die ordnung der geldwirtschaft

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Die Ordnung der Geldwirtschaft Review by: Richard Büchner FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 18, H. 2 (1957/58), pp. 326-336 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40909210 . Accessed: 15/06/2014 14:22 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 195.34.79.158 on Sun, 15 Jun 2014 14:22:06 PM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

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Page 1: Die Ordnung der Geldwirtschaft

Die Ordnung der GeldwirtschaftReview by: Richard BüchnerFinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 18, H. 2 (1957/58), pp. 326-336Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40909210 .

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Page 2: Die Ordnung der Geldwirtschaft

Die Ordnung der Geldwirtschaft von

Richard Büchner

Anlaß zu den folgenden Erörterungen gibt das Erscheinen des Buches von Heinrich Rittershausen, „Bankpolitik. Eine Untersuchung des Grenzge- biets zwischen Kredittheorie, Preistheorie und Wirtschaftspolitik"1, das wegen der sehr eigenwilligen Art des Denkens und Darstellens aus der Fülle der ein- schlägigen Literatur hervorragt. Es baut auf großer praktischer Erfahrung auf und läßt das Streben nach grundsätzlicher Behandlung von Zusammen- hängen erkennen, die weit über das engere Fachgebiet hinausreichen. Gleich- zeitig sei die Neuauflage des Werkes von Rudolf Stucken „Geld und Kredit" *

herangezogen, der seit langem zu den deutschen Hauptvertretern dieser Diszi- plin gehört und sich in den Nachkriegsjahren verstärkt der einkommens- theoretischen Betrachtungsweise zugewandt hat. Seine Analyse der vielfäl- tigen Einzelprobleme schließt mit der allgemeinen Fragestellung ab, die wir hier als Thema gewählt haben : Die Ordnung der Geldwirtschaft.

I.

Das Geld verbindet sich im Laufe der Geschichte mit ganz bestimmten Arten des Wirtschaftens, die im prinzipiellen Gegensatz zur vollkommen haushaltsmäßigen Selbstversorgung und zum reinen Naturaltausch stehen. Anders liegt es beim Kredit; denn eine zeitliche Trennung von Leistung und Gegenleistung im Vertrauen, daß der Schuldner seine Verpflichtungen erfüllt, ist sowohl in der Natural- wie in der Geldwirtschaft möglich. Beide Erschei- nungen aber sind in ihrem Formenreichtum nur aus der gesamten Gesell- schafts- und Wirtschafts Verfassung heraus zu verstehen, die sich selbst wieder in dauerndem Wandel befindet. Die Spezialforschung hat also schwierige Fragen zu lösen, wenn sie ihrer wissenschaftlichen Sonderaufgabe gerecht werden und doch zugleich die Wechselbeziehungen zwischen verschiedenen Teilbereichen und dem Ganzen des ökonomisch-sozialen Lebens im Auge behalten will.

1 Band I der Veröffentlichungen des Bank- und Börsenseminars der Universi- tät Köln, herausgegeben von Bankier Fritz Höf ermann und Univ. Prof. Dr. Ritters- hausen. Fritz Knapp Verlag, Frankfurt a. Main 1956. 222 S.

2 Zweite, stark veränderte Auflage, J. C. B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen 1957. VII, 246 S.

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Die Ordnung der Oeldwirtschaft 327

Nach Stucken ist das Geld in erster Linie als allgemein gebräuchliches Tauschmittel anzusehen, soweit es tatsächlich beim interpersonalen Güter- verkehr eingesetzt wird. Diese Funktion üben in der Gegenwart nicht nur Münzen, Banknoten und Staatskassenscheine aus, sondern auch die auf Sicht fälligen Einlagen bei Banken und besonderen, dem Zahlungsverkehr dienenden Institutionen. Noch stärker hebt Rittershausen die Bedeutung des modernen Buchgelds hervor, indem er geradezu vom Geld als einer Bankgut- schrift spricht, die jederzeit am gesamten Warenmarkte durch Geschäfte und Geschäftsabwicklung aktivierbar und wieder sterilisierbar ist. Beide Autoren schließen sich also der zur Zeit vorherrschenden Lehrmeinung an, die im Unterschied zu den Stoffwerttheorien und zum Chartalismus die heute so wichtige Form der Giralzahlung in ihre Gelddefinition einbezieht. Damit sucht man der Emanzipation des Geldes von jeglichem materiellen Substrat Rechnung zu tragen, die seit dem Verschwinden der Goldwährung aus der Weltwirtschaft rasche Fortschritte macht. Dieser Wandel der Geldverfassun- gen steht aber in Verbindung mit dem allgemeinen Ausbau des Kreditwesens, unter dessen Einfluß das ganze ökonomische Leben einen hohen Grad der Entfaltung erreicht hat. Es ist daher notwendig, hierauf näher einzugehen.

