die gitarre im zigeunerjazz.pdf

116
8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 1/116 Ernst W ilhe lm Holl DiplomMusiker Diplom Musik-Pädagoge Nieritzstraße 6 01097 Dresden Telefon: 0173 - 9878078 Email: [email protected] Die Gitarre im Zigeuner-Jazz Musikgeschichtlicher Überblick & Gitarrenspezifische Analyse Diplomarbeit von Ernst Wilhelm Holl eingereicht und verteidigt an der Hochschule für Musik ‘Carl Maria von Weber’ Dresden im Jahr 1999 Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser, ich freue mich, dass Sie Interesse an meiner Diplomarbeit gefunden haben. Aus Gründen des deutschen Urheberrechtes muss ich Sie leider darauf hinweisen, dass die im Anhang beigefügten Noten nur zu Forschungszwecken verwendet worden sind und somit nicht weiter für Publikationen zur Verfügung stehen. E r n s t W i l h e l m H o l l D i p l o m M u s i k e r | D i p l o m M u s i k p ä d a g o g e Sollten Sie diese Diplomarbeit in irgendeiner Form für Projekte Ihrerseits nutzen, würde ich mich über eine Information freuen. Abschließend weise ich auch noch auf das Urheberrecht von meiner Seite hin, das eine weitere Verwendung der Diplomarbeit nur mit meiner ausdrücklichen Genehmigung erlaubt. Für Fragen jeder Art stehe ich natürlich zur Verfügung. Mit freundlichen Grüßen Ernst Wilhelm Holl

Upload: kostas74

Post on 02-Jun-2018

271 views

Category:

Documents


4 download

TRANSCRIPT

Page 1: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 1/116

Ernst Wilhelm Holl

Diplom MusikerDiplom Musik-Pädagoge

Nieritzstraße 601097 Dresden

Telefon: 0173 - 9878078 Email: [email protected]

Die Gitarre im Zigeuner-JazzMusikgeschicht licher Überblick & Gitarrenspezifische Analyse

Diplomarbeit von Ernst Wilhelm Holl

eingereicht und verteidigt an der Hochschule für Musik‘Carl Maria von Weber’ Dresden im Jahr 1999

Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser,

ich freue mich, dass Sie Interesse an meiner Diplomarbeit gefunden haben.

Aus Gründen des deutschen Urheberrechtes muss ich Sie leider darauf hinweisen,dass die im Anhang beigefügten Noten nur zu Forschungszwecken verwendetworden sind und somit nicht weiter für Publikationen zur Verfügung stehen.

E r n s t W i l h e l m H o l l —

D i p l o m M u s i k e r | D i p

l o m M u s i k p ä d a g o g e

Sollten Sie diese Diplomarbeit in irgendeiner Form für Projekte Ihrerseits nutzen,würde ich mich über eine Information freuen.

Abschließend weise ich auch noch auf das Urheberrecht von meiner Seite hin, daseine weitere Verwendung der Diplomarbeit nur mit meiner ausdrücklichen

Genehmigung erlaubt.

Für Fragen jeder Art stehe ich natürlich zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Ernst Wilhelm Holl

Page 2: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 2/116

Die Gitarre im Zigeuner-Jazz

Musikgeschichtlicher ÜberblickGitarrenspezifische Analyse

Diplomarbeiteingereicht und verteidigt

an der Hochschule für Musik‘Carl Maria von Weber’ Dresden

von Ernst Wilhelm HollHauptfach: Plektrumgitarre/Gitarre Weltmusik

Gutachter: Ralf Beutler/Detlef Bunk Abgabetermin: 31.03.1999

Page 3: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 3/116

1

Inhaltsverzeichnis

Gliederungspunkt Seite

Inhaltsverzeichnis 11. Vorwort 3

2. Erster Teil: Musikgeschichtlicher Überblick 4

2.1. Das Musikleben im Paris der 20er und 30er Jahre 4

2.1.1. Die Musik der Zigeuner 5 2.1.2. Les Bals Musettes 6 2.1.3. Strömungen der Ernsten Musik 7 2.1.4. Jazz als neuer musikalischer Einfluß 8

2.2. Django Reinhardt und das QdHCDF 9

2.3. Die Entwicklung des Zigeuner-Jazz nach 15Django Reinhardt und dem QdHCDF

2.3.1. Bundesrepublik Deutschland 16 2.3.1.1. Schnuckenack Reinhardt 17 2.3.1.2. Häns’che Weiss 18 2.3.1.3. Titi Winterstein 202.3.1.4. Schmitto Kling 202.3.1.5. Wedeli Köhler 212.3.1.6. La Romanderie 222.3.1.7. Alfred Lora 222.3.1.8. Martin Weiss 232.3.1.9. Mike Reinhardt 232.3.1.10. Bundesrepublik Deutschland Zusammenfassung 24

2.3.2. Frankreich 252.3.2.1 Babik Reinhardt 25

2.3.2.2. Christian Escoudé 262.3.2.3. Boulou Ferré 272.3.2.4. Raphael Fays 272.3.2.5. Bireli Lagrene 282.3.2.6. Frankreich Zusammenfassung 28

2.3.3. Österreich/Niederlande/Belgien 292.3.3.1. Karl Ratzer 292.3.3.2. Zipflo Weinrich 302.3.3.3. Stochelo Rosenberg 302.3.3.4. Fapy Lafertin 312.3.3.5. Österreich/Niederlande/Belgien Zusammenfassung 31Gliederungspunkt Seite

1

Page 4: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 4/116

2

2.4. Musikgeschichtlicher Überblick Zusammenfassung 32

2.5. Auswahl-Diskographie 33

3. Zweiter Teil: Gitarrenspezifische sti listische Analyse 38

3.1. Der Gitarrensound 39

3.1.1. Maccaferri und seine Gitarren 393.1.2. Maccaferris Nachkommen 413.1.3. Die Saiten 433.1.4. Das Plektrum 44

3.2. Die Rhythmusgruppe 45

3.2.1. Instrumentierung 45

3.2.2. Rhythmus 463.2.2.1. 4/4 Swing-Rhythmus 46 3.2.2.2. 3/4-Begleitung 48 3.2.2.3. Adaptionen aus dem Flamenco 49 3.2.2.4. Latin-Rhythmen 51 3.2.2.5. ‘Solo-Begleitung’/Rhythm-Fills 53 3.2.2.6. Zusammenfassung 55

3.2.3. Harmonisches Material und Akkordrepertoire 55 3.2.3.1. Basisbegleitung 56 3.2.3.2. Erweiterte Begleitung 57

3.3. Die Improvisations-Stili stik 63

3.3.1. Django Reinhardts Improvisations-Stilistik 633.3.1.1. Zusammenfassung 70

3.3.2. Die Improvisations-Stilistik des Zigeuner-Jazz 733.3.2.1. Stilistische Analyse 74

3.3.2.2. Spieltechnische Elemente 813.3.2.3. Zusammenfassung 86

3.3.3. Die Improvisations-Stilistik Zusammenfassung 87

4. Zusammenfassung 89

5. Literaturverzeichnis 91

Notenanhang 94

2

Page 5: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 5/116

3

1. Vorwor t

„Zigeuner-Jazz: der Begriff kam in den 1960er Jahren als Bezeichnung für eine

Variante des Swing auf, die v.a. von deutschen Zigeunern gespielt wird. DerZigeuner-Jazz lehnt sich eng an die Musik des großen französischen

Zigeunergitarristen Django Reinhardt (*1910, +1953) an.“ 1

Dieses Zitat stellt eine der wenigen in der Literatur vertretenen Definitionen des

Begriffes ‘Zigeuner-Jazz’ (oder ‘Gypsy Swing’, ‘Gypsy Jazz’, Sinti-Jazz’, ‘Sinti-Swing’,

‘Jazz Manouche’) dar. Diese kurze Text läßt jedoch viele Fragen offen. In wie weit

kann man diese Stilistik hauptsächlich den deutschen Zigeunern zuordnen? Was ist

mit ‘lehnt sich eng’ gemeint? Kann man Zigeuner-Jazz als eine Variante des Swingsehen? Dies ist nur eine kleine Auswahl von möglichen Fragen die der Text

offenläßt. Es sind jedoch dadurch schon genug Gründe gegeben, sich mit diesem

Thema auseinanderzusetzen.

Mit dieser Arbeit soll versucht werden eine komplexe Darstellung des Idioms

‘Zigeuner-Jazz’ zu geben. Anhand von der geschichtlichen Entwicklung seit Django

Reinhardt bis heute und einer gitarrenorientierten stilistischen Analyse sollen

bestimmte Merkmale angeführt werden, die den sogenannten Zigeuner-Jazz

definieren. Ebenso soll auch die Stellung der Person Django Reinhardts in dieser

Stilistik untersucht werden, sowie die Entwicklung innerhalb der Zigeuner-Musik-

Szene, die von ihm ausging. Es wird versucht abschließend eine genauere Definition

dieser Stilistik zu geben. Die Frage nach der Stellung Django Reinhardts in der Jazz-

Geschichte soll hier nicht diskutiert werden, jedoch auf verschiedene Verdienste

seiner Arbeit hingewiesen werden. Diese Arbeit soll sich hauptsächlich mit dem

heute als Zigeuner-Jazz definierten Komplex auseinandersetzen, um einen

genaueren Einblick in diesen musikwissenschaftlich wenig analysierten Musik-

Bereich zu geben.

Es sei darauf hingewiesen, daß alle im Text vorkommenden Zitate original samt

orthographischer und grammatikalischer Fehler übernommen wurden.

1 Kwiatkowski, Gerhard (Hrsg.), Schüler-Duden. Die Musik, Mannheim/Wien/Zürich, 1989, Seite 438

Page 6: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 6/116

4

2. Erster Teil: Musikgeschichtlicher Überblick

Hier soll nun die Musikgeschichte des Zigeunerjazz anhand der wichtigsten Vertreter

dieser Stilistik von der Entstehung bis heute dargestellt werden. Es sollen sowohl dieEntwicklung, als auch die stildefinierenden Aspekte aufgezeigt werden. Da es nichtmöglich ist, auf alle Veröffentlichungen dieser Stilistik einzugehen, soll hier auf eineAuswahl-Diskographie der wichtigsten im Text erwähnten Musiker hingewiesenwerden (siehe 2.5. Auswahl-Diskographie). Es ist dem Autor nicht möglich, diekompletten familiären Zusammenhänge unter den einzelnen Musikern zu erarbeitenund aufzuzeichnen, da dies zu einer sehr komplexen soziologischen Studie führen

würde, die jedoch nicht der Themenvorgabe dieser Arbeit entspricht.Im folgenden Textteil werden, wenn nicht im Text definiert, folgende Abkürzungenverwendet:solo-g = Solo-Gitarre p = Klavierrh-g = Rhythmusgitarre dr = Schlagzeugb = Baß/Kontrabaß v = Geigeacc = Akkordeon perc = Percussionmh = Mundharmonika

2.1. Das Musikleben im Paris der 20er und 30er Jahre

Dieser Teil soll das Musikgeschehen in Paris grob skizzieren bzw. vorstellen, umeinen Einblick in die musikalischen Einflüsse zu bekommen, die die Basis für dieEntstehung des Quintette du Hot Club De France (im Folgenden: QdHCDF) bildeten.

Es bestehen in dieser Zeit sehr viele musikalische Strömungen, die in Paris, alsKulturstadt der 20er und 30er Jahre, zusammentrafen, aber hier nur kurz vorgestelltwerden. „Einen Beweis des äußerst regen musikalischen Lebens in der Hauptstadt“(Paris) „liefern die Statistiken, nach denen im Spieljahr 1929-1930 überfünfzehnhundert musikalische Veranstaltungen“ (E-Musik) „in Paris dargebotenwurden (die Theatervorstellungen nicht inbegriffen), darunter über fünfhundertOrchesterkonzerte. Diesem ungeheuren Verbrauch an Musik wäre die Verbreitung

des Grammophons und des Rundfunks hinzuzufügen, deren Hörerzahl nicht genau

Page 7: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 7/116

5

zu ermitteln ist.“1 Zusätzlich muß natürlich auch die Musik der Zigeuner dieser Zeitberücksichtigt werden, da sie einen großen Einfluß auf den Manouche2 undBegründer des QdHCDF Django Reinhardt hatte.

2.1.1. Die Musik der Zigeuner

„Die Musik der Sinti, Manouches, Gitans und Roma Mittel- und Westeuropas“ zuBeginn des 20.Jahrhunderts setzte sich „aus ihrer Zigeunerfolklore“, bestehend aus„Liedern in Romani bzw. Romanes ihrer eigenen Sprache und (vorwiegend)instrumentaler Tanzmusik osteuropäischer Herkunft“, zusammen. „Bei den Liedernder Sinti handelt es sich um Spott, Trink- und Liebeslieder, Kinderreime, vereinzeltauch Todesklagen. Die Zigeunermusik osteuropäischer Herkunft besteht aus Liedernund der instrumentalen Fest- und Tanzmusik der auf dem Balkan, der Ukraine und inRußland lebenden Roma.“ Ihre Hauptform ist der Csárdás. Daneben ist dasRepertoire aus verschiedenen Quellen entlehnt: aus der Romantik, erfolgreicheSchlager- und Operettenmelodien (z.B. Strauß oder Léhar) und aus volkstümlicherTanzmusik des 19.Jahrhunderts (Walzer, Polkas). „Neben dem Aspekt, daß dieseadaptierten Kompositionen wegen ihrer melodisch-sentimentalen Qualitäten einemmusikästhetischen Ideal“ der eigenen „Musiktradition entsprachen und damit auchdie Zigeunermusiker eine besondere Anziehungskraft ausübten, trafen sie beim‘Ständeln’, dem Spielen in den Gasthäusern für die dort verweilenden Gadsche(Romanes-Bezeichnung für Nichtzigeuner (auch gadje)) aufgrund ihrer Popularitätund des Wiedererkennungseffektes besonders sicher den Nerv der Zuhörer undderen Zahlungsbereitschaft, denn das ‘Ständeln’, war die eigentliche Erwerbstätigkeitder Zigeunermusiker, ihre Haupteinnahmequelle. Die französischen Manouches

taten dergleichen auch mit der Adaption erfolgreicher Musette- und Chansontitel, ...“3 Ähnliches gilt auch für die aus Spanien und Südfrankreich nach Paris kommendenGitanos, die aber durch einen größeren Bezug zum Flamenco, als ihre musikalischeWurzel, bestimmt waren, aber auch die Einflüsse der Musik ihrer neuen Heimataufnahmen. Der Vortrag der Stücke der Zigeunermusiker war stets charakterisiert

1 Boyer, Jean, Kurzgefasste Geschichte der Französischen Musik, Wiesbaden, 1953, Seite 1982 Durch die Völkerwanderungen hat sich die ethnische Gruppe der ‘Zigeuner’ von Indien aus über ganz Europaverteilt und ist dort regional gebunden in kulturelle Untergruppen unterteilt, die auch eigene ethnischeBezeichnungen haben: Gitanos (Iberische Halbinsel), Manouches (Nordfrankreich, Deutschland, Holland undBelgien), Sinti (Italien) und Roma (Osteuropa und Balkan).3 Awosusi, Anita (Hrsg.), Die Musik der Sinti und Roma. Band 2: Der Sinti-Jazz,Heidelberg,1997,Seite 101-2

Page 8: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 8/116

6

durch eine sehr gefühlsbetonte Interpretation mit einer Neigung zu virtuoserVerzierung oder dem Wechsel zwischen Rubato-Vortrag, sowie lang ausgehaltenenTönen und schnellen schwungvollen Passagen. Zusätzlich waren dieZigeunermusiker wegen ihres exzellenten Plektrumgitarrenspieles alsBegleitgruppen, aber auch in solistischer Funktion, aufgrund der schon erwähntenInterpretationskunst (stark verzierte, sowie variierte, Themenvorträge können schonals Vorstufe improvisatorischer Strukturen gedeutet werden), in der Pariser Chanson-und Musetteszene gefragt.

2.1.2. Les Bals Musettes

Die popularmusikalische Hauptströmung im Paris der 20er Jahre bildeten die BalsMusettes, die man als Musik der Straße und der Tanzsäle deuten kann. Die Basisdieser Musik bildeten die berühmten Valse-Musette (Musette-Walzer), die imRepertoire durch Tangos, Paso-Dobles, Polkas, Foxtrotts, Javas, Charlestons undspäter auch durch Swingadaptionen ergänzt wurden. Das Akkordeon gilt als dasHauptinstrument dieser Musik, das mit Begleitgruppen ergänzt wurde, in denen dieGitarre eine große Rolle spielte. Zu den berühmtesten Gitarristen dieser Zeitgehörten neben Auguste Malha, genannt Gousti, die Brüder Ferret: Étienne Ferret(1912-1970), genannt ‘Sarane’, Jean Ferret (1918-1989), genannt ‘Matelot’ undPierre Ferret (1908-1976), genannt ‘Baro’. Zu Beginn der 30er Jahre erspielten siesich, zunächst als virtuose Banjo- oder Bandurria-, später als Gitarren-Spieler, einenNamen in der Pariser Musikszene und wurden so bald als Begleitmusiker zuSchallplattenaufnahmen mit verschiedenen Akkordeonisten herangezogen. Dieberühmtesten der Brüder waren Sarane Ferret, der sich später auf die Musik desQdHCDF spezialisierte, und Matelot Ferret, der hauptsächlich die Tradition der Balsmusettes vertrat. Matelot Ferret tritt auf vielen Schallplattenaufnahmen namhafterAkkordeonisten wie Gus Viseur, Tony Mureno oder Jo Privat in Erscheinung.Zusätzlich arbeitete er als Begleiter renommierter Chanson- und Schlagerinterpretenwie Jean Tranchant, Charles Trenet und Edith Piaf. Auch Django Reinhardt begannseine Karriere in den Bals musette als Begleit-Banjoist des Akkordeonisten Guérino(damals unter dem Namen ‘Jiango Renard’). Später wechselte er in verschiedene

Bals-Musette-Formationen und machte zwischen Juli und Oktober 1924 seine erstenPlattenaufnahmen mit dem Akkordeonisten Jean Vaissade.

Page 9: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 9/116

7

2.1.3. Strömungen der Ernsten Musik

Nach dem ersten Weltkrieg entstand eine Blüte im musikalischen Leben in Paris.

Neben der Oper als musikalisches Zentrum wuchs die Zahl der ständigen Orchestervon drei bis zu zeitweise acht an. Zusätzlich entstanden viele Kammermusikvereineund Gesellschaften, die sich die Pflege der Werke großer Meister, wie Mozart undBach, zur Aufgabe machten. Die Pflege der Musik war nicht nur auf die französischeMusik beschränkt, die in dieser Zeit noch durch den Impressionismus ClaudeDebussys geprägt war, sondern wurde auch durch Strömungen aus aller Weltergänzt (das Repertoire der Pariser Oper beinhaltete z.B. auch Werke Richard

Wagners oder Giacomo Puccinis). Eine der wichtigsten ist die russische. Nach derRevolution am Zarenhofe hatte es viele Künstler und Instrumentalisten nach Parisverschlagen. Im Mittelpunkt dieser Strömung standen russische Cabarets undBalette, die die Werke der russischen Komponisten wie Igor Strawinskij, SergejProkofiew oder Dimitri Schostakowitsch dem Publikum darboten. Auch Strömungender Neuen Musik aus Deutschland waren erkennbar. Werke von Arnold Schönberg,Alban Berg, Paul Hindemith und Kurt Weill kamen zur Aufführung und wurden überden Rundfunk verbreitet. Die Stellung des Rundfunks wurde mit der Zeit sehr wichtigund machte die Musik verschiedenster Komponisten einer breiten Masse bekannt.Auch mit anderen europäischen Ländern herrschte großer musikalischer Austausch,z.B. wurden die bedeutesten Werke des Spaniers Manuel de Falla in Parisuraufgeführt; der Komponist schweizer Abstammung Arthur Honneger studierte inParis. Mit dem Konservatorium, als musikalischem Ausbildungsort, zog Paris ebensoMusiker aus aller Welt an. Auch Amerika unterhielt Beziehungen zu Paris. DenHauptvertreter Südamerikas stellte Heitor Villa-Lobos dar. Aus Nordamerika warenAron Copland und natürlich George Gershwin die bekanntesten. Für die Entwicklungder französischen Musik steht die sogenannte ‘Gruppe der Sechs’ um Erik Satie.Diese Musiker hatten gleiche Interessen: „der Impressionismus war ihnen fremd,ebenso wie die Romantik. Sie suchten den Realismus, wollten aber zugleich zumKlassizismus zurückgreifen. Einfach und scharf wollten sie sein, kühn und heiter,Sänger des modernen Lebens und musikalische Draufgänger.“ 4 Neu für die ernsteMusik war der seit dem ersten Weltkrieg beginnende und immer größer werdende

4 Boyer, Jean, Kurzgefasste Geschichte der Französischen Musik, Wiesbaden, 1953, Seite 202

Page 10: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 10/116

8

Einfluß des aus Nordamerika stammenden Jazz, als eine popularmusikalischeStrömung.

2.1.4. Jazz als neuer musikalischer Einfluß

Nachdem die amerikanische Schallplattenindustrie 1932 ihren ersten großenTiefstand erreichte (bis 1933 mußten die meisten Firmen bis auf die Victor, die Deccaund die Columbia schließen), wurde mit Europa ein neuer Markt entdeckt. WichtigeJazzplatten wurden alsbald direkt für den europäischen, insbesondere denenglischen Plattenmarkt produziert. Auch aufgrund der Rassenprobleme zog es viele

amerikanische Jazzmusiker in das nicht so rassenfeindlich eingestellte Europa, wosie von einem beifallsfreudigen Publikum empfangen wurden. „Für die europäischenIntellektuellen hatte der Jazz den Zauber einer exotischen, primitiven und darumerfrischend ursprünglichen Kunst.“5 Auch Duke Ellington gastierte 1933 in Europa,wie auch im Jahr zuvor Louis Armstrong. Andere Künstler, wie Coleman Hawkins,folgten ebenso diesem Beispiel. „Das große europäische Publikum hatte dieJazzgruppen und allgemein die amerikanischen Negerorchester stets gefeiert,angefangen mit den Hell Fighters, der von Jim Europe dirigierten Militärkapelle, die1918 in verschiedenen französischen Städten Konzerte gab und Begeisterung undErregung hervorrief, bis zu den Orchestern von Will Marion Cook, Noble Sissle undSam Wooding, abgesehen von gewissen weißen Gruppen wie der Original DixielandJazz Band und den Mound City Blue Blowers. Begeistert hatte das Puplikum dannden Negerrevuen aus Amerika Beifall gespendet, wie der ‘Revue Nègre’ mitJosephine Baker, dem Claude Hopkins-Orchester und Sidney Bechet, die im Jahre1925 im Théâtre des Champs Élysée debütierte, ...“6 Mit dem Jazz, der sich auchüber Schallplatten und den Rundfunk in Europa verbreitete, erschien auch die Musikdes Gitarristen Enter Salvatore Massaro, genannt Eddie Lang (1892-1933), der ab1926 im Duo mit dem Violinisten und Schulfreund Joe Venuti viele Aufnahmenmachte und als erster die Gitarre als solistisches Instrument im Jazz etablierte. Indiesen Duetten spielten sie Anfangs Mazurkas (3/4-Takt) und Polkas (2/4-Takt), diesie dann aus Spaß als 4/4-Takt-Stücke vortrugen. Es zeigten sich dabei schon dieersten Improvisationen: Joe Venuti begann mit einer Improvisationslinie und Eddie

5 Polillo, Arrigo, Jazz. Geschichte und Persönlichkeiten, München/Berlin, 1982, Seite 1336 Polillo, Arrigo, Jazz. Geschichte und Persönlichkeiten, München/Berlin, 1982, Seite 133

Page 11: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 11/116

9

Lang spielte Variationen darüber. In seiner Karriere spielte Lang mit unzähligenOrchestern wie z.B. dem von Bix Beiderbecke, Paul Whiteman mit Bing Crosby,sowie auch auf unzähligen Studiosessions für verschiedene Sänger (z.B. Al Jolson)und für Bluessänger (z.B. Bessie Smith). Interessant sind die Aufnahmen inverschiedenen Gitarren-Duo-Konstellationen, wie mit Carl Kress und DickMcDonough, der in der damaligen Zeit mehr als jeder andere für die Entwicklung vonGitarren-Duo-Formationen tat. Bei dem wohl ersten Gitarrenduo im Jazz war EddieLang ebenso beteiligt. Er machte unter dem Namen ‘Blind Willie Dunn’ mit LonnieJohnson 1929 für das Okeh-Label verschiedene Aufnahmen. Im Allgemeinen warEddie Langs Gitarren-Stil bestimmt durch: „die kräftigeattack und fließende,bluesartige Linien mit fesselndem Gebrauch von smears , Glissandi undharfenähnlichen künstlichen Flageoletts; ungewöhnliche Intervalle, insbesondere diepianistische Dezime und Bix-hafte parallele Nonen; Sequenzen übermäßigerAkkorde und Ganztonpassagen; die entspannte, hornähnliche Phrasierung. Obschonin erster Linie Plektrumspieler, barg Lang doch immer wieder sein Plektron in derHandfläche und führte Fingerstyle vor, speziell dann, wenn er Arpeggios undfills hinter einer/m Vokalistin/en spielte.“7

2.2. Django Reinhardt und das QdHCDF

Im folgenden soll nun auf den Lebenslauf Django Reinhardts eingegangen werden.Im zweiten Teil dieser Arbeit folgt noch eine ausführliche Analyse seinerPersonalstilistik. Eine genaue Betrachtung des Lebens und Werkes DjangoReinhardts würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Es soll jedoch an dieser

Stelle auf die zwei wichtigsten Django-Reinhardt-Biographien hingewiesen werden,die einen sehr tiefen Einblick in seine Persönlichkeit und seine Arbeit geben:Alexander Schmitz/Peter Mayer „Django Reinhardt“ und Charles Delauney „DjangoMon Frère“.Der am 23. Januar 1910 in Liverchies geborene Zigeuner Jean-Baptiste ‘Django’Reinhardt verbrachte seine früheste Kindheit auf Wanderschaft. Mit seiner MutterLaurence, genannt ‘Négros’, und seinem Bruder Joseph, genannt ‘Nin-Nin’ zog erdurch Frankreich, Italien und Algerien, bis sich seine Familie 1918 im Wohnwagenam Stadtrand von Paris niederließ. Mit zwölf Jahren bekam er ein Gitarren-Banjo von

7 Scmitz Alexander, Jazzgitarristen, Schaftlach, 1992, Seite 32

Page 12: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 12/116

10

einem Nachbarn geschenkt und begann sehr schnell, seine Fähigkeiten auf demInstrument zu entfalten. Er spielte nun oft mit dem buckligen GitarrenspielerLagadière bis in den frühen Morgen in den Cafés. Ein Jahr später trat er gemeinsammit dem Akkordeonisten Guérino in den Tanzsälen von Paris auf. Zwischen Juli undOktober 1924 kam es zu den ersten Plattenaufnahmen unter dem Namen ‘JiangoRenard’ zusammen mit Jean Vissade (Akkordeon) für das Ideal-Etikett. Neben seinerTätigkeit als Musiker nahm Django Reinhardt regelmäßig an ‘after-hours-sessions’8 teil und spielte mit Vorliebe amerikanische Titel. Mit der Zeit wechselte er zur Gitarre,bis es am 2. November 1928 zu einem folgenschweren Unfall kommt: Er überlebteinen Brand in seinem Wohnwagen, erleidet jedoch schwerste Verbrennungen amganzen Körper und insbesondere an der linken Hand. Nach achtzehn Monaten ist erwieder hinreichend genesen, jedoch bleibt eine Behinderung seiner Hand zurück: DieSehnen seines kleinen und seines Ringfingers bleiben verkürzt und fast völliggelähmt. Trotz dieser Behinderung entwickelte Django Reinhardt eineGitarrentechnik, die es ihm ermöglichte, nahezu ohne die verletzten Fingerauszukommen. Zu dieser Zeit, 1929, wurde sein erster Sohn Henri Baumgartnergeboren. Zu Beginn der 30er Jahre lebt Django Reinhardt als Straßenmusiker, da erkein Interesse mehr an den bals musette hat, sondern sich eher am Jazz orientiert.

