consules ordinarii und consules suffecti als eponyme amtsträger

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WERNER ECK CONSULES ORDINARII UND CONSULES SUFFECTI ALS EPONYME AMTSTRÄGER Annuität war ein Grundprinzip des römischen Staates während der Republik. Jedes Amt war diesem Prinzip unterworfen, mit charakteri stischen Ausnahmen. Die Censur als nur in Abständen wiederkehrendes periodisches Amt erforderte aus sachlichen Gründen zumeist eine län gere Dauer, die Diktatur wurde, im Gegensatz dazu, aber ebenfalls aus sachlichen Gründen, kürzer gestaltet. Mit der Rückkehr der "Normalität" staatlichen Lebens nach dem Sieg über Antonius wurde auch das Prinzip der Annuität für den Bereich wieder verankert, wo es in den vergangenen eineinhalb Jahr zehnten seine Gültigkeit verloren hatte : für den Konsulat. Von 28 - 5 v. Chr. wurde von Augustus nur insgesamt sieben Mal eine kürzere Amtsz eit für Konsuln zugelassen, indem nämlich in den Jahren 23, 19, 16, und 12 v. Chr. Suffektkonsuln gewählt wurden. Diese consules suffecti waren, zumindest zum Teil, aus Notsituationen heraus ernannt wer den : consules ordinarii, die gestorben waren, mußten ersetzt werden. 1 Weshalb sodann Augustus vom J. 5 v. Chr. an fast regelmäßig zusätzlich zu den ordinarii noch einen oder mehrere Konsuln wählen ließ, ist im einzelnen nicht zu erklären. Zumindest ein Teilgrund wird der Ehrgeiz vor allem der bereits an die neuen Machtverhältnisse ange- paßten jüngeren Senatoren gewesen sein, konsularen Rang zu errei chen. Daß die Vermehrung der Zahl wichtiger, mit Legionen ausgestatt eter Provinzen in der Hand des Augustus und der daraus resultierende Bedarf nach konsularen Befehlshabern eine Rolle gespielt hat, läßt sich nur vermuten. 1 Zu den Daten vgl. A. Degrassi, / fasti consolari dell'impero Romano dal 30 avanti Cristo al 613 dopo Cristo, Rom, 1952, 3 ff.

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WERNER ECK

CONSULES ORDINARII UND CONSULES SUFFECTI ALS EPONYME AMTSTRÄGER

Annuität war ein Grundprinzip des römischen Staates während der Republik. Jedes Amt war diesem Prinzip unterworfen, mit charakteristischen Ausnahmen. Die Censur als nur in Abständen wiederkehrendes periodisches Amt erforderte aus sachlichen Gründen zumeist eine längere Dauer, die Diktatur wurde, im Gegensatz dazu, aber ebenfalls aus sachlichen Gründen, kürzer gestaltet.

Mit der Rückkehr der "Normalität" staatlichen Lebens nach dem Sieg über Antonius wurde auch das Prinzip der Annuität für den Bereich wieder verankert, wo es in den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten seine Gültigkeit verloren hatte : für den Konsulat. Von 28 - 5 v. Chr. wurde von Augustus nur insgesamt sieben Mal eine kürzere Amtszeit für Konsuln zugelassen, indem nämlich in den Jahren 23, 19, 16, und 12 v. Chr. Suffektkonsuln gewählt wurden. Diese consules suffecti waren, zumindest zum Teil, aus Notsituationen heraus ernannt werden : consules ordinarii, die gestorben waren, mußten ersetzt werden. 1

Weshalb sodann Augustus vom J. 5 v. Chr. an fast regelmäßig zusätzlich zu den ordinarii noch einen oder mehrere Konsuln wählen ließ, ist im einzelnen nicht zu erklären. Zumindest ein Teilgrund wird der Ehrgeiz vor allem der bereits an die neuen Machtverhältnisse ange- paßten jüngeren Senatoren gewesen sein, konsularen Rang zu erreichen. Daß die Vermehrung der Zahl wichtiger, mit Legionen ausgestatteter Provinzen in der Hand des Augustus und der daraus resultierende Bedarf nach konsularen Befehlshabern eine Rolle gespielt hat, läßt sich nur vermuten.

1 Zu den Daten vgl. A. Degrassi, / fasti consolari dell'impero Romano dal 30 avanti Cristo al 613 dopo Cristo, Rom, 1952, 3 ff.

16 WERNER ECK

Für die Zukunft wurde jedenfalls das Vorbild des ersten Princeps bei der Zulassung von consules suffecti entscheidend; diese wurden in der Folge zu einer normalen Erscheinung im Verlauf eines jeden Jahres. Bis zum Ende der domitianischen Regierungszeit kennen wir von Augustus an rund 400 Suffektkonsuln, insgesamt sind es wohl einige mehr gewesen. Für das gesamte 2. Jh. wird man sicher mit mindestens 700-800 Suffektkonsuln zu rechnen haben. Während des 3. Jh.s ist die Überlieferungslage für die consules suffecti zwar sehr schlecht,2 doch dürfte ihre Zahl kaum geringer gewesen sein als im vorausgehenden Jahrhundert; denn einerseits hat sich die Ämterstruktur im Grundsatz zumindest in der vorgallienischen Zeit kaum verändert, zum andern führt das einzige Fastenfragment, das uns aus dem 3. Jh. überhaupt noch überliefert ist, für das Jahr 289 sechs suffecti an.3

All das macht deutlich, daß die Suffektkonsuln ein Massenphänomen geworden waren. Zwar hat es nicht in allen Jahren so außergewöhnlich hohe Zahlen gegeben wie z.B. im J. 90 mit 1 1 Konsuln außer den ordinarii4 oder dem Jahr 190 mit 25. 5 Doch grundsätzlich war nun jedes Jahr in mehrere Zeiträume aufgeteilt, in denen es jeweils neue eponyme Amtsträger gab. Dies stand zwar im Gegensatz zum Prinzip der Annuität; doch hatte es eine klare Logik, Vorgänge nach den jeweils amtierenden Konsuln zu datieren, gleichgültig wie lange sie während eines Jahres die Geschäfte führten und unabhängig davon, wann sie ihr Amt antraten. Bei den wenigen zufälligen suffecti der vor- caesarischen Zeit hatte dies gar nicht anders sein können und damit zunächst auch nicht bei den suffecti seit Augustus. Der Unterschied war nur der, daß nunmehr diese nachgewählten Konsuln in jedem Jahr auftraten, sehr bald sogar mehr als zwei pro Jahr und, was erschwerend hinzukam, keineswegs in regelmäßigem Wechsel, sondern nicht

2 Vgl. die Zusammenstellung von Degrassi, FC 57 ff. ; fast alle suffecti, die noch präzis für ein Jahr überliefert zu sein scheinen, sind höchst suspekt, da sie zum größten Teil aus der Historia Augusta stammen. Aber auch die Zahl der nicht ganz genau bestimmbaren Konsuln ist insgesamt nicht so groß, obwohl inzwischen neue Zeugnisse hinzugekommen sind. Allerdings gehören viele der consoli di età incerta (Degrassi 109 ff.) in das 3. Jh.

3 CIL X 4631 = Inscr. It. XIII 1, p. 269. 4 Degrassi, FC 27. 5 Dio 73,12,4.

CONSULES ORDINARII UND CONSOLES SUFFECTI ALS EPONYME AMTSTRÄGER 17

selten in recht unterschiedlichen Abständen.6 Für die Zwecke der Datierung wurde damit dieses Eponymensystem mehr und mehr umständlich oder, zumindest nach unseren heutigen Begriffen, sogar unbrauchbar. Trotzdem hat es erstaunlich lange gedauert, bis dieser Datierungsmodus völlig außer Gebrauch geriet.7 Die späteste Verwendung von suffecti zu Zwecken der Jahresbestimmung, die uns bis heute bekannt wurde, stammt aus dem Jahr 289 n. Chr. Enthalten sind sie in einem Brief, den der promagister der XVviri sacris faciundis an die Magistrate von Cumae über die Wahl eines städtischen Priesters für den Kult der Magna Mater gerichtet hatte. Ausgestellt hatte er diesen Brief am 17. August des Jahres 289. Datiert sind diese Suffektkonsuln dadurch, daß ein Beschluß des Rates von Cumae vorausgeht, der am 1 . Juni gefaßt und dann an die XVviri sacris faciundis in Rom gesandt worden war; dieser Ratsbeschluß ist nach den ordentlichen Konsuln M. Magrius Bassus und L. Ragonius Quintianus datiert.8 Das Schreiben des promagister ist die Antwort auf den Ratsbeschluß. Wir könnten freilich diese Suffektkonsuln auch sonst zeitlich genau festlegen, weil gerade für dieses Jahr das einzige Fastenfragment (nach den letzten Überresten der Fasti Ostienses aus den späten Jahren des Marc Aurei)9 erhalten geblieben ist. Das Fragment aus Cales läßt auf der rechten Seite noch Reste von Monatsdaten erkennen, offensichtlich kal. Ian., k. M[art.], k. Apr., k. Mai. 10 Nach dem üblichen Aufbauschema von Fasten sollten diese Daten ebenfalls zu Konsulnpaaren gehören; dann wäre

6 Vgl. allgemein Degrassi, passim ; spezieller mit Diskussion zu einzelnen Jahren z.B. Henzen, De nundinis consularibus aetatis imperatoriae (Ephemeris epigraphica, I), 187 ff.; P. Gallivan, The Fasti for the Reign of Gains, in Antichthon, 13, 1979, 67 ff.; ders., The Fasti for the Reign of Claudius, in ClQ, 28, 1978, 407 ff.; ders., Some comments on the Fasti for the Reign of Nero, in ClQ, 24, 1974, 290 ff.; ders., The Fasti for A.D. 70-96, in ClQ, 31, 1981, 186 ff. ; F. Zevi, Un frammento dei 'Fasti Ostienses' e i consolati dei primi anni di Traiano, in PP, 34, 1979, 179 ff.; G. Alföldy, Konsulat und Senatorenstand unter den Antoninen, Bonn, 1977, 11 ff. 137 ff.

7 Vgl. Cassius Dio 48,35,3 ; der Satz spricht zwar nicht zwingend und unmittelbar für eine Datierung nach Suffektkonsuln auch in der Zeit Dios, doch wird man die Passage am ehesten in dieser Richtung verstehen können.

8 CIL X 3698 = D. 4175. 9 Vgl. zum zeitlichen Ende dieser Konsulnfasten in den Städten Italiens zuletzt G.

Camodeca, II primo frammento dei fasti consolari alifani (a. 26-27), in / Convegno dei gruppi archeologici dell'Italia meridionale. Prata Sannita 25-27 aprile 1986, 1988, 31 ff.