Die Gewährung von Kredit in der Geldwirtschaft unserer Tage weist große Vielgestaltigkeit auf. Gewöhnlich richtet sich der Blick zuerst auf die weitverbreitete Form der Darlehen, bei denen die gegenwärtige Leistung und die künftige Gegenleistung in Geld erfolgen. Sofern solche Kredite gewerbs- mäßig von besonderen Instituten eingeräumt werden, handelt es sich um den speziellen Fall des Bankkredits. Aber abgesehen von den älteren Formen des Naturalkredits gibt es in der modernen Marktwirtschaft zahllose Kreditge- schäfte in unmittelbarem Zusammenhang mit Warenlieferungen, wobei ent- weder Sachgüter oder Dienste gegen spätere Geldzahlung zur Verfügung ge- stellt oder umgekehrt künftige Güterleistungen in Geld bevorschußt werden. Rittershausens Analyse dieser komplizierten Verflechtung bedient sich des Begriffs der „kreditären Effekte", worunter alle zeitgebundenen Liquiditäts- veränderungen von latenter Wirksamkeit auf die Warenpreise zu verstehen sind. Dementsprechend erscheint ihm der Warenmarkt als ein Gitter, dessen Zwischenräume aus Kredit bestehen, der nach Dauer, Betrag und Liquidität zu beurteilen ist. Schon im Handel und in der Industrie beginnt also die Kreditentstehung beim Zielverkauf von Ware. Aber auch Barverkäufe von Ware fallen in Betracht, da sich die Liquidität des Verkäufers verbessert und andererseits jene des Käufers verschlechtert. Zu diesen durch Veränderungen von Warenbeständen hervorgerufenen „kreditären Effekten" gesellen sich dann diejenigen, die durch Veränderungen von Kassenbeständen verschieden- ster Art hervorgerufen werden. „Durch Verminderung der Kassenbestände wird Geld aktiviert, durch ihre Erhöhung wird Geld inaktiviert. Kassen können also kreditär als eine Art negativer Warenlager betrachtet werden." Erst nach Behandlung all dieser vielen Stellen in der Wirtschaft, bei denen Kredit entsteht, untersucht Rittershausen im speziellen die Kreditgewährung seitens der Banken, die sich ihm nur als Teilgebiet eines viel größeren Ge- samtphänomens darstellt: „Die Geldaktivierung und -Stillegung, die Kredit- schöpfung und -sterilisierung erfolgt täglich überall, wo Barkassen geführt

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328 Richard Buchner

werden, wo Lagerbücher geführt werden, wo Kontokorrente bestehen, ζ. Β. in den Banken, aber auch als Massenerscheinung durch die Zeitdifferenzen in den Lohn- und Gehaltszahlungsvorgängen und durch die Verbindungen zwi- schen Haushaltungen und Einzelhandel sowie beim Steuerzahlen, in der Zentralbank und im Außenhandel. Alle kleinsten und größten, mikro- und makroökonomischen Marktvorgänge sind mit ihnen durchsetzt."

Im Unterschied hierzu umfaßt Stuckens Definition des Kredits lediglich die Hingabe von Zahlungsmitteln gegen das Versprechen der Hergabe eines oder mehrerer bestimmter Beträge in der Zukunft. Seine Untersuchungen rollen die Problemkreise von den Banken her auf, wie es heute in der Natio- nalökonomie üblich geworden ist. Die Wirtschaftseinheiten, die regelmäßig als Hauptgeschäft Kredit nehmen und geben, gliedert er in Notenbanken, privatwirtschaftlich betriebene Kreditbanken des kurzfristigen Geschäfts, Kreditgenossenschaften, Sparkassen und Schuldverschreibungsinstitute, die Pfandbriefe oder Kommunalobligationen ausgeben. Tatsächlich hat das Be- stehen solcher besonderen Institute der organisierten Kreditgewährung in starkem Maße zur Ausgestaltung nicht nur der Währungssysteme, sondern auch des Wirtschaftslebens überhaupt beigetragen. Sie sind es, die vielfach erst das erforderliche Vertrauen schaffen, damit Kredite zustande kommen („Vertrauensfunktion"). Ferner sammeln die Banken die relativ kleinen ver- fügbaren Beträge einer Vielzahl von Wirtschaftssubjekten und vermögen auf diese Weise auch größere Kredite zu erteilen („Ballungsfunktion"). Darüber hinaus wandeln sie oftmals Einlagen, die ihnen nur für beschränkte Frist überlassen wurden, in längerfristige Darlehen um („Fristigkeitsverlänge- rungsfunktion"). Stucken kommt damit auf das Liquiditätsproblem der Kreditbanken, d. h. der Banken ohne Notenausgaberecht, zu sprechen. Mit Bezug auf die Frage des „rechtzeitigen Geldanschlusses" gelangt er in Aus- einandersetzung mit der bekannten „goldenen Bankregel" zum Ergebnis, daß eine entscheidende Wandlung festzustellen sei: „Im 19. Jahrhundert hat es sich darum gehandelt, das Kentabilitätsstreben der Banken in Einklang zu bringen mit den Liquiditätserfordernissen; im 20. Jahrhundert, zumindest seit den dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts, handelt es sich darum, das Liquiditätsstreben der Banken in Einklang zu bringen mit den volkswirt- schaftlichen Erfordernissen; diese aber machen eine weitgehende Fristig- keitsverlängerung durch die Banken unentbehrlich." Anschließend wendet sich Stucken dem Angebot und der Nachfrage auf dem Kreditmarkt zu, wo- bei neben der herkömmlichen Unterscheidung zwischen Geld- und Kapital- markt nach Maßgabe der Fristigkeit der gewährten Darlehen vor allem auf die „Spaltung des Kreditmarkts" hingewiesen wird, die er am Beispiel des deutschen Bankwesens erläutert. Im Gegensatz zu anderen Ländern (insbes. den USA) ist hier das Kreditangebot der Banken zum Teil sehr stark ab- hängig von der vorherigen Bildung von Sparbeträgen. Dieser „abgespaltene" Teil des Kreditmarktes unterscheidet sich seines Erachtens wesentlich von den übrigen Bereichen, in denen die Banken ihr Angebot durch Kredit- schöpfung ausdehnen können. Es erhebt sich dann aber die prinzipielle Frage, ob und inwieweit überhaupt die Möglichkeit besteht, solche „zusätzlichen Kredite" zu schaffen.