Aus diesem Grund wird er auch von dem ebenso jazzbegeisterten Pianist StephenMougin engagiert. Viel auf Reisen durch Südfrankreich tritt 1931 in Toulon ÉmileSavitry in sein Leben, der ihn mit der Musik Duke Ellingtons, Louis Armstrongs undEddie Langs/Joe Venutis bekannt macht und sein Förderer wird. Neben derBeeinflussung durch Savitry beginnt Django Reinhardt seine ersten Schritte alsJazzmusiker mit dem Kontrabassisten Louis Vola, der schon in Toulon und Cannessein Orchesterchef war, und mit dessen Formation er im Dezember 1932 in Paris

debütiert. In den folgenden Jahren spielt er viel mit Musikern der Pariser Musikszene(z.B. Jean Sablon, André Ekyan, oder Stéphane Grapelli) und findet vieleBewunderer. Savitry organisiert für seinen Schützling 1934 ein Konzert in dem Ende1922 gegründeten Hot Club de France, das Django zu seinem Durchbruch verhilft:„Man kann sagen, daß er die große Entdeckung des Konzerts war. Er ist ein sehrmerkwürdiger Musiker, dessen Stil dem keines anderen bekannten Musikers ähnelt... Wir haben jetzt in Paris einen großen Improvisator ... Darüber hinaus ist Reinhardt

ein faszinierender Junge, der die gleiche Phantasie in sein Leben zu legen scheint,

8 Begriff für Jam-Sessions

Page 13: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 13/116

11

die seine Soli belebt ...“9 Bei einem Zusammentreffen mit Stéphane Grapellientstand die Idee eines reinen Saitenquintetts, das alsbald im Dezember 1934 in derBesetzung Django Reinhardt (Solo-Gitarre), Stéphane Grapelli (Violine), RogerChaput (Rhythmusgitarre), Joseph Reinhardt (Rhythmusgitarre) und Louis Vola(Kontrabaß) als Quintett du Hot Club de France in der École Normale de Musique inParis debütierte. Die ersten Jahre des Quintetts verliefen sehr aufregend. Neben denab 1935 beginnenden regelmäßigen Aufnahmen wurde Django Reinhardt von einemimmer größer werdenden begeisterten Publikum entdeckt. Zusätzlich bot sich ihm dieMöglichkeit, viele amerikanische Jazzgrößen kennenzulernen. So spielte er in Jam-Sessions in Paris mit Louis Armstrong, Eddie South, sowie Coleman Hawkins undBenny Carter, mit denen er auch 1937 zu Plattenaufnahmen machte. 1939 kam essogar zu einer kurzen Begegnung mit Duke Ellington. Ab 1936 begannenAuslandstourneen des QdHCDF, die sie nach Spanien, Holland, Belgien,Skandinavien und vor allem England führten. Aufgrund des Kriegsausbruches 1939kam es zur Trennung, da Stéphane Grapelli in England bis 1947 zurückblieb,während die restlichen Musiker nach Paris zurück kehrten.In den Kriegsjahren fand Django Reinhardt in dem Klarinettisten Hubert Roastingeinen neuen musikalischen Weggefährten und feierte mit dem neuen QdHCDF auf

Tourneen durch die französische Provinz große Erfolge. Zusätzlich war er unter denin Paris zur Verfügung stehenden Musikern die Nummer Eins. Andere wichtigeEreignisse dieser Jahre waren „die Komposition einer anspruchsvollen Sinfonie mitdem Titel ‘Manoir de mes Rêves’, zu der Jean Cocteau, ein glühender BewundererDjangos, einen poetischen Text geschrieben hatte. Doch wurde dieses Werk, dasDjango und seine Mitarbeiter einige schlaflose Nächte gekostet hatte, nie aufgeführt,weil es als schwer zu spielen und harmonisch zu kühn angesehen wurde, und ging

schließlich verloren.“10 Daneben stand auch die Hochzeit mit seiner GefährtinNaguine und wenig später folgte 1944 die Geburt seines zweiten Sohnes Babik. Einweiteres Ereignis bildete die Eröffnung des Nachtlokals ‘La Roulotte’ auf der RuePigalle, das später in ‘Chez Django Reinhardt’ umgetauft wurde und dessen Besitzerer war. Nach der Befreiung von Paris am 24./25. August 1944 tritt Django mit FredAstaire auf und spielt mit verschiedenen Solisten des Glenn Miller Orchesters (GlennMiller war zu dieser Zeit schon verstorben). „In diese Monate fiel auch die Aufführung

einer Messe von Django in der Kapelle der Institution des Jeunes Aveugles. Er hatte9 Polillo, Arrigo, Jazz. Geschichte und Persönlichkeiten, München/Berlin, 1982, Seite 454

Page 14: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 14/116

12

begonnen, sie für seine Zigeuner zu komponieren, damit sie damit ihre traditionellenWallfahrten nach Les Saintes-Mairies-de-la-Mer feiern konnten, doch wurde dieseMesse nie zu Ende komponiert.“11

Im November 1946 bekam Django Reinhardt ein Engagement bei dem DukeEllington Orchester für eine USA-Tournee, die zu einer herben Enttäuschung für denGitarristen wurde, da er zum ersten Mal eine elektrische Gitarre benutzen mußte undnicht auf dem Instrument zurecht kam. Das Ergebnis war, daß er bei den Kritikerndurchfiel. Doch in Amerika hörte er auch die neue Strömung des ‘BeBop’. Trotz dernegativen Erlebnisse in den USA spielt Reinhardt, zurückgekehrt nach Frankreich,seine Maccaferri-Gitarre nunmehr elektrisch verstärkt. In den folgenden Jahren ziehter sich immer mehr von der Musik zurück und verlegt sich auf die Malerei. Trotzdemfinden immer wieder Tourneen durch Europa statt, und es folgen auch verschiedeneAufnahmen mit dem Quintett und auch mit Stéphane Grapelli. Django Reinhardtversucht sich nunmehr, nachdem er sich seit 1947 mehr und mehr aus der Jazz-Szene zurückgezogen hatte, mit der neuen Stilistik des Bebop zu beschäftigen. Sokommt es im Februar 1951 zu einem Auftritt im Pariser Club Saint-Germain mit derneuen Generation französischer bebopinspirierter Musiker wie den Brüdern Hubertund Raymond Fol, Maurice Vander, Pierre Michelot, Bernard Hulin und Roger

Guérin. Fünf Monate blieb Django Reinhardt in diesem Club und nahm auchverschiedene Titel auf. Durch die Gebrüder Fol lernte er auch die Musik CharlieParkers und Dizzy Gillespies kennen. Über die letzten Aufnahmen Django Reinhardtsim März 1953 für Blue Star führt Pierre Michelot aus: „Ich war total überrascht, daß erseine alten Themen spielte, wie zum Beispiel ‘Nuages’. Sicherlich hatten ihn dieProduzenten dazu gebracht. Jedoch spielte er diese Themen völlig anders als in denfrüheren Versionen. Für mich war das die beste Version von ‘Nuages’ die er jemals

aufgenommen hat. Er zitierte fortwährend Parker und Dizzy. Und in bestimmtenschnellen Tempi spielte er mit ‘abgerissenen’ Phrasen in einer Art und Weise, wie esgenau der Bebop-Praxis entsprach. Übrigens gibt es das auch schon in seinenEinspielungen von 1951. Aber diese Platte für Blue Star ... Wäre er nicht kurze Zeitspäter gestorben, diese Platte hätte den Wendepunkt seines Lebens markiert.“ 12 „Wieder daheim, in Samois, am 15.Mai“ 1953, „angelt Django erst, sitzt dann mitFreunden in einem Café und unterhält sich angeregt, als ihn eine Gehirnblutung

10 Polillo, Arrigo, Jazz. Geschichte und Persönlichkeiten, München/Berlin, 1982, Seite 45611 Polillo, Arrigo, Jazz. Geschichte und Persönlichkeiten, München/Berlin, 1982, Seite 45612 Awosusi, Anita (Hrsg.), Die Musik der Sinti und Roma. Band 2: Der Sinti-Jazz, Heidelberg, 1997, Seite 17

Page 15: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 15/116

13

niederstreckt. Alle Hilfe im Krankenhaus kommt zu spät. Er stirbt tags darauf, am16.Mai, im Alter von nur 43 Jahren.“13

Er hinterläßt eine fast unüberschaubare Menge von Einspielungen (ca. 600) und eineunglaubliche Anzahl an Eigenkompositionen. Hier sollen nun auch seine Verdiensteum die Entwicklung des Jazz-Gitarrenspiels angeführt werden, die von JürgenSchwab in seinem Aufsatz ‘Die Jazzgitarre und ihre spezifischen Ausdrucksmittel beiDjango Reinhardt’ zusammenfassend dargestellt wurden:

„Er leitet das erste Jazzensemble, in dem die Gitarre als durchgehendgleichberechtigtes und meist sogar dominierendes Melodieinstrument eingesetztwird.

Durch weitausgreifende Dynamik und lebendige Artikulation erreicht er eineDifferenziertheit des Ausdrucks auf der akustischen Gitarre, die sich mit Bläsernmessen kann.

Sein Improvisationsvermögen und seine Virtuosität stellen alles in den Schatten,was man Jazzgitarristen bis dahin zutrauen konnte, und werden bis heute nur vonwenigen erreicht.

Harmonisch ist er nicht nur auf der Höhe seiner Zeit, sondern ihr in Teilen sogarvoraus. Gewisse Arpeggien und chromatische Durchgänge spielen später bei

Charlie Christian eine große Rolle, und die von ihm häufig verwendeten ‘approach-note’ Figuren tauchen im Bebop wieder auf.

Die Bildung langer Phrasen, vorzugsweise aus Achtelketten, ist ein weitereszukunftsweisendes Merkmal von Django Reinhardts Stil und findet sich ebenso beiChristian und im Bebop wieder.

Zahlreiche spieltechnische Neuerungen gehen durch ihn in das Vokabular derJazzgitarre ein: Oktavdoppelgriffe, ‘false-fingering’-Effekt mit Unisono auf

benachbarten Saiten, Akkord- und Einzeltremoli, ‘sweep-picking’ für schnellsteArpeggien, künstliche Flageoletts, Nutzen der Leersaite als Pedal abwechselndmit gegriffenen Tönen.14

Mit Vorliebe kombiniert er ‘off-beat’-Akzente und komplexe Akzentüberlagerungenmit Oktav- oder Sextdoppelgriffen oder dem Spiel auf einer Saite. Diese Elementefinden sich später u.a. bei Country- und Rockgitarristen.“15

13 Schmitz, Alexander & Maier, Peter, Django Reinhardt, Gauting-Buchendorf, 1985, Seite 3014 Die hier angegebenen Neuerungen werden im zweiten Teil dieser Arbeit erklärt.15 Schwab, Jürgen, Die Jazzgitarre und ihre spezifischen Ausdrucksmittel bei Django Reinhardt in Awosusi,Anita, Die Musik der Sinti und Roma. Band 2: Der Sinti-Jazz, Heidelberg, 1997, Seite 56-57

Page 16: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 16/116

14

Die weitere Entwicklung dieser Musik nach dem Tod Django Reinhardts istinteressanterweise vornehmlich unter den Zigeunern Westeuropas zu finden. Bis aufeinige Ausnahmen, wie z.B. in England Ivor Mairants, Diz Disley und Ike Isaacs, istdie Musik zu einer zigeunereigenen ‘Folklore’ (gemeint ist eine neue traditionelleZigeunermusik) geworden. Michel-Claude Jalard schreibt darüber in seinem Aufsatz‘Django et l’école tsigane du Jazz’: „L’univers musical de Django est pour eux“(gemeint sind die Zigeuner) „un langage commun parce qu’en plus de son art, et àtravers lui, ils retrouvent tout un lyrisme instrumental qui renvoie à leur sensibilitépropre. Ce ‘supplément ethnique’, si l’on peut dire, fait que Django est non seulementle maître d’une conception de la guitare - au même titre que Charlie Christian ensomme - mais vraiment le chef d’une école tsigane de jazz.“16 Django Reinhardt giltaufgrund seiner ethnischen Zugehörigkeit für die Zigeuner den Begründer einerneuen Schule, nämlich der des Zigeuner-Jazz. So ist es auch nicht verwunderlich,daß die weitere Entwicklung, bzw. auch die traditionelle Bewahrung seines Personal-Stils hauptsächlich von Zigeunermusikern betrieben wird.

2.3. Die Entwicklung des Zigeuner-Jazz nach DjangoReinhardt und dem QdHCDF

Durch den zweiten Weltkrieg bedingt, stagnierte die Entwicklung derZigeunermusiker. In Frankreich konnte sich die Musiktradition der Zigeuner trotz derBesetzung durch das Naziregime (1940-45) eingeschränkt weiterentwickeln. „DjangoReinhardt selbst 'genoß' - anders als andere weniger bekannte Zigeunermusiker -während der Okkupationszeit den Schutz seiner Berühmtheit und konnte seineAuftritte und Aufnahmen in Paris mit dem QdHCDF oder in Formationen mit anderenJazzmusikern fortsetzen. ... Doch nach und nach spürte auch er den Druck der mitden Nazis kooperierenden Vichy-Regierung und verließ vorübergehend Paris. Nacheinem gescheiterten Grenzübertritt in die Schweiz kehrte er dann jedoch wiederzurück nach Paris, wo er sogar einen eigenen Club ('La Roulotte') eröffnete (vgl.Alain Antonietto, Beiheft zur Djangologie)."17 Die Virtuosen unter denZigeunermusikern arbeiteten in namhaften Orchestern, und bildeten zusätzlich am

16 Jalard, Michel-Claude, Django et l’école tsigane du Jazz, in: Les Cahiers du Jazz, #1 (1959), Seite 7217Awosusi, Anita (Hrsg.), Die Musik der Sinti und Roma Band 2: Der Sinti-Jazz, Schriftenreihe desDokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma, Heidelberg, Oktober 1997, Seite 148

Page 17: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 17/116

15

QdHCDF orientierte Ensembles, unter denen das 'Swing Quintette De Paris' vonEtienne 'Sarane' Ferret, gegründet 1941, wohl das bekannteste war.In Deutschland und Österreich dagegen blieb der Kontakt zur übrigen Bevölkerungaufgrund der Verfolgung durch das Naziregime lange Zeit gestört. Die Zigeunerblieben unter sich. Auch die Musik wurde nur im engsten Kreise oder hauptsächlichzu gesellschaftlichen Ereignissen, wie große Treffen der Familien, Feste oderHochzeiten, gespielt. Bis Mitte der 60er Jahre erscheinen hier auch keinePlattenaufnahmen von Zigeunermusikern. Erst 1967 beginnt ein Come-back derZigeunermusik in Deutschland basierend auf dem Zusammenarbeiten desZigeunergeigers Hans 'Schnuckenack' Reinhardt und dem Nichtzigeuner undMusikeragenten Sigfried Maeker. "’Am 4. Mai 1967 erlebte der ehrwürdige KölnerGürzenich das Konzert einer 16-köpfigen Truppe von Sinti-Musikern um den Geiger

Schnuckenack Reinhardt. Erstmals - über 20 Jahre nach Kriegsende - traten damitdeutsche Sinti mit ihrer Musik an die erstaunte Öffentlichkeit, die bis dahin dieExistenz einer eigenständigen musikalischen Kultur dieser Minderheit nicht zurKenntnis genommen hatte. - Zunächst zögernd, dann aber doch selbstbewußt,hatten sie ihrem Konzertprogramm den Namen Musik deutscher Zigeuner gegeben.Denn es war beschlossene Sache, nur die Musik auf die Bühne zu bringen, wie siebei den familiären Festen der gatschkenne Sinti (= deutschen Sinti) gespielt wird.Dies war der Beginn einer Entwicklung hin zu einem wiedererwachenden Bewußtsein

eigener kultureller Identität, das, als Folge der schrecklichen Ereignisse während derNS-Gewaltherrschaft, fast erstickt worden war. - Zehn Jahre später - Ende derSiebzigerjahre - sollte diese Entwicklung in der Bürgerrechtsbewegung der Sinti undRoma ihre konsequente Fortsetzung finden, diesmal auf politischer Ebene, alleLebensbereiche erfassend' beschreibt Maeker jenes 'Coming Out' SchnuckenackReinhardts und der Musik der deutschen Sinti."18 Im Rahmen der von Maekerbenannten Bürgerechtsbewegung wurde auch versucht, über die Jahre eineAnnäherung der Bevölkerungsgruppen, über des Mediums Musik, zu erzielen. "Inzahlreichen deutschen Städten wurden Zigeunermusik-Festivals, begleitet vonentsprechender Öffentlichkeitsarbeit, veranstaltet ('Offene Begegnungen zwischenZigeunern und der Bevölkerung', z.B. Darmstadt 1978, Hamburg, Freiburg, Singen1981, Berlin, Offenburg 1982). Musikalisch gesehen waren diese Veranstaltungengroße Erfolge, denn auf ihnen präsentierte sich alles, was Rang und Namen hatte aufder damaligen Sinti- und Roma-Musik-Szene. Einergehend mit dieser Präsenzerreichte die Musik deutscher Zigeuner in jener Zeit Ende der Siebzigerjahre, Anfang

18Litterst, Gerhardt, Zigeunermusik zwischen Traditionspflege und Fortentwicklung, in: Jazz Podium, 39/12(Dezember 1996), Seite 26

Page 18: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 18/116

16

der Achtzigerjahre einen Höhepunkt an Popularität, die in der Folgezeit in dieserForm nicht mehr erreicht werden konnte."19

Um einen besseren Überblick zu wahren, soll nun im Weiteren die Entwicklung derZigeuner-Musik in Westeuropa auf einzelne Länder (Bundesrepublik Deutschland/Österreich/ Frankreich/ Belgien & den Niederlanden) und deren wichtigsten Solistenbeschränkt werden.

2.3.1. Bundesrepublik Deutschland

Die in Deutschland spielenden Zigeunerensembles haben sich der Traditionspflegeihrer eigenen Musik verschrieben. Diese Tradition, bzw. das Repertoire, setzt sichaus zwei Hauptbereichen zusammen: 1. zigeunereigene Folklore (Csárdás,

Romanzen, Liedgut) und 2. Swingjazz (in der musikalischen Tradition des Quintettedu Hot Club De France). Das QdHCDF bildet für den Swingjazz eine Vorbildfunktionin mehrfacher Hinsicht: Repertoire, Interpretation und Instrumentation. DasRepertoire des QdHCDF setzt sich aus amerikanischen Swing-Standards der 20erbis 40er Jahre, Django-Reinhardt-Kompositionen (bzw. auch Kompositionen DjangoReinhardts und Stéphane Grapellis), Swing-Valses aus der französischen Musette-Tradition, sowie Schlager- und Operettenmelodien zusammen. Erweitert wurdedieses Repertoire im Verlauf Jahre durch moderne Jazz-Standards, Latin-Standards,

sowie natürlich auch Eigenkompositionen der einzelnen Zigeunermusiker. DieInterpretation beinhaltet bis heute, wie auch im Jazz üblich, den Vortrag des Themasgefolgt von Improvisationen der Solisten. Die instrumentale Trennung zwischeneiner konsequent nur als Rhythmusgruppe eingesetzten Begleitung und den Solistenim Stile des QdHCDF ist vorwiegend so geblieben. Man kann heute jedoch eher voneiner konsequent durchlaufenden Begleitung sprechen, in der die Musiker, ob nunSolist oder Rhythmusbesetzung, gleichberechtigt arbeiten, d.h. die Solisten wechselnauch in die Rhythmusgruppe und lösen einander ab. Die Instrumentation desQdHCDF (Geige, Solo-Gitarre, 2 Rhythmusgitarren und Kontrabaß), bzw. dieBesetzungen der Rhythmusgruppe (Rhythmusgitarre und Kontrabaß), wird auchtraditionsbewußt beibehalten (nicht immer in Quintett-Form, gemeint ist einetraditionelle Rhythmusgruppe mit Solisten).Es folgt nun ein Überblick der Entwicklung der Zigeuner-Musik-Szene in Deutschlandanhand der wichtigsten musikalischen Persönlichkeiten.

2.3.1.1. Schnuckenack Reinhardt (SchR)

19Awosusi, Anita (Hrsg.), Die Musik der Sinti und Roma Band 2: Der Sinti-Jazz, Schriftenreihe desDokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma, Heidelberg, Oktober 1997, Seite 113

Page 19: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 19/116

17

Der am 17.02.1921 in Weinsheim/Pfalz geborene Hans ‘Schnuckenack’ Reinhardt isteine der wichtigsten Persönlichkeiten für die Popularisierung der Musik der Sinti undRoma. Wie bereits erwähnt, hat er mit seinen Formationen diese Musik einer breitenÖffentlichkeit zugänglich gemacht, und somit erreicht, daß sich die Zigeunermusikvon einer Tanz- und Unterhaltungsmusik zu einer konzertanten Musikform wandelte,was auch eine Veränderung im Berufsbild der Zigeunermusiker erzeugte: vom'Straßenmusiker' zum organisierten Kulturbetrieb. Der Erfolg führte zusätzlich bei denSinti und Roma zum Bewußtsein für die eigene Tradition, bzw. der eigenenmusikkulturellen Identität. Weiterhin wurde SchR mit seinen Formationen zu einer ArtTalentschmiede für jüngere Musiker. Viele Musikertalente, wie zum BeispielHäns'che Weiss, sind unter Leitung SchRs in eine professionelle Karriere gestartet,um wiederum namhafte Repräsentanten ihrer Musik zu werden.

Nach seinem 'Comin-Out' 1967 veröffentlicht SchR 1969 sein erstes Album alsAuftakt der LP-Reihe 'Musik Deutscher Zigeuner'. Sein damaliges Quintett bestandneben ihm aus Daweli Reinhardt (solo-g), Bobby Falta (solo-&rh-g), Spatzo Weiss(rh-g) und Hojok Merstein (b). Zur Aufnahme der zweiten LP stellte er sich zweiFormationen zusammen: zum einen sein Quintett, jedoch wird Bobby Falta durchHolzmanno Winterstein ersetzt, und zum anderen eine Quartett-Besetzung,bestehend aus dem ungarischen Cimbalum-Spieler Laslo Nayri, Puppa Dörr (g) undLili Reinhardt (b), mit dem SchR ausschließlich folkloristische Titel aufnahm. Im

Quintett gab es dann weitere Umbesetzungen: Daweli Reinhardt wurde von Häns'cheWeiss abgelöst, der jedoch 1972 mit Winterstein und Merstein die Gruppe wiederverläßt, um sein eigenes Quintett zu gründen. SchR stellte daraufhin ein neuesQuintett zusammen, das sich auf Drängen des neuen, bzw. alten, Solo-GitarristenBobby Falta musikalisch mehr am Jazz orientierte. Der Formation gehörten weiterhinSchmeling Lehmann (g), Ricardo Reinhardt (g) und Jani Lehmann (b) an. In denfolgenden Jahren wurde das Quintett erneut umbesetzt und das folkloristischeMaterial im Repertoire wieder in den Vordergrund gezogen. Seine Aufnahmen imJahre 1981 sind mit seinen Söhnen Forello Reinhardt (solo-g) und Ricardo Reinhardt(rh-g), sowie Unge Schmidt (rh-g, p) und Arnold Weiss (b) eingespielt. Bis 1996 hatsich die SchR-Formation zu einem familiären Sextett gewandelt, bestehend ausSanino (g), Forello (g) und Ricardo Reinhardt (g), sowie den Brüdern Helmut (p) undArnold Weiss (b). Mit seinem neuesten Projekt TALAL (=begegnen) versucht SchRdie Völkerwanderung der Zigeuner von Indien nach Europa musikalischnachzuzeichnen.In seiner Laufbahn füllte SchR mit seinen Formationen europaweit Konzertsäle,wurde zu vielen Fernsehauftritten eingeladen und veröffentlichte bis jetzt 24Schallplatten. Von dem Bundesland Rheinland-Pfalz wurde ihm 1996 für seineVerdienste um die Musik der Sinti und Roma die Peter-Cornelius-Medaille verliehen.

Page 20: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 20/116

18

„Spieltechnisch und interpretatorisch betrachtet, ist Schnuckenack Reinhardt dergroße Geigenvirtuose der Sinti-Musik. Korrespondierend zur Gewichtung seinesRepertoires ist Schnuckenack Reinhardts Spielgestus als Geiger deutlich stärkergeprägt von der vibrato-trunkenen, gefühlsbetonten, erdigen Spielweise des Folklore-Fiddlers ungarischer Stilistik, als vom linearen, schnörkellosen, eleganten Strich desSwingjazz-Geigers Grapelli. Selbstredend, daß er es gleichwohl versteht, dasSwingjazz-Repertoire mit dem ihm gebührenden Duktus zu spielen."20

2.3.1.2. Häns'che Weiss (HW)

Als der 1951 in Berlin geborene Solo-Gitarrist Häns’che Weiss 1972 dasSchnuckenack Reinhardt Quintett verließ, nutzte er die Gelegenheit mit seinen

beiden Mitmusikern aus der Reinhardt-Formation Holzmano Winterstein und HojokMerstein, sowie als Verstärkung dem 15 jährigen Geigentalent Titi Winterstein unddem 17 jährigen Ziroli Winterstein, sein eigenes Quintett in der QdHCDF Tradition zugründen. Die Instrumentation und das gemischte Repertoire, das heißt Swing-Standards und Zigeunerfolklore, übernahm HW nach Vorbild seines FörderersReinhardt. In dieser Formation wurden die ersten Aufnahmen in der Schallplatten-Reihe 'Musik deutscher Zigeuner' auf den Ausgaben 5 und 6 veröffentlicht undmachten das Quintett zum Synonym für brilliante deutsche Sinti-Musik. 1974

erscheint das dritte Album 'Dja Maro Drom' (= Wir gehen unseren Weg). EineÄnderung der Besetzung (Holzmanno Winterstein verläßt die Gruppe 1976 und wirddurch den Solo Gitarristen Lulu Reinhardt ersetzt) sollte dem bisherigen Erfolgkeinen Abbruch tun. 1978 wurde der Formation für das vierte Album '5 Jahre MusikDeutscher Zigeuner' der Deutsche Schallplattenpreis verliehen. Zu diesenAufnahmen wurden, zur Erwiterung des Klangbildes, zwei Gastmusiker eingeladen,der Pianist Silvano Lagrene und der Trompeter Oscar Klein. Zusätzlich ist auf diesemAlbum auch der erste politische Titel eines Sinti-Musikers, 'Lass MaroTschatschepen' (Laßt uns unser Recht fordern), enthalten. Diesen hatte HW „unterdem Eindruck der Ende der Siebzigerjahre in Gang kommendenBürgerrechtsbewegung geschrieben, in welcher die Sinti und RomaWiedergutmachung für das erlittene NS-Unrecht, Beseitigung von nach wie vorbestehenden Diskriminierungen, Anerkennung als ethnische Minderheiteinschließlich der Förderung ihrer kulturellen Identität und sozialen Verbesserungenvon der deutschen Regierung einforderten."21 Auf diesem Höhepunkt seiner Karrierelöste HW das Quintett überraschend auf, um musikalisch neue Wege zu beschreiten.

20Awosusi, Anita (Hrsg.), Die Musik der Sinti und Roma Band 2: Der Sinti-Jazz, Schriftenreihe desDokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma, Heidelberg, Oktober 1997, Seite 10921Awosusi, Anita (Hrsg.), Die Musik der Sinti und Roma Band 2: Der Sinti-Jazz, Schriftenreihe desDokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma, Heidelberg, Oktober 1997, Seite 112

Page 21: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 21/116

19

Beeinflußt von modernen Jazzgitarristen, wie Jim Hall oder Kenny Burell, stellt HW1981 sein neues Ensemble zusammen. Es besteht aus seinen Neffen Martin Weiss(v) und Romani Weiss (rh-g), den vier Jazzmusikern Hans Hartmann (b), Dieter Goal(mh), Albert Mair (p) und Trilok Gurtu (perc), sowie Walter Buri (acc). Mit dieserFormation veröffentlicht er die Platte 'Couleurs', die die stilistische Bandbreite destraditionellen Repertoires um Samba- und Bossa-Nova-, sowie modern Jazz-Standards erweitert. Dieses Album stellt eine Art Übergang in HWs musikalischerArbeit hin zur 'angejazzten' Gitarre dar. Von 1984 bis 1994 spielt er nunmehr ineinem Trio mit Martin Weiss (v) und Vali Mayer (b), mit denen er drei CDs, 'Zugaben'(1985), 'Erinnerungen' (1988) und 'Vis-a-Vis' (1991), veröffentlicht. Obwohl es sich inder Besetzung um eine weitere reine Saiten-Formation, wie beim QdHCDF, handelt,versucht HW Django Reinhardts Swing-Linien mit bebopmäßigen Singlenote- oder

Akkordfolgen zu verbinden. Das Repertoire entwickelt sich weg von der Folklore hinzu Real-Book-Standards, Eigenkompositionen, aber auch traditionsreichen Swing-und Musette-Titeln. Die Entwicklung zum Jazzgitarristen hält bis heute an. HW stelltsein Können nun in einem Duo mit Vali Mayer (b) unter Beweis und zeigt, wie er sichmühelos in dieser Richtung entfalten kann.