10 Vgl. oben Anm. 3.

18 WERNER ECK

aus dem Fragment zu erkennen, daß auch noch einige Jahre nach 289, am ehesten unmittelbar gegen Ende des 3. Jh.s, noch weitere Suffekt- konsuln im Amt waren, und zwar in beträchtlicher Zahl.

Daß das letzte Datum nach Suffektkonsuln gerade in einem Schreiben eines römischen Priesterkollegiums überliefert ist, braucht man keineswegs als Zufall zu betrachten; traditionelle Verfahrensweisen sind bei religiösen Handlungen wohl am ehesten sehr lange bewahrt worden. In anderen Bereichen ist die alte Form der Jahresbestimmung dagegen weit früher außer Gebrauch gekommen bzw. vielleicht abgeschafft worden. Dabei wird man voraussetzen dürfen, daß Dokumente, die dem staatlich-administrativen Leben entstammen, anderen Regeln und Einflüssen unterlagen, als Dokumente, die von Privatleuten abge- faßt wurden.11

I - Datierungen in Dokumenten staatlich-administrativer Herkunft

Die dichteste Reihe offizieller Dokumente, die uns außerhalb Ägyptens für einen administrativen Bereich zur Verfügung stehen, sind die Militärdiplome. Sie sind grundsätzlich zur Datierung mit einem Konsulndatum versehen. Auch hier läßt sich ein Umschwung in der Verwendung von den jeweils in einem bestimmten Monat im Amt befindlichen Konsuln zu den ordinarii hin feststellen. Der Zeitpunkt, zu dem die Änderung eintrat, ist nicht unmittelbar bezeugt, er muß vielmehr aus der Abfolge der Dokumente erschlossen werden. Daß sie in der 2. Hälfte des 2. Jh.s n.Chr. erfolgte, wurde weithin angenommen, doch der genauere Zeitpunkt war unsicher. Während es zum Beispiel für Degrassi etwa zum Jahr 178 bereits Zweifel geben konnte, ob am 23. März die ordinarii, die in CIL XVI 129 genannt werden,12 noch im Amt waren, ist heute der Zeitraum für den Wechsel von den suffecti zu den ordinarii später anzusetzen und wohl etwas näher einzugrenzen. Die Militärdiplome benutzen nachweisbar bis zum Ende des 2. Jh.s offen-

11 Allgemein zur Entwicklung Th. Mommsen, Römisches Staatsrecht, II, 90 ff.; De Rug- giero, Diz. epigr., II, 698 ff.; K. Dietz, Chiron, 13, 1983, 387 ff.

12 Degrassi, FC 49; dabei verweist er auf CIL XVI 128 vom 23. März 173 : hier sollen freilich die beiden ordinarii anstelle der im Amt befindlichen consules suffecti genannt gewesen sein. Dafür gibt es nicht den mindesten Hinweis, weshalb G. Alföldy (Anm. 6) 187 zu Recht diesen angeblichen Beweis außer Acht gelassen hat.

CONSULES ORDINARII UND CONSOLES SUFFECTI ALS EPONYME AMTSTRÄGER 19

sichtlich nur die zum jeweiligen Zeitpunkt amtierenden Konsuln, d.h. ordinarii bzw. suffecti. Die folgende Liste macht dies deutlich : 13

Jahr

178 179

179 186 178/190 192 194 203

206 192/218

209 212 214 229

Tagesdatum

23. März 23. März

1. April 24./27. Nov. 11. Aug. 16. März

1. Febr. 31. Aug.

21. Nov. 13. Mai

10./13. Juli 30. Aug. 27. Nov. 27. Nov.

Consules

ordinarii suffecti

suffecti suffecti suffecti suffecti ordinarii ordinarii *

suff. suffecti

ordinarii * ordinarii * ordinarii * ordinarii *

Beleg

XVI 128 C. Römer, ZPE, 82, 1990, 137 ff. RMD 123 RMD 69 XVI 132 XVI 133 XVI 134 Eck- Wolff (Anm. 13), Heer u. Integrationspolitik, 560 dipi, ineditum14 XVI 127 = RMD II p. 134 15 RMD 73 RMD 74 RMD 131 RMD 133

* = ordinarii nicht mehr im Amt.

Die Aussage, die diese Liste erlaubt, ist eindeutig. Bis zum Jahr 192 werden die jeweils amtierenden Konsuln zur Datierung eingesetzt, also auch die consules suffecti. Zum ersten Mal werden nach unserer derzeitigen Dokumentation im Diplom vom J. 203 am 31. August die ordi-

13 Siehe zum Folgenden schon W. Eck, in Heer und Integrationspolitik. Die römischen Militärdiplome als historische Quelle, hg. W. Eck - H. Wolff {Passauer Histor. Forschungen, 2), Köln, 1986, 561 ff.

14 Das unpublizierte Diplom ist mir durch die Freundlichkeit von A. Weber (Köln) bekannt geworden.

15 Die Datierung des Diploms ist umstritten; vgl. B. Lörincz, ZPE, 33, 1979, 157 ff.; K. Dietz, Chiron, 13, 1983, 385 f.; W. Eck (Anm. 13) 563. Da die Zeugenliste völlig mit denen der Diplome von 212 (RMD 74) und dem neuen von 206 übereinstimmt, ist eine Datierung in dieselbe Zeit zwingend, ohne daß freilich das Jahr 212 ohne Zweifel sicher stünde. Man kann jetzt allerdings sicher sagen, .daß das Diplom vor das Jahr 218 gehört; denn in diesem Jahr ist die Zeugenreihe an der 6. Position geändert, wie sich aus einem neuen noch unpublizierten Diplom ergibt, dessen Kenntnis ich der Freundlichkeit von K. Wachtel verdanke (er wird das Diplom auch veröffentlichen).

20 WERNER ECK

narii zur Datierung herausgezogen, obwohl sie damals längst von ihrem Amt zurückgetreten sein müssen. Doch ein weiteres, noch nicht veröffentlichtes Diplom aus dem Jahr 206 16 für einen Angehörigen der Flotte von Ravenna zeigt zum 21. November wiederum die Suffektkon- suln, während 209, 212 und 214 jeweils lange nach ihrem Amtsende die ordentlichen Konsuln in Militärdiplomen erscheinen. Ein weiteres Diplom, das bisher nur zwischen 192 und 218 anzusetzen ist (vgl. Anm. 15), verwendet ebenfalls die consules suffecti. Es ist somit offensichtlich in der Regierungszeit des Septimus Severus die Verbindlichkeit zur Datierung mit den jeweils amtierenden Konsuln aufgegeben worden. 17 Worauf dies beruhte, ob auf einer "internen Dienstanweisung" oder auf der stärker realisierten " Unpraktikabilität ", läßt sich nicht entscheiden. Es liefen jedenfalls beide Datierungsmöglichkeiten für mehrere Jahre auch bei den Militärdiplomen, hochoffiziellen Urkunden, nebeneinander her, bis sich sodann die Verwendung der ordinarii seit dem Ende der Regierungszeit des Septimius Severus bzw. in den ersten Jahren Caracallas endgültig durchsetzte.

Nun wäre es durchaus denkbar, daß eine solche Änderung auf einen administrativen Bereich beschränkt gewesen war. Denn völlig gleichartige Formvorschriften hat es für die Administration in ihrer Gesamtheit offensichtlich nicht gegeben, wie das Beispiel der cura aedium sacrarum et operum locorumque publicorum im Folgenden noch zeigen wird. Doch scheint die damalige Änderung nicht auf die Ausstellung der Konstitutionen für die Soldaten, deren Abschriften in den Militärdiplomen auf uns gekommen sind, beschränkt geblieben zu sein. Vielmehr lassen sich auch in anderen staatlichen Bereichen Hinweise finden, die tendenziell auf eine gleichartige Erscheinung wie bei den Militärdiplomen hinweisen.

Entscheidungen der Kaiser des 2. und 3. Jh.s, wie sie zahlreich im Codex Iustinianus erhalten sind, tragen fast ohne Ausnahme auch ein Ausstellungs- oder Propositionsdatum. 18 Im Unterschied dazu fehlt bei

16 Vgl. Anm. 14. 17 Von einer klaren Anweisung, die sodann allgemein befolgt werden mußte und

auch befolgt wurde (so noch in der in Anm. 13 genannten Arbeit), darf man somit nicht mehr ausgehen.

18 Bei den kaiserlichen Entscheidungen, die im Codex Iustinianus aus der Zeit des Antoninus Pius und des Marc Aurei überliefert sind, erscheinen nur consules ordinarii. Auffällig ist jedoch, daß von den 10 Constitutiones des Antoninus Pius sieben keine Kon-

CONSOLES ORDINARII UND CONSOLES SUFFECTI ALS EPONYME AMTSTRÄGER 21

den epigraphisch oder papyrologisch überlieferten kaiserlichen Entscheidungen oder Briefen ein solches Datum in den meisten Fällen. Lediglich Tages- bzw. Monatsdatum finden sich häufiger neben dem Ausstellungsort. Dennoch enthält folgende kleine Gruppe von kaiserlichen Schreiben auch eine Konsulatsangabe : 19

Jahr

8 n. 41 n.? 45 46 47 69

77 91

119 119

139

143 152 159

Tagesdatum

Aug. -Dez. 28. Juni 15. März - 18. März

12. Okt. 10. April

4. Aug. 16. Aug.

8. April/5. Mai 16. Mai - -

Consules

suff. suff. suff. ord./suff. ord. suff. (= Otho allein genannt) suff. ord.

ord.* ord. * (Hadrian allein genannt) ord. (*?)

ord.* ord. ord.

Beleg

Dig. 48,18,8 AE, 1949, 250 Joseph., Ant. lud. 20,1,2 D. 206 P. Oxy. 27 D. 5947

FIRA Ρ nr. 72 Gonzales, JRS, 76, 1986, 181 20 BGU I 140 Collât. 13,3,1 21

D. 338

IGR I 146 Collât. 3,3,6 Gonzales, SDHI, 49, 1983, 400 22

(setzt)

suln nennen. Es wäre vorstellbar, daß man unter Iustinian die Suffektkonsuln, die hier vielleicht genannt waren, wegließ, weil sie ohnehin in den Fasten nicht mehr auffindbar waren.

19 Eine moderne Sammlung von kaiserlichen Entscheidungen, die auf Inschriften oder Papyri überliefert sind, existiert bedauerlicherweise immer noch nicht.