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Die Ordnung der GddwirUchaft 329

IL

Die Lehre von der Geld- und Kreditschöpfung der Banken bildet seit Jahrzehnten den Gegenstand eines lebhaften Meinungsstreits zwischen den Vertretern der neueren ökonomischen Theorie und den Anhängern der tradi- . tionellen Auffassung der Klassiker, zu denen namentlich breite Kreise der Bankpraktiker gehören. Im Hinblick auf diese Kontroverse geht Stucken von der Annahme eines „gemischten Zahlungsverkehrs" aus, der neben Münzen und Noten auch Buchgeld verwendet, und prüft die Frage der Schaffung von Giralgeld unter der Voraussetzung, daß außer der Notenbank entweder nur eine einzige große Kreditbank oder eine Vielzahl solcher Institute besteht. Seine kritische Analyse, die in vielen Punkten - namentlich mit Bezug auf die Berechnung des „ Geldschöpf ungskoeffizienten" - von den sonst in der neueren Literatur üblichen Verfahren abweicht, ergibt zunächst einen posi- tiven Befund: „Die Kreditbanken haben bei der Existenz eines gemischten Zahlungsverkehrs die Möglichkeit, zusätzliche, d. h. die Geldmenge ver- mehrende Kredite zu gewähren, sofern ihnen die in diesem Falle für Baraus- zahlungen und zur Aufrechterhaltung der Barliquidität benötigten Teilbe- träge durch die Notenbank zugeführt werden, bzw. wenn sie sich solche bei der Notenbank beschaffen können." Stucken stellt jedoch sofort einschrän- kend fest, daß gleichzeitig mit der geschilderten Kreditausdehnung immer Prozesse vor sich gehen, die in der entgegengesetzten Kichtung wirken. Durch Rückzahlung von Bankkrediten und durch das Sparen bei Kredit- instituten kann nämlich die Geldschöpfung „kompensiert" werden. Mög- licherweise ist sogar solche „Geldvernichtung" größer als die durch Kredit- gewährung und Wiederverwendung von Spareinlagen hervorgerufene Ex- pansion; in diesem Falle tritt dann eine Verminderung der gesamten Geld- menge ein.

Viel weiter geht Rittershausens Kritik der Kreditschöpfungstheorie, der kategorisch erklärt: „Nichts wird von den Menschen aus dem Nichts ge- schaffen." Wenn er überhaupt den Terminus „Kreditschöpfung" gebraucht, so geschieht es nur, „um zu zeigen, daß er den richtigen Kern dieser Lehre be- jaht, sogar seine viel größere Anwendbarkeit beweist". Seine eingehende Darstellung knüpft an Stuckens Hinweis auf die institutionellen Eigenarten des anglo-amerikanischen und des deutschen Banksystems an und betont dabei vor allem die Unterschiede hinsichtlich der Gewährung von kurz- und langfristigen Krediten. Die Besonderheiten des Umsatzkredits in Form von Wechseldiskontierungen und Darlehnsgewährung in laufender Rechnung er- läutert Rittershausen am historischen Beispiel der schottischen Banken, deren Praxis schon Adam Smith „mit betriebswirtschaftlicher Realistik und Ge- nauigkeit" geschildert hat. ,,Die Banknotenbesitzer in ihrer Gesamtheit (heute sie und die Einleger von täglichem Geld bei den Banken) waren die Quelle des Umsatzkredits, letzten Endes seine Anbieter; die Händler waren seine Entnehmer, also die Nachfrager. Die Warenlager und die Banknoten- läger (heute vermehrt um die Giroguthaben) tendierten betrage- und frist- gemäß zu einem Gleichgewicht." Wenn nach Rittershausens Meinung durch solche kurzfristigen Darlehen überhaupt keine nennenswerte Ausweitung des

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Geldumlaufs bewirkt werden kann, dann bestellt also nur beim Investitions- kredit „der Begriff der Kreditschöpfung mit aller seiner Gefährlichkeit". Aber auch hier scheiden sofort alle langfristig verwendeten Kredite aus, die in ßtuchens Sinne „abgespalten" sind, d. h. auf vorheriger Kreditsterilisierung beruhen. Ferner ist die Börse als außerordentlich wichtiges Umschul- dungsorgan in Betracht zu ziehen. „Sie macht aus effektiv langfristigen Kre- diten (mögen sie auch der Rechtsform nach kurzfristig sein) täglich verkäuf- liche Wertpapiere und damit Geld." Andererseits können jedoch nach Ritter s- hausen kreditschöpfende Effekte gar nicht nur von den Banken, sondern überall im Wirtschaftsleben ausgelöst werden. Im ganzen gelangt er daher zum Ergebnis, daß die „inflationsgefährlichen zusätzlichen Bankkredite" von geringerer Bedeutung sind als die großen und ungeregelten Expansions- möglichkeiten „auf dem staatlichen Sektor, dem Warenhandelsgebiet sowie der Möglichkeit der Auflösung von Bar- und Guthaben-Horten".

