dieter e. zimmer - scientology

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Einschuechtern- zermuerben-zerstoeren von Dieter E. Zimmer Die Scientologen scheuen keine Mühe, ihre Kritiker mundtot zu machen Scientology - das klingt zunächst so seriös wie pompös, nach "Wissenschaftskunde" eben, einer Art erhabener Meta-Geistestätigkeit, und es ist doch nur eine Methode, Leuten Geld aus der Tasche zu ziehen, und noch nicht einmal eine besonders intellektuelle, dafür aber um so effektiver. Gnadenlos beutet dieser "Psychokult" eine Schwachstelle des Menschen aus: Wenn ihn das Bedürfnis nach psychischer Perfektionierung, nach metaphysischem Halt, nach dem letzten Sinn der Welt überkommt, ist er bereit, außer Kraft zu setzen, was auch immer an Verstand ihm gegeben ist. Einem auf einem verbreiteten Hausmärchen beruhenden Werbespruch der Sekte zufolge gebraucht der Mensch sein geistiges Potential normalerweise nur zu zehn Prozent - sie verspricht, einem auch zu den übrigen neunzig Prozent zu verhelfen, treibt im Verlauf der Operation tatsächlich aber auch noch die letzten zehn aus. Die Methode ist so alt wie alle Wahrsagerei. Erstens muß man Leute identifizieren, die empfänglich sind, nämlich von Zweifeln, vor allem Selbstzweifeln geplagt. Zweitens muß man ihnen das Gefühl vermitteln, daß man sie irgendwie durchschaut habe und daß eine Person oder eine Organisation, die sie zu durchschauen vermag, auch Abhilfe zu bieten haben werde. Drittens - das ist die höhere Kunst - darf man seine psychische Dienstleistung nicht etwa auf einmal preisgeben, sondern muß sie zeitlich strecken, so daß aus ihr ein langwieriger Prozeß wird, in dessen Verlauf das Opfer, der Klient immer tiefer verstrickt wird und sich, mit dem Gaukelbild seiner endgültigen psychischen Sanierung vor Augen, jeden einzelnen Schritt mehr kosten läßt. Noch diesen Kurs, noch jene Prüfung, noch den ganz teuren Dreh, und es wäre geschafft, aus dem Seelenkümmerling wäre geradezu ein Titan geworden. Geködert hat Scientology die Leute früher, als sie sie noch auf der Straße anmachen durfte, vorwiegend mit dem schlichten Mittel eines Fragebogens. Wollen Sie nicht mal einen kleinen wissenschaftlichen Persönlichkeitstest machen? Ist doch auf jeden Fall interessant und natürlich völlig unverbindlich. Auch wenn der Test wissenschaftlichem Standard nicht entsprach - er verriet tatsächlich etwas über den Getesteten. Der hatte schon durch die Teilnahme an dem Spiel zu erkennen gegeben, daß er sich für psychisch nicht ganz in Ordnung hielt. Und er hatte dazu ein paar seiner persönlichen Schwachstellen verraten. Nach der Diagnose die Therapie - in Form des Versprechens, daß sich das Problem beheben lasse, natürlich mittels Scientology. Die Behandlung, die dem zuteil wird, der den Versprechungen glaubt, besteht im wesentlichen darin, endlose Saunagänge zu machen, zwecks innerlicher Reinigung, sich von Scientologen auf deren Weise demütigend und

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Page 1: Dieter E. Zimmer - Scientology

