die fortbildung von fachanwälten durch wissen

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Anwaltsrecht Die Fortbildung von Fachanwälten durch wissen- schaftliches Publizieren Das „Ob“ hat der BGH entschieden, die Zweifelsfragen liegen eher beim „Wie“ Rechtsanwalt Dr. Bernd Lorenz, Essen Fortbilden muss sich jede Anwältin und jeder Anwalt. Aller- dings: Nur bei Fachanwälten ist Umfang (15 Zeitstunden im Jahr) und Art der Fortbildung geregelt. Neben der hörenden oder dozierenden Teilnahme an fachspezifischen Veranstal- tungen oder dem Selbststudium mit Lernerfolgskontrolle ge- hört dazu auch das wissenschaftliche Publizieren (§ 15 FAO). Wann ein Beitrag als wissenschaftliche Publikation in Be- tracht kommt, hat der BGH längst entschieden (BGH AnwBl Online 2016, 554). Offen ist aber noch immer, wie die Aner- kennung erfolgt, was in Zweifelsfällen passiert und ob eine Zweitveröffentlichung von Aufsätzen zu Werbezwecken auf der eigenen Website des Fachanwalts zulässig ist. I. Einleitung Fachanwälte sind nach § 15 FAO zur Fortbildung verpflichtet. Dabei haben sie die Möglichkeit, die Fortbildung durch wis- senschaftliches Publizieren zu erbringen. Das wissenschaftli- che Publizieren ist eine hervorragende Art der Fortbildung. Wer zu einem Thema selber einen wissenschaftlichen Beitrag verfasst, setzt sich viel intensiver mit dem Thema auseinander als jemand, der nur hörend an einer Fortbildungsveranstal- tung teilnimmt. Denn vom reinen Zuhören kann man gerade einmal 20 Prozent des Vortrags behalten, vom gleichzeitigen Hören und Sehen einer Präsentation immerhin 50 bis 60 Pro- zent. 1 Wer dagegen selber ein Werk verfasst und dazu um- fangreiche Recherchen anstellt, wird weitaus mehr dauerhaft behalten. Von dem, was man selbst tut, behält man 90 Pro- zent. 2 Das Verfassen von wissenschaftlichen Werken ist eine Form des aktiven Lernens. Der Anwalt setzt sich mit rechtli- chen Fragen und Problemen aktiv auseinander. Darüber hinaus untermauern wissenschaftliche Publikati- onen die Reputation des Fachanwalts. Sie können auch zur Werbung gegenüber Mandanten eingesetzt werden und zum Beispiel auf der eigenen Website veröffentlicht werden. Die Verlage sind regelmäßig damit einverstanden, dass ein An- walt einen Aufsatz ein Jahr nach seinem Erscheinen auf sei- ner eigenen Website zweitveröffentlichen darf. II. Der Begriff der wissenschaftlichen Publikation Die Fortbildung kann nicht durch irgendeine Publikation, sondern nur durch eine wissenschaftliche Publikation er- bracht werden. Der BGH hat mit Urteil vom 20. Juni 2016 zu- treffend entschieden, dass ein auf der eigenen Website des Rechtsanwalts veröffentlichter Fachbeitrag keine solche wis- senschaftliche Publikation darstellt. 3 Eine wissenschaftliche Publikation ist eine schriftliche wissenschaftliche Arbeit, die von einem wissenschaftlichen Verlag zur Veröffentlichung angenommen und veröffentlicht worden ist. 4 Die Publikation muss das für eine wissenschaftli- che Publikation erforderliche Niveau aufweisen. Die Arbeit muss formalen und inhaltlichen Kriterien genügen. 5 Diese Anforderungen sind regelmäßig nachgewiesen, wenn ein wis- senschaftlicher Verlag mit einer namhaften Herausgeber- schaft und Redaktion den Beitrag zur Veröffentlichung an- nimmt. Wissenschaftliche Publikationen stellen Aufsätze 6 und Ur- teilsanmerkungen 7 in juristischen Fachzeitschriften dar. Eini- ge Zeitschriften drucken die Urteilsgründe nicht wortwörtlich ab, sondern veröffentlichen aufbereitete Entscheidungen. Eine solche aufbereitete Entscheidung ist eine wissenschaftli- che Publikation, wenn sie über die bloße Zusammenfassung des Urteils hinausgeht. Erforderlich ist, dass die aufbereitete Entscheidung mit eigenen Kommentaren und einem Fazit des Autors versehen wird und in den Kontext der bisherigen Rechtsprechung eingeordnet wird. Ausreichend ist auch, dass die rechtlichen Probleme herausgearbeitet werden, eine Analyse mit Zustimmung oder Ablehnung erfolgt, ein Ver- gleich zu anderen Entscheidungen gezogen wird, Konsequen- zen für die Praxis aufgezeigt werden und Beraterhinweise er- folgen. 8 Dagegen reicht das Verfassen von eigenen Leitsätzen zu einem Urteil noch nicht aus. Die Leitsätze sind in der Re- gel den Urteilsgründen entnommen. Leitsätze sind nur eine prägnante Wiedergabe der Urteilsgründe. Monografien wie Dissertationen, Festschriften und Ta- gungsbände, Lehrbücher und Kommentare 9 stellen wissen- schaftliche Publikationen dar. 10 Auch Hand- und Formularbü- cher zählen zu den wissenschaftlichen Publikationen. Sie ent- halten regelmäßig umfangreiche juristische Anmerkungen. Und um Formulare überhaupt erstellen zu können, sind tief- gehende juristische Kenntnisse erforderlich. Musterformulare sind das Ergebnis vielfältiger juristischer Erwägungen. Eine wissenschaftliche Rezension ist eine wissenschaftli- che Publikation. 11 Eine wissenschaftliche Rezension ist eine in den Medien schriftlich niedergelegte Kritik an einem wis- Aufsätze Die Fortbildung von Fachanwälten durch wissenschaftliches Publizieren, Lorenz AnwBl Online 2019 455 1 Bühner, Der Mitarbeiter im Total Quality Management, 1993, S. 69 f.; Nagel, Erfolg: Effizi- entes Arbeiten, Entscheiden, Vermitteln und Lernen, 9. Aufl. 2001, S. 110; Verweyen, Er- folgreich akquirieren, 3. Aufl. 2017, S. 100. 2 Gudjons, Handlungsorientiert lehren und lernen, 8. Aufl. 2014, S. 60; Witzenbacher, Handlungsorientiertes Lernen in der Hauptschule, 1985, S. 17. 3 BGH, Urt. v. 20.6.2016 – AnwZ (Brfg) 10/15, AnwBl Online 2016, 554. 4 BGH, Urt. v. 20.6.2016 – AnwZ (Brfg) 10/15, AnwBl Online 2016, 554 Rn. 17. 5 AGH Schleswig, Beschl. v. 14.12.2005 – 2 AGH 9/05, NJW 2006, 1218, 1218. 6 Hartung/Scharmer/Scharmer, Berufs- und Fachanwaltsordnung, 6. Aufl. 2016, § 15 FAO Rn. 52; Schäfer, JurPC Web-Dok. 99/2017 Abs. 47, URL: http://www.jurpc.de/. 7 Hartung/Scharmer/Scharmer (o. Fn. 6), § 15 FAO Rn. 52; Henssler/Prütting/Offermann- Burckart, Bundesrechtsanwaltsordnung, 4. Aufl. 2014, § 15 FAO Rn. 15; Offermann-Bur- ckart, Fachanwalt werden und bleiben, 3. Aufl. 2012, Rn. 1309; a.A. Gaier/Wolf/Göcken/ Quass, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl. 2014, § 15 FAO Rn. 12. 8 AGH Schleswig, Beschl. v. 14.12.2005 – 2 AGH 9/05, NJW 2006, 1218, 1219; AGH Hes- sen, Urt. v. 8.12.2014 – 1 AGH 7/14, BRAK-Mitt 2015, 107, 108; Feuerich/Weyland/Vos- sebürger, Bundesrechtsanwaltsordnung, 9. Aufl. 2016, § 15 FAO Rn. 3 a; Henssler/Prüt- ting/Offermann-Burckart (o. Fn. 7), § 15 FAO Rn. 16; Offermann-Burckart (o. Fn. 7), Rn. 1310. 9 Hartung/Scharmer/Scharmer (o. Fn. 6), § 15 FAO Rn. 52. 10 BGH, Urt. v. 12.6.2016 – AnwZ (BrfG) 10/15, AnwBl Online 2016, 554 Rn. 17. 11 Henssler/Prütting/Offermann-Burckart (o. Fn. 7), § 15 FAO Rn. 15; Offermann-Burckart (o. Fn. 7), Rn. 1309; a.A. Gaier/Wolf/Göcken/Quass (o. Fn. 7), § 15 FAO Rn. 12. AnwaltsWissen

