die bedeutung von patientenbefragungen für das qualitätsmanagement

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Patienten werden in Einrichtungen des Gesundheitswesens nicht nur medizinisch be- handelt, sie werden heutzutage auch immer öfter zu verschiedenen Versorgungs- und Qualitätsaspekten befragt. Dass dies in Zeiten wandelnder Gesundheitssysteme nicht dem Zeitvertreib, sondern übergeordneten Zielvorstellungen dient, ist unstreitig. Wobei allein die ethische Maxime, mit den gewonnenen Informationen eine patien- tengerechtere Versorgung und qualitäts-orientierte Leistungserbringung gestalten zu wollen, den hohen Aufwand zu rechtfertigen scheint. Anhand der zahlreichen Publikationen zu dem Thema entsteht mittlerweile der Ein- druck, dass Patientenbefragungen fast überall routiniert eingesetzt werden. Qua- litätsmanagement und Patientenorientierung sind längst keine Themen mehr, die al- lein auf den Krankenhaussektor beschränkt sind, sondern zunehmend auch die Wirklichkeit in deutschen Arztpraxen bestimmen [1]. Es verwundert aber, warum trotz der Vielzahl von Patientenbefragungen bisher nicht der gewünschte Qualitäts- schub im deutschen Gesundheitswesen zu verzeichnen ist. Dies liegt mit Sicherheit an den unterschiedlichen Zielsetzungen, die jeweils vor Ort an Patientenbefragungen geknüpft werden oder aber daran, dass häufig das, was gemessen wird, nur unzurei- chend die gewünschten Aspekte der Versorgungs- und Dienstleistungsqualität adres- siert. Darüber hinaus kommen aber auch die große Variationsbreite in der methodi- schen Qualität und die häufig unbefriedigende Ergebnisverwertung als mögliche Gründe in Betracht. Häufig ist zu beobachten, dass Patientenbefragungen inhaltlich überfrachtet und ver- schiedene (wissenschaftliche) Fragestellungen gleichzeitig mit einem Ansatz verfolgt werden. Dabei existieren international bereits zahlreiche Untersuchungen zur Wahr- nehmung und Bewertung von Qualitätsaspekten aus Patientensicht sowie zur Ent- wicklung und Bewertung geeigneter Messinstrumente [2–4]. Dennoch sollen Patien- tenbefragungen häufig diese Fragen immer wieder aufs Neue gleichzeitig mit beantworten. Dass dies insgesamt methodisch sehr anspruchsvoll und in Einzelansät- zen nicht realisierbar ist, versteht sich von selbst. Die Forschung zu diesem Thema hat überdies gezeigt, dass die Erwartungen und Bedürfnisse kranker Menschen länder- und systemübergreifend vergleichbar sind. Die Frage lässt sich für den westlichen Kulturkreis also zumindest grundsätzlich beantworten. Werden diese Fragestellungen ausgeblendet, verbleibt die eigentliche Zielsetzung von Patientenbefragungen, nämlich Informationen und Fakten zu sammeln, um eine kontinuierliche Qualitätssteuerung zu ermöglichen, Verbesserungs- und Innovations- potenziale freizusetzen sowie letztendlich die Dienstleistungsangebote im Gesund- heitssystem und die Versorgung unserer Patienten zu verbessern. Oftmals wird hierzu ein Patientenzufriedenheitsmaß ermittelt, das eine Indikatorfunktion für die vorhan- dene Dienstleistungs- und Versorgungsqualität übernehmen soll. Diesbezüglich müs- sen aber klare methodische Grenzen berücksichtigt werden. Editorial 549 JDDG |7 ˙ 2007 (Band 5) Die Bedeutung von Patientenbefragungen für das Qualitätsmanagement Peter Hensen