Einschuechtern- zermuerben-zerstoeren

von Dieter E. Zimmer

Die Scientologen scheuen keine Mühe, ihre Kritiker mundtot zu machen

Scientology - das klingt zunächst so seriös wie pompös, nach "Wissenschaftskunde" eben, einer Art erhabener Meta-Geistestätigkeit, und es ist doch nur eine Methode, Leuten Geld aus der Tasche zu ziehen, und noch nicht einmal eine besonders intellektuelle, dafür aber um so effektiver. Gnadenlos beutet dieser "Psychokult" eine Schwachstelle des Menschen aus: Wenn ihn das Bedürfnis nach psychischer Perfektionierung, nach metaphysischem Halt, nach dem letzten Sinn der Welt überkommt, ist er bereit, außer Kraft zu setzen, was auch immer an Verstand ihm gegeben ist. Einem auf einem verbreiteten Hausmärchen beruhenden Werbespruch der Sekte zufolge gebraucht der Mensch sein geistiges Potential normalerweise nur zu zehn Prozent - sie verspricht, einem auch zu den übrigen neunzig Prozent zu verhelfen, treibt im Verlauf der Operation tatsächlich aber auch noch die letzten zehn aus. Die Methode ist so alt wie alle Wahrsagerei. Erstens muß man Leute identifizieren, die empfänglich sind, nämlich von Zweifeln, vor allem Selbstzweifeln geplagt. Zweitens muß man ihnen das Gefühl vermitteln, daß man sie irgendwie durchschaut habe und daß eine Person oder eine Organisation, die sie zu durchschauen vermag, auch Abhilfe zu bieten haben werde. Drittens - das ist die höhere Kunst - darf man seine psychische Dienstleistung nicht etwa auf einmal preisgeben, sondern muß sie zeitlich strecken, so daß aus ihr ein langwieriger Prozeß wird, in dessen Verlauf das Opfer, der Klient immer tiefer verstrickt wird und sich, mit dem Gaukelbild seiner endgültigen psychischen Sanierung vor Augen, jeden einzelnen Schritt mehr kosten läßt. Noch diesen Kurs, noch jene Prüfung, noch den ganz teuren Dreh, und es wäre geschafft, aus dem Seelenkümmerling wäre geradezu ein Titan geworden. Geködert hat Scientology die Leute früher, als sie sie noch auf der Straße anmachen durfte, vorwiegend mit dem schlichten Mittel eines Fragebogens. Wollen Sie nicht mal einen kleinen wissenschaftlichen Persönlichkeitstest machen? Ist doch auf jeden Fall interessant und natürlich völlig unverbindlich. Auch wenn der Test wissenschaftlichem Standard nicht entsprach - er verriet tatsächlich etwas über den Getesteten. Der hatte schon durch die Teilnahme an dem Spiel zu erkennen gegeben, daß er sich für psychisch nicht ganz in Ordnung hielt. Und er hatte dazu ein paar seiner persönlichen Schwachstellen verraten. Nach der Diagnose die Therapie - in Form des Versprechens, daß sich das Problem beheben lasse, natürlich mittels Scientology. Die Behandlung, die dem zuteil wird, der den Versprechungen glaubt, besteht im wesentlichen darin, endlose Saunagänge zu machen, zwecks innerlicher Reinigung, sich von Scientologen auf deren Weise demütigend und

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nervenaufreibend und ermüdend verhören und anstarren zu lassen und dabei immer wieder den Hautwiderstand zu messen - eine trostlose Prozedur, die indessen auf manches labile Gemüt zeitweilig euphorisierend zu wirken scheint und in deren Verlauf einem zweierlei beigebracht wird: Unterwerfung nach innen und Rücksichtslosigkeit nach außen. Wer sich darauf einläßt, findet sich jedenfalls auf einer nicht mehr enden wollenden Hintertreppe empor zur endgültigen Erleuchtung und Erlösung (die so etwas wie "totale Kontrolle" über Raum und Zeit für die nächsten paar Milliarden Jährchen sein soll), auf der er von Stufe zu Stufe mehr auf den Tisch zu blättern hat - im Laufe der Jahre können es einige hunderttausend Mark werden. Kurz, es handelt sich um eine vom Opfer bezahlte Gehirnwäsche mit dem Ziel, es zahlungsbereit zu halten. Für immerhin echtes Geld kauft es auf diesem mühseligen Weg nichts anderes als eine Seifenblase: das Wahnsystem, das sich der Gründer der Scientology, der amerikanische Science-fiction-Autor L. Ron Hubbard, aus einem Sechstel Psychoanalyse, einem Sechstel Okkultismus, einem Sechstel bei Hitler & Stalin abgekupferter totalitärer Praxis und einer Hälfte Krieg-der-Sterne-Spinnerei zusammengebastelt hat, eine abstruse, großmäulige und leider auch ziemlich gemeine Ideenmixtur auf Groschenromanniveau, für die selbst das Wort Ideologie zu schade scheint, obwohl sie wie echte Ideologien letztlich auf etwas Reales aus ist, nämlich schlicht Macht - nicht weniger als die "Weltherrschaft" in diesem Fall. Auf eine halbe Million im deutschsprachigen Raum, auf zwei Millionen weltweit wird die Anhängerschaft von Scientology geschätzt. Genaueres würde sie zuallerletzt verraten. Denn die Weltanschauungsfirma befindet sich natürlich in einer gewissen Dauerzwickmühle. Auf der einen Seite sucht sie nicht nur Proselyten, sondern will unbedingt in der Wirtschaft Fuß fassen und braucht daher Öffentlichkeit - nur wenn sie sich weithin sichtbar und einigermaßen glaubhaft als Gemeinschaft der sauberen, strahlenden und erfolgreichen Übermenschen darstellt, die sie aus den Leuten zu machen verspricht, kann sie auf den Zulauf zahlungskräftiger Opfer hoffen. Auf der anderen Seite muß sie Öffentlichkeit verhindern - die wäre schließlich die stärkste Gegenpropaganda.