20 Für das Rezitationsdatum (11. Oktober) werden nicht eigens die suffecti angegeben ; das hat man in Irai wohl für überflüssig gehalten.

21 Das Datum ist in dieser Form kaum authentisch, da die kaiserliche Kanzlei sicher nicht se HI consule geschrieben hat; auch wurde nicht nur der Name des Kaisers genannt. Hier liegt also eindeutig eine spätere Veränderung vor.

22 Im Text dieses Kaiserbriefes muß in Zeile 2 vor cos. III eindeutig \trib. pot. X]XJ/ ergänzt werden ; der Zahlstrich reicht nach links noch weit über die beiden senkrechten Hasten hinaus; auch der Ansatz der rechten Schräghaste ist unten noch zu sehen (so nach einem Photo, das mir freundlicherweise Armin Stylow zur Verfügung stellte, auch die Autopsie am Dokument hat dies ergeben).

22 WERNER ECK

Jahr

177

182

204

ca. 207/209 212 258

Tagesdatum

6. Juli

-

31. Mai

12. Sept.

11. Juli (14. Okt.?)

Consules

ord.*

suff.

ord.*

wohl ordinarii *

ord.* ord.*

Beleg

AE, 1971, 534 = IAMar. II 94 CIL VIII 10570 = 14464 = D. 6870 CIL III 14203,8; AE, 1977,807 Epigr. Anat. 8, 1986, 66 f.

P. Giss. 40 II P. Oxy. 1407

* = ordinarii nicht mehr im Amt.

Während wir für das 1. Jh. einigermaßen zahlreiche Zeugnisse haben, in denen jeweils nach den amtierenden Konsuln datiert wurde, finden sich für das 2. Jh. nur wenige Dokumente. Zumindest in den Briefen aus den Jahren 119 und 143, vielleicht auch aus dem Jahr 139 bezeichnen die ordentlichen Konsuln das Jahr, obwohl sie keineswegs mehr im Amt waren. Wichtiger ist jedoch, daß noch unter Commodus, wohl im Jahr 182, in einem Schreiben an Kolonen in Africa nochmals die Suffektkonsuln verwendet wurden.23 Danach aber findet sich diese Praxis in der kaiserlichen Kanzlei konsequent nicht mehr. Das Schreiben des Septimius Severus aus dem Jahr 204, das die Privilegierung von Senatoren bei drohender Einquartierung bestätigt, wurde mit dem Ausstellungsvermerk versehen : Dat(um) prid(ie) kal(endas) Iun(ias) Ro- mae Fabio Cilone II et Annio Libone coss.24 Nun sind zwar für das Jahr 204 nur die beiden consules ordinarii bezeugt; doch ist es ganz unwahrscheinlich, daß diese am 31. Mai noch im Amt gewesen sind. Trotzdem wurden sie von der kaiserlichen Kanzlei verwendet, also genau in der Form, wie im Codex Justinianus in absolut allen Fällen verfahren wurde, dort vermutlich in vielen Zeugnissen, die für das 2. Jh. überliefert sind, mit nachträglicher Korrektur der Konsuln von den suffecti zu den ordinarii.

23 CIL Vili 10570 = 14464 = D. 6870. 24 CIL III 14203,8; die weiteren Exemplare dieses Kaiserbriefes sind bei C. P. Jones,

Chiron, 14, 1984, 93 ff. genannt.

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Die angeführten Dokumente lassen keine so klare Entwicklung wie bei den Militärdiplomen erkennen; doch deutet die unterschiedliche Handhabung der Datierung in den beiden kaiserlichen Schreiben von 182 und 204 tendenziell auf eine gleichartige Entwicklung auch in anderen administrativen Ressorts in der Umgebung des Kaisers hin.

Die bei den Militärdiplomen unzweifelhaft zu erkennende Veränderung hat jedoch noch in einem weiteren Bereich Auswirkungen gezeigt. Die Arvalakten datieren, wie man es bei einem Priesterkollegium nicht anders erwarten würde, nach der ganz traditionellen Art, d.h. nach den Konsuln, die am jeweiligen Tag, an dem eine Handlung der Arvalen stattfand, im Amt waren, also ganz natürlich auch nach den suffecti. Dies ist bis zum J. 187 eindeutig nachweisbar,25 vermutlich kennen wir jedoch noch ein weiteres Datum mit Suf fektkonsuln in den Arvalakten um das J. 196.26 Das erste Fragment der Aufzeichnungen der Priesterschaft, das danach im J. 213 wieder auf uns gekommen ist, verwendet dagegen ebenfalls nur noch die ordinarii27 wie auch in den wenigen weiteren Textzeugen aus späterer Zeit. Auch hier ist somit in der späteren Zeit des Septimius Severus oder vielleicht auch erst unter Caracalla eine Umstellung erfolgt. Das muß freilich nicht heißen, daß bei allen Priesterämtern so verfahren wurde. Bezeichnenderweise ist ja das späteste Datum mit Suffektkonsuln, auf das oben bereits verwiesen wurde, in einem Brief der Quindecimviri sacris faciundis aus dem J. 289 zu finden.28 Möglicherweise haben sich somit nur manche Priesterschaften, und vielleicht auch nur für bestimmte schriftliche Dokumente, der severischen Regelung angeschlossen.

Immerhin scheint eine solche Entwicklung, wie sie bei den Arvalen unter Septimius Severus deutlich wird, auch bei Priesterschaften schon vorbereitet gewesen zu sein. Denn in der subcriptio, die der promagister pontificum Iuventius Celsus am 3. November 155 n.Chr. unter eine Petition setzte, wird das Konsulatsdatum in einer doppelten Form angegeben : /// nonas Noemb. (sic) Antio Politone et Opimiano kos., ordina[r]is Severo et Sabiniano cos.29 Man begnügte sich also nicht mit den tat-

25 CIL VI 2100; dazu J. Scheid, ZPE, 43, 1981, 343 ff. 26 AE, 1964, 71; dazu G. Camodeca, ZPE, 51, 1983, 211. J. Scheid denkt, wie er mir

brieflich mitteilte, eher an das Jahr 197. 27 CIL VI 2086 = D. 5041. 28 Vgl. Anm. 7. »CIL VI 2120 = D. 8380.

24 WERNER ECK

sächlich amtierenden Suffektkonsuln, sondern setzte auch die ordinarii hinzu. Vermutlich resultiert diese Doppelangabe daraus, daß das Amtstagebuch der pontif ices Jahr für Jahr geführt wurde, d.h. aber jeweils unter den ordentlichen Konsuln für ein Jahr zusammengefaßt war, was auch dazu diente, Eintragungen relativ leichter zu finden. Innerhalb des jeweiligen Jahres wurden sodann aber wohl auch die jeweils aktuellen Konsuln hinzugefügt.30

Faßt man die Beobachtungen bei den Militärdiplomen, bei sonstigen kaiserlichen Schreiben sowie in den Akten der Arvalen zusammen, dann ist recht deutlich, daß auf jeden Fall unter Septimius Severus auch bei hochoffiziellen Dokumenten keine Notwendigkeit mehr gesehen wurde, grundsätzlich die jeweils amtierenden Konsuln zu verwenden, selbst wenn die Schriftstücke in Rom in einem der kaiserlichen Büros ausgestellt wurden. Was letztlich den Ausschlag dafür gegeben hat, läßt sich nicht sagen, zumindest nicht bei der jetzigen Dokumentationslage. Eine Entscheidung in dieser Frage durch den Kaiser in den frühen Jahren des Septimius Severus ist allerdings keineswegs auszuschließen; denn auch dann wäre ein gewisses Schwanken in der tatsächlichen Verwendung durchaus zu verstehen. Wie auch immer sich dies vollzogen haben mag, die kaiserlichen Büros praktizierten auf jeden Fall das, was, soweit wir sehen, die breitere Öffentlichkeit in Rom und Italien schon längst vollzogen hatte : die Datierung allein nach den ordinarii.

Was der Grund für eine solche mögliche Entscheidung des Kaisers gewesen sein könnte, läßt sich heute nicht mehr erkennen. Es könnten allgemeine Überlegungen zur administrativen Rationalität gewesen sein. Doch ist auch eine andere Deutung nicht auszuschließen. Im Jahre 190 hatte Commodus insgesamt 25 Konsuln ernannt;31 die Datierungsformel hatte somit in einem kurzatmigen Monatsrhythmus gewechselt werden müssen. Dadurch ist möglicherweise der Eindruck der geringen Praktikabilität der Datierung nach schnell wechselnden Eponymen so stark geworden, daß die Beibehaltung der bisherigen Datierungsweise nach ordinarii und suffecti nicht mehr als sinnvoll erschien und die Reduzierung lediglich auf die ordentlichen Konsuln sich schließlich auch in den Bereichen durchsetzte oder durchgesetzt wurde, wo man bisher sehr präzis gewesen war.

30 Vgl. unten S. 28 zur Datierungsweise eines s.c. aus dem Jahre 138. 31 Cassius Dio 73,12,4; HA v. Comm. 6,9.

CONSOLES ORDINARII UND CONSOLES SUFFECTI ALS EPONYME AMTSTRÄGER 25

Nicht in allen staatlichen Administrationsbereichen ist die alte Form so lange wie bei den Militärdiplomen beibehalten worden. Eine etwas größere Dokumentengruppe bilden die Anweisungen von Plätzen durch die curatores aedium sacrarum et operum locorumque publico- rum etwa für die Aufstellung von Statuen, Altären oder ähnlichem. Dabei wird grundsätzlich eine genaue Datierung mit Konsuln sowie Tag und Monat gegeben. Folgende Dokumente, die von der genauen Datierung genügend erkennen lassen, sind hier einschlägig : 32

Jahr

ca. 125 132 133 137 138

? 146 150 152 159 161 166 183 192 193 196 199 210 214

Tagesdatum

_ - _ _ Dezember - Juni September 19. Sept. September Dezember August - März _ Juni Januar _ 3. Juli

consules

suffecti ordinarii suffecti ordinarii suffecti - ordinarii * ordinarii * ordinarii * ordinarii * ordinarii * ordinarii * ordinarii ordinarii ordinarii ordinarii * ordinarii ordinarii ordinarii *

Beleg

AE, 1973, 36 VI 36871 VI 858 VI 1854 AE, 1934, 146 VI 31718 VI 1008 VI 855 AE, 1917/8, 111 VI 857; vgl. AE 1977, 15 VI 1119b VI 360 VI 36874 VI 3702 = 30967 AE, 1974, 11 AE, 1971, 28 VI 1352 VI 864. 31128 VI 31338 a = D. 452

* = ordinarii nicht mehr im Amt.

