die entfaltung der krise der deutschen bewegung in ungarn (1930-1932)

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    Die Entfaltung der Krise der deutschen Bewegung in Ungarn (1930-1932)Author(s): Lornt Tilkovszky and V. R. HahnSource: Acta Historica Academiae Scientiarum Hungaricae, T. 26, No. 1/2 (1980), pp. 105-165Published by: Institute of History, Research Centre for the Humanities, Hungarian Academy ofSciencesStable URL: http://www.jstor.org/stable/42555288 .Accessed: 15/06/2014 15:30

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  • Die Entfaltung der Krise der deutschen

    Bewegung in Ungarn (1930-1932)

    Von

    Lornt Tilkovszky

    Die Nationalittenfrage erlangte im sog. Trianon-Ungarn zwischen den beiden Weltkriegen an sich nicht mehr die frhere Bedeutung, denn man hatte nach der Abtrennung der durch grere Massen der Nationalitten besiedel- ten Gebiete den Angaben der Volkszhlung von 1920 zufolge nur insgesamt mit 6,9% deutscher, 1,8% slowakischer, 0,5% kroatischer, 0,3% rumnischer und 0,2% serbischer Bevlkerung zu rechnen. Der Proze der Assimilation der nationalen Minderheiten, die auf diesen zentral liegenden Gebieten des alten Ungarns in Streusiedlungen gelebt haben, und zur berwiegend ungari- schen Mehrheit vielseitige und dauerhafte Kontakte hatten, ist schon in bedeu- tendem Mae vorangeschritten, und zwischen den Trianoner Grenzen war - von den Massen der selbstbewuten und organisierten Nationalitten nunmehr isoliert - eine Fortsetzung dieses Prozesses in sich beschleunigendem Tempo - zu erwarten.

    Die Frage der nationalen Minderheiten von geringerer Zahl und vermin- dertem Selbstbewutsein spielte in Trianon-Ungarn doch eine sehr wichtige Rolle, weil man fr den Schutz der ungarischen Minderheiten der abgetrennten Gebiete bei den Regierungen der Kleinen Entente, bzw. dem Vlkerbund nur auf der Basis einer entsprechenden ungarischen Nationalittenpolitik das Wort ergreifen konnte; nur auf diese Weise konnte erwartet werden, da die abtrnnigem Nationalitten fr die solidarische Zusammenarbeit mit der ungarischen Minderheit, und letzten Endes fr die ungarische Revisions- politik gewonnen werden knnen. Zu all diesem wurde die effektive Unter- sttzung Deutschlands fr unentbehrlich notwendig gehalten, aber um diese zu sichern, reichte nicht aus, da die auch in der, durch die Friedensvertrge von Versailles und Trianon bestimmten Lage zum Ausdruck kommenden Schicks alsgemeinschaft auf Schritt und Tritt betont wurde: die ffentlich- keit der Weimarer Republik, die die Sache der in Minderheitenlage geratenen oder seit langem darin lebenden Deutschen leidenschaftlich lancierte, forderte von der Auenpolitik ihrer Regierungen ein energisches Auftreten im Interesse der Minderheiten in allen Richtungen; trotz des mit Ungarn bestehenden freundschaftlichen Verhltnisses, - wie sie betonten - sogar in dessen In-

    dta Histrica Academiae Scientiarum Hungaricae 26 , 1980

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    teresse, drngte sie auch hier auf die Regelung der Lage der deutschen Minder- heit, auf die Hemmung des Assimilationsprozesses.

    Diese Forderung bereitete der ungarischen Regierung groe Sorgen. Die durch Trianon schockierte ungarische ffentlichkeit sah nmlich in allen na- tionalittenpolitischen Zugestndnissen eine weitere Bedrohung des ver- kleinerten Landes, und manche ungeduldigen, extremen Richtungen der un- garischen Nationalittenpolitik, die eine vollstndige und angestrengt schnelle Magyarisierung der erhaltenen - und sowieso schon stark assimilierten - Nationalitten erwnschten, versuchten diese Stimmung fr ihre politischen Ziele weitgehend auszunutzen. Die Propagierung des Gedankens der ohne Rcksicht auf die Grenzen bestehenden deutschen Volksgemeinschaft auch in Richtung Ungarn, und die kaum verhllten Aspirationen auf gewisse, von Deutschen bevlkerte Gebiete in Ungarn waren um so mehr beunruhigend, weil es im Kreis der Ungarndeutschen eine solche Richtung zustandekam, die durch die Anknpfung an den deutschen Volksgemeinschaft s ge danken die Untersttzung der einflureichen gesellschaftlichen Organisationen Deutsch- lands, die sich mit den Auslandsdeutschen beschftigten, der deutschen Presse, und sogar der offiziellen Diplomatie des deutschen Reiches zu ihrem Kampf fr die Nationalittenforderungen beanspruchte.

    Unter diesen Umstnden ging - nach einer kurzen bergangsperiode nach den 1918 - 1919-er Revolutionen - zwischen 1921 - 1924 die Entstehung der Nationalittenpolitik des sich konsolidierenden gegenrevolutionren Sy- stems vor sich. Das Weimarer Deutschland hielt fr die Bekmpfung des Wi- derstandes gegen die deutschen Minderheitenbestrebungen die Einsetzung unterschiedlicher Mittel des ueren Einflusses fr notwendig. Die durch die Bethlen-Regierung 1923 erlassene Schulverordnung fr die Minderheiten und der 1924 genehmigte Ungarlndischer Deutscher Volksbildungsverein trugen markante Zeichen des Kompromisses, und es war die offene Frage der Zukunft, welche Tendenzen in ihrer Durchfhrung, bzw. Ttigkeit zur entscheidenden Geltung kommen werden.

    In der Periode der ungarischen nationalittenpolitischen Kmpfe zwi- schen 1924 - 1929 kam der seit 1921 sprbare Einflu Deutschlands strker zur Geltung und der Kreis der offenen moralischen und geheimen materiellen Untersttzung fr die Bleyersche Richtung des Ungarndeutschtums wurde erweitert. Entsprechend dem Standpunkt der deutschen Diplomatie durften die drngenden Schritte in nationalittenpolitischer Hinsicht das gute Ver- hltnis zur ungarischen Regierung und persnlich zu Bethlen nicht nachteilig betreffen; in diesem Sinne versuchte man die deutsche Presse, die inoffiziellen gesellschaftlichen Organisationen in Deutschland, die sich mit dem Ausland- deutschen- und unter ihnen auch mit den Ungarndeutschen beschftigten, und nicht zuletzt Jakob Bleyer und Guido Gndisch, die Fhrer der deutschen nationalistischen Bewegung in Ungarn zu beeinfluen - mit wechselndem

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  • Die Krise der deutschen Bewegung 107

    Erfolg. Zwar sehr zgernd und beschrnkt, doch zeigten sich in der Regelung der Schulangelegenheiten, der Beseitigung der Hindernisse im Wege der Orga- nisationsttigkeit des deutschen Volksbildungs Vereins, im Zurckgelangen Bleyers ins Parlament gewisse Ergebnisse. Gleichzeitig wurde seitens der un- garischen Regierung die Anstrengung sichtbar, die uere Einmischung abzu- lenken, und die Bleyersche Richtung in der ungarndeutschen Bewegung ir- gendwie zu kompensieren; - und es meldeten sich auch gewisse Zeichen der Erstarrung im Verhalten Bethlens, hauptschlich wegen der Ausbildung von Nationalittenagitatoren unter Nutzung der deutschen Stipendien, und der Propagandattigkeit deutscher Studenten, die nach Ungarn reisten. Die Opposition begann immer mehr von einer deutschen Gefahr zu sprechen, von einer deutschen Expansion nach Osten, fr die die Bleyersche Richtung eine innere Reserve, eine Hilfsgruppe darstellen knnte. Der Umstand, da die Zusammenarbeit der deutschen Minderheiten mit der Politik gegenber den ungarischen Minderheiten in den Lndern der Kleinen Entente, die als Kom- pensation der nationalittenpolitischen Zugestndnisse in Ungarn betrachtet wurde, bisher nicht verwirklicht wurde, fhrte dazu, da die Nationalitten- politik Bethlens der Einseitigkeit und Sinnlosigkeit beschuldigt, und die Assi- milation der nationalen Minderheiten offen gefordert wurde. Diese Erscheinun- gen deuten etwa im voraus an, da die sog. Krisenjahre auch hinsichtlich der nationalittenpolitischen Kmpfe kritische Jahre sein werden. Die mit wirt- schaftlichen und innenpolitischen Problemen ringende ungarische Regierung mute das Ungarndeutschtum mit gesteigerter Aufmerksamkeit verfolgen, dessen sich nach auen orientierende nationalistische Richtung - trotz der inneren Entzweiung in ihrer Leitung - zunehmende Gefahr darstellte.*

    * ber die Geschichte des ungarlndischen Deutschtums zwischen den beiden Welt- kriegen gibt einen berblick: Lornt Tilkovszky: A nmet irredenta s Magyarorszg . A magyar- orszgi npinmet ( volksdeutsch ) mozgalom tja (Die deutsche Irredenta und Ungarn. Der Weg der Volksdeutschen Bewegung in Ungarn.) Trtnelmi Szemle (Historische Zeitschrift) 1970. No. 3. p. 369 - 396. : - Dasselbe in polnisch: Droga rozwoju ruchu niemieckiej mniejszosci narodowej na Wegrzech. (In: Irredenta niemicka w Europie srodkowej i poludniowowschodniej przed II. wojna swiatowa. Praca zbiorowa pod redakcja Henryka Batowskiego. Katowice - Krakow 1971. pp. 164 - 190.) - In deutscher Sprache: Die deutsche Minderheit in Ungarn in der Zeit des Faschismus vor dem zweiten Weltkrieg. (In: Jahrbuch fr Geschichte der soziali- stischen Lnder Europas. Bd. 15/2. Berlin 1971. pp. 57 - 81.)

    Eine ausfhrliche Bearbeitung des Themas begann Bla Beller, in seinen Studien Az ellenforradalmi rendszer els veinek nemzetisgi politikja (Die Nationalittenpolitik der ersten Jahre des gegenrevolutionren Systems). Szzadok (Jahrhunderte), 1973. No. 6. p. 1279 - 1321. Az ellenforradalmi rendszer nemzetisgi politikjnak kipiilse 1923 - 1929 (Der Ausbau der Nationalittenpolitik des gegenrevolutionren Systems 1923 - 2929). Szzadok, 1973 No. 3. p. 644 - 685, und in seinem Buch: Az ellenforradalom nemzetisgi politikjnak kialaku- lsa (Die Entstehung der Nationalittenpolitik des gegenrevolutionren Systems). Budapest, 1975. Im weiteren kommt er in der Bearbeitung des Themas stufenweise vorwrts: Az ellen- forradalmi rendszer nemcetisgi politikja a vlsg kiszobn , 1930 - 31 (Die Nationalittenpolitik des gegenrevolutionren Systems an der Schwelle der Krise, 1930 - 31). Szzadok, 1977. No. 2. p. 270 - 317. Az ellenforradalmi rendszer nmet nemzetisgi politikjnak vlsga 1932 - 1933

    Acta Histrica Academiae Scientiarum Hungaricae 26, 1980

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  • 108 L. Tilkovszky

    Der Bericht des deutschen Gesandten in Budapest, Hans Schoen vom 15. Februar 1930 untersucht die Umstnde, die das deutsch-ungarische Verhlt- nis belasten, und beschwert sich wegen der ungarischen nationalistischen Presse, die mit der Beschuldigung des Pangermanismus Stimmung gegen Deutschland macht. Diese Presse beanstande die Nationalittenpolitik Beth- lens, die Zugestndnisse mache, und die aber von Deutschland sowieso nicht gewrdigt werde: nach deutscher Auffassung sei die Lage der deutschen Min- derheit unter den Nachfolgestaaten in Ungarn am ungnstigsten. Die ungari- sche Presse tadele die so hufig gewordenen Studienreisen der Reichs- deutschen nach Ungarn, rhre an der Sache der Stipendien fr Ungarn- deutschen zum Studium in Deutschland, und empre sich wegen der sich auf Sopron (denburg) richtenden deutschen Irredenta.1 Gleichzeitig unterstrei- chen die Presseschauen, die in der Nationalittenabteilung des ungarischen Ministerprsidiums angefertigt wurden, die offenen Aussagen der unverndert heftig kritisierenden Artikel der deutschen Presse ber die ungarische Schul- politik in dem Zusammenhang, da Deutschland und das Gesamtdeutschtum ihre Beziehungen zur deutschen Minderheit in Ungarn zu vertiefen, und das Verhalten der ungarischen Regierung ihr gegenber stndig vor Augen zu halten habe. Manche Zeitungen griffen nicht nur die ungarische Regierung, sondern auch Gusztv Gratz an, der - ihrer Meinung nach - als Vertrauens- mann der Regierung an der Spitze des Volksbildungs Vereins war.2

    Die als ideal bewertete deutsche Kulturautonomie in Estland zum Ma- 'tab genommen, waren die deutschen Experten der Frage der deutschen Min-

    (Die Krise der deutschen Nationalittenpolitik des gegenrevolutionren Systems 1932 - 1933). Trtenelmi Szemle, vor Erscheinung.

