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' •. 163 Die Entwicklung von Eigen-Sinn - Transaktionsanalyse-Konzepte in der Karriereberatung Daniela Riess-Beger "The Dreamer"! hieß eine Dokumentation über Thomas Quasthoff, die den Künstler und seinen Werdegang porträtierte. Der Bariton bestreitet Liederabende, übernimmt große Rollen in Opern und singt Jazz, er hat eine Professur an einer Musikhochschule inne und er ist durch Conter- gan an Armen und Beinen behindert. Nichts ließ erahnen, dass dieser Mann eine solche Karriere machen würde. Vielmehr verbrachte er seine Kindheit zu großen Teilen in einem "KZ-ähnlichen Wohnstift für Schwerstbehinderte"? und wurde zu Beginn seiner Laufbahn bei vielen Ausbildungsinstitutionen abgelehnt. Was hat Quasthoff ermöglicht gegen alle Widerstände seinen Berufswunsch zu verfolgen? Welche Kraft hat ihm geholfen, erfolgreich zu sein? Und wie hat er gewusst, dass er singen möchte - singen, und nichts anderes? Klienten mit Anliegen zur Karriereberatung kommen meist in biogra- phischen Übergangsphasen, professionellen Umbruchsituationen oder getrieben durch eine diffuse Unzufriedenheit in ihrem Beruf. Sie suchen etwas, was Thomas Quasthoff gefunden zu haben scheint: Sinn und Erfüllung im Beruf. Ihre Fragen lauten: Will ich so weiter machen? Und wenn nicht, wo will ich hin? Oder auch: Wie kann ich trotz der Not- wendigkeiten und Rahmenbedingungen für meine berufliche Zufrie- denheit sorgen? Unlustgefühle, Langeweile, Überforderung oder Unter- forderung im organisationalen Umfeld sind mögliche Symptome solcher Themen. 1 Thomas Quasthoff: THE DREAMER , DVD 2004 Mit T. Quasthoff, Daniel Baren- boim und Sir Simon Rartle, Regie: Michael Harder 2 siehe ebenda, Umschlagtext der CD

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Page 1: Die Entwicklung von Eigen-Sinn - Transaktionsanalyse ......Der Klassiker: Richard Nelson Bolles: Durchstarten zum Traumjob, 8. aktualisierte Auflage 2007 4 die Einführung von Walter

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Die Entwicklung von Eigen-Sinn -Transaktionsanalyse-Konzepte in derKarriereberatungDaniela Riess-Beger

"The Dreamer"! hieß eine Dokumentation über Thomas Quasthoff, dieden Künstler und seinen Werdegang porträtierte. Der Bariton bestreitetLiederabende, übernimmt große Rollen in Opern und singt Jazz, er hateine Professur an einer Musikhochschule inne und er ist durch Conter-gan an Armen und Beinen behindert. Nichts ließ erahnen, dass dieserMann eine solche Karriere machen würde. Vielmehr verbrachte er seineKindheit zu großen Teilen in einem "KZ-ähnlichen Wohnstift fürSchwerstbehinderte"? und wurde zu Beginn seiner Laufbahn bei vielenAusbildungsinstitutionen abgelehnt. Was hat Quasthoff ermöglichtgegen alle Widerstände seinen Berufswunsch zu verfolgen? WelcheKraft hat ihm geholfen, erfolgreich zu sein? Und wie hat er gewusst, dasser singen möchte - singen, und nichts anderes?Klienten mit Anliegen zur Karriereberatung kommen meist in biogra-phischen Übergangsphasen, professionellen Umbruchsituationen odergetrieben durch eine diffuse Unzufriedenheit in ihrem Beruf. Sie suchenetwas, was Thomas Quasthoff gefunden zu haben scheint: Sinn undErfüllung im Beruf. Ihre Fragen lauten: Will ich so weiter machen? Undwenn nicht, wo will ich hin? Oder auch: Wie kann ich trotz der Not-wendigkeiten und Rahmenbedingungen für meine berufliche Zufrie-denheit sorgen? Unlustgefühle, Langeweile, Überforderung oder Unter-forderung im organisationalen Umfeld sind mögliche Symptome solcherThemen.