Das Ergebnis ist wohl aussagefähig und eindeutig. Bis zum Ende der hadrianischen Zeit werden offensichtlich jeweils die Konsuln verwendet, die zum Zeitpunkt der entsprechenden Assignation im Amt waren, alle Zeugnisse jedoch, die seit 146 erhalten sind, nennen nur noch ordinarii. Die Dokumente von 146 bis 166 liegen alle eindeutig in

32 Vgl. A. E. Gordon, Quintus Veranius, consul A.D. 49 (Univ. Calif. Publications in Class. Arch., 2,5), Berkeley, 1952, 283 ff.

26 WERNER ECK

der 2. Jahreshälfte, also in einer Zeit, in der die ordinarii längst aus dem Amt geschieden waren. Warum in diesem Administrationszweig so wesentlich früher auf die Verwendung der suffecti in Datierungen verzichtet wurde, ist nicht ersichtlich. Doch läßt das Beispiel deutlich werden, daß die einzelnen Verwaltungsbereiche ziemlich unabhängig agieren konnten. Gewisse Formen und Formeln wurden unbeeinflußt von anderen Ressorts eingeführt und fanden dann ständige Verwendung.

Relativ zahlreich sind uns Jahresdatierungen nach Konsuln auch bei senatus consulta überliefert. Wenn irgendwo, dann sollte gerade innerhalb des Senats selbst Wert auf die Datierung nach den jeweils amtierenden Konsuln gelegt worden sein, ging es doch schließlich um das Prestige sehr vieler Mitglieder des Gremiums. 33 Folgende Liste von senatus consulta, bei denen die Angabe der Konsuln überliefert ist, läßt sich zusammenstellen : 34

Jahr

2n. 11 n. 17 n. 19 n. 20 n. 23 n.

29 n. 31 n. 42 n.

Anf. Claudius 47 n. 55 n. 56 n. 62 n.

Tagesdatum

_ - - - - 12. Sept.

- - - - 22. Sept. 25. Aug. 2. März 9. Juli

Consules

suffecti ordinarii ordinarii ordinarii ordinarii suff./ord.

ordinarii ord./suff. ord/suff. suffecti suffecti suffecti ordinarii suffecti

Beleg

Zollgesetz von Ephesus35 Dig. 29,5,13; AE, 1978, 145 Collât. 15,2,1 Collât. 8,7,2; AE, 1978, 145 Dig. 1,16,4,2; 48,2,12,3 P. Herrmann, Ath. Mitt., 75, 1960, 90 ff. Collât. 8,7,2 Dig. 48,2,12 pr. Gaius 3,63 Iust., Inst. 3,8,3; Dig. 38,4,1 FIRA2 I nr. 45 I/II Dig. 36,1,1,1; Gaius 2,253 36 FIRA2 II nr. 45 II Zollgesetz von Ephesus

(setzt)

33 Welcher Wert der Datierung nach den Konsuln beigelegt werden konnte, ersieht man aus der Formulierung, die Tacitus, ann. 3,57,1 für den Vorschlag des M. Silanus im J. 22 n.Chr. findet, zur Datierung publicis privatisve monimentis die tribunicia potestas statt der Namen der Konsuln zu verwenden : contumelia consulatus.

34 Vgl. auch R. A. Talbert, The Senate of Imperial Rome, Princeton, 1984, 438 ff. 35 Vgl. H. Engelmann - D. Knibbe, Epigr. Anat., 8, 1986, 19 ff.; Herr Engelmann hat

mir dankenswerterweise den nötigen Einblick in den Text gegeben. 36 Zum Jahr vgl. G. Camodeca, ZPE, 63, 1986, 201 ff.

CONSOLES ORDINARII UND CONSOLES SUFFECTI ALS EPONYME AMTSTRÄGER 27

Jahr

Anf. Vespas. 82 n. 97 n.

101 n.? 122 n. 127 n. 129 n. 129 n. 138 n.

195 n. 206 n. 215 n. 222 n.

Tagesdatum

_ - - - - - - 14. März 15. Okt. gen aber im liber sententiarum dicta- rutn der beiden dinarii) 13. Juni - 31. Januar 20. Juli

Consules

suffecti ordVsuff. suffecti suffecti ordinarii suffecti ordinarii ord./suff. suffecti

ordinarii * ordinarii Ordinarius Ordinarius *

Beleg

Gaius 1,31; 2,254 Dig. 1 1,4,1,2 37 Dig. 48,8,6 Dig. 40,5,26,7 Dig. 30,41,1 Dig. 40,5,28, 4 vgl. 40,5,51,8 c.J. 7,9,3 Dig. 5,3,20,6 VIII 11451 = FIRA2 I nr. 47

Dig. 27,9,1,1 Dig. 24,1,32 pr. Collât. 1,8,1 Collât. 1,9,1

* = ordinarii nicht mehr im Amt.

Soweit die Zeugnisse volle Aussagekraft haben, d.h. mit Konsuln und Monatsdatum versehen sind, ist zumindest dies eindeutig festzustellen, daß erst im Jahr 195 ein Dokument die ordentlichen Konsuln zur Datierung nennt, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt nicht mehr amtierten. Überliefert ist es in den Digesten aus einer Schrift Ulpians : Quae oratio (se. Imperatoris Severi) in senatu recitata est Tertullo et Clemente consulibus idibus Iuniis.39 Hier ist natürlich nicht auszuschließen, daß Ulpian selbst bereits oder auch die Redaktoren der Digesten eine Umstellung von den suffecti auf die ordinarii vorgenommen haben könnten. Doch da in zahlreichen anderen Fällen, etwa zu den Jahren 56, 82, 97 oder 127 auch in den Digesten die suffecti erhalten geblieben sind, gibt es auch für das Jahr 195 keinen Grund, die Überlieferung anzuzweifeln.

37 Vgl. zur Datierung W. Eck, ZPE 37, 1980, 55 f.; die Datierung nicht beachtet von Talbert (Anm. 34) 452 f.

38 Dig. 27,9,1,1.

28 WERNER ECK

Freilich klafft in der Dokumentation zwischen 138 und 195 eine große zeitliche Lücke, in der kein direktes Zeugnis auf uns gekommen ist, so daß der Schluß, auch bei den senatus consulta sei vermutlich erst unter Septimius Severus die Umstellung in der Datierungsform vorgenommen worden, auf einer eher unsicheren Basis zu stehen scheint. Immerhin könnten noch einige senatus consulta, die nach einem Suffektkonsul benannt sind, und damit vermutlich auch eine entsprechende Datierung aufwiesen, aus der Zeit des Antoninus Pius stammen, so das s.c. Apronianum oder das s.c. Vitrasianum. 39 Doch ist in beiden Fällen ein früherer Ansatz nicht ausgeschlossen.40 Immerhin tendiert die gegenwärtig vorhandene Überlieferung dahin, daß auch im Senat erst in der 2. Hälfte des 2. Jh.s eine Umstellung zur alleinigen Verwendung der ordinarii als eponymer Beamter eingetreten ist.

Allerdings sollte noch auf das s.c. de nundinis saltus Beguensis hingewiesen werden.41 Der Ausfertigungsvermerk am Ende : Actum idibus Octobr(ibus) P. Cassio Secundo, M. Nonio Mudano ist nach den Konsuln datiert, die eben an diesem Tag den Antrag eingebracht und den Beschluß erwirkt hatten. Die Abschrift erfolgte jedoch, wie das Präskript ergibt, ex libro sententiarum in senatu dictarum Kant Iuni Nigri, C. Pomponi Camerini co(n)s(ulum). D.h. aber, die Protokollierung von Senatsbeschlüssen in den Akten wurde bereits 138 n.Chr. einheitlich für ein ganzes Jahr, dem selbstverständlich die consules ordinarii ihren Namen gaben, zusammengefaßt; ein Amtstagebuch, das jeweils mit jedem neuen Konsulnpaar, d.h. drei bis fünf Mal im Verlauf von 12 Monaten, begonnen worden wäre, hat es, zumindest im J. 138, nicht gegeben. Darin kann man einen Anfang für die Reduktion der Datierung nur noch nach den ordentlichen Konsuln sehen. Doch ist es genauso möglich, daß diese Praxis der Protokollierung stets bestanden hat; die Praktikabilität der Archivierung könnte dafür sprechen. Auf ein gleichartiges Verfahren wurde bereits oben bei den Erläuterungen einer subscriptio des promagister pontificum aus dem Jahr 155 n.Chr. verwiesen (S. 17).

Außerhalb Roms, in den Städten Italiens, ist offensichtlich bereits wesentlich früher als in der Hauptstadt bei den Beschlüssen der muni-

» Dig. 36,1,27; 40,5,30,6. 40 Vgl. Talbert (Anm. 34) 446. 452. 41 CIL VIII 11451 = FIRA2 I nr. 47.

CONSULES ORDINARII UND CONSULES SUFFECTI ALS EPONYME AMTSTRÄGER 29

zipalen Senate, also den decreta decurionum, verbreitet nicht mehr auf die Suffektkonsuln zurückgegriffen worden. Nach der Sammlung der Dokumente bei Sherk ergibt sich folgendes Bild : 42

Jahr

4 n. 26 31 71 71

101 105 107 114 127 140 141 144 155 166 187 242 289

Tagesdatum

2. April -

1. Juni Juni 14. Sept. 19. Okt. 30. Mai - 13. Juni; 1. Aug. 29. Aug. 23. April 26. Nov. 22. März 3. Dez.

23. März 28. Okt. 12. April

1. Juni

Consules

ordinarii ordinarii ? suffecti suffecti suffecti suffecti ordinarii * suffecti ordinarii * ordinarii * ordinarii ? ordinarii * ordinarii ? ordinarii * suffecti ordinarii * ordinarii * ordinarii *

Ort

Pisa Veii Castrimoenium Neapel Neapel Ferentium Aquileia bei Arpinum Caere Tibur Gabii Tuficum Brundisium Abella Perusia Puteoli Peltuinum Baiae

* = ordinarii nicht mehr im Amt.