Rittershausen greift also immer wieder auf seine Lehre von den „kredi- tären Effekten" zurück, die sich gegenseitig sowohl aufheben als auch ver- stärken können. „Die Liquiditätsrelation ist in der gesamten Volkswirtschaft niemals einheitlich zu denken." Es handelt sich bei ihr nicht um einen Zustand, sondern um einen laufenden Vorgang, der die verschiedenen Gewerbezweige unterschiedlich zeitlich nacheinander erfaßt. Von diesem Standpunkt aus bekämpft er den weitverbreiteten Glauben an die Regulierbarkeit der Wirt- schaft durch die Geldmenge und wendet sich damit gegen das rein quanti- tätstheoretische Denken überhaupt. Seine Argumentation betont nament- lich, daß die Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes nicht exakt zu ermitteln ist. Auf alle Fälle bildet sie keine konstante Größe, sondern ändert sich durch jeden einzelnen Kaufakt. In Zeiten der Krise und der Überhitzung der Kon- junktur erfolgen solche Variationen besonders ruckartig. „Ohne einen einzigen Kreditschöpfungsakt der Banken kann allein durch Abhebungen von Gut- haben infolge einer Panik die Lage völlig verändert werden, wie auch in- mitten stärkster Bankkreditexpansion durch umfangreiche Stillhaltung der Kassen- und Guthabenbesitzer eine Inflation unterbleiben kann." Für Rittershausen bedeuten „kreditäre Effekte" lediglich „Drohungen" mit Preis- steigerung oder Preissturz. Ihr bloßes Vorhandensein sagt noch nichts darüber aus, ob sich dann wirklich die Wirtschafter am Waren- oder Effektenmarkt zum Kauf, zum Verkauf oder zum Abwarten entschließen. Trotz dieser skep- tischen Erkenntnis ist er jedoch geneigt, „die Lage der Effekte als ein recht brauchbares System von Verkehrszeichen und Signalen für die Bankpolitik anzusehen".

Stucken hält zwar die Fähigkeit des Banksystems zur Geldschöpfung für „technisch unendlich groß", ist sich aber vollkommen klar darüber, daß eine solche Kreditgewährung nicht „bis ins Aschgraue" getrieben werden kann, ohne das Funktionieren des ganzen Wirtschaftslebens in Frage zu stellen. In- folgedessen mißt er dem Begriff des „Geldschöpfungsspielraums" zentrale Be- deutung für die Lehre von Geld und Kredit bei. Eine formale Begrenzung der Geldschöpfung hat durch Jahrhunderte in Gestalt der Einlösungs- und Deckungsvorschriften für notale Zahlungsmittel bestanden. Als charakte- ristisches Beispiel ist die Goldwährung zu nennen, deren „Spielregeln" dar-

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auf beruhen, daß sich die Notenbank an den Veränderungen ihres Goldbe- standes orientieren muß, was sie zu einem ganz bestimmten Verhalten bei der Emission von Papiergeld zwingt. Die Beseitigung dieser Schranken braucht nun aber nach Stucken nicht unbedingt zu einer Inflation zu führen, die seines Erachtens glücklicherweise „nur in Ausnahmezeiten' ' vorkommt. Vielmehr eröffnet sich hier der Weg zu einer „autonomen Geldpolitik' (, die nicht mehr durch formelle Bindungen eingeengt ist. Die Geldschöpfung kann dann selbstgewählten Zielsetzungen unterstellt werden, wobei der Gedanke einer optimalen Ausnutzung der Produktivkräfte und das Streben nach stetigem Wirtschaftswachstum eine erhebliche Kolle spielen. Stucken sucht an Hand eingehender Periodenanalysen eine konkrete Vorstellung von der Größe des „Geldschöpfungsspielraumes" zu gewinnen, indem er sowohl die statische Wirtschaft als auch die gleichmäßig fortschreitende Wirtschaft betrachtet und hierbei den besonderen Fall ins Auge faßt, daß von Periode zu Periode sich die technischen Koeffizienten gleichmäßig verringern. Mit alledem ge- langt er zu der entscheidenden Frage, welcher „Mittel das Banksystem sich bedient, um die Kreditgewährung in solchen Grenzen zu halten, daß die Geldschöpfung den Geldschöpfungsspielraum nicht überschreitet, und sie soweit auszudehnen, daß sie hinter seinen Grenzen nicht mehr zurückbleibt, als mit den volkswirtschaftlichen Zielsetzungen vereinbar ist".

III.