    Das angefhrte Buch und die Studien Bellrs stellen die ungarische Nationalitten- politik, hauptschlich in deutscher Relation auf die in Ungarn zugnglichen archivarischen und anderen Quellen beschrnkt dar. Dieses Bild kann aber ohne die Erschlieung der diesbezg- lichen deutschen archivarischen Quellen mit hnlicher Grndlichkeit nicht vollstndig sein, denn bereits das Weimarer Deutschland bte - gerade ber die deutschen Minderheiten in Ungarn und in den Staaten der Kleinen Entente - auf die ungarische Nationalittenpolitik, und deren verschiedenen Richtungen bedeutenden Einflu aus. (Vgl. L. Tilkovszky: Natio- nalittenpolitische Richtungen in Ungarn in der gegenrevolutionren Epoche 1919 - 1945 . Buda- pest, 1975). In der auslndischen Geschichtsschreibung dehnt sich Thomas Spira: German- Hungarian Relations and the Swabian Problem 1919 - 1936 , New York, 1977 auch auf einen Teil der bezglichen deutschen archivarischen Quellen aus, aber nicht in der erwnschten Tiefe. Vom Gesichtspunkt der wesentlichen Erweiterung unserer Tatsachenkenntnis ber das Thema, aber hauptschlich der Bereicherung unserer Auffassung ber die Problematik aus schreiben wir der vielseitigeren und grndlicheren Erschlieung dieses Quellenmaterials Bedeutung zu. Diesem Ziel dient auch diese Studie, Teil einer greren Monographie und schliet sich den folgenden Abschnitten an: Nmetorszg s a magyarorszgi nmet kisebbsg 1921 - 1924 (Deutschland und die ungarlndische deutsche Minderheit 1921 - 1924). Szzadok, 1978. No. 1. p. 3 - 48. Nmetorszg s a magyar nemzetisgpolitika 1924 - 1 929 (Deutschland und die ungarische Nationalittenpolitik 1924 - 1929).Trtnelmi Szemle, 1980. No. l.p. 52-90. 1 .Politisches Archiv des Auswrtigen Amtes (FA AA), rol. Abt. 11. Ung. Politik z. (Politische Beziehungen Ungarns zu Deutschland). Bd. 3. Bericht Schoens, Budapest, d. 15. Februar 1930. 2 Magyar Orszgos Levltr (OL) (Ungarisches Staatsarchiv), Miniszterelnkseg (ME) (Ministerprsidium), Nemzetisgi osztly (NO) (Nationalittenabteilung) 19. . 5007/1930.

    Acta Histrica Aeademiae Seientiarum Hungaricae 26, 1980

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  • Die Krise der deutschen Bewegung 109

    derheiten wegen der Stagnation der ungarndeutschen Bewegung sehr unzu- frieden, und obwohl sie dafr auch grundstzlich selbst die ungarische Politik verantwortlich machten, erwiesen sie auch in Bleyers Auffassung solche - und zwar grundlegende - Momente, in denen sie die Hindernisse eines ener- gischeren Auftretens gegenber der ungarischen Regierung, sowie der befriedi- genden Entfaltung der Bewegung sahen. Die Studie Bleyers unter dem Titel Nation, Volk, Nationalitt in der Zeitschrift Nation und Staat im Februar 1930 nahm den Standpunkt ein, da das Ungarndeutschtum im politischen Sinne Teil der ungarischen Nation sei, daneben, da es ethnisch - also seiner Ab- stammung, seiner Sprache und Kultur nach - ohne Rcksicht auf die politi- schen Grenzen, organischer Teil des einheitlichen deutschen Volkes sei; seine Nationalitt sei also aufgrund der obigen objektiven Kriterien deutsch, unabhngig davon, ob es sich dazu bekenne. Er hielt die Anwendung des sub- jektiven Kriteriums der Zugehrigkeit zur Nation unter den ungarischen Ver- hltnissen, im Hinblick auf die Schwche des deutschen nationalen Selbst- bewutseins fr gefhrlich.3

    Diese Studie Bleyers wurde von den namhaften Theoretikern der deut- schen Volkswissenschaft (Johannes Schmidt- Wo dder, Kurt Stavenhagen, Paul Schiemann) stark kritisiert, und der sich von Bleyer seit Sommer 1929 immer mehr abwendende Guido Gndisch schmiedete aus ihr gerade eine Waffe gegen- ber seinem Rivalen. Er erinnerte daran, da Bleyer die Annahme des un- garischen Nationbegriffes von Anfang an als mit dem deutschen Volkstum vereinbar verkndete, und diese Zwitterstellung in seiner Rede bei der Gene- ralversammlung des Volksbildungs Vereins am 20. August 1928 besonde7 s prgnant zum Ausdruck brachte: Wir sind hundertprozentige Deutsche, wie welche Deutsche immer in der Welt, aber wir sind auch hundertprozentige Ungarn, ungarische Patrioten, wie welche Rassenungarn immer. Dies mag von auen her, mag vielleicht Deutschen und Ungarn wie ein Widerspruch erscheinen, aber fr unsere Vorfahren war es und fr uns ist es eine geschichtlich gewordene unzerstrbare Gegebenheit.4 Gndisch teilt diese Meinung Bleyers nicht, seiner Meinung nach ist derjenige ein richtiger Hermaphrodit, der sowohl das Eine, wie das Andere voll und ganz sein will. In den National- staaten und denjenigen die es sein wollen, ist es falsch, zu behaupten, da man dem Staat gegenber dieselben Gefhle haben kann, ob man zur Mehr- heit oder zu einer Minderheit gehrt. Bleyers Auffassung zeuge davon, da es sich seiner Meinung nach im Falle der Ungarndeutschen nicht um eine tatschlich regelrechte nationale Minderheit, sondern um eine Mittelschicht handelt, wie es die Windischen in Krnten, die Masuren in Ostpreuen, oder die Waliser in England sind. Fr eine solche schwache Minderheit ist es

    3 Nation und Staat, 1929/1930. p. 283 - 293. J. Bleyer: Nation, Volk, Nationalitt. 4 Sonntagsblatt, d. 26. August 1928. Die fnfte Generalversammlung des UDY.

    Acta Hi*toriea Academiae Scientiarum Hungaricae 26, 1980

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  • 1 10 L. Tilkovszky

    aussichtslos, Nationalittenrechte nach Bleyers Weise zu fordern; das subjek- tive Kriterium der Zugehrigkeit zu einer Nationalitt, das Nationalitten- selbstbewutsein abschtzend. Nur mit dessen Steigerung, mit der Kraft der Willensuerung der Nationalitt kann man auf die Regierung und das Mehr- heit s volk erfolgreich Wirkung ausben.5

    Fr die Entwicklung des nationalen Selbstbewutseins der Ungarndeut- schen htte Gndisch die wirtschaftliche Organisierung fr am geeignetesten gehalten, die die materiellen Interessen dieser hauptschlich buerlichen Be- vlkerung vor Augen hielte, und griff Bleyer an, weil er die Bewegung allzu sehr auf die kulturellen Bestrebungen beschrnkt habe. Er meinte, durch eine Wirtschaftshilfe von der Bewegung sei das Selbstbewutsein schneller und effektiver zu erziehen, als wie es Bleyer durch die Schaffung und Entwicklung des ungarndeutschen Volkes mache.

    In seinem Beitrag auf der Sitzung des wissenschaftlichen Ausschusses der Mnchner Deutschen Akademie am 19. Januar 1930 sprach Bleyer - wie es das Protokoll zeigt - davon, da die Wissenschaft reine Wissenschaft bleiben msse, da ihre Ttigkeit aber mittelbar und unmittelbar politische Auswirkung haben msse, wenn sie das Volkstum frdern wolle. Im Anschluss an die Meinung Karl Loeschs betonte er, da das Sdostdeutschtum, ber dessen Notlage er eine umfassende Darstellung gab, von einem gewissen Minder- wertigkeitsgefhl zu befreien sei; es msse z.B. bewut gemacht werden, da die Vertreibung der Trken zu 9/10 eine deutsche Leistung war, und ohne sie wre das Ungartum sicherlich zugrunde gegangen. Auch solche Arbeiten mssen angeregt werden, die die deutsche Kulturleistungen in den einzelnen Lndern vorstellen wrden. Es wre zweckmig, zuerst zusammenfassende Werke zu schaffen und sie dann als Ausgangspunkt fr Einzeluntersuchungen zu bentzen. Dabei mu von Aufgaben ausgegangen werden, fr die die geeig- neten Leute als Bearbeiter vorbanden sind. Bei der Finanzierung der Arbeiten durch die Deutsche Akademie mahnte er auf Vorsicht; es wre nicht erwn- schenswert, die Herkunft des Geldes uerlich erkennbar werden zu lassen.6

    Mit Hilfe der finanziellen Untersttzung, die Bleyer anllich seiner Verhandlung im Februar 1929 in Deutschland erworben hat, leitete er die wissenschaftliche Zeitschrift der Ungarndeutschen (Deutsch-ungarische Hei- matsbltter) und eine populre Serie (Volksschriften des Ungarlndischen Deutschen Volksbildungs Vereins) ein.7 Die wissenschaftliche Zeitschrift sicherte den Forschungen Raum und Perspektiven, deren erste Ergebnisse

    5 Bundesarchiv (BA), Schriftennachla von Hans Steinacher. Bd. 48 (1930 - 1932). Fall Bleyer- Gndisch. 6 BA, Schriftennachla von Karl Haushofer, 918 a. - Protokoll ber die Sitzung des wissenschaftlichen Ausschusses der Deutschen Akademie am 19. Januar 1930. 7 Anton Tafferner: Donauschwbische Wissenschaft. In: Donauschwbische Lehrer- und Forschungsarbeit 1947 - 1972. Mnchen, 1973. p. 70.

