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Späte Gerechtigkeit? Die Auseinandersetzung mit Diktatur und Menschenrechtsverletzungen in Südamerika am Beispiel von Argentinien und Chile Ringvorlesung Friedensbildung Grundlagen und Fallbeispiele Universität Hamburg 19. Dezember 2013 WiSe 2013/14 Dr. Ulrike Capdepón, Dipl.-Pol.

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Späte Gerechtigkeit?

Die Auseinandersetzung mit Diktatur und

Menschenrechtsverletzungen in Südamerika –

am Beispiel von Argentinien und Chile

Ringvorlesung Friedensbildung – Grundlagen und Fallbeispiele

Universität Hamburg

19. Dezember 2013

WiSe 2013/14

Dr. Ulrike Capdepón, Dipl.-Pol.

Gliederung

1. Theoretische Verortung: Begriffe und Konzepte

2. Vergleichende Kontextualisierung der Länderanalysen

3. Chile: Im Widerstreit von Amnestie und öffentlicher

Auseinandersetzung

4. Argentinien: Zwischen Schlusspunkt und (später) Gerechtigkeit

Erinnerungskultur

• Vergangenheitspolitik:

administrativ-justizielle Dimension

Staatliche Ebene: Amnestiegesetze, Wahrheitskommissionen.

• Geschichtspolitik:

öffentlich-diskursive Dimension

Geschichtsdeutungen in Wissenschaft, Politik und Medien.

Transitional Justice

• „(1) Trials – whether civil or criminal, national or international,

domestic or foreign,

• (2) fact finding bodies – whether truth commissions or other similar

national or international investigative bodies,

• (3) reparations – whether compensatory, symbolic, restitutionary, or

rehabilitative in nature,

• (4) justice reforms – including legal and constitutional reforms, and

the removal of abusers from public positions through vetting or

lustration procedures” (Freeman 2006: 5f.).

Aufarbeitungsinstrumente

• Wahrheit (verdad): Aufklärung und Dokumentation der

Menschenrechtsverletzungen durch Wahrheitskommissionen

• Gerechtigkeit (justicia): Strafverfolgung der Täter durch nationale

und internationale Strafverfahren, universelle Gerichtsbarkeit

• Entschädigung (reparación): Symbolische Rehabilitation und

materielle Reparation der Opfer

Gemeinsamkeiten und Unterschiede:

Chile (1973-1990):

„paktierte Transition“, politisch belastete Eliten sichern sich weit

reichende Einflusssphären („autoritäre Enklaven“, Garretón) und

können die Modalitäten des Übergangs diktieren.

Argentinien (1976-1983):

Niederlage im Falkland/Malwinas-Krieg, wirtschaftliches Scheitern der

Militärjunta führt zu Regimekollaps.

Chile: Zwischen Selbstamnestie und ‚Fall Pinochet‘

• 1978 Selbstamnestie der Militärs während der Diktatur: Absicherung

gegen strafrechtliche Verfolgung

• 1990 Nationale Kommission für Wahrheit und Versöhnung (CNVR,

‚Rettig Bericht‘)

• 1998 Verhaftung Pinochets in London: internationaler Druck wirkt

als Katalysator auf Auseinandersetzung mit der Diktaturvergangen-

heit

• 1999 Einsetzung des Dialogforums (Mesa de diálogo)

• 2003 Kommission für Politische Haft und Folter (CNPT, ‚Valech

Bericht‘)

Wahrheitskommissionsbericht CNVR

“Bericht der Nationalen Kommission für Wahrheit und

Versöhnung”, ‚Rettig Bericht’ (Santiago,1991)

40. Jahrestag des Militärputsches:

Apologetische Diskurse der Militärs

Manuel Contreras, Ex-Geheimdienstchef,

im CNN-Fernsehinterview, 10. September 2013

Der „Fall Pinochet“

Transnationales Menschenrechtsnetzwerk:

London – Madrid – Santiago 1998

Debattenfrage

Welche Rolle spielen Strafverfahren beim Umgang mit Diktatur und

Menschenrechtsverletzungen? Wann scheint Ihnen eine - ggf. auch

internationale - juristische Aufarbeitung von schweren

Menschenrechtsverletzungen gerechtfertigt?

Argentinien: Dynamik zwischen Schlusspunkt

und (später) Gerechtigkeit

• 1983 Präsident Raúl Alfonsín setzt Wahrheitskommission

CONADEP ein

• 1985 Einleitung von Strafprozesse gegen Junta-Mitglieder

• 1987 Amnestie: Schlusspunkt-/Befehlsnotstandsgesetz

• 1990 Erneute Begnadigung bereits verurteilter Militärs

• 1996 Klage vor der Audiencia Nacional in Madrid

• 1998 „Pinochet Effect“: Auslieferungsverfahren gegen zahlreiche

belastete Militärs, „Wahrheitsprozesse“

• 2001 Amnestiegesetz wird für verfassungswidrig erklärt

• 2003 Parlament annulliert Amnestiegesetze

Wahrheitskommissionsbericht

“Niemals wieder”, Nationale Kommission über das Verschwin-

denlassen von Personen, CONADEP (Buenos Aires 1984)

ESMA: Resignifizierung des Erinnerungsortes

Literaturhinweise

Capdepón, Ulrike (2013): Dictatorship and Human Rights Violations in Latin America. Coming to terms

with the past in Chile and Argentina, in: Art & Thought, Fikrun Wa Fann. Goethe-Institute, Nr. 98,

S. 31-36.

Collins, Cath et al. (2013): The Politics of Memory in Chile: From Pinochet to Bachelet, Boulder.

Fuchs, Ruth/Nolte, Detlef (2006): Vergangenheitspolitik in Chile, Argentinien und Uruguay, in: Aus

Politik und Zeitgeschichte, Nr. 42, online abrufbar:

http://www.bpb.de/apuz/29474/vergangenheitspolitik-in-chile-argentinien-und-uruguay?p=all

Schindel, Estela (2012): La desaparición a diario. Sociedad, prensa y dictadura, Córdoba.

Sznajder, Mario/Roniger, Luis (2003): The Legacy of Human Rights Violations in the Southern Cone.

Argentina, Chile, and Uruguay, Oxford/New York.

Wright, Thomas C. (2007): State Terrorism in Latin America. Chile, Argentina and International Human

Rights, Lanham/Boulder/New York.

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