Die Formen der Währungs- und Kreditpolitik sind in der Tat heute so zahlreich, daß man erwarten sollte, mit ihrer Hilfe nachhaltigen Einfluß auf das ökonomische Leben ausüben zu können. Die praktischen Erfahrungen widersprechen jedoch dieser optimistischen Ansicht recht häufig und zwingen die Wissenschaft zur Überprüfung des theoretischen Instrumentariums. So verwirft Rittershausen die überkommene Vorstellung vom gesamten Wirt- schaftsablauf, die zunächst die angeblich geldlose „Warenseite" gedanklich verselbständigt und dann einer „Geldseite" gegenüberstellt, die „einfach als Menge" betrachtet wird. Er rückt vielmehr den Kredit in den Vordergrund, der einen „Bestandteil des Preisbildungsprozesses am Warenmarkte" bildet. Das Geld erscheint ihm daher lediglich „als Spezialfall besonders hohen Liquiditätsgrades, in dem der Schuldner eine Bank ist". Hiermit im Zu- sammenhang steht dann seine Lehre vom Zins, die diesen „Preis für Liquidi- tätsverzicht" unter verschiedenen Aspekten behandelt. Im vielgliedrigen Aufbau des Kreditsystems vermögen zunächst die einzelnen Bankbetriebe auf das wirtschaftliche Handeln ihrer Kreditoren und Debitoren dadurch einzuwirken, daß sie die Zinssätze für die Einlagen und Darlehen bestimmen. Sofern gleichhohe Zinsänderungen auf beiden Seiten der Bilanz und in glei- cher Richtung vorgenommen werden, bleibt die Zinsspanne, die für die Ren- tabilität der Kreditinstitute von großer Wichtigkeit ist, uneingeschränkt be- stehen. Zu dieser Verwendung des Zinses als „Liquiditätsregulator" gesellt sich die Tätigkeit der Notenbank in Form der Diskontpolitik, deren mannig- fachen und einander widersprechenden Wirkungen Rittershausen besondere Aufmerksamkeit widmet. Er zeigt, wie die Erhöhungen und Senkungen des

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offiziellen Diskontsatzes im Bereich der Warenpreise, der internationalen Devisenmärkte, der inländischen Aktienspekulation, der langfristigen In- vestitionen und der Handhabung der öffentlichen Schuld je nach der kon- kreten Situation zu sehr verschiedenen Ergebnissen führen. Speziell bezüg- lich des Kapitalmarkts kommt dann noch eine weitere Funktion des Zinses zur Sprache. Sie erklärt sich aus der Tatsache, daß der Landeszinssatz die Kapitalisierungsgrundlage bildet, „durch die der Preis langlebiger rendite- bringender Güter auf ein fast immer von den Herstellungskosten sehr stark abweichendes Niveau verschoben wird". Dies alles ist schließlich im Lichte von Wicksells Lehre zu betrachten, die zwischen Nominal- und Eealzins unterscheidet. So gelangt Rittershausen zur Überzeugung, daß die vielfältigen „kreditären Effekte" durch den Zins hervorgerufen, aber auch abgebremst werden können, und glaubt sogar, trotz aller ökonomischen Wandlungen in den letzten Jahrzehnten eine zunehmende Bedeutung der Zinspolitik zu er- kennen.

Stucken dagegen hält den Zins nur für einen „kleinen Bauern auf dem Schachbrett der Geldpolitik". Diese Ansicht verteidigt er mit Argumen- ten, die in betontem Gegensatz sowohl „zur klassischen wie zur modernen Kredittheorie" stehen. So erscheint ihm namentlich die Vorstellung unhalt- bar, daß der Zins entweder die Nachfrage nach Kredit an das Angebot an- paßt oder in Zusammenhang mit den Ertragserwartungen der Unternehmer für die Größe der Investition maßgebend ist. In Wirklichkeit bedarf es noch anderer Mittel als der Zinssatzveränderungen, um die Geldschöpfung zu steuern. Solche Maßnahmen können zunächst einmal die Kreditbanken von sich aus treffen, indem sie die Anforderungen an die Sicherheit und die Liquidi- tät der Kredite variieren, ferner eine Auslese unter den Zwecken vornehmen, für die Kredit gewährt wird, und darüber hinaus zur Kreditrationierung schreiten. Speziell den Notenbanken stehen sodann noch weitere Steuerungs- methoden zu Gebote, die heute neben der Diskontpolitik in Gestalt der Rediskontkontingente sowie der Lombard-, Offenmarkt- und Mindestreserve- politik von Land zu Land verschiedenartige Anwendung finden. Stucken be- handelt alle diese Eingriffe in den Kreditmarkt und ihr Zusammenwirken unter dem Gesichtspunkt seiner Lehre vom „Geldschöpfungsspielraum". Dabei beschäftigt ihn namentlich die Frage, warum ein solches Vorgehen keineswegs absolute Sicherheit dafür bietet, daß die volkswirtschaftlichen Ziele, die man sich jeweils gesetzt hat, auch effektiv erreicht werden. Er legt eindrücklich dar, wie in politischen Notlagen, beim Bestehen einer großen öffentlichen Schuld und ferner im Zusammenhang mit der Gestaltung der Zahlungsbilanz, wenn Stabilität der Produktpreise und der Wechselkurse angestrebt wird, der Notenbank die Herrschaft über die Geldschöpfung der Kreditbanken entgleiten kann. Von diesen Tatbeständen wird dann nach seiner Überzeugung die gesamte Lage „viel mehr bestimmt als davon, ob die Notenbank neben der Diskont- und Lombardpolitik über das eine oder andere weitere Mittel zur Beeinflussung der Geldschöpfung verfügt". Aber nicht nur die Begrenzung der Kreditkreation nach oben hin, sondern vor allem auch ihre zweckentsprechende Ausdehnung bei absinkender Konjunk- tur oder in Stockungszeiten erscheint ihm problematisch.