42 R. Κ. Sherk, The Municipal Decrees of the Roman West (Arethusa Monographs, II), 1970, 19 ff. In CIL X 8180 = Sherk nr. 38 liegt vermutlich der Rest eines Beschlusses des Dekurionenrates in Puteoli vor. In der letzten Zeile ist erhalten : P. Pomponio Magiano [ ]. Hier könnte der Rest eines Suffektkonsulnpaares erhalten sein. Zwar wird häufiger die Datierung mit Konsuln an den Anfang eines solchen Dokumentes gestellt; doch findet sie sich manchmal auch am Ende, so z.B. bei Sherk nr. 2. 51. 52. 57. Das Jahr dieses decretum decurionum ist allerdings offen. Ein T. Pomponius Magianus findet sich als Statthalter von Thrakien etwa im Jahr 242 (zuletzt AE, 1978, 725; ob das Praenomen sicher ist, kann man nicht entscheiden). Dieser war Sohn des consularis P. Pomponius Cornelianus, der am Beginn des 3. Jh.s zu konsularem Rang gelangt sein dürfte. Eine Datierung nach Suffektkonsuln noch um die Mitte des 3. Jh.s ist zwar eher unwahrscheinlich, doch kann man sie nicht ausschließen. Ebenso wäre aber auch vorstellbar, daß P. Pomponius Cornelianus nicht als erster der Familie zum Konsulat kam, vielmehr bereits einer der Vorfahren; dann könnte man durchaus mit CIL X 8180 in die Zeit des Marc Aurei oder Commodus kommen. Vgl. aber dazu zuletzt K. Dietz, Chiron, 13, 1983, 388.

30 WERNER ECK

Die späteste exakte Datierung nach den suffecti stammt aus dem Jahr 166; sie findet sich in einem Beschluß des Dekurionenrates von Perusia über die Aufstellung einer Statue des divus Pius : M. Vibio Liberale, P. Martio Vero co(n)s(ulibus) X K(alendas) Apriles.43 Ob etwa CIL X 8180, ein Senatsbeschluß aus Puteoli, in dem vermutlich ein Suffekt- konsul genannt wird, erst in die Mitte des 3. Jh.s zu setzen ist (vgl. Anm. 42), läßt sich nicht entscheiden, auch wenn dies möglich ist. Andererseits sind bereits in den Jahren 105, 113, 114 und 127 in Ratsbeschlüssen von Aquileia, Caere und Tibur,44 also von Gemeinden, die teilweise sehr nahe bei Rom lagen, nur noch die consules ordinarii zur Datierung angeführt. Der Abstand zu den unten angeführten Privatrechtsdokumenten, die bis 79 n.Chr. bzw. bis ca. 88 n.Chr. konstant auch die zeitliche Fixierung nach den suffecti verwendeten, ist insgesamt nicht groß. Doch läßt sich daraus nicht schließen, daß etwa in den letzten Jahrzehnten des 1. Jh.s eine grundsätzliche Änderung in den Rahmenbedingungen eingetreten sei, aus der die Wandlung bei der Datierungsart erklärt werden könnte. Bei der gegenwärtigen Überlieferungssituation muß man diese Frage offenlassen.

Außerhalb Roms und Italiens sind, abgesehen von den Militärdiplomen, die jedoch Urkunden stadtrömischer Herkunft sind, kaum einheitliche Dokumentengruppen erhalten, die es ermöglichen würden, die Praxis der Datierung im internen Gebrauch administrativer Amtsträger oder etwa auch beim Militär im 1. und 2. Jh. zu erkennen.45 Die wenigen Texte aus dem Babathaarchiv, die bisher publiziert wurden und in denen Amtshandlungen von Statthaltern der Provinz Arabien überliefert sind, lassen nur so viel erkennen,46 daß dort in der hadriani- schen Zeit offensichtlich nur die consules ordinarii herangezogen wurden, ohne daß damit deutlich würde, man habe auf die suffecti grundsätzlich verzichtet.

43 CIL XI 1924 = D. 5503 = Sherk Nr. 49. 44C7L V 875 = D. 1374 = Sherk Nr. 2; CIL XI 3614 = D. 5918a = Sherk Nr. 51 (2

Daten); CIL XIV 3679. 3679a = D. 6245 = Sherk Nr. 57. 45 Es ist aber mit großer Wahrscheinlichkeit zu vermuten, daß in der Militäradminis

tration alle Routineangelegenheiten, die die gesamte Truppe betrafen, also beispielsweise die Stammrollen oder das Amtstagebuch, grundsätzlich nach den consules ordinarii geführt wurden.

46 Vgl. z.B. H. J. Polotsky, The Greek Papyri from the Cave of the Letters, in IEJ, 12, 1962, 258 ff.; Y. Yadin, JVEG, 17, 1963, 238 ff. F. Benoit, u.a., Discoveries in the ludaean Desert, II, Oxford, 1961, 248 ff.; siehe jetzt : The Documents from the Bar Kokhba Period in the Cave of Letters. Greek Papyri, ed. N. Lewis, Jerusalem, 1989.

CONSULES ORDINARII UND CONSULES SUFFECTI ALS EPONYME AMTSTRÄGER 3 1

In Ägypten hat die römische Administration, jedenfalls so weit sie es mit den Bewohnern Ägyptens und nicht mit den Soldaten zu tun hat, nur sehr selten den Schritt getan, während der ersten drei Jahrhunderte der römischen Herrschaft Dokumente nach Konsuln zu datieren. In den Texten aus dem Militärbereich sind Konsuln etwas häufiger erwähnt, aber fast durchweg sind es die ordinarii47, und zwar auch bei den Dokumenten, die nicht im fortlaufenden Betrieb einer Militäreinheit, sondern nur für eine Person an einem bestimmten Tag ausgestellt wurden, z.B. den tabulae prof essionum. 48 Einige ganz wenige Zeugnisse für die Heranziehung von suffecti hat es dennoch gegeben, bei anderen Zeugnissen hat es zumindest auf den ersten Blick den Anschein, es sei in der üblichen Weise nach den suffecti datiert worden.

P. Vindob. L 135, ein lateinisch verfaßter Schuldschein eines Angehörigen der ala Pauliini, trägt das Datum // k. Septe(mbres) C. S[al- lusjtio Crispo, L. Lentulo Scipione cos.; Ausstellungsort ist Alexandria.49 Die Herausgeber haben zutreffend die beiden Konsuln mit den schon bekannten suffecti des Jahres 27 n.Chr. identifiziert.50 Diese Privaturkunde, die zwischen zwei Angehörigen des römischen Militärs ausgetauscht wurde, gehört zu den frühesten lateinisch geschriebenen Papyri, die bis heute bekannt wurden. Sie ist eindeutig nach den Suffektkon- suln des Jahres datiert. Man wird also zumindest in dieser frühen Zeit mit der Bekanntgabe auch der jeweils amtierenden Suffektkonsuln jedenfalls in Alexandria zu rechnen haben.

In PSI 11, 1183 a.b., einer professio civitatis Romanae, wird zweimal als Konsulatsdatum angeführt : Ti. Plautio Silvano Aeliano, Tauro Statilio Corvino cos. Nach Cassius Dio 60,25,1 sowie den handschriftlichen spätantiken Konsularfasten hatte jedoch im Jahr 45 neben Statili- us Corvinus ein M. Vinicius als cos. II das Amt am 1. Jan. angetreten. Beide waren zusammen höchstens bis Ende Februar im Amt.51 Ein inschriftliches Zeugnis für die beiden ordinarii ist nicht erhalten geblieben. Plautius Silvanus Aelianus und Statilius Corvinus amtierten dage-

47 Vgl. R. O. Fink, Roman Military Records on Papyrus, Ann Arbor, 1971 ; R. Cavenai- le, Corpus papyrorum Latinorum, Wiesbaden, 1958, 200 ff.

48 Cavenaile (Anm. 47) 265 ff. Nr. 148-164. 49 H. Harrauer - R. Seider, ZPE, 36, 1979, 109 ff. 50 Fasti fratr. Arval, Inscr. hol. XIII 1, p. 299. 51 Siehe Bull, com., 58, 1940, 201.

32 WERNER ECK

gen zusammen von Anfang März bis Ende Juni.52 Das Dokument scheint eher nicht in Oxyrhynchos geschrieben zu sein, sondern entweder in Alexandria oder sogar außerhalb Ägyptens, wodurch die Verwendung des aktuellen Konsulnpaars aus einem suffectus und einem Ordinarius erklärt werden könnte. 53

In AE, 1910, 75 = Dessau 9059 = Corpus Papyrorum Latinorum 104, einem Diptychon mit einer Abschrift des Edikts Domitians über die Privilegien der Veteranen, wird folgende Formel verwendet : qui militare coeperunt P. Galerio Trachalo, Ti. Catto et T. Flavio Cn. Aruleno cos., d.h. es werden zunächst die ordentlichen Konsuln des J. 68 genannt, danach aber ein Suffektkonsulnpaar, das zwischen April und Juni 69 im Amt war. In dem Dokument werden an zwei weiteren Stellen die ordinarii von 93 und 94 genannt, und zwar in einem Monat, in dem sie nicht mehr die fasces führten. Das heißt ganz eindeutig, daß in der Urkunde grundsätzlich nach den ordinarii und nicht etwa den im Augenblick einer administrativen Handlung im Amt befindlichen Konsuln datiert wurde. Wenn dann trotzdem T. Flavius (Sabinus) und Cn. Arulenus (Caelius Sabinus) für das J. 69 angeführt werden, dann kann dies nur aus der Geschichte des J. 69 erklärt werden. Sowohl Galba und sein Mitkonsul als auch Otho und sein Bruder sollten nicht genannt werden. Dann bot sich am ehesten das Suffektkonsulnpaar mit T. Flavius Sabinus, einem Verwandten des flavischen Kaiserhauses, an. Mit einer üblichen Datierung nach suffecti aber hat das Dokument nichts zu tun.

PSI 6,729 ist ein Dokument über den Verkauf eines Pferdes; Teilnehmer an dem Verkauf sind zwei Soldaten, der Papyrus ist lateinisch geschrieben. Als Datum erscheint : VII idus Iufniajs oder Iufliajs imp. Vespasiano IIX, Domitianfo] Caes(are?) f(ilio?) [V?J co(nsulibus?).

Wenn die Lesung zutreffend ist, dann wäre hier neben dem cos. ord. Vespasian, Konsul zum 8. Mal, sein Sohn Domitian, suffectus zum 5. Mal, im J. 77 n.Chr. genannt gewesen. Ob das Dokument in Ägypten oder möglicherweise in Kappadokien ausgestellt wurde, ist nicht sicher. 54 Beim Konsulndatum wäre es immerhin möglich, daß wegen des Kaisersohnes auch einmal ein suffectus zur Datierung herangezogen wurde, und zwar unabhängig davon, ob die beiden Konsuln am 7. Juni

52 Noch am 20. Juni sind sie im Amt bezeugt : RAAN, 46, 1971, 180. 53 Vgl. V. Arangio-Ruiz im Kommentar zur Ausgabe. 54 Siehe den Kommentar zu Publikation des Textes.

