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Die Literatur des 20. Jahrhunderts IX. Heiner Müller: Die Hamletmaschine (20. 12. 2016) Die Literatur des 20. Jahrhunderts IX. Heiner Müller: Die Hamletmaschine

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Die Literatur des 20. Jahrhunderts IX. Heiner Müller: Die Hamletmaschine (20. 12. 2016)

Die Literatur des 20. JahrhundertsIX. Heiner Müller: Die Hamletmaschine

Die Literatur des 20. Jahrhunderts IX. Heiner Müller: Die Hamletmaschine (20. 12. 2016)

Die Literatur des 20. Jahrhunderts IX. Heiner Müller: Die Hamletmaschine (20. 12. 2016)

Die Literatur des 20. Jahrhunderts IX. Heiner Müller: Die Hamletmaschine (20. 12. 2016)

Wenn ich gefragt werde, sind Sie Christoder Marxist, würde ich natürlichsagen, ich bin Marxist. Aber es istwirklich eine Frage der Alternative.Aber wenn ich gefragt werde, sind SieMarxist, kann ich nicht sagen Ja. Wennes eine Alternative gibt, bin ich immerMarxist. Das ist eigentlich, glaube ich,eine marxistische Antwort. Es gibtkeine marxistische Position, außer übereine Negation. Und auf diesem Umwegkönnte ich dann sagen: ich bin Marxist.Aber nicht ohne diesen Umweg ...

1985

Die Literatur des 20. Jahrhunderts IX. Heiner Müller: Die Hamletmaschine (20. 12. 2016)

1929–1995

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Heiner Müller in Delphi (1987)

1956/57 Der Lohndrücker1958/64 Philoktet1963/64 Der Bau1956/71 Germania Tod in Berlin1979 Der Auftrag1982 Verkommenes Ufer Medeamaterial

Landschaft mit Argonauten1984 Wolokolamsker Chaussee I:

Russische Eröffnung1984 Anatomie Titus Fall of Rome

Ein Shakespearekommentar1995 Germania 3 Gespenster am toten Mann

Die Literatur des 20. Jahrhunderts IX. Heiner Müller: Die Hamletmaschine (20. 12. 2016)

Für mich ist nur Beckett wichtig, weil er einExtrem ist. Alles, was die westdeutscheDramatik macht, bleibt unter Beckett.

1975

Samuel Beckett1906-1989

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En attendant Godot / Waiting for Godot (1952)

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Fin de partie / Endgame (1957)

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›postdramatisches Theater‹

Hans-Thies Lehmann1999

Für mich ist nur Beckett wichtig, weil er ein Extremist. Alles, was die westdeutsche Dramatik macht,bleibt unter Beckett.

1975

Die Literatur des 20. Jahrhunderts IX. Heiner Müller: Die Hamletmaschine (20. 12. 2016)

[Brechts] Stücke laufen alle über Protagonisten,insofern war das letztlich bürgerliche Dramaturgie.

Für mich ist nur Beckett wichtig, weil er ein Extremist. Alles, was die westdeutsche Dramatik macht,bleibt unter Beckett.

1975

Die Literatur des 20. Jahrhunderts IX. Heiner Müller: Die Hamletmaschine (20. 12. 2016)

[Brechts] Stücke laufen alle über Protagonisten,insofern war das letztlich bürgerliche Dramaturgie.

Für mich ist nur Beckett wichtig, weil er ein Extremist. Alles, was die westdeutsche Dramatik macht,bleibt unter Beckett.

1975

Ich glaube, daß dies wirklich ein Problem ist, daß dasTheater von neuen Technologien etwa der BildendenKunst noch viel zu wenig übernommen oderverwendet hat. Daß zum Beispiel die Collage alsMethode im Theater noch kaum wirklich angewendetwird....ich setze den Brecht immer voraus.

... und ich denke, daß wir uns vom LEHRSTÜCK biszum nächsten Erdbeben verabschieden müssen.