    Acta Histrica Academiae Scientiarum Hungaricae 26, 1980

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  • Die Krise der deutschen Bewegung 111

    ber die deutschen Dialekte in Rumpfungarn (Heinrich Schmidt), Siedlungs- geschichte (Rogerius Schilling) und Statistik (Johann Schnitzler) der von Bleyer zusammengestellte Band im Vorjahr verffentlichte.8 Die Zeitschrift rechnete auch mit der Zusammenarbeit junger reichsdeutscher Forscher, die von zu Hause Stipendien fr krzere-lngere Studienreisen bekommen haben, und unter Bleyers Leitung auf den von Deutschen bewohnten Gebieten Ungarns forschten.9 Von der Verffentlichung ihrer Ergebnisse in Ungarn bzw. Deutsch- land erwartete Bleyer, da sie den Ungarndeutschen zur Selb st kennt nis verhelfe und zum Selbstbewutsein erziehe, und in Deutschland das In- teresse fr sie und die Bereitschaft fr ihre Untersttzung strke. Die populre Publikationsserie vermittelte in erster Linie Kenntnisse praktischen Nutzens: aus der Feder Nikolaus Bitteras' und Max Alberts erschienen landwirtschaft- liche, Agidius Faulstichs medizinische, Franz Kubachs, Peter Jekels und Guido Gndischs juristische Ratgeber-Hefte, und diese praktische Linie wurde durch die Verffentlichung von schwbischen Erzhlungen und Volksliedern aus Transdanubien, sowie eines historischen und volkskundlichen Lesebuches nur etwa ergnzt.10

    Bleyer, der als Wissenschaftler der Wissenschaft auch vom Gesichts- punkt der Bewegung aus zweifelsohne grere Bedeutung zuschrieb, als der praktischer denkende Advokat, Gndisch, war hauptschlich auf wissenschaft- lichem, kulturellem Gebiet in seinem Element, unterschtzte aber in der Tat die Bedeutung der wirtschaftlichen Organisierung nicht. Sein prinzipielles Einverstndis in dieser Frage kann von Anfang an erwiesen und verfolgt wer- den, er war aber davon berzeugt, da die kulturellen, hauptschlich die das Schulwesen betreffenden Forderungen der Ungarndeutschen - trotz der sprbaren Schwierigkeiten - mit geringerem Widerstand zu rechnen haben, als ihr Streben nach eigenen deutschem Wirtschaftsorganisationen, die For- cierung der letzteren wrde aber auch auf die Aussichten der kulturellen For- derungen ungnstig auswirken. Aus diesem Grunde war er zweifelsohne vor-

    sichtig gegenber jenen, sich bereits in der zweiten Hlfte der 20-er Jahre meldenden Plnen, da die Bewegung eine Wirtschaftskanzlei errichten sollte, die durch weitgehende Bedienung der Wirtschaftsinteressen Deutschlands zur selbstndigen wirtschaftlichen Organisierung der Ungarlndischen Deut- schen die uere Untersttzung sichern wrde.

    Der diesbezgliche, von Peter Jekel ausgearbeitete Entwurf betonte nach auen hin, fr die Gewinnung der leitenden Kreise Deutschlands, da die Politik der Bethlen-Regierung die deutsch-ungarischen Wirtschaftsbezie- hungen, die durch die deutsch-ungarische Handelskammer nicht ganz den

    8 Das Deutschtum in Rumpfungarn. Hrsg. von J. Bleyer. Budapest, 1928. 9 Otto- Albrecht Isbert, Erich Walz, Otto Faas, Gottlob Schuon, Gottlob Holder, usw. lc Hans Gttling: Aus Vergangenheit und Gegenwart des deutschungarischen Volkes. Budapest, 1930.

    Acta Histrica Academiae Scientiarum Hungaricae 26, 1980

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  • 112 L. Tilkovszky

    deutschen Interessen entsprechend vertreten werden, damit bedroht, da sie in den Hintergrund gedrngt werden, und die amerikanischen, englischen, fran- zsischen Beziehungen die Oberhand gewinnen und sogar den Staaten der Kleinen Entente Zugestndnisse gemacht werden men. Die leitenden Wirt- schaftskreise Deutschlands wurden - mangels eines entsprechenden Organs - ber die fr sie nachteiligen wirtschaftlichen Entwicklungen in Ungarn: die krftige Entwicklung der Textilindustrie, den Ausbau der Mhlenindustrie, des Handelshafens in Csepel mit fremdem Kapital nicht rechtzeitig informiert. Eine zu errichtende Deutsche Wirt schaft skanzlei knnte ber die Gestaltung der Aufnahmekapazitt des ungarischen Marktes, ber Einfuhr und Ausfuhr, ber Zollfragen regelmige Wirtschaftsmeldungen an zustndige Zentral- organe vermitteln. Mit Hilfe der Kanzlei knnten den reiche deutschen Firmen allerlei Begnstigungen zuteil werden, und sie knnte spter fr die reichs- deutschen Unternehmen in Ungarn eine solche Atmosphre herstellen, an welche sie sich in Deutschland angepasst haben. Sie knnte zu den Prozessen auch Hilfe juristischer Natur gewhren. Zum Leiter dieser Kanzlei hat Jekel, der seiner Abstammung nach ein Siebenbrger Sachse war, sich selbst empfoh- len, und betonte, da er dank seinem 27-j hrigen staatlichen Dienst zu den ungarischen Ministerien hervorragende Kontakte habe. Der eigentliche Wirt- schaftexperte wre ein Ungarn deutscher Orientation, Imre Mihlyi, der Rechts- berater Guido Gndisch, ebenfalls siebenbrgisch-schsischer Abstammung, mit riesiger Praxis.11

    Unter den Umstnden der Wirtschaftskrise, deren Auswirkung die ungarndeutsche Bevlkerung - trotz ihrer im allgemeinen relativ gnstigeren wirtschaftlichen Situation - stark gesprt hat, lie Bleyer der Argumentation nach, die auf wirtschaftliche Organisierung gedrngt hat, und stimmte der Errichtung der Wirtschaftskanzlei zu. Aufgabe dieser Wirt schaft skanzlei war es, die deutschen Bauern bei ihrer Wirtschaftsfhrung zu beraten und ihnen bei der Beschaffung und Verwendung von Dngemitteln, landwirtschaftlichen Maschinen, Saatgut, Zuchtmaterial, usw. behilflich zu sein. Um den Einklang mit den Wirtschaftsint er essen Deutschlands zu sichern, wurde fr den tat- schlichen Leiter der Wirt schaft skanzlei jener Heinrich Khler gewonnen, der - unter anderem mit geheimer materieller Untersttzung des Berliner Auswrtigen Amtes - die hiesige Kunstdngeraktion reichsdeutscher che- mischer Unternehmen gelenkt hat, im Laufe deren die Ungarn besuchenden Gruppen der deutschen Studentenschaft die reichsdeutsche Wirtschaftspropa- ganda zielbewut dazu nutzten, das ungarndeutsche Bauerntum zum natio- nalen Selbstbewutsein zu erziehen. Wie Bleyer dem Budapester Botschafter sagte, legte er auf diese Arbeit Khlers umso greres Gewicht, als bisher alle

    11 BA, R 57 (neu) 1155. Heft 1. Dr. Jekel: Entwurf zur Errichtung einer Deutschen Wirtschaftskanzlei in Budapest (Ohne Datum).

    Acta Histrica Academias Scientiarum Hungaricae 26, 1980

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  • Die Krise der deutsehen Bewegung 113

    Versuche, dem ungarlndischen Deutschtum auch in wirtschaftlichen Dingen behilflich zu sein, fehlgeschlagen seien und er auch unter seinen Mitarbeitern ungarischer Staatsangehrigkeit niemanden habe, der ber die erforderlichen Kenntnisse und die ntige Energie verfge, um diese Arbeit mit wirklicher Aussicht auf Erfolg durchzufhren. Auf seine Anregung siedelte sich Khler ab 1. April 1930 dauerhaft in Budapest an, scheinbar als Berichterstatter der Wirtschaftszeitung Deutscher Landwirt. Die ungarische Regierung durfte aber Verdacht geschpft haben, denn Ministerprsident Bethlen beanstandete die von unter dem Vorwand der Studienreisen oder anderen Vorwnden nach Ungarn kommenden reichsdeutschen Studenten durchgefhrte Propaganda, und nannte vor Gesandte Schoen ausdrcklich die Kalidngungsversuche auf deutschen Siedlungsgebieten. Dem Bericht des Gesandten zufolge: Graf Bethlen meinte, da es fr die magebenden ungarischen Stellen schwer sei, solche Gruppen, ohne den Eindruck von Schikane zu erwecken, an der Grenze zurckzuweisen, da er aber hoffe, da die Reichsregierung doch Mittel finden werde, solche Reisen zu verhindern.12

    Als am 13 - 14. Mai eine ungarische Delegation unter der Leitung des einstigen Ministers Gyula Pekr in Berlin, im Rahmen der gemischten Arbeits- kommission fr die Besprechung der Probleme gemeinsamen Interesses ver- handelte, und die Sache der Kaliaktion auch aufgeworfen hat, stellte ein Delegationsmitglied, Staatssekretr Tibor Pataky ein erworbenes Referat ber eine Sitzung der schsischen Studentenorganisationen vor, bei der darber berichtet wurde, da es unter dem Deckmantel von Dngungsversuchen ge- lungen sei, in ungarischen Drfern bei dem dortigen Deutschtum politische Deutschtumsarbeit zu verrichten und dabei die ungarischen Behrden irrezu- fhren. Dieser Fall, der bewiesen hat, wie gut die ungarische Regierung in- formiert sei, berraschte Gesandten Schoen, hat ihn aber gleichzeitig davon berzeugt, da er Berlin Pataky gegenber nicht umsonst schon im voraus auf die grte Vorsicht mahnte und darum bat, da ber seine Person auer den Mitgliedern der deutschen Delegation auch die Leiter der Deutschtums- verbnde, Karl Loesch, Hilmar Bussche-Haddenhausen, Karl Georg Bruns streng vertraulich informiert werden. ber Gusztv Gratz, der an der Delega- tion ebenfalls teilnahm, uerte er eine solche Meinung, da er sich in letzter Zeit mehr als bisher fr die deutsche Frage einsetzt, aber weiterhin darauf heikel sei, da kein deutscher Versuch unternommen werde, um sich in un- garische innere Angelegenheiten einzumischen. Aus diesem Grunde bat er nachdrcklich um die vorherige Warnung der mit ihm in Kontakt geratenden deutschen Herren: Exzellenz Gratz wei selbstverstndlich nichts von den geldlichen Untersttzungen, die der Volksbildungsverein aus dem Reiche hlt.13

    11 PA AA, Pol. Abt. II. Ung. Politik 6. (Nationalittenfrage), Bd. 7. Bericht Schoens, Budapest, d. 26. Mai 1930. 18 PA AA, Pol. Abt. II. Ung. Politik 6. Bd. 7. Bericht Schoens, Budapest, d. 7. Mai 1930.

    8 Acta Histrica Academiae Scientiarum Hungaricae 26 , 1980

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  • 114 L. Tilkovsiky

    Das Auftreten der ungarischen Regierung gegen die Kaliaktion machte Bleyer vorsichtig: er erlaubte vorlufig nicht, da die unlngst erschienene Arbeit Khlers Von der Landwirtschaft in Sd-Ungarn, mit besonderer Bercksichtigung des ungarlndisch-deutschen Bauerntums herausgegeben vom Stuttgarter Deutschen Auslandsinstitut, in der die Erfahrungen von vier Jahren zusammengefat wurden, - in Begleitung von aus deutscher Sicht fachkundigen, aber aus ungarischer Sicht beanstandbaren Bemerkungen - durch seine Bewegung verbreitet wird.14 Fr dieses Verhalten Bleyers wurde in Deutschland wenig Verstndnis gezeigt, und mit den bei ihm nun beanstan- deten Anschauungs- und theoretischen Fehlern in Zusammenhang gebracht, wurde Bleyer von Fritz Wertheimer in der Zeitschrift des Stuttgarter Insti- tuts; Dem Auslandsdeutschen angegriffen.15 Viele Diskussionen erregte die ungarische Bestrebung, die im Laufe des praktischen Ausbaus der drei - die Muttersprache im Unterricht in verschiedenem Mae gebrauchenden - r Typen der ungarlndischen deutschen Minderheitenschulen berall zum Aus- druck kam, da anstatt der Schulen des Typs A (wo die ungarische Sprache nur als obligatorischer Lehr gegenstnd unterrichtet wurde), oder des Typs B, wo die Gegenstnde teilweise in deutscher, teilweise in ungarischer Sprache unterrichtet wurden, hchstens Schulen des Typs errichtet wurden, in denen die Unterrichtssprache ungarisch war, und die deutsche Sprache nur als ver- bindlicher Lehrgegenstand gelehrt wurde. Die im Vergleich zur Lage im Som- mer 1928 (49 Schulen des Typs A, 98 des Typs B, 316 des Typs C) fr 1929 (49, 119, 292) und spter fr 1930 (47, 134, 273) zustandegekommenen Verr hltnisse entsprachen nicht dem Versprechen der ungarischen Regierung, die deswegen auch aus Deutschland stark kritisiert wurde, da sie die Proportio- nen allmhlig verbessere, und jhrlich 40 - 50 Schulen des Typs zum Typ umgestalte. Noch dazu wurden nicht nur Schulen des Typs zum Typ umgestaltet, sondern auch die des Typs A angerhrt, und die Verminderung der Zahl der Schulen des Typs geschah nicht nur durch die Umstellung auf Typ B, sondern einige wurden vollstndig zu ungarisch unterrichtenden Schulen er- klrt. Auf diese Weise nahm die Zahl der deutschen Minderheitenschulen auch insgesamt ab (i.J. 1928 463, i.J. 1930 454).16

    Die grte Schwierigkeit wurde dadurch verursacht, da sich die katho- lische Kirche, die die berwiegende Mehrheit der Schulen aufrechterhielt, vor der Durchfhrung der auch im Hinblick der staatlichen und Gemeindeschulen in groen Widerstand gestoenen Umorganisation, aus gewissen berlegungen verschlossen hat, und man konnte im voraus wissen, da bis 1930/31 der

    14 Heinrich Khler: Von der Landwirtschaft in Sd-Ungarn, mit besonderer Berck- sichtigung des ungarlndisch-deutschen Bauerntums. Stuttgart, 1930. 15 Der Auslandsdeutsche, Julinummer 1930. p. 467. 16 Bellr, Bla: Az ellenforradalmi rendszer nemzetisgi politik j a a vlsg kszobn (1930 - 1931) (Die Nationalittenpolitik des gegenrevolutionren Systems an der Schwelle der Krise (1930-1931). Szzadok, 1977. No. 2. p. 289.

