die anatomie des accommodirten auges

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Die Anatomie des aecommodirten Auges. ~iikroskopisehe Fixirung des Aecommodationsactes. Von Dr. L. Heine, Privatdoeenten in Breslau. Hierzu Tar. ~, Fig, 1--5 und 2 Figuren im Text, (Aus der Universit~tsaugenklinik zu Narburg i. H.) Der Wunsch ,Durchschnitte in situ yore accommo- dirten sowie ruhenden Auge zu gewinnen" nnd so ,,am besten tiber den Vorgang der Accommodation eine defini- tire Vorstellung zu erlangen", wurde zuerst yon Hensen und VSlckers (1868) ausgesprochen. Mit den Worten jener beiden Antoren Ieitete ich meine ,,physiologisch-ana- tomischen Untersuchungen tiber die Accommodation des Vogelauges" ein 1). Es wa- mir gelungen, das Vogelauge im Zustande der Accommodatidn zu fixiren und so der mikroskopischen Untersuchung zug~ngl~ch zu machen. War somit die Methodik der Untersuchnng ausgebildet, so musste yon Neuem der Wunsch lebh~ft werden, auch yore Menschen- auge die entsprechenden Sclmitte zu erhalten. Der einzige Weg, der hier vielleicht zum Ziele fiihren kSnnte, scheint mir der zu sein, Verbrebhern, welche zum Tode verurtheilt sind, Atropin bezw. Eserin zu instilliren nnd sofort post executionem beide Bulbi zur Fiximng zu enueleiren. ~ier- zu dtirfte jedoch vom Justizministerium die Erlaubniss nicht zu erhalten sein. Aber selbst wenn dieser Yersuch ge- I) v. Graefe's Arch. f. 0phthalm. XLV. 3. S. 469. v. Graefe's Archly f~r Ophthalmologie. XLIX. 1. 1

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Die Anatomie des aecommodirten Auges. ~ i i k r o s k o p i s e h e

F i x i r u n g des A e c o m m o d a t i o n s a c t e s .

Von

Dr. L. H e i n e , Privatdoeenten in Breslau.

Hierzu Tar. ~, Fig, 1--5 und 2 Figuren im Text,

(Aus der Universit~tsaugenklinik zu Narburg i. H.)

Der Wunsch ,Durchschnitte in situ yore accommo- dirten sowie ruhenden Auge zu gewinnen" nnd so ,,am besten tiber den Vorgang der Accommodation eine defini- tire Vorstellung zu erlangen", wurde zuerst yon H e n s e n und VSlckers (1868) ausgesprochen. Mit den Worten jener beiden Antoren Ieitete ich meine ,,physiologisch-ana- tomischen Untersuchungen tiber die Accommodation des Vogelauges" ein 1). Es wa- mir gelungen, das Vogelauge im Zustande der Accommodatidn zu fixiren und so der mikroskopischen Untersuchung zug~ngl~ch zu machen. War somit die Methodik der Untersuchnng ausgebildet, so musste yon Neuem der Wunsch lebh~ft werden, auch yore Menschen- auge die entsprechenden Sclmitte zu erhalten. Der einzige Weg, der hier vielleicht zum Ziele fiihren kSnnte, scheint mir der zu sein, Verbrebhern, welche zum Tode verurtheilt sind, Atropin bezw. Eserin zu instilliren nnd sofort post executionem beide Bulbi zur Fiximng zu enueleiren. ~ier- zu dtirfte jedoch vom Justizministerium die Erlaubniss nicht zu erhalten sein. Aber selbst wenn dieser Yersuch ge-

I) v. Graefe's Arch. f. 0phthalm. XLV. 3. S. 469. v. Graefe's Archly f~r Ophthalmologie. XLIX. 1. 1

~9 L. Heine.

gestattet werden sollte, so ist es immerhin fraglich, ob die dicke mensehliche Sklera die Fixationsfliissigkeit schnell genng eindringen i~isst. Es ist vielleicht zu f;trchten, dass die Binnenmusknlatur bereits in eine Cadaverstellung abe> gegangen is{c, bevoe die Fliissigkeit geniigend eingedrungen ist. Den Bulbus zu erSffnen and so die Fixirung zu be- sehlem~igml halts ieh fiir prineipielt falsch.