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Gegenstand der Kunst ist jedenfalls, was das Bewußtsein nicht mehraushält, dieses schwer zu ertragende Paradox der menschlichen Existenz,die Unerträglichkeit des Seins. Das erklärt auch die Anfälligkeit vonIntellektuellen, gerade in Europa, für Ideologie. Denn Ideologie bietet dieMöglichkeit, die Last, die du eigentlich tragen müßtest, abzuwerfen.

Und was fast nie inszeniert wurde, zumindest nicht inDeutschland, ist die Selbstkritik des Intellektuellen.

1986

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Die Literatur des 20. Jahrhunderts IX. Heiner Müller: Die Hamletmaschine (20. 12. 2016)

SelbstkritikMeine Herausgeber wühlen in alten TextenManchmal wenn ich sie lese überläuft es mich kalt DasHabe ich geschrieben IM BESITZ DER WAHRHEITSechzig Jahre vor meinem mutmaßlichen TodAuf dem Bildschirm sehe ich meine LandsleuteMit Händen und Füßen abstimmen gegen die WahrheitDie vor vierzig Jahren mein Besitz warWelches Grab schützt mich vor meiner Jugend

ED: 1992

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Erich Honecker über Heiner Müller u. a. (1965)

... dem Sozialismus fremde, schädlicheTendenzen und Auffassungen.

Die Literatur des 20. Jahrhunderts IX. Heiner Müller: Die Hamletmaschine (20. 12. 2016)

Am Verschwinden des Menschen arbeiten viele derbesten Gehirne und riesige Industrien. Der Konsumist die Einübung der Massen in diesen Vorgang,jede Ware eine Waffe, jeder Supermarkt einTrainingscamp. Das erhellt die Notwendigkeit derKunst als Mittel, die Wirklichkeit unmöglich zumachen. 1979

Alles, was man in Deutschland macht, mußkriegerisch sein, muß als Krieg verstanden werden.Und Theater ist nicht möglich in Deutschland,außer als Krieg gegen das Publikum. Es gibt keinedemokratische Tradition, weder bei uns noch in derBundesrepublik. Das Publikum versteht nur Krieg.Und da gibt es eine schwache Hoffnung, daß mandas Publikum genügend angreift, so daß es sichwehrt. Das ist die einzige Hoffnung. 1977

Die Literatur des 20. Jahrhunderts IX. Heiner Müller: Die Hamletmaschine (20. 12. 2016)

Alles, was man in Deutschland macht, mußkriegerisch sein, muß als Krieg verstanden werden.Und Theater ist nicht möglich in Deutschland,außer als Krieg gegen das Publikum. Es gibt keinedemokratische Tradition, weder bei uns noch in derBundesrepublik. Das Publikum versteht nur Krieg.Und da gibt es eine schwache Hoffnung, daß mandas Publikum genügend angreift, so daß es sichwehrt. Das ist die einzige Hoffnung. 1977

Das einzige Verhältniß gegen dasPublicum, das einen nicht reuen kann,ist der Krieg ...

Schiller an Goethe, 25. 6. 1799

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Ich glaube, das ist die wesentlicheFunktion von Kunst überhaupt, Wert-und Denksysteme in Frage zustellen, sie unter Umständen auch zusprengen. Ganz simpel formuliert:Die Funktion von Kunst ist es, dieWirklichkeit unmöglich zu machen.Sicher kann es auch Kunst mit einerBestätigungsfunktion geben, ichallerdings kann sie nicht machenoder nur mehr übersetzt, und manbraucht sehr viel länger, um darin dieBestätigung zu finden. 1981

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Natürlich kann man ein Pferd vor ein Taxi spannen oder einTaxi vor ein Pferd. In beiden Fällen ist das nicht effektiv. Abergenau das wird meistens gemacht mit politischer Kunst: einPferd wird vor ein Auto gespannt. Und dann sind die Leuteüberrascht, wenn es nicht richtig fährt. Außerdem lebt dasPferd dabei nicht lange.Wir müssen uns klar werden, was im Zusammenhang mitKunst politisch ist. Das sind doch nicht einfach die Inhalte.Vielleicht hat das Godard am besten formuliert. Er sagte, dieAufgabe bestehe nicht darin, politische Filme zu machen,sondern Filme politisch zu machen.Also, es geht um die Behandlung des Stoffes, um die Form,nicht um den Inhalt. 1987

