenn nicht gar ephemeralen) Charakter der so dominant scheinenden Sinnordnung.

Gleichzeitig erfolgt eine potentielle Suspension von Ordnungen außerhalb der Kammer, ja, sie gehört möglicherweise sogar zu ihren wesentlichen Funktionen als einem Ort des Staunens und Wunderns. Die Kammer konstituiert sich erst als

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besonderer Ort und Wissensanordnung durch die Präsenz der Objekte, genauso wie diese erst zu ihrer besonderen Bedeutung kommen in ihrer Anordnung, Kontextualisierung und Inszenierung im Raum der Kammer:

namely, that they acquired their truth and their authentic meaning only through their inclusion in the harmonic microcosm of the Wunderkammer. It seems, that is, that the single canvases have no reality outside the unmoving Theatrum pictorum to which they are consigned, or at least that they acquire all their enigmatic meaning only in this ideal space. (Agamben, Man without Content 31)

Jedoch gibt es in Bernhards Amras keinen solchen stabilen Ort, der als, wenn auch eng umschriebene, so doch institutionalisierte Enklave einer solchen anderen Ordnung fungieren könnte. Es gibt lediglich Reste, Spuren, einzelne enigmatische Objekte oder “Objektträger”, die in ihrem Umfeld einen Moment des Wunderbaren aber auch des Schrecklichen generieren können.

Topophobie—Das Augsburger Messer

Das sogenannte “Augsburger Messer”, das Messer der Philippine Welser, das diese als vermutlich Teil ihrer Mitgift nach Tirol mitbrachte, ist ein solches enigmatisch und mythisch aufgeladenes Objekt, das die Brüder seit ihrer Kindheit fasziniert und die “Schwarze Küche” des Turms, in der es in Amras hängt, zu einem potentiell magisch-surrealen Ort macht. Die außergewöhnliche Schönheit und gleichzeitig Schärfe des kunstvoll ziselierten Artefakts, das trotz seiner historischen Provenienz und vermutlichen Wertes als Kunst- und Gebrauchsgegenstand in der Küche hängt, zieht Walter und den Erzähler K. magnetisch an; besonders Walter ist gebannt von dem Messer in einer Mischung aus Furcht und Verlangen: “Walter getraute sich nicht, mit ihm umzugehen, er fürchtete sich sogar, es nur in die Hand zu nehmen, doch entzückte es ihn, wenn ich, in Handarbeit viel geschickter, damit in das Rauchfleisch hineinschnitt … […] Walter phantasiert oft in der Nacht um das Messer herum …” (34). So weigert sich Walter schon als Kind rigoros, das Messer auch nur anzurühren, er fürchtet seinen Anblick, ja seine bloße Präsenz, jedoch sucht er gleichzeitig seine Nähe. Die mythische Aufladung des Messers, seine Umwertung vom Rauchfleisch- und Brotmesser zur tödlichen Waffe vollzieht sich durch die obsessive Thematisierung Walters, der durch sein fast schon rituelles Aufrufen—“Das Messer ist frisch geschliffen” (35)—seine Aufforderung zum Gebrauch und gleichzeitige neurotische Vermeidungshaltung dem Messer erst seine Bedeutung verleiht. Walters Phobie gründet sich auf eine der Möglichkeiten, die dem vielseitig verwendbaren und damit in sich schon ambigen Objekt als Kunstwerk, Küchenwerkzeug und Waffe bereits latent inne wohnt:

… [Walter] fürchtete, daß es in seiner Hand nur “zur Zufügung sonst nicht geschehenden Schmerzes” gebraucht werde, in solcher Vorstellung

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lebte er, was das Messer betrifft, er fürchtete mit dem “unserem Onkel gehörenden Kunstwerk aus Augsburg”, sobald es in seiner Hand wäre, zuzustechen … und so berührte er es die ganze Zeit, die er im Turm war, bis zu seinem Tod, nicht … (34–35)

Das Messer wird so in seiner Umwertung zur tödlichen Waffe gleichzeitig zum enigmatischen, aufgeladenen Objekt und Träger verborgenen (auto)aggressiven Begehrens. Als Katalysator transportiert es die Möglichkeit einer Umwandlung: Der Turm als sozialer Beziehungs-Raum, der sich zwischen den Brüdern aufspannt, öffnet sich in seiner raum-zeitlichen Situiertheit eines Dazwischen. Die Küche wird, in Anwesenheit des Messers, zur Schwellensituation zwischen bisheriger Realität und dem Möglichkeitsraum alternativer Potentialität—zum Möglichkeitsraum des sonst nicht Geschehenden. Virtualität im eigentlichen Sinne wird in ihrer erschreckenden innewohnenden Kraft präsent und das bisher Nichtzudenkende als Ausblick gegenwärtig.