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  • Die Krise der deuJchen Bewegung 115

    Fortschritt auf dem Gebiet der Erweiterung des gemischtsprachigen Unter- richt sozusagen unmglich werde, wenn die Regierung die katholische Kirche nicht zur Vernderung ihres ablehnenden Verhaltens berreden kann Der Aufruf von Kultusminister Kuno Klebelsberg an Frstprimas Justinian Serdi im Jahre 1929 blieb vllig wirkungslos, und auch Bethlen betonte vor Bleyer und Gr atz, die die Angelegenheit betrieben haben, da die Regierung fr die Beeinflussung der Kirche nur sehr wenig Mglichkeiten habe.17 Deshalb begann Bleyer schon 1929 die Mobilisierung der katholischen Kreise Deutsch- lands im Interesse der Einwirkung auf die ungarische katholische Kirche. Diesem Ziel diente sein Beitrag zum Katholikentag in Freiburg im Breisgau im selben Jahr,18 und auch seine Artikel in der deutschen Presse brandmark- ten das Verhalten jener Kirchen als tief evangeliumswidrig, die auch selbst die Entnationalisierung bewirken.19 Anlsslich seines Deutschlands-Besuches im Januar 1930 suchte er im Berliner Auswrtigen Amt Staatssekretr Bernhard Blow auf, mit dem er die Lage des Ungarndeutschtums ein- gehend diskutierte.20

    Gratz und Bleyer, die im Februar 1930 mit Bethlen und Pataky ber die Schulangelegenheiten verhandelt haben, drngten auf ein energisches Auftreten der ungarischen Regierung. Bleyer argumentierte damit, da wegen dem Verhalten der ungarischen katholischen Kirche auch bereits das deutsche Episkopat sich aus rein kirchlichem Interesse ber diese Frage zu beunruhigen beginne. Er zog in Zweifel, da die Regierung keine Mglichkeit htte, das Benehmen der Kirche zu verndern, und wie er sagte, es sei zu hoffen, da die ungarische Regierung den Einflu, den sie durch die Gewhrung finanzieller Zuschsse an die Konfessionen ausbe, dahin geltend machen werde, da auch die Geistlichkeit sich den Intentionen des Grafen Bethlen anpasse. Aufgrund des Berichts Bleyers meldete Gesandter Schoen, da Graf Beth- len selbst auf die Mglichkeit der Entziehung der Staatszuschsse an die katholischen Schulen hingewiesen hat,21 in der Tat versuchte aber der Minister- prsident protestantischer Konfession mit besonderer Sorgfalt zu vermeiden, da seine innenpolitischen Schwierigkeiten durch die Verschrfung des Ver- hltnisses zur mchtigen katholischen Kirche erhht werden.

    Bei einer weiteren Verhandlung ber das Schulwesen am 30. Mai, an der seitens der Regierung auch Staatssekretr des Ministerprsidiums Klmn Darnyi teilnahm, wurde der Beschlu gefat, da Kultusminister Klebelsberg eine weitere briefliche Aufforderung an den Frstprimas richten solle.22

    17 OL ME NO B. 24. C. 8134/1934. 18 Hedwig Schwind: Jakob Bleyer. Mnchen, 1960. p. 119. 19 J. Bleyer: Minderheitenschicksal im Lichte des Katholizismus; Oberschlesischer Kurier, d. 23. Oktober 1929. 20 PA AA, Pol. Abt. II. Ung. Politik 6. Bd. 7. Bericht Schoens. Budapest, d. 7. Mai 1930 (Rckblick). 21 Ebenda. - Vgl. H. Schwind z.W. p. 134 - 135. 22 OL ME NO B. 24. C. 8134/1934.

    8* Acta Histrica Academiae Scientiarum Hungaricae 26 , 1980

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  • 116 L. Tilkovszky

    Bethlen seinerseits sprach persnlich mit Serdi. Dem Bericht des Gesandten Schoen zufolge, htte der in politischen Fragen uerst vorsichtige Frst- primas dem Ministerprsidenten gesagt, da das Anliegen der Umstellung af den Unterricht mit gemischter Unterrichtssprache seitens der Bischofs- konferenz - und besonders deren Mitglieder deutscher Abstammung - in einen heftigen Widerstand gestoen habe. Sie befrchten nmlich, da in diesem Falle die katholische Geistlichkeit in den Ruf des Mangels an Patrio- tismus kommen wrde, zumal sie in dieser Beziehung gegenber der aktiveren reformierten Geistlichkeit einen schweren Stand habe. Serdi, der anschlie- end bereit war, Bleyer zu empfangen, und sich auch die Beschwerden im Zusammenhang mit der Sprache des Religionsunterrichts und des Gottes- dienstes anhrte, knpfte seine Zustimmung zu den unterbreiteten Wnschen an die Bedingung, da Bleyer den Ministerprsidenten berrede: in einem besonderen Schreiben an den Frstprimas die politische Verantwortung fr eine entgegenkommendere Haltung gegenber den Minderheiten zu ber- nehmen. Bethlen dachte natrlich mit keinem Gedanken daran, einen solchen Brief zu schreiben.23

    Bleyer fate Anfang 1930 den Gedanken ber geeignete, an den im Som- mer jenes Jahres flligen jubilarischen Sankt-Emerich-Feierlichkeiten teilneh- menden deutschen katholischen Persnlichkeiten- und geistlichen und Politiker von hohem Rang - in vorsichtiger Weise unter Hervorhebung rein kirchlicher Gesichtspunkte - auf den Frstprimas einzuwirken. Seinen Plan hat er mit Hans Steinacher eingehend besprochen, der im Frhjahr in Budapest eintraf. Steinacher beaufsichtigte damals - als Angestellter des Preuischen Mini- steriums des Innern - einerseits die Bewegungen der damals noch unter fran- zsischer Besetzung stehenden Rheinlandes, andererseits beschftigte er sich mit der Untersttzung der Volksdeutschen Bewegungen auerhalb der Gren- zen Deutschlands. Da Bleyer den Eindruck hatte, da Bethlen, der den Fort- schritt in der Schulangelegenheit der deutschen Minderheit hinsichtlich der Freundschaft Deutschlands aus auenpolitischem Interesse fr nummehr schon unentbehrlich hielt, diese uere katholische Beeinflussung des Frstprimas eigentlich nicht mibilligen wrde, hat er vor dem Ministerprsidenten diese Absicht auch nicht verheimlicht. Dieser machte tatschlich keine Einwen- dungen, und den von Bleyer rhrenden Informationen des deutschen Gesand- ten zufolge, stimmte er dazu ausdrcklich zu.24

    Unter dem Titel Die Lage der deutschen Minderheit in Ungarn und die katholische Kirche fate Bleyer in einem Memorandum datiert vom 28. Juni 1930 - die Ergebnisse jener, durch den Volksbildungsverein erstellten

    Erhebungen zusammen, die auch die groangelegte Hinausdrngung der

    23 PA AA, Pol. Abt. II. Ung. Politik 6. Bd. 7. Bericht Schoens, Budapest, d. 13. August 1930. (Rckblick): Die Minderheitenfragen und die ungarischen kirchlichen Stellen. 24 Ebenda.

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  • Die Krise der deutschen Bewegung 117

    deutschen Muttersprache aus dem Religionsunterricht in der Schule und ihre Beseitigung bei den Gottesdiensten erwiesen, und verschickte diese an leitende katholische Persnlichkeiten in Deutschland und an den Reichsverband fr das Katholische Auslanddeuschtum;25 am selben Tag bedrngte er Bethlen, die Regelung dieser beschwerlichen Situation anzutreiben.26 Im Juli reiste dann Bleyer nach Deutschland, um seine, mit den Sankt Emerich-F eierlich- keiten in Ungarn zusammenhngend geplnte Aktion mit persnlichen Ver- handlungen unmittelbar vorzubereiten. Mit Steinachers Hilfe trat er mit dem Klner Erzbischof, Karl Joseph Schulte, mit dem Aachener Bischof, Strter und vor allem mit Prlat Ludwig Kaas, Vorsitzender der katholischen Zentrum- Partei in Verbindung. Wie er nach seiner Heimkehr Gesandten Schoen erzhlte, fand er berall auf Verstndnis, doch wurde ihm mitgeteilt, da im Hinblick auf die, fr September ausgeschriebenen Wahlen in Deutschland mit der Teilnahme der leitenden katholischen Politiker der Zentrum-Partei an den Budapester Sankt-Emerich-Feierlichkeiten im August nicht zu rechnen sei, und es sei vorlufig ungewi, wann und wie die erwnschte Beeinflussung geltend gemacht werden knne.27 Anstatt der mit Wahlsorgen beschftigten Vertreter des politischen Katholizismus Deutschlands kam die Anwesenheit entsprechender sterreichischer Persnlichkeiten bei den erwhnten Buda- pester Jubilumsfeierlichkeiten zu einer greren Rolle; auch der einstige sterreichische Kanzler, Prlat Ignaz Seipel nahm durch seinen Besuch im Volksbildungsverein jedenfalls fr die Sache der ungarndeutschen Minder- heit Stellung.28

    Der Jiili- Reise Bleyers nach Deutschland, im Laufe deren er mit Steinacher auch verrichtet hat, da der Verein fr das Deutschtum im Ausland im Wert von 1000 Mark - als Geschenk des Bonner katholischen Buchvertriebsvereins Borromus hingestellt - Bcher an die Zentralbibliothek und die Volks- bibliotheken des Volksbildungsvereins verschicke,29 folgte im August eine weitere Fahrt nach Deutschland: er nahm an der Tagung des Stuttgarter Deut- schen Auslandsinstituts vom 28. an teil. Auf Wunsch des Gesandten Schoeii und auf Vermittlung des Auswrtigen Amtes kam es dann zur Ausshnung Bleyers, den die Kritik Wertheimers sehr gekrnkt hat, und den Eindruck hatte, da er aus Deutschland nicht entsprechend untersttzt werde, und durch die seine Auffassung und Politik berhrenden Kritiken sogar seine Situation der ungarischen Regierung und Gesellschaft gegenber geschwcht werde. Prof.

    25 Anton Tafferner: Die katholischen Donauschwaben in Ungarn 1918 - 1945. (In: Die katholischen Donauschwaben in den Nachfolgestaaten 1918 - 1945 im Zeichen des Natio- nalismus. Freilassing, 1972. p. 40. *e OL Me NO B. 24. C. 8134/1934. 11 PA AA, Pol. Abt. II. Ung. Politik 6. Bd. 7. Bericht Schoens, Budapest, d. 13. August 1930. M F. H. Riedl: Seipel und das Sdostdeutschtum. - Sdostdeutsche Vierteljahres- bltter, 1974. No. 1. p. 47. 29 BA, Schriftennachla Hans Steinachers. Bd. 48. Steinachers Schreiben an Bleyer, Berlin, d. 12. Juli 1930.