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Patienten werden in Einrichtungen des Gesundheitswesens nicht nur medizinisch be-handelt, sie werden heutzutage auch immer öfter zu verschiedenen Versorgungs- undQualitätsaspekten befragt. Dass dies in Zeiten wandelnder Gesundheitssysteme nichtdem Zeitvertreib, sondern übergeordneten Zielvorstellungen dient, ist unstreitig.Wobei allein die ethische Maxime, mit den gewonnenen Informationen eine patien-tengerechtere Versorgung und qualitäts-orientierte Leistungserbringung gestalten zuwollen, den hohen Aufwand zu rechtfertigen scheint.Anhand der zahlreichen Publikationen zu dem Thema entsteht mittlerweile der Ein-druck, dass Patientenbefragungen fast überall routiniert eingesetzt werden. Qua-litätsmanagement und Patientenorientierung sind längst keine Themen mehr, die al-lein auf den Krankenhaussektor beschränkt sind, sondern zunehmend auch dieWirklichkeit in deutschen Arztpraxen bestimmen [1]. Es verwundert aber, warumtrotz der Vielzahl von Patientenbefragungen bisher nicht der gewünschte Qualitäts-schub im deutschen Gesundheitswesen zu verzeichnen ist. Dies liegt mit Sicherheitan den unterschiedlichen Zielsetzungen, die jeweils vor Ort an Patientenbefragungengeknüpft werden oder aber daran, dass häufig das, was gemessen wird, nur unzurei-chend die gewünschten Aspekte der Versorgungs- und Dienstleistungsqualität adres-siert. Darüber hinaus kommen aber auch die große Variationsbreite in der methodi-schen Qualität und die häufig unbefriedigende Ergebnisverwertung als möglicheGründe in Betracht.Häufig ist zu beobachten, dass Patientenbefragungen inhaltlich überfrachtet und ver-schiedene (wissenschaftliche) Fragestellungen gleichzeitig mit einem Ansatz verfolgtwerden. Dabei existieren international bereits zahlreiche Untersuchungen zur Wahr-nehmung und Bewertung von Qualitätsaspekten aus Patientensicht sowie zur Ent-wicklung und Bewertung geeigneter Messinstrumente [2–4]. Dennoch sollen Patien-tenbefragungen häufig diese Fragen immer wieder aufs Neue gleichzeitig mitbeantworten. Dass dies insgesamt methodisch sehr anspruchsvoll und in Einzelansät-zen nicht realisierbar ist, versteht sich von selbst. Die Forschung zu diesem Thema hatüberdies gezeigt, dass die Erwartungen und Bedürfnisse kranker Menschen länder-und systemübergreifend vergleichbar sind. Die Frage lässt sich für den westlichenKulturkreis also zumindest grundsätzlich beantworten.Werden diese Fragestellungen ausgeblendet, verbleibt die eigentliche Zielsetzung vonPatientenbefragungen, nämlich Informationen und Fakten zu sammeln, um einekontinuierliche Qualitätssteuerung zu ermöglichen, Verbesserungs- und Innovations-potenziale freizusetzen sowie letztendlich die Dienstleistungsangebote im Gesund-heitssystem und die Versorgung unserer Patienten zu verbessern. Oftmals wird hierzuein Patientenzufriedenheitsmaß ermittelt, das eine Indikatorfunktion für die vorhan-dene Dienstleistungs- und Versorgungsqualität übernehmen soll. Diesbezüglich müs-sen aber klare methodische Grenzen berücksichtigt werden.