Walters Tod, auf den hier zum ersten Mal vorgegriffen wird, erscheint im Licht dieser nicht nur Todes- sondern durchaus auch Tötungsfaszination auch als Selbstmord weit weniger eindeutig, denn die Kraft des katalytischen Objekts bestehende Ordnung zu suspendieren erweist sich an dieser Stelle als verheerender Ausblick auf eine gewaltsame Zäsur. Die Wirkmacht dieser Schwellensituation, die für die Beziehung der Brüder zentral ist, endet mit, wenn nicht gar befördert erst, Walters Tod.

Inzwischen blinkt hinter der harmlosen Handhabung des Rauchfleisch-Schneidens, vorher schon überschattet durch die kannibalistische Phantasmagorie baumelnder Männerleichen im Rauchfang (33), nun die dunkle und unaus-gesprochene Möglichkeit eines Brudermords: “ein krankhafter Zug war um seinen Mund, wenn ich das Augsburger Messer mit raschem Griff von der Wand nahm […] was auch immer er in bezug auf das Messer sagte, gab mir zu denken […] … es brachte mich auf die finstersten Geschwistergedanken …” (35). Gleichzeitig lehnt es Walter ebenso rigoros ab, das Messer entfernen zu lassen und es sich ein für allemal “zu ersparen”—nämlich sich jenes “unglaublich Erschreckendes” und “fürchterliches Entsetzen”, von dem der Erzähler behauptet es in seiner morbiden Faszination nur vermuten zu können (36).25

Wie Agamben im obigen Zitat zum Arsenal der Wunderkammern bemerkt, gehört auch das Augsburger Messer zu jenen Gegenständen, die außerhalb des ihnen bestimmten Ortes, des statischen Raumes ihrer eigenen Inszenierung, ihre wirkliche Existenz verlieren, bzw. die ihre eigentliche geheimnisvolle Bedeutung überhaupt nur innerhalb dieses Idealraumes gewinnen.

Eine ähnliche, fast magische Evokation einer anderen Ordnung knüpft sich an die Uhr des Vaters. Dessen Fugger-Uhr, ein Erbstück aus der Familie der Mutter, die er in Mantua dem Psychiater Hollhof geschenkt hat (72), schickt Hollhof gegen Ende auf Bitten des Erzählers diesem zurück (98)—man weiß nicht, war es tatsächlich einmal ein ebenso extravagantes wie leichtfertiges Geschenk oder war

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es ein Pfand zur Begleichung einer wie auch immer gearteten Schuld. Jedenfalls kristallisiert sich in dieser Uhr, als praktisch einzigem Erbstück des Vaters, die ganze topophile Verklärung eines vergangenen Italiens und besserer, regelrecht mythisch aufgeladener Tage der Familie.26

Topographische Anatomie: Körper

Topoalgie

Relevant ist gerade das Augsburger Messer jedoch nicht nur in seiner katalytischen Funktion hinsichtlich einer Verschiebung des sozialen Beziehungsraums innerhalb des Turms, sondern auch hinsichtlich einer Eröffnung virtueller Körperlichkeit, nämlich eines alternativen Möglichkeitsraumes physischer Befindlichkeit. Was das Messer hier evoziert, ist, wie bereits kurz angesprochen, die parallele Wirklichkeit einer “Zufügung eines sonst nicht geschehenen Schmerzes” (34). Diese Möglichkeit, in der Semantik eines Futur II, ist in ihrer Konditionalität abhängig von der potentiellen Wirkkraft des Messers und greift nicht nur direkt auf die topographische Anatomie der Bruderbeziehung zu, sondern ist als Ahnung durchaus in körperlicher Schmerzhaftigkeit präsent, als Topoalgie eines gegenwärtig Ungeschehenen.

Diese Figur einer Fragmentierung von Wirklichkeit, die in speziellen Momenten durchlässig wird gegen den überwältigenden Raum der sie umgebenden Potenzialitäten, bindet sich bei Bernhard in hohem Maße an Phänomene der Körperlichkeit. Zu begreifen ist dies nicht lediglich im Sinne einer kausalen physischen Auswirkung, anhand derer anderweitig latente Zusammenhänge in gewaltsamer Symptomatik evident werden, sondern der Körper drängt sich aus seiner konzeptuellen Epiphänomenalität förmlich in den fiktionalen und narrativen Vordergrund.