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Page 1: Die Fortbildung von Fachanwälten durch wissen

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Die Fortbildung vonFachanwälten durch wissen-schaftliches PublizierenDas „Ob“ hat der BGH entschieden,die Zweifelsfragen liegen eher beim „Wie“Rechtsanwalt Dr. Bernd Lorenz, Essen

Fortbilden muss sich jede Anwältin und jeder Anwalt. Aller-dings: Nur bei Fachanwälten ist Umfang (15 Zeitstunden imJahr) und Art der Fortbildung geregelt. Neben der hörendenoder dozierenden Teilnahme an fachspezifischen Veranstal-tungen oder dem Selbststudium mit Lernerfolgskontrolle ge-hört dazu auch das wissenschaftliche Publizieren (§ 15 FAO).Wann ein Beitrag als wissenschaftliche Publikation in Be-tracht kommt, hat der BGH längst entschieden (BGH AnwBlOnline 2016, 554). Offen ist aber noch immer, wie die Aner-kennung erfolgt, was in Zweifelsfällen passiert und ob eineZweitveröffentlichung von Aufsätzen zu Werbezwecken aufder eigenen Website des Fachanwalts zulässig ist.

I. Einleitung

Fachanwälte sind nach § 15 FAO zur Fortbildung verpflichtet.Dabei haben sie die Möglichkeit, die Fortbildung durch wis-senschaftliches Publizieren zu erbringen. Das wissenschaftli-che Publizieren ist eine hervorragende Art der Fortbildung.Wer zu einem Thema selber einen wissenschaftlichen Beitragverfasst, setzt sich viel intensiver mit dem Thema auseinanderals jemand, der nur hörend an einer Fortbildungsveranstal-tung teilnimmt. Denn vom reinen Zuhören kann man geradeeinmal 20 Prozent des Vortrags behalten, vom gleichzeitigenHören und Sehen einer Präsentation immerhin 50 bis 60 Pro-zent.1 Wer dagegen selber ein Werk verfasst und dazu um-fangreiche Recherchen anstellt, wird weitaus mehr dauerhaftbehalten. Von dem, was man selbst tut, behält man 90 Pro-zent.2 Das Verfassen von wissenschaftlichen Werken ist eineForm des aktiven Lernens. Der Anwalt setzt sich mit rechtli-chen Fragen und Problemen aktiv auseinander.