2.3.1.3. Titi Winterstein (TW)

Titi Winterstein, 1956 in Freiburg geboren, nutzte die Gunst der Stunde undübernahm 1978 die Restmusiker des aufgelösten Häns'che Weiss Quintetts (LuluReinhardt (g), Ziroli Winterstein (g) und Hojok Merstein (b)) und gründete mitErgänzung von Silvano Lagrene (p) das Titi Winterstein Quintett, das musikalischden Repertoirevorgaben HWs und SchRs folgen sollte. Das instrumentarischeSpektrum zeigte eine klanglische Änderung, da ein Pianist oder zeitweise derAkkordeonist Klaus Bruder die zweite Rhythmusgitarre ersetzte. Das Quintettveröffentlichte bislang sechs Platten, die stets mit Gastmusikern, wie demMundharmonika-Spieler Lee Reed, der Sängerin Bimbam Merstein oder demMusette-Akkordeonisten Enzo Biordi angereichert wurden. So entstanden die erstenzwei Alben ‘Saitenstraßen’ (1978) und ‘I Raisa’ (1980). 1982 folgte eineUmbesetzung: Silvano Lagrene wurde durch Klaus Bruder ersetzt, am Baß kamPeter Gropp (beide Nicht-Zigeuner) hinzu. Als dritter Gitarrist ergänzte GeiselaReinhardt die Formation. Mit diesem nunmehr Sextett erschien 1985 das Album‘Djinee tu kowa ziro’, das sehr stark mit Eigenkompositionen angereichert ist. Diefolgenden Aufnahmen sind Live-Mitschnitte gemeinsamer Auftritte mit demGesangsduo Vanessa Merstein und Sorba Kwiatkowski (‘TWQuintett mit Vanessaund Sorba’, 1987). Nach dieser Platte verlassen Klaus Bruder, Geisela Reinhardt und

Page 22: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 22/116

20

Peter Gropp wieder die Formation. Mit neuer Besetzung (Lulu Reinhardt (solo-g),Holzmanno Winterstein (solo-g), Silvano Lagrene (p) und Banscheli Lehman (b))nimmt TW 1994 das Album ‘Maro Djipen’ auf, dass zwar die traditionelle Bandbreitedes Zigeuner-Repertoires aufzeigt, jedoch auch viele neue Eigenkompositioneneinbezieht. Den Abschluß bildet bis heute eine ‘The Best of TW’-CD, die dieSpannbreite des TW-Quintetts wiederspiegelt. Das Quintett hält mittlerweile eineführende Position neben SchR und HW in der deutschen Zigeunermusik-Szene.

2.3.1.4. Schmitto Kling (SK)

Eine weitere Formation der deutschen Ziegeuner-Jazz-Szene stellt das von dem1946 in Bad Mergentheim geborenen Geiger Schmitto Kling 1975 gegründete

Ensemble ‘Hot Club The Zigan’ dar, das durch seinen Namen schon eine starkeVerbundenheit zu dem traditionellen Zigeuner-Repertoire aufweist. DieInstrumentierung bestand aus drei Gitarren, Kontrabaß und zusätzlich alsRhythmusgruppenerweiterung einem Schlagzeug. Nach dem Erscheinen der erstenPlatte des Hot Club The Zigan mit dem Titel ‘Musik deutscher Zigeuner’ wurde dasSextett auf ein Quintett in der traditionellen Besetzung des QdHCDF reduziert. Bis zuder Auflösung der Formation 1993 bestand sie jahrelang aus Meggi Patay (solo-g),Guggeli Wagner, Vateli Schneck (rh-g) und Rigo Reinhardt (b), wobei zuletzt

Banscheli Lehmann Kontrabaß spielte und Holzmanno Winterstein (g) VateliSchneck ersetzte. Nach dem Ende der Gruppe wechselten Holzmanno Wintersteinund Banscheli Lehmann zum TW-Quintett. Guggeli Wagner, Rigo Reinhardt undMeggie Patay wurden zeitweise von Wedeli Köhler unter Vertrag genommen.Insgesamt wurden von dem Hot Club The Zigan fünf Alben eingespielt, auf denen dieMusiker sich zusätzlich mit Bebop-Standards (z.B. ‘Yardbird Suite (C.Parker) oder‘Round About Midnight’ (T.Monk)) auseinandersetzten. Eine interessanteErweiterung des Zigeuner-Repertoires stellten auch Swing-Adaptionen nachklassischen Vorlagen (‘Adagio’ von Tomasso Albinoni, ‘Paganini Improvisationen’)dar. „Schmitto Kling, der 1979 am Gipsy Jazz Violin Summit mitwirkte, ist eintechnisch ausgezeichneter Instrumentalist und inspirierter Interpret, und zwar in derSwing- wie in der Folklore-Stilistik; ...“22

22 Awosusi, Anita (Hrsg.), Die Musik der Sinti und Roma. Band 2: Der Sinti-Jazz, Heidelberg, 1997, Seite 118

Page 23: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 23/116

21

2.3.1.5. Wedeli Köhler (WK)

Mit dem Gitarristen Schmeling Lehmann gründete der Geiger Wedeli Köhler(*11.04.1949 in München) 1977 den ‘Hot Club Da Sinti’ als Quartett im Stile desQdHCDF, ergänzt durch Danny Weiss (solo-g) und Jani Lehmann (b). Somit befandsich der Schwerpunkt des Repertoires wiederum im Zigeuner-Jazz. Nachdem 1979der französische Zigeunergitarrist Tschavolo Schmitt die Position von Danny Weissübernommen hatte, erschien 1981 die bislang einzige LP des Hot Club Da Sinti.1985 löste sich die Formation auf. Unter seinem Namen formte WK (er spieltemittlerweile im Wechsel Geige und Gitarre) nun ein neues Quartett mit dem PianistenUnge Schmitt (siehe SchR), um sich so dem Klang einer Jazz-Combo anzunähernund sich dem modernen Jazz zu widmen. 1986 erscheint das erste Album ‘Sinti

Swing’ mit den französischen Musikern Dorado Schmitt (solo-g) und Gino Reinhardt(b). Abgesehen von Unge Schmitt wechselt die Besetzung über die Jahre ständig(z.B. wirkt Ziroli Winterstein zeitweise mit). Eine feste Formation läßt sich erst seit1994 mit dem Rhythmusgitarrisen Sascha Köhler und dem Kontrabassisten PeterGropp erkennen, mit der 1995 das Album ‘My Melancholy Baby’ aufgenommenwurde. Das Repertoire ist wieder, neben Eigenkompositionen, fast ausschließlichswingorientiert.

2.3.1.6. La Romanderie (LR)

Ein interessantes Klangbild bot die 1973 in Dortmund gegründete Formation ‘LaRomanderie’, die mit einer traditionell besetzten Rhythmusgruppe als Solo-Instrumente neben Gitarre und Geige eine Konzertharfe und ein Akkordeoneinsetzte. Um einen moderneren Klang zu erzielen, wurden zu den akustischenInstrumenten auch elektrische Gitarren, sowie ein E-Baß herangezogen. Nebenvielen Fernsehauftritten und verschiedenen Tourneen veröffentlichte die Gruppe zweiLPs: ‘Swing Mamam Bruderherz - Musik deutscher Zigeuner’ (1975) und ‘GypsySwing’ (1976). Das Repertoire setzte sich zum einen aus hauptsächlich traditionellerSwing-Musik und Folklore, und zum anderen aus Bebop-Nummern, Flamenco-Variationen und Latinstücken zusammen. Die Besetzung bestand aus Alfred Lora,zeitweise vertreten durch Reinhold ‘Kleiner’ Lora (v), Wilhelm ‘Nanu’ Krause (acc),Reinhold ‘Panzeli’ Frantz (Harfe), Hugo ‘Schablein’ Krause (solo-g), Joseph‘Ballacku’ Krause und Wilmor ‘Gigi’ Freiwald (rh-g), sowie Anton ‘Florian’ Frantz (b).

Page 24: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 24/116

22

„Reinhold Lora spielte eine sehr typische romantische Zigeunergeige mit starkemVibrato und üppiger Ornamentik. ... schluchzende Vibrati in den langsamen Stücken,Leidenschaft und Rasanz bei den 32tel-Notenketten in den schnellen Friss-Csardas-Nummern. Der Solo-Gitarrist Schablein Krause hatte neben Djangos Swingstil aucheinige Lektionen Montgomery und Burell verinnerlicht. Akkordeonist Nanu Krausesah seine Vorbilder sowohl in den legendären Musette-Virtuosen als auch in demSwingakkordeonisten Art van Damme. Während in vielen Sinti-Ensembles einestarke personelle Frequenz zu verzeichnen ist, zeichnete sich La Romanderie durchBeständigkeit aus. Die Auflösung der Gruppe stellte einen sehr bedauerlichen Verlustfür die deutsche Sinti-Musik-Szene dar.“23

2.3.1.7. Alfred Lora (AL)

Alfred Lora stellt einen der wenigen musiktheoretisch ausgebildeten Künstler in derdeutschen Zigeunermusiker-Szene dar. Seine professionelle Kariere beginnt in demEnde der Vierziger Jahre entstandenen Zigeuner-Musik-Ensemble ‘RoyRomanderie’, aus dem später die Zigeuner-Jazz-Formation La Romanderiehervorging. Neben dieser Formation gründete AL seine eigene Gruppe als ‘AlfredLora New Swingtett’, das durchweg mit Jazzmusikern und der amerikanischenSängerin Rachel Gould besetzt war und eine Mischung aus Bebop- und

Swingnummern darbot. „Danach muß er wohl umgedacht haben, denn seine 1985veröffentlichte (bisher einzige) LP ‘Straight Ahead’ bot nicht mehr als mäßigswingende Tanzmusik von professioneller Glätte und bis zur Trivialität reichendeGebrauchsmusik. Bei der Instrumentierung seines Swingtetts vermeidet er bewußtdie verbreitete Hot-Club-Besetzung, sondern orientiert sich am Arsenal einerJazzcombo, indem er einen Pianisten (oder Vibraphonisten) und einen Schlagzeugerhinzuzieht“; (Hauptbesetzung: Joe Bawelino (solo-g), Weukeli Rosenberg (rh-g),Dezso Racz (b), Harold Smith (dr)). „Beim Repertoire setzt Lora, der nebenStéphane Grapelli auch Helmut Zacharias zu seinen Vorbildern zählt, auf denUnterhaltungswert und dabei auf das Motto ‘Von jedem etwas - für jeden etwas’, willheißen: Vom Swing bis zum Pußta-Traum, von Django bis Latin, vom Bebop bis zurOperettenseligkeit.“24

23 Awosusi, Anita (Hrsg.), Die Musik der Sinti und Roma. Band 2: Der Sinti-Jazz, Heidelberg, 1997, Seite 12124 Litterst, Gerhard, Djangos Erben. Teil 1: Zigeuner-Musik zwischen Traditionspflege und Fortentwicklung, inJazz Podium, 39/12 (Dezember 1990), Seite 24

Page 25: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 25/116

23

2.3.1.8. Martin Weiss (MW)

Nach dem Ausstieg bei Häns’che Weiss gründete der Geiger Martin Weiss 1994 mitRomani Weiss, Tschabo Franzen (solo-g, bzw. rh-g) und Andre Loos (b) das ‘MartinWeiss Ensemble’. Bisher erschienen zwei CDs (‘Miro Drom’ und ‘for all my friends’mit Anicka Fecová (Gesang - als Gastmusikerin)), auf denen das traditionellestilistische Repertoire zu hören ist (Reinhardt/Grapelli-, Latin- und Swingstandards,Swing-Valses, Folkore). Zusätzlich arbeitete MW als Gastsolist mit dem am ModernJazz orientierten Gitarristen Jörg Seidel bei dem ‘Organ Jazz-Trio’ (Matthias Bätzel(Hammondorgel) und Alexander Bätzel (dr)). Auf der 1996 mit dem Trioerschienenen CD ‘Hommage’ zeigt MW „eine sehr interessante, hochmusikalischeEinspielung,“ sowie „die sieben Django-Titel (Vette; Lentement; Mademoiselle;

Artillerie lourde; Nuits de St.Germain; Troublant Bolero; Double Scotch; Nuages) undvier Eigenkompositionen in der Sprache des bereits Bebop infiltrierten modernenMainstream-Jazz interpretiert - mit einem Zungenschlag des Sinti-Swing.“25

2.3.1.9. Mike Reinhardt (MR)

Durch große Unterbrechungen in seiner Arbeit konnte Mike Reinhardt mit seinem1973 gegründeten Sextett nie einen großen Bekanntheitsgrad erreichen. Das ‘Mike

Reinhardt Sextett’ stellt mit der Besetzung eine typische Zigeuner-Jazz-Formationdar. Mit den zwei Solo-Gitarristen MR und dessen Vater Daweli Reinhardt (sieheSchR) und dem Geiger Wedeli Köhler, später ersetzt durch den Klarinettisten DietrichGeldern, der Rhythmusgruppe, bestehend aus zwei Rhythmusgitarren (beidenamens Sacha Reinhardt), sowie am E-Baß Bawo Reinhardt handelt es sicheindeutig um eine typische Formation in der Tradition des QdHCDF. Interessant istdas 1987 erschienene zweite Album mit dem britischen Rhythm’n’BluesSaxophonisten Dick Hecktstall Smith, auf dem eine Begegnung zweier Stilistikenversucht wurde, was jedoch nicht reibungslos gelang. Seit dieser Zeit ist das Sextettnicht mehr auf der Szene vertreten.

2.3.1.10. Bundesrepublik Deutschland Zusammenfassung

Die Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland kann man als sehrtraditionsbewußt bezeichnen. Es ist anzunehmen, daß sich, aufgrund des gestörtenVerhältnisses zur übrigen Landesbevölkerung, die Zigeunermusiker nach demzweiten Weltkrieg ihrer Traditionen, d.h. einer Art Kulturpflege, annahmen, um so ihrkulturelles Erbe zu bewahren, bzw. aufrecht zu erhalten. So wurde die Musik Django

25 Awosusi, Anita (Hrsg.), Die Musik der Sinti und Roma. Band 2: Der Sinti-Jazz, Heidelberg, 1997, Seite 125

Page 26: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 26/116

24

Reinhardts, die für sie ebenso wie die Roma-Folklore und das überlieferten Liedguteine musikalische Wurzel darstellt, auch vor Einflüssen des zeitgenössischen Jazzbewahrt. Erst mit dem Auftreten Schnuckenack Reinhardts und seiner EnsemblesEnde der sechziger Jahre konnte ihre Musik wieder einer breiten Bevölkerungzugänglich gemacht werden. Durch die Schallplatten-Reihe ‘Musik deutscherZigeuner’ zeigte sich ein Profil der zeitgenössischen Zigeuner-Musik, das jedoch dentraditionellen Strömungen entsprach. Trotz Versuche verschiedener Musiker, wieHäns’che Weiss, sich dem Jazz anzunähern, blieb das Klangbild (Instrumentation)und die Art der Interpretationen bis heute an den Strukturen des QdHCDF angelehnt.Somit kann man nicht von einer Weiterentwicklung, sondern eher von einer sehrtraditionsbewußten Fortführung ihrer Musik sprechen, angereichert durch stiltreueEigenkompositionen und moderne Jazz-Standards traditionell interpretiert.

2.3.2. Frankreich

Im Gegensatz Deutschland, wo die Geige im Zigeuner-Jazz eine große Traditionaufweist, gibt es in Frankreich keine einzige Formation mit einem namhaftenGeigensolisten. Die Zigeunermusiker Frankreichs sind dagegen eher gitarrenfixiertund somit der Tradition Django Reinhardts, sowie modernerer Jazzstilistikenverbunden. Typische Merkmale des Repertoires deutscher Zigeuner, insbesondere

die osteoropäische Folklore, sind in Frankreich nicht zu entdecken.

2.3.2.1. Babik Reinhardt (BR)

Der Erwartungsdruck, dem Babik Reinhardt (*08.06.1944 in Paris als Sohn DjangosReinhardts) ausgesetzt war, führte dazu, daß er in den ersten zwanzig Jahren seinerKarriere wiederholt seine musikalische Laufbahn unterbrach. Zu Beginn, in denJahren 1970 und 1974/75, spielte er noch die Musik seines Vaters, jedoch orientiertan der Bebop beeinflußten Schaffensperiode nach 1947. Sein vornehmlichesInteresse gilt jedoch Modern-Jazz-Gitarristen wie Jim Hall, Jimmy Raney, Tal Farlowund Wes Montgomery. 1975 entsteht eine LP unter dem Titel ‘Sur Le Chemin DeMon Père’ als Hommage an Django Reinhardt, die vom Publikum mit großerAnerkennung aufgenommen wird. Daraufhin erhält er nun von einer großenPlattenfirma die Möglichkeit, seine musikalischen Vorstellungen zu verwirklichen. Mitdem Album ‘Sinti Houn Brasil’ bewegt er sich musikalisch in einer Mischungzwischen zeitgenössischem Jazz und populärer brasilianischer Musik. Trotz derguten Resonanz auf diese Veröffentlichung unterbricht BR wieder seine Laufbahn biser, angeregt von Christian Escoudé zusammen mit Boulou Ferré, 1985 dasakustische ‘Trio Gitan’ gründet, das für alle drei einen Höhepunkt ihrer Karriere

Page 27: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 27/116

25

darstellt. Es entstand jedoch nur eine Langspielplatte (‘Three of a Kind’, 1985), diedurch ein musikalisches und spieltechnisches Feuerwerk, bestimmt durch sehr hoheVirtuosität, charakterisiert ist. Nach erfolgreichen Auftritten in der ganzen Welttrennten sie sich wieder. Im Anschluß daran gründet BR ein eigenes Quintett, umseinen musikalischen Vorstellungen wieder nachzukommen. Auf den zweiaufgenommenen Alben (‘All Love’, 1987, ‘Live’, 1989) zeigt er sich als Fusion-Gitarrist in der Färbung eines Larry Carlton, Lee Ritenour oder Pat Metheney.Musikalisch steht nun, im Gegensatz zu dem hoch virtuosen Trio Gitan, musikalischeund rhythmische Eingängigkeit im Vordergrund. „Auch ‘Nuances’ (1992) und‘Vibration’ (1994) weisen diese Attribute auf, mit denen Babik Reinhardt heutestilistisch identifiziert wird: Melodiereiche, schöne, geschmeidige, leichtfüßige Musikmit einem ‘Parfum manouche’, die sich wie Balsam um die gebeutelte Alltagsseele

legt, ab und an freilich auch in riskante Nähe zur wohligen Berieselung begibt.Geschmackvoll gedrechselte eigene Themen, darunter jeweils einsanftschwingender, braziljazziger Gesangstitel, der die Copacabana insWohnzimmer zaubert, auf ‘Vibration’ auch gefällige Fusion-Versionen der Modern-Jazz-Standards ‘Round Midnight’ (T.Monk) und ‘Night in Tunesia’ (D. Gillespie).“26

2.3.2.2. Christian Escoudé (CE)

Als Ausnahmegitarrist präsentiert sich der am 23.09.1947 in Angoulême geboreneChristian Escoudé. Nicht an der Swing-Stilistik Django Reinhardts, sondern amzeitgenössischem Jazz orientiert, zeigt er sich in der französischen Musik-Szene undbildet einen Gegensatz zu den traditionellen Zigeunermusikern. Sein Handwerklernte er seit seinem zehnten Lebensjahr von seinem Vater und seinem OnkelAuguste ‘Gousti’ Malha, dem berühmten Gitarristen der Bals Musettes. Seit demBeginn seiner Karriere 1971 spielte CE mit verschiedenen Berühmtheiten derfranzösischen und auch der amerikanischen Jazz-Szene (Eddy Louiss, PierreMichelot, Didier Levallet, Bernard Lubat, Jean-Charles Capon, René Urtrèger, MartialSolal, John Lewis, Freddie Hubbard, Stan Getz, Lee Konitz, John McLaughlin, etc.).Der erste Bezug zu den Kompositionen Django Reinhardts läßt sich 1978 feststellen,als er mit dem Bassisten Charlie Haden das Duo-Album ‘Gitane’ einspielt, auf demDjango Reinhardts Stücke in zeitgenössischen Interpretationen mit freien Duo-Improvisationsstrecken dargeboten werden. Nach weiteren Veröffentlichungen undder Arbeit mit dem Trio Gitan (siehe Babik Reinhardt) befaßte sich CE mit den Alben‘Gipsy Waltz’ (1989) und ‘Christian Escoudé With Strings Plays Django Reinhardt’(1991) erneut mit seinen Wurzeln: „dem Swing-Valse der 30er und 40er Jahre, indem sich Musette-Walzer und Swing-Jazz umranken einerseits, mit Djangos

26 Awosusi, Anita (Hrsg.), Die Musik der Sinti und Roma. Band 2: Der Sinti Jazz, Heidelberg, 1997, Seite 130

Page 28: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 28/116

26

bekannten und weniger geläufigen Kompositionen andererseits. In eigenwilligerOktettbesetzung transponiert er Musette-Nummern wie Gus Viseurs Evergreens‘Swing Valse’ oder ‘Flambée Montalbanaise’ oder Gousti Malhas ‘Carmette’ in vomGeist des Bebop durchdrungene moderne Jazzversionen, die den alten, per sezeitlos-attraktiven Themen ein kunstvolles zeitgenössisches ‘Outfit’ verleihen, ohneihre ursprüngliche Tanzsaal-Destination zu verleugnen. Vom Geist des Bebopdurchdrungen ist auch Christian Escoudés Django-Hommage, bei der ein selten soglücklicher Einsatz von Streicher-Begleitung - wohldosiert, ohne jegliche Zuckerwatte- hervorzuheben ist.“27

2.3.2.3. Boulou Ferré (BF)

Der Sohn des Musette-Gitarristen Jean ‘Matelot’ Ferret (1918-1989) wurde unterdem Namen Jean-Jaques ‘Boulou’ Ferré am 24.04.1951 in Paris geboren undentwickelte früh sein Talent als Gitarrist. Mit sieben Jahren soll er sich schon mitChorussen Charlie Parkers und Dizzy Gillespies auseinandergesetzt haben. Seineersten Aufnahmen entstehen drei Jahre später mit dem Sänger Jean Ferrat. Ab 1963folgt ein Studium der klassischen Musik am Nationalkonservatorium in Paris,

während dessen er sich weiterhin mit dem zeitgenössischen Jazz auseinandersetzt,insbesondere mit den Strömungen des Free-Jazz. So entsteht 1970 das Album‘Escape’ mit dem Vibraphonisten Gunter Hampel, sowie dem Saxophonisten StevePotts und BF selbst, jedoch als E-Gitarrist. Trotz dieser Ausflüge hält er an seinenTraditionen fest und spielt immer wieder in Zigeuner-Jazz Kreisen (z.B.Studioaufnahmen mit dem Ensemble seines Vaters oder Live-Auftritte auf demSamois-Sur-Seine-Festival), aber insbesondere im Akustik-Gitarren-Duo mit seinemBruder Elios Ferré (*1956). Auf den zwischen 1979 und 1986 erschienenen fünfAlben zeigen die beiden Musiker eine Spannweite des Repertoires vom traditionellenZigeuner-Jazz und Swing-Valse über folkloristische Themen (Jazz orientiertinterpretiert) bis hin zu modernen Jazz-Standards. Eine andere Betätigung fand BF1986 in dem bereits erwähnten Trio Gitan (siehe BR). In den letzten Jahren jedoch ister nicht mehr so stark in der Szene hervorgetreten.

27 Awosusi, Anita (Hrsg.), Die Musik der Sinti und Roma. Band 2: Der Sinti-Jazz, Heidelberg, 1997, Seite 131

Page 29: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 29/116

27

2.3.2.4. Raphael Fays (RF)

Wie Boulou Ferré wird der am 10.12.1959 in Paris geborene Raphael Fays anfangsvon seinem Vater (Django Reinhardt orientiert) unterrichtet. Durch Marcel Dadientdeckt, gibt RF mit sechzehn Jahren sein Schallplatten-Debüt im Duo mit seinemVater, bei dem sie hauptsächlich traditionell im Stile Djangos spielten. Dieser Art derMusik bleibt er auch in den nächsten Jahre treu, bis das 1979 erschienene Album‘Gipsy New Horizon’ neue Strukturen erkennen läßt: vom Swing über Modern Jazzbis Rock-Jazz. „Mit bestechenden spieltechnischen, interpretatorischen undkompositorischen Fähigkeiten betritt er die großen Konzertbühnen in Paris, London,Montreux und veröffentlicht attraktive, überzeugende Swing-Alben, die mit dem einenoder anderen Brasil- oder Latin-Titel wiederum über den Tellerrand des ‘Swing

manouche’ hinausäugen.“28 Mitte der 80er Jahre entdeckt RF den Flamenco derGitanos. Zusammen mit dem Jazzgeiger Pierre Blanchard gründet er ein neuesEnsemble, das eine Verbindung zwischen dem Swingstil der mitteleuropäischenManouches und dem Flamenco der spanischen Gitanos versucht und zu einer‘Flamenco-Jazz-Fusion manouche/gitane’ führt, die auf den Einspielungen ‘Voyages’(1989) und ‘Gipsy Touch’ (1991) vorgeführt wird.

2.3.2.5. Bireli Lagrene (BL)

Den Beginn seiner Karriere markierte Bireli Lagrene (*04.09.1966 in Saverne) alsdreizehnjähriger Gitarrist in der Django Reinhardt Stilistik mit dem Album ‘Routes toDjango’ (1980). Es folgte ein Ausbruch aus diesen Strukturen, als sich BL der E-Gitarre widmete und 1986 mit dem Weather Report-Bassisten Jaco Pastoriusverschiedene Konzerte spielte, auf denen er sich dem Rock und dem Rock-Jazzzuwandte und komplett aus den Traditionen ausbrach. Das ist auch in dieserBesetzung auf den Alben ‘Inferno’ (1987) und ‘Foreign Affairs’ (1988) zu hören. Erst1993 beschäftigte er sich wieder zusammen mit dem Akkordeonisten RichardGalliano, der für seine ‘Musette-Nouveau’ (Musette in Verarbeitung mitzeitgenössischem Jazz) bekannt ist, mit den alten traditionellen Strukturen, die

jedoch zeitgenössisch verarbeitet wurden. Sie veröffentlichen als Ergebnis ‘Viaggio’(1993) und ‘New York Tango’ (1996). Die Django Reinhardt Tradition nimmt BL erstmit 30 Jahren wieder auf, in dem er 1996 auf dem Album ‘My Favorite Django’verschiedene Django Reinhardt Kompositionen zu Fusion-Jazz-Arrangementsumarbeitet und sie den musikalischen Strukturen der heutigen Zeit entsprechendinterpretiert und aufführt. Insgesamt hat sich BL jedoch von den Strukturen der

28 Awosusi, Anita (Hrsg.), Die Musik der Sinti und Roma. Band 2: Der Sinti-Jazz, Heidelberg, 1997, Seite 134

Page 30: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 30/116

28

Django-Reinhardt-Stilistik gelöst und ist heute eher als moderner Jazzgitarristanzusehen. Trotzdem zeigt er 1998 im Trio mit Angelo Debarre und JimmyRosenberg wieder, daß er auch in der traditionellen Spielart weiterhin überzeugenkann.

2.3.2.6. Frankreich Zusammenfassung

Im Gegensatz zu Deutschland kann man bei den französischen Zigeuner-Musikerneher von einem Bewußtsein ihrer Kultur reden. Auch wenn Aufnahmen belegen, daßin der Django-Reinhardt-Tradition gespielt wird, so ist jedoch insgesamt eineWeiterentwicklung parallel zum Jazz erkennbar. Der Umgang mit den Traditionen ist

durch eine Verarbeitung von zeitgenössischen Jazz-Strömungen gekennzeichnet.Man spielt das Django-Reinhardt-Repertoire und seine Kompositionen in einemmodernen Kontext, was man z.B. bei den Aufnahmen Christiam Escoudés (‘GipsyWalz’, ‘Christian Escoudé With Strings Plays Django Reinhardt’) oder Bireli Lagrenes(‘My Favorite Django’) hören kann. Somit kann hier nicht mehr von einem Zigeuner-Jazz in der traditionellen Stilistik gesprochen werden, sondern von Jazz der vonZigeunermusikern gespielt wird und sich aus den Strukturen des QdHCDF inVerbindung mit der Jazz-Entwicklung herausgebildet hat.