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  • 118 L. Tilkovszky

    Bleyer - meldete der Gesandte - befinde sich augenblicklich in einem schweren Kampf, der an seine Energie und an seine Nerven die grten Anforderungen stelle und den er im wesentlichen allein und ohne Hilfe durchkmpfen msse.30

    In der Mobilisierung der ungarischen ffentlichkeit gegen Bleyer und seine Bewegung spielte rpd Glcsy, der zu den Rassenschtzlern nahe stand, eine zentrale Rolle. Dem Bericht des Budapester deutschen Gesandten zufolge mute er zwar politisch nicht allzu ernst genommen werden, weil dies auch magebende ungarische Stellen nicht taten, doch hatte er durch den Verband der Gesellschaftlichen Vereinigungen (auf ungarisch: Trsadalmi Egyesiiletek Szvetsege = TESz) und dessen Organ Nemzeti Figyelo (Na- tionaler Beobachter) bedeutenden Einflu, gar nicht gesprochen von seiner

    hfig verbreiteten lithographischen Serie, deren Exemplare an die Adresse

    jedes ungarischen Politikers, Zeitungsredakteurs regelmig verschickt wurden. In diesen befinden sich zahlreiche Entlarvungen, ehrenrhrig scharfe

    Angriffe, die fr weitere feindliche Artikel, Beitrge Material liefern. Bleyer leitete schon im Sommer 1929 einen Presseproze gegen Glcsy ein, nach dem er ein innerer Feind unpatriotischen Verhaltens und ein Abenteurer im Sold fremder Mchte sei. Als Gegenbeweis wollte er vor dem Gericht erschlieen, was fr eine Propaganda er in seiner Eigenschaft als Minister fr Nationali-

    ttenangelegenheiten (1919 - 1920) im Auftrag und aus dem Geld der ungari- schen Regierung betrieben habe, und mit wem er in dem Schutz bzw. fr die

    Rckgewinnung der territorialen Integritt Ungarns verhandelt habe, und als Zeugen wollte er alle ungarischen Politiker vorladen, mit denen zusammen und im Einvernehmen er seine Ttigkeit ausgefhrt habe. Der Ministerrat behandelte seine wiederholten Eingaben um die Aufhebung der Amtsver-

    schwiegenheit am 13. Dezember 1929 und am 13. Juni 1930, und schlielich

    verweigerte der Beschlu des Reichsverwesers Horthy am 22. Juni die Zu-

    stimmung aus Staatsinteresse.31 Die Angriffe gegen Bleyer wurden auch in- zwischen nicht unterbrochen, unlngst erschienen in der Zeitung Pesti Hirlap (Pester Zeitung) ihn anschlagnde Artikel aus der Feder des Rassenschtzlers Nndor Urmnczy und Miklos Gmbs (Vetter von Gyula Gmbs). Fr diese Auftreten stellte der im Oktober 1929 zum Landesverteidigungsminister er- nannte Gyula Gmbs eine gewisse Sttze dar. Sein Aufruf an die Offiziere der Armee fr die Magyarisierung ihrer Namen, die die ungarische ffentlich- keit im allgemeinen gnstig aufnahm, hat bei den Fhrern des Deutschtums ernste Befrchtungen ausgelst, weil die Erweiterung der Aktion zweifellos eine wachsende Erschwerung des Fortkommens der ungarlndischen Deut- schen bedeutet.32

    30 PA A, Pol. Abt. II. Ung. Politik 6. Bd. 7. Bericht Schoens, Budapest, d. 13. August 1930. Prof. Bleyer und die deutsche ffentlichkeit. 31 OL ME Protokolle des Ministerrates, am 13. Juni 1930. (Punkt 35.) 32 PA AA, Pol. Abt. II. Ung. Politik 6. Bd. 7. Bericht Schoens, Budapest, d. 13. August 1930. Die Angriffe der ungarischen ffentlichkeit gegen Bleyer.

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  • Die Krise der deutschen Bewegung 1 19

    Der Bericht des deutschen Gesandten am 13. August 1930 fand beng- stigend, da die letzte Unterredung Bleyers und Gratzs mit Ministerprsident Bethlen - (Zeitpunkt wurde nicht erwhnt) - nicht in dem gleichen freund- schaftlichen Ton gefhrt worden sei, wie das bisher der Fall gewesen war, sie mute vorzeitig abgebrochen werden, und zur versprochenen Fortsetzung sei es trotz mehrmaliger Betreibung nicht gekommen.33 Bethlen hat sich unter dem Einflu der Meldungen der zustndigen Obergespane sehr kategorisch gegen die Ttigkeit deutscher Agitatoren in den deutschbewohnten Gebieten Ungarns ausgesprochen. Reichsdeutsche Studenten berfluteten nmlich im Sommer 1930 die ungarndeutschen Drfer in besonders groer Zahl, interessierten sich fr den Sprachgebrauch in der Schule und Kirche, und verrichteten dort nationale Selbstbewutseinsarbeit.34 Und dann aufgrund der Informationen, die der in einem Berliner Studentenheim (Kpenickheim) seitens des Deutsch- tums in Rumnien (Sathmr-Gebiet) untergebrachte Georg Heidenhofer (mit echtem Namen Jeno Fehr) an ungarische Stellen ber den dortigen Geist und die Ausbildung geliefert hat, erklrte der Ministerprsident endgltig: Die weitere Gewhrung von Stipendien an ungarlndische Deutsche zum Studium in Deutschland aus deutschen Mitteln kann nicht mehr zugelassen werden. Bleyer hat erwidert, da er sich unter diesen Umstnden von einer Einflunahme auf der Stipendienverteilung zurckziehen werde, hat aber keiii Hehl daraus gemacht, da die Stipendienverteilung ihren Fortgang nehmen werde. Bleyer teilte spter Gesandten Schoen mit, da nun der Sach- bearbeiter der Stipendienangelegenheiten, Franz Rothen demnchst nach Berlin fahren werde, um dort mit dem Auswrtigen Amt und der Vereinigten Stipendienfrsorge darber zu verhandeln, in welcher Form die Fortsetzung der Stipendienverteilung ermglicht werden knne. Jedoch werde Rothen die Verhandlungen auf eigene Verantwortung fhren, so da Bleyer gegebenenfalls in der Lage sei, ihn zu desavouieren.35

    Im Zusammenhang mit dieser Situation schrieb Bleyer an Gratz: Ich glaube von Tag zu Tag weniger an die Mglichkeit der friedlichen Lsungunserer Frage. Was fr eine Konsequenz hingegen davon gezogen werden mte, ist vor mir berhaupt nicht klar. Ich grble Tag und Nacht und zerbreche mir ununterbrochen den Kopf. Da er seine Augen auch diesmal nach Deutsch- land richtete, stellt sich auch von seinem Brief an Professor Aloys Schulte heraus: In erster Linie mssen wir uns darum bemhen, da man im Reich ber unsere Bestrebungen und Kmpfe wei, denn dies bedeutet eine starke

    83 PA AA, Pol. Abt. II. Ung. Politik 6. Bd. 7. Bericht Schoens, Budapest, d. 13. August 1930. Die Minderheitenfrage und die ungarische Regierung. 34 OL ME NO B. 24. C. 8616/1934. 36 PA AA, Pol. Abt. II. Ung. Politik 6. Bd. 7. Bericht Schoens, Budapest, d. 1. Oktober 1930. Die Frage der Stipendien fr ungarlndische Deutsche zum Studium in Deutschland.

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  • 120 L. Tilkovszky

    moralische Untersttzung fr uns.36 Gratz hingegen, der wegen der Kompro- mittierung seiner Rolle fr die berechtigten deutschen Forderungen stark niedergeschlagen wurde, nachdem Bethlen zwei seiner Briefe gar nicht beant- wortet hat, in denen er um Gehr gebeten hat, begann sich mit dem Gedanken zu beschftigen, vom Prsidium des Volksbildungs ver eins abzudanken. Ge- sandter Schoen wurde wegen einem eventuellen tieferen Grund der intransi- genten Verhaltung Bethlens durch sehr ernste Befrchtung erfllt: Ich mchte vorlufig nicht annehmen, da es sich hier um eine politische Schwenkung handelt, wenn auch Graf Bethlen infolge des wachsenden internationalen An- sehens Ungarns in der letzten Zeit vielleicht glauben mag, in der Frage des ungarlndischen Deutschtums nicht mehr ganz soviel Rcksicht nehmen zu mssen, wie bisher.37

    Zwischen dem 3. und 6. September 1930 wurde in Genf der VI. Kongre der nationalen Minderheiten Europas abgehalten, an dem auch Bleyer teil- nahm, in der Vertretung der ungarlndischen deutschen Minderheit. Der Kongre behandelte unter anderem die Frage der Verffentlichung der Be- richte der europischen nationalen Minderheiten ber ihre Lage in einem Sam- melband, und von dem Redakteur des Bandes, dem Generalsekretr des Kongresses Ewald Ammende, bernahm Bleyer die Anfertigung des Berichtes ber die Lage der Deutschen in Ungarn. Die Zurcksetzung von Gratz bei die- ser Arbeit hat Bleyer vor dem Budapester deutschen Gesandten damit be- grndet, da er ihn von der eventuellen Verantwortung befreien wollte.

    Der Beiicht soll keinerlei Anklage gegen den Staat darstellen, sondern von der objektiven Darstellung der Tatsachen soll sich die Anklage von sich selbst ergeben, - hie die Anweisung Ammendes an die Erstatt er der Lage- berichte. Bleyer sah auch trotz dieser Bedingung eine Mglichkeit dafr, da er unter Betonung seiner Entschlossenheit zur unverhllten Erschlieung der tatschlichen Lage auf die ungarische Nationalittenpolitik einen gewissen Druck ausbe. Dazu verschuf er sich dadurch ein Forum, da er in den Rumen der ungarischen Vertretung in Genf eine Besprechung mit den Fhrern der ungarischen Minderheiten in den Staaten der Kleinen Entente anregte, die an dem Band Ammendes ebenfalls interessiert waren, durch ihre Berichte ber die Lage der ungarischen Minderheit in der Tschechoslowakei, in Rumnien und Jugoslawien.

    Bei der Besprechung habe Bleyer - wie er spter dem Budapester deut- schen Gesandten berichtete - die Lage des ungarlndischen Deutschtums absichtlich etwas schwrzer als die Wirklichkeit gemalt, und stellte fest, da sich in keiner Periode der ungarischen Geschichte gegenber den deutschen Minderheiten strkere Magyarisierungsbestrebungen fhlbar gemacht htten

    86 H. Schwind: z.W. p. 143. 17 PA AA, Pol. Abt. II. Ung. Politik 6. Bd. 7. Bericht Schoens, Budapest, d. 13. August 1930.

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  • Die Krise der deutschen Bewegung 12t

    wie damals. Hinsichtlich des Gebrauches der Muttersprache sei die Situation in der Schule und Kirche unhaltbar. Mit dem Grafen Bethlen knne man ber diese Fragen nicht sprechen, da er fr die Vertreter der deutschen Minderheit keine Zeit habe; auch der Frstprimas suche Entscheidungen auszuweichen. Auerdem suche sich letzterer hinter den Grafen Bethlen, und dieser hinter den Frstprimas zu verschanzen. Bisher seien diese Vorgnge dank des Ver- haltens der Fhrer des ungarlndischen Deutschtums dem Auslnde im allge- meinen verborgen geblieben. Dies werde nicht mehr lange der Fall sein kn- nen, und dann wrde die ungarische Regierung jede moralische Basis verlieren, um sich fr die ungarischen Minderheiten in den abgetrennten Gebieten ein- zusetzen. Er, Bleyer, werde den von ihm seitens der Tagung der europischen Minderheiten geforderten Bericht ber das ungarlndische Deutschtum er- statten. Auf vllig objektive Weise werde er jene, fr die ungarische Regierung gnstige Tatsache zugeben, da die Deutschen Ungarns in ihrer wirtschaft- lichen Bettigung, im Gegensatz zu der Behandlung der ungarischen Minder- heiten in den brigen Nachfolgestaaten, z.B. was Bodenreform, steuerliche Behandlung, wirtschaftliche Frderung, usw. anbelange, nicht behindert wrden. Er werde aber die auf sprachlichem und kulturellem Gebiet herr- schende unhaltbare Situation nicht verschweigen. Den Entwurf des Berichts werde er vorher dem ungarischen Ministerprsidium zur Kenntnis bringen. Sollte er aber an der Absendung des Berichts verhindert werden, so wrde ein Vertreter der deutschen Minderheit eines der Nachbarlnder Ungarns an seiner Stelle die Berichterstattung ber das ungarlndische Deutschtum bernehmen.