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Die Ordnung der Qeldivirtschaft 333

Als Vertreter einer „polykausalen" Erklärung der wirtschaftlichen Wech- sellagen stellt Stucken fest, daß seit dem 1. Weltkrieg neben der Vervielfachung machtmäßiger Eingriffe in das ökonomische Leben gerade auch die Wandlung des geldpolitischen Verhaltens entscheidend dahin gewirkt hat, jedem ein- zelnen Konjunktur verlauf mehr und mehr individuelle Züge zu verleihen. Immerhin neigt er der modernen Multiplikator- und Akzeleratortheorie in stärkerem Maße zu als Rittershausen, der sich hiervon „nur geringe Aufhel- lungen" des Wesens der kreditär-dynamischen Wirtschaft verspricht. Stucken prüft die Lehrmeinungen sorgfältig, die behaupten, daß eine Er- höhung der Investition eine multiple Einkommenssteigerung auslöst und daß durch zunehmende Nachfrage nach Konsumgütern zusätzliche Investitionen induziert werden. Seines Erachtens sind diese Thesen nur unter bestimmten Voraussetzungen auf die Wirklichkeit anwendbar, zu denen insbesondere eine vollkommene Elastizität der Geld Versorgung gehört. Die „modern theory" hat jedoch „das Problem der reichen Länder" oder, anders ausgedrückt, „die Tendenz zur säkularen Stagnation" verstärkt ins Bewußtsein gehoben und ist damit „zu neuartigen Grundsätzen für die Führung des staatlichen Haus- halts vorgeschritten". Hierbei handelt es sich um die vielfältigen Bestre- bungen, die Mittel der öffentlichen Finanzwirtschaft für die Konjunktur- Stabilisierung dienstbar zu machen. Stucken beurteilt eine solche Defizit- politik durchaus positiv, fragt sich jedoch, inwieweit ihre Aufgaben nicht auch von der Geld- und Kreditpolitik übernommen werden können. Im ganzen glaubt er, daß man heute bei geeignetem Verhalten des Staats und der Banken dem Konjunkturgeschehen nicht so schnell „schicksalhaft" aus- geliefert ist, wie dies einstmals angenommen wurde. Wenn das stetige Wirt- schaftswachstum nicht gefährdet sein soll, ist vernunftgemäßes und verant- wortungsbewußtes Handeln notwendig, aber „nicht auf allen Gebieten kön- nen wir mit der erforderlichen Einsicht und Disziplin der Beteiligten rech- nen".

Auch Rittershausen erörtert die Möglichkeiten der Beherrschung des ge- samten Kreditmarkts durch das öffentliche Interesse und legt dabei im Sinne einer „genossenschaftlichen" Staatsidee das größte Gewicht auf die „frei- willige Übernahme von Verpflichtungen". Da die Stabilität der Währung das Eesultat aller Erscheinungen des Kreditmarkts ist, gilt es, die Gesamtheit der „kreditären Effekte" ins Gleichgewicht zu bringen. Was zunächst die „Waren- effekte" anbelangt, so sind sie, abgesehen von vielfacher gegenseitiger Kom- pensation, gewissermaßen „autonom gebremst"; im übrigen dürfte sich namentlich mit Bezug auf die Investition die von Wicksell angeregte Gesamt- lenkung durch Zinspolitik als erfolgreich erweisen. Dagegen vermag man die „Kasseneffekte" nur wenig zu beeinflussen, weil hier das „Vertrauen" der Be- völkerung in die Währung von größter Bedeutung ist. Die „Staats-Finanz- effekte" können durch gesetzliche Vorschriften „rationalisiert" werden, die das Entstehen großer Defizite oder Überschüsse im öffentlichen Haushalt verhindern. Im Hinblick auf die „Außenhandelseffekte" lassen sich Voll- machten zu zeitweiliger Änderung der Kontingents- und Zollpolitik recht- fertigen. Erst an letzter Stelle zieht Rittershausen die „ Effekte des Bank- kredits" in Betracht, die als einzige bereits weitgehend reglementiert sind.

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Er nennt hier die sachliche Prüfung der Kreditunterlagen, die Kreditlinien im Diskont- und Lombardgeschäft, den Zwang zur Haltung von Mindest-Bar- reserven und die Kreditrichtsätze. Die Notenbank ihrerseits muß im Be- streben, „das Gesamtsystem der kurz- und langfristigen Zinssätze zweck- mäßig zu dirigieren", stets Kontakt mit der Wirklichkeit, also mit dem Real- zinssatz, halten, der selbst nichts anderes als ein Preis ist. „Preise darf man aber nicht weit von ihrer Wettbewerbslage verschieben, wenn die Maßnahme von Erfolg gekrönt bleiben soll."

IV.

