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Die Wirkung von Methylenblau und die kombinierte Blaus8ur6-Methylenblauwirkung auf den respiratorischen Stoffwechsel des Kaninchens'. Von Knud 0. Wller. (Aus dem pharmakologischen Institut der Universitat Kopenhagen.) (Hit 7 Flgoren im Test.) T h u n b e r g s klassische Arbeit von 1917 iiber die ,,Methylenblau- methode" mu13 als einer der wesentlichsten Anreger der wahrend der letzten 15 Jahre erschienenen Arbeiten iiber die Wirkungsweise des Nethylenblaus bezeichnet werden. Unter diesen Arbeiten seien die Unter- suchungen Hey p a n s und dessen Mitarbeiter von 1921 und folgenden Jahren genannt, durch welche nachgewiesen wurde, daS Mb2 durch direkte Beeinflussung der zellulken Oxydationsvorgange bei dem intakten Tiere eine kr&ftige Zunahme des respiratorischen Stoffwechsels herbei- fiihrt, eben wie Euler am Laboratorium Heymans durch Versuche mit den perfundierten Hinterextremitiiten des Hundes die gleiche Wirkung des Mb nachgewiesen hat. AuBer den genannten Arbeiten Heymans und dessen Mitarbeiter liegen nur wenige Versuche uber die Wirkung des Methylenblaus auf den Stoffwechsel intakter Tiere vor; so hat Gre- goire durch Versuche an Ratten eine unsichere Wirkung des Mb auf den Stoffwechsel wahrgenommen. Durch die obengenannte Arbeit von T h u n b e r g wurde nachgewiesen, daS Mb in vitro-Versuchen die Entfaltung der gewohnlichen oxydations- hemmenden Wirkung der Blausaure zu hindern vermochte, und von dieser Tatsache ausgehend, hat Sahlin an Thunbergs Institut nach- gewiesen, daS Mb, intraperitoneal injiziert, die Wirkung sonst todlicher Zyanidgaben bei Mausen zu beseitigen vermochte. Bei blausikure- vergifteten Menschen wurde das Mb zum erstenmal als Antidot von Der Redaktion am 4. M&rz 1935 zugegangen. Mb = Methylenblau.

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Page 1: Die Wirkung von Methylenblau und die kombinierte Blausäure-Methylenblauwirkung auf den respiratorischen Stoffwechsel des Kaninchens

Die Wirkung von Methylenblau und die kombinierte Blaus8ur6-Methylenblauwirkung auf den respiratorischen Stoffwechsel des Kaninchens'.

Von Knud 0. Wller.

(Aus dem pharmakologischen Institut der Universitat Kopenhagen.) ( H i t 7 Flgoren im Test.)

Thunbergs klassische Arbeit von 1917 iiber die ,,Methylenblau- methode" mu13 als einer der wesentlichsten Anreger der wahrend der letzten 15 Jahre erschienenen Arbeiten iiber die Wirkungsweise des Nethylenblaus bezeichnet werden. Unter diesen Arbeiten seien die Unter- suchungen Hey p a n s und dessen Mitarbeiter von 1921 und folgenden Jahren genannt, durch welche nachgewiesen wurde, daS Mb2 durch direkte Beeinflussung der zellulken Oxydationsvorgange bei dem intakten Tiere eine kr&ftige Zunahme des respiratorischen Stoffwechsels herbei- fiihrt, eben wie Euler am Laboratorium Heymans durch Versuche mit den perfundierten Hinterextremitiiten des Hundes die gleiche Wirkung des Mb nachgewiesen hat. AuBer den genannten Arbeiten Heymans und dessen Mitarbeiter liegen nur wenige Versuche uber die Wirkung des Methylenblaus auf den Stoffwechsel intakter Tiere vor; so hat Gre- goire durch Versuche an Ratten eine unsichere Wirkung des Mb auf den Stoffwechsel wahrgenommen.