So versuchte ich es nun mit Neugeborenen. Es stan- den mir mehrere Neugeborene dnrch die Giite des Herrn @eheimrath A h l f e l d zne Verftignng, deren ether soeben abgestorben war~ deren anderer dureh Perforation abget6dtet und entwickelt werden rnusste. Dnrch heisse Tiicher hielt ich die kleinen Leichen m5gli&st lgnge warm, instillii%e einerseits Eseril~, m~dererseits Atropin nnd bekam so wohl noch eine geringe Pupillendifferm~z, doeh keine Accommo- dation. Anatomische Verschiedenheiten beider Augen er- wartete ich demnach nicht nnd land sic auch nieht. G leieh- wohl kann man rich skiaskopisch leicht tiberzeugen, dass Neugeborene bereits iiber ein ansgiebiges Aceommoda~ions- vermiSgen verfiigen (Hess, Entw. und gegenwgrtiger Stand der Lehre yon der Knrzsiehtigkeit., 3.'Iarburg 1898. S. 3).

Hunde, Katzen nnd Km~inehen gaben ebenfalls ein durchgus negatives Resultat. Da c~ese Thiere nach de~l Untersuehungen yon Hess und mir *) nur ein ganz rudi- mentiires Aeeommodationsverm/Sgen besitzen, so ist das nieht befremdlieh.

Fiir Experimente in der gedachten l~iehtung blieben aIso nut Affen tiblig.

Bet diesen Thieren, wetehe tiber ein sehr ausgiebiges Aeeommodationsverm/Jgen verfiigen=), ist es mir nach eini- gen Niihen in der That gelnngen, den Status accommoda- tionis zu fixiren.

Dabei ging ich folgendermaassen vet: der Affe (ira

~) v. Oraefe's Arch. f. Ophthalm. XLVI. S. 943. '~) Hess und Heine lee. eit.

Die Anatomie des aceommodirten Auges.

Fall% yon dem die abgebildeten Pr~ipa~'ate stammen, ein 2 bis 3j~hriger Javaaffe) wurde durch Aether narkotisirt und dsnn die Refraction der Augen skiaskopisch bestimmt, Sie betrug beiderseits geringe ttyperopie yon ca. 1 D.

Nun wurde L. Eserin, R. Atropin in den fiir den Menschen iiblichen Concentrationen (Eserin ~/~°/oig , Afro- pin 1 °/oig ) instillirt. Nach 5 Minuten wurde zum zweiten Mal, nach wiecler 5 Miuuten zum dritten MaI je ein Tropfen der Alkaloidl/Ssung in den Conjunktivatsack eingebracht. Naeh ca. ~/~ Stunde war die Atropinpupille erheblioh erweiter% wenn sie auch bei den Affen selten relativ solche Dimen- sionen annimmt wie beim Menschen. Die ]Left-action blieb dabei ann~hemd dieselbe. Die Eserinpupille verengerte sich stark, doch ebenfalls nicht in dem Maasse wie beim Men- schen, so dass beim Affen mit Leichtigkeit noch 10, 12 ja 14D Accommodation nachgewiesen werden konnten.

Nnn wurden beide Bulbi mit mSglichster Geschwindig- keit nach Resection der Lider enucleirt, in kSrperwarme F lemming ' sehe M ischung gebraeht und hierin 2~ Stun- den im Briitofgn belassen. Nach einigen Stunden Ver- weilen in der Fixationsfltissigkeit blgttert die Sklera gern ab, was indess die Form des Bulbus ni&t zu ¥erSndern braucht~ da die Chorioidea zusammen mit den SkIeral- resten oft geniigt, die Formen zu erhalten.