Auch später in Bernhards Amras, nämlich im zweiten Teil nach Walters Tod, der auch durch einen narrativen Wechsel zum gelegentlichen Du-Erzähler als Zäsur markiert wird, tritt das aufschlussreiche Phänomen der Topoalgie signifikant wieder auf. So erfährt der Erzähler den Phantomschmerz einer möglichen Verletzung, die möglicherweise so nie stattgefunden hat, die aber als symbolhafte Wiederholung der tödlichen Verwundung des Bruders empfunden wird: “Ein zurückschnellender Ast erschreckt dich … tagelang an der Stelle Schmerzen, die für dich die tödliche war” (83).

Die Topoalgie, der begrenzte Schmerz ohne organische Ursache, ist tatsächlich eine verschobene Parallele, eine Wiederholung mit einer entscheidenden Diffe-renz, die auch als eigentliche, innere Quelle des (allein nervlichen) Schmerzes verstanden werden kann, nämlich die tödliche Verletzung des Bruders, die zur trennenden und unterscheidenden wird. Eine seltsame Ambiguität entsteht hier, wie auch an einigen anderen Stellen, durch die bereits erwähnte unklare pronominale Zuordnung des “Du”.

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Der abwesende Bruder, der als immer wieder be-, um- und angeschriebene Lacuna im Text als Gegenüber präsent wird, schreibt sich so sowohl in die Topographie des Textes als auch in die Anatomie des Erzählers ein. Wie bereits eingangs in den theoretischen Vorüberlegung zu einem Schreiben des Körpers erwähnt, entfaltet sich auch hier über eine Logik des Schmerzes und der Abwesenheit ektopisches Schreiben einmal mehr als ein Schreiben an den Körper.

Corporealität

Auch im ersten Teil, als der Bruder noch mit dem Erzähler im Turm lebt, finden solche Einschreibungsprozesse statt. Hier dominiert allerdings noch die Präsenz eines Gegenübers, das als Wiederholung, als Spiegelbild, und als ebenso flüchtige wie zwanghafte Selbstvergewisserung dient. Die Brüder üben sich in Ritualen, bei denen Schmerz und Berührung die Gegenwärtigkeit des eigenen wie des anderen Körpers gleichzeitig zu affirmieren wie auszulöschen sucht. Die Innen/Außen-Konstellation körperlicher Subjektivität manifestiert sich hier an der schmerzhaft aufgerufenen Grenze der eigenen Oberfläche, die eben so verletzlich wie undurchdringlich bleibt:

Oft fügten wir uns an den Körpern, dann, wenn wir glaubten, wir fühlten, wenn wir wussten, daß unsere Seelen, ja unsere Gehirne schon schmerzunempfindlich geworden waren, in hoher Erregung da und dort, an der Brust, auf dem Rücken, auf den Schenkeln und an den Kniegelenken, auch auf den Handflächen und an den Hinterköpfen, nicht gegenseitig, sondern jeder für sich, geschwisterlich, ausgeliefert der Schnelligkeit unserer frühesten Frühlingsnatur entsprungenen Handlungsweise, Verletzungen zu … kontrapunktisch schlugen wir, in immer stärkerer Rhythmisierung, unsere Köpfe an alle vier Wände … mutwillig unter beschwörendem Lachen zerfetzten wir oft in der Finsternis, von Gerüchen und also Geschwüren geleitet, an nichts als an Luft, an das teuflische Oxygenische angeklammert, vor Lust unsere Kleider, unsere Hosen und Hemden … jeder für sich war der zerstörende Mittelpunkt aller Zerstörung … krankhaft in unseren Gegensätzen … (22–23)

Was hier als auto- und heterodestruktive “Rache” an der Gebrechlichkeit von Körper und Geist zelebriert wird, sind verzweifelte Exerzitien der Gefangenheit der Brüder in der eigenen, klaustrophobischen Doppelstruktur von alter und ego. Sie sind der Versuch einer gegenseitigen Grenzüberschreitung, die jedoch an der Impermeabilität der Physis, an der eigenen Geschlossenheit scheitert (23).