Durch die obengenannte Arbeit von Thunberg wurde nachgewiesen, daS Mb in vitro-Versuchen die Entfaltung der gewohnlichen oxydations- hemmenden Wirkung der Blausaure zu hindern vermochte, und von dieser Tatsache ausgehend, hat Sahl in an Thunbergs Institut nach- gewiesen, daS Mb, intraperitoneal injiziert, die Wirkung sonst todlicher Zyanidgaben bei Mausen zu beseitigen vermochte. Bei blausikure- vergifteten Menschen wurde das Mb zum erstenmal als Antidot von

Der Redaktion am 4. M&rz 1935 zugegangen. Mb = Methylenblau.

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116 KNUD 0. JIBLLER :

C; eiger (1'333) in Anwendung gcbracht. Iiizwischen wurde itber Blausaure- Methylenblau-Antagonisnius eine Reihe von Arbeiten veroffentlicht, aber nur in eincr einzelnen Arbeit (Eddy) wurden die Versuche von Stoffmechselbestimninng wahrend der kombinierten Blausaure-Jlethplen- blaubeeinflussung bcgleitet.

Hey mans Untersuchungen wurden an Hunden ausgefiihrt, und nach seiner Angabel verniag - in1 Gegensatz zu dem in der vorliegendeii .\rbcit Nachgewiesenen - Mb bei Kaninchen keine Hypertherniie herbei- zufu hren.

Die vorliegende Arbeit bezweckt eine Darstellung der Jleth~lenblau- wirkung auf den Sauerstoffverbrauch und auf die Korpertemperatur sowohl bei gesunden Kaninchen als bei blausaurevergifteten Tieren. In einer spateren Arbeit wird iiber Untersuchungen beziiglich der zur Zeit lebhaft diskutierten Frage berichtet werden, wieweit die antagonistische Wirkung des Mb etwa durch Bildung von Blethamoglobin ihre Erklarung finden kann, welche dmn sekundar durch Bilduiig des stabilen Zyan- hamoglobins die BlausLure binden sollte.

Die in der vorliegenden Arbeit angewandte Technik (graphische Registrierung des Sauerstoffverbrauchs wahrend 5 bis 7 minutenlanger Perioden) entspricht genau der in einer friiheren Arbeit2 benutzten. Mb (Methylenblau medicinale, chemisch rein, chlorzinkfrei, RIol : 373 * 7) wurde fur samtliche Versuche in frisch hergestellter 1 prozent. Losung benutzt, und in samtlichen Versuchen urethanisierten Kaninchen intra- venos injiziert. Das Natriumzyanid wird in 0.5prozent. Losung injiziert.

Die Wirknng dee Methylenblans anf die Saneratoffanfnahme. Intravenose Injektion von 3 mg/kg Mb ruft eine kennbare Zunahme

des Sauerstoffverbrauchs hervor, und nach Injektion groBerer Gaben sind kraf tigere S teigerungen wahrnehmbar . Die S tof fwechsels teigerung tritt, wie im nachstehenden naher besprochen werden wird, sehr schnell und jah ein, um 6 bis 8 Minuten nach Beginn der 1 bis 2 Minuten dauernden Injektion ihr Maximum zu erreichen.

Nach Injektion von 10 mg/kg (Fig. 1) steigert sich die Sauerstoff- aufnahme in Prozenten des Standardwertes ausgedruckt, auf ungefahr 150 Proz., urn danach ziemlich schnell auf Werte urn ungefahr 115 Proz. herabzugehen, auf welcher Hohe der Stoffwechsel dann ziemlich lange (mehrere Stunden) bleibt. Nach Injektion von 20 mg/kg steigert sich die Sauerstoffaufnahme auf etwa 160Proz., urn danach auf Werte urn ungefahr 120 Proz. herabzugehen. Nach Injektion von 30 mg/kg werden

-~

C. Heymans et P. Regniers, a. a. 0. Knud 0. Msller, a. a. 0.

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die hochsten der in diesen Versuchen wahrgenommenen Werte erreicht, und zwar ungefahr 180 Proz., wonach der Stoffwechsel lange Zeit hin- durch auf Werten urn 120 bis 125 Proz. stehen bleibt. Die genannten Gaben werden - abgesehen von einer mafligen Polypnoe und einer Temperatursteigerung um 1 bis 2O - von sowohl urethanisierten als nicht narkotisierten Tieren ohne Intoxikationserscheinungen vertragen.