Nicht immer gelingt es, die gussere Form so zu eon- serviren, dass auch die weiteren zur Celloidineinbetttmg nSthigen Proceduren gliicldich iiberwunden werden. Die Bflder die man an solchen Prgparateu erhglt, sind daher nicht so iiberzeugend, wie die, bei denen keine Verkniekungen stattgefunden haben; yon letzteren Prgparaten stammen die gegebenen Abbildungen. Die Bulbi wurden in I-Iorizontal-, die letzteren zwei in Verticalserien geschnitten. Die mitt- leren Schnitte enthalten gleichzeitig Opticus und Pupille, entsprechen sich also dnrchaus und sind unmittelbar mit einander zu vergleiehen.

1"

4 L . H e i n e .

Zeiclmet man bei Loupenvergr5sserung mit dem Edinger ' sehen Apparat den vorderen Bulbusabschnitt des Atropinauges und schiebt nlan dann an Stelle des ge~ zeichneten Pr@ar~ates den entsprechenden Schnitt des Eserin- auges~ ohne das Geringste in der Einstellung zu Bndern~ so dec],:en sich die Corneae und die Qaersehnitte des Sehlemm'sehen Canals nasal und temporal (bezw. oben und unten) genau.

\

Fig, 1. Pigmencontour. accommodirt~ . . . . . . . . . . . nicht accommodirt.

Auch die Linsenfbrm l~sst, abgesehen yon einer ge- ringen Abstumpfung des Aequatorwinkels im Eserinauge keine durchgreifenden Unterschiede erkennen~ im Speciellen steht vorderer mid hinterer Pol im Atropin- und Eserin- augc an, genau derselben Stelle. Aueh bier zcigt sich also wieder~ wie ich setloa friiher bemerkt babe, die Unzuver- 15ssigkeit unserer H~rtungsmittel fiir die Fixation der Linse.

Anders Corpus c i t i a re und I r i s : Die Pupille des Eserinauges ist 2~5 ram; dis des Atropin-

auges 4mm. Die Iris ist im Atropinauge dementprechend etwas dicker.

Die Anatonfie des accommodirten Auges.

In der Form des Corpus ciliare (eL Textfigur t und Taf. I, Fig. 1 bis 4) fgllt sofort in die Augsn die Ver- schiebung nach vorn und innen, im gleiehen Sinne ver- schiebt sich auch dis Iriswurzel. Dadurch wird der F o n - tana 'sche Balkenraam entfaltet und das Lm-nen des Schlemm'sehen Ca.nals zug~nglicher gemaeht, wShrend im Atropinauge tier Balkenraum collabirt ist (el. Tar. I~ Fig. 1 und 2). Die Proeessus ciliares riicken dem Linsen-

Fig. 2. Muskelcontour. accommod~rt, ............ n icht accommodirt.

~quator mid zugleich der IAnsenvorderfl~i&e nigher. Dieses Verhalten ist ein durchgreifendes : Zeiehnet man im E din- ger'schen Appara{ nach der oben angegebenen Methode die ganze Serie der Papillenschnitte, so ist yon sgmmt- lichen Sehnitten des Eserinauges tier Xranz der Processus ciliares coneentrisch verengt gegsntiber denen des Atropin- auges. Dadureh ist ausgesehlossen, dass in einem Schnitt aus dem Atropinauge zufgllig ein Spalt zwischen zwei Pro- cessus, im Eserinauge dagegen die First eines Processus getroffen sein kSm~te, was eine ghnliche Verselfiebung des Ciliark0rpers vort~uschen kSnnte.