Wer das Image der Sauberkeit für seine Geschäfte braucht, aber nicht hoffen kann, einem kritischen Blick standzuhalten, dem bleibt wohl nur eins übrig: Er muß zu verhindern suchen, daß Kritik überhaupt erst laut wird. Er muß jenen Zustand erzeugen, in dem potentielle Kritiker lieber von vornherein die Finger von der Sache lassen. Er muß einschüchtern. Wie, hat noch der Sektengründer selbst angeordnet: "Organisiert Kampagnen, die den Ruf des Betreffenden so nachhaltig ruinieren, daß er geächtet wird. Erhebt bei jeder Gelegenheit Verleumdungsklagen, um die Presse davon abzuschrecken, über die Scientology-Kirche zu schreiben. Es geht nicht darum, die Prozesse zu gewinnen. Der Zweck ist es, den Feind zu zermürben und zu entmutigen." Danach handelt diese Sekte, hier und heute. Wer sie in ihren expansiven Geschäften geniert, muß sich auf einiges gefaßt machen: auf beleidigende Post, auf drohende Telefonate, auf unheimliche Besucher, auf verleumderische Rundrufe bei Bekannten, Kollegen und Vorgesetzten. Wer Nachteiliges über sie publiziert, dessen Verlag oder Sendeanstalt muß sich aufs Prozessieren einstellen. Es ist fast immer das gleiche Schema. Statt der Hauptpunkte, deren Verhandlung schließlich ihre Praktiken ans Licht bringen würde, verwickelt sie ihre Gegner gerne in einen endlosen juristischen Kleinkrieg. Irgendwelche Sektenanhänger, vorzugsweise solche, die nicht zu deutlich und offen mit ihr in Verbindung stehen, picken irgendwelche läppischen Nebenpunkte heraus, bei denen man den Feind (die "SP" im Neusprech der Scientologen, die "Suppressive Person", die "Unterdrückerperson") in Beweisschwierigkeiten vermutet. Erst kommt eine vorbereitete Unterlassungserklärung ins Haus. Wird sie nicht unterschrieben, folgt ein Antrag auf einstweilige Verfügung. Kaum ist die erste abgewehrt, kommt die zweite, und dann die dritte. Irgendwann, so offenbar das Kalkül, muß jedem die Lust am Herumstochern in den