2.3.3. Österreich/Niederlande/Belgien2.3.3.1. Karl Ratzer (KR)

„Der in diesem Kontext renommierteste Musiker der Alpenrepublik ist der GitarristKarl Ratzer, 1950 in Wien geboren. Seine Attribute lassen sich mit ausgefeilterSpieltechnik, vitalem Interpretations- und Improvisationsgeist und augenfälligerstilistischer Wendigkeit auf den Punkt bringen. Beachtliche Qualitäten hat er danebenals Komponist und Arrangeur vorzuweisen, ...“29 KR macht vornehmlich durch seineVielfältigkeit und stilistische Treffsicherheit auf sich aufmerksam und beweist diesauch auf seinen Einspielungen. So sind auf der 1992 mit Fritz Pauer (p), PauloCardoso (b) und Mario Gonzi (dr) entstandenen CD ‘Gumbo Drive’ verschiedensteStilistiken, wie Modern Mainstream, Funk-Jazz, Rock-Jazz, Gospel oder Blues,anzutreffen. Die Karriere KRs begann als Rockmusiker, was ihn Anfang der 70erJahre in die USA führte, wo er als Gitarrist in Soul-Formationen arbeitete und vorallem im Bereich des Rock-Jazz mit Jeremy Steig oder Steve Gadd spielte. Auch imModern-Jazz-Bereich entstand eine Zusammenarbeit mit bekannten Musikern der

29 Litterst, Gerhard, Djangos Erben. Teil 1: Die Zigeuner-Musik zwischen Traditionspflege und Fortentwicklungin Jazzpodium, 39/12 (Dezember 1990), Seite 24

Page 31: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 31/116

29

amerikanischen Jazz-Szene (Bob Mintzer, Tom Harrell, Bob Berg, Joe Chambers,Ray Mentilla, Paul McCandles). In dieser Zeit veröffentlichte er auf dem Village-Vanguard-Label zwei LPs. Er kehrt jedoch wieder zurück nach Europa undveröffentlicht 1979 das Album ‘Dancing On A String’, auf dem er seine Versiertheitauf der Gitarre vorführt. In der europäischen Szene der Jazzgitarristen erscheint KRerst wieder 1980 durch eine Europa-Tournee mit dem Chet Baker Quintett, auf der ereinem breiten Publikum seine Fähigkeiten zeigt. In den nächsten Jahren verlegt ersich hauptsächlich auf Fusion- und Funk-Jazz bis er 1994 mit dem Album ‘Waltz ForAnn’ mit dem Gast-Solisten Art Farmer durch West-Coast-Balladen und hardbop Up-Time Stücke wieder seine Fähigkeiten als Modern-Jazz-Gitarrist unter Beweis stellt.Im Verbindung mit Zigeuner-Jazz ist er jedoch nur auf der Produktion ‘For You’(1986) des Geigers Zipflo Weinrich zu hören. Man kann KR als „exzelenten Vertreter

der bebopgeprägten Mainstream-Gitarre mit wohlabgestimmtem Single-Note- undAkkordspiel“ charakteresieren. „Melodisch wirkungsvolle Themen und rhythmischePräsenz sind seine Arbeitsmaximen als Interpret und als Komponist.“30

2.3.3.2. Zipflo Weinrich (ZW)

Der jüngste Vertreter der österreichischen Zigeuner-Szene dürfte der am 16.06.1964geborene Geiger Alois ‘Zipflo’ Weinrich sein, der in der Tradition des QdHCDF

aufwuchs, aber auch Ambitionen in Richtung Modern Jazz hegt. 1981 erfolgte seinDebüt an der Seite seines Vaters Joschi Weinrich und weiterer Verwandschaft inWien. Er widmete sich nun einer eigenen Formation, die sich am QdHCDForientierte. Hier spileten sein Vater Joschi und im stetigen Wechsel Salmo Köhler,Striglo Stöger, Claude Manach, Karl Ratzer oder sein jüngerer Bruder RagloWeinrich die Gitarren und sein Cousin Joschka Schneeberger Kontrabaß. Zusätzlichspielt ZW immer wieder in kleinen Jazz-Trio-Besetzungen mit Gitarre und Baß oderSchlagzeug und Keyboard. Mit den bisher fünf Veröffentlichungen zeigt sich derGeiger sehr Zigeuner-Jazz verbunden, läßt jedoch Ausflüge in Richtung Modern Jazznicht aus. Seine Bekanntheit beschränkt sich wohl hauptsächlich auf dieösterreichische Jazz-Szene, da er nur selten im Ausland gastiert.

2.3.3.3. Stochelo Rosenberg (SR)

Der zur Zeit bekannteste Gitarrist in der Django-Reinhardt-Tradition dürfte wohl deram 19.02.1968 in Helmond/Niederlande geborene Stochelo Rosenberg sein. Bereitsmit zwölf Jahren überzeugte er mit seinem Talent bei verschiedenen Auftritten. Erst1989 erschien die erste CD des Rosenberg Trios (‘Seresta’), mit SR als virtuosem

30 Awosusi, Anita (Hrsg), Die Musik der Sinti und Roma. Band 2: Der Sinti-Jazz, Heidelberg, 1997, Seite 138

Page 32: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 32/116

30

Solisten und Nous’che Rosenberg (rh-g), Nonnie Rosenberg (b) alsRhythmusgruppe, die ganz in der Tradition von Django Reinhardt und des QdHCDFsteht. Auf drei weiteren Veröffentlichungen (‘Gipsy Summer’, 1991, ‘Impressions’,1992, ‘Live at the North Sea Jazz Festival’, 1993) und ausgedehnten Tourneenzeigte das Trio seine großen Fähigkeiten. „Ihre Musik swingt ungemein intensiv, fließtmit einer ihrer Kunstfertigkeit fast wiedersprechenden Leichtigkeit.“31 Nach einemAuftritt mit Stéphane Grapelli in der New Yorker Carnegie Hall zu dessenGeburtstagskonzert erhielt das Trio einen Plattenvertrag bei dem Jazzlabel Verve,auf dem 1994 das Album ‘Caravan’ erschien. Neben reinen Trio-Stücken wird dasmusikalische Spektrum durch Gastmusiker, insbesondere Stéphane Grapelli,erweitert. Auf dieser Einspielung sind auch der Rock-Jazz-Gitarrist Jan Akkermannund der Jazz-Vibraphonist Fritz Landesbergen zu hören, die sich sehr gut in den

Swing-Kontext integrieren. SR beweist hier wiederum seine virtuosen undmusikalischen Fähigkeiten im Bereich des traditionellen Zigeuner-Jazz. Im weiterenVerlauf seiner Karriere zeigt das Rosenberg-Trio bei zwar wenigen Trio-Aufnahmenein großes Können im Bereich des Zigeuner-Jazz, verlegt sich jedoch mehr auf eineeher popularmusikalische Spielweise. Auf dem Album ‘Gypsy Swing’ (1996) spielt inmehreren Stücken SR als Solist mit kleinen Orchestern z.B. Filmmusik-Themen wie‘Theme From Mahogany’ oder ‘Rosemary’s Baby’. Durch diese Instrumentation unddie Art der Interpretation erhält die Musik eher den Charakter einer leicht klingenden

Pop-Musik und entfernt sich komplett von den stilistischen Strukturen des Zigeuner-Jazz.

2.3.3.4. Fapy Lafertin

Auch ein sehr traditionell orientierter, aber eher unbekannter, Gitarrist ist der 1950 inCourtraire/Belgien geborene Fapy Lafertin. Ausgestattet mit einer sehr gutenSpieltechnik und einer hohen Musikalität begann er Ende der 60er Jahre seineKarriere als Sologitarrist in dem Zigeuner-Orchester ‘de PIOTTO’s’, benannt nachdessen Leiter Piotto Limberger. Das Repertoire setzte sich aus Zigeunerfolklore undSwing im Stile des QdHCDF zusammen. 1975 wechselte er zu dem Quartett‘WASO’, das bis 1985 sechs Alben im traditionellen QdHCDF-Stil veröffentlichte undzu einem führenden Ensemble der Zigeuner-Jazz-Szene avancierte. Seit 1985unterhält er sein eigenes Quintett (‘Hot Club Quintett Lapy Lafertin’), das sowohl inder Instrumentation, als auch im Repertoire dem QdHCDF verbunden ist. Außerdemzeigt sich bei LF ein Interesse für die romantische Zigeunermusik des Balkans undauch für die Musik Südamerikas. Dies wird deutlich an der Besonderheit, daß erneben der akustischen und der elektroakustischen auch noch die 12-saitige

31 Awosusi, Anita (Hrsg.), Die Musik der Sinti und Roma. Band 2: Der Sinti-Jazz, Heidelberg, 1997, Seite 141

Page 33: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 33/116

31

portugiesische Fado-Gitarre (Stimmung: BB-AA-EE-BB-AA-DD) spielt. 1991erscheint die erste CD ‘Fleur de Lavent’ des Quintetts, auf der LF die komplettetraditionelle Bandbreite des Zigeuner-Jazz vorstellt und als Solist glänzt.

2.3.3.5. Österreich/Niederlande/Belgien Zusammenfassung

Anhand der eher wenigen wichtigen Zigeunermusiker aus diesen Ländern ist es nurschwer möglich, eine zusammenfassende Aussage über die dortigen Entwicklungenzu treffen. Es sei nur darauf hingewiesen, daß sich in Belgien und den Niederlandeneine große Gruppe von Manouche niedergelassen hat, die sich sehr traditionell andem Stil Django Reinhardts orientiert. Stochelo Rosenberg, sowie auch Fapy Lafertinstammen aus Familien mit einer langen musikalischen Tradition, die über die

Generationen weitergegeben und bewahrt wurde. So könnte man daraus schließen,daß auch hier eher die traditionellen Strömungen vorherrschen und am Erbe DjangoReinhardts festgehalten wird.

2.4. Musikgeschichtlicher Überblick Zusammenfassung

Es ist durch die bisherigen Betrachtungen zu erkennen, daß sich der Begriff des

Zigeunerjazz geschichtlich an eine Person binden läßt. Als Django Reinhardt 1934das QdHCDF gründete, begann eine musikalische Entwicklung, die bis heute anhält.Django Reinhardt entwickelte im Lauf Jahre, auf der Basis seiner Erfahrungen in derZigeunerfolklore und der Bals Musette, in Verbindung mit dem Jazz der 30er und40er Jahre, eine eigene Stilistik, bzw. einen Personalstil, der vor allem ausethnischen Gründen in den weiteren Generationen hauptsächlich vonZigeunermusikern übernommen wurde. Damit wurde eine neue musikalischeTradition in der Zigeuner-Musik geschaffen. Auch bedingt durch den zweitenWeltkrieg lassen sich mehrere Strömungen dieser neuen Stilistik erkennen. InFrankreich, einem Land, in dem nach Kriegsende die Aktivitäten der Zigeunermusikerweiter uneingeschränkt möglich waren, läßt sich eine Entwicklung parallel der, deszeitgenössischen Jazz, erkennen. Trotz des Aufwachsens in der Django-Reinhardt-Tradition findet sich deren Pflege hauptsächlich nur noch im Repertoire wieder, das

jedoch interpretatorisch der heutigen Zeit angepaßt wird (z.B. Bireli Lagrene oderChristian Escoudé). Eine andere Entwicklung dieser Art ist sowohl in Frankreich, alsauch in allen anderen Ländern erkennbar. Es wird versucht, innerhalb der durch dasQdHCDF vorgegebenen Strukturen, eine Neuerung zu erzielen. Man nähert sicheinerseits mit den Improvisations-Strukturen dem modernen Jazz an und hältandererseits an den traditionellen Strukturen der Rhythmusgruppe und der

Page 34: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 34/116

32

Instrumentierung fest (z.B. Martin Weiss). Die dritte Strömung bildet die, dieeigentlich das Idiom Zigeuner-Jazz repräsentiert. Vor allem in Deutschland, aberauch in den Niederlanden und Belgien, halten die Zigeunermusiker an demmusikalischem Erbe Django Reinhardts fest. Dies zeigt sich zum einen an demBeharren auf Instrumentations-Strukturen des QdHCDF, sowie auf dem Repertoire(auch neue Repertoire-Erweiterungen werden dem Swing-Idiom angepaßt) und aufder Interpretationweise und zum anderen an der Pflege und Beibehaltung desPersonalstils Django Reinhardts. Die wichtigsten Repräsentanten dieser Strömungsind z.B. Schnuckenack Reinhardt, The Rosenberg Trio, Titi Winterstein. Man kannbei den Musikern dieser Richtung von einer neuen Schule sprechen, nämlich der vonMichel-Claude Jalard bezeichneten ‘l’école tsigane du Jazz’ oder auch der Schuledes Zigeuner-Jazz. Das heißt: Zigeuner-Jazz ist das traditionelle Bewahren des

Erbes von Django Reinhardts und des QdHCDF. Die von ihnen vorgegebenenStrukturen, vornehmlich die Personal-Stilistik Django Reinhardts, bilden die Dogmen,bzw. Basis, für eine neue musikalische Stilistik, die man der allgemeinen Zigeuner-Musik zuordnen kann, und die, unabhängig von den weltweiten musikalischenEntwicklungen, hauptsächlich durch die ethnische Gruppe der Zigeuner,insbesondere in Deutschland, den Niederlanden und Belgien, traditionsbewußtweitergeführt und bewahrt wird.

Page 35: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 35/116

33

2.5. Auswahl-Diskographie

Es ist leider nicht möglich, eine komplette Diskographie aller Musiker zu geben. Diehier angegebenen Ausgaben stellen nur eine Auswahl der wichtigstenVeröffentlichungen der im Vorangegangen erwähnten Musiker.

Django ReinhardtAufgrund der Masse von Veröffentlichungen Django Reinhardts kann hier nur aufeinige der wichtigsten Zusammenstellungen aus seinen Aufnahmen hingewiesenwerden. Eine komplette Übersicht aller Einspielungen Django Reinhardts findet sichin der Django Reinhardt-Biographie ‘Django. Mon Frère’ (Charles Delauney).

Django Reinhardt, Stéphane Grapelli et le Quintette du Hot Club du France, ‘RareDjango 1928-1938’, DRA Records CDSW 8419

Django Reinhardt, Vol 1, JSP 341 Django Reinhardt-Stéphane Grapelli-Michel Warlop, Special Quintette à cordes duHot Club de France, 1936-1939, EMI 2512 70-2

Django Reinhardt, Decca 820 591-2 Django Reinhardt, ATC Band et Duke Ellington Orchestra, Vogue 600197 Django Reinhardt et le Quintette du Hot Club de France, ‘Nuages’, Vogue 670205

Django Reinhardt-Stéphane Grapelli-André Ekyan, ‘Rome 1949-1950 Vol.1 et 2’,RCA PD 71 297 und 71 298 Django Reinhardt, ‘Django’, Vogue 668003/1/2/3 Django Reinhardt, ‘Swing in Paris, 1936-1940’, Afinity AFS 1003-5 Django Reinhardt, ‘Djangologie’, EMI 7806602-92 Django Reinhardt, ‘Pêche à la mouche’, Verve 835 418-2

Schnuckenack Reinhardt Schnuckenack Reinhardt Quintett, ‘Musik deutscher Zigeuner I-IV’,1968/1969/1970/1971, Da Camera SM 950 15/20/25/35

Ders., 15.03.1973, INT 28 556 (160031) Ders., ‘Live’, 1973, INT 28 582 (160035) Schnuckenack Reinhardt Sextett, ‘Starportrait Schnuckenack Reinhardt’, INT155012

Schnuckenack Reinhardt Quintett, ‘Swing Session, 1975, INT 160010 Ders., ‘Swing On My Mind’, Philips 6623130 Ders., ‘Jak Swing’, 1981, RCA PL 28415 Ders., ‘Die Lerche’, 1983, Master/Teldec 6, 25425

Page 36: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 36/116

34

Häns’che Weiss

Häns’che Weiss Quintett, ‘Musik deutscher Zigeuner V/VI’, 1972/1973, Da CameraSM 95040/45

Ders., ‘Dja Majo Drom’, 1974, Songbird/Schottverlag SB 32 Ders. & Gäste, ‘Fünf Jahre Musik deutscher Zigeuner’, 1977, INT 160088 Häns’che Weiss, ‘Couleurs’, 1981, Chapeau Claque 2081 Häns’che Weiss Ensemble, ‘Zugaben’, 1985, Salko MMM 48532/1 Ders., ‘Erinnerungen’, 1988, Elite Spezial Extra CDE 733503

Titi Winterstein Titi Winterstein Qintett, ‘Saitenstraßen’, 1988, INT 160117

Ders., ‘I Raisa/Die Reise’, 1979, INT 160134 Titi Winterstein Sextett, ‘Djinee Tu Kowa Ziro’, 1985, Boulevard 501 Titi Winterstein Quintett, ‘Live mit Vanessa & Sorba’, 1987, Boulevard 508 Ders., ‘Maro Djipen’, Boulevard 525 Ders., ‘The Best Of’, Boulevard 528

Schmitto Kling Hot Club The Zigan, ‘Musik deutscher Zigeuner’, 1976, Bellaphon BLPS 19241

Ders., ‘Alone Together’, 1980, EOM 12462 Ders., ‘Adagio’, 1982, Aurophon 11067 Ders. Auf: ‘Manouche/Les Musiques D’Aujourdhui Des Tsiganes D’Alsasace’,1984, APPONA

Wedili Köhler Hot Club Da Sinti, ‘Wonderful’, 1981, Linkshändle Wedili Köhler, ‘Sinti Swing’, 1986, Koala-Tonstudio Karlsdorf

Mike Reinhardt Mike Reinhardt Sextett with Dick Heckstall-Smith, ‘Back in Town, 1987, Bellaphon26007098

Alfred Lora The New Alfred Lora Swingtett, ‘Straight Ahead’, 1985, Altaxon AL 5001

Page 37: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 37/116

35

Martin Weiss Martin Weiss Ensemble, ‘for all my friends’, Raumer Records

Zipflo Weinrich Zipflo Weinrich Quintett, ‘A Dadlo’, 1985, Groove-Rec. L 120 883 Zipflo Weinrich Quartett mit Karl Ratzer, ‘For You’, 1986, RST ZW-922

Karl Ratzer Karl Ratzer, Gipsy Love, 1970, Heller Enterprises Ders., ‘In the search Of the Ghost, 1978, Vanguard Ders., ‘Street Talk’, 1979, Vanguard Ders., ‘Dancing on a String’, 1979, CMP 13

Ders., ‘Finger Prints’, 1980, CMP 7 Ders., ‘A Fool For Your Sake’, 1981, GIG Ders., ‘Electric Finger’, 1982, RST Ders., ‘Happy Floating’, 1985, RST 130305 Ders., ‘Serenade’, 1986, RST 186111

mit Karl Ratzer: Jeremy Steig/Eddie Gomez Group, ‘Rain Forrest’, 1980, CMP 12 Chat Baker, ‘Live in Paris’, 1980, Circle 25680-22/23/36; 27680/32

Stochelo Rosenberg Stochelo Rosenberg, ‘Seresta’, 1989, Hot Club Records HCRCD 59 The Rosenberg Trio, ‘Gipsy Summer’, 1991 The Rosenberg Trio, ‘Impressions’, 1992 The Rosenberg Trio, ‘Live at the North Sea Jazz Festival’, 1993, Verve 519 446-2 The Rosenberg Trio, ‘Caravan’, 1995, Verve 523 030-2 The Rosenberg Trio, ‘Gypsy Swing’, 1996, Verve 527 806-2

Boulou Ferré Boulou and Elois Ferré, Pour Django’, Steeplechase SCS 1120 Ders., ‘Gypsy Dreams’, Steeplechase SCS 1140 Ders., ‘Trinity’, Steeplechase SCS 1171 Boulou Ferré Quartett, ‘Relax and Enjoy’, Steeplechase SCS 1210

Bireli Lagrene Bireli Lagrene, ‘Routes to Django’, 1980, Antilles AN 1002 Ders., ‘Bireli Swing 81’, Jazz Point 1009

Page 38: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 38/116

36

Ders., ‘Bireli Lagrene 15’, Antilles AN 1009 Ders., ‘Down in Town, Antilles AN 1019 Bireli Lagrene Ensemble, ‘Live’, Jazz Point 1015 Bireli Lagrene, ‘Acoustic Moments’, 1990, Blue Note 795 2632 Ders., ‘Standarts’, 1992, Blue Note 780 2512 Ders., ‘My Favourite Django’, Dreyfus Jazz FDM 36574-2

Fapy Lafertin Lapy Lafertin, ‘Fleur de Lavende’, 1992, Hot Club Records HCRCD 67 Ders., ‘Swing Guitars’, 1994, LJFL 01 Ders., ‘Hungaria’, 1996, LJFL 02 Lapy Lafertin Quartett, ‘Aurore’, RIFF 85026-2

Waso, ‘Live in Laren’, Polydor 2925111 Waso, ‘Gypsy Swing Vol.5’, Munich BM 150246

Babik Reinhardt

Babik Reinhardt, 1967, Vogue EPL 8524 (45t) Ders., ‘joue Sidney Bechet’, 1968, Vogue CL VLX 213 Ders., ‘Sur Le Chemin De Mon Père ... Django’, 1974, EMI MFP 2 M 026-13200

Ders., ‘Sinti Oun Bresil, 1975, CBS Escoudé/Ferré/Reinhradt, ‘Three Of a Kind’, 1986, JMS 038 Babik Reinhardt, ‘All Love’, 1988, RDC 400012/Melodie

Ders., ‘Live’, 1989, RDC 400032/Melodie

Christian Escoudé Chritian Escoudé Quintett, ‘Reunion’, 1975, Musica MUS 3003 Jean-Charles Capon & Christian Escoudé, ‘Les 4 Elements’, 1976, Musica MUS

3006 Mike Zwerin Chamber Jazz Trio, ‘Not Much Noise’, 1978, Spotlite 19 John Lewis Quartet, ‘Mirjana’, 1978, Ahead 33750 Swing String System, Evidance 1003/Media 7 Charlie Haden & Christian Escoudé, ‘Gitane’, 1978, All Life 001 Charlie Haden & Christian Escoudé, ‘Gousti’, All Life 006 Michael Graillier & Christian Escoudé, ‘Libra’, MUS 3017

Martial Solal Big Band, 1981, Gaumont Musique 753804/WEA Christian Escoudé, Gipsy’s Morning, 1981, JMS 013

Page 39: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 39/116

37

Christian Escoudé Group feat. Toots Thielmans, 1982, JMS 022 Catherine/Escoudé/Lockwood, 1983, JMS 031 Christian Escoudé Oktett, ‘Gipsy Waltz’, 1989, Emarcy/IMS

Page 40: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 40/116

38

3. Zweiter Teil: Gitarrenspezifische st ilis tische Analyse

Im zweiten Teil dieser Arbeit sollen nun die für die Gitarre typischen stilistischenElemente erarbeitet werden, anhand derer die Stilistik definiert werden kann. Es sinddrei Hauptgebiete, die stillbildend sind: der unverwechselbare Gitarrensound, dieBesetzung und die Arbeit der Rhythmusgruppe und die Improvisations-Strukturen.Auf der Begleitkassette befinden sich Aufnahmen der wichtigsten Stücke, die fürdiese Analyse verwendet wurden.Im folgenden Text wird für die Notenbeispiele die allgemein üblichen Notationenverwendet, die allerdings durch verschiedene Aspekte erweitert werden. Aus diesemGrund wird an dieser Stelle eine kurze Zeichenerklärung eingefügt:1

Bezeichnungen für die rechte Hand:

p = Daumeni = Zeigefingerm = Mittelfingera = Ringfinger

Bezeichnung für einen Abschlag mit dem angegebenen Finger der rechten Hand (indiesem Falle mit dem Zeigefinger).

Bezeichnung für einen Aufschlag mit dem angegebenen Finger der rechten Hand (indiesem Falle mit dem Zeigefinger)

ami-Abschlag: Alle drei Finger (Ring-, Mittel- und Zeigefinger) werden gleichzeitig fürden Abschlag genutzt.

1 Vergleiche Graf-Martinez, Gerhard, Flamenco-Gitarrenschule Band 1, Mainz 1994

Page 41: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 41/116

39

golpe mit Daumen-Abschlag: Mit dem Ringfinger wird gleichzeitig mit derAbschlagsbewegung des Daumens perkussiv auf die Decke unterhalb desSchalloches geklopft.

apagado: aus einer Drehbewegung heraus werden die Saiten mit der Handkante derrechten Hand abgedämpft.

Mano-Golpe: Mit der Handfläche der rechten Hand wird auf die Saiten geklopft,wobei die Finger unterhalb und der Daumen oberhalb des Schalloches aufschlagenund dabei den perkussiven Effekt erzielen.

3.1. Der Gitarrensound

Das typische Klangbild dieser Stilistik wird zum einem durch die Rhythmusgruppe,zum andern aber durch den bestimmten akustischen Instrumentenklang, erzeugt, derdurch Django Reinhardt vorgegeben wurde. Bei den Zigeunergitarristen setzt sichder 'Sound' aus mehreren Komponenten zusammen: akustische Instrumente (eswerden auch elektrische Gitarren verwendet, was allerdings ein vom traditionellenZigeuner-Jazz abweichendes Klangbild erzeugt) und ein harter Plektrumanschlag. Imweiteren soll auf das zigeunerjazztypische Instrument, die Gitarren im Selmer-Maccaferri-Stil (auch Django-Gitarren genannt, und auf andere klangbildendeKomponenten eingegangen werden.

3.1.1. Maccaferri und seine Gitarren

Mario Maccaferri, geboren 1899 bei Bologna in Italien, war im Alter von zwölf Jahrenbereits Lehrling des Gitarrenbauer Luigi Mozzani, der ihn zu einem Gitarren-Studiumanregte. Nach dem Studium an der Akademie in Sienna, das er 1916 begann, ging er

1919 nach Paris. Die nächsten Jahre verbrachte Maccaferri als konzertierenderGitarrist, bis er 1933 seine Solokarriere durch einen komplizierten Bruch der rechten

Page 42: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 42/116

40

Hand aufgeben mußte. In diesen Jahren hatte er jedoch einige Zeit in Londonverbracht, um das Handwerk des Gitarrenbaus zu intensivieren. Noch vor seinemUnfall wurde Mario von dem Instrumentenhersteller Henri Selmer (eher durchBlechblasinstrumente bekannt) unter Vertrag genommen und baute die erstenMaccaferri-Gitarren, die 1932 unter der Aufschrift Fabriqué en France sous laDirection technique de M.Maccaferri, Selmer & Cie, Paris auf den Markt kamen undbegeistert von Django Reinhardt entdeckt wurden. Nach heftigenAuseinandersetzungen verließ Maccaferri 1933 jedoch wieder die InstrumentenfirmaSelmer, nachdem er in ihrem Auftrag etwa 300 Gitarren produzierte. Ansonstenwurde er in den späteren Jahren durch Plastikgitarren und Ukulelen bekannt, diedurch ihren niedrigen Preis in unglaublichen Stückzahlen verkauft wurden. MarioMaccaferri starb am 16. April 1993.

Trotz seiner Karriere als Konzert-Gitarrist verfolgte Mario Maccaferri in den 20er und30er Jahren den Gitarrenbau weiter "und entwickelte die Konstruktion zursogenannten 'Django-Gitarre', die auch als Darmsaitenmodell erhältlich war undsomit auch für den klassischen Bereich konzipiert war. ... Die ersten von Selmergefertigten Django-Gitarren wiesen für die damalige Zeit richtungsweisendeEinzelheiten auf, so etwa geschlossene, selbstschmierende Mechaniken, Cutawayund in den meisten Fällen eine interne 'Soundbox'. Dabei handelte es sich um einGehäuse innerhalb des Korpus, mit Öffnung zum Schalloch, dessen Boden aus

Fichte gefertigt war. Verankert war dieser interne Klangraum an vier Stellen desZargenkranzes, und unterhalb des Schallochs befand sich eine Art Schild, das dieSchwingungen vom Boden des Korpus ablenken sollte. Ziel war es, eine möglichstgute Ausgewogenheit“ des Klanges „zu erhalten. Auch die gesamte sonstigeKonstruktion unterschied sich erheblich von den bis dahin bekannten Bauformen.Typische Merkmale der Django-Gitarren waren das große D-förmige Schalloch unddie schmale, durchbrochene Kopfplatte. In den ersten Katalogen wurden dreiunterschiedliche Modelle angeboten: die Classical, die Hawaiien und die Orchestra -das Modell, welches Django Reinhardt zur Legende machte. Der Korpusübergangbefand sich am 12.Bund, die Mensur betrug hierbei 63,8 cm. In der folgenden Zeitentstanden Modelle mit kleinem, ovalem Schalloch und langer 67er Mensur. Diemeisten 'Originale' wurden aus Palisander für Boden und Zarge und Fichte für dieDecke gefertigt, doch es kamen auch Ahorn (für Zarge und Boden), Nußbaum (Fürden Hals) und Ebenholz (für das Griffbrett) zur Verwendung. Der charakteristischeSteg, mit seinen spitzen Flügeln und seiner besonders schmalen Bauweise, war ausPalisander hergestellt.“2

2Bauer, Ralf, Maccaferris Erben, in: Akustik Gitarre, Münster, 4.Jahrgang, 1997, Seite 58-59

Page 43: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 43/116

41

Diese sogenannten Maccaferri-Gitarren sind durch ihren eigenen Sound undnatürlich durch Django Reinhardt zum Aushängeschild der Zigeuner-Jazz-Szenegeworden und geben dieser Musik ihr unverwechselbares Klangbild.