Auch in der Sexualität findet in Amras keine solche Öffnung statt, keine Begegnung, geschweige denn ein Mysterium Coniunctionis. Neben den semi-pubertären Begegnungen mit dem Fräulein vom Gutshof und den latent homoerotischen, inzestösen Gebaren der beiden Brüder besteht die einzig explizit

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sexuelle soziale Bindung, die tatsächlich als solche auch thematisiert wird, zwischen dem ältesten und jüngsten Holzfäller, die der Erzähler jedoch, gleich nach seiner Ankunft und vorgeblich im Interesse der Gemeinschaft, durch seinen Versetzungsantrag an den Onkel unterbindet (76–77).

Was genau nach der Versetzung des alten Holzfällers “zu den Lärchen hinauf” geschieht, ist unklar, er taucht später noch einmal in betrunkenem Zustand auf (83). Jedoch zeigt das Verhältnis gewaltsame Züge, denn offenbar hat der Alte den Jungen, sei es absichtlich oder unabsichtlich verletzt: “Die Wunde, die der alte Holzfäller dem jungen zugefügt hat, schmerzt den jungen immer dann am ‘furchtbarsten’, wenn der alte bei dem jungen in Wirklichkeit eintritt, in sein Gehirn eintritt, in den nach allen Seiten offenen Vorhof seines Gehirns” (82–83). Die Beziehung der beiden hat also im wahrsten Sinne des Wortes etwas Inniges, aber diese gegenseitige Durchdringung ist ebenso eine gewalttätige (von allzu evidenten populär-freudianischen Interpretationen von Sexualmetaphorik abgesehen) und geprägt von einem möglichen Machtgefälle, das der physischen Begegnung in der Sexualität immer schon latent inne wohnt: “Jamais un corps ne ‘pénètre’ l’ouverture d’un autre corps sauf en le tuant (c’est pourquoi il y a tout un pauvre lexique sexuel qui n’est qu’un lexique de meurtre et de mort …)” (Nancy 27).27 Interessant ist dabei auch die Frage einer sozialen Stigmatisierung, denn der junge Holzfäller wird offenbar zusehends zum Außenseiter. “… seine Verletzung, das Geschwür, bricht ihm, weil wir jetzt mit dem Holz so angestrengt sind, täglich auf …” (82) und mit offenbar eingetretener und zunehmender Sepsis vergiftet sich auch das Verhältnis des jungen Holzfällers zu den anderen Mitgliedern einer als fast prä-modern beschriebenen Gemeinschaft (87).

In vieler Hinsicht schreibt Bernhard auch in diesem Sinne einen Corpus, denn seine Texte sind auch zu lesen als eine Nomenklatur der Körper, eine anatomische Sammlung von Tier- und Menschenkörpern, ihren Abnormitäten und Alltagsgewohnheiten, von Lust, Schmerz und Gebrechen. Trotzdem bleibt der Körper immer Fremdkörper, dessen Persistenz und Geschlossenheit aus der eingenommenen Schreibhaltung des Erzählers ein Scheitern bedeutet. Wie Nancy zum Verlust des “Offenen” schreibt (ein Begriff von Heidegger, der auch bei Agamben ein interessantes, ganz anders geartetes Echo findet):28 “Et c’est un double échec qui est donné: échec à parler du corps, échec à le taire. Double bind, psychose. La seule entrée du corps, le seul accès repris à chacune de ses entrées, c’est un accès de folie” (52).29

Schluss

In Amras tritt der Erzähler als ektope Funktion auf; als “wanderndes Organ” des Textes, als ein narrativer Wuchs und Auswuchs, der selbst in der eigenen Erzählung immer leicht verschoben, im eigentlichen Sinne “an falscher Stelle” bleibt. Das eingangs beschriebene Handlungsskelett wird ausgefüllt und begünstigt durch (Walters) “Exostose” (12). Das Dazuerzählte wird wie die pathologische

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Exostose zu einer abgegrenzten Zubildung kompakter Knochensubstanz, die vom Handlungsskelett nach außen wächst. Wie ihr pathologisches Gegenüber wird auch die narrative Exostose durch äußerliche Reize beeinflusst.

Als solches wird K. zum Ausdruck von Thomas Bernhards narrativer Geographie eines “an falscher Stelle”, lesbar im Sinne einer Poetik des Außen, als eigentlich utopische Hoffnung, jedoch weniger glücklich und immer gefangen im halb hier und halb dort.