1 Thomas Quasthoff: THE DREAMER , DVD 2004 Mit T. Quasthoff, Daniel Baren-boim und Sir Simon Rartle, Regie: Michael Harder

2 siehe ebenda, Umschlagtext der CD

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Ein Gedankenexperiment: Welche Kriterien waren für Ihre Berufsent-scheidung wichtig? Was fühlten, taten und dachten Sie? Welche Ich-Zustände spielten in diesem Prozess eine Rolle? Sind Sie heute zufriedenmit Ihrer Entscheidung?In Beratungen zur Studien- und Berufswahl erlebe ich immer wieder,wie junge Menschen sich mit ihrer Entscheidung plagen. Es ist die erstegroße Lebensentscheidung überhaupt - und der Einfluss der Eltern istenorm - im etablierten Lebensmodell, in den Auffassungen überbestimmte Berufe und über deren Erfolgsaussichten, im vorgelebtenBeruf der Eltern, usf. Meist wollen sich die jungen Leute in dieser ers-ten eigenständigen Lebens-Entscheidung loyal ihren Eltern gegenüberverhalten - oder umgekehrt: sie wollen es auf jeden Fall anders machen.In beiden Fällen sind sie stark beeinflusst von elterlichen Vorbildern. Inihrem Eltern-Ich-Zustand sind Vorstellungen gespeichert darüber, wasErfolg ist, darüber, welcher Beruf sicher ist usf. Auch der Kind-IchZustand ist energetisch stark besetzt: Fragen von Sicherheit, die Angsteinen Fehler zu machen oder die Eltern zu enttäuschen, die fehlende.Innere Erlaubnis, den eigenen Weg zu gehen oder eine Entscheidungspäter zu korrigieren - diese Faktoren können dazu führen, dass sichjemand unfähig fühlt, zu entscheiden, oder ängstlich und unsicher ange-sichts der vielen Möglichkeiten, die sich heute bieten. Andere Dilemma-ta von inneren Vorstellungen und deren emotionale Folgen erlebe ich

Die EntwickLung von Eigen-SinnD. Riess-Beger

Es existieren bewährte Tools, um Klienten bei diesen Fragestellungen zuunterstützen. Karriereberatung baut dabei vorwiegend auf ressourcen-aktivierende und lösungsorientierte Methoden.' Welchen Mehrwert lie-fern Konzepte der Transaktionsanalyse in diesem Kontext? Der folgen-de Beitrag stellt dar, welche transaktionsanalytischen Konzepte in derprofessionellen Karriereberatung hilfreich sind - und macht exempla-risch Einsatzmäglichkeiten deutlich.Beruf und Arbeit sind ein zentraler Bezugsrahmen der Biographie". Waswir arbeiten und wie wir arbeiten prägt unseren Lebenszusammenhang.Arbeit stiftet Identität durch Gruppenzugehörigkeit und sozialen Status,sie formt die Entwicklung von Persönlichkeit und Professionalität, siebeeinflusst mittelfristig Wahrnehmung und Denken eines Menschen.Umgekehrt haben Persönlichkeit und Wertvorstellung eines MenschenEinfluss auf die Berufswahl und Berufsausübung. Welchen Beruf wirergreifen und wie wir diesen Beruf ausüben, ist eng verbunden damit,welche Überzeugungen wir gewonnen haben über Beruf und Erfolg,über Werte und über den Stellenwert von Beruf im Leben.? Das trans-aktionsanalytische Konzept des Skriptsystems'' beschreibt diesen Zusam-menhang der wechselseitigen Beeinflussung und Bestätigung von Skript-überzeugungen und Lebens- bzw. Arbeitsrealität. Wie ein inneres Log-buch bestimmen unsere Einstellungen, Gefühls-, Denk- und Verhaltens-muster, unsere Inszenierungen von Wirklichkeit? professionelle Ent-scheidungen und Karrierewege mit.

WelchenBeruf ichwähle

Wie Ich meinenBeruf ausübe

Was ich mir zutraue Erfolgsvorstellungen

MeinSelbstbild

Erfolgsrezepte

Familientraditionen Männerberufe -Frauenberufe

Abbildung 1: Beruf und Skript: Einflussfaktoren

3 Einen guten Überblick findet man bei Martin Wehrle: Karriereberatung: Menschenwirksam im Beruf unterstützen, 2. aktualisierte Auflage 2011 und Thomas Lang-vonWins, Claas Triebe!: Karriereberatung. Coachingmethoden für eine kompetenzorien-tierte Laufbahnberatung, 2011. Der Klassiker: Richard Nelson Bolles: Durchstarten zumTraumjob, 8. aktualisierte Auflage 2007

4 die Einführung von Walter R. Heinz: Arbeit, Beruf und Lebenslauf. Eine Einführung indie berufliche Sozialisationsforschung, 1995, der besonders die Individualisierung vo'riBerufsverläufen herausarbeitet. Vgl. hierzu S.173 ff den Abschnitt "Berufsbiographieund Persönlichkeitsenrwicklung",

5 siehe hierzu Ute Grabowski: Berufliche Bildung und Persönlichkeitsentwicklung. For-schungsstand und Forschungsaktivitäten der Berufspsychologie, 2007 Die Autorin refe-riert Ergebnisse von Längsschnittstudien, die genau diesen Zusammenhang belegen.Vgl. Kapitel 6.