Darüber hinaus untermauern wissenschaftliche Publikati-onen die Reputation des Fachanwalts. Sie können auch zurWerbung gegenüber Mandanten eingesetzt werden und zumBeispiel auf der eigenen Website veröffentlicht werden. DieVerlage sind regelmäßig damit einverstanden, dass ein An-walt einen Aufsatz ein Jahr nach seinem Erscheinen auf sei-ner eigenen Website zweitveröffentlichen darf.

II. Der Begriff der wissenschaftlichen Publikation

Die Fortbildung kann nicht durch irgendeine Publikation,sondern nur durch eine wissenschaftliche Publikation er-bracht werden. Der BGH hat mit Urteil vom 20. Juni 2016 zu-treffend entschieden, dass ein auf der eigenen Website des

Rechtsanwalts veröffentlichter Fachbeitrag keine solche wis-senschaftliche Publikation darstellt.3

Eine wissenschaftliche Publikation ist eine schriftlichewissenschaftliche Arbeit, die von einem wissenschaftlichenVerlag zur Veröffentlichung angenommen und veröffentlichtworden ist.4 Die Publikation muss das für eine wissenschaftli-che Publikation erforderliche Niveau aufweisen. Die Arbeitmuss formalen und inhaltlichen Kriterien genügen.5 DieseAnforderungen sind regelmäßig nachgewiesen, wenn ein wis-senschaftlicher Verlag mit einer namhaften Herausgeber-schaft und Redaktion den Beitrag zur Veröffentlichung an-nimmt.

Wissenschaftliche Publikationen stellen Aufsätze6 und Ur-teilsanmerkungen7 in juristischen Fachzeitschriften dar. Eini-ge Zeitschriften drucken die Urteilsgründe nicht wortwörtlichab, sondern veröffentlichen aufbereitete Entscheidungen.Eine solche aufbereitete Entscheidung ist eine wissenschaftli-che Publikation, wenn sie über die bloße Zusammenfassungdes Urteils hinausgeht. Erforderlich ist, dass die aufbereiteteEntscheidung mit eigenen Kommentaren und einem Fazitdes Autors versehen wird und in den Kontext der bisherigenRechtsprechung eingeordnet wird. Ausreichend ist auch,dass die rechtlichen Probleme herausgearbeitet werden, eineAnalyse mit Zustimmung oder Ablehnung erfolgt, ein Ver-gleich zu anderen Entscheidungen gezogen wird, Konsequen-zen für die Praxis aufgezeigt werden und Beraterhinweise er-folgen.8 Dagegen reicht das Verfassen von eigenen Leitsätzenzu einem Urteil noch nicht aus. Die Leitsätze sind in der Re-gel den Urteilsgründen entnommen. Leitsätze sind nur eineprägnante Wiedergabe der Urteilsgründe.

Monografien wie Dissertationen, Festschriften und Ta-gungsbände, Lehrbücher und Kommentare9 stellen wissen-schaftliche Publikationen dar.10 Auch Hand- und Formularbü-cher zählen zu den wissenschaftlichen Publikationen. Sie ent-halten regelmäßig umfangreiche juristische Anmerkungen.Und um Formulare überhaupt erstellen zu können, sind tief-gehende juristische Kenntnisse erforderlich. Musterformularesind das Ergebnis vielfältiger juristischer Erwägungen.

Eine wissenschaftliche Rezension ist eine wissenschaftli-che Publikation.11 Eine wissenschaftliche Rezension ist einein den Medien schriftlich niedergelegte Kritik an einem wis-

Aufsätze

Die Fortbi ldung von Fachanwälten durch wissenschaft l iches Publizieren, Lorenz AnwBl Online 2019 455

1 Bühner, Der Mitarbeiter im Total Quality Management, 1993, S. 69 f.; Nagel, Erfolg: Effizi-entes Arbeiten, Entscheiden, Vermitteln und Lernen, 9. Aufl. 2001, S. 110; Verweyen, Er-folgreich akquirieren, 3. Aufl. 2017, S. 100.

2 Gudjons, Handlungsorientiert lehren und lernen, 8. Aufl. 2014, S. 60; Witzenbacher,Handlungsorientiertes Lernen in der Hauptschule, 1985, S. 17.

3 BGH, Urt. v. 20.6.2016 – AnwZ (Brfg) 10/15, AnwBl Online 2016, 554.

4 BGH, Urt. v. 20.6.2016 – AnwZ (Brfg) 10/15, AnwBl Online 2016, 554 Rn. 17.

5 AGH Schleswig, Beschl. v. 14.12.2005 – 2 AGH 9/05, NJW 2006, 1218, 1218.

6 Hartung/Scharmer/Scharmer, Berufs- und Fachanwaltsordnung, 6. Aufl. 2016, § 15 FAORn. 52; Schäfer, JurPC Web-Dok. 99/2017 Abs. 47, URL: http://www.jurpc.de/.