CONSOLES ORDINARII UND CONSOLES SUFFECTI ALS EPONYME AMTSTRÄGER 33

bzw. 9. Juli noch amtierten. Dies ist zumindest für Vespasian fast ausgeschlossen. Um eine übliche Datierung auch nach einem suffectus kann es sich somit auch in diesem Fall kaum handeln.

SB 6304 = CPL 193 bezeugt für den 2. Oktober eines unbekannten Jahres, vielleicht für 150 oder 151,55 die suffecti C. Curtius Iustus und P. Iulius Nauto. Das Dokument ist zwar in griechischen Buchstaben geschrieben, der Text selbst jedoch ist lateinisch. Abgefaßt wurde er, und das ist entscheidend, im Lager der classis praetoria Ravennas, also in Italien. Trotz des Fundortes Fayum sagt das Zeugnis somit nur etwas über die Praxis der Datierung beim Militär in Italien etwa in der Mitte des 2. Jh.s aus.

P. Clermont - Ganneau Ib, publiziert von A. Bataille, nennt einen consul suffectus C. Iul[ius . . .], 56 vermutlich C. Iulius Gallus am Ende des Jahres 153.57 Auch dieses Zeugnis sagt jedoch nichts über die Praxis in Ägypten aus. Denn der Konsul wird lediglich in einem Zitat angeführt, das aus einem Militärdiplom stammt. In Militärdiplomen aber werden, wie oben ausgeführt, noch bis unter Septimius Severus auch die suffecti verwendet.58

Sieht man somit von dem sehr frühen P. Vindob. L 135 sowie PSI 6,729, dessen Lesung freilich nicht völlig eindeutig ist, ab, so gibt es kein zweifelsfrei ägyptisches Dokument, in dem ein consul suffectus in Datierungen verwendet worden wäre. Dies kann nicht dadurch bedingt sein, daß die Benachrichtigung über die jeweils amtierenden Konsuln für Ägypten besonders schwierig gewesen wäre. Vielmehr wurde hier, in Fortführung der ptolemäischen Tradition, das Herrscherjahr von Anfang an zur Grundlage der Datierung auch der römischen Administration. In Dokumenten, die sich ausschließlich auf innerrömische Vorgänge beispielsweise im Heer bezogen oder vor dem Präfekten von Ägypten verhandelt wurden, mochte man diese Herrscherjahre mit der Konsulatsdatierung verbinden. Doch dann genügten die consules ordinarii. 59

55 Vgl. Alföldy (Anm. 6) 156. 56 A. Bataille, JJP, 4, 1950, 327 ff. 57 J. F. Gilliam, ClPh, 55, 1960, 177 f. 58 Ein vergleichbares Dokument mit einem Zitat aus einer Bürgerrechtsverleihung

und der Nennung von Suffektkonsuln des Jahres 132 (?) wird in Kürze von P. Schubert als Pap. Diogenes 5 publiziert werden (freundlicher Hinweis von Dieter Hagedorn).

59 Vgl. oben S. 31.

34 WERNER ECK

Π - Datierungen in Dokumenten privaten Charakters

Mit einigen der papyrologisch überlieferten Zeugnisse ist bereits die Grenze von den amtlichen zu den eher privaten Dokumenten überschritten worden. Von Relevanz sind für unseren Zusammenhang insbesondere zwei in sich sehr gleichartige Quellengruppen, einmal die Wachstafeln, die in Pompeii, Herculaneum und in Murrecine gefunden wurden,60 sodann die tesserae nummulariae. 61 In beiden Fällen handelt es sich um Aufzeichnungen über Rechtsgeschäfte zwischen Privaten. Beide Urkundengruppen enden für uns fast zur selben Zeit; die letzten Wachstafeln aus Pompeii stammen aus dem Frühjahr 79 n.Chr.,62 die späteste tessera nummularia, jedenfalls soweit sie publiziert sind, aus dem Oktober 88 n.Chr.63 Beide Dokumentengruppen sind sehr dicht in der Überlieferung, teilweise haben wir für jedes Jahr ein oder sogar mehrere Zeugnisse. Dabei läßt sich eine weitgehende Identität bei der Gestaltung der Datierung erkennen : Es werden fast ausnahmslos ganz exakt ordinarii bzw. suffecti eingesetzt. Scheidet nur einer der beiden ordinarii aus und tritt lediglich an seine Stelle ein suffectus, so wird die

60 Siehe CIL IV p. 281 ff.; G. Pugliese-Carratelli, PP. 1, 1946, 379 ff.; ibid., 3, 1948, 165 ff.; ibid., 8, 1953, 455 ff.; V. Arangio-Ruiz-G. Pugliese Carratelli, PP, 9, 1954, 54 ff.; dies., ibid. 10, 1955, 448 ff. Die Wachstafeln von Murrecine sind zu sehr unterschiedlichen Zeiten von verschiedenen Personen publiziert worden, teilweise mit beträchtlichen Fehllesungen; deshalb ist es nicht nötig, alle diese Veröffentlichungen hier anzuführen. Wesentliche Verbesserungen sind inzwischen von G. Camodeca vorgelegt worden, z.B. Per una riedizione dell'archivio Puteolano dei Sulpicii, Puteoli 6, 1982, 3 ff.; ibid. 7/8, 1983/4, 3 ff.; ibid., 9/10, 1985/6, 3 ff.; ders., / consoli del 55-56 e un nuovo collega di Seneca nel consolato : P. Cornelius Dolabella, in ZPE, 63, 1986, 201 ff. Vor allem aber liegt mir eine vollständige Zusammenstellung aller Konsulatsdaten in diesen Dokumenten auf Grund von Neulesungen durch J. G. Wolf (Freiburg) vor. Herrn Kollegen Wolf möchte ich auch an dieser Stelle für seine Hilfsbereitschaft danken.

61 R. Herzog, RE, XVII, 1937, 1428 ff. Weitere Exemplare aus dem Jahr 17 v.Chr. in AE, 1968, 619; aus dem Jahr 6 v.Chr. im Bull.com., 1940, 200; aus dem Jahr 4 v.Chr. in /. Eph. II 562; aus dem Jahr 4 n.Chr. in Not. Scavi, 1942, 117 ff.; aus den Jahren 11 und 28 n.Chr. in Bull, com., 1940, 200 f.; aus dem Jahr 83 n.Chr. (?) AE, 1969/70, 6. Eine neue Sammlung wird von J. Andreau erstellt werden (Herrn Andreau möchte ich auch an dieser Stelle für seine Hinweise danken; seine Liste wird einige inedita enthalten); vgl. ders., La vie financière dans le monde romain. Les métiers de manieurs d'argent (IVe siècle av. J.-C. - IIIe siècle ap. J.-C), Rom, 1987, 489 Anm. 15.

62 CIL IV p. 408 ff . Nr. CLIV. CLV. 63 R. Herzog, RE, XVII, 1937, 1434 Nr. 138.

CONSOLES ORDINARII UND CONSOLES SUFFECTI ALS EPONYME AMTSTRÄGER 35

Datierungsformel in dieser einen Position geändert. Der Wechsel in der Datierung von einem Konsulnpaar zum andern erfolgt in den Dokumenten offensichtlich mit völliger Exaktheit, denn in einigen Fällen stammen Wachstafeln bzw. tesserae nummulariae gerade von dem Tag, an dem ein Konsulnpaar den anderen folgte. Die tesserae Nr. 95. 105 und 137 in der Sammlung von Herzog sind in den beiden ersten Fällen jeweils an den Kaienden des Juli ausgestellt, die zuletzt genannte an den Iden des Januar. Gerade an diesen Tagen wurden in den entsprechenden Jahren offensichtlich die fasces an Suffektkonsuln übergeben. In den Tafeln aus Murrecine werden noch am 28. Juni des J. 37 die beiden ordinarii Cn. Acceronius Proculus und C. Petronius Pontius Nigrinus genannt,64 dagegen bereits am 2. Juli Caligula zusammen mit seinem Onkel Claudius.65 Daraus ergibt sich, daß man nicht nur in Rom, wo es am ehesten zu erwarten ist, sehr genaue Informationen auch für den privaten Geschäftsbereich hinsichtlich der jeweils amtierenden Konsuln hatte, sondern auch in den Städten Italiens außerhalb Roms, jedenfalls in den für uns durch die genannten Dokumente greifbaren Orten Puteoli, Herculaneum und Pompeii. Diese sehr weitgehende Präzision macht es zwingend erforderlich anzunehmen, daß in organisierter und offizieller Weise alle Konsuln als eponyme Magistrate in die Städte außerhalb von Rom gemeldet worden sein müssen und daß dort die Informationen auch allgemein und leicht zugänglich gewesen sind. Da dies nicht dem Zufall überlassen worden sein kann, müssen die Munizipalmagistrate an der Beschaffung der für die Bewohner ihrer Städte notwendigen Informationen beteiligt gewesen sein.66

Auffällig ist jedenfalls, daß die doch oft recht umständliche Datierungsweise nach suffecti auch in privaten Rechtsdokumenten so lange beibehalten wurde. Vor dem J. 79, mit dem die Wachstafeln aus diesen Städten enden, ist offensichtlich in unserem erhaltenen Material nur in drei Fällen von der Datierung nach den Suffektkonsuln abgewichen worden, nämlich in den Jahren 27 und 57. In den betreffenden tabulae

64 G. Giordano, RAAN, 41, 1966, 115 = 45, 1970, 213 ff. Nr. 2 und 3 = AE 1972, 86. 65 G. Giordano, RAAN, 41 1966, 115 ff. = 45, 1970, 215 ff.= AE, 1969/70, 100 = 1972,

87. Dies schließt nicht aus, daß bei den Tages- und Monatsdaten gelegentlich Fehler auftreten können; vgl. z.B. G. Camodeca, Puteoli 7/8, 1983/84, 60 f.

66 Vgl. einige Hinweise bei W. Eck, Die staatliche Organisation Italiens in der Hohen Kaiserzeit, München, 1979, 18 f.; ders., in 100 Jahre Neues Gymnasium Nürnberg. Festschrift, Donauwörth, 1989, 209 f.

36 WERNER ECK

werden die ordinarii verwendet, obwohl sie in den Monaten, in denen die Dokumente ausgestellt wurden, nicht mehr im Amt waren.67 In den zwei tabulae, die ins Jahr 57 gehören, sind Nero zum 2. Mal und L. Calpurnius Piso Konsuln gewesen;68 Nero war während des gesamten Jahres im Amt, Calpurnius Piso wohl 6 Monate, bis er durch Caesius Martialis abgelöst wurde.69 Obwohl Martialis in mehreren Wachstafeln aus Pompeii als Konsul erscheint, ist es doch bei der gegebenen Situation leicht vorstellbar, daß man beim Verbleiben des Kaisers im Konsulat den Wechsel von Calpurnius Piso zu Caesius Martialis in einigen Fällen übersehen hat.