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Die Bedeutung von

Patientenbefragungen für das

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Qualität orientiert sich bekanntlich an objektiven und subjektiven Qualitätszielen.Als weitgehend objektiv – oder besser objektivierbar – können die Qualitätsziele be-trachtet werden, die im Kern unser ärztliches Handeln bestimmen und sich am Be-handlungserfolg, an der Bewahrung oder Steigerung messbarer Lebensbedingungenoder an der Vermeidung jedweder Schädigung des Patienten orientieren. Dieseprimären Qualitätsziele entziehen sich in der Regel einer vergleichbaren Bewertungdurch den Patienten. Auch sind sie nur mit extrem hohem Aufwand und mit entspre-chender wissenschaftlicher Genauigkeit zu untersuchen, die den Sinn und den Rah-men einer Patientenbefragung eindeutig überschreiten. In Patientenbefragungenspielen vielmehr so genannte sekundäre Qualitätsziele eine Rolle, die aus Patienten-sicht als essentiell betrachtet sowie von diesen wahrgenommen und bewertet werdenkönnen. Diese haben mittelbar Einfluss auf den Behandlungserfolg wie z. B. koordi-nierte Behandlungsabläufe, verständliche Kommunikation oder die Rücksicht auf in-dividuelle Präferenzen [2, 5].Subjektive Qualitätsziele widmen sich demgegenüber dem theoretischen Konstruktder Patientenzufriedenheit, welches bekanntlich nicht beobachtbar, sondern nurkonklusiv ermittelbar ist. Zufriedenheit wird in hohem Maße von Bedürfnissen undErwartungen bzw. deren Erfüllungsgrad geprägt und ist das Ergebnis eines Vergleichs-prozesses zwischen einem Soll- und einem Ist-Wert. Patientenzufriedenheit orientiertsich nicht nur an Outcome-Größen der Ergebnisqualität, sondern vielmehr an sämt-lichen Qualitätsdimensionen, also auch an der Struktur- und Prozessqualität [6], dader Patient unmittelbar Gegenstand und Empfänger der Dienstleistungserbringungist („uno-actu-Prinzip“ und „Patient als Kotherapeut”). Modelle der Kundenzufrie-denheit lassen sich daher nicht so ohne weiteres auf die Besonderheiten des Gesund-heitsmarktes übertragen. Einer Studie zufolge möchten Patienten überdies auch alsPatienten angesehen und behandelt und nicht technokratisch als Nutzer, Konsumen-ten oder Kunden betrachtet werden [7]. Diese Untersuchungsergebnisse beinhaltenimplizit einen Hinweis darauf, dass Patienten bereits ein gutes Gespür dafür haben,dass sie nicht mit der Kundensouveränität und entsprechenden Marktmacht ausge-stattet sind, wie vergleichsweise Konsumenten von Industrie- und Wirtschaftsgütern.Faktisch korreliert aber eine subjektive Zufriedenheit nur äußerst schwach mit derobjektiv feststellbaren Güte im Gesundheitswesen, da der Einfluss zahlreicher Patien-tenvariablen die Bewertung massiv überlagert [8]. Patienten sind oftmals bereit, un-abhängig von der Versorgung, Zufriedenheit auszudrücken [9]. Es gibt insgesamthochzufriedene Patienten bei kritikwürdigen Umständen und auch Unzufriedenheitbei optimaler Versorgung. Dementsprechend sind die häufig in Fragebogen anzutref-fenden Urteilsfragen zur Zufriedenheit nur wenig aussagekräftig und als Indikatorder Versorgungsqualität ungeeignet.Weit verbreitet sind systematische Patientenbefragungen mit „rating-orientierten“Urteilsfragen, die in (re-)kodierten Datenformaten einer quantitativen Tes-tung undAnalyse zugänglich sind. Erstaunlich dabei ist, wie wenig die Ergebnisse der Zufrie-denheitsforschung der vergangen Jahre in die Fragebogengestaltung einfließen [10].Vielfach wird z. B. immer noch global nach Zufriedenheit gefragt, obwohl wissen-schaftlich gesichert ist, dass mit dieser Frage keine verwertbaren Ergebnisse zu erzie-len sind. Außer einem im Voraus zu erwartenden positiven Marketingeffekt ist ihrerVerwertung nicht viel für die Steuerung qualitätsrelevanter bzw. patientenorientierterMaßnahmen abzugewinnen.In der Regel äußern sich die meisten Patienten zufrieden oder sehr zufrieden mit ih-rer Behandlung. Dieses Phänomen – statistisch als Deckeneffekt bekannt – ist überLänder- und Systemgrenzen hinweg zu beobachten [11]. Hinter derart gemessenerZufriedenheit verbergen sich aber mit Sicherheit zahlreiche negative Erfahrungen,schwerwiegende Einzelprobleme oder auch verwertbare Kritik, die in der Form nichtzutage treten können. Die Gründe für entsprechendes Antwortverhalten auf Seitender Patienten sind vielfältig, aber gut untersucht. So sind z. B. Antworten im Sinnesozialer Erwünschtheit, Zustimmungstendenz, Hineinschieben positiver Ereignissein die Referenzperiode, Verdrängen unangenehmer Ereignisse, Furcht vor Nachtei-len, Dankbarkeitseffekte oder Effekte, die bei Vermeidung von kognitiver Dissonanzhäufige Gründe für derartige Verzerrungen. Subjektive Bewertungen und das Ant-wortverhalten werden durch eine Vielzahl von Variablen unterschiedlich beeinflusst,