3.1.2. Maccaferr is Nachkommen

Trotz des Todes Maccaferris leben seine Instrumente weiter. Es werden heute vonverschiedensten Gitarrenbauern Instrumente im Konstruktionsstil der 'Django-Gitarren' angeboten. Die meisten von ihnen sind stark an den Originalmodellen vonSelmer orientiert. "Es sind lediglich einzelne Details, die sie von den altenMaccaferris unterscheiden. Die Soundbox, die bereits in den 30er Jahren aus diesen

Page 44: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 44/116

42

Instrumenten verschwand, da sie einen erheblichen Mehraufwand in der Fertigung,aber nicht die deutliche klangliche Steigerung darstellte, ist auch in den Hahl-Gitarrennicht zu finden. ... Die alten gekapselten und selbstschmierend arbeitendenMechaniken sind heute leider nicht mehr in solcher Ausführung erhältlich - ..."3 Vonden ersten Selmer-Maccaferri-Modellen haben sich vornehmlich zwei durchgesetzt:das Orchestra-Modell mit dem großen D-förmigen Schalloch und das Orchestra-Modell mit kleinem, ovalem Schalloch. Da diese Gitarren in der Regel nicht in Seriegefertigt (es gibt natürlich wenige Ausnahmen, wie z.B. japanische Maccaferri Kopienaus Serienproduktionen), sondern hauptsächlich von einzelnen Gitarrenbauernangeboten werden und somit auch nicht unbedingt im Musikalienhandel vorzufindensind, wird hier eine Liste von verschiedenen Anbietern dieser Modelle eingefügt.

Steffan Hahl Henning DodererGitarrenbaumeister Zupfinstrumentenmacher-MeisterTaunusblick 1 Cambergstraße 10D-65623 Mudershausen D-65529 WaldemsGermany GermanyTelefon/Fax: 06430/6476 Telefon: 06087/752

Rob Aylward John le Voi

327, Old Farm Avenue 8, Hamilton RoadSidcup AlfordKent. DA15 8AA Lincolnshire. LN13 9HDUnited Kingdom United KingdomTelefon: UK-44 (0) 181 302 1540 (Privat) Telefon: UK-44 (0) 150 746 3341

UK-44 (0) 132 255 3393 (Werkstatt)

Dave Hodson Jean Pierre Favino69 Cartwright Street Les GaouatsLoughborogh 31160 CastelbiagueLeicstershire LE 11 1JW FranceUnited Kingdom Telefon/Fax: 0033 -61 90 10 27Telefon: (01509) 234625

3siehe 1. Bei den hier im Text erwähnten Hahl-Gitarren handelt es sich um die Modelle 'Gitano' und 'Gitano-D'von dem Gitarrenbauer Stefan Hahl. Die hier genannten Unterschiede zwischen den Hahl- und den originalSelmer-Gitarren sind ebenso für die meisten Anbieter von Django-Gitarren zutreffend.

Page 45: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 45/116

43

Fere ScheideggerLorrainestraße 58PostfachCH- 3000 Bern 11SchweizTelefon/Fax: 41 31 331 44 37

Die Telefonnummern sind teilweise ohne Ländervorwahl !

3.1.3. Die Saiten

Interessanterweise entfalten die erwähnten Maccaferri-Modelle ihren spezifischen

Klang nur mit einem bestimmten Saitentyp. Es können zwar auch normaleStahlsaiten benutzt werden, die allerdings nicht die typischen Klangqualitäten derGitarren hervorbringen. Normalerweise werden 'Argentine'-Saiten auf den ‘Django-Gitarren’ gespielt, die heute von dem französischen Saitenhersteller Savarezvertrieben werden."These guitars are traditionally played with Argentine strings, a very light, specialcomposition string made in France. They are also generally played with rather highaction, for clearer notes and better vibrato. American silk-and-steel and bronze

strings emphatically do not work, regular steel strings are merely acceptable."4

"Argentine 'Plain Steel & Wound Steel Strings'The ARGENTINE strings were born more than 60 years ago and have been playedby many guitarists worldwide. Used by a great many of renowed musicians, they areperfectly suited for the legendary SELMER-MACCAFERRI guitars which continue tobe made by highly skilled luthiers who perpetuate their existence. ARGENTINEstrings offer a brilliant and clear sound. Using the finest quality raw materials andlatest technologie, SAVAREZ has established the perfect harmony between the steelcore amd wound silver metal. The result is a string with powerful enriched tonalqualities that can withstand hard use." 5

4Dupont, Maurice, Personal Observations an the Selmer,http://ourworld.compuserve.com/homepages/sroyall/selmobs.htm5Savarez, Argentine 'Plain Steel & Wound Steel Strings', http://www.savarez.com/argentine.htm

Page 46: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 46/116

44

3.1.4. Das Plektrum

Ein weiterer Faktor, der in den Klangbildungsprozeß mit integriert ist, stellt dasPlektrum dar. Dieser Aspekt setzt sich aus zwei Komponenten zusammen: Die Artdes Anschlages und die Art des Plektrums.Der Plektrumanschlag ist in dieser Musik sehr hart, was ein starkes Attack im Tonhervorruft. Viele Gitarristen spielen oft nur mit Abschlägen, um einen solch kraftvollenTon zu erlangen. Stochelo Rosenberg erklärt das Dominieren des Abschlages inseiner Plektrumtechnik zum einen durch das autodidakte Erlernen des Instrumentesund zum anderen durch das dadurch entstehende Klangbild der Gitarre: "Ich habe esmir von Anfang an schon so beigebracht und kann so auch die Gitarre aggressiverklingen lassen."6

Der zweite Punkt ist nun die Art des Plektrums. Empfohlen wird in derZigeunerjazzliteratur in der Regel immer ein sehr hartes Plektrum, was den hartenAnschlag zusätzlich unterstützt. "The strings should be light gauge and the plektruma thick rigid type, preferably made from tortoiseshell."7"It is important to use a hardplectrum, pereferably in tortoise-shell. A thin plectrum gives a dry, precise sound. Athick plectrum gives a round, liquid sound."8

6Holl, Wilhelm (Interviewer), Interview mit dem Rosenberg Trio, Karstadt Dresden, 04.05.19987Cruickshank, Ian, The guitar style of Django Reinhardt & the Gypsies, Wise Publications, London/NewYork/Sydney, 1989, Seite 88Leguidcoq,Patrick/Redon, Jean-Marie, Guitare Manouche Methode de Jazz Gitan, Editions Salabert, Paris,1983, Seite 8

Page 47: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 47/116

45

3.2. Die Rhythmusgruppe

Die Rhythmusgruppen in den verschiedenen Zigeuner-Jazz-Formationen isttraditionsbewußt an die, des QdHCDF angelehnt. Die Instrumentierung, als auch dieverwendeten rhythmischen Strukturen, sowie das harmonische Material basieren aufDjango Reinhardts Formationen, wurden jedoch durch die Entwicklung der Musikangereichert.

3.2.1. Instrumentierung

Die Instrumentierung des von 1934 bis 1939 bestehenden ersten QdHCDF bestandaus einer Solo-, bzw. auch Rhythmusgitarre, einer Solo-Geige und einer

Rhythmusgruppe, bestehend aus zwei Rhythmusgitarren und einem Kontrabaß(nach 1939 auch Klarinette, Schlagzeug, Klavier). Ein reines Saitenquintett, was inder damaligen Zeit ein Novum darstellte, jedoch in Anbetracht des musikalischenUmfeldes jener Zeit nicht ungewöhnlich ist. Zum einen sind die in der Zigeuner-Folklore typischen Instrumente vornehmlich Saiten-Instrumente: Gitarre, Geige,Laute (heute noch auf dem Balkan gespielt, ansonsten von der Gitarre verdrängt)und Cymbalum. Neben den Saiteninstrumenten stehen die Panflöte, das Akkordeon,sowie Trommeln und das Tambourin. Weiterhin finden sich in den Rhythmusgruppen

der Musetteorchester wieder das Banjo oder die Gitarre und der Kontrabaß. Alsweiterer Einfluß kann man die ersten Gehversuche amerikanischer Gitarristen wieEddie Lang oder Dick McDonough sehen, die schon zu dieser Zeit in kleinen Saitenorientierten Ensembles arbeiteten. Ein weiterer Faktor stellt das Problem derLautstärke dar, welches zu dieser Saitenformation geführt haben kann. Diedamaligen Jazz-Formationen waren hauptsächlich Big-Bands, die durch dasSchlagzeug und die Blechbläser eine sehr hohe Grundlautstärke bildeten, und somiteinem dagegen eher leisen Saiteninstrument keine Möglichkeit einer solistischenBetätigung einräumten. In Anbetracht all dieser Gesichtspunkte ist die Fixierung aufSaiteninstrumente ein Weg der Verbindung von Zigeuner-, sowie der damaligenPopularmusik und des Jazz, in dem sich auch die Gitarre, sowie die Geige solistischentfalten können. Die Gitarre und der Kontrabaß ist in Django ReinhardtsFormationen, bis auf die letzten Jahre ab 1947, als sozusagen Basisrhythmusgruppeimmer präsent. Erweitert wurden die beiden Instrumente teils durch Schlagzeug oderauch Klavier. Bis heute sind die Zigeuner-Jazz-Formationen dieser traditionellenRhythmusgruppenbesetzung treu geblieben. Die Basis bilden immer Kontrabaß undGitarre (je nach Größe der Ensembles ein bis drei Gitarren). Als Erweiterung findetman heute hauptsächlich Klavier, Akkordeon und teilweise auch Schlagzeug (z.B. TitiWinterstein Quintett (Akkordeon/Klavier), Fapy Lafertin Quartet (Schlagzeug)).

Page 48: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 48/116

46

3.2.2. Rhythmus

Die charakteristische swingende Rhythmusgruppe des QdHCDF wurde durch dasZusammenspiel von Kontrabaß und den Gitarren erzeugt. Während der Kontrabaßmeist halbe Noten spielt, spielen die Gitarren darüber einen nicht durchbrochenenVier-Viertel-Rhythmus, bei dem durch Abdämpfen des jeweils zweiten Akkordes einestarke Akzentuierung der Zwei und der Vier des Taktes erzeugt wird. DieseSpielweise läßt sich auf die Spielarten der Gitarre, bzw. des Banjos, in den 20erJahren zurückführen. Im Jazz dieser Zeit wurden diese Instrumente vornehmlich alsBegleitinstrumente eingesetzt. Es sind hauptsächlich zwei Spielarten der Gitarrebekannt: Zum einem die rhythmisch-harmonische Begleitung im Vier-Viertel-Rhythmus (z.B. Big-Band-Begleitung) und zum anderen der Wechsel zwischen

Baßtönen (Zählzeiten 1 und 3) und Akkorden (Zählzeiten 2 und 4) (Duo- undTrioformationen, sowie auch in der Zigeunerfolklore wiederzufinden). Diese Art derBegleitung bildet auch die Basis für den typischen Swing-Rhythmus des QdHCDF.Eine weitere rhythmische Bereicherung stellte Django Reinhardt selbst dar, der stetszur Unterstützung der Rhythmusgruppe einsetzte und durch eine Art 'Solo-Begleitung' den Swing weiter in Schwung brachte (darauf wird im Weiteren nähereingegangen). Diese Spielarten sind bis heute in den Zigeuner-Jazz-Formationen alsBasis-Swing-Rhythmus geblieben. Durch die Adaption moderner Jazz- und Latin-

Standards sind jedoch noch etliche rhythmische Komponenten hinzugekommen. Esfolgt nun ein Überblick über die typischen Gitarren-Rhythmen des Zigeunerjazz,aufgeteilt nach Basis-Begleitung und 'Solo-Begleitung', bzw. 'Rhythm-Fills'.

3.2.2.1. 4/4 Swing-Rhythmus

Bevor nun auf die eigentlichen Rhythmuspattern eingegangen wird, sollte man sichmit der Akzentuierung beschäftigen. Der typische Swing-Rhythmus entsteht durchdie Akzente auf der Zwei und der Vier eines durchgehenden 4/4-Schlag-Rhythmus.In der Literatur findet man Verweise auf Pierre ‘Baro’ Ferret, der mit DjangoReinhardt 1933 in Guerino’s Orchester den sogenannten ‘pompe manouche’, alsodiesen 4/4-Swing-Rhythmus, eingeführt haben soll. Durch den sehr perkussivenKlang stellt es eine Art Schlagzeugimitation dar: erster Schlag Bass-Drum, zweiterSchlag Snare-Drum oder verbalisiert 'boom-chick'. Im ersten Moment eine komische

Page 49: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 49/116

47

Vorstellung, aber am nächsten an der Realität. Aus diesem Modell ergibt sichfolgendes Klangbild im 4/4-Takt:

1 2 3 4boom chick boom chick

Übertragen auf die Gitarre stellt das 'boom' einen Schlag auf die Baß-Saiten derGitarre und das 'chick' einen Stakkato-Schlag auf die Diskant-Saiten, bzw. auch aufden ganzen Akkord, dar. Im Notenbild sieht das wie folgt aus:

Verwendet werden hierbei nur Abschläge, was in der rechten Hand einen ternärenAchtel-Wechselschlag ( ) zur Folge hat, welcher auch für Variationen durch Dead-Notes genutzt wird. Zum Beispiel:

Als weitere Variante werden in Balladen oft die Viertel gleichbleibenddurchgeschlagen, um ein volleres Klangbild zu erzeugen. Die Akzentuierung der

Zwei und der Vier durch Stakkato-Abschläge, dagegen die Eins und die Drei mitPortato-Abschlägen, bleibt jedoch erhalten. Auch hier werden Achtel-Aufschläge alsDead-Notes genutzt.

Page 50: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 50/116

48

Diese Basis Swing-Rhythmen der Gitarre werden in Verbindung mit einer Halben-Noten- (eher traditionelle QdHCDF-Färbung), als auch mit einer Viertel-Noten-Baßfigur (Walking-Baß) (modernere Spielweise) des Kontrabaß gespielt underzeugen so den traditionellen Zigeuner-Jazz-Sound.

3.2.2.2. 3/4-Begleitung

Aus der Tradition der Valses-Musettes entstand die typische 3/4-Begleitung, diedurch die Akzentuierung der Zwei auch am Wiener Walzer angelehnt ist. EineVerbalisierung des Grundrhythmus ist nicht so einfach, würde aber prinzipiell 'boom-chick-chick' klingen, wobei die zweite Silbe stärker betont werden muß, als die Dritte:

>1 2 3

boom chick chick

Der Klang als auch die Spieltechnik bleibt wie beim 4/4-Rhythmus: 'boom' steht fürdie Baß-Saiten und 'chick' für die stakkato gespielten Diskant-Saiten:

Auch hier werden nur Abschläge verwendet, was eine Vielzahl von Achtel-Aufschlag-Variationen ermöglicht. Zum Beispiel:

Page 51: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 51/116

49

Ein weiterer Klangeffekt findet man bei verschiedenen Aufnahmen: das Arpeggierenvon Akkorden:

Hier nun als Beispiel eine Mischung der benannten 3/4-Begleitmöglichkeiten über dieChanges von 'Seresta' (Musette-Valse):

3.2.2.3. Adapt ionen aus dem Flamenco

Bevor nun auf Begleitvarianten für Latin-Standards eingegangen wird, sollen hier dietypischen Flamenco-Rumba-Figuren1, wie man sie bei den Gitanos (z.B. GipsyKings) hört, dargestellt werden. Diese Rhythmen stellen neben Begleitadaptionenvon Latingitarristen eine Basis für die Gitarrenbegleitung von Latin-Standards dar. Esist anzunehmen, daß die Zigeuner-Jazz-Gitarristen die rhythmischen Strukturen derFlamenco-Rumba übernommen haben. Die hier aufgeführten Anschlagspatternkommen in dieser Form, bezogen auf die Fingertechniken der rechten Hand, nichtbei Zigeuner-Jazz-Formationen (vornehmlich Plektrumspieler) vor.

1siehe Graf-Martinez, Gerhard, Flamenco Gitarrenschule Band I, Mainz, 1994

Page 52: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 52/116

50

Es finden sich zwei Grundrhythmen, deren Basis durch perkussive Effekte unterstütztwerden. Die erste Figur ist an der klassischen Rumba-Figur orientiert. Übertragenergibt sich für die Gitarre eine etwas erweiterte Grund-Figur (Achtel-Umspielung derVier) mit perkussiv unterstützter Eins:

Als weitere Ergänzung wird nun zusätzlich die Drei zum einen durch abdämpfen:

und zum anderen durch perkussiven Effekt hervorgehoben:

Die zweite Grundfigur ist nun direkt an der Eins und der Drei orientiert, die perkussivhervorgehoben und durch Achtelschläge umspielt werden. Es finden sich zweiHauptvarianten:Variante 1:

Page 53: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 53/116

51

Variante 2:

Diese zwei vorgestellten Grundrhythmen wurden von den Zigeuner-Jazz-Formationen übernommen, wobei das filigrane Spiel der rechten Hand durch dasPlektrumspiel ersetzt wird.

3.2.2.4. Latin-Rhythmen

Durch die Repertoireanreicherung mit moderneren Jazzstandards, wie auchLatinstandards, wurde das Begleitspektrum erweitert. Es finden sich nur wenigetypische Schlagrhythmen, mit denen das ganze Latin-Spektrum abgedeckt wird.Diese Rhythmen sind zum einen den Gitanos und zum anderen dersüdamerikanischen Musik selbst entnommen. Man kann hier eine Trennungzwischen einer allgemeinen Latin- und einer Rumba-Begleitung hören. Dieallgemeine Latin-Begleitfigur erzeugt durch das Hervorheben der Zwei und der Viermit Dead-Notes einen Groove, der durch eine latintypische Kontrabaßfigur den

Latincharakter erhält. Die Figur ergibt sich aus einem durchgehendenAchtelwechselschlag:

Dies stellt die hauptsächlich verwendete Grundfigur für die Latin-Begleitung (ab undzu auch leicht variiert) dar.Für das restliche Spektrum der Latin-Musik werden die schon vorgestellten Rumba-Begleitungen verwendet, welche nun dem Plektrumspiel angepaßt werden. Dieperkussiven Effekte der Flamencogitarristen werden durch Dead-Notes imitiert.

Page 54: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 54/116

52

Die Rumba-Figur in Reinform stellt das erste Pattern dar. Auch hier wird wieder eindurchgängiger Achtelwechselschlag verwendet. Die Akzente entstehen durchStakkatoschläge auf der Eins und der Zwei-Und:

Erweitert wird diese Figur nun durch eine Achtelumspielung der Vier:

Zusätzlich kann noch eine Dead-Note auf der Drei eingeführt werden:

Die zweite Figur, die man in der Flamenco-Rumba-Begleitung vorgefunden hat, wirdebenso verwendet und auf einen Achtelwechselschlag des Plektrums geändert:

Die Latin-Begleitung läßt sich so auf drei Grund-Anschlags-Patternzusammenfassen, mit denen die Zigeuner-Jazz-Formationen das breite Spektrumder südamerikanischen Musik abdecken.

Page 55: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 55/116

53

3.2.2.5. 'Solo-Begleitung'/Rhythm-Fills

Die jetzt besprochenen Grundmuster der Begleitung werden manchmal mit kleinenRhythm-Fills durchbrochen, um durch kurze Varianten die Rhythmusgruppeabwechslungsreicher und wirkungsvoller zu gestalten. Die meisten dieser Fills lassensich anhand von Django Reinhardts Begleitungen, die schon fast solistischenCharakter aufzeigen, studieren. Bei der Einspielung von 'Dinah' (Dezember 1934)(siehe Notenanhang) wechselt Django Reinhardt in die Rhythmusgruppe und erzeugteine extreme Steigerung des Grooves. Anhand der zwei BegleitungsdurchläufeReinhardts lassen sich viele der heute verwendeten Rhythm-Fills ableiten. 2 Schonbeim Einstieg in die Rhythmusgruppe wird der Groove durch einen Achtelrhythmusverstärkt (Takt 65ff), bei dem sich Abschläge auf den geraden Zählzeiten und

abgedämpfte Aufschläge (Dead-Notes) auf den ternären Zwischenachtel abwechselnund einen Shuffleanschlag erzeugen. Weitere rhythmische Komponenten, die derAuflockerung des starren 4/4 Grundrhythmus dienen, sind zum Beispiel dieVerwendung von Achteltriolen (Takt 95 und 103), offbeat-Akzenten (Takt 92 und 116)und die Akzentuierung jedes Viertels im Takt (Takt 90-91). Andere interessanterhythmische Strukturen finden sich bei Schlußseqenzen von Formteilen, welche denRhythmus wieder vorantreiben und den nächsten Teil einleiten. Dies sind zumBeispiel die stark akzentuierten Viertel in Takt 81, die durch ihre harmonische

Struktur in ihrer Wirkung verstärkt werden (siehe im Folgenden), und die, auf '1 und'beginnende, polyrhythmische Figur in Takt 96 und 97 (punktierte Viertel über 4/4Rhythmus). Ein weiteres verwendetes Mittel ist das Tremolieren von Akkorden (Takt88 und 89).Aus dieser rhythmischen Kurzanalyse lassen sich nun typische Klischeesherausarbeiten, die als Rhythm-Fills verwendet werden, um den starren 4/4-Grooveetwas aufzulockern, bzw. voranzutreiben:- Die schon im 4/4 Swingrhythmus eingeführten Achtel-Dead-Notes.- Die Verwendung von Akzentuierungen der Viertel und das setzen von Offbeat-Akzenten:

2siehe dazu auch "Django Reinhardt: Begleitung und Akkordvokabular" in Schwab, Jürgen, Die Gitarre im Jazz.Zur stilistischen Entwicklung von den Anfängen bis 1960, ConBrio, Regensburg 1998

Page 56: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 56/116

54

- Polyrhythmische Figuren, sowie synkopierte Figuren:

- Das Tremolieren von Akkorden, eine Technik, die wahrscheinlich ebenfalls von denGitanos, d.h. aus dem Flamenco, übernommen wurde. Es soll hier nun nochspieltechnisch erläutert werden.Es bedarf einiger Übung ein rhythmisch, sowie dynamisch, kontrolliertes Plektrum-Tremolo zu erzeugen. Das typische Tremolo entsteht aus einer, mit einem Abschlagbeginnenden und einem Aufschlag endenden, schnellen, rhythmisch exakten

Wechselschlagsbewegung. Die Geschwindigkeit ergibt sich aus den spieltechnischenVoraussetzungen eines jeden Gitarristen. In der angeführten Begleitungstranskriptionvon 'Dinah' verwendet Django Reinhardt ein Sechzehnteltremolo, wobei auf anderenAufnahmen verschiedenster Zigeuner-Jazz-Gitarristen oft Achtel-Triolen-Tremoli zuhören sind. Ausnotiert sehen diese zwei Varianten wie folgt aus:

Es ist jedoch grundsätzlich möglich schnellere Tremoli zu spielen, vorausgesetzt die jeweilige Spieltechnik erlaubt dem Gitarristen die Verwendung kleinerer rhythmischerEinheiten. Zusätzlich müssen auch die dynamischen Parameter beachtet werden.Ein Tremolo wird oft in den verschiedensten Arten eingesetzt, bei denen die Dynamikeine große Rolle spielt (z.B. Tremolo als Steigerung von p bis ff).Eine weitere Verwendung findet das Akkord-Tremolo in der musikalischenUntermalung von frei gespielten Passagen (meist Einleitungen, aber auch in der

Zigeunerfolklore bei Übergangsthemen eingesetzt). Man hört auch ab und zu dasTremolo in Verbindung mit polyrhythmischen Figuren (z.B. Drei-Viertel über Vier-Viertel), was gut als ‘Rhythm-Fill’ eingesetzt werden kann:

3.2.2.6. Zusammenfassung

Page 57: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 57/116

55

Hier wurden nun die Basis-Rhythmus-Pattern dieser Musik vorgestellt. Alleseintaktige Strukturen, die konsequent das ganze Stück, wenig durchbrochen vonverschiedenen ‘Rhythm-Fills’, durchgehalten werden und so den typischen Basis-Klangcharakter des Zigeuner-Jazz erzeugen. Hier wurde hauptsächlich auf dietraditionellen Spielweisen eingegangen. Man findet jedoch immer wieder den Einflußdes Jazz. Es werden jazzige Compingfiguren genutzt, die man gegen den starrenGrundrhythmus setzt. Bei moderneren Formationen (z.B. das Martin Weiss-Quartett)wird teilweise das starre Rhythmusspiel durch freies Comping ersetzt. Auch bei denLatin-Grooves finden sich typische südamerikanische Fingerstyle-Patterns wieder. Alldies sind jedoch Entwicklungen, die eine Art Mischform aus Zigeuner- undtraditionellen Jazz darstellen. Das typische traditionelle Klangbild des Zigeuner Jazz

basiert auf die konsequent durchgehaltene, vorantreibende Rhythmusgruppe. DieWeiterentwicklungen ergeben einen anderen Sound, der sich hin zum Jazz bewegt.

3.2.3. Harmonisches Material und Akkordrepertoire

Das harmonische Material ergibt sich aus dem Repertoire. Wie im Vorherigenerwähnt, erstreckt sich das musikalische Spektrum des Zigeuner-Jazz von Folkloreüber Chanson, Musette, Jazzkompositionen aus den 30er und 40er Jahren,

Reinhardt/Grapelly-Kompositionen und Latinstandards bis hin zu dem gängigenJazzstandardrepertoire. Dies beinhaltet eine große Fülle harmonischerKomponenten, was bedeutet, daß alle Arten von Kadenzen, sowie auch Akkordengenutzt werden. Es tauchen Dreiklänge und jegliche Komponenten derErweiterungen in der Literatur auf. Interessant sind hier auch Akkordstrukturen, diesich aus der eingeschränkten Greifhand Django Reinhardts ergaben (z.B. durchVerwendung des Daumens der linken Hand oder Barréspieltechnik). Insgesamtwerden gitarrenspezifisch alle bekannten Standard-Akkordgriffe verwendet. Darumsoll hier auf eine Akkordtabelle verzichtet werden, jedoch an einigen Beispielen dieArt der harmonischen Begleitarbeit aufgezeigt werden.Wie auch im rhythmischen Bereich kann man die Begleitung harmonisch gesehen inzwei Bereiche trennen: Basisbegleitung und erweiterte Begleitung.