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schmutzigen Nebelschwaden und am Anfertigen von endlosen juristischen Schriftsätzen ausgehen oder schlicht auch das Geld dafür. Dann hat die Sekte ein Dokument in der Hand, mit dem sie hausieren gehen kann: Seht, unsere Kritiker müssen klein beigeben! Hat sie es nicht, so wird sich die Unterdrückerperson beim nächsten Mal immerhin überlegen, ob sie sich die Strapaze einer Auffaltung von desolaten Aktenbergen noch einmal zumuten will. Als der Rohwolt Taschenbuch Verlag 1992 einen Sammelband über Scientology herausbrachte ("Mission mit allen Mitteln", herausgegeben von Jörg Herrmann, 222 Seiten, 14.90 DM), wurde er nach diesem Schema in neun juristische Verfahren verwickelt; wieviele weitere Versuche und Androhungen es gab, hat niemand mitgezählt. Darf jemand, den die Scientology-Wirtschaftsorganisation WISE als "consultant" ankündigt und der Seminare abhält - so lautete die Frage, mit der die Justiz am längsten beschäftigt wurde -, darf so einer als "selbsternannter Unternehmensberater" bezeichnet werden? Er darf nicht, entschied die vierte Instanz, und sprach dem Mann ein Schmerzensgeld in Höhe von zwanzigtausend Mark zu. In einem früheren Stadium dieses Verfahrens schickte die Sekte Beauftragte zu einem Bluff in Buchhandlungen oder zu Lesungen: Bewehrt mit einer Einstweiligen Verfügung, die nur dem Verlag, nicht aber der einzelnen Buchhandlung galt (und die zu der Zeit nicht einmal wirksam war), forderten sie die Unterschrift unter eine Unterlassungserklärung. Was der Buchhändler unterlassen sollte, war natürlich der weitere Verkauf des Buches. Wer sich bluffen ließ, bei dem wurden allgemeinem Brauch gemäß hinterher noch 700 Mark für die Bemühungen abkassiert. So etwa erging es dann auch einem anderen, weniger potenten Verlag, der es wagte, der Sekte in die Suppe zu spucken: dem Christian Links Verlag in Berlin, der 1993 ein Buch über Scientology herausbrachte ("Der Sekten-Konzern" von Liane v. Billerbeck und Frank Nordhausen, 318 Seiten, 19.80 DM). Vier Prozesse wurden gegen ihn angestrengt, zwei weitere angedroht. Die ganze Sache beschäftigte ihn und seine Anwälte drei Jahre lang, und sogar die dutzendfach durchgecheckten und sozusagen sauberprozessierten Lizenzausgaben eines Taschenbuchverlags und einer Buchgemeinschaft waren noch Ziel juristischer Intervention. Jede Klage sollte eine Textänderung durchsetzen. Als erster meldete sich der Circus Roncalli und ließ dem Verlag per einstweilige Verfügung den Klammerzusatz "I call Ron" verbieten, mit dem die Autoren die Herkunft seines Namens gedeutet hatten, nicht aus heiterem Himmel, sondern aufgrund der früheren scientologischen Verbindungen seines Gründers und Geschäftsführers Bernhard Paul. Es war der einzige der vier Prozesse, den Links verlor - mit dem Ergebnis, daß in späteren Auflagen der Satz in dieser Form getiligt wurde, statt dessen aber eine ganze Passage Pauls frühere scientologische Kontakte darlegte. Wirklich gefährlich aber war der zweite Vorstoß. Ein in Strafverfahren wegen Wirtschaftsspionage verwickeltes Mitglied der Scientology-Organisation WISE wollte dem Verlag die Verbreitung des Buches verbieten lassen, weil die Erwähnung seiner - gar nicht bestrittenen - Zugehörigkeit zu Scientology schlicht sein Persönlichkeitsrecht verletze. Scientology sei eine Kirche, die Nennung der Relgionszugehörigkeit ein Eingriff in die Intimsphäre. Er konnte sogar ein frisches Urteil des Landgerichts Karlsruhe gegen eine südwestdeutsche Zeitung vorweisen, das ihm dieses Argument abgenommen hatte. Hätte das Gericht dem nachgegeben, so hätte nie wieder ein Scientologe öffentlich beim Namen genannt werden dürfen.

Der Trick mit der "Kirche" ist alt - seltsam, daß jemand noch heute darauf hereinfällt. Schließlich hat das Bundesverwaltungsgericht schon 1980 entschieden (es ging darum, ob die "Geistlichen" von Scientology von der Wehrpflicht befreit seien), daß Kommerz und Glauben nicht vereinbar sind: daß einer Gemeinschaft, die private Gewinne bezweckt, auch die Selbstetikettierung als "Kirche" nicht zu den Vergünstigungen verhilft, die Glaubensgemeinschaften gewährt werden. Stolz pflegt die Sekte zu verkünden, mit welchen enormen Auflagen sie ihre diversen

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Propagandaschriften unters Volk bringt. Um so wichtiger ist es, daß die Verbreitung von Gegeninformationen nicht behindert wird. Wohl haben auch Sektenangehörige Anspruch darauf, daß keine Unwahrheiten über sie verbreitet werden. Aber wo die Wahrheit systematisch vernebelt wird, sollten die besonderen Schwierigkeiten bei ihrer Ermittlung vor Gericht schon Berücksichtigung finden. Und wenn ein Gericht naiv dem Sprachgebrauch der Sektenfirma folgt und ihr direkt oder indirekt bestätigt, sie sei eine schutzwürdige Religionsgemeinschaft, hat es sich schon in ihre kommerziellen Interessen einspannen lassen. Dürfte gar niemand mehr namentlich Scientologe genannt werden, so würde jede Berichterstattung über die Umtriebe der Sekte unmöglich. P.S.: Dieser Artikel erschien aus gegebenem Anlaß 1993. Er wurde hier aktualisiert und an der einen oder anderen Stelle ergänzt. Auch gegen den Autor versuchten Sektenanhänger damals vorzugehen, zur Abwechslung einmal nicht zivil-, sondern strafrechtlich: Sie zeigten ihn wegen übler Nachrede an, ganz wie von Hubbard empfohlen. Die Staatsanwaltschaft Hamburg stellte nach ein paar Monaten das Ermittlungsverfahren ein, und zwar aus dem einzigen Grund, der keine Beschwerdemöglichkeit offenließ: wegen fehlenden öffentlichen Interesses.

Dieter E. Zimmer ist Autor der ZEIT