    Die bei der Besprechung anwesenden Vertreter der ungarischen Regierung (Gesandter Lszl Gajzg, Gesandtschaftsrat Zoltn Baranyai, Ministerial- rat Tibor Pataky) haben zu den Ausfhrungen Bleyers nicht Stellung genom- men. Pataky hat sich darauf beschrnkt, zu erklren, da er dem Grafen Beth- len Bericht erstatten werde. In der Vertretung der ungarischen Minderheit in der Tschechoslowakei ergriff Gza Szllo das Wort. Er setzte sich Bleyer ent- gegen und stellte die Berechtigung der deutschen Bewegung in Ungarn kate* gorisch in Frage. Er erklrte, er sei fr die Assimilation des ungarlndischen Deutschtums, und die ungarische Nationalittenpolitik msse die Wnsche des deutschen Reiches nicht besonders bercksichtigen. Die Vertreter der ungari- schen Minderheit in Rumnien (Elemr Jakabffy, Arthur Balogh) hingegen grenzten sich von Szllos Meinung ab, und betonten, da der Bericht Bleyers auch den Ungarn in Rumnien zugute kommen werde, da sich diese immerhin gegenber der rumnischen Regierung auf die wirtschaftliche Gleichstellung des ungarlndischen Deutschtums in Ungarn berufen knnten.38

    88 PA AA, Pol. Abt. II. Ung. Politik 6. Bd. 7. Bericht Schoens, Budapest, d. 1. Oktober 1930. Vertrauliche Besprechungen Prof. Bleyers mit den Vertretern der ungarischen Regierung und der ungarischen Minderheiten in Genf.

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  • 122 L. Tilkovszky

    Die Vertreter der ungarischen Minderheit in Jugoslawien waren nicht anwesend, da sie infolge Paverweigerung nicht rechtzeitig beim Kongre der Minderheiten in Genf erscheinen konnten. Anwesend war hingegen Imre

    Prokopy, der einstige Obergespan von Szabadka, der bekannte Unterzeichner der beim Vlkerbund eingereichten Beschwerde ber die Lage der ungarischen Minderheit in Jugoslawien. Nach seiner Rckkehr nach Budapest machte

    Prokopy eine Reihe von Besuchen bei ungarischen Politikern, bei denen er die

    Frage des ungarlndischen Deutschtums ganz im Sinne von Bleyer besprochen und insbesondere darauf hingewiesen hat, da eine Lsung dieser Frage die

    Voraussetzung fr die ungarischen Ansprche bezglich der Behandlung der

    ungarischen Minderheiten in den Nachfolgestaaten sei. Er sprach unter anderem mit Oliver Ettevenyi, geschftsfhrendem Direktor der Ungarischen Gesell- schaft fr auswrtigen Angelegenheiten (Magyar Klgyi Trsasg), Jzsef Vszi, Chefredakteur der Pester Lloyd, Tihamr Erody- Harr ach, Parlaments-

    abgeordneter. Diese htten seiner Auffassung angeblich alle zugestimmt, wag- ten aber ihre Meinung nicht auch ffentlich zu vertreten, damit sie nicht riskieren mssen, als Vaterlandsverrter gebrandmarkt zti werden. Anders wre die Lage, wenn Graf Bethlen sich seinerseits energisch dafr einsetzte, sie mssen aber erfahren, wie schwer es sei, den Weg in dieser Frage - wie

    brigens auch in anderen lebenswichtigen Fragen der ungarischen Politik -

    zum Grafen Bethlen zu finden, und diesen im Sinne einer rascheren und voll-

    stndigeren Lsung zu beeinflussen.39 Ministerprsident Behlen und der deutsche Reichsauenminister Julius

    Curtius, die sich im Zusammenhang mit der Tagungsperiode des Vlkerbundes im September 1930 in Genf aufhielten, hielten am 11. September eine Bespre- chung ab. Im Laufe deren berreichte ihm Curtius eine Einladung nach Deutsch- land, wobei er in Aussicht stellte, da neben den offiziellen Verhandlungen ber

    allgemeine Fragen der Politik und des Handels auch die Aufnahme der dauer- haften Kontakte in der Minderheitenfrage geschaffen wird. Bethlen nahm die

    Einladung entgegen, schlug aber in letzterer Relation seinerseits vor allem die Zusammenarbeit der deutschen und ungarischen Minderheiten der Nachfolge- staaten vor. Curtius versprach, mit den Fhrern der deutschen Minderheiten in Kontakt zu treten und nach ihrer Meinung zu fragen: inwiefern halten sie

    gemeinsame Aktionen fr mglich.40 Bleyer, der Gesandten Schoen beruhigte, da der Bericht auf Ammendes

    Aufforderung zwar kritisch, aber vllig wahrheitsgetreu und im Gegensatz zu seinen Genfer Darlegungen ganz unpolemisch gehalten sein werde, erfllte sein Versprechen. Er hat aber nicht nur die polemische Schrfe, sondern auch

    39 PA AA, Pol. Abt. II. Ung. Politik 6. Bd. 7. Bericht Schoens. Budapest, d. 14. Novem- ber 1930. Nachwirkung der Genfer Besprechungen Prof. Bleyers. 40 PA AA, Pol. Abt. II. Ung. Politik 2A (Gegenseitige Besuche) Bd. 1. Curtius'Tele- gramm ans Reichskanzleramt, Genf, d. 11. September 1930.

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  • Die Krise der deutschen Bewegung 123

    die nachdrcklichere Hervorhebung der Ungarn zugute kommenden Momente unterlassen - wie der auf wirtschaftlichem Gebiet genossenen gleichen Be- handlung, was er in seinen Genfer Darlegungen in Aussicht stellte. Sein Bericht, den die Gesandtschaft im Hinblick auf den bevorstehenden Berliner Besuch Bethlens dem Auswrtigen Amt am 29. Oktober verschickte,41 gab die Zahl der Deutschen in Ungarn nach der ungarischen Volkszhlung von 1920 be- kannt, wobei bemerkt wurde, da sie in Wirklichkeit hher anzusetzen sei. Er stellte fest: Die Deutschen in Ungarn genieen die gleichen brgerlichen und politischen Rechte. Nachteiliger Unterschied zeigt sich in den Fragen der Sprache und Kultur zwischen nationaler Minderheit und Staatsvolk. Die Schulfrage ist in dieser Hinsicht das wichtigste. Zwecks Heranbildung von Lehr- krften fr den deutschsprachigen Unterricht in vier staatlichen und je einer konfessionell-katholischen und konfessionell-evangelischen Lehrer bzw. Lehre- rinnenbildungsanstalten; die wchentliche Stundenzahl sollte von zwei auf vier erhht werden. Seit drei Jahren wird jhrlich ein zweiwchiger Weiterbildungs- kursus fr je 70 aktive Lehrer der deutschen Volksschulen veranstaltet. Er machte mit den drei Schultypen in den Volksschulen der deutschen Gemeinden Ungarns bekannt; deren zahlenmige Verteilung stellte er nach einem amt- lichen Ausweis aus dem Jahr 1928 vor, da seit 1928 ein amtlicher Ausweis ber die Verteilung der Typen in den einzelnen Gemeinden nicht verffentlicht wurde. Er erwhnte, da die Deutschen auch keine Brger- und Mittelschulen haben; in Sopron (denburg) und Umgebung wurde aber im Winter 1929/30 und 1930/31 ein landwirtschaftlicher Kursus in deutscher Sprache abgehalten. In bezug auf die Kindergrten und die dreijhrigen Wiederholungsschulen, sowie im Rahmen des Jungmannschaftsinstituts Levente komme die deutsche Muttersprache nicht zur Geltung. Der organisatorische Aufbau der Kirchen in Ungarn kenne keine Gliederung nach der nationalen Zugehrigkeit der Glubigen; die Unterrichtssprache der durch sie aufrechterhaltenen Schulen und ihre ganze nationale Einstellung sei ausschlielich ungarisch. Die Reli- gion werde fast in der Hlfte der Schulen der deutschen Gemeinden in ungari- scher Sprache unterrichtet. Schuljugend und die Jungmannschaft werden zur Anteilnahme an solchen Messen verpflichtet, in denen ungarisch gebetet, ge- sungen und gepredigt werde. Der Bericht erwhnt im weiteren den deutschen Y olksbildungsverein und die hufige Verhinderung seiner Organisationsttig- keit in der Provinz, sowie, da der deutsche Studentenverein noch nicht ge- nehmigt wurde. Er brachte zum Ausdruck, da der unmittelbare kulturelle Verkehr mit dem deutschen Muttervolk im Sinne der Volks- und Kultur- gemeinschaft nicht zustandegebracht werden knne, obwohl auch die ungari- schen Minderheiten der Nachfolgestaaten eine solche Beziehung zum ungar- lndischen Muttervolk bei den Genfer Nationalittenkongressen beanspruch-

    41 PA AA, Pol. Abt. II. Ung. Politik 2A. Bericht Schoens. Budapest, d. 29. Oktober 1930.

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  • 124 . Tlkovszky

    ten. Im Zusammenhang mit dem Appell zur Magyarisierung der Familien- namen von Landesverteidigungsminister Gmbs an die Offiziere der ungari- schen Armee nahm der Bericht so Stellung, da er eine interne magyarische Angelegenheit sei, weil er nur solche ungarischen Staatsbrger betreffe, die sich bereits bewut als Magyaren bekennen, es wre aber beschwerlich im Falle, wenn nmlich volksbewute Staatsbrger deutscher Nationalitt oder ihre Kinder zur Namensmagyarisierung gezwungen wren. Dann geht der Bericht darauf ein, da der Gebrauch der Muttersprache in Betreff des mnd- lichen Verkehres weiter fortgeschritten sei, als in Betreff des schriftlichen Ver- kehres. Das Gesetz ber die Sicherstellung der Kenntnis der Minderheiten- sprache bei ffentlichen Amtern wirkt sich praktisch wenig aus. Abschlieend stellte der Bericht fest, da das Deutschtum in Ungarn, obgleich die Erfllung seiner Wnsche zum groen Teil noch austehe, bisher unterlassen habe, eine eigene politische Partei zu grnden, sondern hat sich den verschiedenen ungari- schen Parteien angeschlossen.42

    Die deutsche Gesandschaft in Budapest wurde im Herbst 1930 besonders auf das steigende Einflu der Sozialdemokratischen Partei auf den von Deut- schen bewohnten Gebieten aufmerksam.43 Die Partei kritisierte die Nationali- ttenpolitik der Bethlen-Regierung, forderte den Unterricht in Mutterpsrache in den Schulen, und den Gebrauch der Muttersprache in den Behrden, vor dem Gericht und in den Selbstverwaltungsgremien. Durch die Untersttzung der berechtigten Forderungen der deutschen Minderheit stellte sie eine linke Alter- native gegenber der rechtsgerichteten im Zwist mit der Regierung immer mehr nach uerer Hilfe blickenden Bewegung Bleyers.44 Gleichzeitig begannen aber, durch den groen Wahlsieg der Partei Hitlers im September aufgemuntert, die sich schon meldenden ungarischen nationalsozialistischen Bewegungen ihr Netz auch auf die ungarlndische deutsche Bevlkerung auszuwerfen. Die Ungarische Nationalsozialistische Partei von Gza Szuts und Miklos Csoms wandte sich an die Fhrung der NSDAP fr deutschsprachige Propaganda- mittel: Plakate, Programme, Flugbltter und Bcher.45

    Die Vorbereitungen der Ende 1930 flligen zehnjhrlichen Volkszhlung erspannten bereits in den Herbstmonaten die Atmosphre; die Anhnger der

    42 Die Nationalitten in den Staaten Europas. Sammlung von Lageberichten des Euro- pischen Nationalittenkongresses. Wien - Leipzig, 1931. p. 332 - 338. 43 PA AA, Pol. Abt. II. Ung. Pplitik 5. (Innere Politik) Bd. 4. Bericht Benzlers, Buda- pest, d. 11. September 1930. - Dem Bericht zufolge, den bei der Konferenz der deutsch- sprachigen Sozialdemokraten am 7. September 1930. Pter Bechtler der Partei unterbreitet hat, nahm die Zahl der Parteimitglieder in den deutschsprachigen Gebieten seit dem letzten Jahr um 25% zu. Prttrtneti Intzet Archivuma. (Archiv des Instituts fr Parteigeschichte), 658. fond. Gr. 1. 41.