Page 58: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 58/116

56

3.2.3.1. Basisbegleitung

Die Basisbegleitung hält sich prinzipiel an die durch den Standard vorgegebenenHarmonieabläufe und deren Akkordstrukturen. Das hierbei normale verwendeteAkkordgriffrepertoire beinhaltet Standard-Akkorde nach dem CAGED-System3,Three-Note-Voicings4, Four-Note-Voicings5, und deren aller Umkehrungen 6. DasThree-Note-Spiel ist wahrscheinlich dem damaligen Big-Band-Begleitspielentnommen, bei der sich zum Beispiel durch Freddie Green diese Art derharmonischen Begleitung etablierte. Weitere Einflüsse kommen durch das Folklore-Spiel (normale Grundakkordtypen) und auch durch das gitarrentypische Begleiten imJazz (Four-Note-Spiel) hinzu. An den folgenden zwei Beispielen7 kann man dieseSpielweisen sehr gut erkennen. Zuerst eine Three-Note-Studie über Django

Reinhardts ‘Blues en Mineur’ (Gm-Blues), die mit durchgängigen 4/4-Swing-Rhythmus gespielt werden sollte. ‘Play 2 beats to each chord, exept where indicated’(Jeder Akkord wird zwei Viertel gespielt, wenn nicht anders vermerkt):

3Ein Erklärungsystem von Barré-, sowie erweiterter Akkorde, welches jede Art von Griff auf die fünfGrundgrifftypen der I.Lage auf der Gitarre (C,A,G,E,D) zurückführt.Hier ist vornehmlich die Barréspielweise angesprochen.4Akkordgriffe, welche nur aus drei Tönen bestehen.5Akkordgriffe, welche nur aus vier Tönen bestehen.6siehe auch Harmonie- und Voicingbeispiele in Cruickshank, Ian, The Guitar Stile of Django Reinhardt & theGypsies, London/New York/Sydney, 19897 Cruickshank, Ian, The Guitar Style Of Django Reinhardt & The Gypsies, London/New York/Sydney, 1989,Seite 13/Seite 24

Page 59: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 59/116

57

Die zweite Studie über Django Reinhardts ‘Manoir De Mes Reves’ zeigt dengemischten Einsatz verschiedenster Akkord-Voicings. Hier kann man schonerkennen wie groß das Akkordspektrum der Zigeunermusiker ist. Es handelt sichwieder um einen 4/4-Rhythmus. Die Anzahl der Schläge ist über denAkkordsymbolen durch Striche gekennzeichnet. (T = Daumen):

3.2.3.2. Erweiterte Begleitung

Einblicke in die harmonischen Erweiterungen in der Begleitung lassen sich wiederanhand von Django Reinhartds Begleitarbeit erarbeiten. Bei einer harmonischen

Analyse der bereits angeführten Begleittranskrition von 'Dinah' (siehe Notenanhang)lassen sich wieder sehr gut bestimmte Strukturen erkennen 8.Django Reinhardt interpretiert diese Harmoniestruktur auf seine Art, um mit demQuintett auch klanglich Steigerungen zu erzeugen. Im ersten B-Teil markiert er dieMollwendung durch eine chromatisch absteigende Baßmelodie (Vom Grundton zurgroßen Sexte). Im weiteren wird der Übergang zum nächsten A-Teil (Takt 80-81)durch chromatisch verschobene Akkorde gesteigert. Man findet bei den Übergängenin den nächsten Formteil regelmäßig harmonische Veränderungen, bzw. Effekte, diein Verbindung mit den rhythmischen Strukturen eine extrem gesteigerte Überleitung

8siehe dazu auch "Django Reinhardt: Begleitung und Akkordvokabular" in Schwab, Jürgen, Die Gitarre im Jazz.Zur stilistischen Entwicklung von den Anfängen bis 1960, Regensburg, 1998

Page 60: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 60/116

58

erzeugen. Solche chromatische Akkordrückungen sind auch in den Takten 96-97 und118-119 zu finden. In den Takten 88-89 entdeckt man Quartenschichtungen, die hiereinen Gadd9-Akkord-Klang erzeugen. Diese Art von Quartschichtungen verwendetDjango Reinhardt immer wieder und erreicht mit ihnen interessante Klangstrukturen.Im folgenden kurzen Auszug aus 'Oriental Shuffle' (vom 4.5.1936) erzeugt er durchdas Verschieben des Quartvoicings ständig neue Akkordqualitäten in Bezug auf dieBasisharmonie:

Die schon oben erwähnten chromatischen Akkordrückungen, sowie das Einfügenvon Durchgangs- und Vorhaltsharmonien erkennt man sehr gut an derBegleittranskription von 'Blues' (vom 27.12.1937):

Interessant ist hier die häufige Verwendung eines Three-Note Voicings:

Page 61: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 61/116

59

Dieses Voicing kann sehr verschieden interpretiert werden:- als Dominant-Sept-Akkord mit Quintbaß (z.B. Takt 2 auf Zählzeit 3: C7)- als Moll-Sext-Akkord (z.B. Takt 1 auf Zählzeit 3: Gm6)- als verminderter Dreiklang (z.B. Takt 2 Zählzeit 2: Ab-vermindert)

Ab Takt 13 wechselt Django Reinhardt in einen Shuffle-Rhytmus, der durch die vielenVorhaltakkorde eine Art Walking-Bass-Begleitcharakter erhält.Das Akkordmaterial Django Reinhardts wurde durch seine Greifhand bestimmt, mitwelcher er trotz seiner Behinderung (die Sehnenverkürzung im 3. und 4.Finger seinerlinken Hand) doch sehr flexibel arbeiten konnte. Er war zum Beispiel in der Lageseinen dritten Finger als Barré über die Diskant-Saiten einzusetzen:

Eine andere Technik nutzte er um Akkorde über alle sechs Saiten spielen zu können:Die Benutzung des linken Daumens für das Greifen von Baß-Tönen. Der 4.Fingerkonnte ebenfalls, jedoch nur in Verbindung mit dem 3.Finger und sehr eingeschränkt,genutzt werden.

Zusammenfassend soll hier gezeigt werden, was für die heutige Rhythmusgruppevon all den harmonischen Varianten Django Reinhardts geblieben ist. Hauptsächlich

Page 62: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 62/116

60

wurde das Arbeiten mit Vorhalts- und Durchgangsharmonien, sowie daschromatische Rücken von Akkorden übernommen. Auch die Verwendung desDaumens bei der Akkordgrifftechnik ist in der Zigeuner-Literatur immer wiedervorzufinden9. Bei größeren Besetzungen fungiert eine Rhythmusgitarre manchmalzusätzlich als Solo-Begleitungs-Instrument und verwendet auch das Spiel mit denHarmonien, im Stile Django Reinhardts.Patrick Leguidcoq, genannt Romane, ein Zigeuner-Jazz-Gitarrist, führt in seinenAbhandlungen10 über die harmonische Begleit-Strukturen seiner Stilistikzusammenfassend mehrere Komponenten auf:

Aus dem Jazz adaptierte harmonische Umdeutungen:-Diatonisches Ersetzen: z.B. I (Cmaj7) wird durch die III (Em7) ersetzt-Tritonus-Substitution: z.B. V7 (G7) wird durch die bII7 (Db7) ersetzt

Das Verwenden von Walking-Bass-Lines. Die Auswahl von Voicings unter dem Aspekt der Chord-Melodie, d.h. Voicings mitgleichbleibenden Melodietönen oder das entstehen von diatonischen, bzw.chromatischen Melodieverläufen.

Das Benutzen von 'symetrischen Voicings', d.h. Voicings die in ihremGrundgriffbild gleichbleibend sind:

Die von Romane angeführten Begleitstrukturen sind jedoch eher Jazz verwandt undnicht alle typisch für die Stilistik des traditionellen Zigeuner-Jazz.Abschließend sollen hier noch zwei Varianten der harmonischen Begleitung amBeispiel Django Reinhardts 'Minor Swing' dargestellt werden, zum einen als Basis-Begleitung und zum anderen als erweiterte Begleitung, um die klanglichenErweiterungsmöglichkeiten durch das Anreichern von Durchgangsharmonienaufzuzeigen.11

9siehe Voicingsbeispiele in Leguidcoq, Patrick & Redon, Jean-Marie, Guitare Manouche Méthode de JazzGitan, Paris, 198310siehe auch Romane & Derek Sebastian, Romane Gypsy Jazz Guitar, Paris, 199511 Romane & Sebastian, Derek, Django Reinhardt, Courbevoie, 1997, Seite 15

Page 63: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 63/116

61

Basisbegleitung (Basis Harmonien):

Die verwendeten Voicings:

Erweiterte Begleitung:

Page 64: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 64/116

62

Die verwendeten Voicings:

Page 65: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 65/116

63

3.3. Die Improvisations-Stili stik

Die Improvisationen in dieser Musik verleihen ihr den eigentlichen Charakter. Wie imVorangegangenen erläutert, ist Zigeunerjazz Musik in der Tradition des QdHCDF,bzw. in der Tradition Django Reinhardts. Sein Improvisationsstil bildet die Basis fürden traditionellen Zigeunerjazz. Man muß bemerken, daß Django Reinhardt keinLick-Spieler war, sondern ein ungehemmt kreativer Spieler, der sich seltenwiederholte. Es ist trotzdem möglich bestimmte Grundprinzipien (Harmonik, Melodie-und Tonbildung, sowie rhythmische Strukturen) in seinem Spiel zu entdecken, dieauch wieder diesen typischen Klang erzeugen. Im Folgenden soll nun dieser Stilanalysiert, und abschließend zusammenfassend dem Spiel der heutigen Zigeuner-Jazz-Gitarristen gegenübergestellt werden.

3.3.1. Django Reinhardts Improvisations-Stilistik

Anhand von Solo-Transkriptionen aus verschiedenen Zeitperioden sollen nun diewichtigsten Merkmale im Spiel Django Reinhardts aufgezeigt werden. Es zeigt sichdie Notwendigkeit das komplette Spektrum seiner Stilistik zu betrachten, da es sichum einen stetigen Entwicklungsprozeß vom Zigeuner- zum Jazz-Gitarristen handelt.Der hauptsächlich für den heutigen Zigeuner-Jazz relevante Zeitbereich erstreckt

sich von 1934 bis 1947. Die späteren Jahre zeigen, bis auf Ausnahmen (z.B. dieAufnahmesessions mit Stéphane Grapelly in Rom Januar und Februar 1949), einestarke Beeinflussung des Be-Bop und werden aus der Betrachtungherausgenommen. Es soll hier mit einer harmonischen Betrachtung begonnenwerden. Die charakteristischen Merkmale der Tonbildung werden später erläutert, dasie sich nicht unbedingt einer Entwicklung unterzogen haben und somit alsGesamtes behandelt werden können.Die Betrachtung beginnt mit der Transkription von 'Dinah' aus der erstenAufnahmesession des Quintetts im Dezember 1934 1 (siehe Notenanhang). Erstesaugenfälliges Merkmal ist das im Vordergrund Stehen des Solisten DjangoReinhardt, der mit einem unbegleiteten Intro beginnt und sogleich mit einem Solo vonzwei Chorussen fortfährt, in denen das eigentliche Thema nur kurz in stark variierterForm während des zweiten A-Teiles zitiert wird. Man kann einen Unterschiedzwischen den beiden Chorussen erkennen. Während der erste eher linear, bzw.melodisch (Achtel- und Viertel-Triolen-Phrasen) angelegt scheint, steigert sich derzweite Chorus in ein effektbetontes Spiel (schnelle Achteltriolen- und Sechzehntel-

1vgl. "Django Reinhardt: Solostil" in Schwab, Jürgen, Die Gitarre im Jazz. Zur stilistischen Entwicklung vonden Anfängen bis 1960, Regensburg, 1998vgl. Ayeroff, Stan, Jazz Masters Django Reinhardt, New York/London/Sydney, 1978

Page 66: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 66/116

64

Läufe, Oktaven, Akkorde). Der tonale Bereich, der von Django Reinhardt verwendetwird, basiert vornehmlich in den A-Teilen auf der G-Dur-Tonalität des Stückes und inden B-Teilen auf E-harmonisch-, bzw. melodisch- Moll. Angereichert wird diesesMaterial durch einen kurzen G-Dur-Pentatonik-Lauf mit der #9 als Erweiterung in denTakten 46-48. Weiterhin kann man die Verwendung der #11 in den Takten 6 und 30(gesehen als Antizipation von G-Dur: cis = #11) feststellen, das man auf dieZigeunertonleiter in Moll2 zurückführen könnte. Ein anderer harmonischer Aspektstellt das Hervorheben von Akkorderweiterungstönen dar: Tonika G: 6 und 9 (Takt33-34, 43-44, 63), Dominante D: 9 (44-45, D7/9-Arpeggios) und Em: 9 (B-Teile). Einanderes Merkmal in Django Reinhardts Spiel ist das Antizipieren von Akkorden, wiez.B. das in Takt 36 beginnende D9-Arpeggio oder das in Takt 6 beginnende G-Arpeggio. Die Melodiebildungen entstehen im ersten Chorus durch die Verwendung

einer Vielzahl von Arpeggien, was auf ein stark Akkord bezogenes Spiel hinweist.Dies könnte seinen Ursprung in den sehr arpeggierten Vals-Musettes haben, dieDjango Reinhardt in seiner Zeit als Begleitgitarrist kennenlernte. Es sind dreidominierende Arpeggien, die den Hauptharmonien des Stücks, Em, G und D,entsprechen und über ein bis zwei Oktaven vorgestellt werden. Interessant ist derharmonische Einsatz dieser Klänge. In Takt 3-4 wird ein Em-Arpeggio über Ggespielt, wodurch klanglich ein G6-Klang entsteht. In Takt 18 wird das Em Arpeggiosogar um die große Sept erweitert und bestätigt die Mollwendung des B-Teiles. Das

D-Arpeggio der Dominante wird durchweg mit der None erweitert (Takt 5, 23-24, 30und 36-37). Der zweite Chorus dagegen beinhaltet eher auf Effekt orientiertemelodische Wendungen, beginnend in Takt 33 mit einer von Stan Ayeroffbezeichneten 'Surrounding Note Figure', bei der der Grundton G diatonisch umspieltwird. Die Virtuosität Reinhardts markieren schnelle Achteltriolenläufe wie in Takt 57-61 oder chromatische Läufe wie in Takt 38-43. Weiterhin entdeckt man zwei Effekte,welche typisch für sein Spiel sind. Zum Einen den Einsatz von Oktaven, die hier eherdurch die Polyrhythmik als Effekt hervortreten (Takt 49-56), und zum Anderen dasVerwenden des Leersaitenunisno 3 (Takt 44-46), das wieder durch die rhythmischeAkzentuierung einen besonderen Charakter erhält. Diese beiden Techniken wurdensehr wahrscheinlich von Django Reinhardt erstmalig auf der Gitarre verwendet. DenÜbergang in die Begleitung kennzeichnet das Einsetzen von Akkorden (Takt 61-64).

2"Zigeunertonleiter: In Teilen Mittel- und Südeuropas in der Volksmusik verbreitete siebenstufige Leiter; sie istdurch zwei übermäßige Sekundschritte und Gleichheit der jeweils zweiten Viertongruppe in der Dur- undMollform gekennzeichnet: " Dur: "c des e f / g as h c1" Moll: " c d es fis / g as h c1 ; ..." Kwiatkowski, Gerhard(Hrsg.), Schülerduden Die Musik, Mannheim/Wien/Zürich, 1989, Seite 4383Leersaitenunisono: Das Erzeugen einer klingenden Prime, durch Verwendung einer Leersaite; d.h. ein mit derLeersaite identischer Ton wird auf einer anderen Saite gegriffen und gleichzeitig mit dieser angeschlagen: z.B.der Leersaitenton e1 wird durch das Greifen im fünften Bund der h-Saite gedoppelt.

Page 67: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 67/116

65

Weiterführend folgt eine kurze Analyse der Chorusse über 'Shine', vom 4.5.1936 4 (siehe Notenanhang). Auch hier ist das Solo durch Arpeggien gekennzeichnet, diesich allerdings in harmonischer Sicht erweitert haben. Zusätzlich zu dem bisherigentonalen Bereich ergänzen chromatische Ideen das Spiel. Neben chromatischenLäufen (Takt 53-54) zeigt der Einsatz von kurzen chromatischen Einwürfen dieEntwicklung Django Reinhardts auf. Auf diese Weise werden den Dominant-9Arpeggien (Sowohl als Dominant, als auch Zwischendominant Funktion)Durchgangsläufe vom Grundton zur kleinen Septe (Takte 11, 43), von der Terz zurNone (Takt 15) oder von der Terz zum Grundton hinzugefügt (Takt 20-21). Die Moll-Arpeggien werden durch die 9 (Takt 44) und einmal um die 11 (Takt 12) erweitert.Ein anderer Aspekt bilden 'approach-note'-Figuren 5, die neu auftauchen. DieUmspielung von Zieltönen erweist sich als neues stilistisches Mittel. So verwendet

Django Reinhardt zum Einen 'indirect chromatic approach'-Figuren, bei denen derZielton chromatisch umspielt wird, (z.B. Takt 5: eb-f-e oder Takt 18-19: bb-g#-a), undzum Anderen 'indirect approach'-Figuren, bei denen diatonisch umspielt wird (z.B.Takt 23-24: g#-b-a). Andere 'approach-note'-Figuren führen zu komplexenharmonischen Strukturen des Solos. In Takt 26 wird die Quartschichtung b und eüber F-Dur als 'chromatic-approach' zu den Akkordtönen f und c verwendet, d.h. e(große Sept) zu f (Grundton) und b (#11) zu c (Quinte). Solche Quartenschichtungenwerden von Django Reinhardt auch als Melodie-Effekt eingesetzt. Diese Quarten

bilden je nach Grundakkord verschiedene Erweiterungen (Takt 1-3, Takt 29-33). Dielang angelegten chromatischen Akkordrückungen in Takt 7-10 und Takt 16-18 bildeneine besondere Art der 'chromatic-approach'-Figuren. Hinter der Figur in Takt 7-10versteckt sich eine Dominant-Kette, die durch verminderte Akkorde, umgedeutet zuunvollständigen Dominantseptakkorden, verschlüsselt wird: C0 = D7b9 - B0 = G7 -Am - G#0 = E7. Die Aufwärtsrückung in Takt 16-18 bildet durch die jeweiligenAkkordzieltöne die 'approach'-Figur: g-g#-a zu bb als b7 von C-Dur. Bei beidenFiguren findet sich auch die polyrhythmische Überlagerung von 3/4-Takt über 4/4-Takt wieder. Interessant sind bei der zweiten Figur die sehr virtuos ausgeführtenAkkordbrechungen, die wahrscheinlich durch Verwendung von 'sweep-picking'6 derrechten Hand erreicht wurden. Es finden sich auch Oktaven wieder, die durch diesynkopierte Rhythmik hervortreten (Takt 35-42, 57-64). Ein weiterer Effekt ist das

4vgl. Awosusi, Anita (Hrsg.), Die Musik der Sinti und Roma Band 2. Der Sinti Jazz, Heidelberg, 1997vgl. Ayeroff, Stan, Jazz Masters Django Reinhardt, New York/London/Sydney, 19785 ‘approach-note’-Figuren: (approach = näherkommen, sich nähern, herangehen an) Ein Zielton wird entwederdiatonisch oder chromatisch von einer tieferen oder höheren Note aus angespielt, z.B. Zielton g wird von f(diatonisch) oder f# (chromatisch) aus angespielt. Es werden teilweise auch längere Phrasen als ‘approach-noteFiguren eingesetzt, z.B. von e über f und f# zu g (langangelegte chromatische ‘approach-note’-Figur.6‘sweep-picking’: Die Anschlagsbewegung wird im Sinne eines Akkordanschlages erweitert, wobei dasPlektrum in einer im Tempo genau kontrollierten Bewegung in Richtung des Anschlages (abwärts oderaufwärts) von Saite zu Saite geführt wird und so die Saiten zum Schwingen bringt.

Page 68: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 68/116

66

Tremolo7, das hier in zwei Varianten eingesetzt wurde: als 'chromatic Glisando': einerVerbindung von Tremolo und Glissando (Takt 13-14), und als 'Unisono-Tremolo'(Takt 45-48): das oben beschriebene Leersaitenunisono wird tremoliert.Die Weiterentwicklung Django Reinhardts Stilistik sieht man anhand von 'I'll See Youin My Dreams'8 vom 30.06.1939 (siehe Notenanhang). Es zeigt sich immer mehr dasZurücknehmen virtuoser Effekte zugunsten größerer melodischer Kontinuität. Dasharmonische Material ist stark erweitert worden. Spannungstöne werden bewußtangespielt und hervorgehoben (z.B. Takt 60-63: maj7). Die Tonika- undSubdominantakkorde werden solistisch mit der 6, 9 und maj7 erweitert, und gezieltangespielt, was zu einer Vernachlässigung der Dreiklangstöne führt. In Takt 28 wirdz.B. der Grundton f weggelassen, woraus sich ein Am11-Arpeggio über F ergibt(=Fmaj7/6). In Takt 40-42 werden über den Bb-Dur-, bzw. Bb-Moll-Akkorden, 6/9-

Arpeggien ohne Quinte verwendet, woraus sich allerdings wieder die schonbekannten Quartschichtungen ergeben. Eine andere typische Arpeggienwendungfindet sich z.B. in den Takten 55-59 und 119-22 wieder: Maj7-Arpeggien werden vonder maj7 beginnend gespielt. Die Dominanten werden mehr mit Alterationen undErweiterungen versehen: b9 (z.B. Takt 63), 9 (z.B. Takt 51), #9 (z.B. Takt 37), 13(z.B. Takt 117) und b13 (z.B. Takt 53). Die Verwendung der #9 in Verbindung mit der6 als Tritonus über F-Dur in den Takten 37-38 und 69-70 (hier Erweitert zu einem D0-Dreiklang) kann man wieder auf die erweiterte Dur-Pentatonik, bzw. Blues-Melodik,

zurückführen, die durch das ces in den Takten 71-74 als b9 über Bb-Dur, bzw. -Moll(oder b5 über F-Dur), weitergeführt wird. Neben den harmonischen Veränderungensteht die rhythmische Fixierung auf Achtel-Bewegungen, die nur selten durchbrochenwerden. Neben langen Achtelketten zeigen sich eine Vielzahl von polyrhythmischenIdeen, die die Improvisation abwechslungsreich gestalten. Vorherrschend ist die 3/4-Takt über 4/4-Takt Überlagerung (z.B. Takt 40-42 oder 55-58). Es finden sich aberauch punktierte Viertel über Viertel-Figuren (Takt 117-18). Eine andere rhythmischeÜberlagerung bilden Viertel-Triolen, die in Takt 104-6 sogar eine, durch die Melodikerzeugte, Halbe-Triolen-Bewegung hervorruft. Die melodischen Aspekte stellen,neben der Arpeggienmelodik, die Verwendung von Motivwiederholungen und derenVariationen (z.B. Takt 39-42 oder 55-58), sowie Sequenzbildungen (z.B. Takt 123-26) dar. Auch Intervallsprünge wie Sexten und Septen werden zur Melodiebildungeingesetzt. Alle diese Komponenten, erweiterte Harmonik, polyrhythmischeStrukturen, lange Achtel-Ketten-Melodien, sowie motivisches Arbeiten zeigen dengereifteren Stil Django Reinhardts, der sich immer weiter vom folkloristischen Spielentfernt.

7Erklärung des Tremolos siehe .2.5. 'Solo-Begleitung/Rythm-Fills'8vgl. "Django Reinhardt: Solostil" in Schwab, Jürgen, Die Gitarre im Jazz. Zur stilistischen Entwicklung vonden Anfängen bis 1960, Regensburg, 1998

Page 69: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 69/116

67

Als letzte Transkription dient die Aufnahme von 'Les Yeux Noirs' vom 29.08.1947(siehe Notenanhang), die den gereiften Swing-Stil Django Reinhardts repräsentiert.Wie schon im Vorangegangenen beschrieben, spielt Django Reinhardt ab 1947 biszu seinem Tode immer mehr Bebop beeinflußt. Deshalb soll eine Aufnahme von1947 den Abschluß dieser Betrachtung markieren. Es finden sich viele der schongenannten Merkmale wieder, die jedoch sehr kultiviert wurden und einen sehrlinearen melodischen Charakter erkennen lassen. Harmonisch gesehen bedient sichDjango Reinhardt einer Vielzahl von Möglichkeiten. Die Moll-Tonalität wird durchharmonisch-, als auch natürlich-Moll-Tonleitern bestätigt (z.B. Takt 36-37 oder 43-44). Die Dominanten werden harmonisch zu ganzverminderten Akkorden alsunvollständige Dominant-Sept-Akkorde (A7/b9 ohne Grundton) umgedeutet und mitverminderten Arpeggien umspielt (Takt 33-34, 37-38). Insbesondere erhält dadurch

die b9 eine große Rolle und wird als Erweiterung emanzipiert. Auch ist dieBehandlung der Subdominant- Parallelen Bb interessant. Sie wird um die 6 und die 9erweitert (Takt 56), aber auch in Takt 39-40 mit der #11 versehen, was entwedereine Vorwegnahme der Tonika in Form von einer D-Moll-Tonleiter darstellt, aber wasman ebenso wieder auf die schon erwähnte Zigeunertonleiter zurückführen kann. Alszusätzliches harmonisches Mittel sind auch wieder chromatische Figurenvorzufinden: entweder als reine chromatische Tonleiter (Takt 51-3) oder als'chromatic-approach' (Takt 35). Auch diatonische 'approach'-Figuren sind wieder

vertreten (Takt 67-68). Neben den Tonleiter gebundenen Melodieverläufen stehtauch wieder die Arpeggienmelodik. Die Moll-Arpeggien sind hauptsächlich durch die9 erweitert (Takt 59-60, 155-6), wogegen die Dominanten durch die Erweiterung derb9 zu verminderten Arpeggios umgewandelt werden. Eine interessante Verwendungdieser verminderten Läufe findet sich in Takt 97-105 wieder: ein vermindertesDreiklangs-Voicing wird als Arpeggio sequenziert und verleiht durch dessen Zieltöne(jeweils auf der 1 und 3) den Grundharmonien einen zusätzlich erweiterten Charakter(A7 wird zu A7/b9, Dm wird zu Dm6 und Bb wird zu Bbmaj7/9/11, wobei die 11 alsVorhalt zu 3 zu sehen ist). Wie auch bei diesem Beispiel ist die Melodiebildung durchlang angelegte Achtelketten gekennzeichnet, die erst gegen Ende der Improvisationdurch rhythmisch akzentuierte Oktaven durchbrochen werden, was wieder zu einemEffekt betontem Spiel führt: nach einer Leersaitenunisono-Stelle (Takt 139-42) folgenAkkordeinwürfe, die zum einen durch den Einsatz von Tremolo (Takt 143-6, 149-50),und zum Anderen durch eine polyrhythmische Figur (3/4 gegen 4/4) (Takt 147-7,151-2) gekennzeichnet sind. Die viel benannten polyrhythmischen Ideen sind auch inTakt 81-88 wiederzufinden (punktierte Viertel gegen Viertel). Hier handelt es sichzusätzlich wieder um eine sequenzierte Figur, die durch ihre chromatischenDurchgangstöne in harmonischer Sicht wieder schon Bekanntes aufweist:chromatische Durchgänge z.B. Takt 81-2, 85-8 vom Grundton zur kleinen Sept und

Page 70: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 70/116

68

Takt 83-4 von der b6 zur #11. In diesem Solo finden sich nahezu alle typischenMerkmale Django Reinhardts wieder und zeigen den gereiften Musiker.Es folgen, anhand von Auszügen aus Improvisationen, einige charakteristischeMerkmale, die zusätzlich einen Teil seiner Stilistik markieren. Neben Einzeltonlinien,Oktaven und Akkordpassagen bilden Doppelgriffe in Form nahezu aller Intervalleebenso ein Bereich in Django Reinhardts Spiel. Das folgende Beispiel (Anfang desersten B-Teiles von 'Body and Soul' vom 22.04.1937) zeigt die Möglichkeit derMelodiebildung mit Hilfe von Doppelgriffen in Form absteigender Sexten, diesequenzartig angelegt sind.

Eine andere Einsatzmöglichkeit von Doppelgriffen finden sich in den Chorussen über'Clouds' (Juli 1935) und 'Blues Clair' (26.02.1943). Ein Ton bleibt jeweils liegen undwird durch Doppelgriffe mit einer Gegenstimme versehen.

Page 71: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 71/116

69

Auch hier, wie ebenfalls im folgenden Beispiel, ist wieder die typischeAkzentüberlagerung zu entdecken. Als eine andere Technik setzt Django Reinhardtoft Leersaiten ein und erzielt so interessante Melodiewendungen. In 'Swing 42'(11.09.1941) findet man im letzten A-Teil des Gitarren-Chorus ein typische Wendungdieser Art.

In manchen Fällen, wie auch bei 'I'se a-Muggin' (4.05.1936), bedient er sich der

Ganztonleiter.

Ein weiterer Bereich im Improvisationsstil Django Reinhardts stellen die Artikulationund die Tonbildung dar. "Der lebendige Klangeindruck, den Django Reinhardt durch

vielfältige Artikulationsweisen und Dynamik erzielt, ist mit dem von Bläsern zuvergleichen. Manche Töne scheinen geradezu ein Eigenleben zu besitzen." 9 Nebenseinen rhythmisch leicht vor den Schlag klingenden Solophrasen, bilden auch 'off-beat' Akzente einen sehr vorantreibenden Charakter. Die dynamischen Möglichkeitenwerden von ihm komplett ausgeschöpft und zeigen eine Spannweite von kaumhörbaren bis hin zu sehr stark akzentuierten Tönen. Neben stakkatierten Tönen,werden lang klingende Töne oft mit einem sehr starkem Vibrato10 versehen, was zueinem lebendigen Höreindruck führt. Andere Varianten der Tonbildung stellen Auf-und Abwärtsglissandi, sowie 'slides' von Note zu Note (von höheren und tieferenTönen in den Ton, sowie aus dem Ton) dar. Verzierungen finden sich häufig in Formvon Trillern, welche meist in Achteltriolen ausgeführt werden. Ein weiterer Bereichder Artikulation sind 'bendings', die von Django Reinhardt in verschiedenster Artgenutzt werden: 'half-step-bending' (Töne werden mittels 'bending' von einem halbtontiefer liegenden Ton angesteuert), 'final bend' (von Jürgen Schwab bezeichnetes'bending', bei dem eine Note gegen Ende des Klanges nach oben gezogen wird).Zusätzlich nutzt er das Potential des Saitenziehens in 'bend-' und 'release’-Phrasen.