Die dümmste Haltung ist ja überhaupt, wenn man wasverstehen will. Kein Publikum der Welt versteht ein Stück vonShakespeare im Theater. Ums Verstehen gehts ja gar nicht. Esgeht ja darum, daß man was erfährt, oder was erlebt. Undhinterher versteht man vielleicht was. 1989

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Wenn ich weiß, was ich sagenwill, sage ich es. Dazu muß ichnicht schreiben. 1987

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19771977

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Köln, 5. 9. 1977

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Köln, 5. 9. 1977Mogadischu, 18. 10. 1977

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Köln, 5. 9. 1977Mogadischu, 18. 10. 1977Stuttgart-Stammheim, 18. 10. 1977

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Köln, 5. 9. 1977Mogadischu, 18. 10. 1977

Stuttgart-Stammheim, 18. 10. 1977Mulhouse, 19. 10. 1977

Köln, 5. 9. 1977Mogadischu, 18. 10. 1977Stuttgart-Stammheim, 18. 10. 1977Mulhouse, 19. 10. 1977

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Inge Müller1925-1966

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Alas, poor Yorick!William Shakespeare: Hamlet V 1

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Marcel DuchampLe grand Verreou La Mariée mise à nupar ses célibataires, même

(1912/1915/1923 )

unterer Teil:La machine célibataire(Die Junggesellenmaschine)

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Übrigens entstand der Titel HAMLET-MASCHINEganz zufällig. Es gab den Plan, alles von mir druckenzu lassen, was mit Shakespeare zu tun hatte. Da habeich verzweifelt einen Titel gesucht, und wir kamen auf›Shakespeare Factory‹, weil ich das so schick fand.Dann gab es noch dieses Stück, für das ich nochkeinen Titel hatte, und weil ich irgendeine Illustrationaus einem Buch von Duchamp drin haben wollte,ergab sich automatisch der Titel HAMLET-MASCHINE. Das wurde dann so interpretiert:Hamlet/Maschine = H. M. = Heiner Müller. DieseAuffassung habe ich mit Sorgfalt verbreitet.

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Ich habe immer wieder zu Dialogen angesetzt, esging nicht, es gab keinen Dialog, nur nochmonologische Blöcke, und das Ganze schrumpftedann zu diesem Text.

Vom LOHNDRÜCKER bis zur HAMLETMASCHINE ist alles eineGeschichte, ein langsamer Prozeß von Reduktion. Mit meinem letzten StückHAMLET-MASCHINE hat das ein Ende gefunden. Es besteht keine Substanzfür einen Dialog mehr, weil es keine Geschichte mehr gibt. 1978

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ErstdruckLondon 1603

»wie ein Schrumpfkopf«

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Wer ist Hamlet? Ich habe keine Ahnung. Aber icherinnere mich an Ferdinand Freiligraths Gedicht ausder Zeit des Vormärz. Da heißt es: Deutschland istHamlet. Ich glaube, daß dieser Satz heute wiederaktuell ist. Die Intelligenz ist verunsichert. DieUtopie, die Perspektive ist immer schwerer aus-zumachen. Die Ausläufer der Bewegung von 1968sind schon nicht mehr wahrzunehmen. Und nunsucht man nach einer Position zwischen den Zeiten,den Epochen. In einer solchen Lage bietet sichHamlet immer an als eine Figur, in die man seineProblem projizieren kann. Man weiß einfach nicht,welche Entscheidungen man jetzt treffen soll. Indem, was man nicht will, ist man sich ziemlicheinig. Aber eine schlüssige Position gibt es nicht.Und das ist die Situation von Hamlet. 1986

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E. E. CUMMINGS

The Enormous Room (1922)

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Und wenn auf der Männerebenenichts weitergeht, muß den Frauenetwas einfallen. Und so weiter. Leninhat immer gesagt, die Bewegungkommt aus den Provinzen, und dieFrau ist die Provinz des Mannes.

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Budapest, Oktober 1956

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Die Kritik der Religion endet mit der Lehre, dass der Mensch das Höchste Wesen für denMenschen sei, also mit dem kategorischen Imperativ, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen derMensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist [...]