%4

Versuche an 4 Kaninchen (Urethannarkose) mit intraven&r Injektion von je 10, 20, 30 und 50mg Mb pro kg Korpergewicht. Im Versuche mit M)mg/kg stirbt das Tier 30Minuten nach der Injektion, wahrend die ubrigen Tiere am Leben bleiben. Die voll gezogenen Kurven stellen den 0,-Verbrauch dar, die gestippten Kurven die Korpertemperatur, im Darm in Hohe der Leber gemeeaen. Ordinate: 0,-Verbrauch in Prozent des Standardwertes ausgedriickt, sowie die .garper-

temperatur. Abszisse: Zeit in Minuten.

Intravenose Injektion von 40 bis 5Omg/kg ruft haufig den Tod hervor. Nach 40 mg/kg (Fig. 2) steigert sich der Stofwechsel sofort auf ungefiihr 180 Proz., um danach auf ungefahr 100 Proz. herabzugehen, anstatt, wie bei den kleineren Gaben, langere Zeit hindurch gesteigert zu bleiben. Nach Injektion von 50 mg/kg (Fig. 1) tritt die toxische Wirkung stark hervor : der Sauerstoffverbrauch steigert sich nur ganz voruber- gehend auf ungefahr 125 Proz., um danach auf weniger als 100 Proz. ab-

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118 KNUD 0. l I 0 L L E R :

zunehmen, wonach der Tod eintritt. Nach dieser Gabe wurde anstatt Polypnoe eine fortschreitende Atmungslahmung beobachtet. Den Beobachtungen von Hey mans entsprechend wurde bei samtlichen mit AIb getoteten Kaninchen ein ausgesprochenes Lungenodem nachgewiesen.

Die Korpertemperatur wird erhoht, und m a r starker, je grol3er die JIb-Gabe war. Eigentumlicherweise tritt die hochste und jaheste Temperatursteigerung (Fig. 1) nach einer Gabe von 50 mg/kg gleich- zeitig mit einer nur ganz geringfugigen und vorubergehenden Zunahme des Stoffwechsels ein. Die Tiere waren wahrend samtlicher Versuche gut zugedeckt auf einem regulierbaren Warmetisch untergebracht, so dal3 die Korpertemperatur vor der Injektion sehr annahernd eine kon- stante war. Es ware denkbar, dal3 die beobachtete Erscheinung dem Umstande zu verdanken sei, dal3 sich bei den kleineren Gaben eine kraftigere Ventilation und dadurch eine gesteigerte Warmeabgabe ein- stellt, wahrend die Ventilation und dadurch die Warmeabgabe nach 50 mg/kg herabgesetzt wird.

In bezug auf die Anwendung von Mb bei blausaurevergifteten Menschen ist eine Untersuchung daruber von Interesse, ob etwa durch eine fraktionierte Mb-Eingabe eine kraftigere Beeinflussung des Stoff- wechsels erreichbar ist als durch eine einzelne grol3ere Gabe.

In einem Versuche der Fig. 2 wurden 40 mg/kg als Einzelgabe injiziert ; der Stoffwechsel steigert sich, wie bereits erwahnt, und das Tier geht 103 Minuten nach der Injektion ein; im anderen Versuche werden die 40 mg/kg in Gaben von je 5 mg/kg in ungefahr 15minuten- langen Zwischenraumen injiziert. Das Tier stirbt in diesem Versuch 135 Minuten nach der ersten Injektion. Wie aus den Kurven ersichtlich, steigert sich der Sauerstoffverbrauch bei den fraktionierten Gaben weniger stark wahrend der ersten Stunde, aber der gesamte Mehrverbrauch an Sauerstoff ist in diesem Versuch weit groBer als im Versuch rnit der einzelnen ungeteilten Gabe. Die Korpertemperatur wird ebenfalls im Versuch mit fraktionierter Eingabe weit st&rker erhoht als im Versuch mit Eingabe der gleichen Mb-Mengen in Einzelgabe.