9 "Django Reinhardt: Solostil" in Schwab, Jürgen, Die Gitarre im Jazz. Zur stilistischen Entwicklung von denAnfängen bis 1960, Regensburg 1998, Seite 6610Es ist dem Autor nicht möglich nachzuvollziehen welche spieltechnischen Methoden von Django Reinhardtfür das Vibrato verwendet wurden.

Page 72: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 72/116

70

Bei großen Notenwerten werden diese Phrasen sogar soweit ausgespielt, daß dereigentliche Zielton nur kurzzeitig erreicht wird. Eine andere Art der Tonbildung wirddurch die Verwendung von Flageoletts erzeugt. Es werden natürliche und auchkünstliche Flageoletts eingesetzt, um die Klangfarben der Gitarre auszunutzen. DieBeherrschung des künstlichen Flageoletts zeigt Django Reinhardt bei demChoruseinstieg über 'Nuages' vom 13.12.1940:

Natürliche Flageoletts werden meist als Phrasenende eingesetzt, was man anhanddes gleichen Chorus sehen kann:

3.3.1.1. Zusammenfassung

Nachdem im Vorausgegangenen die stilistischen Elemente in Django ReinhardtsSpiel erarbeitet wurden, sollen nun zusammenfassend die charakteristischenMerkmale aufgelistet werden. In der Literatur über Django Reinhardt finden sichhauptsächlich drei Analysen, die trotz verschiedenster Herangehensweisen im

Ergebnis nahezu übereinstimmend sind. 11 Die aktuellste von ihnen ist die von JürgenSchwab, deren Zusammenfassung am treffensten ist und hier nun übernommen wird:"- 'Lebendige' Artikulation: Stakkato, Vibrato,slides in den Ton von oben und untenund aus dem Ton nach oben und unten ( fall offs und doits ), Hineingleiten in den Tonvom Halbton darunter, final bend , Halbton-bendings mit langer bend- und release -Phase, differenzierte Dynamik.

11vgl. Lambert, Dan "Django's Blues" in Schmitz, Alexander, Jazzgitarristen, Schaftlach, 1992, Seite 85-86vgl. Ayeroff, Stan, Jazz Masters Django Reinhardt, New York/London/Sydney, 1978vgl. Schwab, Jürgen, Django Reinhardt. Genialer Virtuose, in Schwab, Jürgen, Die Gitarre im Jazz. Zurstilistischen Entwicklung von den Anfängen bis 1960, Regensburg, 1998, Seite 61-99, 274-76

Page 73: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 73/116

71

- Phrasierung: Tendenz zu langen Achtelnotenketten, Formgrenzen werden abermeistens eingehalten.- Melodiebildung vor allem aus Arpeggien. Tendenz zu sequenzierender Behandlungin der reifen Stilphase. Daneben Tonleitern: Dur- (auch mit Durchgangstönen) undMelodisch- und Harmonisch-Moll-Tonleitern, Ganztonleitern und vergleichsweiseselten erweiterte Durpentatonik.- Verschiedene Behandlungen von Arpeggien: vorgezogene und verzögerteAkkordwechsel, sweep picking , chromatische Rückungen (auf- und abwärts),Dominantseptnonarpeggien mit chromatischen Durchgängen (1, maj7, b7 und 3, b3,9) über Dominanten und Zwischendominanten, sowie Akkordüberlagerungen: VImüber I, IIIm über I, VI0 und VI07 als Bluesmaterial über Dominantregion.- Intervallgehalt: bedingt durch Arpeggienmelodik viele Terzen; daneben aber auch

Quartenschichtungen und Melodiebildung mit großen Intervallen (Sexten, Septen).- Rhythmik: Akzentüberlagerung (Viertel gegen punktierte Viertel) und Polymetrik (3/4gegen 4/4) häufig und meist in Kombination mit Sequenzierung oder einer der untenaufgeführten technischen Neuheiten. Unregelmäßige Akzentsetzungen (z.B. vorallem auf den hohen Tönen der Arpeggios).- Großer Tonumfang mit Bevorzugung hoher Lagen.- Akkordeinwürfe in Einzeltonlinien.

Neue Techniken und virtuose Effekte:

- Oktaven: meistens in wiederholungsreicher, stark synkopierter Melodik vongeringem Ambitus; mit den Blue Notes #9 und b7; als besonderer Effekt und zurAbwechslung in Einzeltonlinien interpoliert.- False-fingering -Effekt: mit Unisono auf zwei benachbarten Saiten ausgeführt (meistin Kombination mit Akzentüberlagerung).- Tremoli: in Verbindung mit Glissandi (als schnelle chromatische Läufe) oder mitUnisono auf zwei benachbarten Saiten.- Sweep picking für schnellste Arpeggien.- Leersaite als Pedal abwechselnd mit gegriffenen Tönen.- Doppelgriffe: in Terzen, Quarten und mit einer beweglichen Stimme.- künstliche Flageoletts.“12

Neben dieser Darstellung, die alle Elemente in Django Reinhardts Spiel trotz dervollzogenen Entwicklungen darstellt, wird in dem Aufsatz ‘DJANGO ET L’ECOLETSIGANE DU JAZZ’13 darauf hingewiesen, was in seiner Stilistik als gleichbleibend

12 Schwab, Jürgen, Django Reinhardt. Genialer Virtuose, in Schwab, Jürgen, Die Gitarre im Jazz. Zurstilistischen Entwicklung von den Anfängen bis 1960, Regensburg, 1998, Seite 84-8513 Jalard, Michel-Claude, Django et l’école tsigane du Jazz, in Les Cahiers du Jazz, #1 (1959), Seite 59

Page 74: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 74/116

72

angesehen werden kann: „dans le ‘Sweet chorus’ et le ‘In the still of the night’ de1936 comme dans le ‘Confession’ et le ‘Manoir de mes rêves’ de 1953 on retrouve lemême type de vibrato, le même genre d’arabesque, les mêmes inflexionsexpressives, la même qualité de sensibilité.“ Dies bedeutet, daß trotz einerspieltechnischen Entwicklung ein gleichbleibender musikalischer Ausdruckvorherrschend ist, den Alexander Schmitz in seinem Aufsatz ‘Stilprägende Elementein der Musik von Django Reinhardt’14 auf die Person Django Reinhardts als eigentlichstilbildendes Element zurückführt: „Stilbildend für Reinhardt selbst waren, so läßt sichherauskristallisieren, wenn man von der heutigen Gitarristik aus zurückschaut,eigentlich zwei ‘handicaps’, nämlich zum einen das echte, also das physische seinerGreifhand, und zum anderen das, das nicht unbedingt eines ist, nämlich das völligeFehlen und die leidenschaftliche Verweigerung einer auch nur ansatzweise formalen

Ausbildung, akademischen Basis oder sogar allgemeiner Disziplin. So erweist sichalso für ihn das theoretische Defizit als gerade die Voraussetzung zu genau jenerFreiheit und Unbefangenheit, die es ihm ermöglicht, gitarristisches Neuland zuerspielen, die eigene Kreativität und damit das gesamte Potential seiner Individualitätsozusagen im unbearbeiteten, naturgegebenen Urzustand zu belassen. Er selbst warseine Basis.“ Mit anderen Worten blieb Django immer er selbst, wodurch er einenunverkennbaren Ausdruck erzielte und trotz aller Entwicklungen seineAusdrucksmittel beibehielt.

Man kann auch anhand der Analyse verschiedene Einflüsse festmachen, diestilbildend waren, bzw. auf die Musik Django Reinhardts mit einwirkten. So kann mandie Verwendung der Quartenschichtungen auf die Musik der Impressionistenzurückführen; die Verwendung von künstlichen Flageoletts und des Tremolos alsEinfluß aus dem Flamenco werten; das arpeggierte, bzw. akkordgebundene Spielden Bals Musettes zuordnen und das effektbetonte und virtuose Spiel als Adaptionvon den folkloristischen Zigeunermusikern sehen.

14 Schmitz, Alexander, Stilprägende Elemente in der Musik von Django Reinhardt, in Awosusi, Anita (Hrsg.),Die Musik der Sinti und Roma. Band 2: Der Sinti Jazz, Heidelberg 1997, Seite 38

Page 75: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 75/116

73

3.3.2. Die Improvisations-Stilistik des Zigeunerjazz

Nach der stilistischen Analyse Django Reinhardts muß nun erarbeitet werden, in wieweit man die stilistischen Elemente in seinem Spiel allgemein übertragen kann. SeinEinfluß auf die heutigen Zigeuner-Jazz-Gitarristen (vornehmlich Zigeuner-Musiker)läßt sich nicht von der Hand weisen und ergibt sich schon allein aus densoziologischen Zusammenhängen der Zigeuner: "Traditionspflege wird bei den Romgroßgeschrieben. Die hohe Musikalität unter ihnen erklärt sich nicht zuletzt auchdurch die jahrhundertalte Tradition des Musikerberufes, der oft über Generationenhinweg weiter vermittelt wird. Die Lebendigkeit der musikalischen Tradition imalltäglichen Leben der Rom, die schon im frühen Kindesalter erfolgendeBegegnungen mit Instrument und Musik durch den selbst musizierenden Vater, ist

regelmäßig der Grundstein, mit dem brilliante technische Fertigkeit und nicht seltenauch musikkreatives Potential fortgesetzt wird."1 Es wird somit das musikalische Erbean die nächsten Generationen weitergegeben. Für den Zigeunerjazz bedeutet dies,daß die jungen Gitarristen von der Familie lernen und somit in die Stilistik hineinwachsen. Der Personalstil Django Reinhardts stellt für sie eine musikalische Wurzeldar und wird traditionell weitergegeben. Man kann dies sehr gut am Beispiel vonStochelo Rosenberg (The Rosenberg Trio) erkennen, der auf seinen frühenAufnahmen neben eigenen Chorussen Django Reinhardt Chorusse Note für Note

übernimmt. Eine Erklärung zeigt seine musikalische Entwicklung: "When I first methim he was 7 years of age and showed no special interest in music, until one day, atage 10, he saw one of his cousins play the guitar. This boy teached Stochelo 2 or 3chords. From that moment on he rapidly grew into an astonishing soloist, first copyingDjango by listening to his records, (what better teacher could a young gipsy-boy askfor) later developing steadly his own style, which is still evolving."2 Er selbst äußertsich hierzu: "Am Anfang spielte ich nur Django Reinhardt und seine Stücke. Ichkopierte auch seine Solos exakt. Im Laufe der Jahre habe ich doch mehr meineneigenen Stil gesucht und auch gefunden." Weiterhin führt er über die musikalischenTraditionen, bezugnehmend auf das erste Album des Rosenberg Trio, aus: "Geradein dieser Zeit war ich sehr von Django Reinhardt beeinflußt und dies war eineTradition in der Zigeunergemeinde. Wenn man die Stücke original, auch Solos,spielte von Django Reinhardt, dann war das wow, das ist super. Im Laufe der Jahrebin ich davon abgewichen."3 Hieran läßt sich erkennen, daß die musikalischeErziehung der Zigeuner-Jazz-Gitarristen traditionell eng mit Django Reinhardtverbunden ist und somit die Basis für diese Stilistik bildet. Im Folgenden soll nun

1Litterst, Gerhardt, Musik der Sinti (I), in Jazz Podium, 30/12 (Dezember 1981), Seite 32Meelen, Hans, Stochelo Rosenberg in Covertext zu The Rosenberg Trio, Seresta, Hot Club Records VintageGuitar Series Volume 8 (HCRCD 59), Oslo, c & p 1989 by Hot Club Records3Holl, Ernst Wilhelm, Interview mit dem Rosenberg Trio, Dresden, 04.05.1998

Page 76: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 76/116

74

untersucht werden in wie weit der Personal-Stil Django Reinhardts von dentraditionell orientierten Zigeunermusikern beibehalten oder auch verändert wurde undder heute als Zigeuner-Jazz bezeichneten Stilistik gleicht.

3.3.2.1 Stilistische Analyse

Es gibt leider nur wenige ‘Schulwerke’, die diese Stilistik beleuchten. In der Gitarren-Schule ‘Guitare Manouche méthode de jazz gitan’, von Patrick Leguidcoq, wirdversucht eine Darstellung des ‘Gipsy Swing’ zu geben. Es werden stiltypische ‘Licks’,aber im zweiten Teil auch Chorusse von dem Autor, als Studienmaterial angeführt.Bezeichnend für den Einfluß Django Reinhardts finden sich ebenfalls zweiSolotranskriptionen aus seinem Werk wieder. Da es sich hier um eine offizielle

Ausgabe über die Stilistik des Zigeuner-Jazz handelt, wird nun einer der Chorussedes Autors über ‘Some of these Days’ (siehe Notenanhang) zur Analyseherangezogen. Das verwendete harmonische Material besteht vornehmlich ausharmonisch-Moll-Tonleitern und Arpeggien. Schon der Choruseinstieg beginnt miteinem, von einer ‘chromatic approach Figur’ eingeleiteten, E-harmonisch-Moll-Lauf(Takt 2-3), der in einem Em9-Arpeggio endet (Takt 4-5). Über die Mollakkorde wirdaußerdem die Sexte angespielt (Takt 8,12 und 25). Die Major-Arpeggien werden hiermit der Sexte (Takt 20-21 und 28) und der None (Takt 28) angereichert. Der E7-

Akkord in Takt 10-11 wird zu einem verminderten-Lauf, als unvollständigerDominantseptakkord, umgedeutet. Zusätzlich werden die Dominanten durch dieNone, bzw. die kleine None, erweitert. Die Behandlung der Dominanten beinhaltetebenfalls chromatische Durchgänge: 1, maj7, b7 (Takt 14); 9, b9, 1 (Takt 18) und 7,6, b6, 5 (Takt 22) abwärts, sowie aufwärts. Ebenso kommen ‘approach’-Figuren alsVorhalts-Melodik in allen Varianten zum Einsatz: ‘chromatic-approach’, ‘indirect-chromatic-approach’ und ‘indirect-approach’. Auch die verminderte Akkordrückung inTakt 26 bis 27 wird direkt durch eine verminderte Arpeggio-Sequenz angespielt. DieRhythmik ist durch lange Achtelketten, angereichert mit Achteltriolen-Trillern,bestimmt. Eine kurze polyrhythmische Figur (punktierte Viertel über Viertel) findetsich in Takt 16. Die Melodiebildung ergibt sich aus der Arpeggien-Melodik inVerbindung mit den ‘approach’-Strukturen, sowie diatonischen Elementen(harmonisch-Moll-Tonleitern, bzw. diatonische Durchgangstöne). Zusätzlichentstehen Intervallsprünge durch die Verwendung der Akkordsequenz in Takt 26-29.Auch Sexten (Takt 11-12) und Septimen (Takt 15, 17, 23 und 30) werden melodischeingesetzt. Die Phrasen beginnen meistens mit einem Auftakt und bilden melodisch,als auch rhythmisch, ein viertaktiges Formschema, das im Chorus nichtdurchbrochen wird. Die Artikulation ist durch eine Tonbildung basierend aufdurchgängige Wechselschläge gekennzeichnet. Es werden lang gehaltene Noten

Page 77: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 77/116

75

entweder mit einem starken Vibrato (z.B. Takt 5 oder 8) versehen, oder durch ein‘half-step-bending’ (Takt 15 und 17) angespielt.Dieser Chorus stellt also eine Lehr-Darstellung dar. Interessant sind nun Chorussevon professionellen Zigeuner-Jazz-Gitarristen. Es soll nun anhand vonverschiedenen Chorus-Auszügen des schon angeführten ‘Les Yeux Noirs’ untersuchtwerden, wie mit durch Django Reinhardt vorgegebenen Stücken spielerischumgegangen wird. Die Einspielung von Stochelo Rosenberg zeigt die kompletteÜbernahme der von Django Reinhardt eingespielten Chorusse, die durch zweieigene ergänzt werden. Diese sollen hier jedoch nicht weiter beleuchtet werden, daim Folgenden noch eine Chorus-Analyse von Stochelo Rosenberg angeführt wird.Eine andere Aufnahme findet sich auf dem Album ‘Gipsy Swing’ von Patrick Lacroix(1994, IMP 917). Hier sollen nun die ersten zwei Chorusse analysiert werden.

Der erste Chorus entwickelt sich aus dem Thema heraus und verwendet vornehmlichMaterial aus der D-harmonisch-Moll-Tonleiter, das meist sequenzartig und diatonischeingesetzt ist. Im sechsten Takt findet sich eine ‘chromatic-approach’-Figur, die hierden eigentlichen Choruseinstieg markiert. Es sind wieder sehr lange Achtelketten alsrhythmische Grundstruktur erkennbar, die jedoch in den letzten zwei Takten durcheine synkopierte Figur aufgelockert wird. Der zweite Chorus dagegen baut mehr aufArpeggienmelodik, was sich gleich im ersten bis vierten Takt durch den Einsatzverminderter Arpeggien äußert. Der A7-Akkord wird auch hier zu einemunvollständigen Dominantseptnonenakkord umgedeutet. In Takt 5 bis 6 folgt nuneine durch Synkopierung verschleierte, lang angelegte ‘chromatic-approach’-Figur,die harmonisch auch eine bestimmte Wirkung zeigt: ein chromatischer Durchgang

von der #9 über die 9 und b9 zum Grundton. Weiterführend geht die Figur in einen D-harmonisch-Moll-Lauf über und endet in einem D-Moll-Arpeggio beginnend auf der

Page 78: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 78/116

76

maj7. Interessant ist, daß das Dm-Arpeggio in Takt 9 auf g# endet und auch überden G-Moll-Akkord wiederholt wird. Die Note g# bestimmt das melodischeGeschehen in den Takten 9 bis 14 und

stellt harmonisch über Gm die b9, über Dm die #11 und über A7 die maj7 dar. DieVerwendung der #11 über Dm könnte man als chromatischer Vorhalts-, bzw.Spannungston interpretieren, der sich dann zur Quinte a von Dm auflöst. Das g#könnte man auch als die #11 der Zigeunertonleiter in D-Moll (d, e, f, g#, a, bb, c#)sehen und somit den melodischen Verlauf in den diesen Takten mit einem tonalenZentrum (D-Zigeunermoll) erklären. Als einen weiteren Hinweis auf dieses tonaleZentrum kann man das Dm-Arpeggio über Gm sehen, was jedoch ebenso alsAkkordantizipation, wie sie auch von Django Reinhardt verwendet wurde, verstandenwerden kann. Die Annahme eines Zigeunermoll-Zentrums erklärt wohl am besten dieVerwendung der obengenannten Akkord-Erweiterungen in Form von g# als Zielton.Eine andere Konstellation ergibt sich aus dem Übergang in Takt 7, dessen Zieltöneüber Bb-Dur wiederum typische Zigeunertonleiterintervalle beinhalten: a (maj7) und e(#11). Zusätzlich wird dar A7-Akkord noch mit der b13 (f) (oder auch umgedeutet #5)versehen (Takt 14), die sich dann in die 9 von Dm auflöst. Abgeschlossen wird derzweite Chorus wieder mit einem harmonisch-Moll-Lauf, der auf der kleinen Sexte bbvon Dm endet. Durch diese Betrachtung ergeben sich eine Vielzahl vonungewöhnlichen Akkorderweiterungstönen, die Patrick Lacroix zum Einsatz bringt:Moll mit b9, 9, #11, b13 und Dominant 7 mit b9, 9, #9. Man sollte dieseErweiterungen jedoch hauptsächlich als Spannungstöne definieren, die sich imweiteren Melodieverlauf in die normalen Akkordstrukturen auflösen. Eine andereInterpretation dieses Titels stellt Coco Briaval auf seinem Album ‘Gypsy Music’

(1996, AUVIDIS A 6219) vor. Der erste Chorus zeigt schon eine sehr stark Harmonieorientierte Solo-Struktur. Alle Akkorde werden entweder durch Arpeggien oder

Page 79: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 79/116

77

‘approach’-Figuren (diatonisch, sowie chromatisch) bestätigt. Das A7 in Takt 1-2 wirddirekt mit einem A7-Arpeggio, beginnend mit einer ‘chromatic-approache-note’,angespielt. In Takt 13

wird dieser Akkord noch mit der b9 erweitert, was harmonisch wieder einenDominantseptnonenakkord ohne Grundton (in diesem Fall C#o7 über A) ergibt. Bisauf die Takte 5-8 ist der erste Chorus auf eine Arpeggienmelodik fixiert: ein Gm6-Arpeggio über Gm, ein verziertes Dm9-Arpeggio über Dm (Takt11-12). Das Gm wirdebenfalls in Takt 9 durch die Septime und die None erweitert. Hieraus ergeben sichfür die Arpeggien in Moll folgende Erweiterungen: 6, 7 und 9. Neben einer kurzenharmonisch-Moll-Tonleiter in Takt 5, finden sich viele ‘indirect approach’-Figuren,

die als Arpeggien-Verzierung (Takt 11), aber auch in Form von einer Sequenz (Takt6-7) eingesetzt werden. Eine andere Art der Verzierung stellen die Vielzahl derTriller (ausgeführt in Achtel-, bzw. Sechzehntel-Triolen) dar, die die Wirkung derZieltöne verstärkt. Diese Strukturen ändern sich im zweiten Chorus nur wenig.

Page 80: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 80/116

78

Beginnend mit einer synkopierten Figur, die einen chromatischen Durchgang von ezu a über den Pedalton a beinhaltet, und durch ihre Struktur einen polyrhythmischenCharakter (punktierte Viertel über Viertel) erzeugt, wird der lineare Verlauf kurzunterbrochen. Man findet zusätzlich wieder die chromatischen Strukturen bei denDur-Akkorden, wie den Durchgang vom Grundton zur b7 (Takt 7-8) oder von der #9über 9, b9 zum Grundton der Dominante (Takt 13). Die Dramaturgie des komplettenSolos stellt eine stetige Steigerung dar, die im vierten und letzten Chorus ihrenHöhepunkt erreicht. Er ist auf ein effektreiches

Spiel ausgelegt. Fast der ganze Chorus ist durch tremolierte Akkordeinwürfegekennzeichnet. Das A7 wird durch verminderte Akkorde vertreten, wohingegen dasDm und Gm durch Moll7-Akkorde in Form von ‘Chord-Melodie’ (Takt 3-4) oder mit‘chromatic-approach’-Akkorden (Takt 9-12) vorgestellt wird. Coco Briaval verwendetein Achtel-Triolen Tremolo, das sehr exakt ausgeführt ist und so für den ‘approach’-Effekt genutzt werden kann. Ein zusätzliches Mittel ist in Takt 8 das Tremoliereneines Glissandos, beginnend auf einem Gm7-Voicing, das sehr schnell aufwärts überden Gitarrenhals verschoben wird. Den Abschluß des Solos bildet eine kurzen

Oktavmelodie, die wiederum polyrhytmisch (punktierte Viertel über Viertel) angelegtist, dagegen melodisch keinen großen Charakter besitzt. Insgesamt bedient er sicheiner Vielzahl von technischen Möglichkeiten. Die ganze Improvisation ist durch einsehr virtuoses Spiel gekennzeichnet: beginnend mit Achtelketten, sowie Achtel-Triolen-Läufe über kurze Trillerverzierungen und dem Tremolo bis hin zusynkopierten und polyrhythmischen Figuren.Als letzte Interpretation von ‘Les Yeux Noirs’ werden nun verschiedene Chorussevon Bireli Lagrene aus dem Album ‘Bireli Swing ‘81’ beleuchtet. Die Betrachtung

beginnt mit dem dritten Chorus der Aufnahme. Allein der Blick auf die Noten zeigt einfast stetig laufendes Achtelspiel, das die komplette Improvisation kennzeichnet. DerChorus beginnt jedoch erst mit einer kurzen Oktav-Melodie (Takt 1-2), die man als

Page 81: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 81/116

79

Zitat des Themas deuten könnte, gefolgt von einem kurzen Akkordeinwurf, der dieHarmonie bestätigt. Auch hier wird die Dominante A7 durch ein vermindertes

Arpeggio vertreten (Takt 5-6 Eo7 über A = A7b9). Die Melodiebildung ist, wie beidem A7-Akkord, auf Arpeggien ausgelegt. Das Bb wird durch ein Dur 6/9 Arpeggiomit abschließendem chromatischen Durchgang vom Grundton zur kleinen Septbestätigt. Ein solcher Durchgang findet sich auch in Takt 11-12, der sogar vomGrundton des Dm7 Arpeggio bis zur großen Sexte und zurück ausgespielt wird. Essind zusätzlich auch Tonleiterstrukturen zu finden. Zum einen wird wieder D-harmonisch-Moll über A7 eingesetzt, und zum anderen spielt Bireli Lagrene einechromatische Tonleiter über zwei Oktaven, die in den nächsten Chorus

überleitet und dort auf der b9 des A7 zu Ende gebracht wird. Der zweite Takt zeigteine bisher noch nicht aufgeführte, harmonische Improvisationsstruktur: Ein Em6-Arpeggio wird über A7 zum Einsatz gebracht, was ein A7/9-Charakter erreicht. InTakt 5-6 ist eine Nullakkordrückung (E0 nach G#07) zu dem eigentlichen A7-

Page 82: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 82/116

80

Arpeggio vorzufinden, die als erweiterte ‘chromatic-approach’-Form erklärt werdenkann. Die Moll-Akkorde werden mit Moll 7/9-Arpeggien angespielt, was in Takt 15-16auch durch die Phrasenwiederholung der drei Achtel d-e-f (1-9-b3) zu einerpolyrhythmischen Figur führt. Eine Ausnahme bildet Takt 11-12, in dem D-Dorisch alsTonleiter mit Zielton h als großer Sexten von Dm verwendet wird. Der letzte

Chorus wird mit einer verminderten Dreiklangs-Sequenz, deren Länge sich über achtTakte erstreckt, begonnen. Ganz im Stile Django Reinhardts wird in den ersten zweiTakten das A7 durch einen unvollständigen Dominantseptnonenakkord ersetzt.Danach bricht Bireli Lagrene allerdings aus dieser Struktur aus und spielt zieltönigerst diatonisch abwärts und dann chromatisch aufwärts zum eigentlichen Zielton b(b3 von Gm), der jedoch nicht erreicht, jedoch durch einen kompletten Gm-Akkordbestätigt wird. Es zeigt sich innerhalb der Sequenz eine AkkordbezogeneSequenzstruktur in den Takten 5-8: mit dem Wechsel der Akkorde wird diechromatische Aufwärtsbewegung von einem Ganzton tiefer aus neu begonnen. Überdem A7 ist die harmonische Bewegung von der Quinte aufwärts zur kleinen Septimezu erkennen, wohingegen über dem Bb der Verlauf die große Septime, begonnen

von der kleinen Sexte, zum Ziel hat. Den Abschluß des Solos bilden schon bekannteMerkmale. Zu erwähnen wäre noch der stark hervorgehobene Leitton c# (Takt 14),der mit dem vorgezogenen Grundton d die Improvisation abschließt.Den Abschluß dieser Betrachtung bildet der erste Chorus von Stochelo Rosenbergüber den Jazz-Standard ‘Groovin’ High’ (Dizzy Gillespie) (siehe Notenanhang).Interpretiert wird dieses Stück von der Rhythmusgruppe als normaler 4/4-Swing desZigeuner-Jazz. Auch wenn moderne Standards zur Vorlage genommen werden, istdie Interpretation meist an das QdHCDF angelehnt. Man sieht in den neuen Stücken

nur neue Melodien, die trotz komplexer harmonischer Strukturen in die eigene Musikadaptiert werden. Wie auch bei Bireli Lagrene verrät der Blick auf das Notenbildschon ein sehr virtuoses Spiel, mit meist nicht durchbrochenen langen Achtelketten.