Für die Provinzen sind größere Wachstafelfunde parallel zu den Komplexen in Italien während des 1. Jh.s nicht vorhanden, so daß nichts darüber zu sagen ist, ob man in den Provinzen, zumindest im Westen, ebenfalls die Datierung nach den suffecti angewandt hat. In den Wachstafeln, die in Dakien gefunden wurden und aus der Zeit des Antoninus Pius und des Marc Aurei stammen, ist das. System bereits vollständig auf die alleinige Nennung der ordentlichen Konsuln umgestellt.70

In einer weiteren Dokumentengruppe, in der vor allem seit 123 n.Chr. häufig eine Datierung nach Konsuln angegeben wird, den "stadtrömischen" tegulae, finden sich in wenigen Fällen, nämlich insgesamt vier, auch suffecti genannt.71 Alle diese Daten gehören in die Mitte der Regierungszeit Hadrians zwischen 126 und ca. 130, also beschränkt auf ganz wenige Jahre. Vermutlich hat sich diese Verwendung als völlig unpraktikabel erwiesen, so daß man sich allgemein, so lange man Ziegelstempel mit eponymen Amtsträgern signierte, auf die ordentlichen Konsuln beschränkte. Daß man überhaupt um 126/130 noch die Namen von Suffektkonsuln auf diesen massenhaften Produkten verwendete, ist wohl in erster Linie dadurch zu erklären, daß auch die Besitzer der Güter bzw. der figlinae zum größeren Teil Senatoren

67 Zum Jahr 27 : CIL IV p. 282 Nr. II. 68 CIL IV p. 326 Nr. XXXV : am 5. August; p. 336 Nr. XLI : zwischen September und

Dezember. 69Degrassi, FC 16. 70 Vgl. CIL III p. 924 ff. Eine Wachstafel aus Niedergermanien, die vermutlich ins 1.

Jh. gehört, in AE, 1919, 51 = 1920, 42 = Finke nr. 372. Hier sind suffecti angeführt. 71 CIL XV 69. 939. 1409; 127. 375. 1228b; 244. 552; H. Bloch, / bolli laterizi e la storia

edilizia romana, Rom, 1947, 281 f. Nr. 39. 329.

CONSULES ORDINARII UND CONSULES SUFFECTI ALS EPONYME AMTSTRÄGER 37

waren oder doch engste Verbindung mit senatorischen Familien hatten, denen somit die Existenz von suffecti durchaus vertraut war.

Neben diesen Gruppen von Dokumenten mit gleichartigem Inhalt stehen eine größere Anzahl von Einzelzeugnissen,72 in denen ebenfalls suffecti als datierendes Element verwendet wurden. Sie werden in den folgenden Listen erfaßt, wobei einerseits geographisch nach Rom, Italien und Provinzen unterschieden wird, andererseits Grabinschriften gesondert von allen anderen Dokumenten (vor allem Dedikationen, Pa- tronatsverträgen, Aufschriften auf Amphoren) aufgeführt werden.73

Rom : Dedikationen u.a.

Jahr

19 v.Chr. 2 v.Chr. 3 n.Chr. 5

12 18 48? 52 56 57 68 70? 70? 73? 79 81 80/81 85 86 89

Beleg

XV 4590; Res gestae 11 VI 36809 = D. 9250 XV 4571 VI 813 VI 765. 852 VI 244 AE 1953, 24 Degrassi, FC 14 AE, 1960, 61 f. VI 268 VI 471 = D. 238 VI 200 = D. 6049 VI 253 VI 2222 = D. 6074 VI 597 = D. 3534 VI 328 = D. 3434 VI 163 AE, 1975, 21 VI 127 VI 39092

(setzt)

72 Das hier vorgeführte Material dürfte den größeren Teil aller bekannten Zeugnisse erfassen; doch ist noch keine absolute Vollständigkeit erreicht.

73 In den literarischen Quellen werden suffecti, einmal abgesehen von der HA, wo es sich jedenfalls für das 3. Jh. durchgehend um Fälschungen handelt, nur selten erwähnt. Eines der spätesten Beispiele ist Iuvenal 15,27 mit Verweis auf Aemilius Iuncus, suff. 127 n.Chr. (vgl. 13,17 mit einem Fonteius, ebenfalls möglicherweise suffectus); die Bemerkung von J. Ferguson, A Prosopography to the Poems of Juvenal, Brüssel, 1987, 123 ist irreführend, wie vieles andere in diesem Kommentar.

38 WERNER ECK

Jahr

92 97 98 98/99 99?

100 101 102 107 118 119

um 125 128 133 138 143/4

flav. od. hadr.?

Beleg

VI 3737 AE, 1936, 95 VI 468 = 30773 VI 616 *74 VI 31 VI 451 = D. 3619 VI 1492 = D. 6106 VI 2191 = D. 4965 VI 630 VI 207 = 30715 AE, 1979, 62 AE, 1973, 36 VI 30901 = D. 1622 VI 858 AE, 1934, 146; VI 30943 VI 30868 AE, 1958, 262

Italien : Dedikationen u.a.

Jahr

23 v.Chr. 12 3 n.Chr. 5

15 18 21 23? 24 26

Beleg

AE 1963, 34 X 3804 = D. 3004 X 824 = D. 6382 unpublizierter Ziegel75 IV 5214; XI 6689, 119 XI 3196 = D. 3335; IV 1552; IX 3644 IV 1553 X905 XV 4568 AE, 1969/70, 110; CIL XI 381376

(setzt)

74 Vgl. dazu R. Syme, JRS, 43, 1953, 154 f. = Roman Papers I 241. 257; W. Eck, ZPE, 45, 1982, 144 f.

75 Der Ziegel wurde bei Grabungen in einer Villa des Granius Marcellus bei Cività di Castello gefunden; Dr. Braconi (Perugia) danke ich auch hier für die zuvorkommende Bereitstellung des Materials.

76 Die bisherige Lesung des CIL ist hinfällig ; ein weiteres Fragment zeigt die suf f ecti des Jahres 26, M. Tutor und L. Silanus flamen Martialis; Publikation der Neulesung

CONSULES ORDINARII UND CONSULES SUFFECTI ALS EPONYME AMTSTRÄGER 39

vor

ca.

um

nach

kurz

um

Jahr

29 44 45 49 54? 56 56 60 61 62 69 75 76 79

80 83

105 106 115 nach 132 134 146 175?

?

Beleg

IV 1555 X 6638, C2, 26; XI 3806 X 825 = D. 6385 XI 6236 = D. 5540 X 827 = D. 6384 XIV 3471 = FIRA2 III 124 X 826 = D. 6383 AE, 1929, 161 D. 8582 X 1549 X 7852 IV 5526 IV 2560 IGR I 420 = AE, 1950, 31 b = P. Visonà. Puteoli 9/10, 1985/6, 53 XIV 3543 = D. 3452 XIV 4725 XIV 4057 X 5670 AE, 1911, 95 = Bull, com., 46, 1918, 166 XI 5178 XIV 3693 = AE, 1967, 78 IX 6587 Brunella Trombettoni - L. Sensi, Boll. stor. della città di Folig- no, 10, 1986, 498 f. AE, 1985, 364 = XI 4639

Provinzen : Dedikationen u.a. 77

Jahr

30 v.Chr. 16 12

Beleg

Vili 22640,5 Vili 22640,13 Vili 68 = D. 6095

(setzt)

durch P. Liverani und I. di Stefano Manzella in einem der nächsten Bände der ZPE (I. di Stefano Manzella habe ich für die frühzeitige Information zu danken).

77 In CIL III 6054 sollen nach PIR2 C 124 sowie nach Degrassi 115 Suffektkonsuln genannt gewesen sein; doch dürften sich die Namensreste eher auf curatores der Gemeinschaft der negotiantes beziehen; vgl. auch Settantine de Chypre XIII. Testimonia Salaminia 2, hg. von J. Pouilloux, R. Roesch, J. Marcillet-Jaubert, Paris, 1987, 29 nr. 58.

40 WERNER ECK

Jahr

5 n.Chr. 5?

11 26 40 41

unter Claudius ? 57 65

60/70 er Jahre 1. Jh.? 85 98

ca. 128 135/6 152 152

Mitte 2. Jh.? 153

Beleg

AE, 1954, 243 II 2191 XII 4333 V 4922/21 = D. 6099. a II 5792 = D. 6102 III 8753 AE, 1919, 51 = 1920, 42 II 2958 = D. 6104 IV 2551 = D. 8584 Samothrace II 1,40 XII 3637 II 2344 = A. U. Stylow, Madr. Mitt., 28, 1987, 100; AE, 1936, 66 III 82 ZPE, 52, 1983, 157 AE, 1971, 183 Tyche, 1, 1986, 70 nr. 25 AE, 1978, 666 = IDR III 2,242 II 2008; VII 802

Rom : Grabinschriften mit suffecti

Jahr

12 v.Chr. 5

10 n.Chr. 12 13 17

unter Tiberius 28 39/42 41 46

Beleg

VI 17130.21158 VI 9319 VI 4118. 20606. 25617 VI 852 = 7462. 27526 Di Stefano Manzella, ZPE, 76, 1989, 262 ff. Di Stefano Manzella, ZPE, 76, 1989, 262 ff. VI 14221 VI 10293 VI 9005 = D. 1795 VI 201 4 178 VI 36850

(setzt)

78 Vermutlich liegt der Grund für die Nennung des suffectus darin, daß man den ermordeten Caligula nicht mehr anführen wollte.

CONSULES ORDINARII UND CONSULES SUFFECTI ALS EPONYME AMTSTRÄGER 41

Jahr

unter Claudius 63/68 68 86 89 97?

102 108

nach 123 144

Beleg

VI 24729 VI 10055 VI 8680 = 33743. 3046979. 9190 VI 15847 VI 39092 Rom. Mitt., 1, 1886, 128 VI 10244 VI VI 10229 2.24 VI 10241 = D. 7912 VI 24162

Italien : Grabinschriften mit suffecti

Jahr

2 n.Chr. 6

35 od. 43 44 67 78/79 2. Hälfte 2. Jh.

X 2039 a = D. 7843 X 4881 = D. 8530 X 4881 = D. 8530 XI 3806 (= 10339) AE, 1914, 219 XIV 4276 IX 1574 = Camodeca,

Beleg

ZPE, 51, 1983, 207 ff.