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die letztendlich weder durch das Studiendesign noch durch statistische Operationenzufrieden stellend kontrolliert werden können [12].Häufig werden mit systematischen Patientenbefragungen gleichzeitig auch qualitativeDaten wie z. B. persönliche Anmerkungen und Stellungnahmen des Patienten abge-fragt. Obwohl hiermit durchaus verwertbare Daten generiert werden können, bleibendie Methoden der qualitativen Sozialforschung (z. B. qualitative Inhaltsanalyse) beider Auswertung von Freitextantworten vielfach unberücksichtigt oder sind gänzlichunbekannt. Die geäußerten Patientenmeinungen bleiben ohne methodische Aufar-beitung anekdotisch und haben entsprechend geringe Aussagekraft.Hinzukommt, dass in der Praxis trotz der bekannten Limitationen dem Befragungs-design und den klassischen Testtheoriekriterien vielfach nicht die nötige Aufmerk-samkeit geschenkt werden, vor allem wenn neue bzw. auf die eigene Institution zuge-schnittene Befragungsinstrumente zum Einsatz kommen. Ähnlich einemwissenschaftlichen Experiment hängt die Aussagekraft und Verwertbarkeit von sozia-len Erhebungsdaten, wie sie im Rahmen von Patientenbefragungen gewonnen wer-den, maßgeblich vom Erhebungsverfahren und der Güte der Daten ab. Befragungs-daten sind besonders häufig mit Messfehlern und Störvariablen behaftet. Um abertrotz der vielen möglichen Messfehler die erhobenen Daten sinnvoll interpretieren zukönnen, sind vor allem bei Fragebogenerhebungen methodische Mindeststandardsunerlässlich [13]. Oft wird die methodische Qualität der Datenerhebung aber auchbewusst zurückgestellt, weil die zu erwartenden positiven Patientenurteile einer ge-wünschten Außendarstellung dienlich sind, allein die Durchführung einer Befragungals ausreichend erscheinen mag oder der Aufwand methodischer Genauigkeit ge-scheut wird.Patientenzufriedenheit ist also zusammenfassend nicht nur sehr komplex zu be-stimmen und zu interpretieren, sie scheint auch nicht das richtige Maß für die Ge-staltung einer patientenorientierten Versorgung zu sein. Aber was bleibt, wenn Ur-teilsfragen zur Patientenzufriedenheit nicht in ausreichendem Maße verlässlicheDaten für die Identifizierung von Qualitätsproblemen und Verbesserungspotenzia-len liefern können? Eine Alternative oder Ergänzung zu den klassischen „rating-ori-entierten“ Methoden ist das in den 90er Jahren vom Picker-Institut entwickelteModell der „ereignisorientierten“ Methode [5]. Bei ereignisorientierten („report-orientierten”) Patientenbefragungen werden Fragen zu relevanten Schlüsselsituatio-nen aus Patientensicht gestellt, die diese Schlüsselsituation auf ihren Ereignisgehalthin untersuchen, d.h. ob ein Ereignis eingetreten ist oder nicht. Die Abfrage kon-kreter und weitgehend objektiv beantwortbarer Fragen vermeidet Urteilsantwor-ten, die subjektiv gefärbt sind. Ereignisorientierte Methoden ermitteln, ob ein be-stimmtes Ereignis bzw. dessen Art und Umfang eingetreten ist und machen sichdamit weitgehend von der Beurteilung unabhängig. Nominale und ordinale Ant-wortkategorien ermöglichen Aussagen darüber, ob bezüglich eines bestimmtenQualitätsziels ein Defizit besteht und wie stark dieses ausgeprägt ist. Derart ermit-telte Problemhäufigkeitswerte sind quantifizierbar und stehen für Wiederholungs-und Vergleichsmessungen zur Verfügung.Gelingt es abschließend trotz des großen Aufwandes und der methodischen Hürdenverwertbare Daten zu sammeln, bleibt immer noch die große Frage nach der Verwer-tung offen. Vergleichbar mit anderen Bereichen der Gesundheitsversorgung reicht diealleinige Kenntnis bzw. ein vorhandenes Erkenntnisinteresse oft nicht für Implikatio-nen und Implementierungsstrategien aus. Ähnlich dem bekannten „knowledge-per-formance-gap“ bei der Implementierung von medizinischen Leitlinien [14], steht dieErkenntnisverwertung bei Patientenbefragungen häufig in einem großen Gegensatzzum betriebenen Erkenntnisgewinn [15]. Hier besteht noch viel Forschungs- undHandlungsbedarf, um diese Lücken zu schließen, sowohl auf institutioneller Ebeneals auch auf Ebene des Versorgungssystems. Nichtsdestotrotz hängt die Ergebnisver-wertung maßgeblich von der jeweiligen Zielsetzung und auch der eigenen Selbstver-pflichtung ab. Qualität bzw. Qualitätsmanagement darf nicht auf der Stufe der Qua-litätsmessung, also der Prüfung, ob und in welchem Ausmaß Qualitätsanforderungen(der Patienten) erfüllt sind, stehen bleiben. Qualitätsmessungen, z. B. in Form vonPatientenbefragungen, sind Teile eines geschlossenen Regelkreises, in dem auch eineUmsetzung in Dienstleistungen und eine Überprüfung derselben auf Konformität