    44Vilmos Zuschlag: A Bethlen-kormny tzves kultrpolitikja nemzetisgi szem- pontbl (Die zehnjhrige Kulturpolitik der Bethlen-Regierung aus Nationalittensicht). Szocializmus, 1930. No. 8. p. 243 - 246. 45 BA, NS 26. (Hauptarchiv der NSPAP, Mnchen), 692 Dieser Versuch, die Kontakte mit der NSDAP aufzunemen, blieb erfolglos.

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  • Die Krise der deutschen Bewegung 125

    Assimilation leiteten gegen die Nationalittenbestrebungen eine groe Kam- pagne ein. Die Bewegung Bleyers des Pangermanismus beschuldigend traten sie auch den berechtigten Nationalittenansprchen gegenber unerbittlich auf. Miklos Gmbs drngte auf eine landesweite Aktion, damit der deutsche Volksbildungs verein, der die Umstellung der Schulen mit seit 30 - 40 Jahren ungarischer Unterrichtssprache auf gemischte Unterrichtssprache antriebe, seine ungarnfeindliche und vaterlandsverrterische Ttigkeit unverzglich einstelle. Der Munizipalausschu des Komitats Esztergom - Komrom unter- breitete Bethlen auf den Vorschlag des pensionierten Generals Jzsef Szvs- Waldvogel ein protestierendes Schreiben in diesem Sinne, und rief alle Komitate des Landes zum entsprechenden Verhalten auf. Die Abgeordneten Zoltn Mesk und Zoltn Lengyel organisierten einen Verein fr die vielseitige gesellschaft- liche Propagierung der Namensmagyarisierung.46

    Fr den 12. November 1930 wurde die Hauptverhandlung des Presse- prozesses Bleyers gegen Glcsy ausgesetzt. Da er mangels der Aufhebung der Amtsverschwiegenheit keine Mglichkeit hatte, seine patriotischen Verdienste gegenber den Erklrungen Glcsy s auf die vorgestellte Weise zu belegen, mute er von der Anklage zurcktreten. Bleyer lie aber durch seinen Rechts- vertreter beantragen, die Gerichtsakten der Staatsanwaltschaft zu berweisen, damit diese gegebenenfalls ein Verfahren gegen ihn einleiten knne, wenn jene das ihm zugeschriebene unpatriotische Verhalten vorliegen sehe. Dem Bericht des Budapester deutschen Gesandten zufolge habe er sich durch diesen ge- schickten Schritt feine gnstige Position geschaffen, weil das Gericht entschie- den hat, da es diese berweisung der Akten an die Staatsanwaltschaft fr berflssig halte.47

    Inmitten der groen Stimmungsmacherei gegen die deutsche Minder- heitenbewegung und deren Wirkung widerspiegelnd ist die ablehnende Ant- wort von Frstprimas Serdi am 20. November 1930 aufs Schreiben von Kultus- minister Klebeisberg entstanden: in bezug auf die Umstellung der Schulen des Typs auf Typ seien die kirchlichen Behrden bereit, zu verfahren, nur wenn sie durch die knigliche ungarische Regierung direkt gepret werden, denn sie knnen sich nicht leisten, da der ungarische Katholizismus eventuell mit unpatriotischer Einstellung gebrandmarkt werde.48

    Die geplanten deutschen Lese- und Lehrbcher fr die - wesentlich wenigeren - Minderheitenschulen, die durch den Staat aufrechterhalten wurden, sind bis zum Ende 1930 erschienen. Zu deren tatschlichem Gebrauch ist es aber wegen dem Widerstand der rtlichen Schulbehrden und Schul- erhalter nur in einem, sehr geringen Mae gekommen, umso mehr, weil diese

    46 Nation und Staat 1930/1931. p. 111 - 112, 269 - 270. Die Lage. Ungarn. 47 PA AA, Pol. Abt. II. Ung. Politik 6. Bd. 7. Bericht Schoens, Budapest, d. 14. Novem- ber 1930. Presseproze Bleyers. 48 OL ME NO B. 2. C. 8134/1934.

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  • 126 L. Tilkovszky

    durch das Ministerium fr Kultur und Unterricht nicht verbindlich vorger schrieben wurden. Unabhngig davon drngte die ungarische Regierung mit Berufung auf diese Minderheitenlehrbcher auf die Ausgabe entsprechender Bcher fr die ungarischen Minderheiten in den Nachbarlndern.49

    Das gegenseitige Verhltnis der deutschen und ungarischen Minderhei- ten hat sich in den Staaten der Kleinen Entente auch weiterhin nicht vern- dert. Der grte Erfolg, der die Zusammenarbeitsanstrengungen der Fhrer der ungarischen Minderheit in Rumnien gekrnt hat, war, da die schsi- schen Fhrer im Herbst 1930 in Brasov (Kronstadt), bereit waren, sich einmal zum gemeinsamen weien Tisch zu setzen. Sie betonten gegenseitig ihre brder- lichen Gefhle und gaben der Hoffnung auf einen einvernehmlichen Fort- schritt Ausdruck. Die Schwaben in Rumnien waren nicht einmal zu einem solchen Schritt bereit, und Bleyer hob besonders vor dem Budapester deutschen Gesandten ihre Solidaritt mit den ungarlndischen Schwaben hervor: sie wrden sich auf Verhandlungen mit den Fhrern der ungarischen Minderheiten wohl nur einlassen, wenn sie von Bleyer selbst hrten, da die Frage des un- garlndischen Deutschtums befriedigend gelst sei. Dasselbe beziehe sich auf die Schwaben in Jugoslawien. Deshalb habe er aufgeworfen, es wre auch ntzlich und vielleicht notwendig, da er persnlich zu den Verhandlungen zwischen den ungarischen und den deutschen Minderheitenvertretern in den Nachfolgestaaten ber ein gemeinsames Vorgehen hinzugezogen wrde? Gesandter Schoen schlug dem Auswrtigen Amt vor, diesen Vorschlag zu ber- legen, und mit dem nach Berlin erwarteten Bethlen in diesem Sinne zu ver- handeln.50

    Es erweist sich bereits aus dem Gesprchsentwurf fr die Berliner Ver- handlungen des Ministerprsidenten, was fr eine groe Bedeutung Bethlen der Frage zuschrieb, da sich die deutsche Minderheit in den Staaten der Kleinen Entente mit der Mehrheit nicht gegen die Ungarn zusammentue, und sich nicht feindlich gegenber den ungarischen Revisionsbestrebungen verhalte. Sonst knne keine freundliche Atmosphre gegenber Deutschland in der ungarischen ffentlichkeit vorgestellt werden. Gewie deutsche Organi- sationen stimmen die deutschen Minderheiten der Nachfolgestaaten trotzdem gegen die Ungarn, wobei sie sich auf die unbefriedigende Lage der ungarlndi- schen deutschen Minderheit berufen. Das ungarlndische Deutschtum sei keine Urbevlkerung (wie die Deutschen in Bhmen), sondern eine Minderheit kolonisten Charakters. Durch ihre Ansiedlung habe es die ungarischen Verhlt- nisse freiwillig bernommen, und lebte Jahrhunderte lang gut unter diesen, wobei sein deutsches Wesen bewahrt wurde, und die Ungarndeutschen sich zu

    49 Gnther Berka: Die Deutschen in Ungarn. (In: Das Deutschtum des Sdostens im Jahre 1930. Graz, 1931) p. 101. 50 PA AA, Pol. Abt. II. Ung. Politik 6. Bd. 7. Bericht Schoens, Budapest, d. 14. Novem- ber 1930. Mglichkeiten eines Zusammengehens der Fhrer der deutschen und der ungarischen Minderheiten.

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  • Die Krise der deutschen Bewegung 127

    Mitgliedern der ungarischen Nation, zu ungarischen Patrioten bekannten. Wenn dies propagandistisch aufgewhlt werde, knne es zur scharfen Deutsch* feindlichkeit fhren. Gegenber einem solchen Staat, mit dessen Freundschaft gerechnet werde, und wo eine Minderheit kolonisten Charakters lebe, sei es nicht begrndet, diese zum nationalen Selbstbewutsein zu erziehen, und damit das nationale Selbstgefhl des Staatsvolkes zu verletzen. Ungarn zum Beispiel versuche im Ungartum der abgetrennten Gebiete das nationale Selbstbewut- sein wachzuhalten, enthalte sich davon in bezug auf das Ungartum kolonisten Charakters in Kroatien, die Empfindlichkeit der kroatischen Nation damit schonend, deiin es wolle mit ihr in Freundschaft bleiben.51

    Bethlen ging im Laufe seines Deutschland-Besuches im November 1930 anllich eines Gesprches am 22. mit Reichskanzler Heinrich Brning und Auenminister Curtius, in Anwesenheit des ungarischen Gesandten in Berlin, Knya auf die Minderheitenfrage ein. Nachdem er festgestellt hat, da er den besten Willen habe und fest entschlossen sei, die Wnsche der deutschen Min- derheit in Ungarn auf dem Gebiete des Schulwesens und des Religionsunter- richts weitgehendst zu befriedigen, behauptete er, die Durchfhrung dieses Entschlusses werde ihm aber unmglich gemacht durch die Art der Agitation, die von den Deutschtumsvereinen des Reiches in Ungarn getrieben werde. Diese Agitation setze sich zum Ziel, die Deutschen ganz dem Magyarentum zu entfremden und beginnen heute tatschlich den Erfolg zu haben, da die Deutschen Ungarns in ihrer Loyalitt gegenber dem Staate wankend wrden. Er meinte, da in den benachbarten Lndern die deutsche Minderheit vom Reiche her im antiungarischen Sinne beeinflut werde. Curtius hrte sich all dies mit berraschung an, und hielt die ungarnfeindliche Absicht fr unvor- stellbar; die beanstandete Agitation sei seiner Meinung nach die Reaktion auf die Art und Weise wie die Deutschen in Ungarn behandelt werden. Darauf wiederholte Bethlen, da er die Einstellung der zur Frage stehenden Agitation als Voraussetzung fr die Erfllung der berechtigten Wnsche der Ungarn- deutschen betrachte. Curtius und Bethlen kamen anschlieend darber ber- ein, da von ungarischer Seite eine Denkschrift ber die Einzelheiten der ungarischen Beanstandungen vorgelegt werden soll. Aufgrund dieser Denk- schrift soll dann die Aufklrung des Sachverhalts eventuell durch Entsendung einer Kommission erfolgen. Bezglich der durch die ungarische Regierung angetriebene Zusammenarbeit der Minderheiten in den Staaten der Kleinen Entente war Curtius der Meinung, da hierbei immer die jeweilige Lage der deutschen Minderheit in Ungarn von Einflu sein werde. Er behauptete, Deutschland habe keinen unmittelbaren Einflu auf die Politik der deutschen Minderheiten, und beschrnke sich blo auf deren kulturelle Betreuung. Er

    61 Iratok az ellenforradalom trtnethez (Schriften zur Geschichte der Gegenrevolution) Bd. IV. (Red. von Elek Karsai). Budapest, 1967. Dok. Nr. 268,, p. 443 - 444. Gesprchsentwurf fr die Berlin-Reise von Ministerprsident Bethlen am 22 - 24. November 1930.

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  • 128 L. Tilkovszky

    werde aber die Hindernisse, bzw. Mglichkeiten der Zusammenarbeit der Minderheiten nachgehen.52 Also bereits zu diesem Zeitpunkt zeichnete sich der

    magische Kreis ab, in den die ganze Sache dadurch geraten ist, da beide Seiten die Erfllung ihrer Wnsche als Bedingung der Anerkennung des Wunsches der anderen Seite betrachtete.