Bernhard, liest man ihn so, versteht sich lediglich als Kartograph einer solchen ektopen Geographie. Er schreibt die Verschiebung ein in den literarischen Corpus des eigenen Werkes, das schon durch seine Intertextualität nie ganz das eigene ist, nie ganz bei sich, und dessen narrativer Lauf ebenso gebremst, verschoben, in einer Schwellensituation suspendiert wird, wie es seine Figuren erleben. Immer rückgebunden an den Corpus, an die durchscheinende, durchbrechende, sich gewaltsam Gehör verschaffende Persistenz der Materialität, entzieht sich Bernhards Schreiben so nachhaltig allen Decodierungsbemühungen im Sinne einer bedeutungserschließenden und bezügefixierenden Hermeneutik. Weit jedoch entfernt davon, Sinn-los oder gar absurd zu sein, auch weit entfernt vom bloßen Stückchen subversiv zu lesenden Sozialdramas um Wahnsinn und Gesellschaft, entwickeln Bernhards Texte, und insbesondere Amras, ihre eigentliche Bedeutung erst dann, wenn man auch ebenjene Materialität der Schreibbewegung miteinbezieht, die sich gerade in den scheinbar leeren, nicht-narrativ lexikalischen Elemente der Corpora erschließt, denn, ein letztes Mal mit Nancy:

Le corps n’est ni “significant”, ni “signifié”. Il est exposant/exposé: ausgedehnt, extension de l’effraction qu’est l’existence. […] Extension mobile, espacements, écartements géologiques et cosmologiques, dérives, sutures et fractures des archi-continents du sens, des plaques tectoniques immémoriales qui remuent sous nos pieds, sous notre histoire. Le corps est l’archi-tectonique du sens. (24–25)30

ANmERKUNgEN1. Teile dieser Arbeit wurden als Vortag “Ektopia: Narrative Topographies of

Displacement in Thomas Bernhard’s Amras” auf der Jahrestagung der German Studies Association in San Diego 5. Oktober 2007 vorgestellt. Für Anmerkungen, Kommentare und Korrekturen bin ich besonders Karin Höpker, Juliane Vogel, Daniel Heller-Roazen und Michael Wood zu Dank verpflichtet.

2. In seiner detaillierten Studie Der “literarische Realitätenvermittler”: Die “Liegen-schaften” in Thomas Bernhards Roman AUSLÖSCHUNG katalogisiert Joachim Hoell Bernhards intertextuelle Verweise in umfassender Art und Weise. Hoell verwehrt sich gegen eben jene Aussage, der Protagonist Murau betreibe namedropping, und argumentiert für die textuelle Bedeutung und Relevanz der literarischen Liegenschaften im Roman. Das Identifizieren und Entschlüsseln von intertextuellen Bezügen liefert bei Bernhard aber nur kurzzeitigen Einblick, da die Verweise im weiteren Verlauf des Textes ins Leere zeigen. Die Entschlüsselung intertextueller Referenzen ist für eine Hermeneutik Bernhardscher Texte daher nur begrenzt produktiv, denn die Texte selbst, in ihrer eigentümlichen Materialität,

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legen hier eine andere Lesart und interpretatorische Verfahrensweise nahe, die der physischen Persistenz der Listen und Corpora Rechnung trägt.

3. Cf. Vogel 180.4. Das Beschwören einer älteren Ordnung ist auch auf der Inhaltsebene Thema des

Romans. Einem Ritus gleich werden die beiden Brüder, “völlig nackt, in zwei Roßdecken und in ein Hundsfell gewickelt” (7), von ihrem Onkel mütterlicherseits, ihrem Oheim, in einen Turm gebracht, auf dessen mittlerer Ebene sie wohnen. Der Turm selbst befindet sich in einem paradiesähnlichem Apfelgarten, in dem die Früchte aber verfaulen und somit keine unmittelbar neue Ordnung versprechen: “einmal bohrten wir unsere Körper unter die Apfelhaufen, unter die Birnenberge, hinein in das Modrige, Faule …” (22). Auf der Zwischenebene des Turmes mit seinen “vor Feuchtigkeit blitzenden Mauern” (23), einer liminalen oder in utero Situation ähnlich, befinden sich die Brüder in einem Raum zwischen zwei oder mehreren Ordnungssystemen, von denen das vorherige nicht mehr aufgerufen und in das kommende (noch) nicht übergetreten werden kann. Auch die ständigen Ellipsen, welche den Text ab dem gescheiterten Selbstmord durchziehen, verweisen auf eine rituelle Reihung und Auflistung, indem sie das episch–parataktische “und” ersetzen. Der Erzähler berichtet auf der ersten Seite von der “Familienverschwörung” (7), welche nach dem Tod der Eltern und dem Überleben der Söhne zu einer rituellen Familienbeschwörung wird. Auf den anfänglichen Bericht folgt ab dem vereitelten Selbstmord die erste Ellipse, dann eine größere Lücke im Textbild, welche als eine den Tod aufhebende Zäsur und Schwelle gelesen werden muss, und dann die zweite Ellipse: “wir waren, im Unterschied zu den Eltern noch immer nicht tot gewesen … [Lücke, Satzumbruch; JK] …” (7). Die Ellipsen unterbrechen den Text und verhindern somit einen narrativen Fluss, verleihen aber dem Ganzen auch eine stark rhythmische und beschwörende Qualität.