6 Vgl. Richard Erskine, Rebecca Trautmann: The , Racket System', TA] 9,1, 19797 Schmicl/Gerard, 2012 führen aus, dass Menschen absichtlich oder unabsichtlich zu ganz

bestimmten Wirklichkeiten und Inszenierungen neigen. Sie wählen intuitiv gesteuertSituationen und Menschen und laden zu gemeinsamen Inszenierungen ein, die ihrenNeigungen und Lebensthemen entsprechen." S. 140

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bei Klienten oder (allermeist) Klientinnen, die Familie und Beruf erfolg-reich vereinbaren möchten und eine Führungsposition anstreben. Auchhier kann unbewusst Übernommenes eine Rolle spielen: Das Wort"Rabenmutter", das nur in der deutschen Sprache existiert, gibt einenEindruck von möglichen Eltern-Ich-Vorstellungen. Dem gegenüber ste-hen Ängste und Unsicherheiten sowie Skriptthemen im Kind-Ich-Zustand. Vergleichbar ist die Situation bei Führungskräften oder Fach-kräften, die sich in ihrem Beruf verausgaben, sich unter Druck fühlenund auf ein Burnout zusteuern. Wie sich abgrenzen gegenüber äußerenund (vor allem) inneren Ansprüchen?Eine berufliche Umorientierung ist wie eine Wanderung in unbekann-tem Gelände. Für eine Standortbestimmung ist es wichtig, zu wissen, woich herkomme, wo mein Ziel ist und wie der bisherige Weg weiterge-hen könnte. Erst dann kann ich entscheiden, welchen Weg ich einschla-gen will. TA-Konzepte können bei dieser Bestandsaufnahme auf zweiverschiedenen Ebenen eingesetzt werden: als Analysekonzepte und alszukunftsorientierte Entwicklungstools. Der Mehrwert von Transakti-onsanalyse-Konzepten besteht darin, diese beiden unterschiedlichenAnalyserichtungen - Vergangenheit und Zukunft, Blockaden und Res-sourcen - in eingängigen bildhaften Beschreibungen aufeinander bezie-hen zu können.

- Gibt es in Ihrer Familie so etwas wie eine Tradition von Berufen?(Berufsgenogramm) Hat des etwas mit dem Them; "Zugehörigkeit"zu tun?

Auch die Erforschung von Antreibern und deren Auswirkung auf Per-sönlichkeit und Professionalität gehört in diesen Zusammenhang.Inhalte des Kind-Ich-Zustands lassen sich mit folgenden Fragen explo-neren:- Welche Botschaften haben Sie über Ihre Talente und Fähigkeiten

erhalten?- Gab es Zuschreibungen zu Ihrer Person?- Welche Informationen haben Sie als Kind über Wahlmöglichkeiten

erhalten?- Wie sind Ihre Eltern mit Ihren Ideen und Ihren Träumen umgegan-

gen?- Haben Sie Interesse, Wertschätzung und Ermutigung erfahren für

Ihre Vorhaben?- Durften Sie sich ausprobieren?- Fühlten Sie sich unterstützt auf ihrem eigenen Weg und in ihrer eige-

nen Art, Dinge zu tun??

Als Analyse und Reflexionsinstrument bietet die Transaktionsanalysemit dem Ich-Zustands-Modell eine Sprache, mit der Klienten innereProzesse nachvollziehen, Muster erkennen, Zusammenhänge der Dyna-mik verstehen und beschreiben können. Hier geht es um die Rekonstruktion von Skriptinhalten:Auf der Ebene von Inhalten des Eltern-Ich-Zustands kann erarbeitetwerden, was an Vorstellungen über Arbeit und Beruf übernommen wur-de. Mögliche Fragen sind:- Welche Botschaften haben Sie von Ihren Eltern über Beruf, den Stel-

lenwert von Arbeit und über Erfolg erhalten?- Wie haben Sie Ihre Eltern bei der Arbeit erlebt? Gab es Rollenmus-

ter?