Nach Injektion von 10 mg/kg und danach in 15minutenlangen Zwischenraumen kleineren Mb-Gaben wurde beobachtet, daB 4 mg/kg, jede 15. Minute injiziert, die durch die 10 mg/kg herbeigefuhrte maximale Stoffwechselsteigerung aufrechtzuerhalten vermogen ; nach 3 mg/kg jede 15. Minute stellt sich eine langsame Abnahme ein, nach 5mg/kg jede 15. Minute eine langsame Zunahme.

H u g hat an Hunden kontinuierlich HCN injiziert und die bei Ein- tritt des Todes injizierte HCN-Totalmenge bestimmt. Nach vorhergehen- der Injektion von Mb muBte die Eingabe stark gesteigert werden um die Tiere zu toten, und zwar am starksten, wenn das Mb in refrakten

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Gaben anstatt in einer Einzelgabe injiziert worden war. Die hier vor- liegenden Versuche in Verbindung mit den Versuchen von Hug deuten somit sehr stark darauf hin, dab bei der Behandlung von blausaure- vergifteten BIenschen die ubliche therapeutische Gabe (ungefahr 10 mg/kg) nicht als eine Einzelgabe injiziert werden darf. In Anbetracht des schnellen

Fig. 2. Die gestippten Kurven stellen den 0,-Verbrauch und die Korpertemperatur bei einem Kaninchen nach intravenoser Injektion von 5 mg Mb pro kg Korpergewicht in ungefahr 15 minutenlangen Zwischenraumen dar (8 Injektionen mit im ganzen 40 mg/kg). Die einzelnen Injektionen sind durch Pfeile markiert. Das Tier stirbt 135Minuten nach der ersten Injektion. Die voll gezogenen Kurven stellen den 0,-Verbrauch und die Korpertemperatur bei einem Kaninchen nach intmvenoser Injektion von 40 mg/kg Mb als Einzelgabe dar; die% Injektion erfolgte zu einem dem ersten Pfeil entsprechenden Zeitpunkt. Das Tier stirbt 103Minuten nach

der Injektion.

Verlaufs der Blausaurevergiftung diirfte es am zweckmilBigsten sein, die genannte Gabe in 2 in ungefahr lominutenlangen Zwischenriiumen zu injizierenden Gaben zu teilen.

Die kombinierte Methylenblau-Blaus~ure~kung. Fur die folgenden Versuche wurde eine Natriumzyanidgabe gewiihlt

(0- 143pmol/kg), welche subkutan injiziert ein Kaninchen im Laufe von

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ungefahr 2 Stunden niit Sicherheit totet (siehe Fig. 4 einer friiheren Arbeitl). Das Mb wurde in den folgenden Versuchen in lprozent. Losung in einer Menge von 20 mg (= 0,054pmol) pro Kilogramin intravenos injiziert, eine Gabe, welche, wie vorstehend nachgewiesen, eine aus- gesprochen stoffwechselsteigernde Wirkung hervorruft, ohne tosischr Symptome herbeizufuhren.

Wie aus den Fig. 3 bis 6 ersichtlich, anl3ert sich die aiitidotischc Wirkung des Methylenblaus Blausaure gegenuber in Gestalt einer sehr schnell eintretenden Beeinflussung des Sauerstoffverbrauchs.

% O!

120

- ,/ - NaCN

f ib .

loo

- A rp.

- 3 9 O

--- -- - -- -- - -- --- ---- -- -_____ _ _ _ - - - _ _ _ ___ I I I I I I I I I . _--- ---_-

Nach gleichzeitiger Injektion von Mb und einer sonst letal wirkenden NaCN-Gabe (Fig. 3) ergibt sich eine Steigerung des Sauerstoffverbrauchs, welche im grol3en ganzen der Kurve des Sauerstoffverbrauchs nach alleiniger Mb-Injektion entspricht (vgl. Fig. 1). Die sonst so aus- gesprochen stoffwechsellahmende Wirkung der Blausaure kommt in diesem Versuch iiberhaupt nicht zum Vorschein.