5. Ek-topie: (gr. εκτος = “außen” und τοπος = “Ort”) eigentlich ein medizinischer Begriff für Zellentwicklungen an falscher Stelle, wie etwa die Wanderniere, meist schon im Embryonalstadium, manchmal jedoch auch als Organverlagerung durch Traumata.

6. “Ein Corpus ist kein Diskurs und keine Erzählung. Also bräuchte man hier einen Corpus” (Hodyas und Obergöker 47).

7. “vom Körper zu schweigen” (Hodyas und Obergöker 47).8. “Das Modell des Corpus ist der [sic!] Corpus iuris, Sammlung oder Zusammenstellung

der Institutiones, Digestes und anderer Codices aller Artikel des römischen Rechts. Es ist weder ein Chaos noch ein Organismus: Der Corpus steht nicht genau zwischen beiden, sondern eher anderswo. Er ist die Prosa eines anderen Raums, weder abgründig noch systematisch, weder in sich zusammengefallen noch fundiert” (Hodyas und Obergöker 48).

9. Hier ist nicht nur zu erwähnen, dass Bernhard von 1952 bis 1955 als Gerichtsreporter für das sozialistische Demokratische Volksblatt geschrieben hat, sondern auch, dass diese Tätigkeit Auswirkungen auf seine Prosa hatte. Besonders die 104 Kurztexte—“Fälle”—im 1978 erschienen Stimmenimitator zeugen von einer nahen Verwandtschaft zum Gerichtsbericht. Cf. Schmidt-Dengler und Betz 224–31.

10. Bernhards Erzählen ist ein um die Figur des Corpus angeordnetes Erzählen. Im Gegensatz zur Montage mit ihren ursprünglich textfremden, aus heterogenen Kontexten rekrutierten Versatzstücken wird die Fremdartigkeit bei Bernhard im Text selbst produziert. Die dem Erzählen an sich nicht geläufigen Fremdkörper sind dennoch Bestandteile des Textes selbst. Während die Elemente einer Montage nach dem strukturalistischen Schema von Syntagma und Paradigma ausgetauscht werden können, verweisen die Bernhardschen Corpora und Fremdkörper auf die Virtualität eines anderen Raumes, der jedoch nicht beliebig getauscht werden kann.

11. “Corpus: verstreute schwierige Orientierungspunkte, ungewisse Flurnamen, verwischte Schilder in unbekanntem Land, eine Wegführung, die nichts von ihrer

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Fährte an fremden Orten vorwegnehmen kann. Schreiben vom Körper, vom fremden Land. Nicht der Fremde als Sein oder als der seinem Wesen nach andere (mit seiner todesverherrlichenden Sicht), sondern die Fremde als Land: diese Befremdung, dieses Auseinanderhalten, welche das Land darstellt, in jedem Land und an jedem Ort. Die Länder: weder Territorien noch Gebiete, noch Böden, diese Ausdehnungen, die man beständig durchläuft, ohne sie je in einer kurzen Übersicht aufzulesen, ohne sie unter einem Oberbegriff zu subsumieren. Stets fremde Länder—und die Fremde als Länder, Herzogtümer, Gegenden, Übergänge, Überquerungen, Öffnung der Landschaften, unerwartete Gebirgsketten, Wege, die abseits verlaufen, nirgendwohin. Aufbrüche, Rückkünfte. Corpus: ein Schreiben, das etwas vom Land sähe, alle Lande des Körpers nacheinander” (Hodyas und Obergöker 50).