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mit den Anforderungen zu erfolgen hat und in dem gegebenenfalls eine Korrekturvon Abweichungen möglich ist. Grundvoraussetzung dafür ist, dass die mit den Qualitätsmessungen beabsichtigte Patientenorientierung als Teil einer Qualitätsphi-losophie bzw. auf Qualität ausgerichteten Organisationskultur verstanden und gelebtwird [16, 17]. Patientenbefragungen sind nur glaubwürdig, wenn ein Versorgungs-system oder die jeweilige Unternehmensstrategie – sei es im Krankenhaus oder in derArztpraxis – auch auf strikte Patientenorientierung ausgerichtet wird. In einem sol-chen wünschenswerten Umfeld werden Qualitätsmessungen zu „Fühlern“ von Defi-ziten im Soll-Ist-Abgleich eines geschlossenen Regelkreises, dessen Führungsgrößedas Qualitätsziel der Patientenorientierung, dessen Regler das jeweilige Managementder Gesundheits-institution und dessen Regelgröße die Qualität der angebotenenDienstleistungen darstellt. Entscheidende Rahmenbedingungen können z. B. Trans-parenzbereitschaft, Klarheit über Zweck und Charakter der Messungen, selbstver-ständliche Bereitstellung der notwendigen Ressourcen, ausreichende Motivation derMitarbeiter und letztendlich der qualifizierter und offene Umgang mit den Ergebnis-sen sein, damit Patientenbefragungen letztendlich kein sinnloser Zeitvertreib undVerschwendung von Ressourcen bedeuten.Die inhaltlichen und methodischen Anforderungen an Patientenbefragungen solltenaber nicht Anlass geben, sich nunmehr der Thematik zu verschließen, weil einige derangesprochenen Aspekte als nicht leistbar erscheinen. Ganz im Gegenteil ist jedeBemühung wünschenswert, mithilfe von Patientenbefragungen das Thema Patien-tenorientierung ein Stück weit fester im Versorgungssystem zu etablieren. Und dasnicht nur, weil der Gesetzgeber sich dieses wünscht, sondern weil wir es unseren Pa-tienten und unserem Anspruch an eine qualitätsorientierte Unternehmensführungschuldig sind. Jede Bemühung beinhaltet auch ein Lern- und Beispielpotenzial fürandere und sollte anerkannt werden. Wer die Datenerhebung oder die Validierungs-arbeit eines eigenen Patientenfragebogens scheut, der kann ruhigen Gewissens aufkommerzielle Produkte ausweichen. Im Gegenzug zu selbst entworfenen Designs er-möglichen diese eher auch Vergleiche mit anderen, sofern vergleichbare Bedingungenvorliegen. Grundsätzlich gilt aber, dass je geringer die methodischen Anforderungenund je schwächer die Einbindung in eine qualitätsorientierte Organisationsphiloso-phie ausfallen, desto niedriger müssen auch die Erwartungen an die Wirksamkeit die-ses Instruments geschraubt werden. Das Hauptforschungsinteresse sollte künftig we-niger bei der Bestimmung von Bedürfnissen und Erwartungen kranker Menschenliegen, sondern eher in den Implikationen und den zu vollziehenden Transferleistun-gen zur Schaffung patientengerechter und qualitätsorientierter Versorgungs- undDienstleistungsstrukturen.