Bei einem mit intravenoser Injektion von Mb vorbehandelten Tiere wird die Blausaure langere Zeit hiernach die gewohnliche Oxydations-

Knud 0. Meller, a. a. 0.

-33"

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WIRKUXG VOK METHYLENBLAU USR. 121

heinnwiig nicht herbeizufiihren vermogen. So wurde z. B. im \rersuche Fig. 4 das Zyanid 3/4 Stunde nach der Mb-Injektion injiziert. Wie in einer friiheren Arbeit nachgewiesen, ruft subkutane Injektion von Natriunizyanid haufig eine initiale Steigerung des Sauerstoffverbrauchs hervor, welche mutmaSlich durcli eine von der Blausaure hervorgerufene Ausschiittung von Adrenalin bedingt ist (die initiale Sauerstoffsteigerung ist aus den Fig. 5 und 7 ersichtlich). Im Versuch Fig. 4 wurde als einzige Wirkung der Blausaure eine Steigerung des Sa,uerstoffverbrauchs wahr-

%02. 160-

140-

120-

i - NaCN I00

- - - - ------ * - - 1 ,.-=

T

1, * - Mb. . - _ - - - - -

_--- ---_ I I I I I I 1

TP. 40'

- 3 9 O

38"

3 7 O

Fig. 4. Versuch 53. Kaninchen; Gewicht 2.89 kg. Urethaniarkose. Zum Zeitpunkt 28l/, bis 30 Minuten wird Mb (20 mg/kg) injiziert; 43 Minuten spiiter wird NaCN (0- 143 ,umol/kg) injiziert. 100 Proz. 0,-Verbrauch = 447 corn 0, pro kg und Stunde.

Das Tier bleibt am Leben.

genommen. DaS nur eine Stoffwechselsteigerung, nebenbei aber keine Stoffwechselabnahme eintritt, la& sich vielleicht dadurch erklaren, daS Mb in Ubereinstimmung mit den Ergebnissen der Vitroversuche die Entfaltung der Blausaurewirkung auf die zellulken Oxydationsvorgange verhiitet, wahrend es die stoffwechselsteigernde Wirkung des Adrenalins unbeeinfluSt laBt.

Im Versuch 4 hat sich Mb gegen die Wirkung einer nachfolgenden Zyanidinjektion prophylaktisch ausgewirkt. Fur die therapeutische Anwendung des Mb bei blausaurevergifteten Menschen ist es von groBerer Bedeutung zu wissen, ob Mb auch eine bereits bestehende Blausaure-

Skandinar. Archir. 72. 9

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%4

_ - - - - - - - - - - - - _ _ - - - - * - - - lSo- 1 p * _ _ _ - - -

.* - _ _ _ - - - - - - - -. -

I I I 1 I I I I 0 20 40 60 80 100 120 140 160 Ntn.

40' 41' 42' 43' 44'

Zeit , 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 , 1 1 1 1 1 , 1 1 1 1 1

Fig. 6. Ausschnitt der Spirometerkurve des Versuchs 47 (vgl. Fig. 5). Obere Kurve: die Spirometerkurve. Untere Kurve: Zeitmarkierung : 10 Sekunden. An der Spko-

meterkurve sind die beiden Richtungslinien angegeben.

TP. -40'

3 9 O

38O

dal3 der Sauerstoffverbrauch von einem niedrigen Wert beinahe momentan auf den Wert von ungefahr 145Proz. des Standardwertes zunahm, um in den nachsten Stunden auf Werten von iiber 100Proz. zu bleiben, und das Tier blieb am Leben. So beseitigt Mb in diesem Versuch die

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V'irkung der Blausaure auf den Sauerstoffverbrauch und laat das Tier eine sonst todlich verlaufende Vergiftung uberleben.