12. “Le corps, sans doute, c’est qu’on écrit, mais ce n’est absolument pas où on écrit, et le corps n’est pas non plus ce qu’on écrit—mais toujours ce que l’écriture excrit” (Nancy 76). “Sicherlich heißt Körper, daß man schreibt, doch keinesfalls das, wo man schreibt, und der Körper ist auch nicht das, was man schreibt—sondern immer das, was die Schrift entschreibt” (Hodyas und Obergöker 75–76). Das Schreiben ist für Nancy, und zu einem gewissen Grade hier auch für Bernhard, nicht Repräsentation oder Mimesis. Es ist nicht die Darstellung eines außersprachlichen Ist-Zustandes der Welt, der dann in Sprache übertragen wird. Das Schreiben der Körper ist ein Schreiben zwischen den Körpern; oder im Falle Bernhards zwischen den Listen, Aufzählungen und Verweisen, welche durch die Schrift nur umrissen werden.

13. “Man bräuchte also einen Corpus. Ruheloser Diskurs, kasuelle Syntax, Deklination von Begebenheiten” (Hodyas und Obergöker 49).

14. Cf. Lausberg §707. In Bezug auf den Corpus geht das Zeugma von einem zwei oder mehrere semantisch verschiedene Satzglieder syntaktisch gleichordnenden Rhetorikum über zu dem was Leo Spitzer in seiner berühmten Arbeit als “enumeración caótica” beschrieben hat. So wird das anfänglich leicht komische, und nur Verwirrung stiftende Stilmittel zu einem dezidiert anti-narrativ wirkenden Textelement, das jegliche, dem Narrativen grundlegende, Ordnung, Hierarchie und Selektion untergräbt. Cf. Spitzer.

15. “Geographie der vervielfältigten Ek-topien” (Hodyas und Obergöker 103).16. “Man bräuchte also einen Corpus. Ruheloser Diskurs, kasuelle Syntax, Deklination

von Begebenheiten. Clinamen, zum Zufall tendierende Prosa, fragil, fraktal. Nicht der Tier-körper des Sinns, sondern die Arealität des Körpers: ja, bis zum toten Körper ausgedehnte Körper. Nicht der Kadaver, wo der Körper verschwindet, sondern dieser Körper, als welcher der Tote erscheint, in der letzten Diskretion seines Zwischenraums: nicht der tote Körper, sondern der Tote als Körper—und es gibt keinen anderen.

Man bräuchte einen Corpus: eine Schrift der Toten, die nichts mit dem Diskurs über den Tod zu tun hat—und alles damit zu tun hat, daß der Raum der Körper den Tod (die Phantasie vom abgeschafften Raum) nicht kennt, sondern jeden Körper als einen Toten kennt, der uns das Ausgedehnte seines Hier-ruht aufteilt” (Hodyas und Obergöker 49–50).

17. “Topo-graphie des Friedhofs” (Hodyas und Obergöker 50).18. Simultaneität und Doppelung gibt es auch auf der Figurenebene. Nicht nur besteht

eine gewisse Doppelung der Brüder in ihrer gegenseitigen Supplementierung, sondern auch eine Doppelung von Walter und der Mutter sowie Walter selbst. Walter teilt die “doppelte Todeskrankheit” mit der Mutter, die, bereits mit Walter schwanger, ihren ersten epileptischen Anfall “auf dem Höhepunkt eines Tanzfestes in einem Wiltener Herrenhaus” hat (Amras 13). Zwar reißt sie in dieser Bacchanalie ihr Kind nicht in Stücke, aber auch Walter wartet nach dem erstem Todesversuch gleich Dionyseus, jedoch nicht in den Oberschenkel eingenäht, aber in dem einem Uterus ähnlichem Turm auf seine zweite Geburt, die zu einer Totgeburt wird.

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19. Dies bemerkt auch Uwe Betz. Betz stellt eine Verschränkung und wechselseitigen Zusammenhang von Sprache, Denken und Raumerfahrung fest. Er behauptet, “daß sich Bernhards Figuren immer ihren direkten Umgebungen entsprechend verhalten. Sollten sie sich auch zu dieser im Wiederspruch befinden, sie formt an ihrer Rede essentiell mit” (37). Für Betz ist der bernhardsche Raum die “Kontur, in der sich die Rede staut oder verflüssigt, je nachdem wieviel Spielraum der äußere Rahmen dem Helden läßt; je weniger, wie beispielsweise in Klamm, Schlucht oder Tal, desto pleonastischer wirbelt der Redeschwall, desto loser werden die syntaktischen Bindungen oder desto mehr Neologismen werden eingestreut; je mehr, desto ruhiger kann sich eine Rede darin ausbreiten. In der Sprache kommen die Figuren und Landschaften zusammen. Sie verschmelzen in der ‘Redefigur’” (20).