Und: Was haben Sie daraus geschlossen, wie wichtige Bezugspersonenmit Ihnen umgegangen sind? Hier kann es auch um die Erforschung vonGrundbotschaften gehen, die hinderlich im Berufsleben sind - etwa"Werde nicht erwachsen!" oder" Schaff es nicht!" Diese Fragen ermög-lichen es, den intrapsychischen Hintergrund von Entscheidungsproble-men oder Inneren Blockaden zu erfassen. Häufig ist es für Klienten einegroße Erleichterung, mögliche Ursachen zu erkennen und Zusammen-hänge zu verstehen. Dabei ist es nicht notwendig, in aller Breite Kind-heitsgeschichte zu erforschen. Vielmehr ist ein Spezifikum der Transak-tionsanalyse, dass ausgehend von einem aktuellen Thema ganz spezifischein Skriptkontext eruiert wird. Von hier aus können Situationen in derGegenwart beobachtet werden: Wo werde ich angetriggert, in meine.alten Muster (Denken, Verhalten und Gefühle) zu gehen? Auf welcheSignale reagiere ich? Und: Wie könnte ich Alternativen finden? DieseStärkung des Erwachsenen-Ichs im Umgang mit den eigenen Musternist bereits eine Ressource für eine berufliche Neuorientierung.

TAals AnaLyse und Reflexionsinstrument

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TAals Instrument zur Entwicklung von Ressourcen

Mein eigener Weg: Bewusstheit und Klärung im Erwachsenen-IchEin bewusster Umgang mit Skriptfestlegungen stärkt die innere Autono-mie und Fähigkeit, sich zu entscheiden. Es wird möglich, Überzeugun-gen zu überprüfen und sich über eigene Wert-und LebensvorstellungenGedanken zu machen.Welche Überzeugungen gelten für mich heute noch, welche davonmöchte ich übernehmen und welche ablegen? Der stärkenorientierteBlick auch auf dysfunktionale Skriptmuster verändert die Bilanz: Welcheeinmaligen Fähigkeiten habe ich gerade wegen meiner speziellen Situa-tion entwickelt?Welche Ressourcen stecken für mich in diesen Mustern oder welcheFähigkeiten, Kompetenzen usf. könnte ich zukünftig daraus entwickeln?Informationen über das individuelle Möglichkeitsfeld unterstützen die-sen Prozess.

Erlaubnis zur Individualität: Entwicklung von SelbstakzeptanzDie Entwicklung eines akzeptierenden Blicks auf sich selbst und dieeigene Biographie mit ihren Ecken und Kanten eröffnet Kraftfelder undeinen Raum für Kreativität und Wachstum. In der Begrifflichkeit derTransaktionsanalyse wird die Haltung eines positiven fürsorglichenEltern-Ichs sich selbst gegenüber mit Energie besetzt. Je nach individu-eller Geschichte geht es dabei auch um innere Erlaubnisse, wie beispiels-weise die Erlaubnis, eigenen Talenten und Neigungen zu folgen oder dieErlaubnis, sich selbst wichtig zu nehmen. Wesentlich ist für mich iI'1

jedem Fall die Erlaubnis zu experimentieren und ein für sich gedeihli-ches Umfeld zu suchen. Eine experimentierende Haltung erlaubt Ent-wicklung und gegebenenfalls Korrekturen. Sie schützt vor inneren Per-fektionsansprüchen und Vorstellungen von Grandiosität.

VorbilderEine vergleichbare Wirkung in diesem Prozess hat Vergegenwärtigungvon guten Vorbildern. Vorbilder bieten Modelle und innere Bilder, an

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denen Klienten sich orientieren können. Dies können Menschen ausdem persönlichen oder professionellen Umfeld sein, die mit einerbestimmten Eigenschaft, einem bestimmten positiven Kontext odereinem angestrebten Verhalten verknüpft werden. Zu inneren Vor-Bil-dern können auch eigene positiv bewältigte Schritte und frühere Erfol-ge werden, die es auf die aktuelle Situation bezogen nochmals zu verge-genwärtigen gilt - unter dem Fokus: damals habe ich das schon einmalgeschafft, damals habe ich das so gelöst, oder auch: damals hat mir dasgeholfen. usf.