7 Hartung/Scharmer/Scharmer (o. Fn. 6), § 15 FAO Rn. 52; Henssler/Prütting/Offermann-Burckart, Bundesrechtsanwaltsordnung, 4. Aufl. 2014, § 15 FAO Rn. 15; Offermann-Bur-ckart, Fachanwalt werden und bleiben, 3. Aufl. 2012, Rn. 1309; a.A. Gaier/Wolf/Göcken/Quass, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl. 2014, § 15 FAO Rn. 12.

8 AGH Schleswig, Beschl. v. 14.12.2005 – 2 AGH 9/05, NJW 2006, 1218, 1219; AGH Hes-sen, Urt. v. 8.12.2014 – 1 AGH 7/14, BRAK-Mitt 2015, 107, 108; Feuerich/Weyland/Vos-sebürger, Bundesrechtsanwaltsordnung, 9. Aufl. 2016, § 15 FAO Rn. 3a; Henssler/Prüt-ting/Offermann-Burckart (o. Fn. 7), § 15 FAO Rn. 16; Offermann-Burckart (o. Fn. 7),Rn. 1310.

9 Hartung/Scharmer/Scharmer (o. Fn. 6), § 15 FAO Rn. 52.

10 BGH, Urt. v. 12.6.2016 – AnwZ (BrfG) 10/15, AnwBl Online 2016, 554 Rn. 17.

11 Henssler/Prütting/Offermann-Burckart (o. Fn. 7), § 15 FAO Rn. 15; Offermann-Burckart (o.Fn. 7), Rn. 1309; a.A. Gaier/Wolf/Göcken/Quass (o. Fn. 7), § 15 FAO Rn. 12.

AnwaltsW

issen

Page 2: Die Fortbildung von Fachanwälten durch wissen

senschaftlichen Werk.12 Kritik heißt, das Infragestellen desWerkes in Form einer wertenden, prüfenden Analyse und Be-urteilung.13 Von der Rezension zu unterscheiden, sind aberreine Inhaltsangaben. Die bloße Wiedergabe des Inhalts einesWerkes ist keine wissenschaftliche Publikation. Erforderlichist vielmehr, dass sich der Rezensent kritisch mit dem Werkauseinandersetzt. Er muss ein eigenes Werturteil über dasWerk fassen,14 ggf. mögliche Gegenpositionen anführen,15

ggf. Schlussfolgerungen aus den Auffassungen des Autorsziehen und ggf. Widersprüchlichkeiten16 und offene Fragenaufzeigen. Ferner muss der Rezensent das Werk in den wis-senschaftlichen Diskurs einordnen.17 Er muss darstellen, zuwelcher Strömung beziehungsweise Theorienrichtung derAutor gehört.

Es kommt nicht darauf an, ob die wissenschaftliche Publi-kation gedruckt wird oder online erscheint.18 Auch Online-Publikationen bei juris oder beck-online stellen wissenschaft-liche Publikationen dar. Auch Publikationen in frei zugängli-chen Internetzeitschriften sind wissenschaftliche Publikatio-nen, wenn die Zeitschrift über eine namhafte Herausgeber-schaft und Redaktion verfügt. Publikationen in Internetzeit-schriften sind jedenfalls dann als Fortbildung anzuerkennen,wenn die Zeitschrift von Doktoren oder Professoren heraus-gegeben und redigiert wird.19

Keine wissenschaftlichen Publikationen stellen allerdingsFachbeiträge auf der eigenen Website des Fachanwalts dar.20

Solche Beiträge richten sich primär an Mandanten. Sie wei-sen in der Regel nicht das erforderliche wissenschaftliche Ni-veau auf. Darüber hinaus können Beiträge auf der eigenenWebsite nach freiem Belieben durch den Fachanwalt geändertund gelöscht werden. Solche Beiträge, deren Änderungen imNachhinein nicht mehr nachvollzogen werden können bezie-hungsweise die nicht mehr verfügbar sind, sind wissenschaft-lich nicht verwertbar.

Bloße Nachrichten in juristischen Nachrichtenportalen21

stellen keine wissenschaftlichen Publikationen dar.22 Ebensowenig sind Nachrichten in juristischen Newslettern wissen-schaftliche Publikationen. Es fehlt an einem wissenschaftli-chen Charakter solcher Nachrichten. Eine vertiefte wissen-schaftliche Auseinandersetzung findet in Nachrichtenbeiträ-gen nicht statt. Die bloße Wiedergabe von Urteilen in Formvon Inhaltsangaben stellt keine wissenschaftlichen Publikatio-nen dar. Darüber hinaus fehlen in Nachrichtenbeiträgen auchFußnoten. Nachweise aus Rechtsprechung und Literatur ge-hören aber zu jeder wissenschaftlichen Publikation.