20. Siehe dazu eine ganze Bandbreite sekundärliterarischer Betrachtungen wie z.B. Marquardt 88–91; Tismar 106–38; und Fueß 27–49. Eck-Koeniger behandelt verschiedenste Raumstrukturen besonders ausführlich.

21. “Du machst eine Tür auf” (83; eigene Hervorhebung); “Ein zurückschnellender Ast erschrickt dich” (83; eigene Hervorhebung); “Kein Alibi, wenn du dich wie sie einmummst” (84; eigene Hervorhebung). Hier stellt sich die (an dieser Stelle nicht wirklich relevante) Frage, ob die eher ungewöhnliche Form des Du-Erzählers in der österreichischen Literatur signifikant häufiger auftritt als in der bundesdeutschen (zu denken wäre hier etwa an Gegenwartsromane wie Wolf Haas’ Brenner-Serie o.ä.). Das “du” beschreibt eine zweite Person, ein Gegenüber und verhält sich genauer und spezifischer als ein allgemeiner gefassteres “man”. Das du kann aber auch auf eine sich selbst beobachtende erste Person verweisen und sich somit um einen Beobachter zweiter oder dritter Ordnung handeln.

22. Ob das “zerquetschen” hier dieselbe Bedeutung wie im Hochdeutschen hat, ist unklar. In dem Falle handelte es sich hier um eine paradoxe Figur, einen semantischen Widerspruch zwischen einem tödlichen Eingeklemmtwerden und seiner seriellen Wiederholung.

23. Zu nennen sind hier weiter z. B. die drei Dutzend erfrorener Rehe, die K. als Kind in einer Mulde zusammengesammelt hat (82), das Dröhnen und Hämmern der Pferdehufe auf dem Eis (80) oder die jährlich im Bach ertrinkenden Menschen (84).

24. Das Schloss Ambras bei Innsbruck—vermeintlicher Schauplatz der Erzählung—beherbergt eine sehr berühmte, jetzt als Museum der Öffentlichkeit zugängliche, Wunderkammer. Schloss Ambras war auch der Wohnsitz von Philippine Welser, der Gemahlin Erzherzog Ferdinand II. von Österreich. Zu Philipine Welsers Leidenschaften gehörte das Kochen und die Pharmakologie. Sie hinterließ sowohl ein Kochbuch als auch ein pharmakologisches Rezeptebuch.

25 Hier stellt sich, wie an anderen Stellen auch, die Frage nach der Glaubwürdigkeit eines Erzählers, der für sich selbst in Anspruch nimmt, dass sich die Faszination des Messers für ihn lediglich auf seine Schönheit und hohe Funktionalität als unambiges Werkzeug beschränkt habe. Ob das pathologische Moment, Walters seltsame Mischung aus topophober Begehrlichkeit und auto-/agressivem Thanathosgedanken dem Erzähler hier wirklich so gänzlich fern lag, bleibt Gegenstand der Spekulation.

26. Zur Rolle Italiens im Œuvre Bernhards siehe z.B. Pfabigan 203–64 oder Helms–Derfert 216–28.

27. “Ein Körper kann nicht in die Öffnung eines anderen eindringen, außer indem er ihn tötet (deshalb gibt es auch ein ganzes ärmliches Vokabular des Sexuellen, das bloß ein Vokabular des Tötens und des Todes ist …)” (Hodyas und Obergöker 29).

28. Cf. Agamben, The Open: Man and Animal, bes. 57–62.29. “Und damit ist ein zweifaches Scheitern gegeben: Scheitern, vom Körper zu

sprechen, Scheitern, ihn zu verschweigen. Double bind, Psychose. Der einzige Eingang des Körpers, der einzige Zugang den er in jedem dieser Eingänge wiederaufgenommen hat, ist ein Ausbruch von Wahn” (53).

84 JeNs KleNNer

30. “Der Körper ist weder ‘bezeichnend’ noch ‘bezeichnet’. Er ist exponierend/ exponiert: *ausgedehnt, Ausdehnung des Einbruchs, der die Existenz ist. […] Bewegliche Ausdehnung, Zwischenräume, geologische und kosmologische Abstände, Abdriftungen, Nähte und Brüche der Archikontinente des Sinns, der unvordenklichen tektonischen Platten, die sich unter unseren Füßen, unter unserer Geschichte bewegen. Der Körper ist die Archi-Tektonik des Sinns” (Hodyas und Obergöker 26).

ZiTiERTE WERKEAgamben, Giorgio. The Man without Content. Trans. Georgia Albert. Stanford: Stanford

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