Ein sehr charakteristischer Zug dieser Versuche ist die auaerordent- lich schnell eintretende Wirkung des Methylenblaus. Solches geht aus dcr Fig. 6 hervor, welche einen Ausschnitt der Spirometerkurve des Versuchs der Fig. 5 darstellt. Wie aus der Figur ersichtlich, verlauft die Spirometerkurve vor und wahrend der Mb-Injektion bei einem sehr kleinen Neigungswinkel, dem niedrigen Sauerstoffverbrauch entsprechend.

I I I I I I 20 40 60 80 100 I21

Fig. 7.

TP.

3 9'

38'

Hin.

Versuch 51. Kaninchen; Gewicht 2.95 kg. Urethannarkose. Zum Zeitpunkt 26 Mi- nuten wird NaCN (0.143 ,umol/kg) injiziert und 36 Minuten spiiter Mb (20 mg/kg). 100Proz. 0,-Verbrauch = 422ccm O2 pro kg und Stunde. Das Tier stirbt

86 Minuten nach der Zyanidhjektion.

Ungefahr 60 Sekunden nach Aufhoren der Injektion setzt ganz plotzlich ein grol3erer Neigungswinkel ein, wonach sich die Kurve auf einer kon- stanten und starken Neigung einstellt, einem groSen Sauerstoffverbrauch entsprechend. Dem genannten Zeitraum muB auDerdem die Zeit in Abzug gebracht werden, welche fur den Transport des Bluts von der Ohrvene durch das Herz und in die Kapillare hinaus beansprucht ist (etwa 30 Sekunden). Die Versuche erweisen somit, daB Mb die Blausaure- wirkung innerhalb sehr kurzer Zeitraume beseitigt.

9*

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Falls JIb 20 bis 26 Minuten nach deni Zyanid injiziert wird, erfolgt wie gewohnlich eine kraftige Steigerung der Sauerstoffaufnahme bis weit iiber den Normalwert; die Kurve sinkt indessen wieder auf Werte um 70 bis 80 Proz. ab und das Tier stirbt, allerdings aber bedeutend spater als sonst (ungefahr 4 Stunden).

Im Versuch Fig. 7 verliefen 36 Minuten zwischen Zyanid- und 9Lb- Injektion. Der Sauerstoffverbrauch steigt von ungefahr 20 Proz. sehr schnell auf beinahe 120 Proz., um danach auf Werte von uiigefahr 80 Proz. wieder hinabzugehen, und der Tod tritt trotz des relativ groBen Sauerstoffverbrauchs bei Atmungslahmung ein.

Dieser Yersuch steht mit den Ergebnissen einer friihereii Arbritl sehr gut im Einklang (vgl. Fig. 3 und 4 daselbst), in welcher iiachgewiesen wurde, daB Kaninchen an Zyanidvergiftung sterben konnen, trotzdeiii sich der Totalsauerstoffverbrauch auf beinahe Normalwerte steigert. was auf den Umstand zuriickgefiihrt wurde, daB gewisse lebenswichtige Gewebe (das Zentralnervensystem) von der Blausaure starker geschadigt werden als die meisten anderen.

Der Versuch Fig. 7 diirfte dementsprechend folgenderniaBen seine Erklarung finden: Wahrend der Zeit (36 Minuten), die zwischen der Zyanid- und der Mb-Injektion verlauft, ruft die Blausaure eine irreversible Schadigung des Zentralnervensystems hervor, welche von der Mb-Injektion unbeeinfluBt bleibt, wahrend die Blausaurewirkung auf die meisten sonstigen Gewebe des Organismus aufgehoben wird, was sich durch eine Steigerung des Sauerstoffverbrauchs anf ungefahr Normalwerte aus- driickt. DaS Mb die von der vorausgehenden Oxydationshemmung hervorgerufenen Schadigungen des Zentralnervensystems nicht auf- zuheben vermag, schliel3t selbstverstandlich nicht aus, daB es auch im letzteren eine voriibergehende Oxydationssteigerung herbeifiihren kann.