Auch keine wissenschaftlichen Publikationen sind Artikelin Tageszeitungen und Zeitschriften, die sich an den Laienrichten.23 Bei solchen Artikeln fehlt es an der vertieften Befas-sung mit den rechtlichen Problemen. So wird zum Beispielein Artikel über ein Urteil in einer Computerzeitschrift inder Regel keine wissenschaftliche Publikation für den Fach-anwalt für IT-Recht darstellen. Etwas anderes gilt dann,wenn es sich um eine Fachzeitschrift für Informatiker han-delt, in der das Urteil in rechtlicher und technischer Hinsichtausführlich besprochen wird. Die Besprechung eines Urteilszur Haftung eines Pharmazeuten in einer Fachzeitschrift fürApotheker kann als wissenschaftliche Publikation für denFachanwalt für Medizinrecht anzuerkennen sein.24 Erst rechtkeine wissenschaftlichen Publikationen sind Leserbriefe inTageszeitungen und Zeitschriften für die Allgemeinheit.25

Selbstverständlich stellen Briefe an Mandanten, Mandan-tenrundschreiben26 und Gutachten für Mandanten keine wis-senschaftlichen Publikationen dar.27 Sie sind nicht für die

Fachöffentlichkeit bestimmt, sondern richten sich nur anden jeweiligen Mandanten. Mangels einer öffentlichen Zu-gänglichmachung kann keine wissenschaftliche Publikationvorliegen. Etwas anderes gilt allerdings hinsichtlich solcherGutachten, die in einem Verlag veröffentlicht werden. Wennein Gutachten der Fachöffentlichkeit zugänglich gemachtwird, ist es als wissenschaftliche Publikation anzuerkennen.

Folglich scheiden Nachrichten mit Unterhaltungscharak-ter, Beiträge, die sich primär an Mandanten richten und In-haltsangaben von Urteilen oder Büchern als wissenschaftlichePublikationen aus.

Die wissenschaftliche Publikation muss auch tatsächlichveröffentlicht werden. Die Auffassung von Kleine-Cosack28,dass auch nicht publizierte wissenschaftliche Arbeiten ausrei-chen, ist abzulehnen. Schon der Wortlaut des § 15 Abs. 1 S. 1FAO verlangt ein Publizieren, also eine Veröffentlichung29 derwissenschaftlichen Arbeit. Darüber hinaus wird durch die An-nahme des Beitrags durch ein unabhängiges Gremium fest-gestellt, dass der Beitrag das erforderliche wissenschaftlicheNiveau aufweist.

III. Jahr der Fortbildung

Ein Problem tritt auf, wenn ein Fachanwalt in einem Jahr diewissenschaftliche Publikation verfasst, diese aber erst im Fol-gejahr erscheint. So kann es sein, dass ein Anwalt im Jahr2016 einen Aufsatz verfasst hat, der aufgrund von Wartezei-ten bei der Zeitschrift aber erst im Laufe des Jahres 2017 er-scheint. Die Fortbildung hat der Anwalt eigentlich im Jahr2016 erbracht, denn in diesem Jahr hat der Anwalt den Auf-satz verfasst. Er kann sich den Aufsatz auf seine Fortbildungs-pflicht für 2016 aber nicht anrechnen lassen, weil der Aufsatznoch nicht erschienen ist. Wenn der Aufsatz dann im Jahre2017 erscheint, kann sich der Anwalt den Aufsatz für 2017nicht mehr anrechnen lassen. Denn er hat die Fortbildungnicht im Jahre 2017 erbracht. Noch größer wird das Problemunter Umständen bei Büchern, deren Abfassung mehrereJahre dauern kann.

Aufsätze

456 AnwBl Online 2019 Die Fortbi ldung von Fachanwälten durch wissenschaft l iches Publizieren, Lorenz

12 Vgl. Wikipedia, Stichwort „Rezension“, URL: https://de.wikipedia.org/, abgerufen am14.12.2018.

13 Frey, NJW 2011, 731, 731.

14 Breitenstein/Rohbeck, Philosophie, 2011, S. 439.

15 Hoeren, ZRP 1989, 444, 445.

16 Hoeren, ZRP 1989, 444, 445.

17 Breitenstein/Rohbeck (o. Fn. 14), S. 439.

18 BGH, Urt. v. 12.6.2016 – AnwZ (BrfG) 10/15, AnwBl Online 2016, 554 Rn. 17.

19 Z.B. HRRS, URL: http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/; JurPC, URL: http://www.jurpc.de;ZJS, URL: http://www.zjs-online.com.

20 BGH, Urt. v. 12.6.2016 – AnwZ (BrfG) 10/15, AnwBl Online 2016, 554 Rn. 18; Offermann-Burckart, BRAK-Mitt. 2016, 251, 252; a.A. Vorinstanz AGH Hessen, Urt. v. 8.12.2014 – 1AGH 7/14, BRAK-Mitt 2015, 107; Hartung/Scharmer/Scharmer (o. Fn. 6), § 15 FAORn. 53; Redaktion des Anwaltsblatts, AnwBl 2016, 765.

21 Z.B. LTO, URL: http://www.lto.de.

22 A.A. Albrecht, jurisPR-ITR 24/2016 Anm. 4; Huff, K&R 2016, 606, 607.

23 Feuerich/Weyland/Vossebürger (o. Fn. 8), § 15 FAO Rn. 3a; Hartung/Scharmer/Scharmer(o. Fn. 6), § 15 FAO Rn. 56; Henssler/Prütting/Offermann-Burckart (o. Fn. 7), § 15 FAORn. 14; Offermann-Burckart (o. Fn. 7), Rn. 1307.

24 Huff, K&R 2016, 606, 607.

25 Schäfer, JurPC Web-Dok. 99/2017 Abs. 47, URL: http://www.jurpc.de/jurpc/show?id=20170099.

26 Gaier/Wolf/Göcken/Quass (o. Fn. 7), § 15 FAO Rn. 12; Henssler/Prütting/Offermann-Bur-ckart (o. Fn. 7), § 15 FAO Rn. 14; Offermann-Burckart (o. Fn. 7), Rn. 1307.