Obgleich beide Autoren auf viele Einzelfragen sehr verschiedene Ant- worten geben und gerade auch bezüglich der prinzipiellen Stellungnahme bis- weilen stark voneinander abweichen, verbindet sie doch das gemeinsame Streben, die Ergebnisse ihrer wissenschaftlichen Arbeit in eine allgemeine Theorie des Wirtschaftslebens als Ganzes einzubauen. Stucken verwendet zur ersten Orientierung über diese vielfältigen Zusammenhänge das sehr ab- strakte Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft ohne ökonomische Ak- tivität des Staates, das Schritt für Schritt der Wirklichkeit angenähert wird. Dabei geht er von der Statik zur Dynamik über und würdigt anschließend nicht nur die internationalen Wirtschaftsbeziehungen, sondern auch die Finanzgebarung der öffentlichen Gemeinwesen im Rahmen des Kreislaufs der Geld- und Güterströme, der immer differenziertere Formen annimmt. Sein Gesamtbild ergänzt er später durch eine vertiefte Analyse des zwischen- staatlichen Zahlungs- und Kreditverkehrs, der Höhe der Wechselkurse und der Erscheinungen der Inflation und Deflation. Hier bietet sich Gelegenheit zu kritischer Auseinandersetzung mit der Kaufkraftparitäten- und Quanti- tätstheorie sowie mit manchen anderen „landläufigen" Auffassungen. Nach Stucken müssen diese „Lehren von gestern des Nimbus eherner ewiger Gültigkeit entkleidet werden, der ihnen schlechthin nicht zukommt, mögen sie auch bei Bestehen ganz bestimmter Bedingungen ihre Brauchbarkeit er- wiesen haben". Sogar die neuere einkommenstheoretische Betrachtungs- weise, die er ja selbst in erheblichem Umfang übernimmt, erscheint ihm hin- sichtlich der bisherigen Behandlung geld- und kreditpolitischer Probleme noch als „höchst unbefriedigend".

Das Endresultat langjähriger eigener Forschungen faßt Stucken im letz- ten Kapitel seines Werks zusammen. Mit Absicht beschränkt er sich hier nicht auf die bloße Systematik der Währungsformen, sondern wählt das wei- ter gefaßte Thema der „Ordnung der Geldwirtschaft", um positiv oder negativ beurteilen zu können, ob jeweils die Voraussetzungen für eine zweckdienliche Gestaltung des volkswirtschaftlichen Prozesses und insbesondere für ein größtmögliches Sozialprodukt gegeben sind. Das entscheidende Merkmal einer „sinnvollen Ordnung" bildet die „vorsorgliche (präventive) Knapp- haltung des Geldumlaufs von der Geldseite her(i. Bei großen Inflationen kann es zur völligen Auflösung der Geldwirtschaft kommen, oder man versucht die „Stabilisierung des Geldes von der Güterseite her", die tiefgehende Ver- änderungen der ganzen Wirtschaftsverfassung bewirkt und damit ein neues

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Die Ordnunng der Oeldwirtsckaft 335

Ordnungssystem entstehen läßt, das auf grundsätzliche Knapphaltung der Geldmenge verzichtet. Neben solchen Verfallserscheinungen macht sich aber seit dem 1. Weltkrieg auch ein Wandel genereller Natur in der Geldschöpfungs- politik und in der Kegelung des zwischenstaatlichen Zahlungsverkehrs be- merkbar. Angesichts dieser Entwicklung kann nicht gesagt werden, ob die Goldwährung oder die freie Währung prinzipiell die überlegene Form dar- stellt. Es kommt vielmehr darauf an, welche Bedingungen sonstiger Art im Wirtschaftsleben existieren und ob es gelingt, Gefahrenpunkte der einen oder anderen Währungsform zu beseitigen. Wenn hier auch der Wissenschaft und Praxis noch ein weites Feld der Betätigung verbleibt, so glaubt Stucken doch, daß die Einsicht in die Zusammenhänge zwischen geld- und güterwirtschaft- lichen Tatbeständen fortgeschritten und die Bereitschaft gewachsen ist, nach diesen Erkenntnissen zu handeln.

Rittershausen spricht von „zwei Hauptformen der Kreditwirtschaft" , die er mit Rücksicht auf die jeweilige Geldverfassung unterscheidet. Die historische Erfahrung lehrt, daß keineswegs immer und überall das Zahlungsmittel zu- gleich auch als Währungseinheit verwendet worden ist, vielmehr läßt sich häufig eine Spaltung zwischen diesen beiden Funktionen nachweisen. Gegen- wärtig herrscht im inländischen Verkehr das „System der Vereinigung", das bei starker Geldentwertung zu sehr nachteiligen Folgen geführt hat. Sie wären beim „System der Trennung" nicht eingetreten, dessen charakteristi- sches Merkmal darin besteht, daß die Noten wie gewöhnliche Börsenpapiere einen Kurs haben und nicht zum Nennwert umlaufen. Im internationalen Zahlungsverkehr besteht noch heute weitgehend eine Spaltung der Geld- funktionen, sofern nicht durch zwischenstaatliche Abkommen ein bestimm- ter Verrechnungskurs vereinbart wird. Nach Rittershausen muß die ver- schiedene Ordnung der Kreditwirtschaft auch in Betracht gezogen werden, um die Entwicklung auf dem Gebiete der Geldtheorie zu verstehen. Dies gilt vor allem für die einstigen Kontroversen zwischen der Banking- und Currency- schule, die bereits wichtige Beiträge zur Klärung des Kreditschöpfungspro- blems geleistet haben. Hierbei kann man es jedoch nicht bewenden lassen, da mit dem allgemeinen Wandel des ökonomischen Lebens ein Ausbau der Wirt- schaftstheorie im ganzen notwendig geworden ist. Solche systematische Ge- samtdarstellungen haben seit den Klassikern die Lehre von der Preisbildung mehr und mehr in den Vordergrund des Interesses gerückt. An dieser zen- tralen Stelle setzt Rittershausens Kritik ein, die sich gegen wirklichkeits- fremde Konstruktionen richtet. Er hält es für erforderlich, von der Vor- stellung eines „statisch vollkommenen Marktes" zu einem „dynamischen Modell" überzugehen. „Das in der Statik nur in der momentanen Abrech- nung zwischen beiden Marktparteien vorhandene zeitlose' Geld wird eine längerlebige Erscheinung, also Kreditgeld (Saldo mal Anzahl der Zeitein- heiten). Zugleich bleiben Güter (Läger) zeitweilig unverkauft. Die Statik und die Dynamik werden also durch zwei Elemente voneinander unterschieden, die die Zeit enthalten: Kredit und Lager." Es umfaßt somit der in der Zeit verlaufende dynamische Warenmarkt auch den Kreditmarkt. Diese rea- listische Betrachtungsweise eröffnet, wie Rittershausen hofft, den Weg zur Überwindung eines „alten Zwiespalts des Denkens", der vielfach noch in der