Die zusammengestellten Dokumente80 lassen recht deutlich erkennen, daß während des gesamten 1. Jh.s n.Chr. Datierungen nach Suf- fektkonsuln noch möglich waren. In Rom finden sich solche Paare von suffecti vor allem in Dedikationsinschriften von Altären an verschiedene Götter, und zwar bis in die frühantoninische Zeit hinein kontinuier-

79 Vgl. La collezione epigrafica dei Musei Capitolini, hg. S. Panciera (Tituli, 6), Rom, 1987, 283 nr. 242.

80 Zu einigen wenigen Dokumenten, die angeblich noch spätere Datierungen nach Suffektkonsuln aufweisen sollen, wird an anderem Ort Stellung genommen. Vgl. z.B. J. Marcillet-Jaubert, ZPE, 13, 1974, 77 f., der in einer Inschrift aus Mauretania Caesarien- sis für den 8. Februar 219 einen Suffektkonsul zu erkennen glaubte. Dafür gibt es nicht den geringsten Hinweis ; möglicherweise stand am Ende des Textes : E[ Jtio Proci- - curatore]. Hoch problematisch RIB 181.

42 WERNER ECK

lieh, um dann unvermittelt abzubrechen. In Italien, wo es sich ebenfalls vornehmlich um Weihungen von Altären oder von Statuen handelt, reicht die Reihe kontinuierlich bis in die Zeit Traians; dann folgen noch zwei weitere, wobei eine Inschrift aus Foligno, wenn die Datierung zutrifft, völlig vereinzelt Suffektkonsuln noch etwa um 175 n.Chr. zur Datierung heranzieht. Zeugnisse aus den Provinzen, die freilich aufs Ganze gesehen recht selten sind, führen bis in die Mitte des 2. Jh;81 überwiegend handelt es sich dabei um Patronatsver träge bzw. Aufschriften auf Amphoren. Die beiden letzten Belege stammen jeweils von Dedikationen. Gleichartige Elemente, die für eine größere Anzahl der Dokumente die Verwendung der suffecti erklären könnten, sind offensichtlich nicht zu finden.

Immerhin ist darauf hinzuweisen, daß bei den Grabinschriften aus Rom sich für das Jahr 102, 108 und kurz nach 123 drei Dokumente finden, die nicht einfache Texte für Verstorbene sind. Vielmehr handelt es sich in allen drei Fällen um Rechtsdokumente, die zwar am Grab veröffentlicht, aber nicht speziell dafür konzipiert wurden. CIL VI 10244 ist eine Urkunde aus dem J. 102, in der Rechte am Grab fixiert wurden; der Rechtsakt geschah in der Form einer sponsio. Ähnliches gilt auch für CIL VI 10241 = D. 7912 aus den Jahren kurz nach 123. CIL VI 10229 dagegen ist das sogenannte Testamentum Dasumii; es wurde im J. 108 abgefaßt. Alle drei Dokumente sind präzis mit den Suffektkonsuln sowie mit Tages- und Monatsdatum versehen. Dies läßt erkennen, daß für derartige Privatrechtsdokumente jedenfalls in Rom auch noch in den ersten Jahrzehnten des 2. Jh.s n.Chr. die Datierung nach den jeweils amtierenden Konsuln in Gebrauch war.

81 In einem neuen Dokument aus Takina (S. §ahin - D. H. French, Epigraph. Anat., 10,1988, 140) erscheint Μαρκ. Ιουνίου Κογκέσσου Αιμιλιανού ύπατείας. Der Text gehört ohne Zweifel in die Zeit Caracallas. Ein consul Ordinarius dieses Namens ist unbekannt; somit müßte es sich um einen Suffektkonsul handeln, was angesichts der Zeit und des Ortes, woher die Inschrift stammt, ganz unwahrscheinlich ist. Außerdem ist es kaum möglich, einen zweiten Namen zu ergänzen. Ob man allerdings ύπατείας als άνθυπατείας verstehen darf (so Çahin 136 f.), ist mir eher zweifelhaft. Vielleicht könnte man dafür freilich auf Apuleius, apolog. 94 verweisen. - SEG, 32, 871 ist ein Text aus Hierapytna; von der Konsulatsdatierung in Zeile 1 ist nur [- - Μ]αρκελλίνφ ύπάτοις) erhalten; außerdem ist der Monat Oktober angegeben. Consules ordinarii, die das Cognomen Marcellinus als Hauptcognomen tragen, sind nicht bekannt; damit müßte es sich un einen suffectus handeln. Der Text soll nach dem Herausgeber ins 2. Jh. gehören. Zeile 6 f. könnte übrigens der Name des Prokonsuls erhalten sein (am Ende von Zeile 7 wohl nicht Φλαου(ίου) Τ / sondern Φλαουί /, also I statt Τ).

CONSULES ORDINARII UND CONSULES SUFFECTI ALS EPONYME AMTSTRÄGER 43

* * *

Die vorausgehenden Untersuchungen lassen drei Aussagen zu. 1. Soweit wir geschlossene Privatrechtsdokumentengruppen ha

ben, erscheinen in Italien während des 1. Jh.s n.Chr. grundsätzlich die Konsuln zur Datierung, die zum Zeitpunkt der Ausstellung der Urkunde im Amt waren. Wann diese Praxis sich änderte oder geändert wurde, läßt sich nicht feststellen, sicher nicht vor der spätflavischen Zeit. In Rom dürften solche Dokumente, jedenfalls bis in die Regierungszeit Hadrians hinein, zumindest noch häufig die Namen auch von Suffekt- konsuln getragen haben.

2. Sonstige Dokumente mehr privater Art werden bis in den Anfang des 2. Jh.s hinein ebenfalls noch nach suffecti datiert. Nach Trai- an/Hadrian finden sich nur noch ganz wenige, völlig vereinzelte Zeugnisse.82 Damit stimmt auch die Entwicklung überein, die sich bei der Datierung der Beschlüsse der Dekurionenräte in den italischen Städten erkennen läßt. Schon seit Beginn des 2. Jh.s werden mehr und mehr nur noch die consules ordinarii genannt, zum letzten Mal erscheinen mit Sicherheit im J. 166 nochmals die suffecti in einem decretum decu- rionum. Dabei ist nicht ausgeschlossen, daß in Einzelfällen wie vielleicht CIL X 8180 oder sicher in der Inschrift aus Foligno auch viele Jahrzehnte später noch einmal ein Suffektkonsulnpaar als Datierungshinweis gebraucht wurde. Dabei können durchaus spezielle Gründe vorliegen.

3. Am längsten wird die Datierung mit den jeweils amtierenden Konsuln im politisch-administrativen Bereich beibehalten, allerdings nur beschränkt auf Rom. Ein endgültiger Wechsel trat wohl unter Sep- timius Severus oder spätestens unter Caracalla ein, als offensichtlich die Verwendung der consules suffecti für Datierungszwecke bei allen

82 Die vollständige Entwicklung in der Praxis der Datierung wird sich erst aus einem Vergleich zwischen den Daten mit suffecti und den Daten ergeben, in denen ordinarii genannt werden, obwohl sie nicht mehr im Amt sind. Das früheste Beispiel dafür findet sich offensichtlich in Pompeii; vgl. V. Weber, Jahresdatierung allein nach consules ordinarii bereits im J. 1 u.Z. ? Zu den pompeianischen Steininschriften CIL X 884. 891 und NS 1900 S. 270, in ZAnt, 25, 1975, 491 ff. Eine partielle Überprüfung des Materials läßt deutlich werden, daß erst von der hadrianischen Zeit an kontinuierlich sich fast in jedem Jahr mehrere Zeugnisse für diese Datierungsart finden. Eine genaue Auswertung des Gesamtmaterials wird an anderer Stelle erfolgen.

44 WERNER ECK

staatlich-administrativen Handlungen eingestellt wurde. Zwar war dies für einige Bereiche bereits vorher, vermutlich aus unterschiedlichen Gründen, geschehen. Doch nunmehr scheint es entweder offiziell verfügt worden zu sein oder es hat sich zumindest generell durchgesetzt. Damit fand zwar nicht die Geschichte des Suffektkonsulats ein Ende, doch der entscheidende Stoß zu seiner endgültigen, noch mehr als zwei Jahrhunderte dauernden Bedeutungslosigkeit war dadurch gegeben.

In der Senatorenschaft hat man jedenfalls die geänderte Praxis registriert und daraus seine Schlußfolgerungen gezogen. Die Eponymi- tät war zu einem exklusiven Faktor geworden, aus dem sich ein gesteigertes Prestige für die ordentlichen Konsuln gewinnen ließ. Bezeichnenderweise erscheint deshalb auch seit dem Ende des 2. bzw. dem Beginn des 3. Jh.s in Cursusinschriften von Senatoren oder allgemein in Ehreninschriften, in denen der Konsulat angegeben wird, die Formel consul Ordinarius.83 Das früheste Beispiel stammt vielleicht noch vom Ende des 2. Jh.s. C. Iulius Rufinus Laberius Fabianus Pomponius Triarius Erucius Clarus Sosius Priscus wird geehrt als Erudì Clari cos. ordinarii filius, Erucii Clari cos. ordinarii nepos.84 Die beiden consules ordinarii amtierten in den Jahren 170 und 193. 85 Die Ehreninschrift für Sohn bzw. Enkel ist vermutlich zwischen 193 und 197 gesetzt worden.86 Der nächste bekannte Text mit cos. ord. bezieht sich auf C. Iulius Gale- rius Asper, ordentlicher Konsul im J. 212,87 ein weiterer auf C. Octavi- us Appius Suetrius Sabinus, 214 n.Chr. im Amt.88 Von da an fehlt nur noch in Ausnahmefällen das Distinktivum Ordinarius, wenn es einer Person zukam.89 Auf das Exklusivitätsmerkmal hat kaum jemand verzichtet. Daß, in Verbindung mit vorausgehenden Entwicklungen, dies eine Folge der endgültigen Veränderung in der Konsulatsdatierung zu Beginn des 3. Jh.s unter Septimius Severus oder spätestens unter Cara- calla war; ist nicht zu bestreiten.

Werner Eck

83 Dazu bereits W. Eck, in Heer und Integrationspolitik (Anm. 13), 564 ff. 84 AE, 1954, 139. 85 PIR2 E 95 und 97. 86 L. Leschi, Libyca 1, 1953, 201 ff. 87 CIL VI 31716. 88 CIL Χ 5178. 5398 = D. 1159; VI 1476. 89 Vgl. G. Alföldy, ZPE, 70, 1987, 199 Anm. 24. Zu ergänzen ist IGR I 137.