27 BGH, Urt. v. 12.6.2016 – AnwZ (BrfG) 10/15, AnwBl Online 2016, 554 Rn. 17.

28 Kleine-Cosack, Bundesrechtsanwaltsordnung, 7. Aufl. 2015, § 15 FAO Rn. 8.

29 Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 8. Aufl. 2015, Stichwörter „Publikation“ und„publizieren“, S. 1399; Duden, Das große Fremdwörterbuch, 4. Aufl. 2007, Stichwörter„Publikation“, „publizieren“ und „Publizierung“, S. 1121f.

Page 3: Die Fortbildung von Fachanwälten durch wissen

In der Literatur wird teilweise auf das Publikationsjahr ab-gestellt.30 Dies erscheint nicht richtig zu sein.31 Denn die Fort-bildung liegt eigentlich in der Abfassung des Manuskripts.Das Erscheinungsdatum der Publikation sagt nichts darüberaus, wann die Fortbildung erbracht wurde. Ausreichendmuss es in jedem Fall sein, wenn der Anwalt eine Annahme-bestätigung der Redaktion, des Schriftleiters oder eines He-rausgebers der Zeitschrift vorlegt. Wenn der Anwalt bis zum31. Dezember 2016 eine Bestätigung vorlegen kann, dasssein Aufsatz zur Veröffentlichung angenommen wird, dannhat er den Nachweis erbracht, dass er im Jahre 2016 eine wis-senschaftliche Publikation verfasst hat.

Problematisch bleiben die Fälle, in denen die Publikationbis zum Jahresende nicht fertig ist und in denen der Anwaltüber noch keine Annahmebestätigung eines Verlags verfügt.Denn der Anwalt muss die Fortbildung nicht nur gemäߧ 15 Abs. 1 S. 1 FAO im laufenden Kalenderjahr erbringen.Er muss der Rechtsanwaltskammer nach § 15 Abs. 5 S. 1FAO diese Fortbildung auch nachweisen. Dabei wird vonden Rechtsanwaltskammern gefordert, dass der Nachweis biszum Ende des laufenden Kalenderjahrs erbracht wird.

Abhilfe schaffen kann hier nur eine längere Frist. DerFortbildungsnachweis durch wissenschaftliches Publizierensollte noch innerhalb des folgenden Kalenderjahres möglichsein. Ohnehin enthält § 15 Abs. 5 FAO keinerlei Vorgabendazu, bis wann der Fortbildungsnachweis erbracht sein muss.

IV. Umfang der Fortbildung

Den Fortbildungsnachweis wird ein Anwalt regelmäßig schonmit kurzen Veröffentlichungen erbringen können.32 Auchkurze Veröffentlichungen setzen eine umfassende Auseinan-dersetzung mit dem rechtlichen Problem und erheblicheSorgfalt beim Abfassen des Textes voraus. Schon für eine Ur-teilsanmerkung werden durchaus 15 Stunden anfallen.

Für einen durchschnittlichen Aufsatz werden regelmäßigmindestens 50 Stunden anfallen. Einzubeziehen ist dabeinicht nur die Zeit für die Abfassung des Aufsatzes. Auch Re-cherchezeiten sind Fortbildungszeiten. Wer in juristischenDatenbanken oder Universitätsbibliotheken recherchiert, bil-det sich fort. Dagegen ist die Reisezeit zu einer Universitäts-bibliothek keine Fortbildungszeit. Auch die Zeit für die Kor-rektur der Druckfahne ist als Fortbildungszeit anzuerkennen.

Bei einer Rezension ist nicht nur die Zeit für das Abfassender Rezension zu berücksichtigen. Auch die Lektüre des Wer-kes ist Fortbildungszeit. Auch für eine durchschnittliche wis-senschaftliche Rezension werden durchaus 15 Stunden anfal-len. Wer sich mit einem ganzen Buch auseinandergesetzt hat,hat sich auch ausreichend fortgebildet.

V. Überschneidungsbereiche

Wenn ein Anwalt Inhaber mehrerer Fachanwaltstitel ist, kanner auch mit nur einer wissenschaftlichen Publikation die Fort-bildung für mehrere Fachanwaltschaften erbringen. VieleFachanwaltschaften weisen Überschneidungsbereiche auf.33

Bestimmte Rechtsgebiete sind Gegenstand mehrerer Fachan-waltschaften. Eine wissenschaftliche Publikation aus einemÜberschneidungsbereich kann als Fortbildungsnachweis fürmehrere Fachanwaltschaften verwandt werden, wenn die fürmehrere Fachanwaltschaften erforderliche Stundenzahl auf-gewandt wurde.

VI. Nachholen der Fortbildung

Die Fortbildung muss gemäß § 15 Abs. 1 S. 1 FAO währenddes laufenden Kalenderjahrs erbracht werden. Ein Nachholender Fortbildung ist grundsätzlich nicht möglich.34 Es kann je-doch bestimmte Ausnahmefälle geben, die nicht zur Aberken-nung des Fachanwaltstitels führen dürfen.

Streitet sich der Fachanwalt zum Beispiel mit der Rechts-anwaltskammer über den wissenschaftlichen Charakter sei-ner Publikation, muss diese dem Fachanwalt die Möglichkeitgeben, die Fortbildung im folgenden Kalenderjahr nachzuho-len. Das Gleiche gilt, wenn die Rechtsanwaltskammer z.B. zudem Ergebnis kommen sollte, dass der Aufwand für die wis-senschaftliche Publikation nicht die notwendigen 15 Zeitstun-den erreicht.

