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Dilemmata der Bildungssysteme in Deutschland Vortrag beim Publisher-Forum Berlin am 05. Mai 2014 Dr. Margret Ruep, Prof. h. c. - LUNN
Gliederung
1. Bildungsverständnis und Bildungssteuerung in Deutschland
2. Dilemmata Pädagogik vs. Politik Vielfalt/Individualisierung vs. Zentralisierung/
Standardisierung Inklusion/Integration vs. gegliedertes Schulsystem Verfassungsauftrag ‚Chancengleichheit‘ vs. soziale
Benachteiligung/Ungleichheit im Bildungssystem 3. Herausforderungen und Perspektiven
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Bildungsverständnis
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Platon, Meister Eckardt, Pico della Mirandola, Comenius
Humboldt Luhmann/Schorr - „Kontingenzformeln“ Perfektibilität Bildung Lernfähigkeit
Heute: Begriffsvielfalt „Wärmemethaper“ (Johannes Weinberg) Bildung als Prozess und Ergebnis (Individualisierung) „Personalismus“ – ‚primum der Person‘ (Winfried Böhm) Bildungsstandards, Kompetenzen, Niveaustufen...
Bildungsverständnis
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Bildung beinhaltet „die Anregung aller Kräfte des Menschen, damit diese sich über die Aneignung der Welt entfalten und zu einer sich selbst bestimmenden Individualität und Persönlichkeit führen“ (Humboldt).
Bildung heißt, „den Menschen als gesellschaftliches Wesen mit einer inneren, frei akzeptierten Form auszustatten, die zugleich eine Garantie dafür schafft, dass die gesellschaftlichen Verhältnisse eine humane Ausrichtung gewinnen“ (Luhmann).
„Bildung ist eine unabschließbare Aufgabe des Menschen. Sie realisiert sich im Wissen, das der Mensch fortwährend erwirbt, in den Urteilen, die er kontinuierlich erneuern und im Handeln, über das er nach Maßgabe seines Wissens und Urteilens immer wieder neu entscheiden muss“ (Rekus).
Bildungsverständnis – „Reflexionsprobleme“
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Bildungssteuerung: Blick aus Ländersicht
Internationale Vereinbarungen (UN-Ebene, OECD, EU)
Kultusministerkonferenz Bundesministerium für Bildung
und Forschung Internationale Vorgaben Verfassungen Schulgesetz Bildungspläne Fachcurricula ....
§§§§§§§§§... §§§§§§§§§§§§.... Tradition der Vorgabensteuerung
Bundesland Einzelschule.....
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Bildungssteuerung: Blick aus Sicht der einzelnen Schule
Kultusressort (Wissenschaftsressort)
Schulverwaltung (z. B. Staatliche Schulämter,
Regierungspräsidien) Schulträger
Lehrer/in
Internationale Vorgaben Verfassungen Schulgesetz Bildungsplan Fachcurricula ....
§§§§§§§§§... §§§§§§§§§§§§.... Tradition der Vorgabensteuerung
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Schulleitung
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„Es gibt keine Spielräume…“ Norm Green, Ontario/Kanada 2004
Pädagogik vs. Politik Pädagogisches Handeln Politisches Handeln
Am Menschen orientiert Flache Hierarchie Direkte Kommunikation und situatives Handeln Pädagoge als (Ver)mittler in je einmaligen Unterrichts-situationen Personal-emotionale Beziehung
Machtorientierung Hierarchie (Stab-Linie) Indirekte Kommunikation über hierarchische Bürokratien Anordnung per Gesetz und Erlass Rational-distanziert
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Vielfalt/Individualisierung vs. Zentralisierung/Standardisierung
Vielfalt/Individualisierung Zentralis./Standardisierung
Orientierung an individuellen Voraussetzungen (Diagnose-gestützt) Jede/r darf nach eigenem Tempo lernen (Dokumentation der Entwicklung) Lehrer als (Ver)mittler und Lernbegleiter, Berater, Feedbackgeber...
Durch KMK vorgegebene verpflichtende Bildungsstandards An den Standards orientierte Kompetenzformulierungen in drei Niveaustufen An den Standards orientierte zentrale Abschlussprüfungen 10
Inklusion/Integration vs. gegliedertes Schulsystem
Inklusion/Integration Gegliedertes Schulsystem
Umsetzung internationaler und nationaler Rechtsnormen. Schule als ‚Übungsraum‘ für Demokratie (‚just community‘). Geht von Heterogenität und Individualität aus und setzt auf personalisiertes Lernen.
Historisch in einer ständisch geprägten Gesellschaft entstanden. Drei Stände – Drei Schularten für theoretisch, technisch-praktisch und handwerklich-praktisch ‚Begabte‘. Geht von einer je homogenen Schülerschaft aus und setzt auf äußere Differenzierung.
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Verfassungsauftrag ‚Chancengleichheit‘ vs. soziale Benachteiligung/Ungleichheit im Bildungssystem Chancengleichheit Soziale Benachteiligung
Ungleichheit UN-Menschenrechtserklärung, Grundgesetz und Landesverfassungen fordern Chancengleichheit und Nachteilsausgleich durch Schulen ein (UN, Art. 26; GG, Art. 7, BW-Land Art. 11).
PISA 2000: Das Schulsystem erzeugt Bildungsbenachteiligung durch die Zuweisung zu Schulen aufgrund sozialer Herkunft. Daraus ergibt sich eine soziale Benachteiligung unabhängig von tatsächlichen Fähigkeiten. 12
Herausforderungen und Perspektiven
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Verständigung über die normativen Grundlagen von
Bildung und Schule. Abbau sozialer Benachteiligung im Bildungssystem. Personalisiertes Lernen (Vielseitige Anregungen und
Zeit zum Lernen!). Erweiterte Eigenständigkeit der Einzelschule. Professionalisierung der Lehrkräfte. Entsprechende Anpassung der Bildungssteuerung
(„Lernende Organisation“).
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f
Gr
Lernende Organisation Peter Senge
Grundprinzipien: Partizipation und Dialog
Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
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Literatur: Luhmann, N. / Schorr K.-E. (1999): Reflexionsprobleme in
der Erziehung. Frankfurt/M.: Suhrkamp. Overesch, A. (2007): Wie die Schulpolitik ihre Probleme
(nicht) löst. Münster: Waxmann. Ruep, M. / Keller, G. (2004): Lernende Organisation
Schulverwaltung – LOS! Auer: Donauwörth. Ruep, M. (2011): Bildungspolitische Trends und
Perspektiven. Hohengehren: Schneider.