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Page 12: Die Ordnung der Geldwirtschaft

336 Richard Büchner: Die Ordnung der Qeldwirtschaft

Literatur besteht: Während die Preise nach der „klassischen, später am be- sten von Marshall formulierten Preistheorie" als Kurvenkreuz im Sinne der Angleichung zweier psychischer Bewußtseinsvorgänge zustande kommen, werden sie andererseits nach der „vulgären Quantitätstheorie" von der Geld- menge bestimmt. „Die Vereinigung beider Theorien ist offenbar eine so große Aufgabe, daß sie unmöglich von einem Autor geleistet werden kann, wenn sich dieser auch bemüht hat, das Problem zu vereinfachen und Material zu weiteren Untersuchungen heranzubringen."

In der Tat erscheint es uns notwendig, noch mancherlei andere Zusam- menhänge zu berücksichtigen, wenn das Wesen der Geldwirtschaft in vollem Umfange erfaßt werden soll. Beide Autoren, denen wir bisher gefolgt sind, stellen das Gesamtphänomen vor allem im Hinblick auf den Ablauf der öko- nomischen Prozesse dar. Diese Vorgänge, die sich auf dem Waren- und Ar- beitsmarkt sowie im Bereich der finanziellen Verflechtung der Wirtschaft durch Geld, Kredit und Kapital vollziehen, werden jedoch in entscheidender Weise durch den bestehenden Aufbau des ganzen ökonomischen Lebens be- einflußt. Die Gestaltung menschlicher Bedarfsdeckung läßt sich nun unter verschiedenen Aspekten, nämlich mit Bezug auf ihre Ordnung, Entfaltung und regionale Gliederung, charakterisieren. Dementsprechend weist die Geld- wirtschaft zunächst ein verschiedenes Maß von Bindung und Freiheit auf, das nicht nur für die Kegelung des Geldumlaufs und der Kreditgewährung, sondern auch für die Wirtschaftsordnung überhaupt von prinzipieller Bedeu- tung ist. Im Vergleich zur Naturalwirtschaft stellt sie einen höheren Grad der gesamten ökonomischen Entfaltung dar, wobei die wachsende Fortbildung in den verwendeten Geldarten und in der bestehenden Kreditorganisation deut- lich zum Ausdruck kommt. Nicht zuletzt ist aber die Geldwirtschaft stets mit einem bestimmten Kaum, in der Regel mit einem Staatsgebiet verbunden, dessen allgemeine Wirtschaftspolitik auch für das Währungssystem und dar- über hinaus für die Eingliederung der betreffenden Volkswirtschaft in die Weltwirtschaft richtunggebend wirkt. Gegenwärtig konzentriert sich die Ziel- setzung des Handelns der einzelnen und ihrer organisierten Gesamtheiten in starkem Maße auf die Stabilisierung der Konjunktur und die Sicherung der Vollbeschäftigung im Inland. Der Glaube ist weitverbreitet, daß mit der Los- lösung des Geldes vom stofflichen Substrat eine nominale Einheit entstanden ist, deren Wert sich mehr oder weniger manipulieren läßt. Trotz alledem sind aber unbestreitbar immer wieder Inflationen in den verschiedensten Formen nicht zu vermeiden gewesen. Aus dieser Erfahrung zieht man dann bisweilen den Schluß, daß es in erster Linie darum geht, die zwischenstaatlichen Wirt- schaftsbeziehungen zu fördern und die allgemeine Währungskon vertibilität anzustreben. Bei solcher Rückbesinnung auf die vermeintliche Automatik der Goldwährung ist jedoch nicht zu vergessen, daß sich inzwischen viele Be- dingungen der nationalen und internationalen Wirtschaft wesentlich ver- ändert haben. So wird heute jeder Versuch der Festigung des Goldpreises von zahlreichen anderen Maßnahmen, die auch über das engere Gebiet der Wäh- rungs- und Kreditpolitik hinausgehen, begleitet sein müssen, um eine Neu- ordnung der Geld Wirtschaft anzubahnen.

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