Ebenso muss dem Fachanwalt ein Nachholen der Fortbil-dung möglich sein, wenn die Rechtsanwaltskammer der Auf-fassung ist, dass sich die wissenschaftliche Publikation nichtauf einen der Bereiche des jeweiligen Fachanwalts bezieht.So sieht zum Beispiel § 14h Nr. 5 FAO vor, dass die urheber-rechtlichen Bezüge des gewerblichen Rechtsschutzes Gegen-stand des Fachanwalts für gewerblichen Rechtsschutz sind.Die Frage, was hierunter zu verstehen ist, ist schwierig.35 Soll-te die Rechtsanwaltskammer zu dem Ergebnis kommen, dasses bei der Publikation an einem Bezug zum gewerblichenRechtsschutz fehlt, müsste sie dem Fachanwalt Gelegenheitgeben, die Fortbildung nachzuholen.

Entscheidend ist in diesen Fällen, dass der Fachanwaltsich bemüht hat, seiner Fortbildungspflicht ordnungsgemäßnachzukommen. Und wenn die Rechtsanwaltskammer eineandere Auffassung hinsichtlich seiner wissenschaftlichenPublikation vertritt, ist es ein Gebot der Fairness, dass derFachanwalt seine Fortbildung auch noch im folgenden Kalen-derjahr nachholen darf. Denn die Frage, ob der Fachanwaltseiner Fortbildungspflicht ausreichend nachgekommen ist,wird immer erst am Ende des laufenden Kalenderjahrs odersogar erst am Anfang des folgenden Kalenderjahrs feststehen.Wenn der Fachanwalt davon ausgeht, dass er sich mit seinerwissenschaftlichen Publikation ausreichend fortgebildet hat,kann man ihm nicht einfach nach Ablauf der Fortbildungs-frist den Fachanwaltstitel aberkennen. Sollten die von demFachanwalt absolvierten Fortbildungsmaßnahmen nicht aus-reichend sein, muss er die Fortbildung durch eine verstärkteFortbildung im Folgejahr nachholen können.

Insofern liegt der Fall bei wissenschaftlichen Publikatio-nen anders als bei Fachanwälten, die an Fortbildungsverans-taltungen teilnehmen. Für einen Fachanwalt, der nicht mit

Aufsätze

Die Fortbi ldung von Fachanwälten durch wissenschaft l iches Publizieren, Lorenz AnwBl Online 2019 457

30 Gaier/Wolf/Göcken/Quass (o. Fn. 7), § 15 FAO Rn. 12; Henssler/Prütting/Offermann-Bur-ckart (o. Fn. 7), § 15 FAO Rn. 37; Offermann-Burckart (o. Fn. 7), Rn. 1360.

31 AGH NRW, Urt. v. 11.9.2015 – 1 AGH 20/15, AnwBl Online 2016, 8; Feuerich/Weyland/Vossebürger (o. Fn. 8), § 15 FAO Rn. 3a; Hartung/Scharmer/Scharmer (o. Fn. 6), § 15FAO Rn. 65; Huff, K&R 2016, 606, 607.

32 Henssler/Prütting/Offermann-Burckart (o. Fn. 7), § 15 FAO Rn. 13; Offermann-Burckart (o.Fn. 7), Rn. 1305.

33 S. z.B. Lorenz, MMR 2016, 652, 652f. für die Fachanwaltschaften für gewerblichenRechtsschutz, Urheber- und Medienrecht und IT-Recht.

34 BGH, Beschl. v. 5.5.2014 – AnwZ (Brfg) 76/13, AnwBl 2014, 755 Rn. 9; Feuerich/Weyland/Vossebürger (o. Fn. 8), § 15 FAO Rn. 3a; Hartung/Scharmer/Scharmer (o. Fn. 6), § 15FAO Rn. 61.

35 Lorenz, MMR 2016, 652, 653f.

AnwaltsW

issen

Page 4: Die Fortbildung von Fachanwälten durch wissen

der erforderlichen Stundenzahl an Fortbildungsveranstaltun-gen teilnimmt, ist es von vorneherein erkennbar, dass einesolche Fortbildung nicht ausreichend ist.

VII. Zweitveröffentlichung auf der Website

Wissenschaftliche Publikationen des Fachanwalts können oft-mals auf der eigenen Anwalts-Website zweitveröffentlichtwerden. Sie können damit zur Werbung um Mandate einge-setzt werden. Wenn ein Mandant ein bestimmtes Rechtsprob-lem hat, wird er möglicherweise eher einen Fachanwalt beauf-tragen, der zu dem Thema bereits publiziert hat. Darüber hi-naus wirken sich wissenschaftliche Publikationen positiv aufdas Ranking in Suchmaschinen aus. Eine Anwalts-Website,die eine Vielzahl von Keywords zu einem bestimmten Themaenthält, erscheint bei einer Suchanfrage nach diesem Themaweiter oben.