Priv.-Doz. Dr. med. Peter Hensen, M.A.

KorrespondenzanschriftPriv.-Doz. Dr. med. P. Hensen, M.A.Klinik und Poliklinik für HautkrankheitenUniversitätsklinikum MünsterVon-Esmarch-Str. 58D-48149 MünsterTel.: +49 25 1 83 55 67 6Fax: +49 25 1 83 56 52 2E-Mail: [email protected]

Literatur1 Amon U. Qualitätsmanagement in der Arztpraxis. Patientenbindung, Praxisorganisa-

tion, Fehlervermeidung, 2. Auflage. Berlin: Springer, 2004.2 Cleary PD, Edgman-Levitan S, Roberts M, Moloney TW, McMullen W, Walker JD,

Delbanco TL. Patients evaluate their hospital care: a national survey. Health Aff (Mill-wood). 1991; 10(4): 254–267.

3 Cleary PD, Edgman-Levitan S. Health care quality. Incorporating consumer perspec-tives. JAMA 1997; 278(19): 1608–1612.

4 Edgman-Levitan S, Cleary PD. What information do consumers want and need?Health Aff (Millwood) 1996; 15(4): 42–56.

5 Ruprecht TM. Qualität aus der Perspektive der Patienten – das Picker-Modell. In: Sat-zinger W, Trojan A, Kellermann-Mühlhoff P (Hrsg.) Patientenbefragung in Kranken-häusern. Konzepte, Methoden, Erfahrungen. Sankt Augustin: Asgard, 2001.

6 Schmidt C, Möller J, Reibe F, Güntert B, Kremer B. Patientenzufriedenheit in der sta-tionären Versorgung. Stellenwert, Methoden und Besonderheiten. Dtsch Med Wo-chenschr 2003; 128: 619–624.

7 Deber RB, Kraetschmer N, Urowitz S, Sharpe N. Patient, consumer, client, or custo-mer: what do people want to be called? Health Expect 2005; 8: 345–351.

8 Larsson BW, Larsson G, Chantereau MW, von Holstein KS. International comparisonsof patients’ views on quality of care. Int J Health Care Qual Assur 2005; 18: 62–73.

9 Avis M, Bond M, Arthur A. Satisfying solutions? A review of some unresolved issues inpatient satisfaction. J Adv Nurs 1995; 22: 316–322.

10 Lecher S, Klapper B, Koch U. Patientenbefragungen als Instrument des Qualitätsma-nagements. Gesundh ökon Qual manag 2002; 7: 4–8.

11 Bruster S, Jarman B, Bosanquet N, Weston D, Erens B, Delbanco TL. National surveyof hospital patients. BMJ 1994; 309(6968): 1542–1546.

12 Möller-Leimkühler AM, Dunkel R, Müller P. Determinanten der Patientenzufrieden-heit: behandlungsbezogene und klinische Variablen, subjektives Krankheitskonzept undLebensqualität. Fortschr Neurol Psychiat 2002; 70: 410–417.

13 Schnell R, Hill PB, Esser E. Methoden der empirischen Sozialforschung. München: Olden-bourg Wissenschaftsverlag, 2005 .

14 Ollenschläger G, Kirchner H, Fiene M. Leitlinien in der Medizin – scheitern sie an derpraktischen Umsetzung. Internist 2001; 42: 473–483.

15 Lecher S, Satzinger W, Trojan A, Koch U. Patientenorientierung durch Patientenbefra-gungen als ein Qualitätsmerkmal der Krankenversorgung. Bundesgesundheitsbl Ge-sundheitsforsch Gesundheitsschutz 2002; 45: 3–12.

16 Davies E, Cleary PD. Hearing the patient’s voice? Factors affecting the use of patientsurvey data in quality improvement. Qual Saf Health Care 2005; 14: 428–432.

17 Cleary PD. The increasing importance of patient surveys. Qual Health Care 1999;8(4): 212.

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