Karl Marx: Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie (1843)

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Die Kritik der Religion endet mit der Lehre, dass der Mensch das Höchste Wesen für denMenschen sei, also mit dem kategorischen Imperativ, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen derMensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist [...]

Karl Marx: Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie (1843)

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Joseph ConradHeart of Darkness

1899/1902

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Ulrike MeinhofStuttgart-Stammheim

9. Mai 1976

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Charles Mansongeb. 1934

Susan Atkins1948-2009

Ulrike Meinhoff1934-1976

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Sharon Tate (Los Angeles, 9. August 1969)

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Mein Hauptinteresse beim Stückeschreiben ist es,Dinge zu zerstören. Dreißig Jahre lang war Hamleteine Obsession für mich, also schrieb ich einenkurzen Text, HAMLET-MASCHINE, mit dem ichversuchte, Hamlet zu zerstören. Die deutscheGeschichte war eine andere Obsession, und ichhabe versucht, diese Obsession zu zerstören,diesen ganzen Komplex. Ich glaube, meinstärkster Impuls ist der, Dinge bis auf ihr Skelettzu reduzieren, ihr Fleisch und ihre Oberflächeherunterzureißen. Dann ist man mit ihnen fertig.

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Wenn man die HAMLETMASCHINEnicht als Komödie begreift, muß

man mit dem Stück scheitern.

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Das Wappentier der Befreiungist der Maulwurf. (1986)

Die erste Gestalt der Hoffnung ist dieFurcht, die erste Erscheinung desNeuen der Schrecken. (1979)

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Es gibt ein Bild von Klee, das Angelus Novus heißt.Ein Engel ist darauf dargestellt, der aussieht, als wäreer im Begriff, sich von etwas zu entfernen, worauf erstarrt. Seine Augen sind aufgerissen, sein Mund stehtoffen und seine Flügel sind ausgespannt.Der Engel der Geschichte muß so aussehen. Er hat dasAntlitz der Vergangenheit zugewendet. Wo eine Kettevon Begebenheiten vor uns erscheint, da sieht er eineeinzige Katastrophe, die unablässig Trümmer aufTrümmer häuft und sie ihm vor die Füße schleudert.Er möchte wohl verweilen, die Toten wecken und dasZerschlagene zusammenfügen. Aber ein Sturm wehtvom Paradiese her, der sich in seinen Flügelnverfangen hat und so stark ist, daß der Engel sie nichtmehr schließen kann. Dieser Sturm treibt ihn unauf-haltsam in die Zukunft, der er den Rücken kehrt,während der Trümmerhaufen vor ihm zum Himmelwächst. Das, was wir den Fortschritt nennen, ist dieserSturm.

Walter Benjamin, 1940

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Der glücklose Engel 1958Hinter ihm schwemmt Vergangenheit an, schüttet Geröll aufFlügel und Schultern, mit Lärm wie von begrabnenTrommeln, während vor ihm sich die Zukunft staut, seineAugen eindrückt, die Augäpfel sprengt wie ein Stern, dasWort umdreht zum tönenden Knebel, ihn würgt mit seinemAtem. Eine Zeit lang sieht man noch sein Flügelschlagen, hörtin das Rauschen die Steinschläge vor über hinter ihmniedergehn, lauter je heftiger die vergebliche Bewegung,vereinzelt, wenn sie langsamer wird. Dann schließt sich überihm der Augenblick: auf dem schnell verschütteten Stehplatzkommt der glücklose Engel zur Ruhe, wartend auf Geschichtein der Versteinerung von Flug Blick Atem. Bis das erneuteRauschen mächtiger Flügelschläge sich in Wellen durch denStein fortpflanzt und seinen Flug anzeigt.

Die Literatur des 20. Jahrhunderts IX. Heiner Müller: Die Hamletmaschine (20. 12. 2016)

Oder was Kunst/Literaturunterscheidet von Politik:Politik hat zu tun mit demMöglichen und Literaturmit dem Unmöglichen.Literatur ist unmöglich.

1986