    Der ungarische Ministerprsident erklrte in Berlin, und nach seiner Heimkehr in Budapest den Vertretern der Presse, er werde sich darum bem- hen, da das Ungarndeutschtum keine trennende, sondern verbindende Rolle zwischen Ungarn und Deutschland erflle. Er betonte, wie aufrichtig er ent- schlossen sei, die berechtigten Wnsche kultureller Natur der deutschen Min- derheit zu erfllen. In der ungarischen ffentlichkeit verbreitete sich hingegen die Ansicht, da diese Erklrungen Bethlens nur von taktischer Bedeutung seien;53 und die Organisatoren der mit anti-pangermanischen Losungen auf- tretenden Assimilationskampagne haben ihre Ttigkeit genauso nicht gemigt, wie die Aktivisten der Bewegung Bleyers, die das nationale Selbstbewut- sein mit uerer Hilfe zu erwecken versuchten. Einer der am meisten mit

    Explosion drohenden Herden der Spannung war Bonyhd, wo Mikls Gmbs, Lehrer des rtlichen evangelischen Gymnasiums den gesellschaftlichen Boykott der ungarischen und assimilierten deutschen Intelligenz der Grogemeinde gegen den Arzt Heinrich Mhl einleitete. Dieser studierte mit einem reichs- deutschen Stipendium in Deutschland und nach seinen Studien heimkehrend war er bereits seit zwei Jahren als begeisterter junger Vorkmpfer der deutschen nationalen Bewegung in Bonyhd ttig. Die Angriffe Gmbs' in der Lokal-

    zeitung Tolna vrmegye gegen ihn fhrten zur Kndigung Mhls als Schul- arzt und zu anderen Nachteilen; mit seinen Artikeln in der Pesti Hrlapl stellte er ihn auch auf Landesebene als einen der gefhrlichsten pangermani- schen Agitatoren an den Pranger. Nach den Vorgefallenen beleidigte Mhl Gmbs gelegentlich einer Begegnung auf der Ortsstrae ttlich, worauf letzterer ein gesellschaftliches Ehrengerichtsverfahren vorgeschlagen hat. Ins Ehrengericht durften beide Seiten je zwei Mitglieder empfehlen, und diese

    vereinigten sich hinsichtlich der Person des Vorsitzenden im Laufe ihrer

    Beratungen statt des von Mhl erwnschten Gusztv Gratz in der Person des

    einstigen Obergespans im Komitat Tolna, Bla Perczel. Bald stellte sich aber heraus, da Perczel ganz auf der Seite der Gmbs-Partei stand, so werde das Ehrengericht Mhl voraussichtlich sachfllig erklren.

    Bleyer hat diese Angelegenheit auch deshalb als sehr ernst angesehen, weil die Diskreditierung Mhls als Przedenz dienen knnte, und eine Ver-

    allgemeinerung des ehrengerichtlichen Vorgehens gegebenenfalls ermglichen

    52 Ebenda. Dok. Nr. 270. p. 453 - 454. Aufzeichnung des deutschen Auswrtigen Amtes ber die Verhandlung Bethlens und Kny as mit Brning und Curtius. Berlin, d. 25. November 1930. 63 G. Berka: z.W. p. 104-106.

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  • Die Krise der deutschen Bewegung 129

    wrde, auch die brigen Fhrer des ungarlndischen Deutschtums auf ge- sellschaftlichem Wege zu diskreditieren und auszuschalten. Bleyer wandte sich - auch von Gratz untersttzt, ans Ministerprsidium und bat wieder- holt darum, mit seiner Vermittlung Einflu in der Richtung einer objektiven Entscheidung des Ehrengerichts auszuben. Mit Rcksicht auf die passive Haltung des Ministerprsidiums hat er nun schon unabhngig von Gratz entschlossen, in Mhls Interesse uere Hilfe in Anspruch zu nehmen, um seinen eigenen Leuten zu zeigen, da sie, wenn sie wegen ihres Eintretens fr die Sache des ungarlndischen Deutschtums angegriffen werden, wirksamen Schutz finden. So geschah es, da Mhl - nach der Besprechung mit Bleyer - seine ursprngliche Anmeldung ber die Person der von ihm ernannten Ehren- richter vernderte, und auf eine, in den inlndischen ehrengerichtlichen Ver- fahren vorher vllig unbekannte Weise zwei Auslnder bezeichnete: Karl Loesch, den Vorsitzenden des Deutschen Schutzbundes und Kaspar Muth, Fhrer der Schwaben im Banat (Rumnien). Die Hoffnung wurde aber nicht erfllt, da mit diesem Schritt der Eingriff Bethlens herauszufordern sei, der die Freundschaft Deutschlands und die Interessen der Zusammenarbeit der deutschen und ungarischen Minderheiten in den Staaten der Kleinen Entente vor Augen hielt. Die ehrengerichtliche Verhandlung fand am 4 - 6. Januar 1931 statt, und dieses - Perczel erwies sich mit seiner Stimme als Vorsitzender entscheidend - disqualifizierte Mhl in einem Anteil von 3:2. Loesch und Muth haben sich geweigert, das Protokoll zu unterschreiben und in ihrer Erklrung vom 6., die die Wochenzeitung Bleyers, das Sonntagsblatt in ihrer nchsten Nummer, am 11. verffentlichte, gaben sie ihrer berzeugung von Mhls Ehrenhaftigkeit Ausdruck.

    Dem Bericht des Budapester deutschen Gesandten zufolge, sei Bleyer, an dessen Nerven der Zwischenfall groe Anforderungen gestellt habe, zur Zeit sehr aufgebracht. Das in letzter Zeit schon ins Wanken gekommene Vertrauen Bleyers zum Grafen Bethlen sei jetzt ernstlich erschttert. Bleyer erklrte, da er sich vor seinen eigenen Anhngern wie auch bei dem Auslandsdeutsch- tum in den Nachfolgestaaten lcherlich machen wrde, wenn er weiter, wie er das bisher getan habe, sein Vertrauen in die gut en Absichtendes Grafen Bethlen bezglich der Lsung der Frage des ungarlndischen Deutschtums ausspre- chen wrde. Er spreche jetzt auch wieder von der Notwendigkeit der Grndung einer eigenen politischen Partei und vom Kampf. Gesandter Schoen zufolge wre es aber verfehlt, unter dem frischen Eindruck dieses Vorfalles eine nde- rung der bisher erfolgten politischen Linie eintreten zu lassen, die darauf hinaus- laufe, eine Lsung der Frage des ungarlndischen Deutschtums im Einverneh- men mit der ungarischen Regierung zu suchen. Er nehme an, da auch Professor Bleyer dies einsehen werde, sobald er wieder etwas Abstand genommen habe.54

    54 PA AA, Pol. Abt. II. Ung. Politik 6. Bd. 7. Bericht Schoens, Budapest, d. 8. Januar 1931.

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  • 130 L. Tilkovszky

    Schoen machte das Auswrtige Amt darauf aufmerksam, da es be- dauerlich wre, wenn es aus Anla dieses Vorfalls, dem zunchst wenigstens nur eine lokale Bedeutung zukomme, zu einer Pressekampagne in den deutschen Blttern gegen Ungarn kommen sollte, da eine solche Kampagne die Fort- setzung der Besprechungen mit der ungarischen Regierung ber die Deutsch- tumsfragen, wie sie durch den Besuch des Grafen Bethlen in Berlin eingeleitet worden sei, erschweren und die zur Zeit gnstige politische Atmosphre zwi- schen Deutschland und Ungarn trben mte. Bleyer hingegen, der nach dem Zwischenfall Mhl sofort nach Deutschland reiste, drngte am 12. Januar im Auswrtigen Amt auf eine vielseitige Pressekampagne und verhandelte ber das im weiteren zu folgende Vorgehen mit dem Vorsitznden des Deutschen Schutzbundes. Auch der ungarische Gesandte in Berlin, Klmn Kny a suchte die Wilhelmstrae auf, um das Verhalten der ungarischen Regierung im Zu- sammenhang mit dem Fall Mhl zu erklren. Ministerialdirektor Gerhard Kpke war mit der Argumentation einverstanden, da sich die Regierung in eine ehrengerichtliche Angelegenheit nicht einmischen knne, und bezeich- nete als eine unglckliche Sache, da Loesch in Bonyhd die Rolle eines Ehrenrichters bernommen habe. Er wies aber darauf hin, da einer emprten Reaktion der Presse kaum auszuweichen sei, und daraus zog Knya die Konsequenz, da die Hetze Bleyers und Loeschs auch auf das Auswrtige Amt eine gewisse Wirkung ausbte. Manche Zeitungen (Deutsche Tageszeitung, Der Tag, Germania, Berliner Tageblatt) beschftigten sich gleich mit der Sache, und deuteten auf die gefhrliche ungarische Bestrebung hin, da ein jeder mit gesellschaftlichem Tod geschlagen werde, der wage, sich fr die kulturellen Interessen der deutschen Minderheit einzusetzen. Ferner wurde die Nachricht mitgeteilt, da die Fhrer der deutschen Minderheiten in Dne- mark, Polen, Lettland und Estland den in Mrtyrerrolle geratenen Mhl ihrer Hochachtung telegraphisch versicherten.55 Auch der zusammenfassende poli- tische Bericht der ungarischen Gesandtschaft in Berlin ber das Jahr 1930 gedachte des intransigenten und agressiven Verhaltens der sog. Deutschtums- verbnde im Zusammenhang mit dem Fall Mhl, und wies auf die in Deutsch- land allgemein verbreitete und auch offiziell verkndete Auffassung hin, der- zufolge die Zusammenfassung der in Europa zerstreut lebenden deutschen Minderheiten in einer kulturellen Einheit eine wesentliche Strkung der Machtposition Deutschlands darstellen wrde.56

    Die ungarische Presse hat - zweifelsohne auf Wunsch der Regierung - mit keinem Wort auf die Beitrge der deutschen Presse im Zusammenhang mit dem Fall Mhl reagiert. Sie verfuhr auf diese Weise nicht allein mit Rck-

    55 OL Km. pol. B. 166. Satz 21/7., 316/1931. Bericht Knyas, Berlin, d. 24. Januar 1931. 66 Iratok az ellenforradalom trtnethez (Schriften zur Geschichte der Gegenrevolution). Bd. IV. Dok. Nr. 290. p. 487. Zusammenfassender politischer Bericht Knyas ber das Jahr 1930. Berlin, d. 7. Februar 1931.

    Acta Histrica Academiae Scientiarum Hungaricae 26 , 1980

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  • Die Krise der deutschen Bewegung 131

    eicht auf die deutsch-ungarischen Beziehungen, sondern auch deshalb, weil die Gefahr bestand, da in den abgetrennten Gebieten und in Genf der Fall in grerem Mae gegen Ungarn ausgentzt werden knnte. Auerdem wollte Bethlen durch gewisse Gesten an die ungarlndische deutsche Minderheit be- weisen, da er seine in Berlin gemachten Versprechen ernst nehme. In Baranya, wo der Ausbreitung des Volksbildungsvereins bisher die grten Schwierig- keiten bereitet wurden, wurde zur berraschung von Bleyer, die Bildung neuer Ortsgruppen pltzlich gestattet. Am 12. Februar 1931 war dann der

    Ministerprsident - in der Anwesenheit Darnyis und Patakys - endlich bereit, Bleyer und Gratz zu empfangen. Er errterte vor ihnen, da ihm die

    ungarnfeindliche Propaganda auf den abgetrennten Gebieten und die Agita- tion reichsdeutscher Studenten in Ungarn in den letzten zwei Jahren ein Ent-

    gegenkommen gegenber den Wnschen des ungarlndischen Deutschtums erschweren. Seine Berliner Verhandlungen erwecken aber die Hoffnung, da diese Mistnde beseitigt, und seine Versprechen verwirklicht werden. Wie er auch in Berlin getan habe, stelle er auch vor ihnen fest, da er entschlossen sei, die Schwierigkeiten in der Schulfrage notwendigenfalls mit einem Machtworte zu lsen. Er habe daher dem Frstprimas geschrieben, da die katholische Kirche das Regierungsprogramm mit Rcksicht auf die deutsche Freundschaft durchfhren msse. Sonst werde sich d