6 L. Heine.

Der Eserinmuskd endlich selbst zeigt in den dem S ch lemm' schen Canal zunS~ehst gelegenen Parthieen durch- weg weniger l~ngs getroffene Fasern (cf. Fig. 1 und 2 anf Taf. I), als der Atropinmuskd. Ns erkIgrt st& dieses daraus~ dass aueh die sogenannten ,,Sagittal"fasern zum grossen Theft nieht eigentlieh genau sagittal, sondern in einem Bogen verlaufen, der vorn am Corneosklerallimbus bezw. am Lig. peet. zwar sagittal beginnen kann~ dann abet bald mehr oder minder schrige Riehtung annimmt; oder nmgekehrt kann eine Faser ml~ Aequator des Bulbus sagittal verlaufen, dann abet im weiteren Verlauf nach vorn etwas naeh reehts oder links abwei&en. Ftir das Tauben- auge, wel&es im gelghmten Zustand nut ,,SagittM"fasem zu fiihren seheint, habe ieh a. a. O. diese VerhNtnisse ans- fiihrlich darzulegen ~versneht. Ferner zeigt der eserinisirte Oiliarmuskel in den dem Linsenttquator benachbarten Theilen mehr Querschnitte als der Atropinmuskel. Der Muskel- banch ist nach vorn and innen verschoben. Ausdrttck- lieh betont set, dass dieses VerhMten dur&weg in der ganzen Serie der mittleren Schnitte beobachtet wurde, dass es also nicht eineo,,zufillige" Differenz zweier Schnitte ist.

Man beaohte die Aelan]i&keit des Atropinmuskels mit dem sogenannten myopischen und die Aehnlichkeit des Eserinmuskels mit dem sogenannbn hypevopisehen Citiar- muskel (Iwanoff) .

Es liegt auf tier I-land, dass sich die geschilderten Ver- hiltnisse, zmnal die Differenzen zwischen atropinisirtem und eserinisirtem N uskel nur im Sinne der yon v. H e l m h o l t z zuerst attfgestellten Accommodationstheorie verstehen lassen.

Einiges Interesse diirfte noeh Bild 5, Tar. I erweeken: das Auge war eserinisirt und wurde sofort bet der Enu- deation durch einen Sdmitt am Bulbusiiquator er~fi~let, so dass etwas Glaskgrper abfloss, es wurde also eine aus- giebige Selerotomia posterior gemaeht. Der Effect ist sehr interessant: die Linse ist naeh hinten geriickt, die Iris ge-

Die Anatomie des aeeommodirten Auges.

f~ttelt und ebenfalls rLiekw~rts verlagert. Der Ciliarmuskel lisst nur noch wenig ,,Sagittal"fasern, dafiir abet um so mehr rings- und sehr~gverlaufende Fasern erkennen, die Form ist die eines exh~em eontrahirten Muskels, die Fon- tana'schen Balken sind gespreizt, tier S ehlemm'sehe Canal ktaffend weir, die zngehSrige Skleralparthie naeh dem Bul- businnern zu prominent. Diese interessante Gestaltsver- ~nderung des Muskels daft indess nieht, wie man geneigt sein kSnnte anzunehmen, als direete Eserinwirkung aufge- fasst werden, denn das Experiment, mit einem Atropin- muskel wiederholt, gab das gleiehe Resultat. Wie diese Gestaltsverinderung des Ciliarmuskels zu erki~ren ist, bezw. dur& welehe Krifte sie im sklerotomirten Auge hervor- gerufen wird, muss erst dureh weitere Experimente unter- sueht werden. Da der Skteralsehnitt nieht gross war, son- dern nut eben tang genug gemaeht wmde, so dass ein Theft Corpus austreten konnte, so kann der Einwand nieht erhoben werden, dass durch den Sehnitt etwa die Inser- tion des Muskels am Aequator zmn grossen Theil dureh- trennt and die Muskehnasse dadureh naeh vorn zusammen- geschoben sei.

Die gt inst ige W i r k u n g der S c l e ro tomia pos t e r io r bei gewissen Formen des G laukoms diirf~e dieses Bild gut veranschauli&en~ wihrend die oben besehriebenen ¥er- ~nderungen den gt ins t igen E in f lu s s der normalen~ bezw. der E s e r i n a c e o m m o d a t i o n auf dasse lbe L e i d e n zu demonstriren geeignet erseheinen.

tIerrn Professor Hess danke ieh vielmals ftir seine fl°eundliehe Unterstiitzung bei den Versuehen sowie fib das kostbare Material.

E r k I ~ r u n g der A b b i l d u n g e n auf Taf. I. Die Abbildungen sind naeh Nikrophotogrammen angefertigt.

t)/./, (.'ilzcJt.~,zd,'~'/....{fJi' ,.IIrol)m

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