Die Kraft der Inneren BilderEine wesentliche Ressource ist der Kontakt zu den spontanen und natür-lichen Anteilen unserer Persönlichkeit. In der Transaktionsanalyse spre-chen wir von der Energie des "Freien Kind-Ichs": Sie speist sich ausunseren Bedürfnissen und Wünschen und hat viel zu tun mit den unbe-wussten Anteilen des Ichs. Welche Wünsche bewegen mich? Was tueich gerne? Was macht mich zufrieden - innerlich satt? Alleine die Meta-pher des "Freien Kind-Ichs" weckt bei den meisten Klienten eine Füllevon Assoziationen. Um dieses Eigene herauszufinden gibt es verschiede-ne Methoden, die gut mit TA-Konzepten kombiniert werden können:Der Ansatz des Zürcher Ressourcen-Modells setzt auf Projektion vonunbewussten Motiven und Wünschen in äußeren Bildmotiven (z.B. inPostkarten) und bietet einen strukturierten Prozess der Erfassung, krea-tive Methoden wie Malen oder Schreiben gehen davon aus, das sich dasUnbewusste in Formen, Farben, Strukturen mitteilt. Auch andereMethoden der Imagination wie die Arbeit mit Sprachbildern, mitGeschichten, oder mit Methoden wie Phantasiereisen oder Focusingstellen einen Zugang zu unbewussten Ebenen unseres Ichs her. SolcheInneren Bilder" können Antworten geben zu der Frage, ob und wiejemand sich in seiner professionellen Arbeit entfalten kann, ob jemandseine berufliche Identität lebt und weiter entwickeln kann - und ob dieorganisationale Umgebung passend ist und wachstumsfördernd. Sie sind.angereichert mit unbewussten Motiven und Emotionen und sie sindsinn- und werteerfüllt. Sie reichen über die kognitive Ebene hinaus, auchüber das, was wir kognitiv formulieren können. Als Imagination oder·

1698 Vgl. zum Thema der Inneren Bilder Schmid/Gerard, 2012

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reales Bild, als Poesie, als Geschichte - ein Inneres Bild transportiert ver-schiedene nicht bis ins letzte auslotbare Ebenen.? Darin liegt seine Kraft.Aufgabe des Coach ist es, Methoden zur Verfügung zu stellen, um Inne-re Bilder ins Bewusstsein zu rücken und dann deren Gehalt und derenBedeutung für die aktuelle Frage des Klienten sorgfältig zu explorieren.

Eigen-Sinn finden: Worin bin ich einmalig undunverwechselbar?Die Transaktionsanalyse bietet eine Struktur, die es ermöglicht, auf ver-schiedenen Ebenen in ein Karrierecoaching einzusteigen: Neben Analy-setools zu hinderlichen Mustern bietet sich die TA auch für ein ressour-cenorientiertes Vorgehen an: Das Verstehen der eigenen Biographie, derdaraus resultierenden Dynamik und der Stärken ist selbst eine Ressour-ce, sie stärkt die Autonomie des Klienten, seinen Sinn für das Eigene unddas Bewusstsein seiner Einmaligkeit. Die Entwicklung von Selbstakzep-tanz als eine Form von Selbstfürsorge weitet den inneren Raum für Wei-terentwicklung dieses Eigen-Sinns. Der innere Kontakt zum Kind-Ichmit seinen spontanen und freien Anteilen kann als eine Art innererLeitstern dienen, als "Arbeitshypothese" zu der Frage: Worin bin icheinmalig und unverwechselbar? Und worin kommt das zum Ausdruck?Die Stärke von Transaktionsanalyse ist es, ein Modell zu bieten, das die-se verschiedenen Perspektiven vereint.

LiteraturBolles, R. N. (2007). Durchstarten zum Traumjob. 8. aktualisierte Auflage.Lang-von Wins, T. & Triebel, C. (2011). Karriereberatung. Coachingmethoden für eine

kompetenzorientierte Laufbahnberatung. Springer.Richards, D. (1999). Weil ich einzigartig bin. Dem inneren Genius folgen - der eigenen

Stärke Raum geben. Freiburg.Schmid, B. & Gerard, c. (2012). Systemische Beratung jenseits von Tools und Methoden:

Mein Beruf, meine Organisation und Ich.Wehrle, M. (2011). Karriereberatung: Menschen wirksam im Beruf unterstützen, 2. aktua-

lisierte Auflage. Beltz-Verlag.

9 Der Autor Dick Richards prägt für diese inneren Bilder als Ausdruck eines den Men-schen innewohnenden Prinzips den Begriff des Genius. Dieses Prinzip umfasst zugleicheine Gabe und eine Aufgabe. In seinem Buch finden sich einige interessante Fragen undÜbungen, um den Genius aufzuspüren.

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