Dieser Sachverhalt setzt somit der kurativen Wirkung der Mb der Blausaurevergiftung gegeniiber eine Grenze. Durch die Versuche ist aber jedenfalls nachgewiesen worden, daB das Mb noch prompt kurativ wirkt, solange die Blausaurewirkung eine Dauer von ungefahr 15 Minuten nicht iiberschritten hat. Falls der Blausaurewirkung eine Wirkungs- dauer von 20 bis 30 Minuten gegeben wird, vermag das Methylenblau die Tiere nicht durch die Vergiftung zu bringen.

In den bisher erwahnten Versuchen wurde die Blausaure in samtlicheii Fallen in Gestalt einer subkutanen Injektion von Natriumzyanid ein- gegeben. AuBerdem wurden Versuche an durch Blausaureinhalation ver- gifteten Kaninchen ausgefiihrt, und in diesen Versuchen wurde genau dieselbe Wirkung des Mb auf den von der Blausaure herabgesetzten Sauerstoffverbrauch beobachtet wie im Vorstehenden dargestellt.

Knud 0. M s l l e r , a. a. 0.

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Znsammenfassnng. 1. Intravenose Injektion von Methylenblau in Gaben von 3 bis

30 mg/kg Korpergewicht ruft eine starke Steigerung des Sauerstoff- verbrauchs des Kaninchens hervor, und zwar eine starkere je nach der GroBe der injizierten Gabe. Nach den groBeren Gaben erfolgt gleich- zeitig eine Steigerung der Korpertemperatur.

2. Intravenose Injektion von 40 bis 50mg/kg ruft eine kleinere Steigerung des Sauerstoffverbrauchs hervor, als die durch Injektion von 30 mg/kg hervorgerufene, andererseits aber eine stkkere Steigerung der Iiiirpertemperatur, und die erstgenannten Gaben fiihren oft den Tod herbei.

3. Intravenose Injektion von 20 mg/kg Methylenblau innerhalb eines Zeitraumes von 3/4 Stunde vor bis ungefahr 15 Minuten nach Injektion von 7 mg/kg NaCN, welche sonst sicher todlich wirken, be- seitigt vollstandig die gewohnliche oxydationshemmende Wirkung der Blausaure und die Tiere iiberleben die Zyanidinjektion.

4. Falls Methylenblau 20 bis 25 Minuten oder noch spater nach der Zyanidinjektion injiziert wird, sterben die Tiere: trotzdem sich der Sauerstoffverbrauch auf Normalwerte steigert und bei dem Eintritt des Todes nur maBig herabgesetzt ist.

5. Die Wirkung des Methylenblaus auf den Sauerstoffverbrauch sowohl bei gesunden als bei blausaurevergifteten Tieren stellt sich im Laufe von weniger als 1 Minute nach Beendigung der 1 bis Illz Minuten dauernden Mb-Injektion ein.

6. Die Wirkung des Methylenblaus auf den Sauerstoffverbrauch wurde sowohl bei Kaninchen, denen die Blausaure subkutan, als bei Tieren, denen die Blausaure durch die Lungen eingegeben war, beobachtet.

L i tera t up.

Eddy, N.B., J.phamzaeol.exp. therapeut. 1931. 41. 449. Eu!er, U. S., Arch. internat. pharmacodyn. 1932. 43. 67. Geiger, J . C . , J . A . M . A . 1933. 101. 269. Gregoire, P.E., J.exp. Med. 1931. 64. 827. Heymans, C. et Maigre, Et., Cpt. rend. sm. bwl. 1921. 86. 141 und AT&.

Heymans, C. et Regniers, P., Cpt. rend. soc. bwl. 1926. 95. 1117. Heymans, J.F. et Heymans, C., Arch. internat. p?mmCodyn. 1922,

Hug, E., Cpt. rend. SOC. bwl. 1932. 111. 89. Msller, K. O., Dies Archiv. 1936. 72. 103. Sahlin, Bo, Dies Archiv. 1926. 47. 284. Thunberg, T., Dies Archiv. 1918. 36. 163.

internat. phamzacodyn. 1922. 26. 129.

26. 443; 1923. 27. 319.