Page 83: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 83/116

81

Zusätzlich ist auch schon unschwer ein sehr stark Arpeggio betontes Spiel zuentdecken. Der Chorus wird mit einem Solo-Break eingeleitet, der eine Terzen-Sequenz der Eb-Dur-Tonleiter darstellt und in einem Ebmaj7/9-Arpeggio ohneGrundton (kann auch als Gm7-Arpeggio über Eb interpretiert werden) endet. Diesstellt bis auf den Takt 31 das einzige Tonleiterfragment dar. Die restlichen Akkordewerden durch Arpeggien bestätigt. Die Dominantseptakkorde werden oft durchverminderte Läufe repräsentiert (z.B. Takt 13-14). Interessant ist auch dieharmonische Umdeutung in Takt 11-12: Die II-V-Verbindung Gm-C wird als reines C7angesehen und dementsprechend zu einem Db07-Lauf umgedeutet, der als Zieltonf# die #11 von C7 anspielt. Diese Art der Umdeutung wird den ganzen Chorusdurchgehalten, wobei jedoch die II-V-Verbindung auch als IIm gesehen wird (Takt 7:Am-D7 umgedeutet zu Am). Es finden sich ebenso die typischen chromatischen

Durchgangs-Figuren bei den Dominanten (z.B. Takt 29 Grundton-maj7-b7-6, Takt 30Grundton-maj7-b7), die sich ebenfalls in Takt 22 als Antizipation von D7 (Takt 23Am-D7 umgedeutet als D7) erweist. Auch Moll-Akkorde sind in Takt 19 mit einersolchen Figur verziert (Grundton-maj7-b7), was jedoch die Ausnahme bildet. DerGroßteil der Moll-Linien entstehen aus Moll7-Arpeggien (Takt 3, 19 und 33). DasEbmaj7 wird durch reine Eb-Dreiklangs- (Takt 25-26), Ebmaj7- (Takt 5) undEbmaj7/6-Arpeggien (Takt 9-10 und 21) repräsentiert. Insgesamt kann man also dieMelodiebildungen Stochelo Rosenbergs hauptsächlich auf Arpeggien-Melodik

zurückführen. Im allgemeinen nutzt er auch Achteltriolen-Triller, sowie schnelleSechzehntel-Vorhalte (z.B. Takt 12) und auch das Vibrato als Verzierungen. DieseKurzanalyse bildet nun vorerst den Abschluß des analytischen Teiles, der, nacheinem kurzen Einblick in bestimmte Besonderheiten der Gitarren-Technik derZigeuner-Gitarristen, dann zusammenfassend dargestellt wird.

3.3.2.2. Spieltechnische Elemente

Hier soll nun ein kurzer Einblick in die Spieltechniken der Zigeuner-Jazz-Gitarristengegeben werden, die jedoch nicht unbedingt stilbindend sind und somit auch nichtausführlich bearbeitet werden. Ein Vergleich mit der Spieltechnik Django Reinhardtsist nicht notwendig, da er, aufgrund seiner eingeschränkten Greifhand, auf eineeigene spezielle Technik der linken Hand zurückgreifen mußte, die in dieser Formnicht komplett übernommen wurde. Hier soll jedoch darauf hingewiesen werden, dasdie Effekte, die sich bei Django Reinhardt entwickelten (z.B. Unisono-Passagen aufbenachbarten Saiten oder Oktaven), übernommen wurden, aber grifftechnischanders ausgeführt werden. Eine interessante Darstellung Django ReinhardtsGrifftechnik findet sich in Alexander Schmitz Django Reinhardt-Biographie Seite 57-60. Darauf soll aber nicht weiter eingegangen werden. Die Techniken der rechten

Page 84: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 84/116

82

Hand (harter Anschlag (starkes Attack durch Abschläge), Tremolo-Techniken und'sweep picking'), sowie das Verwenden des Daumens der linken Hand, was in denvorherigen Kapiteln schon erläutert wurde, sind beibehalten worden. Hier sollen nunnoch zwei nicht erwähnte technische Merkmale aufgezeigt werden.Das augenfälligste Merkmal im Spiel der Zigeuner-Jazz-Gitarristen ist eine, vomGriffbrett ausgesehen, sehr diagonal ausgelegte Spielweise, die es ihnen ermöglichtohne große Einschränkungen das gesamte Ton-Potential der Gitarre trotz virtuoserTempi zu nutzen. Verschiedenes tonales Material soll nun grifftechnisch aufgezeigtwerden, um einen Einblick in diese Spieltechnik zu bekommen. Es wird hier versuchtein Prinzip darzustellen, das diese Spielweise grob definiert. Die größte Rolle spielenwohl Arpeggien, von denen einige exemplarisch hier in der reinen Form und indiagonaler Grifftechnik dargestellt werden.4 Es sind bewußt keine Fingersätze

angegeben, da von den Zigeunermusikern kein bindender Fingersatz vorgeschriebenist.

G-Major-Arpeggio beginnend auf der E-Saite:

C-Major-Arpeggio beginnend auf der A-Saite:

4 Vgl. Romane & Sebastian, Derek, Gipsy Jazz Guitar, Paris, 1995Vgl. Cruickshank, Ian, The Guitar Style of Django Reinhardt & the Gypsies, London/New York/Sydney, 1989

Page 85: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 85/116

83

G-Minor-Arpeggio beginnend auf der E-Saite:

C-Minor-Arpeggio beginnend auf der A-Saite:

G-Minor-add9-Arpeggio beginnend auf der E-Saite:

Page 86: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 86/116

84

C-Minor-add9-Arpeggio beginnend auf der A-Saite:

Die typische diagonale Struktur ergibt sich, wie man an den Beispielen sehen kann,aus der jeweiligen Griffstruktur des Arpeggios über eine Oktave, die dann stetswiederholt wird. Durch die Terzstimmung zwischen der G- und der H-Saite ergebensich jedoch kleine Griffvariationen. Man kann dieses Prinzip sehr gut an demangefügten G-min-add9-Arpeggio erkennen, da die gleiche viertönige Griffvariantedreimal wiederholt wird. Diese Art der stetigen Wiederholung des Fingersatzes bildetwahrscheinlich eine Basis des sehr virtuosen Spieles der Zigeuner-Jazz-Gitarristen.An den nächsten zwei Beispielen sieht man ebenfalls diese Wiederhohlungsform vonGriffkombinationen.

G#-07-Arpeggio beginnend auf der E-Saite:

Page 87: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 87/116

85

G7/b9-Arpeggio in Verbindung mit G#07:

Dies stellen nun einige Arpeggienformen dar, wobei natürlich auch die Maj7-, Maj6-und Moll6-Arpeggien eine große Rolle spielen, aber hier nicht gesondert dargestelltwerden, da es sich hier nur um einen Einblick in die Gitarrentechnik und nicht um einSchulwerk handelt. Das Prinzip dieses diagonalen Spieles basiert also auf dieWiederhohlung von Grifkombinationen eines Oktavraumes und ist allgemein auf allemusikalischen Strukturen, also auch auf Tonleitern anwendbar.Neben dem diagonalem Spiel stellt das Vibrato eine wichtige Technik dar, dessenAusführung jedoch nur schwer analysiert werden kann. Es kann hier also keineallgemein gültige Variante dargestellt werden. Es wird nun eine Darstellung der vonStochelo Rosenberg verwendeten Vibrato-Technik folgen. Sie soll als Beispieldienen, wobei man durch die im Vorherigen erwähnten soziologischenZusammenhänge der Zigeuner dies eventuell auch verallgemeinert sehen kann.Stochelo Rosenberg verwendet ein bundstabwärtiges Vibrato5, bei dem der Tonintervallmäßig durch eine bundstabwärtige Fingerbewegung erhöht wird und wieder

5 Vgl. „Vibrato“ in Hill, Frank, Gitarrespielen Gitarrenspiele, Hofheim/Leipzig, 1995, Seite 49-51

Page 88: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 88/116

86

auf die ursprüngliche Tonhöhe zurückgeführt wird. Die Tonerhöhung reicht bei ihmteilweise bis zu einen Viertel-Ton. Der Einsatz dieser Vibrato-Variante könnte manauf die ‘bending’-Techniken zurückzuführen, bei denen auf die gleiche WeiseTonerhöhungen erzeugt werden. Zusätzlich ist es auch wahrscheinlich, daß durchdas autodidakte Erlernen des Instruments diese Technik naheliegender ist, als dasklassische und technisch eher komplexere saitenwärtige Vibrato. Es ist aberdurchaus möglich, daß auch dieses Vibrato eingesetzt wird, oder beide inMischformen auftreten.

3.3.2.3 Zusammenfassung

Nachdem nun viele analytische Aspekte aufgezeigt wurden, soll nun eine

zusammenfassende Darstellung der Improvisationsstilistik der heutigen Zigeuner-Jazz-Gitarristen angeführt werden. Aus den Chorus-Analysen ergibt sich eine großeMenge stilprägender Elemente:

Rhythmische Aspekte: Ein durch lange Achtel-, sowie Achtel-Triolen-Kettenerzeugtes sehr lineares Spiel.

Die Verwendung von polyrhythmischen, sowie synkopierten Figuren. Melodiebildung: Vornehmlich aus Arpeggien, aber auch aus harmonisch-Moll-, undDur-Tonleitern, sowie die Verwendung der chromatischen Tonleiter oder von

‘chromatic-approach’-Figuren. Harmonische Strukturen: sehr akkordbezogenes Spiel. Die Harmonien werdendurch zieltöniges Anspielen der Akkordtöne bestätigt. Trotzdem aber auchAkkordantizipationen, Sequenzen mit verminderten Akkorden, sowie dasUmdeuten der Dominante zu einem unvollständigen Dominant-Sept-Nonen-Akkord. Die Verwendung von ‘approach’-Figuren in allen Varianten, und diedaraus resultierenden chromatischen Durchgänge zwischen Grundton und der b7,sowie 6, aufwärts als auch abwärts. Akkordeinwürfe, sowie ‘Chord-Melodie’, diestreng an der Grundharmonie orientiert sind.

Techniken und Effekte: Einsatz von Oktaven als Effekt und als melodischesElement; Tremoli in Verbindung mit Akkord-Einwürfen; ‘Sweep picking’, das sichaus der Bevorzugung von Abschlägen ergibt; Ein diagonal angelegtes Spiel.

Ein insgesamt sehr virtuos angelegtes Spiel. Artikulation: harte Abschläge, Stakkato, Vibrato, Halbton-bendings, Sechzehntel-Vorhalte, Verzierung durch Triller, entweder als Achteltriole ausgeführt, oder alsschneller Triller innerhalb von Achtelketten.

Zu dieser Auflistung sollen noch zwei andere kurze Text-Auszüge hinzu gezogenwerden, die einen anderen Einblick, also eine andere Sichtweise, in dieImprovisations-Strukturen der Zigeuner-Jazz-Gitarristen geben. In dem schon

Page 89: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 89/116

87

angeführten Artikel ‘DJANGO ET L’ÉCOLE TSIGANE DU JAZZ’ wird diese Musikallein durch die Ausdrucksmittel definiert: „Les signes expressifs dont le musicientsigane orne son discours sont de tous ordes et facilement répertoriables: effets decharme (vibrato appuyé), de séduction (glissando), de mélancolie (chromatisme),effets de virtuosité éblouissante (imitation des bruts de la nature, oiseaux, etc.),effets de violence enfin. En outre, les musicien s’abandonne toujours à un vifhédonisme sonore: il recherche les sonorités sensuelles et charmeuses, se livre àune sorte de ‘bel canto’ instrumental.“6 Diese Darstellung führt stilprägende Elementedes Zigeuner-Jazz auf und verbindet diese mit einer Art Ausdruckskunst. Eineandere Darstellung von Improvisations-Strukturen dieser Stilistik, bezogen auf dielangen Achtelketten, findet sich bei Ian Cruickshank. Er definiert das Improvisierendurch das Zusammensetzen von kleinen harmoniegebundenen Fragmenten

(Arpeggio-, sowie Tonleiter-Fragmente) zu langen Achtelketten: „’CONNECTINGSOLO LINES’ This could be re-titled ‘collecting’ solo lines, as the art of bringingtogether what otherwise be fragmented scales, runs and arpeggios into cohesiveexpression via one long phrase is a lifetime’s study requiring endless experiment.“7

3.3.3. Die Improvisations-Stilistik Zusammenfassung

Anhand der stilistischen Analysen von Django Reinhardt und den heutigen Zigeuner-Jazz-Gitarristen kann man unschwer erkennen, daß es sich bei den Improvisations-Strukturen um eine Art ‘Schule’ basierend auf Django Reinhardt handelt, die auch inverschiedenen Aufsätzen als solche bezeichnet wird. „Comme nous le fit remarquerMatelot Ferret: ’On dit que Django joue style gitan. Django ne joue pas style gitan. Il

joue un style qui lui est propre. La musique de Django commence avec lui-même. Il joue certes de la guitare, instrument traditionnel, mais il a fait lui-même son école deguitare. Il a créé un style. Cette école part de lui.’“„L’école tsigane est une école deguitare centrée sur l’oeuvre et la personne de Django. ... Django, pour beaucoup, ce

n’est pas seulement un exemple, c’est aussi le parfait modèle.“8 Es ergibt sich nundie Frage, welche stilbildende Merkmale, neben der Rhythmusgruppe und denBegleitformen, vornehmlich die Stilistik des Zigeuner-Jazz definieren. Es zeigen sich

verschiedene Elemente die im Zusammenhang dieses typische Klangbild erzeugen:9

6 Jalard, M.-C., Django et l’école tsigane du jazz, in Les Cahiers du Jazz, #1 (1959), Seiet 57

7 Cruickshank, Ian The guitar Style of Django Reinhardt & the Gypsies, London/New York/Sydney, 1989, Seite258 Jalard, M.-C., Django et l’école tsigane du Jazz, in Les Cahiers du Jazz, #1 (1959), Seite 719 vgl. Awosusi, Anita (Hrsg.), Die Musik der Sinti und Roma. Band 2: Der Sinti Jazz, Heidelberg, 1997

Page 90: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 90/116

88

Der charakteristische Gebrauch von Vibrato, Tremolo und Verzierungen (z.B.Vielzahl von Trillern)

Der harte, durch den hauptsächlichen Gebrauch von Abschlägen erzeugte,Anschlag (starkes attack), in Verbindung mit schnellen, kaum endenden, langenLäufen.

Sequenzen, sowie polyrhythmische und synkopierte Figuren, die auch harmonischzu abrupten Tonartwechsel, bzw. zu Akkord-Antizipationen, führen können. Einstarker Gebrauch von verminderten Arpeggien, unter anderen als Umdeutung vonunvollständigen Dominantseptnonen-Akkorden.

Hauptsächlich aus Arpeggien gebildete Melodien, welche sehr akkordgebundenfungieren und somit wenig Tonleiter orientiert sind. Ansonsten auch dieVerwendung von hauptsächlich harmonisch-Moll-, sowie chromatischer Tonleitern.

Ein merklich undurchbrochenes, sehr virtuos angelegtes Spiel, das meist durchAchtelketten mit Achteltriolen-Einwürfen bestimmt ist, die jedoch den formalenVerlauf des Chorus einhalten, d.h. Formgrenzen werden eingehalten und dieLäufe werden logisch zu Ende geführt (2-, 4-, 8-, 12-, etc. taktige Phrasen).

Diese Merkmale zeigen nun die im Endeffekt stilbestimmenden Elemente desZigeuner-Jazz. Es sind die, welche vornehmlich in der Django-Rheinhardt-Schule

verblieben und diese somit definieren. Die restlichen in den Analysen vorgetragenenPunkte sind Genre übergreifend, jedoch ebenso für die Stilistik bindend. Es zeigt sichalso eine Trennung zwischen dem, was in der weiteren MusikentwicklungVerwendung fand und dem, was ausschließlich in der Stilistik verblieb und somit eineDefinition erlaubt. Es ist auf jeden Fall ersichtlich, daß es sich bei Zigeuner-Jazz umeine Stilistik in der Tradition Django Reinhardts handelt, die als musikalischabgeschlossener Komplex behandelt werden kann, da sie allein durch die Person

Django Reinhardts definiert ist.

Page 91: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 91/116

89

4. Zusammenfassung

Nach den Zusammenfassungen des ersten und zweiten Teiles, die die wichtigsten

Merkmale der Stilistik aufgezeigt haben, soll hier noch abschließend einezusammenfassende Definition des Idioms ‘Zigeuner-Jazz’ gegeben werden. Anhand

der Analysen und Darstellungen läßt sich die Stilistik prinzipiell der Stilistik Django

Reinhardts zuordnen. Er begründete in den 30er Jahren mit dem QdHCDF eine neue

musikalische Strömung, die aufgrund seiner ethnischen Zugehörigkeit in den

folgenden Generationen fast ausschließlich von Zigeunermusikern übernommen

wurde. Die Stilistik Django Reinhardts, die aus den musikalischen Komponenten der

Zigeuner-Folklore, der Bals Musettes, des Impressionismus und des Flamenco inVerbindung mit dem zeitgenössischen Jazz der 30er und 40er Jahre als

Hauptkomponente entstand, wird traditionsbewußt vornehmlich von den in

Deutschland, Belgien und den Niederlanden lebenden Zigeuner aufrechterhalten und

gepflegt. Dadurch entstand eine bis heute weiterlebende Stilistik des Jazz, die

aufgrund der ethnischen Abstammung der Interpreten als Zigeuner-Jazz definiert

wurde, jedoch eher als Jazz in der Tradition Django Reinhardts verstanden werden

kann. Der Begriff ‘Zigeuner-Jazz’ kam laut der im Vorwort angeführten Definition in

den 60er Jahren auf, was man auf das ‘Coming Out’ der deutschen Zigeuner in

dieser Zeit zurückführen kann. Durch die Plattenreihe ‘Musik Deutscher Zigeuner’

wurde ein Bild über das Spektrum der heutigen Zigeuner-Musik gegeben, in dem die

Komponente Jazz als die Stilistik Django Reinhardts vorgestellt wurde, und somit

wahrscheinlich als Jazz der Zigeuner, also als Zigeuner-Jazz definiert wurde.

In den musikalischen Strukturen der Zigeuner-Jazz-Musiker und deren Ensembles

kann man die Aspekte der Instrumentation, der Interpretation, des Repertoires und

der Improvisations-Strukturen entdecken, die trotz Neuerungen bis heute in der

Tradition Django Reinhardts und des QdHCDF stehen. Die Instrumentierung der

Zigeuner-Jazz-Formationen besteht meist aus Gitarren und Kontrabaß (aber auch

Schlagzeug, Klavier oder Akkordeon) in der Rhythmusgruppe, sowie Geige und

Gitarre (auch Klavier, Klarinette, Akkordeon) bei den Solisten. In der

Rhythmusgruppe bilden stetig durchgehaltene festgelegte Rhythmus-Pattern (4/4-

Swing-Begleitung, 3/4-Begleitung, Latin-Begleitung) den Basisrhythmus, der durch

‘Rhythm-Fills’ angereichert wird. Das Repertoire setzt sich aus Zigeuner-Folklore,

Django Reinhardt-Kompositionen, amerikanischen Swing- und Jazz-Standards,

Page 92: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 92/116

90

Swing-Valses (Valses Musettes) und Schlager- und Operetten-Melodien zusammen.

Im improvisatorischen Bereich lassen sich fünf Hauptelemente zusammenfassen, die

durch die Vorgaben Django Reinhardts bis heute für die Stilistik des Zigeuner-Jazz

prägend sind:

Der charakteristische Gebrauch von Vibrato, Tremolo und Verzierungen.

Der harte, durch den hauptsächlichen Gebrauch von Abschlägen erzeugte,

Anschlag, in Verbindung mit schnellen, kaum endenden, langen Läufen.

Sequenzen, sowie polyrhthmische und synkopierte Figuren, die auch harmonisch

zu abrupten Tonartwechsel, bzw. zu Akkord-Antizipationen, führen können. Ein

starker Gebrauch von verminderten Arpeggien, unter anderem als Umdeutung von

unvollständigen Dominantseptnonen-Akkorden.

Hauptsächlich aus Arpeggien gebildete Melodien, die sehr akkordgebunden

fungieren und somit wenig Tonleiter orientiert sind. Ansonsten auch die

Verwendung von hauptsächlich harmonisch-Moll-, sowie chromatischer Tonleitern.

Ein merklich undurchbrochenes, sehr virtuos angelegtes Spiel, das meist durch

Achtel-Ketten mit Achteltriolen-Einwürfen bestimmt ist, die jedoch den formalen

Verlauf des Chorus einhalten.

Aufgrund dieser Ergebnisse kann nun eine endgültige Definition der Stilistik des

Zigeuner-Jazz gegeben werden:

Zigeuner-Jazz: Begriff für eine Stilistik des Jazz, die durch den Personalstil Django

Reinhardts definiert und durch Einflüsse aus der Zigeuner-Folklore, den Bals

Musette, dem Impressionismus und dem Flamenco auf der Basis des Jazz der 30er

und 40er Jahre entstanden ist. Die damals verwendeten Komponenten der

Instrumentation, des Repertoires, der Interpretation und der Improvisations-

Strukturen bilden Vorgaben, die aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit Django

Reinhardts vornehmlich von den in Deutschland, Belgien und den Niederlandenlebenden Zigeunermusikern traditionell gepflegt und aufrecht erhalten werden, was

zu einem ‘Jazz der Zigeuner’ führte, also einem ‘Zigeuner-Jazz’, der heute als eigene

Stilistik angesehen werden kann.

Page 93: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 93/116

91

5. Literaturverzeichnis

Awosusi, Anita (Hrsg.), Die Musik der Sinti und Roma. Band 1: Die ungarische

‘Zigeunermusik’, Heidelberg, 1996

Awosusi, Anita (Hrsg.), Die Musik der Sinti und Roma. Band 2: Der Sinti-Jazz,

Heidelberg, 1997

Awosusi, Anita (Hrsg.), Die Musik der Sinti und Roma. Band 3: Der Flamenco,

Heidelberg, 1998

Ayeroff, Stan, Jazz Masters: Django Reinhardt, New York/London/Sydney, 1978

Berendt, Joachim-Ernst, Das Jazzbuch, Frankfurt am Main, 1991

Boyer, Jean, Kurzgefasste Geschichte der Französischen Musik, Wiesbaden,

1953 Cruickshank, Ian, The Guitar Style of Django Reinhardt & the Gypsies,

London/New York/Sydney, 1989

Cruickshank, Ian, Django’s Gypsies. The Mystique of Django Reinhardt and his

People, Newcastle-upon-Tyne, 1994

Delauney, Charles, Django Mon Frere, paris, 1968

Graf-Martinez, Gerhard, Flamenco Gitarrenschule Band 1, mainz, 1994

Hill, Frank, Gitarrespielen Gitarrenspiele Band 2, Hofheim/Leipzig, 1995 Kernfeld, Barry, Die Enzyklopädie des Jazz, Bern/München/Wien, 1993

Kwiatkowski, Gerhard, Schüler-Duden: Die Musik, Mannheim/Wien/Zürich, 1989

Leguidcoq, Patrick & Redon, Jean-Marie, Guitare Manouche. Methode de Jazz

Gitan, Paris, 1983

Michels, Ulrich, dtv-Atlas zur Musik, München, 1994

Perloff, Nancy, Art and the Everyday. Popular Entertainment and the Circle of Erik

Satie, Oxford, 1991 Pierson, Alain, Django Reinhardt ‘Swing Guitare’, Paris 1983

Polillo, Arrigo, Jazz. Geschichte und Persönlichkeiten, München/Berlin, 1982

Romane & Sebastian, Derek, Romane. Gypsy Jazz Guitar, Paris, 1995

Romane & Sebastian, Derek, Django Reinhardt, Courbevoie, 1997

Romane & Sebastian, Derek, La Pompe. Accompagnement Guitare - Jazz, Paris,

1994

Schmitz, Alexander & Maier, Peter, Django Reinhardt. Sein Leben. Seine Musik.

Seine Schallplatten, Gautingen-Buchendorf, 1985

Schmitz, Alexander, Jazz Gitarristen, Schaftlach, 1992

Page 94: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 94/116

92

Schulz-Köhn, Dietrich, Django Reinhardt. Ein Porträt, Wetzlar, 1960

Schwab, Jürgen, Die Gitarre im Jazz. Zur stilistischen Entwicklung von den

Anfängen bis 1960, Regensburg, 1998

Aufsätze & Artikel:

Antonietto, Alain & Williams, Patrick, 50 Ans De Jazz Gitan, in: Jazz Magazin,

Frankreich, Ausgabe nicht bekannt

Bauer, Ralf, Maccaferris Erben, in: Akustik Gitarre, Münster, 4.Jahrgang, 1997,

Seite 58-59

Bedin, Jean & Bedin, Nadine, Les gens du voyage, in: Jazz Hot, #500 (Mai 1993),

Seite 44

Chielens, Piet, & De Cauter, Koen, Django - Musette & Manouche, in Hot Club

News, 4/2 (1994), Seite 36-39

Jalard, Michel-Claude, Django et l’école tsigane du Jazz, in: Les Cahiers du Jazz,

#1 (1959), Seite 54-73

Lefort, Michel, Django for Ever, in: Jazz Hot, #500 (Mai 1993), Seite 40-41

Lefort, Michel, La musique des caravanes. L’exigence de la convivalité, in: Jazz

Hot, #500 (Mai 1993), Seite 42-43

Lefort, Michel, Un écho tsigane, in: Jazz Hot, #500 (Mai 1993), Seite 45-47

Lefort, Michel & Grosman, Romain, La galaxie Django Reinhardt. Acte 1:

Djangologie, in Jazz Hot, #500 (Mai 1993), Seite 48-52

Lefort, Michel, La galaxie Django Reinhardt. Acte 2: Dans la tradition, in: Jazz Hot,

#500 (Mai 1993), Seite 53-58

Litterst, Gerhard, Musik der Sinti (I), in: Jazz Podium, 30/12 (Dezember 1981),

Seite 3-7

Litterst, Gerhard, Djangos Erben. Teil 1: Zigeuner-Musik zwischen Traditionspflegeund Fortentwicklung, in: Jazz Podium, 39/12 (Dezember 1990), Seite 20-26; Teil

2: Zigeuner-Musik zwischen Traditionspflege und Fortentwicklung, in: Jazz

Podium, 40/2 (Februar 1991), Seite 18-22

Saussois, Patrick, La galaxie Django Reinhardt. Le matin du Jazz, in: Jazz Hot,

#500 (Mai 1993), Seite 38-39

Andere Texte und Informationsquellen:

Page 95: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 95/116

93

Bergerot, Frank, La Repertoire: Swing et Manouche, CD-Covertext: ‘Paris

Musette. Vol. 2’, Montpellier, 1993

Holl, Ernst Wilhelm, Interview mit The Rosenberg Trio, Dresden, 04.05.1998

Jefferies, Wayne, Django’s Forgotten Era,

http://ourworld.compuserve.com/homepages/Sroyall/lost.htm, Stand 16.02.1998

Meelen, Hans, Stochelo Rosenberg, CD-Covertext: Stochelo Rosenberg ‘Seresta’,

Oslo, 1989

Sharpe, Fred, Babik Reinhardt,

http://ourworld.compuserve.com/homepages/Sroyall/babik.htm, Stand 16.02.1998

Sharpe, Fred, Ancient Playmates,

http://ourworld.compuserve.com/homepages/Sroyall/sharpe.htm, Stand

16.02.1998

‘Rhythmic Accompaniment’,

http://ourworld.compuserve.com/homepages/Sroyall/rhythmic.htm Stand

17.02.1998

‘Gypsy Style Chords’,

http://ourworld.compuserve.com/homepages/Sroyall/chords.htm, Stand

17.02.1998

‘Django Books and Videos’,

http://ourworld.compuserve.com/homepages/sroyall/books.htm, Stand 26.12.1998

‘Ziroli Winterstein-Ensemble’, http://www.maeker-tours.de/zwe.htm, Stand

10.08.1998

‘Maccaferri Style Guitar Makers of Today’,

http://ourworld.compuserve.com/homepages/sroyal/makers.htm, Stand

26.12.1998

‘The Rosenberg Trio’, http://leden.tref.nl/phtaling/RoPg4aHy.htm, Stand10.08.1998

‘Titi Winterstein-Quintett’, http://www.maeker-tours.de/twq.htm, Stand 10.08.1998

‘Savarez: Argentine’, http://www.savarez.com/argentine.htm, Stand 19.11.1998

‘Fapy Lafertin’, http://ourworld.compuserve.com/homepages/Sroyall/fappy.htm,

Stand 16.02.1998

‘Bireli Lagrene’, http://ourworld.compuserve.com/homepages/Sroyall/berelli.htm,

Stand 16.02.1998

Page 96: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 96/116

94

Notenanhang

Page 97: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 97/116

Page 98: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 98/116

Page 99: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 99/116

Page 100: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 100/116

Page 101: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 101/116

Page 102: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 102/116

Page 103: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 103/116

Page 104: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 104/116

Page 105: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 105/116

Page 106: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 106/116

Page 107: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 107/116

Page 108: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 108/116

Page 109: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 109/116

Page 110: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 110/116

Page 111: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 111/116

Page 112: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 112/116

Page 113: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 113/116

Page 114: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 114/116

Page 115: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 115/116

Page 116: Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

8/10/2019 Die Gitarre im Zigeunerjazz.pdf

http://slidepdf.com/reader/full/die-gitarre-im-zigeunerjazzpdf 116/116