Das Recht zur Zweitverwertung ist in § 38 Abs. 1 S. 2UrhG geregelt. Bei Werken, die in periodisch erscheinendenSammlungen erscheinen, darf der Urheber das Werk nachAblauf eines Jahres seit dem Erscheinen anderweitig verviel-fältigen, verbreiten und öffentlich zugänglich machen, wennnichts anderes vereinbart ist. § 38 Abs. 1 S. 2 UrhG erfasstebis zum 31. Dezember 2013 nur das Recht, das Werk ander-weitig zu vervielfältigen und zu verbreiten. Durch eine Ände-rung36 aus dem Jahre 2013 wurde das Zweitverwertungsrechterweitert und auch auf das Recht zur öffentlichen Zugänglich-machung erstreckt. Das Recht zur öffentlichen Zugänglich-machung wird in § 19a UrhG legal definiert, als das Rechtdas Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit ineiner Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern derÖffentlichkeit von Orten und Zeiten ihrer Wahl zugänglichist. Ein öffentliches Zugänglichmachen liegt bei Veröffent-lichungen im Internet vor.37 Nach § 38 Abs. 1 S. 2 UrhG ist esdem Urheber damit grundsätzlich erlaubt, Beiträge aus Zeit-schriften ein Jahr nach deren Erscheinen in das Internet zustellen.

Nach dem Wortlaut des § 38 Abs. 1 S. 2 UrhG gilt dies al-lerdings nur, wenn nichts anderes vereinbart ist. Das Zweit-verwertungsrecht des § 38 Abs. 1 S. 2 UrhG ist abdingbar.38

Aus diesem Grunde ist stets genau zu prüfen, welche Rege-lung der Verlagsvertrag enthält. Eine abweichende Regelungist zum Beispiel, dass der Urheber dem Verlag sämtlicheRechte für die Dauer des Urheberrechts einräumt. Das Urhe-berrecht erlischt nach § 64 UrhG erst 70 Jahre nach dem Toddes Urhebers. Das bedeutet, dass in einem solchen Fall dieRechte an dem Werk bis zu 70 Jahre nach dem Tod des Urhe-bers beim Verlag liegen.

Bei einer anderweitigen Regelung kann der Anwalt beimVerlag anfragen und um Einwilligung zur Zweitveröffentli-chung bitten. Der Autor hat die Erfahrung gemacht, dasspraktisch alle juristischen Verlage mit einer Zweitveröffentli-

chung im Internet nach einem Jahr einverstanden sind. Eini-ge Verlage erlauben allerdings nicht, dass der Anwalt den Bei-trag auf seine eigene Website stellt. Sie veröffentlichen denBeitrag auf einer Seite des Verlags und stellen dem Anwalt ei-nen Link für seine Website zur Verfügung („Autorenlink“).

§ 38 Abs. 4 UrhG enthält eine Sonderregelung für wissen-schaftliche Beiträge, die im Rahmen einer mindestens zurHälfte mit öffentlichen Mitteln geförderten Forschungstätig-keit entstanden und in einer periodisch mindestens zweimaljährlich erscheinenden Sammlung erschienen sind. Der Ur-heber darf solche Beiträge nach Ablauf von zwölf Monatenseit der Erstveröffentlichung öffentlich zugänglich machen,soweit dies keinem gewerblichen Zweck dient. Diese Vor-schrift ist für Fachanwälte regelmäßig nicht relevant, da ihrewissenschaftlichen Publikationen nicht mit öffentlichen Mit-teln gefördert werden.

VIII. Fazit

Das wissenschaftliche Publizieren ist eine hervorragendeFortbildungsmöglichkeit für Fachanwälte, das zudem werbe-wirksam eingesetzt werden kann.

Aufsätze

458 AnwBl Online 2019 Die Fortbi ldung von Fachanwälten durch wissenschaft l iches Publizieren, Lorenz

Dr. Bernd Lorenz, EssenDer Autor ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für IT-Recht,Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht undFachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz beiSchulz Sozien in Essen.

Leserreaktionen an [email protected].

36 Gesetz zur Nutzung verwaister und vergriffener Werke und einer weiteren Änderung desUrheberrechtsgesetzes vom 1.10.2013, BGBl. I 2013, 3728, 3728.

37 Dreier/Schulze/Dreier, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 19a Rn. 6; Dreyer/Kotthoff/Meckel/Hentsch, Urheberrecht, 4. Aufl. 2018, § 19a Rn. 14; Fromm/Nordemann/Dust-mann/Engels, Urheberrecht, 12. Aufl. 2018, § 19a UrhG Rn. 15; Möhring/Nicolini/Götting,Urheberrecht, 4. Aufl. 2018, § 19a UrhG Rn. 3; Schricker/Loewenheim/v. Ungern-Stern-berg, Urheberrecht, 5. Aufl. 2017, § 19a Rn. 54; Wandtke/Bullinger/Bullinger, Praxiskom-mentar zum Urheberrecht, 4. Aufl. 2014, § 19a UrhG Rn. 2, 10.

38 Dreier/Schulze/Schulze (o. Fn. 37), § 38 Rn. 2; Dreyer/Kotthoff/Meckel/Hentsch (o.Fn. 37), § 38 Rn. 3; Fromm/Nordemann/Nordemann-Schiffel (o. Fn. 37), § 38 UrhG Rn. 4;Möhring/Nicolini/Soppe (o. Fn. 37), § 38 UrhG Überblick vor Rn. 1; Schricker/Loewen-heim/Peukert (o. Fn. 37), § 38 Rn. 8; Wandtke/Bullinger/Wandtke/Grunert (o. Fn. 37), § 38UrhG Rn. 1.